MIRJAM VON ABELLIN

VON TORSTEN SCHWANKE


Name bedeutet: Mirjam: die Schöne / die Bittere / die von Gott Geliebte


Nonne, Mystikerin

* 1846 in Abellin in Galiläa

† 1878 in Bethlehem


Gedenktag 26. August


Mirjam wurde am 5. Januar 1846 in Abellin (25 km von Nazareth entfernt) in Galiläa im Heiligen Land geboren. Die Familie von Mirjam stammte aus Damaskus und gehörte dem unierten griechisch-melkitischen Ritus an. Die Eltern hatten vor Mirjam bereits zwölf Söhne geschenkt bekommen, die aber alle ganz jung starben. Nach einer Wallfahrt nach Bethlehem und dortigen Gebeten zur Jungfrau Maria kam Mirjam zur Welt. Darum wird sie auch Mirjam von Bethlehem genannt. Bereits drei Jahre danach starben ihre Eltern. Zuvor bekam sie aber noch einen kleinen Bruder. Mirjam wurde nach dem Tod der Eltern von ihrem Onkel groß gezogen.


Bereits mit sieben Jahren hatte Mirjam den großen Wunsch, die Heilige Eucharistie zu empfangen. Ihr Beichtpriester vertröstete sie und sagte ihr bei der Beichte immer, dass sie diese ein bisschen später empfangen werde. Als er eines Tages vergaß, sie darauf hinzuweisen, glaubte Mirjam die Erlaubnis zur Erstkommunion erhalten zu haben. Sie erhielt die Eucharistie und sah, wie sich Jesus ihr in Gestalt eines wunderschönen Knaben schenkte. Sie bekam anschließend auch vom Priester die Erlaubnis zur Kommunion zu gehen.


Mit acht Jahren zogen Mirjam und ihr Onkel nach Ägypten. Sie wohnten für einige Jahre in Alexandrien. Kurz vor ihrem dreizehnten Geburtstag wurde sie von ihrem Onkel ohne ihr Einverständnis mit einem Bruder ihrer Tante verlobt. Mirjam wollte aber Jungfrau bleiben und erklärte kurz vor der geplanten Hochzeit, dass sie nicht heiraten möchte. Sie schnitt sich ihre langen Haare ab und gab das bereits erhaltene Brautgeschenk zurück. Ihr Onkel war darüber sehr zornig. Sie wurde von ihm geschlagen und wie eine Sklavin behandelt. Von ihrem Beichtvater wurde ihr die Heilige Eucharistie verweigert, weil sie dem Onkel ungehorsam war.


Mirjam wollte daraufhin zu ihrem Bruder nach Nazareth gehen. Zuerst flüchtete sie zu einem früheren Diener der Familie, der nach Nazareth reisen wollte. Dieser war Muslim und wollte Mirjam zum Islam bekehren. Sie verweigerte dies aber und bekannte sich vor ihm zu Christus. „Ich eine Muslimin? Nein, niemals! Ich bin eine Tochter der katholischen, apostolischen und römischen Kirche und hoffe mit Gottes Gnade bis zum Tod in meiner Religion, die allein wahr ist, zu bleiben.“


Der Muslim war über dieses Geständnis so zornig, dass er ihr mit seinen Krummsäbel die Kehle durchschnitt. Sie überlebte aber diesen Mordversuch. Die 1 cm breite und 10 cm lange Narbe dieses Einschnittes blieb ihr jedoch ein Leben lang erhalten. Es fehlten ihr fortan auch zwei Ringe ihrer Luftröhre. Ein ungläubiger Arzt, der später Mirjam behandelte, sagte später, dass es eigentlich nicht möglich ist, so eine Verletzung zu überleben. Später erzählte Mirjam, dass sie bei diesem Angriff wirklich gestorben war. „Ich befand mich im Himmel. Die Muttergottes, die Engel und die Heiligen empfingen mich mit großer Güte und ich sah meine Eltern bei ihnen. Auch den strahlenden Thron der Heiligsten Dreifaltigkeit durfte ich sehen und Jesus in seiner Menschheit. Da sagte jemand zu mir: Du bist Jungfrau, das ist wahr, aber dein Buch ist noch nicht vollendet.“


Nach diesen Worten erwachte Mirjam in einer Grotte und eine Ordensfrau in hellblauen Gewändern war bei ihr. Die geheimnisvolle Krankenschwester sprach sehr wenig und erwies sich als außerordentlich zartfühlend. Nach einigen Wochen der Pflege sagte sie zu Mirjam: „Du wirst nach Frankreich gehen, Karmelitin werden und in Bethlehem sterben.“ Danach brachte sie Mirjam in ein Franziskanerkloster zu einem Beichtvater. Als Mirjam den Beichtstuhl verließ, war die Frau nicht mehr da. 1875 erzählte sie ihrem geistlichen Vater, P. Estrade: „Ich weiß jetzt, dass die Ordensfrau, die mich nach meinem Martyrium gepflegt hat, die Muttergottes war.“


Nach diesem Erlebnis arbeitete Mirjam als Hausmädchen in Beirut. Mit 18 bekam sie von einer Frau das Angebot, in Marseille in Frankreich zu arbeiten. Kurz nach ihrer Ankunft empfing Mirjam die Heilige Eucharistie. Sie fiel daraufhin in eine viertägige Ekstase. Sie wurde anschließend in das Postulat der Josefsschwestern aufgenommen. Mit 20 Jahren empfing sie die Wundmale Christi. Die Ordensgemeinschaft war über Mirjam geteilter Meinung. Eine Zulassung zum Noviziat wurde ihr verwehrt. Daraufhin wurde sie von der Oberin, die von der Echtheit ihres religiösen Lebens überzeugt war, zu den Karmelitinnen des Pau geschickt, wo sie 1867 eintrat. Sie bekam den Namen "Mirjam von Jesus dem Gekreuzigten" und wurde daraufhin für mehrere Jahre nach Indien in die Mission geschickt. 1872 kehrte sie nach Frankreich zurück.


