FRAUENLOB

VON TORSTEN SCHWANKE



Ave Maria, gebenedeit bist du unter den Frauen!“


(Frühling 2001-Herbst 2003)




ERSTER TEIL:

LA FRANCE


O reine voici donc après la longue route...“

(Charles Péguy)



Gewidmet seien Süden, Sommer, Sonne

Und alle unsre weiten Wanderungen,

Die Lieder alle dir, die wir gesungen,

Das ganze Land sei dir geweiht, Madonne.


Wir fahren mit dem Wagen an das Meer,

Gesegnet wohl von Sankt Christopherus,

Und gehen manche Wege auch zu Fuß,

Und unser kleiner Beutel ist nicht schwer.


Das Buch der Weisheit haben wir dabei,

Des Orientes Buch von Sinn und Sitte:

Ah weh! ich stecke in des Elends Mitte,

Doch ehrt die Mutter ihres Kindes Schrei.


Ich nenne sie die Mutter, Weibes Pforte,

Und will in ihrem Tale einfach sein.

Das weiche Wasser bricht den harten Stein.

Ich preise sie mit meinem Weg und Worte.“


Zum Himmel heben ihre Häupter Palmen

Und wehn beim steinernen Triumphesbogen.

Von ferne rauschen her die Meereswogen,

Und Welle ruft und Flut zum Äther Psalmen.


Im Licht der Sonne lächelt Montpellier.

Prachtvolle Straßen mit der Steine Pflaster,

Geweiht von Tugend und entweiht von Laster,

Weit schreiten sie zur mütterlichen See.


O Lob dem Mond, der Minne und dem Meer!

Preis allen, welche Sehnsucht nach dem Guten

Und Reinen haben und der Liebe Fluten!

Und Ruhm Les Saintes Maries de la Mer!


Wir sitzen an den steingebauten Tischen

Und pauken kirchenslawische Vokabeln

Und lesen in den feingereimten Fabeln

Und sind belauscht von Mittelmeeres Fischen.


Wir trinken Milchkaffee mit vielem Schaum

Und auch ein wenig weißem Zucker drin.

Und manchmal schauen wir uns zärtlich in

Die Augen mit der feinen Wimpern Saum.


Wir geben dir, o Reine, unsre Jugend

Und alle unsre sommersüße Lust

Am Leben, schlummernd an der Meeresbrust,

Und alle unsre Sehnsucht nach der Tugend.


Du mehr als selbst noch Aphrodite Schöne,

Ruht mit Adonis sie im Sommerwetter

Auf Wolken, o du Königin der Götter,

Dir Meeres Inbrunst und der Flut Gestöhne.


Dir, Friedenskönigin, die süße Ruh

Im weißen warmen Sand am Felsenriffe

Und dir Gesichte von der Griechen Schiffe

Und die Geduld Ulyß’ begnade du.


Erleuchte unser Herz in der Eklipse

Der Sünde, wenn uns schimmern goldne Drachen

Des Lasters und wir nicht genügend wachen,

Dann steh uns bei, o Frau der Apokalypse.


Wir wollen dir und deiner Liebe widmen

Der flutentstiegnen weißen Körper Reinheit

Und unsrer Seelen wundersüße Einheit

Und nächtigen Meeres regelmäßige Rhytmen.


Begleite uns in unsrer Tage Mühn

Und strahl, o Stern des Meeres, rein

Im milden Schein auf unsres Kelches Wein

Der Freude, wenn wir ruhn im Clair de la lune.


Van Goghs Gemälde dir mit Fischerbooten,

Mit denen einst Maria Magdale

Und Martha und Maria Salome

Gekommen als der Freudenbotschaft Boten.


Sie landeten am Saum des Golf du Lyon

Und predigten fast wie ein Pontifex.

Maria Magdalena war in Aix

Und Martha in dem Wald von Tarrascon.


Dir ruht die blaue Nacht von Avignon,

Wo einst die Päpste in Gefangenschaft

Und fern der Ewigen Stadt des Geistes Kraft

War Buß-Ruf in dem Sündenbabylon.


Zu dir, Madonna, betete vorm Dom

Poet Petrarca, als er Laura sah,

Und nie begriff er ganz, wie ihm geschah,

Einsam im Walde nicht und nicht am Strom.


Vor deinem Antlitz feiern wir das Mahl

Von Sesambrot mit Quark und Honigseim.

Du bist auf alle Süßigkeit der Reim,

Holdselige, du der süßen Weisheit Saal.


Dir stehen unbezwinglich alte Mauern,

Dir singt man Reigenlieder auf der Brücke.

On y danse, on y danse, singt die Mücke,

Und die Verwundeten befällt ein Trauern.


O goldnes Blut der Sonne! Oh, je mange

Le pain de Dieu! Da ziehen fern und weiß

Die Straßen in der Sonne Strahlenkreis

Und münden alle in die Stadt Orange.


Kennst du da die Ruine vom Theater

Aus den antiken Zeiten (oder täusch

Ich mich erinnernd)? Wo die Jungfrau keusch

Ergab dem Schicksal sich und Göttervater!


Ja, auf den alten Steinen, weiß wie Schnee,

Dramatisch stritten Genius und Dämon,

Und willig folgte voller Liebe Hämon

Der Jungfrau in das Grab, Antigone.


Weinbauern sehen wir auf vollen Wagen,

Arbeiter für den Weinberg suchen sie.

Wir aber wollen herrlich feiern wie

Bacchanten, die den Stab des Gottes tragen.


Wir wollen im Amphitheater da

Gott preisen mit der Leier Klang wie Orpheus

Und auch gedenken noch im Schoß des Morpheus

Ans heilige Los der Iphigenia.


Wir stehen in der Nacht auf einem Acker,

Gespenstisch ist die Bangnis von Verlornen

In lauter Disteln, Brennesseln und Dornen.

Und wer ist in der dunklen Nacht noch wacker?


Da aber leuchtet eine Hütte uns,

Herberge gastlich mitten in der Nacht,

Da treu der Wirt mit seinen Gästen wacht

Und spendet dem Verlangen unsres Munds.


Verschlossner Garten du! Wie sind gereift

Zur Stärkung unsrer Herzen die Salate,

Erquickend und erfrischend wie die Gnade,

Nach der das Herz mit aller Sehnsucht greift.


Mystische Rose du! Wir sind wie Falter,

Die suchen göttliches Ambrosia.

Zu Hilfe ist uns reines Wasser, ja,

Zu Hilfe ist uns freundlich auch ein Alter.


Der Alte bringt uns in das Weinbergtal.

Und über uns des Himmelreiches Fernen

Mit seinen nahen Heiligen, den Sternen

Und mit der schönen Mondin, weiß und fahl.


Und wie die Beter beteten in Zion,

So rufen wir zum Himmel in der Nacht

Und danken ihm für all die lichte Pracht

Und für die sieben Sterne des Orion.


Wohnwagen liegen da wie Taubeneier

Im Neste einer mütterlichen Nacht.

Kallisto hat am Firmament gewacht

Und nahe sind uns Adler, Schwan und Leier.


Wir dürfen einen kleinen Wagen pachten

Zum Aufenthalt auf unsrer Pilgerschaft.

Wir dürfen mannhaft, dürfen frauenhaft

Mit Träumen unsrer Seelen übernachten.


Dir geht die Sonne auf mit Rosenhänden,

Die aus dem reinen Schoß der Morgenröte

Im ganzen Umkreis reine Schönheit säte

In Wasserflüssen und in Weingeländen.


Hier strömt aufs weiße Brot der goldne Honig,

Hier steigt aus dem Café mit weißem Schaum

Die Munterkeit des Blutes, schaut den Raum

Und weinbewachsner Hügel Architektonik.


Hier fanden statt die Bacchus-Prozessionen,

Getragen ward voran der Thyrsos-Stab,

Es folgten Fleisch und Wein. Dies alles gab

Ein Beispiel heidnischer Präfigurationen.


Geweiht sei dir ein Mädchen comme une peche,

Vergebe Jesu Christ ihr tout le péché!

Vor einem weißen Felsen ruht ein See,

Und in die Reinheit mündet die Ardeche.


Wie weiß der Felsen und wie grün der See!

La grotte de la Sainte Madelaine!

La nuit la magnifique lune est plaine!

(C’est tout un songe de la charité.)


O Königin der Dichter! Dieser Ort,

Dies wunderherrliche Verschlossne Tal

Sei einst mein Aufenthalt, wo ohne Zahl

Ich dir Sonette schaffen wollte dort.


Mir ist es ja der schönste Fleck der Erde,

Von all den Flecken, die ich bisher sah.

Hier war des Garten Edens Schönheit nah,

Hier all der goldnen Süßigkeiten Fährte.


O Meisterin! wenns irgend möglich wäre,

So wollt ich leben einst in der Provence

Und feiern Notre Dame de la France

Und nahe der Ardeche des Höchsten Ehre!


Wir kehren heim zum Nebel; kehren wieder

Ins süße Südland, und sind irgendwo

Im großen Kiefernwald von Fontaine Bleau

Und hören junger Nachtigallen Lieder.


Ob Kiefern stehn, wer weiß das, oder Fichten

In diesem tiefen märchenhaften Wald?

Genug, sie dienen uns zum Aufenthalt.

Und was denn wissen jene, welche dichten?


Und hier begehen wir die Osterfeier

Und sind wie muntre kleine Kinder froh

Und suchen in dem Wald von Fontaine Bleau

Die in dem Moos versteckten Ostereier.


Am Ostermorgen steigt die Sonne herrlich

Zum Himmel auf aus ihrem Waldesgrab.

Da steht ein Alter an dem Fichtenstab,

Der Himmel ist nach ihm schon sehr begehrlich.


Da spricht der Zimmermann von seinem Dach,

Mit Josefskraut verbindend seine Wunden,

Schafgarbe heilend hat er umgebunden

Und denkt nur an die Königin des Schach.


Und wie in China spielen gern die Götter

Des Nordpolsterns und Südpolsternes Schach.

Mit Weisheit spielt der Alte geisteswach,

Der Junge träumt nur seiner Liebe Letter.


Das Mädchen trägt das Samthemd in Türkis,

Die Fichten tragen Moose von Smaragd,

Des Laubbaums grüner Jadewipfel sagt,

Er sehne sehr sich nach dem Paradies.


Wir übernachten auch in der Rue M.

In jener wundervollen Stadt Paris.

Der Schlaf ist oft ein kleines Paradies,

Am Morgen, Mädchen, deine Haare kämm.


Auch dies ist ohne Heros ein Poem,

Wie es gelegen in dem Bücherlädchen.

Auch Russen sind hier heimisch, weißes Mädchen,

Die Kolonie der Maler außerdem.


Auch Paul Gauguins Madonna von Taheiti

Wird hier geehrt mit einem braunen Kind.

Von Arles die Kirche, schwanger von dem Wind,

Wird hier gezeigt in schöner Geistesweite.


Auch Paul Verlaine ist einstmals hier gegangen

Und dichtete Romanzen für Mathilde.

Arthur Rimbaud ging mit ihm einst, der wilde,

Wo schwarze Katzen von den Dächern sprangen.


In der Rue M. verkauft man Kohl und Obst,

Da Turteltauben vor den Fenstern thronen,

Verkauft auch frisch geröstete Maronen,

Die du, o meine Muse, gerne lobst.


In dem Betonwald der Trabantenstadt

Erwächst uns Sehnsucht nach des Grases Grün

Und nach den Mandelbäumen, welche blühn,

Doch alles starrt so starr und grau und matt.


Und in der Metro in den Fensterscheiben

Gespenstisch spiegeln sich die Chrysanthemen

Wie Weiße Damen oder schöne Schemen,

Im eilenden Vergehn der Zeit - sie bleiben.


Wir sind im Tempel auch der Kinoniter

Gewesen, da zu Gott im Widerspruch

Frau Bovary gepflegt den Ehebruch

Nach sündigem Gesetz der Amoriter.


Dein, Arche Noah, auch gedenkt man hier,

Die in der hohen Sintflut grauen Steines

Zum Zeichen sich erhebt für wahrhaft Reines,

Das Rettung ist für Mann und Frau und Tier.


O Nächte auf der Ile de la Cité,

Da schweigend fließt die blumenblaue Seine

Wie wortlose Romanzen von Verlaine.

Und dort - die Kathedrale der Idee!


O Priester du mit deiner Alchemie,

Machst aus dem Blei des Daseins Liebesgold,

Ein wahrer Künstler, deiner Muse hold.

Oh! Marions nous à la Vierge Marie!


Vom Turme klingt der Glocken Melodie,

Und in den Norden schaut die Fensterrose,

Da Quasimodo träumt die Makellose.

Oh! Marions nous à la Vierge Marie!


Hier stehen wir, im Herzen Häresie

Und tote Totengötter aus Ägypten

Und sehnen uns zum reinen Schrein der Krypten.

Oh! Marions nous à la Vierge Marie!


Die Asiaten stehn zur Photographie,

Dieweil wir trinken den Café au lait

Und blicken auf die Ile de la Cité.

Oh! Marions nous à la Vierge Marie!


Der Dichter denkt in seiner Melancholie

An seines Herzens Herrin, la fleur bleue.

Das Mädchen denkt an das Hotel de Dieu.

Oh! Marions nous à la Vierge Marie!


Hier klinge eine welsche Liturgie:

Oh je t’adore, Seigneur Jésu, mon Maitre,

Je suis ton disciple et ton homme de lettre.

Oh! Marions nous à la Vierge Marie!


Hier feiern die Franzosen Eucharistie,

Die Hostien sind im heiligen Tabernakel,

Das Fleisch des Sohns der Jungfrau ohne Makel.

Oh! Marions nous à la Vierge Marie!


Wir kommen auch ans Ufer der Garonne,

Die breit dahinströmt, eine grüne Blume.

Da steht der Dichter, Sehnsucht nach dem Ruhme,

Und widmet dir den blauen Strom, Madonne.


Auch sehen wir den Strand am Golf du Gascogne,

Da von Atlantis sind herbeigezogen

Die Meeresmädchen reitend auf den Wogen,

Braun wie die braunen Frauen der Dordogne.


Hier denken wie an Friedrich Hölderlin,

Der stets gedachte seiner Diotima.

Das Meer ist schön hier wie bei Paphos-Ktima.

Lachmöwen heiter in den Lüften schrien.


Hier gehen wir durch einen Hain von Pinien.

Eichhörnchen knabbern an den Pinienzapfen.

Auf seidnem Boden sind zu sehn die Tapfen

Der braunen Hindinnen mit schlanken Linien.


O Lob dem roten Wein von Aquitanien!

Lob der Musik, dem schönen Lied der Erde!

Und Mond und Schatte ist beim Wein Gefährte

Dem Wanderer, dem Dichter aus Germanien.


Vom Firmamente schauen die drei Schönen

Des Sommerhimmels zu: beim weißen Schwan

Und bei dem Adler auf der blauen Bahn

Sieht man die Leier glühn und herrlich tönen.


Als Fürst des Firmamentes aber steht

Saturnus mit der Sense und dem Ring.

O Seele du, in deiner Schwermut schwing

Dich auf zum Himmel durch ein Dankgebet.


