Von Torsten Schwanke
„...dass die Weisheit Salomos größer war als die Weisheit von allen, die im Osten wohnen...
Und er dichtete dreitausend Sprüche und tausendundfünf Lieder.“
(1 Könige 5,10.12)
ERSTER TEIL
1
Ist ein bedeutender Mensch noch unerkannt,
Er bleibt sich selber treu und ist bereit,
Schaut auf Lob und Tadel unverwandt
Und wartet ruhig auf seine Zeit.
2
Was den Edlen auszeichnet, ist
Ernst, unbedingte Zuverlässigkeit,
Er wirkt auf andre ohne List,
Ohne Mühe auf die Genossen der Zeit.
3
Wahre Größe wird nicht versucht.
Sieht man in Keimen der Zeit schon die Frucht
Der neuen Zeit, der ruht der alten im Schoß,
So irrt man nicht, so bleibt man makellos.
4
Auf beiden Wegen kannst du vorwärtsdringen:
Als Held kannst du in die Höhe schwingen
Und maßgebend sein im großen Leben,
Oder du kannst als Heiliger streben,
Verborgen zu sein und im Stillen zu leiden.
Jeder muß sich für seinen Weg entscheiden.
5
Bist du so hoch emporgestiegen,
Einsam wie ein Geier zu fliegen,
Und lebst nicht mehr mit den Hühnern gemeinsam,
Nun, so bist du eben einsam.
6
Wenn das Zeugende steht in voller Stärke,
So kommt Hingabe, der Empfängnis Reinheit.
So schafft das Schöpferische die Werke,
Ist es mit der Empfängnis in Einheit.
7
Es sind der Geist und die Natur,
Es sind der Himmel und die Erde,
Das Räumliche und das Zeitliche nur,
Daß Mann und Weib vereinigt werde.
8
So wichtig wie das Schöpferisch-Zeugende
Ist der Empfängnis Ganzhingabe.
Doch die Empfängnis ist die sich Neigende,
Die Demut ist ihre große Gabe.
Das Schöpferische muß führen, weil
Nur so die Empfängnis wirkt das Heil.
Wollte Empfängnis sich vom Schöpfertum lösen,
Würde die Mutter zum Bösen.
9
Die Natur ist dem Schöpfer gewachsen,
Sie verwirklicht mit ihren Achsen
Die geistige Anregung nur des Schöpfers,
Gleicht sie dem Tongefäß des Töpfers,
Wird sie Füllhorn genannt in Ehren,
Als Mutter alle Lebewesen ernähren.
Ihre Größe ist und ihre Pracht,
Daß sie alles schön und herrlich macht.
So ist die Mutter Natur erkoren,
Zu schenken den Lebewesen Gedeihen.
Der Schöpfer schafft aus dem Willen, dem freien,
Die Geschöpfe werden von der Natur geboren.
10
Der Zustand der schwarzen Mutter Erde
Gepriesen als empfangende Hingabe werde.
11
Die Erde in ihrer Hingabe trägt,
Was sich an Gutem und Bösem regt.
So macht auch seinen Charakter der heilige Mann,
Daß er alle Menschen ertragen kann.
12
Die Natur gebiert die Wesen ehrlich,
Ohne Lüge und unbegehrlich,
Sie ist ruhig und still,
Gibt jedem Wesen, was es Gutes will,
Und ohne äußere Machtgefechte
Wirkt sie für alle Wesen das Rechte.
Dem Menschen ist es Weisheit pur,
So selbstlos zu sein wie Mutter Natur.
13
Der Weise lässt andern gern den Ruhm,
Er sucht nicht Lohn für sein Schöpfertum,
Verkanntsein schafft ihm keine Wehmut,
Er wirkt seine Werke in Demut
Und wirkt in seinen engen Bezirken,
Daß seine Weisheit kann auf die Zukunft wirken.
14
Oben soll nicht stehen der Schatten,
Soll sich in Demut dem Lichte gatten.
Das Licht als das Höchste gepriesen werde,
Demütig ordne sich unter die Erde.
Will der Schatten der Erde aber die Macht,
So kommt der Zorn und die dunkle Nacht.
Ist der Himmelsdrache gekommen,
Wird dem falschen irdischen Drachen die Macht genommen.
15
Ist unten das Erregende,
Nach oben sich Bewegende,
Ist oben das Abgründige und Gefährliche,
Nach unten Begehrliche,
Ist unten der Donner und oben der Regen,
Wird Chaosfülle sich regen.
16
Werdende Zeiten
Bereiten
Schwierigkeiten.
17
Wenn Anfangszeiten als Schicksal kommen,
Ist alles ungestalt, von Dunkel umschwommen,
So warten geduldig die Frommen.
18
Gehilfen sind gut, vielfältigen
Rat braucht man, das Chaos zu bewältigen.
19
Im Chaos voller Schwierigkeit
Muß der Weise in der Anfangszeit,
Sich schließlich in der Unendlichkeit zu finden,
Seidenknäuel entwirren, zu Strängen verbinden.
20
So lehrten die Weisen, die Alten:
Du musst dein Ziel im Auge behalten.
Man suche sich die Gehilfen ohne List,
Die findet nur, wer nicht überheblich ist.
Überheblichkeit können Gehilfen nicht leiden,
Hilfe findet der Weise, bleibt er bescheiden.
21
Wenn in schwierigen Zeiten
Einer will Hilfe bereiten,
Daß er Erleichterung schafft
Mit seiner helfenden Kraft,
Kommt der Helfer aus der Fremde und Ferne,
So scheue man ihn, und hilft er auch gerne,
Man scheue weise, so lehrt die Dichtung,
Man scheue lange eine Verpflichtung.
So bleibt die Taube treu dem Täuber
Und folgt nicht dem Kuckuck, dem Räuber.
22
Wenn der Edle das Kommende schaut
Vorher wie eine künftige Braut,
So wird er auf eigne Wünsche verzichten
Lieber, als sich durch Begierde selbst zu vernichten.
23
Kannst du Anschluß finden
Und an gute Menschen dich binden,
Soll weder Stolz noch Scham dich hindern.
Mit Überwindermut von Überwindern
Übe Selbstverleugnung und tu damit
Selbstlos und mutig den ersten Schritt.
24
Ändre die Lage nicht durch Gewalt,
Nur Vertrauen macht die Freundschaft alt,
Nur treue Arbeit schafft die Waffen,
Aufklärung und Dauer zu schaffen.
25
Blutige Tränen ergießen sich nun!
Nein, das darf man nicht dauernd tun.
26
O die ratlose Torheit der Jugend,
Da herrscht des Narren Tugend!
27
In Geistes Kraft mit der Weisheit Schilde
Ertrage die Toren, aber in Milde.
Wisse zu nehmen die Frau, den Mond,
Wie ein Ritter seine Dame schont.
28
Kindliche Torheit bringt Heil,
Diese Torheit ist Weisheit, weil,
Der kindlich Belehrung sucht,
Der erntet bald der Weisheit Frucht.
29
Nur wer stark ist und fest auf Erden,
Kann mit seinem Schicksal fertig werden,
Der Starke, mehr als die Allzuzarten,
Kann nämlich harren und warten.