Immer wieder passierten wunderbare Dinge im Leben von Mirjam. Sie fiel immer wieder in Ekstase, schwebte öfters über den Boden und hatte die Fähigkeit der Bilokation. Außerdem hatte sie Prophezeiungen und viele Visionen.


Nach einiger Zeit verließ Mirjam aber Frankreich für immer und ging 1874 nach Bethlehem, wo sie nach dem Wunsch des Heilands ein Karmelkloster gründete. Mirjam hatte eine Visionen wie das Kloster aussehen sollte und war praktisch die Architektin des Klosters. Später folgte auch eine Ordensgründung in Nazareth. Sie half immer wieder bei den Arbeiten mit. Am 22. August 1878 stürzt sie bei den Arbeiten nieder und brach sich den Arm. Sie sah ihr Ende kommen. Am Morgen des 27. August 1878 wacht sie noch einmal auf. "O ja, Barmherzigkeit!" waren ihre letzten Worte, bevor sie starb.


Am 13. November 1983 wurde Mirjam von Abellin von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen und zur Friedenspatronin des Nahen Osten ernannt.


Inschrift auf der Grabplatte von Mirjani von Abellin


J.M.J.T.

Hier ruht im Frieden des Herrn Schwester Maria von Jesus dem Gekreuzigten, Profess-Schwester vom weißen Schleier, eine hochbegnadete, tugendhafte Seele. Sie zeichnete sich aus durch ihre Demut, ihren Gehorsam und ihre Liebe. Jesus, die einzige Liebe ihres Herzens, hat sie zu sich gerufen in ihrem dreiunddreißigsten Lebensjahr und im zwölften Jahr ihres Ordenslebens, in Bethlehem, am 26. August 1878. Requiescat in Pace!


Die Charismen der Seligen Mirjam von Abellin


In der Geschichte der charismatischen Kirche erscheint Mirjam von Abellin (Maria von Jesus dem Gekreuzigen, 1846-1878) wie eine Bergspitze, auf der sich alle Charismen vereinigen.

Mijam, die Karmelitin aus der Heimat des Herrn, ist ein wunderbares Geschenk des Himmels für uns.


Von einem der vier bedeutenden Priester, die sie auf ihrem Lebensweg begleiteten, stammt die Aussage: "Ihr ganzes Leben, von der Geburt bis zum Tod, war ein einziges Gewebe wunderbaren Geschehens."


Ihre zehn außerordentlichen Charismen:


1. Ekstasen

Ihr ganzes Leben lang war die kleine Araberin eine Ekstatikerin. Von ihrer Kindheit an, im Garten, im Haus und in der Kirche von Abellin, in der blutigen Nacht von Alexandria, bei ihren Arbeitgebern in Beirut und Marseille, während der viertägigen Verzückung, in die sie in der Nikolauskirche in Marseille fortgerissen wurde. Nach ihrem Eintritt in den Karmel wurde dieser Zustand so häufig, dass Mirjam in Mangalore fast täglich, ja bis zu fünfmal am Tag, in Ekstase verfiel. In den letzten, in Bethlehem verbrachten Jahren ihres Lebens sind die Verzückungen zwar noch häufig, jedoch ruhiger und schmerzvoller.