Hier wollen wir auch denken an die Toten,

Da wie ein Geist schwebt auf der Fliederduft

In tiefer Nächte leisverwehte Luft,

Wo weiß der Flieder blüht wie Gottes Boten.


Wir fahren mit der Eisenbahn nach Pau.

(Was soll ich sagen, müd der Poesie,

Doch hab ich nichts als mein Gemüt und sie.)

Wir kommen abends nach Abense-de-haut.


Beim Bauernhof empfängt uns Madelaine

Mit Fleisch und Wein und Pommes de Paradis.

Am Sonntag betet in der Kirche sie

Für Dichter und für Mädchen von der Seine.


Die Enten jagen kopflos auf dem Acker

Und spenden Fleisch und für die Kissen Daunen.

In Lindenwipfeln ist ein Sommerraunen,

Durchkräht vom Hahn und seines Volkes Gegacker.


Die fetten Säue stehen in den Koben.

Die Lämmer werden umgeworfen und

Geschoren. Lauthals kläfft der dürre Hund.

Sehr wollig gehn die Lämmerwolken oben.


In Baumswipfeln schwarze Katzen lauern

Mit grünen Augen und bereit zum Sprung.

Poet berauscht sich an der Verse Schwung.

Und Salamander fallen von den Mauern.


Und in dem Dorfe reden alte Basken

Vom Pastorale, von dem Kampf der Christen

Mit den Muslimen, von dem komisch-tristen

Theaterspiel der Tänzer in den Masken.


O Königin der Engel! laß uns feiern

Den Feiertag der lieben Schützer Engel,

Zum Engel tragen einen Blumenstengel

Und alle Lieder unsrer goldnen Leiern.


Wir steigen auf den Chapeau-de-Gendarm,

Um näher unserm Schutzengel zu sein.

Der Hügel ist sehr hoch, der Berg sehr klein,

Der Weg an Dornen reich, an Blumen arm.


Wir irren zwischen Dornen, Disteln, Nesseln,

Da schlingen um den Fuß sich Brombeerranken,

Und zwischen Gipfelhöh und Abgrund schwanken

Die Glieder in den früchtelosen Fesseln.


Am Gipfel hängen wir, dem Abgrund nah,

Erbärmlich, hoffnungslose kleine Weiner.

Doch Schönheit ist mit uns, der Reim von Rainer

Maria Rilke; und ein Ausweg da.


Und da wir an dem Hang zum Leben stolpern,

Da schweben silberblaue Schmetterlinge,

Schutzengel mit ätherisch-feiner Schwinge.

Und Felsgerölle in die Tiefe holpern.


Der Gottesacker steht in Grün und Blume.

Die Pfade winden sich. Da stehen Steine

Und künden, wer da lebte. Mädchen, weine,

Ja weine, Mädchen, und gedenk der Muhme.


Da steht der Engel, sieh da steht er! steil

Ragt er vom Hügel bis zur Wolke hin!

Ein reines Licht, zu rein dem Menschensinn,

Das Mädchen tröstend. Heil dir, Engel, Heil!


Hinauf nun, aufwärts, in die Pyrrenäen,

Den Sitz von einem ururalten Volke!

Wir fahren mit dem Wagen durch die Wolke,

Darüber lichten Himmel blau zu sehen.


In Serpentinen winden sich die Wege,

Die Gipfel steigen, Täler sinken nieder.

In luftiger Höhe zwitschern Spatzen Lieder,

Sperlinge Aphrodites trillern rege.


Doch über Spatz und Sperling fliegt der Geier,

Der Lämmergeier, den der Lämmer Herde

So fürchtet. Knochen liegen auf der Erde,

Nackt, abgenagt, in lila Heideschleier.


Wir heben auf gewundnen Widderschädel

Und eines Mutterschafes weißen Schenkel.

Der Heide gelb und lilanes Gesprenkel

Verhüllt sich mit des Reifes Schleier edel.


Wir kommen zu der kleinen Hirtenhütte,

Da du, Maria, uns als weiße Kerze

Empfängst mit einem feuerspendenden Herze,

Gepriesen nach der Katholiken Sitte.


Wir essen nichts als Reis und Salz und Butter

Und trinken frisches Wasser von der Quelle.

O holde Hirtin mit des Busens Welle!

O Königin der Pyrrenäen, Mutter!


Ein Wandrer grüßt in alter Baskenzunge

Die wunderbare Sonne (die Ekija)

Und wunderbaren Regen (den Ebija)

Und lobt den Lebenstaem in der Lunge.


Der alte graue Basken-Domestik

Mit seinen hundert Jahren hier ist Hirt.

Mit Brot und Wein ist er den Jägern Wirt,

Der einsam dann mit seinen Schafen stieg.


Die Schafe klingeln mit den Glöckchen leis,

Zusammgehalten von dem Hirtenhund,

Die weiße Herde in des Tales Rund

Verschleiert ist von Nebelschwaden weiß.


Im Tal der Höhe rinnt ein reiner Bach,

Terrassen violetter Heide führen

Hinab, darüber reine Sterne zieren

Des schwarzen Himmelszeltes lichtes Dach.


Und scheues weißes Einhorn, phantasiert,

Von einer Jungfrau wird es nur gezähmt.

Rein, wer sich sündigen Verlangens schämt,

Und rein, wen Träne seiner Reue ziert.


Und Steine stehen da, die sind wie Throne

Der Jungfrau-Königin der Pyrrenäen.

Traumhafte grüne Täler sind zu sehen

Und Donnerdisteln mit der Silberkrone.


Dem vierundzwanzigsten September Ruhm!

Dein Tag, o Mutter der Barmherzigkeit!

Erbarme dich des Mädchens kindlichem Leid

Und segne sie aus deinem Heiligtum!


So wie sich einst die heilige Katharina

Mit Jesus als dem Bräutigam verbunden,

In dem sie alle Weisheit aufgefunden:

Dahin, Maria, führe auch Karina!


Maria, Gottes Tochter, milder Miene,

Maria, Jesu Mutter, voller Gnade,

Maria, Geistes Braut, so weich wie Jade,

Du segne den Poeten und Karine!






ZWEITER TEIL:

DIE SCHWESTER



ERSTER GESANG


Maria stand und sah in ihrem Jammer

Des Vielgeliebten wundes Liebesweh.

Da schrieb sie eine Schrift an ihre Kammer:

Hier ist Olivenhain Gethsemane!


Marias grenzenlose Einsamkeit

Ward ihr durch Jesu Tränen nicht genommen,

Allein war sie, die tränenreiche Maid,

Alleine in der Schar der müden Frommen.


Was wollt ihr alle euch am Schlummer weiden

Und an dem Troste von dem süßen Schlafe?

Muß ich allein denn Jesu Leiden leiden,

Seit mich der liebe Engel grüßte Ave?


Noch Gabriel an meiner Seite steht,

Wenn ich allein in Tränen bin zerflossen,

Dann kniet der Engel nieder im Gebet

Und betet mit, die Augen sanft geschlossen.


Verschlossner Garten wurde mir zuteil,

Oliven tropfen nieder immerzu

Wie Tränen, doch ich bin im Frieden, weil

Das Leid bist du, o Herr, das Leid bist du!


Johannes aber leidet mit Marias

Zu Tod betrübter Seele Bitternis,

Er leidet auch die Leiden des Messias

Und schaut des Ölbaumgartens Finsternis.


Das Schicksal zückt im blitzenden Gewitter,

Im Abendrot gejagt der Herr als Elch,

Teilnahm Johannes, also ward ihm bitter

Von Jesu Bitternis sein eigner Kelch.


Da sang im Garten keine Nachtigalle,

Sie schwiegen all aus Seelenangst und Schwermut,

Weil Jesus trank vom Kelche voller Galle,

Weil Jesus trank vom Becher voller Wermut.


Johannes lag in grenzenloser Wehmut

Und sah das Dunkel stehn wie eine Mauer,

Ergeben er ergab sich voller Demut

Und sank zum Trost in Schlaf aus lauter Trauer.


Gethsemane ist nicht der Garten Eden,

Olivenbäume schimmern silberseiden,

Es wacht in immerwährenden Gebeten

Maria leidend über Jesu Leiden.


Was aber ist, wenn unser Herr gefangen,

Dann müssen wir doch auch gefangen sein!

Und wenn sie ihn zu geißeln angefangen,

Dann müssen wir doch auch gegeißelt sein!


Wenn sie schon Jesus kränzen mit den Dornen,

Wenn das schon jetzt geschieht am grünen Holz,

Wird dann die Myrte kränzen die Verlornen

Mit Süßigkeit im grenzenlosen Stolz?


Johannes aber schaute Gottes Wort

Im Fleische gehn voll Wunden und voll Schwären,

Johannes aber wurde auch durchbohrt

Von Wehmut aus unendlichem Begehren.


Nur scheinbar kränzte man Messias Haupt,

Die Dornen bohrten ein sich seinem Herzen!

Johannes ward der Süßigkeit beraubt

Und ihm im Herzen wohnten tausend Schmerzen.


Man schlage mir den Pfahl durchs faule Fleisch,

Ich werde diesem Schicksal nimmer wehren,

Ich bin nicht rein, nicht heilig und nicht keusch,

An allen meinen Gliedern faulen Schwären.


Maria, unbefleckteste Virgina,

Sie ward zur Schmerzensmutter wie einst Rachel.

Durchschossen ward die rosa sine spina

Vom Feuerpfeil und von des Grimmes Stachel.


Zur unbefleckten Jungfrau auserkoren,

Muß Bisse sie empfangen von den Hunden.

Der scharfen Sünde Stachel sie durchbohren

Und reißen eingerammt ihr wehe Wunden.


Ich bin nicht Sulamith im Reigentanz

Und Morgenröte, Weihrauch aus der Dürre,

Ich bin der schmerzensreiche Rosenkranz,

An meinen Brüsten ruht die bittre Myrrhe.


Ich bin nicht Sulamith im Hochzeitsreigen

Und freudig schau ich nicht durch Wimperngitter,

Die Taube ferner Inseln, sie muß schweigen,

Nur Tränen blicken und das Herz ist bitter.


Was hab ich denn für einen Bräutigam,

Der sich in meines Schoßes Becher legt?

Das Schaf, das wird geschoren, ja das Lamm,

Das jedes Menschensohnes Sünde trägt!


Wenn aber sie des Vaters Sohn zerschmeißen,

Dann wird die Schwester leiden und der Bruder,

Dann wird das Leiden sie zusammenschweißen

Als wie die Wehen einer Schmerzensmutter.


Mein Liebling, sagte Jesus zu Johannes,

Hör du vom Testamente des Messias,

Hör du das letzte Wort des Schmerzensmannes:

Ergib dich der Holdseligkeit Marias!


Tief in des Todes Abgrund schautest du,

Da Gottes Sohn selbst war von Gott verlassen,

Da fühltest du Verlassenheit und zu

Maria sahst du, weh sie zu umfassen.


Da legtest du dich in Marien Arme,

Im fünften Akt im tragischen Theater,

Daß dir dein hoffnungsloses Herz erwarme

Und in der Mutter tröste dich der Vater!


In solcher frommen Zärtlichkeiten Bann,

Der milde Trost des Ewigen, dir naht er,

Du fühltest als ein Sohn und als ein Mann

Und vorm Marienmädchen als ein Vater.


Maria aber sah den Halberlösten

Hinsinken sanft in ihrer Arme Wolke

Und betete: O Vater, komm zu trösten!

Mach mich zur Trösterin vor deinem Volke!


Es war ein Ort des Scheidens und das Scheiden

Wird uns in Gott auf neue Weise einen,

Zusammen schmolzen wir in Christi Leiden,

Nun alle Tränen unsres Herrn zu weinen.


Maria für Johannes einen Reim hat,

Der sei ihm süße Hoffnung allenhalben:

Im Geiste Gottes ist uns eine Heimat,

Der Geist wird uns mit Myron-Chrisma salben!


Ist unsre fromme Liebe leidbeseelt,

In Liebe steht die Jungfrau vor dem Jungen,

Doch nicht einander werden wir vermählt,

Dem Geist vermählet werden unsre Zungen!



ZWEITER GESANG


Um Bruderliebe steh ich vor Gericht

Und weil ich übers Sterben hielt die Treue!

Zeus wohnt in einem unzugänglichen Licht,

Dionysos den toten Geist erneue!


Nein, Bruder, nimmer laß ich von dir ab,

Gedenk, daß wir die gleiche Mutter haben

Und gleichen Vater. Werde dir ein Grab,

Ich will dich Unbegrabenen begraben.


Was auch der Fürst der Welt gebietet über

Dein Schicksal: sterbe du nicht fern dem Ruhme!

Ein Grab sei dein, mein Bruder und mein Lieber,

Ich pflanz dir auf dein Grab die blaue Blume.


Ich Klageweib mit schwarzer Schwanenleier,

Ich brumm als Bär und gurr wie eine Taube

Und hülle dich mit einem leichten Schleier

Von Südostwind und feinem Erdenstaube.


Ich trotze allen irdischen Gesetzen,

Von mir sei auch der Fürst der Welt vergessen,

Ich werde deinen Schattengeist ergetzen

Mit meiner Gottestreue Seelenmessen.


Sie feiern alle den Dionysos

Und wollen sich im Blut der Feinde baden,

Den Bruder wirft man in der Erde Schoß

Und meint man sei ein Fürst von Gottes Gnaden.


Von Gottes Gnaden aber Bruderliebe

Verweilt im Schattenreich wie einst hienieden.

Unsterblichkeit von deinem Seelentriebe

Weissag ich dir und ewiglichen Frieden.


Bin deine Erbin, Bruder, und dein Ruhm,

In meinem Heroismus unvergessen

Lebst du, o Geist, wie in Elysium

In den Glückseligkeiten unermessen.


Ich Erbin, Held, verwalte dir dein Erbe,

Mein Leib stammt wie dein Leib vom selben Leib

Der Mutter. Lieber Bruder, ob ich sterbe,

Es gilt, ich bin und bleib dein Klageweib!


So sprach Antigone. Der Fürst der Welt,

Der König in dem Bacchus-Tor von Theben,

Er sprach: Ich tu mit dir, was mir gefällt,

Ich tu Gewalt dir an und deinem Leben!


Ich bin der Herrscher über deine Seele

Und laß dich nimmer bei dem Grabe lungern

Des Bruders, sondern schick dich in die Höhle,

In das Verließ, dort mögest du verhungern!


Ich schließe dich lebendig in das Grab,

Weil du gefochten an das Königtum,

Das ich von dem Olymp empfangen hab,

Mein ist die Macht, dein das Martyrium!


So schloß treuherzige Antigone

Der Herrscher ein, als ob sie tot schon sei.

Die Jungfrau aber rief zu Gott: Ah weh!

Ah wehe mir und weh mir, ai ai ai!


Der Winter kommt in meines Lebens Mai,

Mir Maienblume vor dem Winter graut.

Ich bin geweiht dem Tode, ai ai ai,

Ich Jungfrau bin fortan des Hades Braut!


Gott Hades, Gott der Lebenden und Toten,

Erschein ich dir im Schleier meiner Seide,

So sende Morpheus mit dem Mohn, den Boten,

Der mich zu meinem Scheidelager leite.


