VON TORSTEN SCHWANKE
ERSTER GESANG
Gott, o mein Gott, du Gottheit voll Erbarmen,
Du schufest alle Sphären durch dein Wort.
Der Mensch, er kam aus deiner Weisheit warmen
Urmütterlichen Herzen, wo der Hort
Der Ruhe ist. Er soll mit seinen Armen
Die Kreaturen tragen fort und fort,
Der Weisheit folgen in Barmherzigkeit,
Dir, Gott, in deiner reinen Heiligkeit!
Sohn einer Frau bin ich, o Herr, dein Sklave,
Ich bin ein schwacher Mensch und sehr gering
Ist die Erkenntnis, die ich habe, Jahwe!
Gib, daß ich zu der Weisheit aufwärts dring,
Gewähr, daß ich in römischer Oktave
Die Rühmung deines ersten Jüngers sing.
Geweiht der schönen Weisheit sei ein schlichter
Gesang zu Gottes Ruhm von seinem Dichter.
Mit Jahwe ist die Weisheit, die man nennt
Mitschöpferin der Meere und der Berge,
Die Tal und Teich und Nacht und Nebel kennt
Und Deich und Düne, all des Wortes Werke,
Die jener, dem sie es gewährt, erkennt,
Daß er sie nennt im Herzen seine Stärke.
So sende sie vom Thron der Herrlichkeit,
Daß sie mit mir sei meines Wirkens Zeit.
Sie leite mich in meinem Werk besonnen,
Das ich vollbringen möchte in der Welt;
Sie spende meinem Geiste süße Wonnen,
Selbst wenn mich übel engt des Leibes Zelt;
Sie spende reinen Tau aus ihrem Bronnen
Und sei ein Leben lang mir zugesellt.
Denn wer kann singen, daß es ruhmvoll heißt
Und tugendsam, als nur durch deinen Geist!
Drum hat die Weisheit in dies Buch geschrieben:
Der wird mich finden, der mich ernsthaft sucht!
Ich liebe herzlich alle, die mich lieben,
Und besser ist als Feingold meine Frucht.
Die Weisheit ist den Menschen treu geblieben,
Doch untreu ist die Torheit und verrucht.
All jenen, welche lieb im Herzen haben
Die Weisheit, spendet sie des Geistes Gaben.
Jehowah schuf mich einst im Anbeginn,
Bevor die Wege er betrat der Zeit.
Bevor die Erde wurde, war ich in
Jehowahs Geiste alle Ewigkeit.
Ich war in seinem Mutterschoße drin,
Bevor die Meere wogten weit und breit.
Vorm Werden erster wasserreicher Quellen
Wollt Jahwe sich die Weisheit zugesellen.
Als er das dunkle Firmament gebogen,
War ich schon längst, vor seinem ersten Stern,
Bevor die ersten Wolken sind geflogen,
Da hatte er mich schon im Herzen gern,
Und als er fluten ließ des Meeres Wogen,
Sah ich als Taube schwebend zu von fern.
Der Erde Fundamente und den Wind
Schuf er durch mich, sein meistgeliebtes Kind.
Ich war an jedem Tage seine Wonne
Und habe Jahwe Nacht für Nacht erfreut.
Ich spielte mit der Erde, mit der Sonne,
Als Kind vor seinem Throne allezeit.
Die Torheit aber packt ich in die Tonne
Und trug sie in den Abgrund tief und weit.
Wohl dem, der auf mich hört und Nacht für Nacht
An meinem kristallklaren Tore wacht!
Ich kam hervor aus Gottes süßem Mund
Und sang entflammt wie sieben Feuerzungen.
Auf einer Wolkensäule rein und rund
Mein Thron steht von den Scharen schön umschwungen.
Den Himmelskreis umschritt ich Stund um Stund,
Bin in die Tiefe des Abyss gedrungen.
Ich wollte über Meereswogen wohnen
Mit meiner Herrschaft über die Nationen.
Bis in die Ewigkeit vergeh ich nicht
Und bin die Königin der neuen Welt.
Ja, auf der Menorah war ich das Licht
Und war die Wolke in dem heiligen Zelt.
Zum Berge Sion wandt ich mein Gesicht,
Hab in Jerusalem mich aufgestellt.
Inmitten meiner Engelsschar vom Jabbok
Wollt wohnen ich in meinem Volke Jakob.
Wie eine Zeder auf dem Libanon
Wuchs ich, der Bäume Königin, empor.
Als Ulme mit der Rebe in Union
Stand ich als Königin im Sangeschor.
Als Oleander mit dem Sangeston
Der Nachtigallen in dem Maienflor
Hab ich geblüht als Königin der Psalmen
Und war die Höchste aller hohen Palmen.
Wie Mastix- und wie Myrrheharze süß
Bin ich und wie der Onych Wohlgeruch.
Aus meiner Staude linder Balsam fließt
Und gibt den Wunden Linderung genug.
Mein Reden ist das Wort vom Paradies
Und steht geschrieben in des Lebens Buch.
Mein Lebensbaum ist weithin wipfelkronig.
Als Königin der Bienen geb ich Honig.
Wohl dem, der über Weisheit sinnt und sinnt
Und meditierend sich um Einsicht müht,
Der mütterlichen Weisheit folgt als Kind
Und für die heilige Erkenntnis glüht,
Der horchend steht, wo ihre Tore sind
Und der begierig in ihr Fenster sieht,
Der baut in ihrem Baum ein Nest und stellt
Nah ihrer Wohnung auf sein kleines Zelt.
Wohl dem, der solches tut, der Jahwe ehrt,
Der an der Schrift festhält und heilig handelt,
Der wird erfahren, was die Weisheit lehrt,
Und mehr und mehr so wandeln, wie sie wandelt.
Den wird sie lieben, der sie heiß begehrt,
Wird lieben ihn als Braut, der sie behandelt
Nicht etwa so wie eine wüste Närrin,
Vielmehr als seines Herzens hohe Herrin!