2. Ekstatisches Schweben

Olivier Leroy, ein Historiker und Spezialist für das Phänomen des ekstatischen Schwebens, beschreibt dies wie folgt: "Der menschliche Körper soll bei gewissen Personen und zu gewislsen Zeiten befähigt sein, sich in die Luft zu erheben und sich bisweilen darin ohne sichtbare Stütze und ohne kontrollierbare Einwirkung einer physischen Kraft zu bewegen." Trotz der Seltenheit dieses Charismas lassen sich in der kirchlichen Hagiographie doch etwa 200 Fälle nachweisen. Der berühmteste ist der Hl. Josef von Cupertino (1603 – 1663). Während sich der Ekstatiker im allgemeinen nur wenig über den Boden erhebt, ist es nur von Mirjam von Jesus dem Gekreuzigten und vom Hl. Josef von Cupertino bekannt, dass sie wirklich in die Höhe geflogen sind. Bei der kleinen Araberin wurde das Phänomen erstmals am 22. Juni 1873 im Garten des Karmels von Pau festgestellt. Da sie nicht zum Abendessen erschienen war, suchte die Novizenmeisterin vergeblich im Kreuzgang und im Obstgarten nach ihr, als eine andere Karmelitin plötzlich einen Gesang vernahm: "Oh Liebe, Liebe!" Sie erhebt den Kopf und erblickt die Kleine, die sich ohne Stütze im Gipfel einer riesigen Linde wiegt. Man benachrichtigt die Priorin. Diese kommt herbei und weiß nicht, was tun. Nach einem Gebet richtet sie sich an die Ekstatikerin: "Schwester Mirjam von Jesus dem Gekreuzigten, wenn Jesus es will, kommen Sie im Gehorsam herhunter, ohne zu fallen oder Schaden zu nehmen!" Sobald sie das Wort "Gehorsam" vernimmt, steigt Mirjam mit strahlendem Antlitz und großem Anstand herunter und hält nur einen Moment bei einigen Ästen inne, um die Liebe zu besingen. "Kaum war sie auf dem Boden angekommen, bemerkt eine Zeugin, umarmte sie uns in einer Art Trunkenheit und mit unaussprechlicher Liebe." Acht ekstatische Höhenflüge haben erwiesenermaßen stattgefunden, und zwar am 22. Juni, 9., 19., 25., 27. und 31. Juli, sowie am 3. August 1873 und schließlich am 5. Juli 1874. "Wie sind Sie denn dazugekommen, so in die Höhe zu schweben?" fragte die Mutter Priorin, und Mirjam antwortet: "Das Lamm hat mir die Hände gereicht." Einige Karmelitinnen wollten wissen, woran sie waren, und beobachteten die Kleine heimlich. Eines Tages sieht eine Laienschwester, die im Garten arbeitet, den Höhenflug mit an: "Mirjam hatte die Spitze eines Zweigleins ergriffen, das sich unter dem Gewicht eines Vogels gebeugt hätte, und war in demselben Augenblick in die Höhe gerissen worden." P. Buzy, der Biograph der Karmelitin, teilte Olivier Leroy noch folgende Einzelheiten mit: "Schwester Mirjam erhob sich an den äußersten Astenden bis zum Gipfel der Bäume. Sie fasste ihr Skapulier mit der einen Hand, ergriff mit der anderen die Blätter an der Spitze eines Zweigleins und glitt im Nu an der Außenseite des Baumes in die Höhe. Einmal oben angelangt, blieb sie auf einigen, für eine so gewichtige Person wie sie, viel zu schwachen Ästen sitzen.“ Hier einige Zeugenberichte aus dem Prozess: „Die inzwischen verstorbene Schwester E. erzählte mir, dass Mirjam eines Tages, als sie sich mit ihr im Garten befand, zu ihr gesagt hätte: Dreh dich um! Kaum hatte sie den Kopf umgewandt und wieder hingeschaut, sah sie ihre Gefährtin schon zuoberst auf dem Baum auf einem kleinen Zweig sitzen, sich wiegen und die göttliche Liebe besingen." Eine andere Person erklärte: "Ich habe sie einmal auf dem Gipfel einer Linde in Verzückung gesehen. Sie saß auf dem Ende des höchsten Astes, der sie normalerweise nicht hätte tragen können. Ihr Antlitz strahlte. Wie einen Vogel sah ich sie vom Baum herunterkommen: Mit Leichtigkeit und Anstand glitt sie von einem Zweig zum anderen." Das eine oder andere Mal blieben ihre Sandalen an den Zweigen hängen, und einmal gar ihr Rosenkranz. Wie nach anderen Ekstasen, erinnerte sich die Karmelitin später an nichts mehr.

3. Die Wundmale

Seitdem Franz von Assisi 1224 auf dem Alverno die Wundmale empfing, werden die körperlichen Zeichen des Leidens Christi Stigmata genannt. Die Schmerzen, die der Mit-Leidende empfindet, und die Wunden an seinem Körper treten an denselben Stellen auf, die Christus seinen Jüngern bei den österlichen Erscheinungen gezeigt hat: "Seht meine Hände und meine Füße" (Lk 24, 39). "Er zeigte ihnen seine Hände und seine Seite" (Joh. 20, 20). Im allgemeinen werden die Stigmata, die oft einen Wohlgeruch verbreiten, im Lauf einer Entrückung in das Fleisch eingedrückt. Der Bericht über die ersten Wundmale der kleinen Araberin stammt von Mutter Veronika aus La Capelette: "Am ersten Donnerstag, dem 2. Mai 1867, als ich Mirjam besuchte, fand ich sie schwer leidend neben ihrem Bett sitzend. Sie zeigte mir ihre Seite, ihre Hände und Füße. Auf dem oberen Teil der Hände, an der Stelle der Wundmale, hatten sich eine Art nagelkuppenähnliche Blasen gebildet, und auf der inneren Handfläche war die entsprechende Stelle schwarz und geschwollen. Auf der Seite, etwas oberhalb des Herzens, entdeckte ich ein gerötetes und entzündetes kreuzförmiges Gebilde, in dessen Mitte sich drei kleine Bläschen mit einem Loch befanden. Ich verbrachte die Nacht bei ihr, und um fünf Uhr morgens quoll aus den Wunden der Hände Blut. Das Blut floss aus der Handfläche. Die Finger waren verkrampft und zusammengezogen, als hätte wirklich ein Nagel die Handfläche durchbohrt. Mirjam war unfähig, sie auszustrecken oder das Glas zu erfassen, aus dem ich ihr von Zeit zu Zeit zu trinken gab. Gegen 9 Uhr rann Blut aus der Dornenkrone, die das ganze Haupt umgab. Ich kann feierlich bezeugen, dass ich Blut aus den Löchern der Dornen quellen sah. Eines davon öffnete sich vor mir mitten in der Stirn, und Blut spritzte heraus. Während ich sie wusch, schloss sich das Loch, ohne ein anderes Zeichen, als die Blutspuren zu hinterlassen.