Ich Jungfrau sterbe wie ein Mann, ein Heros,

Als Held steig ich hinab ins Reich der Schatten.

Der Gott der Lebenden, der blinde Eros,

Vereine Hades mich als meinem Gatten.


Kein Knochenmann ist Hades, dürr und hager,

Er ist so fruchtbar wie Elysium,

Empfange mich in deinem Hochzeitslager,

Empfang von mir die Asphodelen-Blum’!


Will Hades die Lebendige nun freien

Und sich der Gott mit einem Weib beweiben,

Jungfräulichkeit werd ich dem Hades weihen,

Werd seine Braut und werd doch Jungfrau bleiben.


Sieh, Gott, wie ich vor Todeslust vergehe

Und mich zum dunklen Gott der Nächte wende,

Dem Gott der Nacht verspreche ich die Ehe,

Ich weiß, das Leben sprießt aus seiner Lende!


So starb Antigone. Die Hochzeitsfeier

Ist drunten, Schatte sich an Schatte drängt,

Als sich Antigone am eignen Schleier,

Der Liebe Marterzeugin, aufgehängt!


Da aber eilte ich im Sturm herzu,

Ein Liebender, zugleich ein Königssohn,

Ich stürmte liebend, ohne Rast und Ruh,

Doch meine eigne Minne sprach mir Hohn.


Was stürmst du, Liebender, zum Liebesleid?

Ja, weißt du nicht? Gott Eros ist ein Dämon!

Antigone ist doch dem Tod geweiht

Und weiht sich drum dem Tod der Minner Hämon?


Ich, Hämon, spreche meiner Minne Hohn,

Verfluche meine Abkunft und mein Fleisch,

Ich fluchte mir: Ich bin des Kreon Sohn!

Nicht wert bin ich der Jungfrau rein und keusch!


Und doch, wenn ichs nicht wert und würdig bin,

Ich brenne als ein Liebender und brenne

Noch über ihren Heimgang und Gewinn

Wird mir der Tod, wenn ich im Tod erkenne,


Wenn ich im Tod gewinn, im Tode freie,

Antigone erwartet Hämon drüben!

Des Gottes Braut ich meine Seele weihe

Und werd sie noch im Schattenreiche lieben!


Die Danaiden sprechen die Gebete

Und Tantalus bringt uns die Früchte bei,

Der Hochzeitsumtrunk ist die grüne Lethe

Und Hades Hoherpriester. Ai ai ai!


Mit Bacchus und Antigone hinab!

Zeus segne mir die Schärfe meines Schwerts!

O Brautbett der Vereinigung, o Grab!

O Jungfrau, dein ist mein durchbohrtes Herz!



DRITTER GESANG


Johannes mit dem Namen Der vom Kreuze

Sang inspiriert die schönsten Liebeslieder.

Doch in dem Orden litt man an dem Geize

Und also quälten ihn die falschen Brüder.


Philister ihr, kein Wort ward je vernommen

Von mir, von eurer Schlechtigkeit zu zeugen,

Ich weiß, wie wohl es ansteht einem Frommen,

Von dem erlittnen Unrecht still zu schweigen.


Ihr wurdet mir gesandt von Gottes Grimme

Als Anteilhabe an Messias Galle.

Doch von der Galle süß wird meine Stimme,

Die Rose Weisheit sing ich Nachtigalle.


Gebärdet euch auf Erden schon wie Herren

Und haltet für Jerusalem den Erker,

Und schämt euch nicht, den Bruder einzusperren,

Nach Gottes Willen, in Verließ und Kerker.


Ich aber werde eurem Stolz beweisen,

Was Demut anfängt in der dunklen Nacht.

Ich singe allen von den Paradeisen,

Weil ich am Kreuze des Messias schmacht! -


Therese mit dem Namen Die vom Kinde

Messias und von Christi Angesicht

Ist allezeit die Liebliche und Linde,

Die trägt verborgen Leid und wenig spricht.


Ich sehnte mich von Anfang an nach Ruhm,

Mein Geist zu wahrhaft Großem ward getrieben,

Drum bin bereit ich fürs Martyrium

Und Pfeilgeschoß sei mir das heiße Lieben!


Ihr Frommen seid sehr groß im edlen Kloster,

Ich aber bin, die kleiner noch als klein,

Euch küsst der lichte Herr und euch liebkost er,

Mir ist so nacht, mich liebt er mit der Pein!


Ergeht euch alle in dem Glück des Lichts,

So seht ihr das verborgne Antlitz nie.

Ich liebe Jesus mit der Nacht des Nichts

Und meine Einigung ist Agonie! -


Therese sang: Maria, meine Mutter,

Du bist doch Mutter mehr als Königin,

Die Jesus reichte Honigseim und Butter

Und nimmt mich auch als kleines Kindlein hin.


Maria, ob ein Wunder dich entzückt,

In Gottes Tempel schon als Kind zu gehn?

Vielleicht hat dich Joachim nur geschickt,

Du Tochter wolltest ihm nicht widerstehn.


Und als du uns das Jesuskind geboren,

Da warest du vor aller Welt verborgen.

Empfangen hast du mit den Mädchenohren

Und sahest doch nicht Gottes großen Morgen


Von himmlischen Gewalten, Mächten, Thronen,

Die Dunkelheit des Glaubens war dein Segen

Vielmehr als alles Lichte von Visionen,

Du hörtest Worte, still sie zu erwägen,


Nicht sahest du, du bliebst im nackten Glauben,

Kein Wunder riß mit himmlischem Entzücken

Zu Gottes Thron dich, dir Verdienst zu rauben,

Zu glauben in der Nacht, nicht zu erblicken.


Und auch wenn Jesus Worte spräch, die schroffen:

O Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?“

Du würdest gegen alle Hoffnung hoffen,

Daß Gott noch füllt hochzeitliche Karaffen.


Vielmehr ward aber deines Glaubens Gabe

Von Gott geprüft, die Gabe nie zu fassen,

Als Jesus fand auf Erden keine Labe

Und ward am Kreuz von seinem Gott verlassen.


Nicht nur, daß du nicht einen Trost ihm kanntest,

Als Rom die Lanze ihm gebohrt ins Herz,

Auch, daß du in den selben Leiden branntest

Und Mutter bist durch Schärfe eines Schwerts!


Und als man dir den toten Christus gab,

Von Gott verlassen, stand dein Herz ihm offen,

Als alle zweifelten vor Jesu Grab,

Hast du gehofft noch über alles Hoffen.


Und als der Geist kam in der Kirche Morgen,

Um zu begeistern alle Christuszeugen,

Da lebtest du in Ephesos verborgen

Und lehrtest alle Schrift, dich zu verschweigen. -


Johannes sang: Zur Nacht ging ich hinaus

Auf heimlichen und still verborgnen Pfaden,

Als alles schlief, da ging ich aus dem Haus,

In dunkler Nacht mein Angesicht zu baden.


O dunkle Nacht, in dir bin ich verborgen,

Ich hülle dicht mich ein mit meinem Tuche,

O Nacht, du schöner noch als jeder Morgen,

Du Nacht, da ich den Vielgeliebten suche.


Wohl raubten mir die Wächter auf der Mauer

Den Schleier, als Entblößte such ich weiter.

Da höre ich von fern (und fühl den Schauer)

Den Rehbock aus dem fernen Hain, da schreit er!


Er schreit in Brunst, nach mir steht sein Verlangen,

Er schreit, es zittert jedes Blatt im Laube.

Wie aber kann ich Braut zu ihm gelangen?

Ich fliege auf, ich nehm den Flug als Taube!


Verborgener Geliebter, Allbekannter,

Wo bist du? Schau, im Staube schleicht die Echse,

Vom Hügel schleicht herab der schwarze Panther,

Umschlingen all mich rankende Gewächse!


Schon bricht von fern heran die Morgenröte

Und raucht wie der Gewürzrauch reicher Krämer,

Die Pilgerin spielt ihre Jadeflöte

Und sehnt zum Tempel sich, Jerusalemer.


Doch irrt sie an den Flüssen Babylons

Und sehnt sich als Plejade nach Orion

Und spielt das Leierspiel des Klagetons

Unendlicher Begier der Tochter Zion!


Doch muß ich in der Morgenglut auch schmelzen,

Auf daß ich Sonne werde goldenfarb,

Ich steh dem Meer inmitten auf dem Felsen,

Das ist der Hirte, ah! der für mich starb!


Das ist der Hirte, den die Minne peinigt,

Den ich für seine Hirtin sterben sehe!

O Glück des Todes, der mich Ihm vereinigt,

O Ewigkeit der gottvereinten Ehe!



VIERTER GESANG


Was weiß die kleine Katholikin denn

Vom Katechismus, den der Papst gedichtet?

Ward sie denn selbst vom Lehramt unterrichtet

In Weisheit weiser Unterweisenden?


In ihrer Hand die Nadel und die Spule

Und um den Leib das selbstgewobne Linnen,

Sieht so ein Mädchen aus, das in der Schule

Die Weisheit lernt: Gott außen und Gott innen?


Hat sie denn ihre Füße schon gewaschen

Und sich des Unterkleides schon entkleidet

Und sich gesetzt an den Kamin mit Aschen,

Wo sie im stillen nach dem König leidet?


Wer ist sie denn? die kleine Bernardette?

Sehnsüchtig schaut sie in das Dämmerblau

Und träumt von Luna in dem Himmelsbett

Und fragt sich: Aber was ist eine Frau?


Sieht sie im All die blonde Luna nur

Und widmet ihr die Sehnsucht in dem Blut,

Und sieht sie nicht den jungen Troubadour,

Der angelehnt an ihre Schulter ruht?


Was sinnst du, junger Troubadour der Minne,

Wenn du sie siehst, die eingeschlafne Maid?

Mit jedem Sinn und mit dem sechsten Sinne

Verschreibst du ihr dich voller Zärtlichkeit.


Sie ist zur Mittlerin die Mittlerin,

Erscheint dir drüben an der Lethe Furt,

Ist durch das Paradies die Führerin

Und ähnlich Unsrer Lieben Frau von Lourdes.


Wie blaue Blume und wie Lilie sie

Im weißen Hemd und blauem Beinkleid ruht,

Der Bräutigam schaut voller Sympathie

Das weizengoldne Haar der kleinen Ruth.


An meiner Schulter schlafe deinen Schlummer

Und träume Träume nimmer auszusagen,

Bewachen werd ich dich und meinen Kummer,

Um Alles meinen Kummer still ertragen.


Und sie, das Mädchen, ging allein in Frankreich,

Alleine durch die Weiden ging das Lamm.

In ihrem Herzen war ein stilles Dankreich,

Die Jungfrau dachte an den Bräutigam.


O König, sei gesegnet deine Mutter,

Die Jungfrau und die benedeite Frucht!

Ich schmelze in der Sonne hin wie Butter

Im Land, das Unsre Liebe Frau besucht.


Die Vögel picken fleißig Korn und Krümlein,

Nachts fliegen Fledermäuse um die Fichten,

Am Morgen heben all die kleinen Blümlein

Die Häuper, um des Tages Stern zu sichten.


Ich wache auf und bet im Morgendämmer

Und grüß als Hore deine Sonnenhelle.

Ich bin ein Lamm, doch ferne sind die Lämmer,

Allein such ich den grünen Pfad zur Quelle.


Verzehrst du Schönheit auch wie eine Motte,

Die Armut ist ein großer Glanz von innen.

Maria, mach mein Herz zu deiner Grotte,

In mir zu walten durch dein mildes Minnen.


Ich übereigne mich dem Bräutigame

Und seinen dunklen und verborgnen Blicken.

Was seh ich? Dich, geliebte Dame,

Erschaue ich mit deines Hauptes Nicken!


Wie Morgenröte deiner Wimpern Fächeln

Und deine Augen wie das Licht der Sonne

Und licht wie Lilienblütenblust dein Lächeln,

O Dame, du jungfräuliche Madonne!


Und sprichst du zu mir, Dame, insgeheim,

Ich will das offenbarte Wort verschweigen,

Mein Schweigen sei auf deine Botschaft Reim,

Mein Aufsehn Reim auf deines Hauptes Neigen.


O Dame, meine Mutter, Jungfrau rein,

Du unbefleckt Empfangne, Makellose,

Ich möchte mich und meinen Bruder weihn,

Schenk deiner Grotte eine weiße Rose!


Die Mutter hat verklärt die junge Maid

Im Widerscheine göttliche Natur.

Da war im Mädchen solche Zärtlichkeit

Zum Bruder, ihrem kleinen Troubadour.


Der hatte angebetet in der Sonne

Die Liebe, die in Jesus offenbarte,

Die ihm erschienen ist durch die Madonne

Als minneselige und liebeszarte.


Er war so voll von Sankt Marien Minne

Und durch das Minneküssen ihres Mundes,

Er war der Königin des Herzens inne

Im Rosengarten des geheimen Grundes!


O Minneseligkeit von Liebesleiden,

Da süß die Rose unter Dornen lacht!

Wie trunken träumen Scheidende im Scheiden

Und sind des Traums voll im Beginn der Nacht.


So schaut der Troubadour in blaue Ferne,

Die Venus schimmert durch das Fensterglas,

Prophetische Vorläuferin der Sterne,

Da still der Sänger auf dem Kissen saß.


Er, der gewohnt ist, daß er sinnend wacht,

Besieht die Schätze in des Herzens Truhe,

Er wachte einsam auch in dieser Nacht,

Das Mädchen aber pflegte stiller Ruhe.


Da lag sie, wie entschlafen, stille da,

Quer ausgebreitet über seinen Schoß,

Wie einstens lag im Schoß der Pieta

Der wahre Gott des Lebens lebenslos.


So ward der minnereiche Troubadour

Herz nach dem Mutterherzen Sankt Marias,

Die Maid in der jungfräulichen Natur

Der Jesusbraut ward Spiegel des Messias.




DRITTER TEIL:

VENEZIANISCHE TRÄUME


Tu sei Ninfa,

Sei Fata,

Tu sei - tu sei un canto

Perduto per me!“

(Volkslied)



I

Aus Roma nahte Pietro dell’Olore

Und suchte Wohnung in Venezia.

Da stand er vor dem hohen Säulentore

Wohl in der Casa della Cortesia.

Da stand auf einer marmornen Empore

Ein liebliches Madonnenbild und nah

Davor die Kerze brannte Goldgefunkel

Und Glocken läuteten im Abenddunkel.


II

Er trat ins Haus durchs marmorne Portal

Und trat ins Licht aus blauer Dämmerung.

Großmütterlich begrüßte ihn im Saal

Frau Margaretha. Mit Begeisterung

Erfüllt ward Pietro aber auf einmal,

Als er wie einen Engel rein und jung

Die Enkelin der Nonna Margaretha

Erblickte hochverwundert: Marietta!


III

Die Augen waren blaugrün wie Smaragd,

Die Locken von der Farbe der Maronen.

Demütig grüßte sie wie eine Magd

Und war doch würdig höchster weißer Thronen.

Frau Margaretha Messer Pietro fragt,

Wie lang er wolle hier im Hause wohnen?

Und Messer Pietro sprach: Wohl einen Traum lang.

Und Mariettas Lachen leis im Raum klang.


IV

Lob dir, Urania Venezia,

Du Königin mit deinen Kronjuwelen!