Sie wird ihn nähren mit der Klugheit Brot
Und mit der Wahrheit wundervollem Wein.
Die immer ihm der Einsicht Wasser bot,
Die wird ihm Pfirsich der Erkenntnis sein
Und ohne Sünde, denn des Herrn Gebot
Ist auch das Wort der Weisheit, wahr und rein.
Und so wird von der Weisheit Wunderspeise
Der Weisheitliebende in Wahrheit weise.
Er möge sich an ihre Schulter lehnen
Und ihr vertrauen, und er wird nicht fallen.
Sie wird erkennen seiner Seele Sehnen,
Ihm geben mehr an Lob und Ruhm als allen
Den Törichten, und gleich dem Sang von Schwänen
Prophetisch wird ihm seine Stimme schallen
Zu Gottes Ruhm. Wo Fromme sich versammeln,
Da wird er lachen, lallen, stottern, stammeln.
Den Übeltätern ist sie unerreichbar
Und Unbeherrschte werden sie nicht schauen.
Die Wahrheit ist mit Lüge nicht vergleichbar,
Mit Huren nicht vergleichbar keusche Frauen.
Wie soll der loben, der an Wildheit reich war,
Die milde Weisheit in den Maien-Auen?
Der Mund des Weisen singe Gotteslob
Und unterrichte alles Volk darob.
Verlangt nach meinem Wort mit vollem Sehnen,
Dann werdet ihr Belehrung wohl empfangen.
Seht unvergänglich sich die Weisheit dehnen
In ihrem Strahlenglanz und Lichterprangen.
Ihr möget euch in Liebe an sie lehnen,
Sie schenkt sich denen, die nach ihr verlangen.
Wer sie am Morgen sucht in goldner Frühe,
Da singt sie süß, da braucht es keine Mühe.
Das ist die Klugheit: Über sie zu sinnen,
Und sorglos ist, wer ihretwegen wacht.
Sie geht einher, die Würdigen zu minnen,
Und leuchtet ihren Wegen in der Nacht.
Begehr nach Bildungsgut ist ihr Beginnen,
Doch Liebe, das ist ihre wahre Macht!
O daß ich stets in Gottes Nähe bliebe
Und lebe nach der Weisheit: das ist Liebe!
Wer sucht die Weisheit und sie ist ihm gnädig,
Der wird in dieser Welt ein rechter Walter
Und waltet über Gutes, ists auch wenig,
So ists doch recht in Tugend. Und das Alter
Vermählt sich mit der Weisheit, wird ein König
Und lobt und preist und rühmet mit dem Psalter.
Und wenn er seines Lebens Weisheit schriebe,
So ist es alles Liebe, Liebe, Liebe!
Mein Sohn, du lern von meinen Worten Zucht,
So wirst du weise, wenn du auch ergraust.
Geh auf sie zu und pflücke ihre Frucht,
Auf daß du ihre süße Schönheit schaust.
Den Narren ist sie lästig und verrucht.
Doch sieh, daß du dein Haus auf Felsen baust,
Wie auf Moria steht Jerusalem.
Nur Toren ist die Tugend unbequem.
Bring deine Füße in der Weisheit Fesseln
Und neig den Nacken unters Tugendjoch.
Geh nicht den Weg in Disteln und in Nesseln,
Geh auf der Weisheit wahrem Wege doch!
Lausch immerdar den Weisen in den Sesseln
Und du wirst Ruhe finden noch und noch.
Die Fessel wird zum Schutz in allen Ländern,
Der Weisheit Strick zu goldenen Gewändern!
Ihr Joch wird dir zu goldnem Diadem,
Der Weisheit Garn wird dir zu Purpurschleifen.
Die Weisheit wird dir Mantel angenehm,
Du trage sie wie einen Kronenreifen.
Die Weisheit predigt in Jerusalem,
Du mußt nicht länger durch die Länder schweifen,
Lausch du in der Versammlung süß und milde
Dem Ruf der Weisheit, auf daß sie dich bilde.
Verweile gerne in der Alten Kreisen
Und schließ dich an dem Volk von hohen Tagen,
Da wird die Weisheit dir die Wege weisen.
Du eile, weisen Menschen nachzujagen,
Und lausche allezeit dem lieblich leisen
Lied wahrer Weisheit, dann mußt du nicht klagen
Über die Torheit deines Herzens. Siehe,
Die Weisheit sitzt vor deiner Türe frühe.
Und siehe, alle Weisheit kommt vom Herrn
Und alle Ewigkeit ist sie bei ihm.
Den Sand des Meeres, Regentropfen, Stern
An Stern und Heeresscharen Seraphim,
Der Wiesen Halme, der Granaten Kern
An Kern - wer zählte alle? Sehr sublim
Ist Gottes Weisheit. Auch versteht der Herr,
Wenn ich nach Muttermilch der Weisheit plärr!
Das Himmelreich der wieviel Himmel - wessen
Wohnort ist dies und wer hat es geschaut?
Wer hat der Erde ganzen Kreis besessen
Und rief die ganze Menschheit sich als Braut?
Wer maß die Ozeane unermessen
Und wer befahl dem Eise, daß es taut,
Und wer bemaß mit welchem Maß die Eiszeit
Und schuf den Schnee? Das war die Gottesweisheit!
Der Weisheit Wurzel, wem ward sie enthüllt,
Wer sah der Weisheit grünen Lebensbaum?
Wer schob den Schleier von dem Gnadenbild?
Wer sah der Weisheit Lieblichkeit im Traum?
Wer weiß von ihrem Plane gnadenmild?
Wer sah die Königin im Sternenraum?
Ach alle sind wir Toren, klug ist keiner!
Vollkommne wahre Weisheit hat nur Einer!
Der aber kann sie seinen Menschen geben,
Wie er sie in den Werken ausgegossen.