Ihre Füße waren so weiß wie die eines Leichnams und die Zehen ausgestreckt, wie die eines Gekreuzigten. Die Wunden auf der Oberseite der Füße und auf der Seite bluteten ebenfalls. Nach 15 Uhr kam Mirjam wieder völlig zu sich und fühlte sich nur etwas schwach. Ich sagte ihr, sie solle aufstehen, was sie ohne Hilfe tat, und am Abend kam sie mit der Gemeinschaft zum Nachtessen." Die bezeugten Hauptetappen der Stigmatisierung bei Sschwester Mirjam vom Gekreuzigten: Als erstes erschien das Stigma des Herzens im Alter von 20 Jahren in Marseille im August 1866, während einer Entrückung beim Gebet in der Kapelle. Im März 1867 erschienen die anderen Wundmale. Das Wunder wiederholte sich im Laufe des Monats April und der ersten zwei Maiwochen. Es hörte auf Befehl der Novizenmeisterin auf. Schwester Mirjam ahnte in ihrer Demut nicht einmal, dass es sich um ein Charisma handelte, sondern hielt die Wundmale für eine Krankheit. Sie flehte zu Gott und der heiligen Jungfrau, diese schlechten Zeichen, wie sie sagte, von ihr zu nehmen. Zum letzten Mal wiederholte sich die Stigmatisation im April 1876 in Bethlehem. Es war dies die längste und schmerzhafteste Leidensperiode. Man hatte den Eindruck, der Kreuzigung auf Kalvaria beizuwohnen! Während einer Ekstase sagt die Schwester: "Wisst ihr es schon? Fünf Rosensträucher sind aufgeblüht. Schnell, schnell! Sie haben den andern die Rosen gegeben, mir aber die Dornen." Und mit einem Lächeln fügt sie hinzu: „So etwas tut man nicht! Man gibt wenigstens ein paar Rosen! Oh! Ich verdiene es nicht. Wenn nur Jesus zufrieden ist; mehr will ich nicht. Ich nehme alle Dornen auf meinem Leib an, aber sag dem Herrn des Rosenstrauches, er solle die Rosen schließen". Nach diesen roten Blütenzeiten in Marseille, Pau, Mangalore und Bethlehem schlossen sich die fünf Rosen der Stigmen endgültig am 26.April 1876. "Dieu sensible au corps" (Gott im Leibe wahrnehmbar), mit diesen Worten definierte Pascal die Stigmatisation.

4. Durchbohrung des Herzens

Das Charisma der Durchbohrung des Herzens wurde Schwester Mirjam von Jesus dem Gekreuzigten am Sonntag, dem 24.Mai 1869, im Karmel von Pau verliehen. Sie betete dort mit einigen Schwestern den Rosenkranz, als sie in Verzückung gerät und ähnlich der Hl.Teresa von Avila die Herzensstigmatisation erfährt.

Von dieser Stunde an blutet ihr Herz oftmals. Im geheimen wusch sie die Tücher, mit denen sie die blutende Seitenwunde abwischt. Handelt es sich hier nur um eine Vision, oder kann man auch von materieller Durchbohrung sprechen? Der beste Zeuge ist das Herz der Nonne. Bei ihr ist die materielle Durchbohrung noch genauer erwiesen, als bei Teresa von Avila. Deren Herz wurde erst 1592, also 10 Jahre nach ihrem Tod, entnommen. Das Herz Schwester Mirjam von Jesus dem Gekreuzigten wurde dagegen schon an ihrem Todestag und im Beisein kompetenter Zeugen entnommen.

Der Chirurg Dr. Carpani von Jerusalem kam, um die Handlung vorzunehmen. Msgr.Valerga, einer der Zeugen, berichtet: "Als man das Herz herausgenommen hatte, wurde es auf eine flache Schale gelegt, damit alle Anwesenden es genau betrachten konnten. Wir konnten alle sehen, dass das Herz die Narbe einer allem Anschein nach von einem breiten Gegenstand hervorgerufenen Wunde trug. Das Herz wurde in der Schale von Hand zu Hand weitergegeben, so dass alle Priester und Schwestern, die sich im Raume befanden, die wunderbare Tatsache feststellen konnten." Die beiden Wundränder waren ausgetrocknet, ein Zeichen, dass die Verletzung schon älter war. Don Belloni fragte den Chirurgen: "Könnte nicht eine Krankheit so etwas hervorrufen?" Doktor Carpani antwortete: "Nein, dieses Herz ist niemals krank gewesen." An Ort und Stelle wurde ein Protokoll über die Entnahme verfasst und von allen Anwesenden unterzeichnet. Am 13.Mai 1929 wurde in Pau eine offizielle Untersuchung des Herzens vorgenommen. Zwei Ärzte, die Herren Aris und Ecot, bemerkten in ihrem Bericht: "Es ist schwierig, eine wissenschaftliche Erklärung für diese Tatsache zu geben." Johannes vom Kreuz bemerkt, dass ein derartiges Charisma ein Zeichen hoher mystischer Begnadigung ist.


5. Erscheinungen

Das ganze Leben der kleinen Palästinenserin ist durchzogen mit Erscheinungen. Ihre Seele gleicht einer jener herrlichen byzantinischen Kirchen, die ganz mit Ikonen in ihren vielerlei Farben ausgeschmückt sind. Aber bei Mirjam sind die Ikonen lebendig. So erscheinen ihr Engel unter der Gestalt von Kindern, um ihr in Gefahren beizustehen, ihr während der Ekstasen als Dolmetscher zu dienen und ihr Anteil an ihrer Glückseligkeit zu geben. Im Chor und während der Erholung sah sie oft die Schutzengel ihrer Gefährtinnen. Viele Heilige sind im Laufe ihres Lebens an ihren Augen vorübergezogen. Der heilige Josef, die heilige Teresa, die heilige Maria Magdalena von Pazzi, die hl. Katharina von Alexandrien, die hl. Margareta-Maria Alacoque, der hl. Johannes vom Kreuz. Auch Verstorbene erschienen der Seherin, u.a. der hl. Pfarrer von Ars. Ihr ganzes Leben ist davon durchzogen, besonders von den Erscheinungen Jesu, der Muttergottes und des hl. Josef. Für Schwester Mirjam von Jesus dem Gekreuzigten ist die Kirche kein abstrakter Begriff; sie ist die Gemeinschaft der Heiligen und die Gemeinschaft der Bewohner des Himmels, des Fegefeuers und der Erde.