In goldner Gondel kam der Doge nah,

Sich mit Marie Marina zu vermählen.

Doch keinem sonst war gold die Gondel da,

Den Tand der Toren sollte niemand wählen,

Denn wer der Königin des Meeres bot

Närrischen Putz und Prunk, dem droht der Tod.


V

Die dunklen Fenster in der Weihnachtsstadt,

Erfüllt mit einem nachtgebornen Sehnen

In Traumesstunde, da die Seelen satt

An schwermütiger Schönheit, glichen jenen

Todschwarzen Kähnen, darauf mondenmatt

Der Schimmer glänzte, oder schwarzen Schwänen,

Die in dem Schoß des Meeres tief verbergen

Die rosenroten Schnäbel, oder Särgen.


VI

Die Aphrodite aus der Adria

Stieg auf in Morgenluft und Meer-Arom,

Die weiße Venus von Vezeia

Schwamm in Canale Grandes grünem Strom,

Die rosenblühende Urania

Stieg an den Uferquai vorm Markusdom:

In rosiger Pracht trat sie zum weißen Marmor.

Sieh, auf der Ponte dei Sospiri - Amor!


VII

Er zielte nach den jungen Gondolieren,

Die da von Frauen sangen, blond und blassen.

Torquato Tassos Lieder sich verlieren

Im Labyrinth der enggebauten Gassen.

O Mädchen, warum euer zages Zieren?

O laßt die schlanken Hüften euch umfassen!

Seht an, wie euch gemalt hat Tiziano,

Und trinkt mit uns den Wein von Conegliano!


VIII

Italia mit ihren Rebenhängen,

Ölbäumen weise, seidnen Maulbeerbäumen,

Mit den Zypressen mit den Klageklängen

Von lang versunknen trauten Liebesträumen,

- Am Mantel der Madonna seh ich hängen

Italia, in ihres Schleiers Säumen

Gewoben ist das tauige Venedig,

Darauf ruht der Madonna Hand sehr gnädig.


IX

Und zahlreich tauchten auf die weißen schlanken

Und roten Türme mit den goldnen Glocken,

Die alle ewig dem Erlöser danken

Und der Madonna (welche ohne Socken

Im Himmel wandelt). Und ganz sachte sanken

Wie Blütenblust und Schnee und Baumwollflocken

Die Engel, Tauben gleich, ins Wassernest,

Das Gott der Herr erlöste von der Pest.


X

Und Dürer, angetan von goldnen Glanzes

Urschöner Heimat, malte hier das Bild

Vom wunderschönen Fest des Rosenkranzes.

Und hier ward so ihm die Madonna mild,

Weil hier aus ihr geboren war ein ganzes

Reich schönster Malerei, der Kunst Gefild,

Und fromm war in Venedig alle Kunst

Und widmete sich der Madonna Gunst.


XI

Und hier war auch dereinst Giovanni Goethe,

Der trug der Meereskönigin die Schleppe,

Der träumte hier zum Klang der Silberflöte

Und goldner Leier Klang von San Gioseppe

Geliebten, welche in der Morgenröte

Vor ihm heraufstieg auf der Marmortreppe,

Hinan ihm winkend weiblich, weißer Hände,

Da träumte Goethe golden Fausti Ende.


XII

Und Pietro dell’Olore stand allein

Und war den Tränen seiner Buße nah:

O Staub auf mich, daß ich der Schönheit Schein,

O Asche auf mich, daß ich Aschera

So nachgegangen. Aber nun ein Nein!

Und Ja: Ich wend mich zu Venezia,

Madonna lockt mich hier an jeder Ecke

Zu Gott und meiner Liebe Rosenhecke.


XIII

Die Glocken wachen über den Kanälen

Und goldne Schimmerflammen flackernd flämmern.

Und aus dem Dunkel tauchen auf die Seelen-

Vögel, die schwarzen Schwäne aus dem Dämmern,

Und tragen Novellisten, die erzählen

Von Torro und von Torro und vom Hämmern

Der goldnen Glocken über goldnen Pforten,

Und golden ist der Geist in ihren Worten.


XIV

O Muse aus Madonnas Reichen! eja,

Ich will es singen, was ich hier darf schauen:

Da brannte einstmals lodernd Aquileja,

Wo duftverscgleiert Istriens Berge blauen,

Da Gottes Geißel Etzel kam mit Grauen

Und mit ihm Hauf barbarischer Plebejer.

Verschüchtert standen nackte Küstenkinder

Und Kriemhilds Hunne ward ihr Überwinder.


XV

Dann aber tauchten aus dem Meer die Kähne

Der Fischer und sie waren alle Beter

Und Gott den Ewigen anriefen jene

Und waren fromme flehende Veneter

Und Gott war gnädig und er schickte Schwäne

Lobsingend und die Tauben aus dem Äther

Und gab das Bild der marmornen Matrone

Und Maid, schön wie die Mädchen des Giorgione.


XVI

Sie aber schmückt sich, wie mit Schmuck am Ohre,

Schmückt ihre Schönheit wie aus Schaum und Schimmer

Mit träumendem San Giorgio Maggiore

Und tritt geschmückt dann in das Spiegelzimmer,

Schaut aus dem Fenster zu San Theodore

(Verbrüdert mit dem Freund San Marco immer)

Und singt dann eine Stanze aus dem Tasso:

Umstrickerin Armida, lasso, lasso!


XVII

Und Pietro dell’Olore stand vorm Laden,

Wo er bekam die köstlichste Marone,

Und wandelte allein durch die Arkaden

Und wandelte in einem Traume ohne

Erwachen: Marietta! laß mich baden

In deiner Anmut! führe mich zum Throne

Der Himmelfahrenden und zu dem Tanz

Der Seligkeit! Du bist mir die Monstranz!


XVIII

Die Töne sollen singen voller Sehnen:

Sieh, Pietro ging vom Campo San Bernaba

Zum Markusplatz, in der Kanäle Kähnen

Orangen della misericordia

Sind um des Wohlgeruches zu erwähnen,

Denn im Giornale di Venezia

Geschrieben von der Pest und ihren Ratten

Die banggewordnen Journalisten hatten.


XIX

O grünes Lido mit den Küchengärten

Im Schatten eines Granatapfelbaumes,

Ein schokoladensüßer Fleck auf Erden

Im Licht des weiten freien Himmelsraumes,

Da mags dem Manne süß und wohlig werden,

Wenn Eine in der Schönheit eines Traumes

Vor ihm am Meere wandelt majestätisch

Und tritt dann rein zu ihm an seinen Teetisch.


XX

O Marietta! dachte an der See

Der Liebende, dem in der Glieder Schwere

Ein Traum aufstieg von leichtbeschwingtem Schnee

Und Rosenblüten überm Morgenmeere.

Er liebt heiß in ihn strömenden Kaffee

Und gibt dem weißen Schaum der Milch die Ehre.

Und an Kreusa dachte da am Lido

Äneas, Flüchtling aus dem Arm der Dido.


XXI

Und Pietro fuhr zum Markusplatz zurücke,

Im Wasser tanzten tausend goldne Sonnen.

Da saßen Bettler vor der Seufzerbrücke

Und vor der Kirchtür standen junge Nonnen.

Und Pietro sann: Venezia! entzücke

Mich mit der holden Schönheit der Madonnen-

Gemälde, alle sind so süß und mild;

Doch Marietta ist Ihr wahres Bild!


XXII

Venezia! umzirpt von Zirpgesang

Der süß und silbern singenden Zikaden,

Vor allem aber rauschen turmentlang

Und durch die fraundurchwandelten Arkaden

Die Tauben mit der schönen Schwingen Klang,

Die Mädchen sich in Taubenmeeren baden,

Die alle zierlich zart wie griechische Grazien

Umwandeln vor den prächtigen Prokuratien.


XXIII

Den Schleier hat Venezia gelüftet,

Da tauchen aus dem blauen Meer die Quadern,

Von köstlichen Orangen gold umdüftet

Und von Granaten mit den roten Adern.

Komödianten kommen vielbeschriftet

Zum Markusplatz, den heiteren Theatern

Das Café Florian ist eine Loge:

Madonna! Ich bin dein Pierrot! dein Doge!


XXIV

Zuhause ruht die Venus auf dem Sopha

Im reinlichen Gewand des Tizian...

Und dem Poeten ist sie Vita Nova

Und Führerin auf himmelsteigender Bahn.

Als seine Augen bei dem ala nuova

Der Prokuratien seine Dame sahn,

Erschien Madonna auf dem Campanile

Und Tauben schwärmten, Tauben tausendviele.


XXV

Prunkhafter Glanz in offenen Arkaden,

Da man die Kandelaber flammen sah!

Die Tauben in den Marmornischen baden

Und sind den heiligen Gebeinen nah.

Musik ertönt und auf den Wasserpfaden

Die Gondoliere singen Tasso da

Und singen in dem Mondlichtschimmer linde

Den Heimgang in den Himmel der Chlorinde!


XXVI

Und in der holden Abendstunde Feier

Denkt Pietro an die Nonna Margaretha.

Da leise tönt von Liebe eine Leier,

Da ist sein Herz erfüllt von Marietta:

Sie ist die Reine in der Schönheit Schleier,

Ist die Minerva von der Piazetta,

Sie ist die Enkelin der lieben Nonna

Und Ebenbild der Anmut der Madonna!


XXVII

Dogana di Mare! und du Seminar

Des Patriarchen! schauet doch die gute

Madonna, die zur Pestzeit mit euch war,

Die himmlische Maria della Salute!

Schaut über ihr den Himmel leuchtend klar,

Wie sie dem Himmel rein entgegenflute

Mit ihres Marmorleibes weißem Schein

Und ihres schönen Namens weißem Stein!


XXVIII

Und Pietro zog von der Rialtobrücke

Allein in die Giardini publicci,

Vom Lido nach Torcell und zurücke

In einer Gondel mit der Melodie

Des Gondolier und seiner Stanzenstücke

Und wieder sah er menschenwimmelnd die

Rialto-Treppenstufen von da Ponte,

Da sich ein Volk von Fischerkindern sonnte.


XXIX

Porto di Lido, du mit weichen Dünen,

Zitternden Gräsern, feingewelltem Sand,

Da wandeln stolze Damen mit den kühnen

Galanen, wandeln zärtlich Hand in Hand,

Da Deutsche auch, von Gräbern alter Hünen

Gekommen, sehnen sich ins Nebelland.

Und Licht beschimmert aus Coeli Porta

Laguna viva und Laguna morta.


XXX

Und Pietro dachte in Venezia

An die Minerva von den Prokuratien,

An Juno mit dem Pfau, und die er sah:

An Venus von Venedig, mit den Grazien

In engen Gassen wandelnd hier und da,

Und wählte in dem Schatten der Akazien

Am Lido sich die venezianische Charis

Als Schönste aus. O Ave Stella Maris!


XXXI

Jungfrau Maria trat in Turmes Tor

Und Engel haben ihre Zier umgeben,

Die Könige vom Morgen traten vor

Und huldigten der wahren Liebe Leben

Und goldner Glocken Klang sich leis verlor

In blauer Himmelslüfte leichtem Schweben,

So stand der Campanile in dem Blau

In Ehrerbietung Unsrer Lieben Frau.


XXXII

Venedig, steig empor im goldnen Glanz

Aus der phantastisch grünen Fluten Schaum

Mit deinen kühlen Kuppeln von Byzanz

So wie ein farbenfroher Märchentraum

Und tanz im Schleier deinen Reigentanz

Und rühre an mit deines Schleiers Saum

Den Wanderer, sieh vor dem Stein ihn stehn,

Anstaunend diese Fabelstadt der Feen!


XXXIII

Den zweiundsiebzig Kirchen und den sieben

Theatern und zehntausend Gondeln Preis!

Dies alles ist geschaffen wie zum Lieben

Der Einen, die im Seidenschleier weiß

Auf dem Balkon, für immer eingeschrieben

In der Erinnrung Pergament und leis

Forttönt in stiller Harmonieen Fluß -

O Musenkuß!...


XXXIV

Torcello du mit grünen Weingeländen

Und Rebenaugen duftendem Arom,

Mit Hütten in der Armen armen Händen

Und mit dem edlen altchristlichen Dom!

Auch sieht man einer Brücke lasse Lenden

Sich halbverfallen biegen an den Strom,

Als ob man auf dem Forum heut noch wüsste,

Wie Mädchen tragen keusch die kleinen Brüste.


XXXV

Homeros ging am Strand von Salamis

Und Platon wandelte bei Paphos-Ktima,

Und was sie sannen, all die Schönheit, dies

Erneuerten im süßen Bilde Cima

Und Tizian und die sie malten, hieß:

Belissima Madonna Diotima!

Und wie sie lehrte einst die Zyprioten,

Erschien sie in Venedig in den Booten.


XXXVI

Da auf des schwarzen Schwanes Schnabel blühte

Einsamen Stolzes roter Rose Blut,

Und der im Traume fuhr und im Gemüte

Die weiße Dame auf der dunklen Flut

Sah schweben, da der Stern des Morgens glühte,

Der dachte da an Sulamith und Ruth

Und Michal und an Rahel und die pia

Venusta clemens dulce Santa Maria!


XXXVII

Frug Nonna: Bist du einer auch von Jesus?

Sprach Pietro: Ja, er ist der Gottheit Sohn!

Frug Nonna: Folgst du nach dem Christus Jesus?

Sprach Pietro: Ja, bis zu des Himmels Thron!

Frug Nonna: Liebest du auch innig Jesus?

Sprach Pietro: Ja, denn er ist „Metatron“

Und Wort des Herrn und goldne Frucht Marias,

Ja, Gottes Liebe wohnet im Messias!


XXXVIII

Und Pietro glaubte an des Vaters Liebe,

Der Vater war ja Schöpfer Mariettas.

Und Pietro glaubte an des Sohnes Liebe,

Der Sohn war ja Erlöser Mariettas.

Und Pietro glaubte an des Geistes Liebe,

Der Geist war ja der Beistand Mariettas.

Die Liebe war die wahre rote Primel

Und „alles Liebe“ war der Himmel Himmel...


XXXIX

Und seine Dame ließ den schwanenweißen

Schneeweißen Mantel in die Fluten sinken;

Da schwamm die weiße Schwanin in der leisen

Flut meerwärts, dort das Morgenlicht zu trinken;

Die Dame aber (unter leisen Weisen

Der Gondoliere, die mit Federn winken)

Stand im Gewande rot wie eine Rose -

Wie Beatrice einst, die Makellose.


XL

Da stand in einem hohen Säulentor

Aus byzantinisch edlem Marmorstein

Der Mann, des Seele sich im Traum verlor

Und trank der Träume roten Rebenwein,

Versank in den phantastisch tiefen Chor

Von Liebeslieder voller Lust und Pein:

Madonna! seufzte Pietro dell’Olores

Geist schwermutvoll: O Pieta Dolores!


*******


XLI

O Nina, Nina - suefzte Tonio.

Venedig schwebte überm Meeresspiegel

Gespenstisch. Und da war so sehr unfroh

Der Jüngling, melancholisch hing sein Flügel.

Doch Venus trat heraus aus ihrem Klo,

Den Gürtel hängenlassend, daß sie wiegel

Dem armen Jüngling seine Seele auf.