Die Menschen müssen nur nach Weisheit streben
Und steigen auf der Weisheit Leitersprossen,
Dann werden schauen sie das wahre Leben.
In Ewigkeit wird wunderbar genossen
Der Weisheit mütterliches Angesicht
Von dem, der mit ihr im Gebete spricht.
Dies Lied soll sein ein heiliger Gesang
Und reden soll Elia hier mit Mose.
Der Schritt soll hallen hier vom Botengang,
Die Weisheit sei gepriesen als famose.
Der Klang soll geben den Gedankengang.
Ein Leben lang will preisen ich die Rose
Der Liebe Gottes, seiner Weisheit Blume,
Und jeder Reim sei zu des Retters Ruhme!
Das Lied soll strömen wie der Jangtsekiang
Und fluten wie der gelbe Vater Nil,
Soll strömen wie der Rhein vom Alpenhang
Und spielen wie ein Kind der Weisheit Spiel,
Und wie des Amazonas Schwall und Schwang
Der Wasser der Erkenntnis führen viel,
Wie Phrat und Tigris in dem ersten Garten
Und singen vom Messias wie der Jarden.
Die Weisheit ist ja selber wie ein Bach
Und wie Kanäle und der schlanke Jarden
Aus den drei Quellen, und sie wässert jach
Mit ihren Wassern wunderschönen Garten,
Wo Blumenaugen schauen blau und wach,
Und Rose steht mit schwesterlichen Arten,
Die lichten Lilien, schlichtesten Reseden,
Die Osterglocken seufzen sehr nach Eden.
So soll mein Lied mir blühen wie die Blume
Und golden glänzen wie die Morgenröten.
Drum mög mir strömen aus dem Heiligtume
Die inspirierte Weisheit der Propheten,
Auf daß ich weise sing zu Gottes Ruhme
Mit Charisma der heiligen Poeten
Und lehre singend Generationen
Kommender Zeiten, die auf Erden wohnen.
Denn in ihr ist ein Geist gedankenvoll,
Denn in der Weisheit ist ein Geist sehr zart,
Ein Geist durchdringend und geheimnisvoll,
Ein Geist beweglich wie ein Leopard,
Das Gute liebend, rein und lebensvoll,
Ein Geist, in Gottes Herzen wohlverwahrt,
Wohltätig, menschenfreundlich, nicht zu hemmen,
Von aller Sünde nimmer fortzuschwemmen.
Ja, in der Weisheit wohnt ein Geist durchdringend
Die unermessne Schar der Menschengeister,
Die Körper mit der Zucht der Tugend zwingend
Und aller gottgeschaffnen Seelen Meister,
Ein Geist, in allen Lobgesängen singend
Zu Gott, der Geist der wahren Liebe heißt er,
Die allerlei erfüllt in ihrer Reinheit
Und schöner Ausfluß ist aus Gottes Einheit.
Von Gottes Macht und Kraft ist sie ein Hauch
Und Widerschein von Gottes Herrlichkeit.
Ihr Spiegel wird befleckt von keinem Rauch,
Aufs Bild der herrlichen Vollkommenheit
Fällt schwarzer Schatten nicht noch Makel. Auch
Ist sie nur Eine ( wie die Eine Maid
Der eine Dichter liebt) und kann doch alles,
Nie ändert sie sich und erneuert alles.
Seit langem geht sie in die Seelen ein
Und bildet Freunde Gottes und Propheten,
Die schöner als der Morgensonne Schein
Und süßer als Gesänge der Poeten,
Macht trunkener als roter Rebenwein,
Anziehender ist sie als die Magneten,
All dies vergeht, doch sie bleibt ohne Makel,
Weil Jahwe wohnt in ihrem Tabernakel!
Die Weisheit mag bei frommen Menschen wohnen
Und weilen noch bei Kind und Kindeskind,
Die Frommen wird sie mit Grenaten lohnen
Und ihre Seelen mit dem Süßwein lind.
Sie gibt den Gottehrfürchtigen die Kronen
Des Ruhmes. Alles andere ist Wind
Und Jagd nach Hauch und eitlem Luftgespinst.
Nur Weisheit suchen wahrhaft ist Gewinst.
Ihr Haus ist angefüllt mit Jaspis, Jade,
Türkis, Smaragd, Saphir, Rubin und Gold,
Wertvoller ist sie selbst; und ihre Gnade
Verschenkt sich selbst und ist den Herzen hold.
Sie gab das Wort, das in der Bundeslade
Inkorporiert, das nur der Sünde grollt.
Die Speicher füllt sie an mit wahren Gütern:
Der Liebe Heiligkeit in den Gemütern.
Die Weisheit ist ein starker Wanderstab
Und rechte Stütze auf der Pilgerschaft.
Die Weisheit gibt den Denkmalstein am Grab,
Da sie des Menschen wahren Ruhm erschafft.
Sie ist es, die dem Adam Leben gab
Und ruft ihn in die Ewigkeit mit Kraft.
Der Weisheit Wurzel: Gottesreverenz!
Ewiges Leben blüht der Liebe Lenz!
Sie habe ich geliebt in meiner Jugend,
Gedenk auch heute liebend ihrer Schöne.
Sie ist die reine Lehrerin der Tugend,
Ihr tropfe meiner Buß und Reue Träne.
Seid nicht wie geile Geisterfüchse lugend
Und nicht gelenkt vom Wallen eurer Vene!
Sie ist die Meisterin der Herzensreinheit,
Es lebt in ihrer Liebe die All-Einheit!
Bei Gott zu sein ist Grund für ihren Adel,
Der Herr des Universums hat sie lieb,
Die eingeweiht in Tugend, die den Tadel
Den Sündern über ihre Sünde schrieb.
Sie wob den Faden, zog ihn durch die Nadel
Und stickte in die Windel, was da blieb
In einem Menschenleben sein Geschick:
Die vielen Tränen und das kleine Glück.