6. Prophezeiungen


Mirjam Bauardy ist im Lande der Propheten geboren und aufgewachsen. Der Orientale hat Sinn für die konkreten und greifbaren Wirklichkeiten und findet Gefallen an Nachahmungen, mimischen Darstellungen und Symbolen. Wenn wir die biblischen Propheten verstehen und das Verhalten eines Jesaja, eines Jeremia, eines Ezechiel begreifen wollen, dann müssen wir unsere westlichen Vorurteile beiseite lassen und versuchen, eine semitische Mentalität anzunehmen. Wenn ein Orientale zu uns spricht, erzählt er gewöhnlich eine Geschichte, und wir müssen versuchen, weniger deren anekdotische Genauigkeit als deren hintergründige Bedeutung zu erfassen. Die Moral ist wichtiger, als die historische Wahrheit. Schwester Mirjam von Jesus ist so sehr ein Kind ihrer Rasse, dass sie sich häufig und spontan in Gleichnissen, Parabeln, Symbolen und symbolischen Handlungen ausdrückt. So verlangte der Herr beispielsweise 1873 eine Anzahl von Prozessionen rund um den Garten. Mirjam führte diesen Auftrag auf den Knien aus, mit einem Sack voll Asche auf dem Rücken. Trotz ihrer geschundenen Knie führt sie ihn im Schweiß ihres Angesichts zu Ende. Oft setzt sie sich auf orientalische Weise zu Füssen des heiligsten Sakramentes oder eines Madonnenbildes nieder. Sie faltet die Hände, neigt und erhebt den Kopf und macht die Geste, als reiße sie sich das Herz aus der Brust, um es Jesus und Maria zu schenken. Die Propheten kennzeichnen sich jedoch nicht nur durch ihre symbolischen Handlungen, sie sind auch visionäre Menschen. Mirjam wurden auch viele Visionen zuteil, die an die eines Ezechiel und eines Sacharja gemahnen, sowie an die Apokalypsen Daniels und des Apostels Johannes. Was die Prophezeiungen im Sinne von Voraussagen künftigen Geschehens betrifft, so kamen Hunderte aus dem Munde der kleinen Karmelitin. Sie beziehen sich entweder auf sie selbst, oder die Karmeliterinnenklöster in Mangalore, Bethlehem und Nazareth. Andere Prophezeiungen betreffen die Kirche. Ihre Lebenszeit fällt in das lange Pontifikat Pius IX. (1846-1878). Für diesen Papst bezeugte sie eine besonders zärtliche, kindliche Liebe. Sie nannte ihn ihren Vater, sie sah ihn oft im Geiste, bald während der herrlichen Pontifikalämter, bald in den Ängsten, die ihn kreuzigten. Mehrmals ließ sie ihm wichtige, die Interessen der Kirche betreffende Botschaften zukommen. 1868 ließ sie ihm dreimal die Warnung zukommen, die in der Nähe des Vatikans gelegene Kaserne sei unterminiert. Diese Warnung aus Pau wurde jedoch nicht ernst genommen, bis am 23. Oktober die Kaserne Serristori am hellichten Tag in die Luft gesprengt wurde und die Regimentsmusiker unter ihren Trümmern begrub. "Leider hatten wir uns die von Pau empfangene Mitteilung nicht zunutze gemacht", sagte Kardinal Antonelli später. Als jedoch Schwester Mirjam im folgenden Jahr, als das Konzil in vollem Gange war, den Papst auf ein neues drohendes Unheil aufmerksam machte, wurde der Stimme des Himmels größere Aufmerksamkeit geschenkt. Mehrfach bezeichnete die Seherin mit bemerkenswerter Genauigkeit die Stellen im Vatikan, wo drei Bomben gelegt worden waren. Diesmal konnte die Katastrophe verhindert werden. Die kleine Araberin kündigte auch den Tod Pius IX., sowie den Namen seines Nachfolgers, des späteren Leo XIII. an. Schließlich sind noch unzählige Prophezeiungen zu erwähnen, die Einzelpersonen betrafen.