Und bittre Sterne nahmen ihren Lauf.


XLII

Und Nina hatte eine Schwester, schön

War sie wie Nina fast, doch nicht so ganz,

Und sie hieß Gina. Seufzendes Gestöhn

Floß Tonio vom Herzen. Einen Kranz

Von Schwermutblumen, die verwelkt vergehn,

Flocht er, zu feiern Ninas hübschen Tanz.

Doch Nina, Aphrodite der Levante,

War er nicht mehr als - Cavalier servante!


XLIII

Sie lebte ja mit ihrem Pantalone,

Der schüttete in ihren Schoß das Gold,

Das ganz reale Gold, das war nicht ohne,

Und manche schmucke Meeresperle rollt

In ihren Schoß, gegebner Lust zum Lohne,

Und darum war dem Manne Nina hold.

Doch besser wäre ihrer Lust bekommen

Die Leidenschaft Antonios, erglommen.


XLIV

Ihr Silberauge schwamm wie Donna Luna

Die Silberblicke, voll Gefahr und Reiz.

Mit ihr ging Tonio an der Laguna

Und sah der Möwen Schwingenpaar-Gespreiz

Und wollte nur in Ninas Armen ruhn, ah,

Als wie Adonis, nach des Todes Kreuz,

Gebettet lag im Schoß der Aphrodite.

Und heiß und schwül die Hundstagssonne glühte.


XLV

Ihr wisst, es war nicht üblich in Venedig,

Daß eine Dame mit dem Gatten ging

Umher, vielmehr ging jede, die nicht ledig,

Mit einem Kavalier, den sie sich fing.

Keusch war die eine, eine andre gnädig,

Erbarmte der Natur sich, auch mit Ring,

Doch keusch war Nina kaum und auch erbarmte

Sie sich nicht Tonios, der ganz verarmte.


XLVI

Am Morgen lag sie noch in ihrem Bette,

Die Seide kaum verhüllte ihre Brüste.

(O Gott, den Mann aus diesem Netze rette!)

Und Tonio ihr schlanken Händchen küsste

Und seufzte seine törichten Sonette

Ihr in die Ohren, Lieder heißer Lüste,

Und Nina Tonio erwieß die Gnade,

Mit ihm zu trinken heiße Schokolade.


XLVII

Dann half er ihr, die Haare sich zu färben,

Daß ihre braunen Locken rötlich flammen.

In diesen Feuern muß die Seele sterben

Und glühn zu einem toten Kloß zusammen,

Zudem der Körper wallet zum Verderben.

Wollüste ihm das heiße Blut durchschwammen

Und nichts, nichts Törichtes war ihm mehr fremd,

Als Nina anhob leicht ihr Seidenhemd!


XLVIII

Er führte sie zur Lutheraner-Messe,

Dem Hochzeitsfest zu Kana man gedachte

In jener Feier. Prunkende Noblesse

Von Mahagoniperlen überbrachte

Er ihr, die zierten ihre feine Blässe.

Am Abend er an ihrer Seite wachte

Im Schauspiel, und er pries an seiner Nina,

Daß sie noch schöner war als Arlecchina!


XLIX

Sie klagte ihm von Pantalone vor,

Wie es an seiner Seite sei so öde,

Wie er so schrecklich dumm sei, Narr und Tor

Und sei ein Sklave Mammons, schal und schnöde

Sei jener Geist, an den er sich verlor.

Wie sei doch Tonio mit seiner Flöte

Der Zauberei so tiefen Geistes voll!

Und er vernahms und seine Ader schwoll.


L

Er nannte sie Kleopatra und Dido,

Weil sie so schön und so verführerisch,

Er nannte sie die Lieblingin vom Lido,

In ihrem Meere wär er gern ein Fisch.

Und während andere im Pastor Fido

Theater sahen, saßen sie am Tisch

Und er entblätterte verliebt die Krusten

Und fütterte ihr Mündchen mit Langusten.


LI

Und Pantalone gab zu allem Geld

Und reich beschenkte Nin Tonio

Mit aller Zauberei der Sinnenwelt

Und nannte ihn süß lispelnd: Amico!

Er fühlte sich vor Nina wie ein Held

Und war nicht so wie Pantalone roh,

Gab jener Nina auch das Portemonnaie,

Pries Tonio nur ihrer Brüste Schnee.


LII

Und die Kokette oder die Kokotte

Ließ durch die Seide sehn des Busens Blässe:

Das war ein Liebesnest dem Liebesgotte,

Sie wäre Eros Nymphe und Mätresse,

Er schlüge mit den Flügeln einer Motte

Und tränke trunken ihres Schweißes Nässe,

Wenn sie nach süßen Kämpfen ruhen würde

Und er entledigt wäre seiner Bürde.


LIII

Und dann erhöb sie sich, die Reizend-Junge,

Und führte ihn durch enge dunkle Gassen

Hinein in die verrufene Spelunke

Und würd ihn nicht von ihrer Seite lassen

Und reden dies und das, und in der Dschunke

Betrunken seine Hüfte ihm umfassen,

Und alles was die beiden machen müssen,

Ist sich in trunkner Trunkenheit zu küssen!


*******


LIV

Im Süden gibt es eine Märchenstadt,

Das Meer zieht plätschernd durch die schmalen Straßen.

Im Wasser spiegeln sich so lebenssatt

Marmorpaläste. Aber wo ist Rasen

Und wo der Tau auf Rosenblütenblatt

Und wo sind Wälder, Rehe, wo sind Hasen?

Kein Wagen hier, nur wunderbare Stille

Und schlanker schwarzer Schwäne Flug in Fülle.


LV

Wie weich die Seeluft weht, wie zartes Blau

Das himmlische Gewölbe! Voller Schimmer

Taucht eine Insel auf wie eine Frau:

Ist es Torcello? ists Murano? Immer

Schwebt schön der Dom, gesalbt von Morgentau,

Die heilige Kirche. In Palästen Zimmer

Mit hohen goldgefassten Spiegeln, schlanken

Jungfrauen mitten unter Blumenranken.


LVI

Vom Lido fliegen aus den grünen Gärten

Und übers Wasser tausend Tauben leise

Und wallend auf den blauen Ätherfährten

Wallfahren sie und lassen sich im Kreise

Vorm Markusdome nieder, dem verehrten,

Da alles schimmert rings von Marmorweiße

Und alles schwirrt und girrt und gurrt und ruckt -

Ruckediguh - und Colombina guckt.


LVII

O Marietta Colombina! dir

Erfunden sei der gurrende Kongreß

Der Tauben vor des Markusdomes Zier:

Dort eine provencalische Comtesse

Und dort ein Tauber, bettelnd um sein Bier,

Und dort auch (Dichter, bist du sicher des?)

Der Weisheit Taube, wohnend in der Nische

Des Markusdomes, rein wie Beatrice.


LVIII

Zutraulich und bezaubernd sind die Tiere

Und Himmelsbürger sind die liebevollen.

Dort schweben sie in reiner zarter Ziere

Und voller Ruhe ihre Reden rollen.

Evangelisten schreiben, alle viere,

Der Geist sei eine Taube und es sollen

Die Frommen sein wie Tauben wahr und weise,

Zum Himmel heben ihre Schwingen leise.


*******


LIX

Marktschreier kommen nun und Kurtisanen,

Gesellen voller Zungenfertigkeit.

Die Koryphäen aller Torheit mahnen

Den weisen Menschen an die Nichtigkeit,

Von der nichts wissen will der Scharlatanen

Zahlreiches Volk in seiner Eitelkeit.

Und vor des heiligen Germinianus Dom

Ergießt sich üblen Unflats Redestrom.


LX

Und in den bunten Masken kommen Narren

Und buntbemalte kostümierte Frauen.

Den Narren sieht man vorm Balkone harren

Und schmachten, seine Zofe anzuschauen.

Den Narren sieht man mit dem Bocksfuß scharren,

Hochziehn die Zofe ihre Augenbrauen

Und dann den Narren eine Rede halten

Von seiner Lust und Leidenschaft Gewalten.


LXI

Quacksalber kommen an mit Medizin

Und schwätzen vom Kentauren Chiron und

Von Paracelsus und sie loben ihn

Für den Homunculus und auch der Hund

Des Doktor Faust wird hoch gerühmt. Da schrien

Spaßmacher auf und sperrten ihren Mund

Wie einen Drachenrachen auf und boten

Fromme Belehrung untermischt mit Zoten.


LXII

Ein weitrer Scharlatan ward da gefunden,

Der mit der Rechten sich ein Messer packte

Und schnitt sich lachend tief in den gesunden

Gespannten Arm und sich die Hand abhackte

Und heilte gleich darauf die eignen Wunden

Mit jener Medizin: die grüngezackte

Heilpflanze heil auch völlig Herz und Niere

Und koste hier bei ihm nur wenig Lire.


LXIII

Die Kavaliere steigen stolz und nett

Mit ihren Damen in die Bootskabinen,

Sie säuseln manches seufzende Sonett,

Wollen als Troubadoure ihnen dienen,

Und wollen eigentlich nur tète-à-tète

Mit ihren Herrinnen die Wollust sühnen

Und dennoch weiter in der Wollust wandeln

Auf engstem Raume in verborgnen Gondeln.


LXIV

Wie ging es Pietro dell’Olore? Pano

Di Christi hatte er im Dom empfangen

Und war nun auf der Reise nach Murano,

Da fein wie Rosenglas die Wölkchen hangen,

Und reiste nach Torcello und Burano

Und nach der Friedhofsinsel: Messen klangen,

Fürbittgebet für alle die Verdorbnen

Und Seelenmessen für die fromm Verstorbnen.


LXV

Er trug sein Kreuz wie Simon von Cyrene

Das Kreuz einst trug, hinan nach Golgatha.

Sein Kreuz, das waren Schmerzen seiner Zähne

Und Seelenschmerz, der ihn durchbohrte, da

Er lange nicht gesehen die Sirene

Maid Marietta von Venezia,

War sie doch Summe seiner Seele Sehnen

Und Traum auf nächtlich schwimmenden Gondelschwänen.


LXVI

So wie der Himmel von Venedig blau

Und wie die Wasser von Venedig grün,

So grünblau waren ihre Augen, schau

Wie sie so gold wie Sonnenstrahlen glühn

Und ruhen wie in Milch und reinem Tau

Der Mondin und wie weiße Lilien blühn.

Er wollte länger nicht Orangen saugen,

Nur trinken Mariettas Traum von Augen.


LXVII

O weicher schlaffer Hauch von Sirius,

Du schwingst dich auf den Flügeln der Zanzare

Mit schwülen Dünsten aus dem trüben Fluß

Und schweißt im Schweiß zusammen Liebespaare.

Dem Dichter aber kommt des Geistes Gruß

Nicht mehr von der Madonna della Mare,

Nicht tönen Magnificat mehr seine Lieder,

Da müd und schlaff ihm hängen seine Lider.


LXVIII

Wo bist du, herrlich bunter Karneval,

Nachtschwärmereien ihr und Serenaden,

Innamorati im Theatersaal

Und unterm Taubengurren der Arkaden,

Wo seid ihr hin? Ah weh, ihr wart einmal!

Kommt wieder nicht Madonna voller Gnaden

Und bringt im Rosengarten-Rendezvous

Ihm Marietta? - Holde Liebe du!


LXIX

Stattdessen träumte Träume Tonio,

Wie er gegondelt auf Venedigs Flüssen,

In Lust des Lebens, seines Herzens froh,

Erwartend Wollustfluten von Genüssen

Ganz nach den Sünden eines Salomo.

Die Schönste lag auf dem brokatnen Kissen

In einer Gondel, vorm verhängten Tor

Ein wilder Knabe stand, ein junger Mohr.


LXX

Und um sie schwirrten bunte Papageien

Und in dem Raume blitzten goldne Dolche.

Und auf den Polstern ruhte - die zu freien! -

Ein schönes Weib, es gibt nicht viele solche

Liebreizend-Leichtbekleidete im Maien,

Betörend mit den Reizen alle Strolche,

Betörend mit dem süßen far niente

Und aller schwülen Pracht vom Oriente.


LXXI

Pantöffelchen mit Blumen bunt bestickt,

Das braune Haar floß reich in freien Locken,

Ein leichtes Lächeln voller Liebreiz glückt

Der Schönen mit der vollen Brüste Glocken,

Der feuchte Glanz der dunklen Augen blickt

Ihm in das Aug, und seine Pulse stocken,

Wild pocht sein Puls, als er die Mundgranaten

Im Traume küsste, die so süße taten.


LXXII

Und wie ein kunterbunter Schmetterling

Wand sich die Gondel zwischen harten Pfählen,

Als ob ein funkelbunter Stern sich schwing

Mit Schicksal zu verzaubern Menschenseelen.

O Malamocco-Glocke! fernher kling

Und schwinge dich, die Tugend zu empfehlen!

Doch klangen nur des Mohrenknaben Schellen.

Und Traumes Schäume an dem Stein zerschellen.


LXXIII

O Brenta, Villen ihr und Lustreviere

Und grüne Gärten fürstlich-reicher Pracht,

Ihr Paradiese ausländischer Tiere,

Verheißungen auf eine Liebesnacht,

Da lockend schaut das Weib zum Kavaliere

Mit den Gazellenaugen süß und sacht.

Er sieht die Zunge ihre Lippen lecken

Und Bienen summen um die Myrtenhecken.


LXXIV

Corpo di Bacco! Und im Traume sang

Antonio ein instinktives Ave,

Das klang wie leise Glocken traumentlang,

Sich wölbend tröstlich über seinem Schlafe.

Zypressen standen auf so todesbang

Und Feigen bangten vor der Sündenstrafe.

Dann aber aus erregten Traums Mäander

Das Weib auftauchte und ein Salamander.


LXXV

Signora Esmeralda! Oh, erhört

Mein Flehen in der Liebe Heiligtume!

Mich hat am ganzen Wesen so betört

Der Duft aus Eurer Anmut süßen Blume!

Ich hoffe, daß der Ehemann nicht stört,

Wenn wir verkuppeln zu Cupidos Ruhme

Die Augen, Lippen, Haare, Hände, Beine!

Lob Euren Brüsten, bloß im Mondenscheine!


LXXVI

Und Bäume standen da mit breiten Blättern

Und glänzend silberweißen Glockenblüten,

Die süßesten Zephyre sommerwettern

Und geben Glut den sinnlichen Gemüten.

Ein Teppich breitet sich den Liebesgöttern

Und in dem Teppich Scharlachblumen blühten

Und auf den Polstern ruht die Heidin, bloß,

Ihr Nabel Perlen, Seide überm Schoß.


LXXVII

Da trat der kleine schwarze Mohrenknabe

Und reichte dar des Teufels Elixier,

Den Kelch mit Wermut voll, der Wollust Labe,

Und süßen Untergang dem Kavalier,

Und der nahm aus des Knaben Hand die Gabe

Und trank der Sünde ekles schales Bier.

Und da ihr, Sünder, beieinander lagt,

Der Sünde Diener und der Sünde Magd.