Wenn einer vor der Klugheit Schriften saß,
War sie die wundervollste Meisterin.
Sie lehrt die Klugheit und das rechte Maß
Und Tugend für die Sinne und den Sinn.
Die Weisheit küssen ist der rechte Spaß,
Ein Kuß und alles andere geht hin!
Sie gibt, daß einer trägt mit Tapferkeit
Sein Lebensleid und sucht Gerechtigkeit.
Wenn jemand strebt nach reichlicher Erfahrung:
Sie kennt die Zukunft und Vergangenheit.
Sie ist der wahren Schönheit Offenbarung
Und kündet die Erlösung allem Leid
Und gibt den Menschengeistern Geistesnahrung
Wie eine Mutter, und ist eine Maid
Von wundervoller Sicht, die angeboten
In Gott den Ausgang aller Perioden.
Ich, Schwanke, wollte sie als Muse haben
Und immer lauschen ihrer Unterweisung,
Empfangen ihrer reinen Schönheit Gaben,
Die meiner Seele wundervolle Speisung.
Ihr Singen süßer ist als Honigwaben
Und voller herrlich ewiger Verheißung.
Sie führt mich in der Liebe Heiligtum
Und ist der Grund für meinen edlen Ruhm!
Sie liebend, steig ich zur Unsterblichkeit.
Sie sei Geliebte mir in meinem Alter,
Wenn alt ich werden sollte. Wenn ich heut
Hinschwebe wie ein ausgeschlüpfter Falter,
Begleite sie mich in die Ewigkeit!
Sie ewig liebend, nehme ich den Psalter
Und stimm dem unbedürftigen Bedarfe
Jehowahs die von ihr gespannte Harfe!
Und komm ich balde in die ewige Heimat,
Mög finden ich an ihrer Seite Ruh,
Wo sie auf Jahwe einen holden Reim hat
Und sagt zum göttlichen Messias: Du!
Weil sie von Gott der wahren Liebe Seim hat,
Drum ich, nicht wert zu tragen ihren Schuh,
Lieb sie mit allen Kräften, die ich habe,
Denn sie zu lieben, das ist Gottesgabe!
ZWEITER GESANG
O Jesus, o Sophia, du
Hast denen, die der Welt dich zeigen,
Verheißen ewigliche Ruh,
Drum laß mich singen und nicht schweigen.
1
Sophia zu erkennen ist
Erkenntnis edel und erhaben,
Denn aller Adel wohnt in Christ,
Der Weisheit ganze Gnadengaben.
Und Gottheit ist und Menschheit eins
In ihr, und Himmelreich und Erde,
Des kreatürlichen Vereins
All-Einheit heiliger Gebärde.
Der Inbegriff der Gotteswerke
Und Körper der Vollkommenheiten,
Sie ist das Feuer auf dem Berge
Und will ihr Volk als Wolke leiten.
Was irgendjemand wünschen kann
Ist sie, ein Schatz und eine Perle.
Ich selber, der ich traurig sann,
Ich wachs zu ihr wie eine Erle.
Die edle Perle dir erwirb
Und mußt du alles auch verkaufen.
Im Leide für Sophia stirb,
Sie wird dich mit dem Jubel taufen.
Der Weisheit rühme sich der Weise,
Er rühme sich, daß er sie kennt.
Der Sänger sing zu ihrem Preise,
Der er in süßer Minne brennt.
Hörst du auf sie, dann bist du glücklich
Und selig ist, wer sie ersehnt.
Auf ihrem Weg zu gehn ist schicklich,
Der sich zu Ewigkeiten dehnt.
Des Weisen Herz verspürt die Freude
Und selige Glückseligkeit
Und wohnt im heiligen Gebäude
Der Gottheit in der Ewigkeit.
So unvorstellbar wird sich freuen,
Wer da Sophias Schönheit schaut,
Sie wird verjüngen und erneuen
Ihn mit der Liebe einer Braut.
Wer trinken wird von ihren Brüsten
Die süße Milch der Freundlichkeit,
Nach anderm nicht wird ihn gelüsten
Als nach der Liebe Seligkeit.
Da rufe ich zu ihr: Dein Minnen
Ist süßer als der süße Wein,
Ist süßer als der Seim den Sinnen,
Ist süßer selbst als Liebespein!...
So kommt, der Göttlichen zu lauschen,
Sie singt euch zu so süß und schön:
O kommet all, euch zu berauschen,
An meiner Huld euch satt zu sehn!
Erkenntnis der Sophia kann
Nicht trösten nur, sie kann auch retten,
Sie bricht der Torheit Sündenbann
Und führt zu Edens Gartenstätten.
Vollendete Gerechtigkeit
Ist es, Sophia zu verstehen,
Und Wurzel der Unsterblichkeit,
Um ihre Schönheit einst zu sehen.
Wer leben will in Ewigkeit,
Der muß Sophia kennenlernen,
Die trägt der Sonne Strahlenkleid
Und Diadem von Morgensternen.
Und wollen wir die Heiligkeit
Der Seele, los zu sein von Sünden,
So müssen wir in dieser Zeit
Sophia suchen zu ergründen.
2
O Tiefe, Unermeßlichkeit
Der Weisheit, wer kann sie ergründen?
O Tiefe, Unbegreiflichkeit
Der Weisheit, ach wer kann sie finden?
Und welcher Mensch und welcher Engel
Kann ihren Ursprung mir erklären?
Zahllos sind deine Kinder, Enkel,
Die neue Welt wirst du gebären.
Daß mich dein helles Licht nicht blendet,
Drum schließ ich meine Augen zu.
O deiner Schönheit Glanz nie endet
Und glüht und schimmert immerzu!
Wer könnte deine Schönheit schildern
Und deine Schönheit nicht entstellen,
Du Inbild allen Ebenbildern,
Du Reinheit vor den Sündenfällen.