30
Schaue den Dingen, so wie sie sind,
Ins Auge, sei nicht blind,
Sei frei von Selbstbetrug und Illusion
Und du erlangst ein Licht zum Lohn,
Das den Weg zum Heil erkennen lässt.
Dann handle stark und fest.
31
In Ruhe sammle Kraft,
Stärke dich mit Brot und Traubensaft,
Stärke den Leib mit Fleisch und Blut,
Den Geist mit Heiterkeit und gutem Mut.
32
Hohe Weisheit wollen wir deuten:
Gönne du den schaffenden Leuten
Immer eine Erholungspause,
Mögen sie heiter ruhen im Hause.
Ruhen sollen sie und nicht gehemmt sein,
Heiterkeit wird ihnen nicht fremd sein,
Wartend ihrer Sache sicher, sie glauben:
Niemand kann mir die heitere Ruhe rauben.
33
Das Glück kommt oft anders als man meint,
Die glückliche Wendung oft fremd erscheint.
Den Wunsch verhüllt, was wir für Wünsche halten,
Die Gaben kommen von oben in eignen Gestalten.
34
Bei dem Knüpfen von Freundschaft ist
Das Fundament nur Wahrheit ohne List.
35
Alles ist der Gehalt,
Nichts die leere Gestalt.
Nicht in Worten der Wissenschaft
Besteht das Reich, sondern in innerer Kraft!
36
Bist du bei den Menschenchören,
Die nicht zu deiner Sphäre gehören,
Sei nicht vertraulich.
Bei Leuten, die nicht erbaulich,
Höflichkeit dir zu Gebote steht,
Gesellschaft ohne Intimität.
Dann wirst du einst auch erreichen
Die Freundschaft mit deinesgleichen.
37
Du sollst nicht um Gunst der Menschen werben,
Sollst bilden in dir Reinheit und Kraft,
Wie sie die Sammlung der Seele schafft,
So wirst du die Gnade erben,
Daß solch ein Mensch dich zum Freunde nimmt,
Der dir vom Schicksal vorherbestimmt.
38
Ist dir unmöglich die Wirkung nach außen
In Zeiten, die stürmisch brausen,
So bleibt, ist auch die Welt versteinert,
Dem Menschen, dass er sein Wesen verfeinert.
39
Man möchte voran,
Doch sieht man am weisen Mann,
Dessen Wesen einem nicht fremd,
Daß dieser Weg gehemmt.
Du wirst dich auch tadeln lassen
Von Menschen, die dich hassen,
Den Weisen immer im Blick,
Ziehst du dich still zurück.
Wirst du den Weg des Weisen nehmen,
Brauchst du dich nicht zu schämen
Und kommst nicht in Gefahr, dein Leben
Und Heiliges preiszugeben.
40
Was ist Treue,
Daß die Weisheit sich dran erfreue?
Beim schwachen Geschlecht
Ist Treue empfangende Ganzhingabe.
Beim starken Geschlecht ist zu recht
Die Zuverlässigkeit Gnadengabe.
Solche Ergänzung sogleich
Macht beide reich.
Solchen Reichtum behält man nicht einsam,
Man hat ihn mit dem Partner gemeinsam.
41
Hast du es mit Wilden zu tun,
Bleibe in dir selber ruhn,
Bewahre den Frieden in Herzensmitte,
Handle nach Tugend und Sitte,
Gute und angenehme Form
Bezaubert die Wilden enorm.
42
Es braucht die Menschheit die Hierarchie.
Gut tut allgemeine Gleichheit nie.
Doch muß die Hierarchie gerecht sein,
Sonst wird Gerangel und Gefecht sein.
Der Rangunterschied muß echt
Gebildet sein nach innerem Recht,
Die innere Würde allein
Soll Maß des Ranges sein.
Dann beruhigen sich die Frommen,
Die Menschheit wird in Ordnung kommen.
43
Ist man einfach in jeder Richtung,
Bleibt man frei von Verpflichtung
Und folgt des eigenen Herzens Neigung
Und geistiger Selbsterzeugung.
Man fordert nichts von Menschen hienieden
Und ist mit seinem Schicksal zufrieden.
44
Des dunklen Mannes Beharren
Bringt Heil.
Der Weise hält sich fern von Narren
Und bleibt bei seinem Teil.
Die Weisheit allein ist seine Liebe,
Er hält sich fern vom Weltgetriebe.
Er fordert von den Menschen nichts,
Er bleibt sich selber treu
Und wandelt auf der Straße des Lichts
Durchs Leben immerneu.
Weil er genügsam
Und dem Schicksal fügsam,
Drum bleibt er von Verwicklungen frei.
45
Wie soll man sich selbst erkennen?
Die Früchte deiner Werke werden dich nennen.
46
Herrscht im Menschen der himmlische Geist,
Der hinan die Sinnlichkeit reißt,
So wird sie dem Geist geweiht,
So findet ihr Recht die Sinnlichkeit.
47
Die Ungebildeten muß
Der Weise in Milde ertragen,
Durchschreiten entschlossen den Fluß,
Dem Frieden nachzujagen.
48
Die wahre Größe wird sich nicht verschulden,
Wird sich der Unvollkommnen gedulden.
Der Meister kennt kein leeres Material,
In allem wohnt das Ideal.
Der Meister kann bei geduldigem Tragen
Das Ideal aus der Materie schlagen.
49
Alles Irdische wandelt sich,
Nicht traurig mache das dich!
Dein inneres Wesen bleibe stark
Und fester als der äußere Quark,
Dann bist du dem Schicksal überlegen
Und lebst beständig im Segen.
50
Der Edle sich nicht beirren lässt
Und hält an seinen Grundsätzen fest.
Bleibt keine Möglichkeit mehr zum Wirken,
Verbirgt er sich in den Innenbezirken.
51
Richte dein Herz auf vorm Tabernakel!
Wer auf Befehle des Höchsten handelt,
Der ist ohne Makel,
Mit Gesinnungsgenossen er wandelt.
52
Die wahre Menschengemeinde
Und die wahren Freunde
Leben nicht egoistisch wie viele,
Sie sind vereint durch Menschheitsziele.
53
Die Lage ist günstig,
Bist du in Liebe brünstig.
Durch dein wahres Minnen
Wirst du Menschenkinder gewinnen.
Doch genügt nicht allein die Milde,
Sonst rührt sich bald das Wilde,
Dann werden dir die Frechen
Trotzig widersprechen.
Du musst die Frechheit der wilden Gestalten
Durch strenge Würde in Schranken halten.
Das ist des Weisen Teil,
Dann kommt das Heil.
54
Ehre den Weisen mit Ehrfurcht und Liebe,
Er ist nicht verstrickt in Weltgetriebe.
So erlangst du auf deinen Wegen
Seinen Segen.
55
Wer wahrhaftig wandelt,
Rein denkt, gut handelt,
Dem Weisen gelehrig begegnet,
Der wird von Gott gesegnet.
56
Der Berg ist Repräsentant
Des Himmels im Erdenland.