*******


LXXVIII

Madonna! Mater Misericordiae,

Du Hüterin der Meeresstadt, du Maid,

Du Vesperglockenstern der grünen See

Und weiße Jungfrau in der dunklen Zeit,

Du milde Schönheit allem unserm Weh

Und Unsre Liebe Frau in unserm Leid,

Send du die Muse mir in meinen Traum!

Die Maid taucht aus dem marmornen Meeresschaum.


LXXIX

Sie tritt mit bloßen Füßen an den Quai.

Der Minnesänger dichtet: Bin erbötig!

Sie schwebt voran, die weiße Maid im Mai,

Und führt ihn durch die Venen von Venedig,

Da ist die Seufzerbrücke nahebei:

Noch Einmal dich zu sehen! sei mir gnädig!

Und dann zu schrein dem Retter eine Rune,

Verscheiden dann geküsst an der Lagune...


LXXX

O Zauberwelt der Fee, Venezia,

Da alles sich mit andern Maßen mißt,

So wie in der Laterna Magica

Der Traum von wunderbarer Wonne ist,

Da Ritter Tankred schaut Herminia,

Die ihn sehr sanft zurück ins Leben küsst.

Sind manche auch getrennt durch Wasserfluten,

Das wagte Gott den Herzen zuzumuten!


LXXXI

Venedig in der Abenddämmerung

Im Mond September trägt ein Trauerkleid,

Bestickt mit Abendsternen schön und jung.

Und der Poete dichtet seiner Maid

Zu seiner Lyra schönem Schwanenschwung

Vom Könige des Kummers und vom Leid

Des Liebenden und wunderbar Verliebten

Und Gottes Trost den inniglich Betrübten.


LXXXII

Aus einer engen Calli treten drei

Holdselige Frauen zu dem Gondelboot

Und zwei sind grün und weiß wie süßer Mai

Und Eine ist wie eine Rose rot.

Ihr klang der wahren Minne Melodei,

Ihr brach der Dichter seines Herzens Brot.

Die Augen grün und golden wie die Brenta

Sah sie zum schwarzen Schwan der Fondamenta.


LXXXIII

Die Tauben rufen: Die ist Cindarella

(Ihr Vater putzte einstmals die Kamine),

Die Tauben rufen: O Venezia bella

Und du, o holdes Täubchen Colombine!

San Marcos Tauben rufen: Maris Stella,

Dir der Poet mit seiner Lyra diene,

Du schwebst als Venus ihm auf seinem Blute

In Schneeweiß wie Maria della Salute!


LXXXIV

O goldner Glanz vom Abendsonnenschein,

Glut in der Liebenden verliebten Seele,

O reiner Inseln Ringelreigenreihn

In meerischen Venedigs Archipele,

O Abendpurpur, rubinroter Wein,

San Giogio Maggiores rote Stele,

O welche Lust des Abends roter Wein macht

Bei all dem Christentum lebendiger Steinpracht!


LXXXV

Magie des dämmerig traumhaften Lichtes,

Wenn in der Glut die rote Sonne sinkt

Mit Sphärentönen göttlichen Gedichtes,

Das ein gottheimgesuchter Dichter singt,

Die Gondel in der Armut des Verzichtes

Sich an den Rand des Markusplatzes schwingt

Und ankommt dort in einem stillen Hafen

Der Nacht. Vom Dome Klang von fünfzig Aven.


LXXXVI

Im Wasser ist ein Phosphorglanz geblieben,

Wie Mariettas milde Augen grün,

Sinkender Sonne goldnes Funkenstieben,

Wie Mariettas Augenstrahlen glühn,

Von Osten kommt die Mondin angetrieben,

Wie schneeweiß Mariettas Augen blühn.

Die nächtliche Magie der Piazetta

In Einsamkeit verkündet Marietta!


LXXXVII

Die Seufzerbrücke seufzt, die Martyrsäule

Hinüberschaut zum goldnen Flügellöwen

San Marcos. Einsam schwebt Minervas Eule.

Und Aphrodites Tauben, Venus’ Möwen,

Sie schlafen in den Nischen eine Weile.

O goldne Wimpern, Locken an den Schläfen!

O weiße Lieblingin in den Arkaden,

Dir Mandolinen-Liebes-Serenaden!


LXXXVIII

In dunkler Ferne ruht Il Redemptore.

Die Ponte dei Sospiri still sich neigt.

Und vor Sankt Markus hochgebautem Tore

Die Schar der schönen Marionetten steigt,

Ein Künstler spielt auf pastoralem Rohre,

Ein Komödiant die bunten Puppen zeigt,

Ihr Spiel blüht auf wie eine Maienrose:

Cygnus von Troja, seine Metamorphose.“


LXXXIX

Sie zeigen auch die Kaiserin des Mondes,

Das weiße Turteltäubchen Colombine.

Ein Närrchen liebt es, auf der Erde wohnt es,

Es liebt sie wie die weisen Harlekine,

Und all sein Lieben ist ein unbelohntes

Auf Erden, dennoch jeder jener diene,

Weil ja die Liebe selber schon ein Lohn ist,

Auch wenn nicht seines Mädchens Lippenmohn küsst.


XC

Und dort: La Torre dell’Orologio,

I Mori dröhnen mit den Hammerschlägen,

Die Magier des Morgenlandes so

Erheben sich und treten zu dem Segen

Der glrreich-gnadenreichen Jungfrau, wo

Den Anfang nahm der Herr, der auf den Wegen

Des Leides ging. O Mater Dolorosa!

O Virgo Mater! - sine spina rosa!...


XCI

Auch Lob und Preis der Menge der Melonen,

Die so erquicken eines Menschen Gaumen,

Auch Lob und Preis den köstlichen Makronen

Und allen Pfirsichen und allen Pflaumen,

Und höchstes Lob und Rühmung den Maronen,

Weil einst gelegt den weißen Mädchendaumen

Auf die Marone an der Piazetta,

Sie Pietro zu vermachen, Marietta!


XCII

Die Mondin und die Myriaden Sterne

Beruhigend leuchteten und sanft herab

Und spiegelten in stiller Flut die Ferne

Und senkten in des Wassers dunkles Grab

Des Firmamentes Granatapfelkerne,

Die Mondin winkte mit dem Lilienstab,

Da schwammen auf dem Wasser schwarze Schwäne,

Umhüllt von mondensilbernem Gesträhne.


XCIII

Die Schwanenseelen und die Silberreiher,

Sie wimmeln und sie schwimmen rings umher.

Ein dunkler feingewobner Mittnachtsschleier

Weht hin gespenstisch überm dunklen Meer.

Von ferne tönt des Gondoliere Leier

Rinaldos Buß, von Reuetränen schwer,

Daß er ergeben sich der Sinnlichkeit

Am Busen einer allzu schönen Maid!


XCIV

Es schwimmt ein Fabelschwan durch die Kanäle,

Wie Traum sind seine samtenschwarzen Glieder.

Den Hals der Mittnacht zieren Mondjuwele,

Es singen Sterne ihre Sphärenlieder.

Es träumt die dunkle Schwanensängerseele,

Wie Schaum des Meers zur Nacht rauscht sein Gefieder,

Das mit dem Meer der Mittnacht sich vermischt,

Als trauerte die Königin der Gischt.


XCV

Und müde lag im Bette Margarethe

Und träumte himmlisch, Mariettas Nonna.

In ihren Schlummer braune Mondnacht wehte

Und seufzte eine Hymne der Madonna,

Daß sie für Margarethes Seele bete,

Die da im roten Rock und blauen Gonna

Und goldnen Schleier ging, mit bloßen Füßen,

Und hörte Nonna sie im Traume grüßen.


XCVI

Und Nonna Margaretha schlief hinüber,

Gesalbt mit Chrisam von des Mondes Öle.

Und Petrus stand, Patron des Doms am Tiber,

Am Himmelstor und grüßte ihre Seele.

Und Nonna grüßte ihren Gott: Viellieber!

Er gab ihr eine Krone von Juwele,

Der Meeresperle ein Gewand von Linnen,

Und hob sie an Sein Herze, sie zu minnen!


XCVII

Und Marietta ging im weißen Kleide

Durchs Labyrinth Venedigs einsam sinnend.

Die Mondin schwamm in reiner weißer Seide

Und Balsammilch von ihren Brüsten rinnend

Erquickte Marietta in dem Leide

Und war ihr süße Tröstung, daß sie minnend

Ja sagte zu der Sterbestunde Datum,

Weil in des Vaters Händen lag das Fatum.


XCVIII

Dann stand sie auf Balkones Ballustrade

Und sah zum nächtigen Himmel leise träumend.

Und leise durch die schattende Arkade

Weiß rauschte eine Taube auf wie schäumend.

Da nahte Pietro, um der Jungfrau Gnade

Zu flehn, die sie an seine Seele säumend -

In seiner Seele Bronnen wie ein Schwengel

Versunken - ihm begegnet wie sein Engel.


XCIX

Auf dem Balkon hob sie mit keuschem Reiz

Verträumt ihr Angesicht zum Mond empor.

Himmlische Seraphinen, ja ihr seids,

Die ihr geschwebt seid aus des Himmels Tor,

Bis an ihr Herz. Sie zeichnete ein Kreuz,

Mit dem den Segen sie herabbeschwor

Wohl über Messer Pietro in der Nacht

Und sandte eine Kußhand süß und sacht.


C

Dann hüllte sie sich dichter in den Mantel,

Als sei ihr Mantel Mantel der Madonna.

Ihm war ja marianisch all ihr Wandel,

Und ihre Anmut Anmut der Madonna,

Und ihr Gebet wie Myrrhe, Zimt und Sandel

Und all ihr Flehen Flehen der Madonna

Und flehte auf, wie zu dem Mond die Flut,

Zum Allerhöchsten, der in Liebe ruht.




VIERTER TEIL:

ZUM ANGEDENKEN



Klage des Poeten um die Jungfrau


I


O Liebling meiner Seele, ich will singen

Und Dir der Liebe Harfelispeln bringen.


In Tirza nennt man Deinen süßen Namen,

Du heißest lauter Liebe, Ja und Amen.


Ein kleines Hallel will ich seufzen, oh!

Im Seelenelend bin ich Gottes froh!


Ja, ich bin krank vor Liebe, wie Du weißt,

Mein Herz sagt seufzend aus der Tröster Geist.


Der weiß, wie weh und selig mein Gemüt,

Wie eine blut'ge Rose duftend blüht.


Ich danke Dir, daß Du so heilsam redest

Und vor dem Throne Gottes für mich betest.


Du lässt mich eingehn still in Deine Ruh.

Fürwahr, fürwahr, mein Jesus: lieb bist Du!



II


Ja, eine Flamme Gottes ist die Liebe!

Ich sags nicht aus, wieviel ich Dir auch schriebe,


Ich will Dir danken für den Tanz der Flamme,

Hingabe will ich völlig gleich dem Lamme.


Dein Wort der Liebe, Gott ganz zugewandt,

Verheißt der Liebe Himmelsharfenland.


Anbetend rühm ich meines Herzens Herrn,

Den Gott, der menschlich spricht: Ich hab dich gern...


Der spricht: Ich hab dich je und je geliebt...

Ich danke euch, Apostel, wie ihr schriebt:


Gott ist die Liebe! Liebe ist wie Glut.

Gott! unaussprechlich! - Dank für Jesu Blut.



III


Du Menschensohn, Du über Wolken thronend,

Du lieber Geist, in meinem Herzen wohnend,


Ich danke Dir für Deine gute Gnade,

Heilsame Worte aus der Bundeslade,


Dein Wort, geredet durch den treuen Knecht,

Das brachte wiederum mein Herz zurecht,


Das wies mit Licht des Vaters Liebe mir.

Ich bin in Jesu Diadem die Zier?


O Gnade über Gnade! Glück um Glück!

Der Christus blickt durch seines Jüngers Blick.


Der Geist weist Ruhe, Stillesein, Vertrauen...

Uns brachten aus der Fassung Jesu Frauen -


Mir brannte so das Herz, da Jesus nahte

Mit Heil und Licht und Freude! Gottes Gnade


Ist eine Liebe, wie sie Salomo

In seiner Seele hatte - Jesus - oh!...



IV


O Geist der Liebe! sieh, ich bin von Sinnen -

Und voller Ruhe, Friede, Stille innen.


Wer kann mich meistern? Meines Herzens Flammen,

Sie schlagen fromm vor Deinem Thron zusammen.


Vor Wonne muß ich seufzen, voller Sehnen,

Du tröstet mich und rührst mich gleich zu Tränen.


Ich bet Dich an voll Liebe und Vertrauen

(Zugleich will ich die Gottestochter schauen).


Ich glaub an Deine Liebe! Du bist gut!

O segne! Du Erlöser mit dem Blut!



V


Oh weh, mein Herz, wie martert dich so sehr

Lieblosigkeit, dir wird die Nacht zu schwer.


Ich seufze und ich stöhne unaufhörlich

Und bin nach Deinem Liebestrost begehrlich.


Ich möchte klagen, schreien schmerzbeflügelt,

Doch Gottes Geist hat mir den Mund versiegelt.


Da werden Nägel durch mein Fleisch geschlagen!

Ich blut, verblute, kanns nicht länger tragen!


Gekreuzigt wird mir Wunsch, Entzücken, Traum!

(Kein Engel säuselt schimmernd um den Baum.)


In tiefer Finsternis und großer Qual

Schreit meine Seele aus dem bittern Tal.


O Jesus! Jesus! Jesus! Du fühlst mit,

Wie meine Seele durch die Liebe litt!


Du trugest meine Not und das was quälend

Und nahmest langsam von mir all mein Elend.


Oh, unaussprechlich seufztest Du Gebete.

Der Geist der Liebe Christi trostreich wehte.


Mir sang vom Herzen sich der Lobgesang,

Den bittern Kelch des Leidens nahm ich bang,


Mein Wille aber war zu Gott gewandt:

Ich nehme selbst den Tod aus Deiner Hand! -


Ausschüttend mein Gemüt vor Gottes Ohren,

Da sprach der Geist. Doch wie war ich verloren?


Oh, wie die Hindin nach dem Wasser schmachtet,

So mein Gemüt nach dem Messias trachtet.


Vom Throne Gottes - Jesus - kommt mein Heil,

Ich habe an der Liebe Gottes teil,


Vom Angesichte fließt mir Hoffnung zu:

Viel Liebes, Heilung, Trost und große Ruh.



VI


Die Flamme, sie verzehrt mich, meine Freundin,

Zu dir die Liebe wurde mir zur Feindin...


Die Heiden sagen (war es nicht Homeros?):

"Der Götter allgewaltigster ist Eros,


Er wirft der Fackel Brand und Glut ins Herz,

Sein Pfeil verursacht Kummer, Leid und Schmerz."


Halt ein, o meine Seele, und bedenke,

Daß nicht dein Herz an bösen Göttern hänge;


Sei dir gewiß: der Herr allein ist mächtig,

Mein Jesus Christus! herrlich, schön und prächtig!


Messias! Du bist: Gott in Gottes Lamme!

Dir lodre ewig meines Herzens Flamme!


Du stillest Aufgebrachtes, Sturm und Meer,

Nach Deinem Angesicht sehn ich mich sehr.


Denn dies weiß ich: die Seele wird gesund

Von jedem Wort aus Deinem Kirschenmund.


O meines Brautgemütes Bräutigam!