Wer deine Schönheit will ergründen
Und nicht erschlagen werden will
In seiner Seele Schuld und Sünden,
Der bete an und bleibe still.
Du bist ein Hauch der Gotteskraft,
Auf deine Schönheit fällt kein Schatten.
Nimm du mit meiner Leidenschaft,
Sophia, meinen Geist zum Gatten! -
O Widerschein des Gotteslichts,
Du Gottes ungetrübter Spiegel,
Du Ausfluß aus dem Ewigen Nichts,
Du unter aller Schöpfung Siegel,
Bild göttlicher Vollkommenheit,
Idee der Schönheit, laß dich schauen.
Du warest im Beginn der Zeit,
Warst in der Schöpfung Morgengrauen.
Vor allen Zeiten du gezeugt,
Von Gott zum Ebenbild erkoren,
Als noch in Nacht die Meerflut schweigt,
Hat Gott als Mutter dich geboren.
Gott hat an deiner Schönheit Schimmer
Gefallen allezeit gefunden;
Der Gottheit Lieblingstochter immer,
Sophia, Heilerin der Wunden.
Darf einer schauen deine Klarheit,
Dem wird Ekstase und Entzücken,
Denn wunderschön ist deine Wahrheit,
Dein Gutsein weiß so schön zu blicken.
(Und heben Menschen ihre Herzen,
Dann gleichen sie der stolzen Zeder.
Gedenken sie der Todesschmerzen,
Ist ähnlich der Zypresse jeder.
Wenn sie des Lebens Mühen tragen
In Demut, gleichen sie den Palmen.
Mit Palmen in den Händen klagen
Die Seligen mit Davids Psalmen.
In dem Martyrium der Leiden
Wird gleich der Mensch der roten Rose.
Der Gärtner wird sie ewig weiden
Und bergen sie die Dornenlose.
Die leben in der Wüstendürre
Und niemand weiß von ihrem Namen,
Die ähneln da der bittern Myrrhe
Und ähneln lieblichen Balsamen.)
Sophia, Mutter du und Quelle
Des schönen Guten, alles lassen
Will ich und auf des Lebens Welle
Die Schönheit deines Wesens fassen.
Du schenkst dich dem, der dich begehrt,
Der sich mit Eifer nach dir sehnt.
Die Weisheit wahre Weisheit lehrt
Dem Menschen, der sich weise wähnt.
Notwendige Erleuchtung will
Und Geistbegabung ich erwerben.
Ich ehr die Gottheit, bete still
Und bin bereit, für sie zu sterben.
3
Sophia aus der Gottheit Schoß
Sich in der Schöpfung offenbart.
Sie schuf im Worte makellos,
Der Welten Mutter rein und zart.
Sophia, Meisterin der Dinge
Und Mutter aller Lebewesen,
Hör wie ich dir als Herrin singe
Und deiner Gnade neunzig Thesen.
Sie schuf Geschöpfe in Gestalten,
Ging in sie ein und wohnet innen,
Zusammen alles Sein zu halten.
Der Innere wird sie gewinnen.
Vollkommne Schönheit der Natur
Gab sie und ordnete das All,
Gab Schönheit aller Kreatur
Und ordnete nach Maß und Zahl.
Dem Mond, der Sonne und den Sternen
Gab sie die Bahnen, Galaxien
Ließ schweben sie in Weltraumfernen,
Die alle zu der Gottheit ziehn.
Das Weltall in Genauigkeit
Schuf sie zum kosmischen Gebäude,
In reicher Mannigfaltigkeit
Als Spiel zu ihrer Gottheit Freude.
Abwechslungsreiche Jahreszeiten
Schuf sie und Sonnenschein und Schnee,
Das ganze Glück, die ganzen Leiden,
Ließ Hirschbock röhren, fliehn das Reh...
Sie schuf die Lilien und die Rosen,
Mariengras und Salomosiegel,
Vergißmeinnimmer und Mimosen,
Die Blaue Blume auf dem Hügel.
Im Grund ließ wachsen sie die Gräser
Und fliegen ließ sie Schmetterlinge
Zum Blumenkelch als Nektarleser.
Sie schuf des Engels schöne Schwinge.
Sie schuf den Balsam und den Wermut,
Saturnus schuf sie und die Venus.
Sie schuf das Heitre und die Schwermut.
- Lobpreis sei Jesus Nazarenus!
Wenn Macht und Lieblichkeit erscheinen
Bei Engeln, Sternen, Rosen, Affen,
Vielmehr noch aber, will ich meinen,
Im Menschen, welchen sie erschaffen.
Der Mensch ist ihrer Schönheit Bild
Und Gleichnis der Vollkommenheit,
Der Becher ihrer Gnade mild,
Schatzkammer aller Kostbarkeit,
Ihr Stellvertreter auf der Erde
Ist das Geschöpf der Schöpferin.
Und Mann und Mädchen durch das „Werde“
Erschaffen hat die Meisterin.
Sie gab Verstand, Gedächtnis, Willen,
Ihr Bild der Seele einzuprägen,
Mit Gottes Gnade sie zu füllen
Und ihr zu schenken Gottes Segen.
Sie gab dem Menschen Leib und Seele,
Er ist ein Engel und ein Tier.
Sein Herz war schön wie ein Juwele,
Sophia war es eine Zier.
Das Sein des Menschen war erleuchtet,
War frei von aller Häßlichkeit,
Von Lüsternheiten nicht befeuchtet
Und unverhüllt von Seelenleid.
Sein Herz erleuchtet von dem Licht
Der Weisheit, hat er sie erkannt.
Unschuldig-heiliges Gedicht
War seine Lust in ihrem Land.
Unsterblich ihm sein Körper blühte,
Unschuldig seine Seele war,
Sein Herz von Gottesliebe glühte,
Erleuchtet war sein Geist und klar.
Er war der Weisheit Meisterstück,
Er liebte seiner Gottheit Huld.
Das war der Mensch in seinem Glück,
Er kannte Sünde nicht und Schuld.