Er spendet den Segen vom Himmel,
Regen aus Wolkengewimmel,
Die sammeln sich um seinen Gipfel dicht.
Drauf leuchtet er verklärt im himmlischen Licht.
So ist die Bescheidenheit
Bei hohen Menschen in Kräftigkeit.
57
Der Himmel macht das Volle leer
Und gibt der Bescheidenheit mehr.
Dieses Gesetzes Hauch
Wartet im Menschenschicksal auch.
58
Das Schicksal folgt festen Gesetzen,
Doch übst du, dich auszusetzen
Auf deinen Lebenswegen
Den guten Kräften voll Segen,
Den Segen zu entfalten,
So kannst du dein Schicksal gestalten.
Steht ein Mensch auch hoch,
Er zeige sich bescheiden doch.
So leuchtet auf seinem Angesicht
Der Weisheit Licht.
59
Wes das Herze voll ist, mein Lieber,
Des fließen die Lippen über.
Ist einer bescheiden innen,
So zeigt sich das auch den Sinnen.
So wird der Bescheidene mächtig wirken,
Niemand drängt ihn aus seinen Bezirken.
60
Alles muß maßvoll bleiben,
Auch Demut kann man übertreiben.
61
Anders ist des Weisen Bescheidenheit
Als indifferente Gutmütigkeit.
62
Bescheidenheit, seht,
Auch in Strenge besteht.
63
Bescheidenheit nimmt die kräftigen Waffen,
Gute Ordnung zu schaffen.
Der Bescheidene sicherlich
Beginnt beim eigenen Ich.
Der Weise, der weiß,
Beginnt beim engsten Kreis.
Führe der Heere Massen,
Führe sie nicht in die Flucht,
Du sollst sie marschieren lassen
Gegen dich selbst in strenger Zucht!
64
Gewitter erfrischt die Natur.
Nach langer Spannung nur
Kommt die Freude.
So besitzt auch Musik die Macht,
Die Spannung im Herzen der Leute
Zu lösen und der Gefühle Nacht.
Begeisterung im Herzensüberschwang
Löst sich im Gesang.
Zur Erlösung der Herzenswunden
Musik wird als Rätsel empfunden.
65
Die Liebe zum Schöpfer der Welt
Vereint sich mit der Liebe
Zu den Heiligen in dem Himmelszelt.
Die religiösen Triebe
Erheben zu Gott sich auf frommen Bahnen
Und laden auch die heiligen Ahnen
Zum Gottesdienst im Erdenland.
So zwischen Gott und Menschen das Band
Schließt sich in Heiligung
Und religiöser Begeisterung.
66
Es gönnt sich der edle Mann,
Der den Tag über sann
Und wirkte immerzu,
Zur Nachtzeit süße Ruh.
67
Folge dem Grundsatz, nicht der Erscheinung,
Werde nicht schwankend bei Tagesmeinung.
Horchst du auf Meinungen anderer Leute,
Such nicht nur Gleichgesinnte.
Frage immer, was das bedeute,
Bei allen Menschen Weisheit finde,
Bei dem Freunde und dem Feinde.
In der großen Menschengemeinde
Mußt du vor zur Weisheit dringen,
So wirst du Großes zustande bringen.
68
Bei Freundschaft allein
Sollst du vorsichtig sein.
Gesellschaft ist entweder echt
Oder verdorben und schlecht.
Du kannst nicht der Guten Gaben
Und zugleich die der Schlechten haben.
Gibst du dich hin den bösen Leuten,
Wo bleiben, die dir was bedeuten?
Achte allein auf der Guten Segen,
Die dich zu fördern vermögen.
69
Schließt du dich guten
Menschen an mit Lust,
Heißt das, dir zuzumuten
Der andern Leute Verlust.
Man muß sich vom Widersprechlichen,
Niedrigen, Oberflächlichen,
Närrischen scheiden.
Aber das ist kein Leiden.
Es werden dich die Guten hienieden
Im Innern der Seele befrieden.
Deine Seele gottgehaucht
Findet bei den guten Leuten,
Die dir was bedeuten,
Was deine Persönlichkeit braucht.
Man muß das Gute erfassen,
Das ist der Weisheit Bezeugung,
Und sich nicht von Alltagsneigung
Irre machen lassen.
70
Jeder Mensch muß etwas haben,
Dem er folgt mit allen Gaben,
Das wird ihm als Leitstern dienen.
Wem die wahre Weisheit erschienen
Und wem zum Vorbild wird das Gute,
Dem wird bei diesem Vers
Gut zumute
Und warm das Herz.
71
Nicht jeder Mensch ist verpflichtet,
So etwa einer der dichtet,
Sich in Weltgeschäfte einzumischen.
Andre lärmen an den Tischen,
Alles wird zerstückelt,
Aber die Edlen sind so weit entwickelt,
Daß sie innerlich die Weisheit erfassen,
Der Welt ihren Lauf zu lassen,
Ohne sich um den irdischen Thron
Zu mühen in Reformation.
Doch sie sind nicht tatenlos
Oder kritisch bloß.
Die Arbeit an den höheren Zielen
Der Menschheit in weisen Spielen
Ist die Berechtigung der Gottgeweihten
Zu solchen Zurückgezogenheiten.
Der Weise hält sich fern dem Tagesgetriebe
Und schafft in Zurückgezogenheit
Aus reiner Menschheitsliebe
Wahre Werte für die künftige Zeit.
72
Der See ist unerschöpflich tief,
So der Weise rief
Die Menschen zur Belehrung,
Zur Wissensmehrung.
Die Erde ist weit und breit
Und trägt die Geschöpfe der Zeit,
Der Weise ebenso trägt
Die Menschen und hegt
Sie, dass sie seine Weisheit genießen,
Ohne einen Menschen auszuschließen.
73
Ein Weiser, der die Welt überwunden,
Dem Perlen geworden seine Wunden,
Der kann in die Lage kommen,
Noch einmal ins Diesseits zu kommen,
Sich den andern Menschen zu nähern.
Da ist kein Makel den Sehern,
Aber den Menschen eine Mehrung,
Die finden seine Hilfe und Belehrung.
74
Ist die Frömmigkeit voller Glauben
Und voller Wahrheit,
So wird des Glaubens Betrachtung
Lösen der Seele Umnachtung
Den Blinden und Tauben
In ihrer Narrheit.
75
Wenn der Heilige innen sich sammelt
Und am Lobe Gottes stammelt
Und preist die Gottheit in Heiligkeit
Mit seiner reifen Persönlichkeit,
So schaut er das göttliche Leben an,
Verwirklicht wird Gott im Gottesmann.
Von seinem Antlitz eine Macht
Geht über zu denen in der Nacht,
Der Heilige wird sie unterwerfen
Und ihre Geister schärfen,
Ohne dass sie sich im Innern der Brust
Der Wirkung irgend selbst sind bewusst.
76
Frei von der Persönlichkeit
Und aller Ich-Bezogenheit
Und außerhalb vom Weltgetriebe
Betrachtet der Weise Gottes Liebe
Und des Lebensgesetzes Mirakel,
So ist der Weise frei von Makel.