7. Geheimnisvolles Wissen

Bei der kleinen Araberin findet man in enger Verbundenheit mit der Gabe der Prophezeiung das Charisma der Unterscheidung der Geister und das Wissen um Ereignisse, von denen sie nach menschlichem Ermessen unmöglich Kenntnis haben konnte. Die Novizenmeisterin von Bethlehem sagte, Mirjam lese in den Herzen wie in einem Buch. Und sie fügte hinzu: "Oft wird ihr das Innerste der Menschen bis in deren Kindheit zurück völlig enthüllt; und zwar handelt es sich dabei nicht nur um Leute, mit denen sie persönlich spricht, sondern auch um deren Freunde und Verwandte. Obwohl sie diese niemals gesehen hat, vermag sie deren gute und schlechte Eigenschaften zu schildern.“ Sie durchschaute nicht nur ihre Besucher, sondern auch in weiter Ferne lebende Menschen. Sehr oft war es möglich, die Richtigkeit dessen, was sie schaute und mitteilte, nachzuprüfen. Nicht weniger bemerkenswert als das Charisma der Herzenskenntnis ist die Gabe der Schau von Ereignissen, die in weiter Ferne stattfinden. Im Karmel von Mangalore wohnte sie der Hinrichtung der Geiseln der Kommune in Frankreich bei. In den Klöstern von Pau und Mangalore sah sie die Verfolgungen und Massenmorde in China. 1877 schaute sie die Hungersnot, von der die Bevölkerung Indiens damals heimgesucht wurde. Als sie am 17.September 1874 nach einer Entrückung wieder zu sich kam, war sie ganz erschüttert über die grauenhaften Szenen, denen sie soeben beigewohnt hatte. Sie hatte verstümmelte und enthauptete Christen gesehen und andere, denen man den Bauch aufgeschlitzt hatte. Unter ihnen befand sich auch ein Priester. Vier Monate später berichtete die Zeitschrift L´Univers vom Martertod eines Missionspriesters in Yün-Nan, Abbe Baptifaud, der tatsächlich am 17.September ermordet worden war. Tief beeindruckt schrieb Bischof Lacroix am 6.Februar 1875 an Kardinal Antonelli: "Sie können dem Heiligen Vater diese Nachricht in meinem Namen als von mir verbürgt und absolut echt mitteilen.“ Am 24. Februar 1876 morgens diktierte sie einige Zeilen an den Patriarchen von Jerusalem: "Diese Nacht habe ich den neuen Papst (Leo XIII.) erblickt. Er lag auf den Knien, und ich habe gesehen, wie unser Herr ihm die Hände auflegte und dabei sprach: Stella versa oder bersa. Das letztere Wort habe ich nicht gut gehört; ich habe nicht verstanden, ob das sein Name ist, oder ob das Wort etwas anderes zu bedeuten hat". Was die Schwester nicht begriffen hatte, war für Patriarch Bracco und die Priester des Patriarchats ganz klar: Es handelte sich um den umgekehrten Stern (stella versa), den Kardinal Pecci in seinem Wappen führte. Von diesem Augenblick an erwarteten sie die Nachricht seiner Erwählung. Zwei Stunden nach dem Empfang des Briefes der Seherin von Bethlehem meldete ein Telegramm dem Patriarchen, dass Leo XIII. am 20.Februar gewählt worden war.

8. Bilokation

Das Phänomen der Bilokation oder Multilokation besteht in der gleichzeitigen physischen Anwesenheit ein und derselben Person an mehreren Orten. Auch in dieser Hinsicht gibt es im Leben der kleinen Araberin ein bemerkenswertes Beispiel. Die bekannte Schwester Josephine, eine Josefsschwester, die sich durch ihre Nächstenliebe ausgezeichnet hatte und deren Biographie in Frankreich veröffentlicht wurde, war die Empfängerin dieser Gnade. 1876 befand sich Schwester Josephine Rumebe (1850-1927) auf der Insel Zypern, wo sie schwerkrank und vom Fieber verzehrt darniederlag. Ihre Oberin erwartete ihren Tod. Eines Nachts gegen elf Uhr betrat eine Ordensfrau die Zelle der Sterbenden. Mit in Kreuzesform ausgebreiteten Armen schwebte sie über dem Boden. Von lebendigem Licht umflossen, erhellte sie das ganze Zimmer. Es ist Schwester Mirjam von Jesus dem Gekreuzigten, die frühere Postulantin der Josefsschwester in La Capelette. Die Kranke hatte diese jedoch niemals gesehen.

Hören wir ihren Bericht: "Ich hatte sie noch nie gesehen und wusste dennoch, dass sie es war und dass sie mit Gott sprach; ich schlief absolut nicht. Ich rufe sie bei ihrem Namen und sie antwortet mir. Ich sage zur ihr: Schwester Mirjam, fragen Sie den lieben Gott, ob ich sterben werde. Da redete sie mit dem Herrn. Nach einigen Sekunden sagte sie: Nein, Sie werden nicht jung sterben, sie müssen noch viel Gutes wirken. Danach sagte ich ihr: Fragen Sie ihn, ob ich bis zum Tod in meinem heiligen Beruf ausharren werden. Nach einigen Sekunden antwortete sie: Mit der Gnade. Sie hat mir auf alle Fragen, die mein innerliches Leben betreffen, Antwort gegeben. Danach verschwand sie, und alles, was sie mir angekündigt hatte, ist auch tatsächlich eingetroffen.

Von diesem Moment an begann die Besserung. Im folgenden Jahr war ich wieder reisefähig und fuhr von Zypern nach Jaffa. Zu derselben Zeit kamen die Karmelitinnen von Bethlehem nach Jaffa auf der Durchreise nach Nazareth. Wie groß war mein Glück, als ich Schwester Mirjam erkannte! Sie sah genau so aus, wie ich sie in Zypern gesehen hatte. Der liebe Gott ist mein Zeuge, denn nur zu seiner Ehre schreibe ich diesen Bericht. Sie sagte mir: Der heilige Josef liebt euren Orden sehr. Beim Abschied (nach ihrer Rückkehr von Nazareth) sagte mir die Dienerin Gottes: Heute sehe ich dich zum letzten Mal. Ich werde in jenem Monat und an jenem Tage sterben. Durch Schwester Maria vom Kind Jesus werde ich dir schreiben lassen und dir den kleinen Jesus senden, den ich jeden Abend küsse. Tatsächlich empfing ich den angekündigten Brief mit dem genauen Datum des Todes der Dienerin Gottes; da ich dieses in mein Heft eingetragen hatte, konnte ich feststellen, dass Mirjam ihren Todestag richtig vorausgesagt hatte. Das war vor Gott und einzig zu seiner größten Ehre der genaue Verlauf dieser Ereignisse. Selbst im Augenblick meines Todes könnte ich nicht anders darüber sprechen. Jerusalem, den 30. September 1895." Schwester Josephine starb am 1.September 1927, nachdem sie in Kirjath-Jearim, auf einem in Ost-Judäa gelegenen Hügel, das Haus und die Kapelle der Bundeslade gegründet hatte.