Vom Himmel fiel der lichte Stern,
Den Glanz verlor die goldne Sonne.
Er speiste von dem bittern Kerzn
Und fiel aus seinem Stand der Wonne.
Stumpfsinnig war sein Geist und blind,
Sein Herz war ausgebrannt und kalt,
Er war nicht mehr das frohe Kind,
Blieb als gebrechliche Gestalt.
Er kam sich selbst so häßlich vor,
Daß er vor Gott sich barg in Scham.
Und war doch einst im Seraphschor
Sophia wie ein Bräutigam.
Nun wußte er nicht mehr zu lieben,
Nun war das Leben nicht mehr süß,
So hatte ihn sein Fall vertrieben
Aus seiner Wonne Paradies.
4
Sophia in der lichten Schöne
Liebt als die Wahrheit alles Gute,
Der Menschen gute Herzenstöne,
Die Liebe in der Menschen Blute.
Sie sucht die Menschen in der Welt
Und geht in reine Seelen ein,
Sie sie in Liebe sich erwählt,
Sie sollen ihre Freunde sein.
Einst ging sie in das Herz des Mose,
Dem sie wie eine Flamme war,
Wie eine Flamme in der Rose
Und wie das Licht des Himmels klar.
Und tritt Sophia in die Seele,
Dann bringt sie mit das wahre Gut,
Der sieben Tugenden Juwele,
Wenn sie in einer Seele ruht.
Sie bringt die Wirkungen hervor
Der Klugheit und der Wissenschaft,
Ein lichtes Aug, ein offnes Ohr
Und Ordnung in der Leidenschaft.
Auch spendet sie der Dinge Kenntnis,
Auch reden kann durch sie der Stumme.
Sie reicht des Heiligen „Bekenntnis“
Und seiner Gottgelehrtheit „Summe“.
Sophias Wissen ist nicht trocken
Und nicht unfruchtbar und nicht dürre.
In Liebe schüttelt sie die Locken,
Die sind gesalbt mit Öl der Myrrhe.
Sophias Geist kennt jeden Laut,
Das Maß des Sanges und den Reim,
Poeten die ersehnte Braut,
Den Mystikern so tief geheim.
Beredt macht die die Menschenzungen,
Sie lehrt die manischen Poeten,
Von ihrer Redekunst durchdrungen
Sind ihre heiligen Propheten.
Sie öffnete den stummen Mund
Den Zöllner, Ärzten und den Fischern,
Sie gab das Wort der Liebe kund
Den Mädchen und den Salbenmischern.
Sie ist die Quelle wahrer Freude,
Der Gottheit Freude und der Engel,
Ist Freude für die guten Leute
Wie Blüte auf des Stieles Stengel.
Des Trostes und der Freude Quelle
Dem, der an ihr Gefallen fand.
Sie führt ihn in des Lichtes Helle
An ihrer arbeitsamen Hand.
Wenn ihr Gefährte kommt nach Haus,
Der mühte fern sich irgendwo,
Ruht er an ihrer Seite aus,
Sie macht ihn durch die Liebe froh.
Und muß ich auf den Berg, ans Meer,
Geh ich zu Kindern aus dem Volke,
Sophia wandelt vor mir her
Als Feuersäule oder Wolke.
Nur eines mag sie nicht: daß lau,
Nachlässig ihr Gefährte wird.
Mit Glut erfüllt die göttliche Frau
Ihn, den sie aus dem Geist gebiert.
Auch wird sie den Gefährten prüfen,
Er sei ihr treu und immer treuer,
Daß bete er die Apokryphen
Auch in der Seelentrübsal Feuer.
Im Feuer wird das Herz sie läutern,
Auf daß es werde rein wie Gold.
Und scheint der Mensch zuletzt zu scheitern,
Sophias Liebe bleibt ihm hold.
5
Die Weisheit ist ein Mensch geworden,
Der ganzen Schöpfungswelt zum Segen,
Um auf die Art den Menschheitsorden
Ihr freund zu werden zu bewegen.
Sophias menschliche Gestalt
War voller Liebenswürdigkeit,
Ihr Herz nicht hart, ihr Herz nicht kalt,
Das Antlitz ohne Häßlichkeit.
Ihr Ursprung ist aus Gottes Liebe
Und aus der Lust der sieben Geister,
So trat sie in das Weltgetriebe,
Unendliche liebevoller Meister.
Maria wurde auserkoren,
Die Liebliche, die war so zart,
Sie hat die Weisheit uns geboren,
Sophia, Mensch und Gott von Art.
Marias Schönheit, ohne Lüge,
Und ihre Liebenswürdigkeit,
Sie gaben Jesus ihre Züge
Der Schönheit und der Lieblichkeit.
Zutraulich war er wie ein Lamm,
Sanftmütig wie ein Mutterschäfchen.
Er trug die Schuld von Adams Stamm,
Er kam zur Freude für das Evchen...
Sophias Sanftmut, zum Entzücken,
Und ihre Liebe, ungelogen,
Kam, unsre Menschheit zu beglücken,
Sie hat die Welt an sich gezogen.
Der Name Jesus heißt: das Heil,
Das seligmachende Erretten.
Wir haben an Sophia teil,
Uns in der Gottheit Schoß zu betten.
Der Name Jesus ist so süß
Wie Honigseim dem Kindermunde,
Wie Wein im Houri-Paradies,
Ist Balsamsalbe jeder Wunde.
Messias ist von Angesicht
So lieblich wie in Wort und Werken,
Entzückend war sein Augenlicht,
Gottseele war darin zu merken.
Die Hirten sahn die schöne Milde
Des Kindes an wie einen Zauber,
Als ob im jüdischen Gefilde
Sie angeschaut Jehowahs Tauber.
Die Weisen aus dem Osten schauten
Des Kindes Schönheit an und Zierde,
Zu atmen sie sich kaum mehr trauten,
Vergaßen ihre Königswürde.