77
Die Anmut ist enorm,
Die schöne Form
Ward erlangt durch Reinigung,
Man braucht sie zur Vereinigung,
So wird die Vereinigung lieblich
Und nicht wild und betrüblich.
78
Schaue die ruhende Schönheit in Fülle
Ihrer schönen Wahrheit:
Innen Klarheit,
Außen Stille.
Das ist die Ruhe der reinen
Betrachtung des Einen.
Wenn die Begierde schweigt,
Der Wille sich zur Ruhe neigt,
Dann tritt die Welt
Als vorgestellt
In Erscheinung.
Nach meiner Meinung
Ist diese Welt die schöne,
Dem Kampf und Daseinsgestöhne
Entkommen,
In der Kunst zur Ruhe gekommen.
Doch nicht allein durch Betracht
Wird der Wille zur Ruhe gebracht,
Denn er wird immer wieder erwachen
Gleich den schlafenden Drachen.
Alles Schöne war nur ein Moment
Der Erhebung,
Das ist noch nicht, was man nennt
Erlösung und Belebung.
79
Begleiterscheinung ist die Form,
Der Inhalt ist die Norm.
80
Wer schlichte Anmut trägt,
Hat jedes Schmuckstück abgelegt.
Die Form nicht mehr verdeckt
Den Inhalt versteckt,
Sondern lässt ihn zur Geltung kommen.
Die höchste Anmut, o meine Frommen,
Ist nicht Verzierung und Prachtentfaltung,
Sondern schlichte und wahre Gestaltung.
81
November. Aufdringlich das Weib,
Verdrängt des Mannes starken Leib,
Es drängen sich heran die Gemeinen,
In Not geraten die Reinen.
82
Unten ist die Erde fügsam,
Hingebungsvoll, selbstgenügsam,
Oben ist der Berg der Stille,
Ruhig ist der Wille.
In bösen Zeiten füge dich ein
Und lerne, stille zu sein.
83
Das ist nicht Feigheit,
Sondern Weisheit,
Fügt man sich in das Wandeln
Und vermeidet das Handeln.
84
Du stehst in einer schlechten Umgebung
Von Leuten gemeiner Bestrebung,
Doch schaust du im Inneren an
Den gottgleichen heiligen Mann,
So steht er als Stütze dir bei,
Du bleibst von den Leuten frei.
So gerätst du in Gegensatz zu den Leuten,
Das sollst du nicht als Fehler deuten.
85
Nur wenn die Frucht zur Erde fällt,
Wächst des Guten Baum für die Welt.
86
Das Böse ist nicht dem Guten verderblich,
Das Böse ist nichts als sterblich,
Das Böse sich selbst vernichtet,
Es ist ja nichts als Nichts verdichtet,
Es lebt des Bösen Erscheinung
Nur von des Guten Verneinung,
Mit Verneinung fängt es an,
So dass es nicht bestehen kann.
87
Wintersonnenwende,
Des Jahres Ende,
Ist Ruhezeit.
Die Erde weit und breit
Verbirgt die Lebenskraft,
In der Tiefe den Saft.
Erste Bewegung
Ist nicht von der heftigen,
Darum muß man die erste Erregung
Durch Ruhe kräftigen,
Daß sie sich in Stille häuft
Und nicht ausgebeutet sich verläuft.
Kehrt wieder das Gesunden
Nach dem Erkranken,
Lasse dir die Ruhe munden,
Dann wirst du nicht wanken.
Nach der Entzweiung
Die erste Verständigung
Braucht durch Ruhe Bändigung,
Dann kommt die Befreiung.
88
Kleine Abweichung von dem Guten
Verdient nicht die gleichen Ruten,
Sobald man zu weit gegangen,
Gleich werde die Umkehr angefangen.
Willst du deinen Charakter bilden,
Meide die wüsten Gedanken, die wilden,
Bevor sich die lästigen
Bösen Gedanken verfestigen,
Müssen sie beseitigt werden.
So geht es dir gut auf Erden.
89
Die Umkehr muß
Haben einen Entschluß
Der Selbstbezwingung.
Zur Durchdringung
Der Umkehr vom Weg der Feinde
Hilft der Guten Gemeinde.
Neige dich in Demut herab
Und nimm des Guten Hirtenstab.
90
Nicht alles ist wahre Natur,
Sondern wahre Natur ist nur,
Was wird vom Geist regiert,
Natur sonst degeneriert.
91
Der Mensch erhält vom Himmel
Die ursprünglich gute Natur,
Sie leitet ihn durchs Weltgewimmel
Auf des Guten Spur.
Durch Ganzhingabe an Gott, die All-Einheit,
Erlangt der Mensch Unschuld und Reinheit.
Ohne Schielen nach Vorteil und Lohn
Folge dem Himmel der Himmelssohn.
92
Nicht alles ist Gerechtigkeit instinktiv,
Sondern nur, was tief
Und tiefer als das Weltgewimmel
Übereinstimmt mit dem Himmel.
93
Wenn sich der Lebenskraft Immanenz
Unterm Himmel regt im Lenz,
Alles wächst und sprießt,
Das Leben überfließt,
Dann empfängt eine jede Kreatur
Von der schaffenden Gottnatur
Der Unschuld Ursprungswesen,
Von allem Tode genesen.
94
Des Herzens Ursprungsregung
Bewirkt die gute Bewegung.
Folge deines Herzens Zeichen,
So wirst du das Glück erreichen.
95
Tu die Arbeit um der Arbeit willen,
Deine Pflicht zu erfüllen,
Ohne nach Erfolg zu schielen,
Dann kommst du zu den höchsten Zielen.
96
Sei um dich selbst besorgt und bleibe frei
Deinem inneren Wesen treu,
Laß dich nicht von den Leuten betören,
Du sollst nicht auf die Masse hören.
97
In den Worten und Taten
Der Vergangenheit
Ist Weisheit, die wir dir raten
Aus der Verborgenheit.
Diese Weisheit ein Mann
Verwenden kann
Zur Charakterfestigung
Und Heiligung.
Sei zu studieren beflissen
Nicht allein historisches Wissen,
Sondern das Wissen belebt der weise Mann,
Indem er es wendet auf die Gegenwart an.
98
Willst du einen Menschen nähren,
Sollst du sein Geistiges ehren!
99
Willst du kennenlernen Frau oder Mann,
So schau dir an,
Welchen Teil von seinem Wesen
Der Mensch vor allem erlesen,
Daß er ihn ehrt,
Pflegt und nährt.
Wer sich sorgt vor allem um den Leib,
Das ist ein gemeines Weib.
Wer auf die Geistseele richtet die Schau,
Das ist eine edle Frau!
100
Schau dir an den Baum,
Fest in dem Landschaftsraum,
Nicht im Wald gemeinsam,
Dieser Baum steht einsam
Und doch die Krone ist heiter
Und lächelt immer weiter
Und unverzagt dem Himmel sendet den Gruß,
Wenn er auf die Welt auch verzichten muß.
ZWEITER TEIL
1
Bei der allgemeinen,
Gegenseitigen
Anziehungskraft der Reinen,
Rechtzeitigen,
Augenblicklichen,
Glücklichen,
Schicklichen,
Wird das Männliche initiativ
Und neigt sich unter das Weibliche tief.