9. Von einem Engel besessen

Damit gelangen wir zu dem vielleicht außergewöhnlichsten all dieser außerordentlichen Charismen. Obschon Thomas von Aquin erklärt, dass "nach den Aussagen der Heiligen die guten wie die bösen Engel kraft ihrer geistigen Natur die Macht haben, Körper, in die sie eingezogen sind, umzuwandeln", bezeugen die Theologen wenig Interesse für die Fragen der Besessenheit durch einen guten Engel. Zwar hat der heilige Thomas von Aquin kein derartiges Beispiel erwähnt, und offenbar ist überhaupt kein solches Vorkommnis bekannt. Der Fall Schwester Mirjams von Jesus dem Gekreuzigten wurde besonders eingehend beschrieben.

Wenn man die teuflische Besessenheit als unwiderstehliche Beherrschung der Sinne und Glieder eines Menschen durch den Teufel definiert, so kann man auch sagen, dass die Besessenheit durch einen Engel in der unwiderstehlichen Beherrschung der Sinne und Glieder eines Menschen durch einen guten Engel besteht, der sie zum Guten drängt. In beiden Fällen ist die menschliche Freiheit aufgehoben. Indem wir uns auf die Augenzeugen berufen, beschreiben wir aus dem Leben der kleinen Palästinenserin ein solches Phänomen. Das Ereignis fand in Pau am 4.September 1868 statt. Es war am Mittag. Vor genau vierzig Tagen hatte die erste teuflische Besessenheit begonnen, von der später eingehend die Rede sein wird. Nach Ablauf seiner Zeit hatte Satan soeben den Leib der Kleinen verlassen. Die Zeugen, das heißt, die in der Krankenabteilung versammelten Karmelitinnen, behielten diesen Augenblick in unvergänglicher Erinnerung.

Während die zwölf Glockenschläge zum Mittag ertönen, geht in Schwester Mirjam sichtlich eine auffallende Veränderung vor. An die Stelle der Versuchungen, Demütigungen und Entstellungen der Schwester, die auf ihren Kampf gegen den Bösen zurückzuführen sind, tritt eine wirkliche Verklärung. Die Novizin erhebt sich etwa zwanzig Zentimeter über das Bett, ihr Antlitz strahlt, ihre schwarzen Augen glänzen wie Diamanten, ein wunderbares Lächeln umspielt ihre Lippen. Die Nonnen sind auf die Knie gefallen und vermögen nur ein Wort, einen Namen auszusprechen: "Jesus!" Sie meinen, einem Vorübergang des Herrn beizuwohnen.