Mein Hirte! ich bin Dein geschundnes Lamm.


Du, komm herbei und nimm mich an Dein Herz,

Heil Herzenswunde mir und Seelenschmerz.


Am Ausgang meiner wehen Einsicht mündet

Mein Herz zu Dir, mein Herr, in Gott begründet.



VII


Mein Gott! nach dieser Weise sing ich Dir:

Ich bin ein wundes, angeschossnes Tier,


Ein Rotwild, welches flüchtet durch die Auen,

Gebeugte Bäume weinen morgentauen.


Und alles seufzt nach Dir so weh und wund:

Küss mich mit Deinem Honigwabenmund!


Mein Gott, mein Gott, wohin bist Du gegangen? -

Mir Herz, Gemüt und Seele wehe sangen:


Wie fern ist meines Retters Retterschöne

Von meines Mundes seufzendem Gestöhne!


Ich schreie, aber Hilfe ist mir fern.

Gebrochen meines Herzens Mandelkern.


Und Büffel brüllen finster um mich her

Und Hunde heulen. Ah, mir wirds zu schwer!


Die Eingeweide wurden mir durchgraben!

Wie Harfenisten aufgestrichen haben,


So weht mein Geist in meines Vaters Hände:

Du führst es alles wohl zum guten Ende.


So hofften Abram, Isaak und Jakob

(Den Gottes Engel überwand am Jabbok),


Und Du warst ihre Hilfe und ihr Schild

Und Zufluchtszelt im heiligen Gefild -


Messias! Halt in unsichtbarer Welt,

Ich habe mich in Deinen Schutz gestellt,


In Deine lieben Arme mich begeben:

Ich starb am Kreuz - Du leb in mir Dein Leben!



VIII


Was bin ich so allein zur Morgenstunde?

Kein Arzt mit Balsam naht für meine Wunde.


Oh, Tränen schütten sich auf meine Wange,

In Finsternis bin ich allein und bange,


Ach Herr, mein Gott! leg mich in tiefen Schlaf,

Da mich Dein Schwert an meinem Herzen traf,


Ja, Du hast recht; Du mögest mir vergeben!

Laß mich trotz unerkannter Schuld am Leben.


Wo ist mein Lebensmut? Woher kommt mir

Kraft für den Tag? Mein Gott, ich komm zu Dir.


Unwiderstehlich ist die Leidenschaft,

Dem Totenreich gleich, so raubt sie die Kraft,


Verzehrend ist der Liebe Feuer wie

Der Feuerpfuhl, das Loch der Melancholie.


Gott ist wie eine Flamme auch verzehrend,

Ich geb mich hin, ja, alles Ihm gewährend.


Gott schmelze mich, Er läutre mich wie Gold.

- Wie hold die Tochter Seines Volks, wie hold.


- Vom Zeltplatz Kedars wend ich mich zum Herrn!

Ich will, daß ich vom Christus leben lern,


Ich möcht des Menschensohnes Freude fühlen,

Wie Er ganz einfach froh mit Kindern spielen,


Und so mir fließen aus den Augen Tränen,

Es sei nicht gleich wie Wahnsinn in den Venen!


Ich möchte Ruhe, Friede, festen Halt

Wie Jesus haben. Gott hat die Gewalt


Auch über meine Seele, mein Gemüt.

Die Trauerweide an dem Teiche blüht,


Ich kenn mich selbst nicht mehr, so wunderbar

Empfinde ich das Reich, das unsichtbar:


Da fliehn Dämonen, schwarze Vögel, Schrecken

Vorm Worte des Messias aus den Ecken;


Da leuchtet (wie das Auge Tirzas lohte)

Bei mir ein Engel, Gottes Freudenbote.


Der Herr steht auf am Ölberg zum Gebete...

Zum Tempel Gottes zieht die Morgenröte.


Oh, solche Sehnsucht nach dem Paradies!

Mit uns ist Jesus - Jesu Herz ist süß.



IX


Ist Schmerz nicht gut, wenn er das Herz verwandelt?

Sieh, meine Seele, wie dein Heiland handelt:


Er meint es gut und spricht so weich wie Flaum

Mit seiner Hirtengüte dir in deinen Traum.


Den Er "Geliebter" nennt, was soll der beben?

In Gott ist all Sein Leben und Sein Weben,


Und dahin führt Er dich, in Seine Ruh.

So überlass dich deinem Heiland du,


Er wird dich aus dem Tal der Tränen führen.

Mag Seine Liebe dich zu Tränen rühren -


Sieh, Er allein ist Liebe, Himmelslust.

Trink Trost aus Seiner Weisheit Mutterbrust


Und laß des Geistes Feuerzunge fließen -

Du, Gottes Ölbaum, du wirst wieder sprießen


Und lachen wirst du, jubeln und dich freuen.

Du mußt nur nicht das Leiden Christi scheuen.



X


Erwarten werde ich den Trost des Herrn,

Wenn mir im Herz ersteht der Morgenstern,


Da kommt wohl Jubel, Pracht, Triumph und Wonne!

Sein Antlitz ein Geleucht, wie Maiensonne,


So lieblich und so schimmernd und so warm

(Die Sphäre singend wie ein Vogelschwarm).


In Seinen Augen, die mich tief erkennen,

Ein Herz voll Gottes Liebe seh ich brennen,


Ja, diese Glut und dieser Funkelblick

So zart, so sanft, erzeugt mir Glück um Glück.


Die Haare fallend wie die weißen Flocken:

Laß mich gefangen sein in diesen Locken!


Und laß mich fallen zu den erznen Füßen:

Mein Gott und Herr, du Herrscher! laß mich büßen:


Mit erster Liebe will ich lieben glühend -

Vor geistlichen Begeisterungen sprühend,


Wort, Weg und Wille Gottes jede Stunde

Bezeugen mit dem Herz und mit dem Munde,


Dir trauen, der Du mich als Hirte weidest,

Und gehen, wohin Du gebietend leitest,


Der Stimme Deines Geistes folgen immer,

Dir danken für des Engels Hüterschimmer,


Die Heiligen mit Bruderliebe lieben.

In Seiner lieben Hand der Sterne sieben,


Das sind die Engel aus dem Himmelreich:

Barmherzigkeit macht mir das Herze weich,


Das ist die Liebe Gottes, eingesenkt

In meine Seele, die mir Gott geschenkt,


Mein Herz so wund zu tragen zu dem Retter -

O Jesus! gib vom Baum des Lebens Blätter!


Da zeigt Er mir die Frucht des Lebensbaumes.

Genuß mit aller Schönheit eines Traumes


Empfinde ich, des Lebenswassers Klarheit,

Des Geist mich führt in alle Liebeswahrheit.


Von Marmor, Elfenbein und Onyx weiß

Die Plätze, da man jubelt Lob und Preis,


Und goldner Zierrat und Rubin wie Trauben

Und bunt wie Federn sanfter Turteltauben


Die Edelsteine in der Märchenstadt,

Das Tor des Liebesjüngers perlmuttmatt.


"Siehe, ich stehe an dem Tor." Da ward

Fürwahr mir der Messias offenbart:


Er kam von Gott, Er ging im Himmelsland,

Und eine Jungfrau ging an Seiner Hand;


Das war die Braut des Lammes, das geschunden,

Die liebte Ihn und küsste Seine Wunden.




Der Jungfrau Lobgesang


I


O Gott und Vater, preisen will ich Dich

Für alles, was Du machtest durch Dein Wort,

Vor allem für die Jungfrau inniglich,

Die immer ruht in Deines Herzens Hort.


Mit ihr, der heilgen Jungfrau, welche lebt,

Und mit den Jüngern allen und den Frauen

Des Glaubens beten, wie der Geist es webt,

Wir zu dem lieben Vater voll Vertrauen.


Zu Dir, o Vater, rief in mancher Stunde

Die gottgeschaffne Mitka glaubensvoll,

Und mit ihr ich mit meinem Herz und Munde,

Das Beten uns im Jammertal erscholl.


O Gottes Sohn, Du Retter dieser Welt,

Ich dank Dir, daß die Jungfrau Du gerettet

Vom Bösen, der die Welt in Fängen hält,

Und hast sie hold an Gottes Herz gebettet.


Sie hat in ihrem Herzen tief vernommen

Der Gottheit Wort und tat nach Gottes Willen.

So nehm ich mir zum Vorbild dieser Frommen

Felsfesten Glauben, Glauben einer Stillen.


Wir Kinder Gottes flehn in Jesu Namen

Bei, mit und für die Jungfrau Mitka leise,

Und voller Liebe lispelt sie ihr Amen

Und sang den Lobpreis nach der Lilien-Weise.


Sohn Gottes, Du hast Mitka Dir erkauft

Mit deinem edlen Blut von Golgatha!

Geist Gottes, Du hast Mitka geistgetauft

Zur Stunde, da die Neugeburt geschah!


O Geist, Du hast sie angetan mit Stärke

Und wunderbarer Kraft vom Himmel oben.

So tut sie des Messias Liebeswerke,

Die alle ihren Gott im Himmel loben.


O, in der Missionarin der Studenten

Und in der Liebenden im Kreis der Alten

Soll sich die Huld von Gottes Vaterhänden

Und Jesu Christi Herz der Welt entfalten!


In Dir, o Geist der Liebe, singen wir

Mit Jungfrau Mitka süßen Lobgesang

Mit ihrer reinen Stimme und der Zier

Des Saitenspieles, das so golden klang.


Sie sang: O meine Seele preist den Herrn!

Mein Geist will jubeln über meinen Heiland! -

In Gottes Morgenröt der Morgenstern,

Hing Christus an dem Kreuz für Mitka weiland!


Sie sang: Ja auf die Demut Seiner Magd

Hat Er mit sanftem Taubenaug geschaut. -

Drum preiset selig sie, die manchmal klagt,

Der Dichter, der der Jungfrau Gott vertraut.


Ja, Gott in seiner Kraft hat viel getan

An ihrem bangen, zagen, feinen Herzen,

Er führte sie nach Seinem Lebensplan

Und litt am Kreuze ihrer Seele Schmerzen!



II


Wer ist sie, schimmernd wie die Morgenröte

Und wie der weiße reine Mond so schöne,

Voll Pracht wie Sterne, die der Schöpfer säte,

Und singend wie die Sonne goldne Töne?


Sie ist die Taube Elohims, die Eine,

Die Tochter aus der frommen Mutter Schoß.

Erblickt der milden Mädchen Schar die Reine,

So lieben Mitka sie, die makellos.


O Heilige! O Jungfrau! Gottgeboren,

Damit dich Gott beschenkt mit Seiner Freude

Und du auf alle Menschen, die verloren,

Die Freude überfließen lässest heute!


In dir ging in der Welt das Licht der Welt,

In dir war aufgegangen Jakobs Stern,

Der Heiland, der dein Herz in Händen hält,

Dein Herz, ein Tropfen Tau im Wein des Herrn!


Du bist gesegnet in der Schar der Frauen

Mit Geistes Charismen, Gebet und Glaube,

Und mit der Gnade, einmal Gott zu schauen,

Der dir in deinem Traum erschien als Taube.


Glückselig bist du, Mitka, weil du glaubest,

Messias wird Glückseligkeit dir geben.

Lob Dir, o Herr, weil Du dem Tode raubest

Die Seele Mitkas in das ewige Leben!



III


O höre, Gottes schöne Tochter, schau

Und neig zum Rätselspruch dein liebes Ohr.

Vergiß des Totentales Staubesgrau,

Schau auf zum Himmel zwischen Ried und Rohr.


Der König selbst verlangt nach deiner Schöne,

Neig dich vor Ihm und küsse Seine Füße,

Er ist dein Gott! Ihn loben schöne Töne

Im Himmel oben mit des Seimes Süße.


Die Meerestöchter kommen an mit Gaben

Und Seelenadel sucht nach deiner Gunst.

O, deine Kleider Lieblichkeiten haben

Und sein geschmückt mit Gold- und Perlenkunst.


Man führt im feingewobenen Gewande

Die Königstochter zu dem Bräutigam.

Jungfrauen ihr Gefolge in dem Lande

Der Liebe, wo sie liebelt mit dem Lamm.


Du wirst geleitet in dem schönsten Jubel

Dem wunderlieben Bräutigame zu,

Wo Friedenskinder feiern Freudentrubel

Deim Hochzeitsfest des Lammes - Mitka du!



IV


Ach, ach, in Sünde bin auch ich empfangen,

Doch Gott war mit dir schon im Mutterschoße.

Als Kind schon kämpft ich mit den schwarzen Schlangen,

Doch Gott gab dir der Liebe rote Rose.


Gott wartet auf der Menschen Gegenliebe,

Und oftmals erntet er nur totes Schweigen.

In deiner Seele aber Samentriebe

Des Wortes, und du bist, es zu bezeugen.


Von Christus bist du, wie auch ich, erwählt,

Er wählte dich im süßen Jesu-Herzen

Schon vor der Grundsteinlegung dieser Welt,

Die fiel mit Adam in die Todesschmerzen.


Doch Jesu Christi Geist gebar dich neu,

Als du des Blutes Zeichen angenommen.

Du bist als Gottes liebe Tochter frei

Und liebgebunden mit den andern Frommen.


So spricht der Herr: Ich gab mich für dich hin,

Um dich durchs Opfer Meines Lebens rein

Und heilig zu gestalten. Sieh, Ich bin

Mit Meines Vaters ganzer Liebe dein! -


Messias will die Braut erscheinen lassen

In reiner makelloser Herrlichkeit.

Er wird mit Seinen Armen sie umfassen

Und mit ihr singen in der Seligkeit!



V


Ah Mitka du, vor vielen frommen Frauen

Hast du in meinem Herzen Lieb gefunden.

Die ersten Augenblicke, die dich schauen,

Stigmatisieren mich mit Marterwunden.


Ich lieb dich, liebe dich wie eine Schwester

Und fleh zu Gott, daß Er in deinem Dasein

Dich leitet wie dereinst die schöne Esther

Und flehe: Jesu Liebe mög dir nahsein!


Ich seh an dir nicht Fehler und nicht Falten

Und Makel nicht und keine dunklen Flecken.

In Mitka will Messias sich gestalten

Und sie mit Seiner Liebe Schwingen decken.


Gepriesen bist du vor den andern Frauen

Mit einem Lobe deiner Seligkeit!

Gepriesen Jesus, den du mögest schauen,

In Seiner Liebeswonnen-Ewigkeit!


O Jungfrau, die gefunden Gottes Gnade,

Vom lieben Jesus wurdest du erleuchtet:

Er taufte dich im reinen Wasserbade,

Hat dich mit Geistes Salbungsöl befeuchtet.


O Spiegel deiner Seele: Gottes Ruh

In deinen himmelblauen Augenfluten.

In Nächten angefochten, konntest du

Das Böse überwinden mit dem Guten.


Du hast dem Dämon deiner wachen Nächte

Mit Gottes Schwert das schlechte Haupt zerschlagen.

Einst steigst du in des Todes schwarze Schächte

Und steigst herauf mit Jesu Jüngstem Tagen!



VI


Ich grüße dich, du Jungfrau voller Gnade,

Gott hat dich in Sein Himmelreich berufen!

In Seinem Schutz und Schirm trifft dich kein Schade.