2
Innerliches Stillehalten
Bei der äußeren Freude Gewalten
Bewirkt maßvolle Freude,
Gesittet bleiben so die Leute.
3
Anziehung der Wahlverwandten
Und innerlich Seelenbekannten
Ist unter der Kreatur
Ein Gesetz der Natur.
Durch solche Anziehung wirkt hienieden
Der Weise, ohne zu fehlen,
Auf die menschlichen Seelen,
Und die Welt kommt zum Frieden.
4
Halte dich innerlich niedrig und frei
Und bleibe belehrbar dabei,
Wer alles immer besser wissen will,
Dem schweigen bald die Ratschläge still.
5
Jede Herzensstimmung und Seelenerregung
Erzeugt Bewegung.
Wohin dein Herz strebt, mein Enkel,
Dahin eilen deine Schenkel,
Ohne zu bedenken die kommenden Schmerzen,
Folgen die Schenkel dem Herzen.
Aber höre der Weisen Geraune:
Folge nicht deiner Laune
Und laß dich von Launen nicht gefangen nehmen,
Sonst wirst du dich bald schämen.
Halte dich zu deinem eignen Glück
Besonnen zurück.
Folge auch nicht wie bei ziellosem Wandern
Den herrschenden Launen der Andern.
Kommen im Herzen auf Lust oder Schmerz,
Bleibe frei und zähme dein Herz.
6
Vereinigung sei im Erdenland
Ein Dauerzustand.
7
Die Ehe ist nicht für Treueverächter,
Dauernd sei die Verbindung der Geschlechter.
Bei der Werbung der Mann von Welt
Sich unter das Mädchen stellt.
Bei der Ehe ist dann
Im Äußeren führend der Mann,
Während im Innern die Frau
Gehorche dem Mann und vertrau.
8
Die Verbindung ohne Trauer
Ist zwar von Dauer,
Aber bleibt nicht in Stillstand stehen,
Sondern ist in Bewegung zu sehen,
Bewegung des Lebens will tanzen
Eines gesetzlich-geordneten Ganzen.
Sie fassen einander die Hände.
Anfang folgt auf jedes Ende,
Lebendiges Leben unabwendlich.
So bleibt die Dauer unendlich.
9
Der Berufene habe,
Der Welt zum höchsten Gewinn,
Aus des Geistes Gabe
Einen festen inneren Sinn,
So wandelt er sicher hienieden,
So findet die Welt zum Frieden.
10
Der Weise ist nicht wie der Narr,
Verstockt und starr,
Er bleibt in Beweglichkeit,
Wandelt sich in und mit der Zeit.
Doch bleibt seines Wesens Richtung
Zum Höchsten gerichtet,
Wird er mit der Weltvernichtung
Doch nicht selbst vernichtet.
Er folge seinem eignen Stern,
Seines Herzens innerem Herrn.
11
Willst du Dauerndes schaffen,
So schärfe des Geistes Waffen
Durch beharrliches Wirken in Geduld.
Denke nach und pflege den Kult
Des Denkens, ruhig zu denken.
Dann wird dein Werk man sich schenken.
12
Treiben dich die Gefühle
Spontan wie Kinderspiele
Und flüchtig wie die Blüten im Lenz,
Verlierst du des Charakters Konsequenz.
Solche Launen führen in Eiligkeit
Zur Beschämung und Peinlichkeit.
13
Die Frau dem Manne folge dicht,
Der Mann verfolge seine Pflicht.
Mann, folge nicht deiner Frau,
Diesem alten Fehler nicht vertrau.
Die Frau sei intensiv
Der Tradition verbunden konservativ.
Der Mann beweglich folge dem Licht
Und erfülle der Weisheit Pflicht.
14
Unten siehst du den Berg, den groben,
Der Himmel fährt nach oben,
Der feine Himmel unvergleichbar
Bleibt hoch und unerreichbar.
So handeln die Weisen und Reinen
Gegenüber den Gemeinen.
Er zieht sich mit lächelndem Blick
Innerlich zurück.
Was der Weise nicht empfindet, ist das:
Er trägt in sich keinen Haß.
Wer Haß schürt in den Herzenswunden,
Bleibt dem Gemeinen verbunden.
15
Beim Rückzug des höheren Weisen
Dieses zu seiner Handlung stimmt:
Mit freundlichem Lächeln, dem leisen,
Er gerne Abschied nimmt.
Der Rückzug fällt ihm innerlich leicht,
Weil er so sein Ideal erreicht.
Er kann in seiner Weisheit ruhn,
Braucht seiner Seele keine Gewalt anzutun.
Wer leidet, zieht sich zurück der Reine,
Das ist allein der Gemeine.
Denn ohne die Führung des Frommen
Muß der Gemeine verkommen.
16
Der Weise erkennt die rechte Zeit,
Sich zurückzuziehen in Einsamkeit.
Wer sich zurückzieht zur rechten Stunde,
Schlägt sich keine Herzenswunde.
Ohne Verwirrung, Betörung
Der Seele, ohne wilde Empörung
Geht der Rückzug zur rechten Zeit
In milder Freundlichkeit.
Freundlich der Weise handeln muß,
Doch fest er bleiben muß beim Entschluß,
Darf sich nicht durch die Meinung der Massen
In seinem Wege irre machen lassen.
17
Wahre Größe in Heiligkeit
Stimmt überein mit Gerechtigkeit.
In Zeiten großer Stärke der Weise nicht
Tut etwas, das dem Recht widerspricht.
18
Das Licht der Sonne offenbar,
Von Natur ist es klar,
Je höher sie steigt mit Feuersbrünsten,
Erhebt sich mehr aus den Dünsten
Und strahlt in makelloser Reinheit
Mit dem Himmel in Einheit.
So ist der Mensch von Ursprung gut,
Doch wird sein Fleisch und Blut
Durch das Irdische trübe.
Läutern darum muß man die Liebe,
Damit die Liebe leuchtet in Klarheit
Der uranfänglichen Wahrheit.
19
Findet man kein Vertrauen bei den Massen,
Der höhere Weise bleibt gelassen.
20
So lebt der Weise mit der Menge Gezücht:
Er verhüllt seinen Geist, bleibt innen im Licht.
21
Lasse manches auf sich beruhn,
Laß Toren dir doch nicht Schaden tun.
22
Strebe zu dem höchsten Ziel,
Sind um dich auch Leute viel,
Torenbrüder und Narrenschwestern,
Die dich nicht verstehn, dich lästern.
23
Steht die Finsternis hoch,
Verletzt sie den Guten, doch
Ist der Gute vorerst besiegt,
Die Finsternis selbst versiegt,
Sie ist nur Widerspruch des Lichts,
Ohne die Güte ist das Böse nichts.
24
Worte haben nur Kraft und Stärke,
Beruhen sie auf wirklichem Werke.
Beziehen sich Worte auf Wirklichkeit
Und nicht nur auf leere Nichtigkeit,
So ist ihre Wirkung groß,
Leeres Reden ist wirkungslos.