Die Schönheit und die Majestät
Des Angesichtes war so süß,
Daß jedes Kind im Lande fleht:
O bring mich in das Paradies!
Die Könige in fernen Reichen
Begehrten sehr von ihm ein Bild.
Was könnte Gottes Schönheit gleichen
Als diese Liebe anmutmild?
Nie hörte man zu Lebenszeiten
Laut schreien Jesus oder zetern,
Nie hörte man den Meister streiten
Mit den Gesetzesübertretern.
Woher kommt solche Weisheit dir,
Du sag es mir, daß ich dir folge,
So sagten Jüger zu der Zier,
Die da voranging vielem Volke.
Sie blieben ohne Speis und Trank,
Nur um den Heiligen zu hören.
Gazellen Galiläas schlank
Belauschten dieses Rehbocks Röhren.
Soldaten mußten seine Reize
Verhüllen, um ihn dann zu geißeln.
Dann ließ er, nach dem Tod am Kreuze,
Von Michelangelo sich meißeln.
Zu Magdalena in dem Leid
Sprach voller Liebe die Sophia
Zur Tröstung ihr und Seligkeit:
Maria!...
DRITTER GESANG
O Gottheit, siehe meiner Seele Wunden,
Hab ich dein Fernesein so weh empfunden,
Verwundet von der Liebe zu Sophia
Beschwör ich dich! Und segne mich Maria.
1
Erfüllt ist meine Seele vom Verlangen
Nach dir, Sophia, Gottes-gleiche Frau.
Ich will an deinen vollen Brüsten hangen
Und mich dir einigen in trunkner Schau.
Verborgne Gottheit, manchmal kann ich fühlen,
Wie nah du bist, da kommt mir die Vision,
Da will ich wie ein Kind so selig spielen,
Wie du, vor mütterlicher Gottheit Thron.
Fühl ich dich nah, bist du vielleicht doch ferne,
Fühl ich dich fern, bist du vielleicht doch nah.
Im Wüstenlande schrei ich an die Sterne,
Verzehrend ist der Wind der Wüste da.
Wenn ich dich fühle, gnadenhafte Frau,
O Gottheit, ists noch lange nicht dein Wesen,
Bin ich noch nicht erfüllt von deiner Schau.
Drum mußt du, Weisheit, mein Gefühl erlösen.
Hingeben will ich mich mit allem Streben,
Gewißheit will ich finden, volle Klarheit,
Will schauen deine Huld in diesem Leben
Und ewig deine Schönheit, deine Wahrheit.
Du Kind, das spielte vor der Gottheit Thron,
Du bist der schöpferischen Gottheit Wonne,
Komm, ruhe du in mir, dem Menschensohn,
Erleuchte meine Seele, süße Sonne!
Sprich du das hochzeitliche Ja und Amen
Und führe deinen Liebling auf die Weide
Und senke deines Liebeswortes Samen
In meine Seele, Licht in allem Leide.
Die schöpferische Gottheit ruht in dir,
Ergeht sich abendlich in deinem Garten.
Vor deinem Hain, vor deines Gartens Zier,
Sieh mich mit Schmachten meiner Seele warten!
Daß ich im Schmachten meiner Seele finde
Die Gottes-gleiche Braut, mit ihr verschmelze,
Mußt du dich zeigen an der Liebe Linde,
Wo Bienen summen in dem goldnen Pelze.
O Weisheit, du der Gottheit liebes Reden,
Göttliche Seele, glühend wie der Morgen,
Dreifaltige! du führe mich nach Eden,
Laß du mich ein und sei in mir verborgen!
Ich will mich an das wahre Wort erinnern,
Daß deine Gottheit, wenn sie irgend bliebe,
Verborgen ist in meines Herzens Innern,
Da such ich dich beschaulich voller Liebe.
Ich finde dich schon lang nicht mehr im Draußen,
Im Distelland, in Feindschaft und in Sorgen.
Wenn über innre Meere Stürme brausen,
Bist du wohl in mir, aber auch verborgen.
Und will ich das Verborgene erkennen,
Muß ich durchschauen Täuschungen und Schein.
Getrieben von der Seele Liebesbrennen,
Will innen ich in dir verborgen sein.
Anbeten will ich dich mit süßen Reimen,
Du meines Unbewußten tiefster Traum.
Und lieben will ich dich in dem geheimen
Und allerinnerlichsten Innenraum.
O schöpferische Gottheit, Mutterschoß
Der Schöpfungswelt, Gebärerin der Seele,
Beglückung spende du mir grenzenlos,
Daß ich zu seligen Verzückten zähle!
Da spricht die Weisheit: Schätze will ich geben,
Ich will dir mein Mysterium enthüllen.
Geheimnis ist der Gottheit tiefes Leben,
Laß von des Lebens Leben dich erfüllen! -
Geh du vorüber, willst du mir vertrauen,
Laß schauen dich zum seligen Entzücken,
Laß deine Herrlichkeit und Schönheit schauen
Und darf ich schauen auch nur erst den Rücken.
Ich suche dich in Liebe und in Glauben
Mehr als ich Dinge dieser Welt begehre,
Du Feueratem in den Turteltauben,
Der Stille Sternbild überm Meere.
Die Liebe sei mir meine Führerin,
Mein Herz will wallen auf der Liebe Pfade.
Der Unermeßlichkeit geb ich mich hin
Und traue mich der Charis an, der Gnade.
Du Unbegreifliche, Geheimnisvolle,
Dich will ich lieben, dich allein genießen.
In Ehrfurcht liebevolle Ehre zolle
Ich dem Mysterium, des Lebens Fließen.
Du siehst, o Gottheit, meiner Seele Liebe,
Da komm du mir als schöne Braut entgegen,
Erleuchte du, laß blühen meine Triebe
Und segne sie mit deiner Liebe Segen!