Du singest Lob vor weißen Thrones Stufen.


Du sprachst: Ich bin des Königs Dienerin,

Und mir geschehe, wie Sein Wille ist. -

In Jesu Liebe deines Lebens Sinn,

Woran Er deine Seligkeit bemißt.


Der Heilige Geist ist über dich gekommen

Mit Gnadengaben, o Gebenedeite!

Du liebe Loberin mit andern frommen

Jungfrauen, auf der Freude Straße schreite!


Du warst ganz offen für den Ruf des Herrn,

O Mitka, als er sanft an dich ergangen.

O schöne Braut dem schönen Morgenstern,

In deinem Tempel Sieben Geister sangen!


Ich möcht dich nennen Braut des Heiligen Geistes,

Weil du im Geiste lebst und voller Geist.

Der schönen Braut des Christus Jesus, heißt es,

Der Heilige Geist die wahren Wege weist.


Anmut, geflossen über deinen Mund,

Damit hat Gott für immer dich gesegnet!

O Geist, gegossen in das Herze wund,

Auf wunden Grund dein Balsamsegen regnet!


Gestalt nahm in dir an die Gottesliebe

Und ewig-lieben Geistes frische Jugend,

Und in deim Geiste Wortes Samentriebe

Und in der Seele todbereite Tugend.


Ich preise dich (wenn ich dich preisen darf):

Du liebest Gott mit deinem ganzen Herzen!

(Und wenn ich einer Jungfrau Rühmung harf,

So ihr zum Ruhm! und Troste meiner Schmerzen.)


Die Liebe Gottes wurde ausgegossen

In deinem Herzen durch den Heiligen Geist,

Das Charisma kam wie ein Öl geflossen,

Das Gottes Salbung deines Geistes heißt.


Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott,

Und Gott bleibt voller Liebekraft in dir.

Wo Liebe lebt, da webt der Liebe Gott,

Und darum gab er auch dein Antlitz mir.


O Bild der liebenden Ergebung in

Den dunklen und geheimnisvollen Willen!

Sie findet Glauben, ohne Sicht von Sinn.

Lob sing ich in dem Lande einer Stillen.



VII


O Schwester aller, die an Jesus glauben,

O Schwester aller, die auf Jesus bauen,

O Schwester aller reinen Gottestauben,

O Schwester aller reinen Gottesfrauen,


O Schwester aller, die den Meister bitten,

O Schwester aller, die Sein Wort bewahren,

O Schwester aller, die im Herrn gelitten,

O Schwester aller der Erlöstenscharen,


O Schwester aller, welche folgsam kommen,

O Schwester aller, die das Kreuze tragen,

O Schwester aller landesstillen Frommen,

O Schwester aller, die dem Vater klagen,


O Schwester aller, die mit Christus sterben,

O Schwester aller, die mit auferstehn,

O Schwester aller, die den Himmel erben,

O Schwester mein, ich möcht dich wiedersehn!



VIII


Wer Christus an dem Kreuze nahesteht,

Der teilt mit Christus auch sein bittres Los.

Mein Gott, hast Du sie denn verlassen? bet

Ich bitter für die Jungfrau makellos.


Märtyrerinnen und Bekennerinnen

Und kluge Jungfraun in der Zeugenschaft

Sind Schwestern dir in deinem Herzen innen,

Denn Mitka, du lebst von derselben Kraft!


Wenn du in einer stillen Stunde Zeit

Mit deinem Charisma des Glaubens betest,

Dann denke an des Bruders Einsamkeit,

Wie du in seine dunkle Seele wehtest...


O der Bedrängten in der Trübsalszeit

Liebreiche Schwester sanfter Lächelblicke!

Wirk, daß die Brüder nach der Ewigkeit

Gesonnen sind zu ihrer Seelen Glücke!


Ah weh, ihr alle, die ihr unterm Kreuz

Gestanden, um mit Christus dort zu sterben!

Fühlt ihr den Schmerz? Die Jungfrau voller Reiz

Scheint schrecklich ausgeliefert dem Verderben!


In ihren Leiden kann ich Christus ahnen,

Als den am Kreuze oder ihren Retter

In ewgen Lebens ewge Lebensbahnen

Bei wunderseligsüßem Maienwetter.


Laß mir zu Herzen gehen ihre Not!

Laß meine Seel empfinden Mitkas Leid!

Wie soll ich beten, Herr? Besieg den Tod

Und mach glückselig diese liebe Maid!


O Trösterin, o Liebe, Gottes Seele

Muß tief berührt sein von der Jungfrau Leiden.

Sie ist so zitternd wie die zarte Schmele!

Du mußt, o Gott, ihr alle Leiden meiden!


Gott sprach: O geh, Mein Sohn, ans Todesholz

Und durch Dein Leid und Deine Ohnmacht handle! -

Bewahre Mitka, dieser Erde Stolz,

Und alles Leid in Herrlichkeit verwandle!


O womit kann ich dich vergleichen, Holde?

Und wie die Jungfrau trösten, Tochter Zion?

Dein Schmerz ist kostbarer als alle Golde

Dem Schöpfer von Plejade und Orion.


Im Angesicht des schwarzen Todes will ich

Für dich bewahren all mein tiefstes Hoffen.

Im Leiden zeige dich zum Kreuze willig,

Und bei dir steht Messias, Arme offen!



IX


O Jungfrau, du das Urbild der Gemeinde!

Dich liebt der Bräutigam mit Liebe fein

Und wird, nach Niederlage aller Feinde,

Dich kosen als ein liebes Lämmelein.


Du schöne Schwester, zaghaft-sanfte, scheue,

Die Jesus der Messias milde ehrt,

Du hast bewahrt zum Bräutigam die Treue

In Glaub und Lieb und Hoffnung unversehrt!


O Vater, Gott! Ich danke Dir von Herzen,

Daß Du das Bild der Jungfrau Mitka gabest!

Du reiftest Seligkeit in ihrem Schmerzen,

Bis Du sie mit Glückseligkeiten labest!


Ich will mit Jüngern und mit Jüngerinnen

Vereinigt stehen treulich im Gebet!

Denn Mitka lebt in meinem Herzen innen,

So daß ihr Leben in mir nie vergeht.


Beharrlich wollen wir auf Hoffnung stellen

Die Sache auf das beste, auf den Fels.

Der wird so lieblich küssen Lippenschwellen

Und herzen jener Jungfrau Seelenschmelz.


O liebe Mitka, mit der Liebe voll

Bist du für mich Messias’ Minnebraut.

Und da das Schicksal an die Steine scholl,

Hab ich für dich auf deinen Gott vertraut.


Herrliche Hoffnung auf das Wiedersehen

Auf schöner Erde unter Gottes Hand!

Heerscharen Himmlischer wie Winde wehen

Mit Mitka in der ewigen Liebe Land!




ANHANG:

MARIANISCHES TAG-LIED


Madonna, zähle ich die Jahre, sind es zehn,

Seit Gott zu dir in süßer Minne mich entzündet.

Und schneidet wer mein Herz auf, was er darin findet,

Das ist dein Name, o Maria, wunderschön!


Du, die des Lebens wahres Leben mir geboren,

Betörtest mich zuerst auf deinem Scheidekissen,

Da sah ich Jesus deine liebe Seele küssen

Und heben dich hinan zu offnen Perlentoren.


Der Jungfraun Jungfrau du, mein schönes Ideal,

Du Lobpreissängerin und Zimbelspielerin,

Ich gab mich schattenhaften Ebenbildern hin

Und liebte dich zumeist mit Reimen ohne Zahl.


Du sprachest auch zu mir, die ich im Traume sah,

Du gabest sinnlich-selige Gesänge süß

Mir ein und schöne Ahnung von dem Paradies

Und Heimatrecht in Roma in Italia.


Du lehrtest mich, o Magd, das Evangelium,

Du führtest selber mich den Weg nach Golgatha,

Immaculata, warst im Hohen Liede da,

Das himmlische Jerusalem dein Heiligtum.


Auch China preist dich, Mutter der Barmherzigkeit,

Poeten nennen dich die Guan Yin von Tibet,

Dir, die mein Geist nächst der drei-einen Gottheit liebet,

Dir sei das Reich der Mitte allezeit geweiht.


O Gottesmutter, ist die arme Seele wund,

Erscheinst du gnadenreich in wundersamen Träumen,

In weißem Linnen und mit himmelblauen Säumen,

Legst mir den Zeigefinger stillend auf den Mund.


Und ist mir sterbenselend, wehvoll-weh zumut

Und sausen nächtliche Dämonen durch die Winde,

Erscheinst du, Gottesmutter mit dem Jesuskinde,

Und hebst mich auf, o Retterin, aus meinem Blut.-


Du tröstest mütterlich mich in dem Rosen-Hage,

Da jeder Rosenkranz viel reichen süßen Reim hat,

Du innerliche Mutter, innerliche Heimat,

O Jungfrau, Niedertreterin der Rattenplage!


Ach, abgeirrte Christen wollen nicht verstehn,

Die aufgewühlten Bilderstürmer und Bedränger,

Wie schön du bist, Ikone, die dem Minnesänger

War stets Idee der Schönheit, o Maria schön!


Da muß man reisen schon ins ferne Afrika,

Wo Schiffe deinen Namen trugen durch die See,

Wo die Kapelle Unsrer Lieben Frau vom Schnee

Auf alle Leidenschaft und Liebesleiden sah.


Wer einmal dich geliebt, dem ist nicht auszurotten

Dein Name, sondern er ist allezieten da,

Klingt in der Königin des Meeres, Ma,

Der Meeresgöttin: Wollt dich doch der Geist vergotten!


Und wenn ich eine Frau mit Lorbeerkranze kröne,

Schwebt immer vor mir noch die liebliche Sixtina,

Gesegnet mehr als alle Frauen, Madonnina,

Bist du der Schoß der Morgenröte, Wunderschöne!


In meinem Herzen immer lebte deine virga,

Du Wurzel Jesse, Dornstrauch, dornenlose Rose,

In mir erwachtest du, o schöne Makellose,

Mit deinem ewigen Leben, himmelsreine virgo!


Du Muschelperle, Meergeborne, maris stilla,

Idee der Schönheit, christliche Urania,

Du bist das Spiegelbild der Sapientia,

O Mutter der Barmherzigkeit, o maris stella!


Nie gewird genug von dir gesungen, o Maria,

Und wenn wir auch mit tausend Schwanenfedern schreiben,

Wir Minnesänger bangen nicht, zu übertreiben,

Weil Vater Petrus uns erlaubt die Hyperdulia!


So wunderschön, Madonna, hab ich dich geschaut,

Mit deinen weißen, roten, goldnen Rosenarten,

Du Herzenskönigin im innerlichen Garten,

Du meine Freundin, du mein Täubchen, meine Braut!


Du Gottesmutter aller göttlichen Geburt

Im Herzen, du mit deinem Unbefleckten Herzen,

Ich weihe wieder dir des ganzen Lebens Schmerzen,

Wie einst die minnereiche Seelenqual in Lourdes.


Marie, die ich im Land der Troubadoure sah,

Madonna meiner Minne, an dem Herzen wund

Kniet ich vor dir, da lächelte dein Feigenmund

Und Goldmund ward mein Mund vom Kuß der Pieta!


Du hast mir meinen Leib geschenkt, o Gottes Charis,

Blauäugichte Athene deinem Sohn Homeros,

Der Kirche Mutter, du versöhntest mich mit Eros,

Daß ich dich Meergeborne pries, dich stella maris.


Wollt Satanas die arme Seele rauben mir

Und morden mich, rief ich um Hilfe deinen Glanz,

O Jungfrau, betete den roten Rosenkranz

Und war im Tal der Tränen ganz allein mit dir!


Mit deines Busens Milch du stilltest mich so süß,

Die Stelle Jesu mir an deiner Brust zu geben!

Im süßen Stile sang ich dein Marienleben

Und wie du augeschlossen uns das Paradies.


Du lehrtest das Geheimnis wahrer Hyperdulia

Mich durch den heiligen Marie-Louis Montfort

(Der Minnesänger ist im Gottesmutter-Chor)

Und wieder weihte ich mich ganz dir, o Maria.


O Gottesmutter, lichter Augen in der Glorie,

Bezaubert bin ich sehr von deinem süßen Blick,

All meine Freude, meine Wonne, all mein Glück

Bist du mir, Liebe Frau, Marie von Medjugorje!...


- Maria, laß gefallen dir des Sängers Buße,

Des Pilgers Lippen stehn bereit, dir abzubüßen

Mit einem Kuß der Huldigung, gar minnesüßen,

Den meinen nimm entgegen ähnlich einem Ave-Gruße.


Wallfahrer bist du, Liebster, in der Liebe Land,

Wallfahrer zu der schönen Pieta von Marmor.

Die Heiligen gehorchen alle Gottes Amor,

So reich ich dir zum Kuß der Huldigung die Hand.“


Maria, haben Heilige denn keinen Mund

Und Lippen, die errötende Wallfahrer sind?

So süß liebkoste dich doch auch das Jesuskind

Und so auch lieb ich dich aus tiefstem Herzensgrund!


Ja, Lippen hab ich wie die Rosen rot von Eden,

Mein Liebster, der du mein geliebter Pilger bist,

Und diese Lippen, die geküsst hat Jesu Christ,

Die sind geschaffen, um den Ewigen anzubeten!“


Maria, reichst du mir in Huld die Frauenhand,

Empfange auch den Kuß auf deinen roten Mund.

Dein Mund ist der Rubin, ich bin vor Liebe wund,

Dein Mund ist Perlenpforte in der Liebe Land!


Mein Liebster, herzlich freu ich mich am Minnegruß

Und anempfehl dein Wünschen meinem lieben Kinde...

Ich küsse dir von deinen Lippen deine Sünde

Und geb dir meine Minne durch des Mundes Kuß!“ --


Maria, Morgenröte ahne ich im All,

Und war die Nacht doch schöner als ein Ammenmärchen,

Nun aber meine ich, ich höre schon die Lerchen,

Bin doch verliebet in den Sang der Nachtigall!


Im Osten streift die Wolken schon die Morgenröte

Und nieder brennen dieser Nacht geweihte Kerzen.

O bleib noch, dunkle Nacht, o Frau an meinem Herzen,

Es eignet sich die Nacht, daß ich in Minne bete!


Mein Liebster, nicht der Tag tritt durch das Himmelstor

Und nicht erscheint im Horen-Reigentanz die Sonne.

Beim Minnesänger bleiben möchte die Madonne,

Als Licht genügt von Bethlehem der Meteor.“


Maria, sicher ist es nicht das Morgenrot,

Ist nur ein Stern, der uns das traute Dunkel neidet.

Mir ist als ob heut meine Seele von mir scheidet,

Doch ist Maria bei mir, fürcht ich nicht den Tod!


Mein Liebster, goldne Glorie um Friedensberge

Aufschimmert ferne aus dem frommen Orient.

Du Nachtigall, die man im Abendlande kennt,

Ah weh, du mußt vernehmen Gurgellaut der Lerche!“


Adieu, o Liebe Frau! noch Einen Kuß! und stumm

In minne-mystischem Schweigen ist die Nachtigall!

Maria aber singt, die Königin des All:

Magnificat anima mea dominum!