Auch wahre Worte,
Die von wirklichen Themen
Handeln,
Worte von wirklicher Sorte,
Müssen begleitet werden vom Wandeln
Und edlen Benehmen.
25
Gewaltsam erbeuten sollst du die Dinge nicht,
Tu nur Tag für Tag deine Pflicht.
26
Wer seinen inneren Menschen kultiviert,
Seine Kraft der Wahrheit imponiert.
27
Himmel und Erde, Geist und Natur,
Weibsbild und Mannskreatur
Sind in der Schöpfung nicht vergebens,
Sie bewirken die Dauer des Lebens.
28
Bei aller Menschengemeinsamkeit
Wahrt der Weise seine Besonderheit.
29
Ein Mensch, der zu uns gehört,
Der sich entfernte, betört,
Der kommt von selber wieder,
Zum Leibe fügen sich Glieder.
Nahen sich aber die Toren,
So musst du dich nicht verschulden,
Verjage sie nicht, die sind doch verloren,
Sondern du sollst sie gelassen erdulden.
30
Wenn du in einer Gesellschaft bist,
Die dir eine wesensfremde ist,
So bist du zwar gemeinsam
Mit andern und dennoch einsam.
Aber wenn du einen Menschen findest
Und dich mit dem Wahren verbindest,
Wenn sich schließlich fanden
Die Seelenverwandten,
Dann schenk ihm dein Vertrauen,
Der Einsame wird noch Freundschaft schauen.
31
Das Hemmnis dauert eine Zeit,
Not bildet die Persönlichkeit.
32
Hast du verlassen das Weltgetriebe
Und kommt die Hemmnis für die Welt,
Nicht ins Jenseits flüchte! Aus Liebe
Handle in der Welt als Held.
Rette nicht deine Seele allein,
Der Welt sollst du ein Retter sein.
Deine innere Freiheit kann
Bringen der Welt das Heil.
Schaue den heiligen Mann
Und folge seinem Wege steil.
33
Löst sich die Spannung und Verwicklung,
So kehre aus der Zerstücklung
Zum gewohnten Verhältnis zurück.
Innere Ruhe bringt Glück.
34
Ist die Befreiung erreicht,
Sich wieder die Ordnung zeigt.
Bleiben noch Reste vom Streit,
So reinigt dich die Zeit.
Mach reinen Tisch
Und leb von neuem frisch.
35
Das Hemmnis ist vorbei,
Befreiung machte frei.
Lebe nun dein Wille
In Ruhe und Stille.
Erhole dich vom Gefechte,
Das ist das Rechte.
36
Mach dich frei von Zufallsbekanntschaft,
Dann naht sich dir die Seelenverwandtschaft.
Wie sollen die Gleichgesinnten dir trauen,
Wenn sie dich im Bündnis mit Narren schauen?
37
Einfachheit in der Religion,
Einfachheit in der Kunst, mein Sohn.
Äußere Pracht ist ein Spott,
Der innere Wert genügt dem Gott.
38
Der Edle zähmt seinen Zorn aus Liebe
Und hemmt seine wilden Triebe.
39
Durch Minderung der niederen Leidenschaft
Bereichert wird die geistige Seelenkraft.
40
Wenn du deine Pflicht getan,
Erfüllt hast Gottes Plan,
Sollst du wandern,
Schenke Liebe den andern.
Aber hilfst du einer Seele,
Der gute Mensch dann wähle,
Wieviel Hilfe er annehmen kann
Von dem dienenden Mann.
Nur wo solche Zartgefühle leben,
Kann man sich bedenkenlos geben.
41
Wer sich wegwirft, andre zu stützen,
Wird zu Nichts, wird nicht dauerhaft nützen.
Diene, ohne dich selbst aufzugeben,
So ist von dauerndem Wert dein Leben.
42
Wahres Herrschen muß Dienen sein.
Ein Opfer des Höheren, Gnadengewährung,
Bewirkt des Niederen Mehrung.
Dieser Geist rettet die Welt allein.
43
Sieht der Edle Gutes,
Sogleich er tut es.
Hat der Edle Flecken und Fehle,
Er tut sie von der Seele.
44
Ist der Segen gewaltig,
So wird auch Bedrängnis ungestaltig
Dem Edlen auf seinen Wegen
Zu Mehrung und Segen.
Er wird gereinigt.
Und lebt er der Wahrheit vereinigt,
Erlangt er innere Autorität,
Als ob er in Amt und Würden steht.
45
Zwischen dem Führer und dem Geführten müssen
Zur Vermittlung von Segensflüssen
Selbstlose Persönlichkeiten sein,
Die gießen des Führerenden Segen ein
In die Geführten, für die es bestimmt.
Der Mittler nichts für sich selber nimmt.
46
Wirkliche Güte rechnet nicht,
Der Not entsprechend ist ihre Pflicht.
Gesundheit dem, der krank,
Ob sich auch nicht findet Lohn und Dank.
Wem Güte im Herzen wohnt,
Wird durch die Güte selbst belohnt.
47
Der Hohe soll die Niederen mehren,
Der Weise die Einfältigen lehren.
Ist nicht Hilfe allen gemeinsam,
Ist der Mensch bald einsam.
48
Wenn ihr ruhtet innen,
Eh ihr etwas tätet!
Tätet ihr euch besinnen,
Eh ihr etwas redet!
49
Ist im Herzen der Triebe Brunft,
So verdunkelt sich die Vernunft.
Kämpfe, überwinde die Leidenschaft,
Dann herrscht das Gute mit Kraft.
50
Wähle die Entschlossenheit,
Sie besteht aus Kraft und Freundlichkeit.
Doch niemals dürfen die Gerechten
Kompromisse schließen mit dem Schlechten.
Führe den Kampf gegen des Bösen Gestalt
Nicht mit Gewalt,
Sonst kämpft das Böse mit Waffen
Und wird es dich zu besiegen schaffen,
Weil du selbst im Streit ohne Unterlaß
Verwickelt wirst in bösen Haß.
Soll das Böse verbluten,
Schreite du vor im Guten.
51
Wer für sich nur sammelt Schätze,
Ohne dass sich der Kleine ergetze,
Der erlebt, hör den Weisheitsspruch,
Bald Zusammenbruch.
52
Willst du den inneren Menschen bilden,
Sei nicht eigensinnig wie die Wilden,
Sondern willst du Selbstbildung treiben,
Sollst du eindrucksfähig bleiben.
Denn das ist ehrbar,
Der Weise bleibt belehrbar.
53
Siegt im Menschen die Vernunft,
So flieht die tierische Brunft.
Ist ein Heiliger nur vollkommen,
So folgen ihm die Frommen.
Besonnen sei der Mann
Und ziehe die Waffenrüstung an,
Die Waffenrüstung der Heiligkeit,
Dann ist er in Sicherheit.
54
Wenn der Edle, von Gott geehrt,
Mit Gemeinen verkehrt,
Muß er sich bewahren die innere Reinheit,
Fernhalten sich von aller Gemeinheit.
Ist er mit den Schlechten im selben Land,
Wird der Reine verkannt,
Man verkennt den Reinen
Und hält ihn auch für einen Gemeinen.