Und mag ich finden auch den Herzensfrieden,
Den Weise dieser Welt als Höchstes achten,
So bleibe ruhelos ich doch hienieden:
Laß sterben mich und stille all mein Schmachten!
Weil deine Liebe mich so sehr verwundet,
Drum muß ich seufzen über meine Wunde.
Der Liebe Fülle ist mir nur gestundet,
Mein wird der Kuß sein von Sophias Munde.
Bis dahin aber muß ich dauernd klagen,
So oft muß ich der Gottheit Ferne fühlen.
O wie so lieb war sie an manchen Tagen,
Doch kann dies meine Sehnsuchtsglut nicht kühlen!
Heimsuchende Sophia, mit dem Pfeil
Aus Feuersglut berührst du mich im Grunde,
Da reißt es mich empor zu deinem Heil,
Ich steh in Flammen ganz mit meiner Wunde.
Vom Liebesfeuer bin ich ausgeglüht,
Der ich nicht mehr nach Luftgespinsten hasche,
Mein Herz als feuerroter Phönix blüht
In Sehnsucht auferstehend aus der Asche.
Der Sinne Neigungen, des Fleisches Triebe,
Die sinnlichen Gefühle meiner Nieren,
Sie wandeln sich im Feuer deiner Liebe,
Sie sollen deinen Thron im Jenseits zieren!
Wie unerträglich ist doch das Begehren,
Das stürmende Verlangen, dich zu sehn!
Laß du mich nicht in aufgewühlten Meeren
Der Leidenschaft und Pein zugrunde gehn!
Mein Herz ist von der Flamme ganz gerötet,
Ich bin ganz Wunde, wund von Sehnsuchtspeinen.
Was hast du mich, Sophia, nicht getötet,
Im Paradies in Lust dich mir zu einen!?
Heil meiner Wunde! Schmerzen mich verbinden
Und widmen meiner Gottheit alle Triebe.
Die Dinge brauchen nicht einmal zu schwinden,
Verklärt ist alles durch die Gottesliebe!
Doch leben muß ich dauernd in der Qual,
Der ich der Liebe ganz mich hingegeben,
Daß sie nicht kommt in meinen Hochzeitssaal
Und gibt sich gänzlich mir mit ihrem Leben.
Ich sah nur wie durch einer Pforte Spalt
Die schönste Schönheit, die ich je begehrt!
Sie ließ mich nicht an ihren Aufenthalt,
Sie hat mir ihre Gunst noch nicht gewährt.
2
Wenn ich den Tod nicht fand und den Genuß
Der freien Liebe, bleiben mir nur Klagen,
Weil ich Sophia ferne leben muß
Und einsam sein an allen meinen Tagen.
Verwundet von der Liebe spitzem Dorn,
So wie ein Hirsch vom Gifte einer Pflanze,
Bin ruhelos ich, rastlos und verlorn,
Der Dorn dringt ein wie eine Römerlanze.
Ich bin ein leerer Becher und muß warten,
Bis mich Sophia füllt mit Liebestau.
Ich hungre nach den Früchten aus dem Garten
Und dürste nach dem Nektar ihrer Schau.
Seiltänzer bin ich, hänge in der Luft,
Ich bin ein Luftgespinst, so fern dem Grunde.
Soll satt ich werden denn allein vom Duft
Und darf ich hangen nicht an deinem Munde?
Dir dienen siehe mich um Minnesold,
Verlangen kann ich nur nach Einem Lohn:
Zahl deiner Liebe Schatz aus reinem Gold
In überreichem Maß dem Menschensohn!
Und muß ich weltliche Geschäfte treiben,
Nach deiner Liebe bin ich nur begehrlich,
Wollt stets im Arme deiner Liebe bleiben,
Ist alles andre mir doch nur beschwerlich.
Und manchmal weile ich auch unter Leuten,
Die Meisten meinen innern Sinn zerstreuen.
Gott, du allein kannst Alles mir bedeuten,
An dir, Sophia, will ich mich erfreuen.
Schau, Herrin, wie die Menschen mich behandeln
Mit Qualen und Verdruß und Widerwillen!
Ich aber will mich in die Muße manteln,
Da mögst du mich in der Betrachtung stillen.
Kein andres Wesen kann mir Hilfe spenden
Und meiner Seele wehe Sehnsucht stillen
Als du. Du mögest meine Schmerzen enden,
Laß Balsamtau aus deiner Staude quillen!
Wenn ich nur baden will in deinen Buchten,
Mich betten will allein in deinen Schoß,
Erhöre mich! gewähr dem Heimgesuchten
Von Herzen deine Liebe grenzenlos!
Als Feuer breche aus den Grottenschlitzen,
Du Lebenslicht des Lichtes meiner Augen,
Gott-Seele, lasse deine Schönheit blitzen
Und mich zum Spiegel deiner Schönheit taugen.
Sieh meine Seele schmachten, sieh sie lechzen,
Das Herz vermochtest du mir gar zu rauben.
Sieh meine Leidenschaften gurren, krächzen,
Wie schwarze Raben und wie weiße Tauben.
Heiß schmachten siehe mich nach deiner Schöne,
Die Seele brennt mir wie vom Gift der Nesseln,
Mit deiner Wesenheit mein Herz versöhne,
Komm du, mich aus dem Leibe zu entfesseln!
Und wenn das Schauen deiner Schönheit Glanz
So überherrlich ist und wie Verderben,
Dann lass mich schauen deine Schönheit ganz
Und laß mich in sie eingehn durch mein Sterben!
Den Tod, den möchte ich die Todin nennen,
Brautführerin und Freundin ist sie mir,
Denn alle Qual wird sie zu Nichts verbrennen,
Entledigt mich der Last, führt mich zu dir.
Ja, denk ich an die Todin, ihre Macht
Und ihre Stunde, werd ich wieder jung,
Es ist, als dächt ich an die Hochzeitsnacht
Und an die göttliche Vereinigung!