Einsam er im Lande steht,
Ist keiner, der ihn versteht.
Seine Beziehung zu den Gemeinen
Scheinen zu beschmutzen den Reinen,
Ist er vor Gott auch ein Held,
Ist er schmutzig in den Augen der Welt.
Aber ob die Welt ihn auch verkennt,
Er nicht in die Falle rennt,
Er bleibt von Sünden frei
Und bleibt sich selber treu.
55
Kommt mit dem dunklen Weiblichen
Die Macht des Irdisch-Leiblichen
Dem Mann auf der Weisheit Wegen
Als Verführung entgegen,
Muß er die Konsequenzen erkennen,
Soll nicht in die Falle rennen.
56
Wie kommen die Gemeinen empor?
Stelle dir ein dreistes Weibsstück vor,
Das gibt sich leichtfertig preis
Und so zu herrschen weiß.
Doch wird des Weibes Herrschaft zunichte,
Steht ihm entgegen der Starke und Lichte.
Wenn der Starke und Lichte, der Held,
Aber in Schwäche und Sünden fällt,
Dann siegt der Verführerin Schmeicheln,
Ihr schönes geschminktes Heucheln.
Die Torheit scheint so kindlich im Herzen,
Der Weise denkt, er dürfe mit ihr scherzen.
57
Ein gegenseitiges Entgegenkommen
Von Mann und Weib
Und Geist und Leib
Ist nötig den Frommen.
Doch soll es frei sein von kranken
Sündigen Nebengedanken.
58
Wenn ein minderwertiges Element
Auf deinen Weg dir rennt,
Sollst du es hemmen,
Dich kräftig entgegenstemmen.
Läßt du es wuchern, wirst du leiden,
Du musst die üble Wirkung vermeiden.
59
Was tust du der niederen Gestalt an?
Du tust den Niederen keine Gewalt an.
Beherrsche sie sanft und ohne Grimm,
So wird es nicht schlimm.
60
Die gewöhnlichen Leute
Ertragen sollst du heute,
So bleibt das Weltkind dir, des Lichtes Kind,
Wohlgesinnt.
Wird sich entfremden der Fromme,
Daß er dem Weltkind nicht entgegenkomme,
So wendet das Weltkind sich ab,
Dann fehlt dir sein Stab,
Den er manchmal als Hilfe bot
In einer irdischen Not.
Will so stolz es der Weise treiben,
Hat er es sich selber zuzuschreiben.
61
Das gemeine Weib ist eine Melone,
Sie ist süß, doch nicht ohne
Daß sie leicht wird faul
Und schmeckt bitter im Maul.
Ein Weiser und Geistesheld
Schützend die Hände hält
Über das Melonenweib
Und ihren süßen Leib.
Doch wird er nur gewinnen,
Hat er die Schönheit in sich drinnen.
Er braucht nicht mit Weisheit zu prahlen,
Den Glanz nicht auf sein Antlitz zu malen,
Er muß nicht lästige Mahnungen
Sprechen über des Weibes Planungen.
Nur, ob sie sich auch verschulde,
Daß er sie gnädig dulde.
Da wird sie verwandelt mit der Zeit
Durch das Vorbild der Persönlichkeit.
Ist nur der Weise heilig und makellos,
Fällt ihm das Weib
Mit ihrem süßen Leib
Als süße Melone in den Schoß!
62
Wer sich von der Welt zurückgezogen,
Von des Lebens Böswilligkeiten oft betrogen,
Dem wird unsäglich
Das Weltgetriebe unerträglich.
Weise gibt es von edlem Holz,
Voll von Adel und Stolz,
Die halten sich mit dem Adel der Reinen
Fern von dem Treiben der Gemeinen,
Nicht mehr Narr mit Narren gemeinsam.
Die stolzen Weisen sind einsam!
Die nicht Narren sein wollten,
Wurden immer als stolz gescholten.
Aber da sie die Welt verlassen und ihren Grimm,
Ist das nicht weiter schlimm.
Sie tragen in Fassung das Lästern
Der Sündenbrüder und Narrenschwestern.
63
Ein Edler gerät in Not, doch weiter
Bleibt er heiter,
Trotz aller Gefahr,
So kommt die Hilfe wunderbar.
Die beständige Treue, wisst,
Stärker als das Schicksal ist.
Wer in der Erschöpfung bleibt nicht fest,
Sich innerlich brechen lässt,
Der kommt nicht
Zurück ans Licht.
Aber wen die Not nur beugt,
In dem die Not erzeugt
Geisteswirkung mit Gewicht,
Die kommt mit der Zeit ans Licht.
64
Nimm dein Schicksal an
Und bleibe frei
Und bleibe als ein weiser Mann
Deiner inneren Weisheit treu!
Bleibe treu dem innersten Kern,
So werden Weise zu Schicksalsherrn.
65
Not muß man innerlich überwinden,
Sonst wird die Not den Schwachen finden
Sitzen unterm entlaubten Baum
Und es bleibt ihm kaum
Etwas übrig, als zu trinken Wermut
Und zu versinken in Schwermut.
66
Du hast zu essen und zu trinken
Und doch wirst du versinken
In der Gewöhnlichkeit
Der Alltäglichkeit
Wie der Stein im Sumpf beim Schilfe.
Doch vom Himmel kommt Hilfe.
67
Hindernisse im Unsichtbaren
Und dämonische Gefahren
Mußt du überwinden
Und ihnen entgegentreten
Durch Fasten und Beten.
Man soll dich im Tempel finden,
Überwinde die Not in Geduld
Durch des Opfers Kult.
68
Bessern sich die Situationen,
Sollst du vor die Gottheit treten
Und vor den himmlischen Thronen
Dank opfern in Gebeten.
69
Denkst du, es sei nicht zum Segen,
Sich zu bewegen?
Doch der Weise muß
Fassen einen Entschluß,
So gelingt es dem Edlen auf Erden,
Der Trübsal Herr zu werden.
70
Verschiedenheit von Schwätzern und Mönchen,
Sind sie dennoch alle Menschen.
Bei aller Menschenkreatur
Im Innern ist die Gottnatur.
Schöpfe aus der göttlichen Quelle,
Dann wird dein Menschsein helle.
Bleibe nicht an der Oberfläche schon
Stecken der Konvention,
Sondern dringe vor zum Grund,
Den Gott dir gab.
Doch wehe dem Schweinehund,
Der bricht die Suche ab!
71
Sorge dich um deine Seele,
Eine Zeit lang den Menschen fehle,
Dann kannst du nicht helfen den Leuten,
Doch das hat nichts zu bedeuten.
Doch schöpft der Edle in der Ruhe Kraft,
So hilft er wieder und Rettung schafft
Mit neuer heiliger Leidenschaft.
72
Alles Sichtbare muß sich erheben
Hinein ins unsichtbare Leben,
So erlangt das Sterbliche seine Weihe,
So wird es das Ewig-Freie,
So erlangt es vollkommene Klarheit,
Wenn es wurzelt in der Wahrheit.
Der Gipfel der Kultur, mein Sohn,
Ist die heilige Religion
Und das Opfer vor Gott.
Das Irdische bringt sich dar dem Gott.
Aber das wahrhaft Göttliche ist
Vereint dem Menschlichen, dass ihr es wisst.
Gott offenbart sich in Propheten
Und Heiligen, wenn sie beten.
Der Heiligen Gottesverehrung
Ist der wahren Weisheit Belehrung.
Nimm den Gotteswillen demütig an,
Wie ihn offenbart der heilige Gottesmann,
Dann wirst du innerlich erleuchtet sein
Und gehst zum Heile ein.
73
Schau, in deiner Kultur
Ist eine Kreatur,
Von keinem beachtet,
Von vielen verachtet,
Den meisten fremd.
Sein Wirken ist gehemmt.
Keiner will sich laben
An seinen Geistesgaben.
Was seine Seele haucht,
Sich nutzlos verbraucht.
Allein, bei der Weisheit Sitz,
Er sorge um den wahren Besitz,
Den Besitz der Wahrheit
In lauterster Klarheit,
Dann werden Zeiten kommen,
Da verstummen die Bösen,
Hemmnisse werden sich lösen,
Dann ehren ihn die Frommen.
74
Ich hörte den Donner des Herrn
Drohen von fern,
Der Edle ohne Spott
In Ehrfurcht schauert vor Gott.
Die Gottesfurcht preist der Gottesmann,
Nur so die Freude folgen kann.
75
Gott erscheint in der Zeitenwandlung,
Unterbrich nicht die Opferhandlung,
Wenn du alles Leichtfertige entfernst
Und Gott dienst in würdigem Ernst,
Werden alle äußeren Schrecken
Dein Innerstes nicht erschrecken.
So ehrfürchtig lehrten die Meister,
So gottesfürchtig die heiligen Geister.
76
Der Edle in Ehrfurcht, fern des Spottes,
Kniet vorm Erscheinen Gottes,
Er ordnet sein Leben,
Keine Sünde soll es mehr geben,
Er erforscht sein Herz,
Ob er Gott bereitet einen Schmerz,
So ist Ehrfurcht vor dem Göttlichmilden
Der Weg, sein Leben zu bilden.
77
Wer hindurchging durch das Gericht,
Kommt erleuchtet ins Licht.
So wird der Gottesschrecken
Dich führen zu des Heiles Zwecken.
78
Ruhen möge dein Wille,
Ist die Zeit für Stille,
Segensreich sollst du dich regen,
Ist die Zeit zum Bewegen.
79
Erst im Inneren ruhn,
Dann das Äußere tun.
Dann siehst du nicht Krampf
Und Kampf
Im Weltgetriebe,
Du handelst in Liebe,
Bist in der Welt
Der Liebe Held
Und der Liebe Tabernakel,
So ist dein Weg ohne Makel.
80
Das Herz denkt dauernd,
Ist lachend, ist trauernd,
Doch gib deines Herzens Gedanken
Weise Schranken
Und richte sie durch weise Art
Auf die Gegenwart.
81
Du bist zur Ruhe gezwungen,
Von Unrast innerlich durchdrungen.
Der unterdrückte Feuerhauch
Wird zu beißendem Rauch.
Was tust du der innern Gestalt an?
Tu dir nicht selber Gewalt an!
Du sollst deine Gebete stammeln,
Dich innerlich sammeln.
Wirst du solches tun,
Bald wirst du ruhn.
82
Was die tiefste Ruhe ist?
Wer sein Ich vergisst.
83
Schalte aus die egoistischen Triebe,
Gib dich ganz hin der göttlichen Liebe!
84
Die Ruhe des Weisen, mein Sohn,
Stammt aus der Demut und Resignation.
85
Wer Einfluß auf andre ausüben will,
Kultiviere die eigne Persönlichkeit still.
Nichts nützt, mein Sohn,
Das Phrasendreschen der Agitation.
86
Hat die Wildgans Futter gefunden,
Ruft sie die Genossen.
Wem Trost auf seine Wunden
Wie Balsam geflossen
Und selig ward mit den Erlösten,
Will: Alle soll Gott so trösten!
87
Der Gipfel ist ein hoher Platz,
Da bist du einsam, mein Schatz.
88
Die Wildgansschar im freien Gewimmel
Geordnet zieht durch den hohen Himmel,
Manchmal fällt eine Feder herunter,
Die kann dann munter
Als Kultgegenstand dienen
In den Tempelpantomimen.
Der vollendete Mensch so werde
Ein Licht den Menschen der Erde,
Die auf zu ihm schauen
Und seinem Vorbild vertrauen.
89
Dort ergänze Philosophie durch Energie,
Da ergänze Energie durch Philosophie.
90
Der Pilger darf nicht hochmütig sein,
Denn er ist doch allein.
Er muß fein sein wie die Haut der Zwiebel,
Das schützt ihn vor Übel.
Der Pilger hat keinen irdischen Ort,
Gott im Innern sei sein Hort.
Was ist ihm zuzumuten?
Er geselle sich zu den Guten.
91
Ein Pilger verfolge den Weg in Reinheit,
Meide die Alltagsgemeinheit.
So schwach er ist in den Gefahren,
Soll er seine Würde wahren.
Will er sich Freundschaft bereiten
Durch Lächerlichkeiten
Und leeren Scherz,
So erntet er Schmerz
Wie Gram-Umnachtung
Durch Beleidigung und Verachtung.
92
Innen bleibt er bei sich im Seelen-Hort,
So kommt er an den richtigen Ort.
93
Mein Herz ist nicht froh
Und das ist so,
Weil mein Geist verstand:
Ich bin ein Fremder im eigenen Land.
94
Sanft wie ein himmlischer Bote
Verkündet der Weise Gottes Gebote.
95
Denke nach und erkenne dein Ich,
Aber dann entschließe dich,
Du musst in der innersten Seele wandeln,
Dann aber kraftvoll handeln.
96
Wahre Freude,
Meine lieben Leute,
Wenn im Innern die Stärke,
Nach außen milde und sanft die Werke.
97
Wie ist es mit der Philosophie?
Sie sei eine fröhliche Energie.
Sprich mit Gesinnungsgenossen,
Denen die Lippen von Wahrheit überflossen.
Berate dich über des Geistes Klarheit
Und das Leben in der Wahrheit,
Wirst du die Geister der Genossen küssen,
Wirst du vieles wissen.
Durch solchen Umgang erreicht
Der Weise Freude, er wird leicht.
Aber der Einsamen Lernen und Lehre
Hat immer beengte Schwere.
98
Wer wortlos, still, in Zungen stammelt
Vor Gott, ist in sich gesammelt,
Nichts von außen begehrt,
Wird vom inneren Frieden gelehrt,
Bleibt frei von der Egomanie
Und von Sympathie und Antipathie
In der menschlichen Einerleiheit,
Der steigt zur Freiheit,
Der steigt zum Frieden steil
Und findet das innere Heil.
99
Den höheren Menschen die niedrigen
Wonnen nicht wirklich befriedigen.
100
Er geht vorbei am Ahnherrn
Und trifft die Ahnfrau.......