Nach ihm ergreift ein übernatürlicher Geist Besitz von dem befreiten siegreichen Leib der Ekstatikerin. Sie ist jetzt von einem guten Engel besessen. Vier Tag lang dauert dieser Zustand an. Bisher drückte sich Satan durch den Mund der Karmelitin aus, jetzt spricht der gute Engel aus ihr. Er übermittelt den Schwestern Lehren und Ratschläge von hohem Wert. Die Nonnen möchten bei ihrer Schwester bleiben. Diese sagt jedoch zu ihnen: "Schwestern, die Muttergottes sieht euren Wunsch, bei dem kleinen Nichts zu bleiben; aber sie will, dass ihr euren Pflichten nachgeht; sie wird bei euch sein. Während der Erholungsstunde dürft ihr wiederkommen, da die Regel es erlaubt." Die Priorin fragt sie, ob eine Schwester bleiben darf, um Notizen zu machen. Die Kleine antwortet: "Die Muttergottes ist damit einverstanden und überlässt Ihnen die Wahl dieser Schwester." Während der Erholungspausen eilen die Karmelitinnen herbei, um die Verklärte zu betrachten und den Lehren des Engels zu lauschen. Die Seherin wohnt einer prächtigen Prozession bei, die zu ihren Ehren im Himmel abgehalten wird. Im Vorbeigehen grüßt sie die Heiligen, die sie erkennt: "Sei gegrüßt, Vater Elias! Sei gegrüßt, Vater Josef! Sei gegrüßt, Vater Johannes! Sei gegrüßt, Maria von den Engeln! Sei gegrüßt, Simon Stock! Seid gegrüßt, Märtyrer Jesu des Vielgeliebten! Seid gegrüßt, Magdalena, Margarita, Germana, Martha, Henriette, heiliger Dominikus und heiliger Franziskus, Veronika, Appolonia, Nikolaus, Amata...“ Sie bittet, in den Garten hinuntergehen zu dürfen, um die Werke Satans zu reinigen. Es handelt sich dabei um eine der symbolischen Handlungen, an die sie als echte Palästinenserin gewöhnt ist. Ein wunderbares Lächeln auf den Lippen, geht sie mit leichtem raschen Schritt, mit erhobenen Händen und zum Himmel gerichteten Augen voran. Sie lädt die Priorin ein, den Weihwasserwedel zu nehmen, um jede Stelle zu reinigen. Sie vergisst nicht einen einzigen, von Satan berührten Baum. Sie ruft: "Kleiner Weinberg, kleine Bäume, tragt immer gute Früchte für die Schwestern Jesu. Seht, seht, Satan ärgert sich! Er rennt davon, er rennt davon, er rennt davon!" Sie klatscht in die Hände. Die Prozession hatte zwei Stunden gedauert. Am Nachmittag nach der Vesper geht der Unterricht des Engels weiter. Er betrifft die Regeltreue, den Gehorsam, das Stillschweigen, die gute Ausnützung der Zeit an Wochentagen und die Ruhe am Sonntag, der ganz Jesus geweiht sein soll: "Man darf am Sonntag nur beten und Bücher lesen, in denen von Jesus die Rede ist." Sie kündigt Versuchungen und Prüfungen im Ordensleben an: "Satan wird euch versuchen: Seid stärker als Satan! Die Versuchung ist gut für euch: Sie ist das Wasser, das uns wäscht und uns reinigt für Jesus. Überlegt euch das gut: Heute auf der Erde, morgen unter der Erde!" Der gute Engel spricht eindringlich über die Liebe in der Ordensgemeinschaft, über die Erholungspausen, die erbaulich sein sollen, und über die Demut. Er fügt hinzu: "Schwestern, die Muttergottes wiederholt, dass ihr Schwester Mirjam, dem kleinen Nichts, niemals von diesem Geschehen Kenntnis geben dürft. Stellt ihr keine Fragen. Ihr sollt ihr keine Aufmerksamkeit schenken, sie nicht ansehen, nicht von ihr sprechen; nichts als Verachtung. Das kleine Nichts wird nur kurze Zeit hier bleiben; danach wird sie das Werk Gottes vollbringen. Wundert euch über nichts, verliert niemals den Mut, weil ihr keine Engel, sondern schwache Menschen seid. Wer sich ganz klein macht, der gefällt Jesus und findet ihn." Durch den Mund der Ekstatikerin spricht der gute Engel auch lange mit Abbe Saint-Guily: "Mein Vater, um zu beurteilen, wes Geistes ein Priester ist, prüfen Sie seine Demut, seinen Gehorsam. Wenn er sich nicht unterwirft, dann wird er von Satan geführt. Gehen Sie gleichermaßen hinsichtlich einer Ordensfrau vor, über deren Weg Sie Zweifel hegen. Wenn Sie ihr sagen, sie sei in einer Täuschung befangen, und sie sich nicht sogleich Ihrem Urteil unterwirft, dann ist es Stolz, und somit Satans Geist...“ Die Antworten bestärken die Anwesenden in ihrer Überzeugung, dass ein himmlisches Wesen von der kleinen Galiläerin Besitz ergriffen hatte und sich durch sie ausdrückte. Mehrmals fragten die Schwestern dieses rätselhafte Wesen nach seinem Namen. Es antwortete: "Ich gehöre zu jenen, die hinauf und hinunter steigen. Ich bin der Geist Schwester Mirjams." Die anwesenden Karmelitinnen gewöhnten sich daran, mit dem Geist zu sprechen: "Kleiner Engel, lieber Engel, Du hilfst uns, Jesus zu lieben. Bleibe doch noch einen Tag länger!" Da erklärte er: "Die Zeit ist festgelegt: Ein Tag für zehn Tage." Die Nonnen begriffen, dass für vierzig Tage teuflischer Besessenheit vier Tage Besessenheit durch den Engel vorgesehen waren. Der Engel verkündet, dass die Prüfung der Kleinen nach seinem Weggang aufs neue beginnen wird. Satan wird zurückkehren. Drei Jahre lang wird er ihre Einbildungskraft mit Zwangsvorstellungen quälen und versuchen, sie zum Verlassen des Klosters zu bewegen. Sie wird bis an den Rand der Verzweiflung getrieben, und man wird ihr helfen müssen, in ihr Nichts hinabzusteigen. "Schwester Mirjam wird Fehler begehen; Gott wird es zulassen, weil die Zeit der Prüfung gekommen ist und damit Satan später aufgrund ihrer Demut keine Macht über sie hat. Denn später wird sie tatsächlich große Dinge vollbringen; sie wird fast ständig entrückt sein und sich sogar in die Luft erheben. Das kleine Nichts ist ein Opfer, und als solches muss es viel leiden.“ Bevor der Engel weggeht, wird er nochmals nach seinem Namen gefragt. Er antwortet: "Ich bin der Geist Mirjams (von Jesus dem Gekreuzigten), ich bin der Engel Mirjams.“ Der Leib der Besessenen erschauert. "Ich habe die Freude in den Knochen", sagt sie unaufhörlich. Nachdem der Engel sich entfernt hat, fällt wieder ein Schleier der Trauer über sie. Die angekündigten Prüfungen und Leiden brechen über sie herein. Sie ist vom Tabor herabgestiegen, um tief in den Garten von Gethsemane einzudringen.

10. Die Gabe der Dichtung


Auch hier handelt es sich um ein echtes Charisma. Man darf nicht vergessen, dass Schwester Mirjam eine unwissende Analphabetin ist. Sie hat niemals eine Schule besucht, und ihre Sprache ist das Arabische, das von dem Volk, den Fellachen von Abellin, gesprochen wird. In Marseille gelingt es ihr schließlich, sich französische Ausdrücke zu merken, aber trotz eines Versuches bei den Josefsschwestern wird sie nie recht lesen lernen. Da die kleine Araberin am Brevier Gefallen findet, insbeondere an den Psalmen, in denen sie die Inspiration und die Rhythmen der Dichter ihrer Heimat wiederfindet, wird sie als Chornovizin aufgenommen, und sie erhält Französisch- und Lateinunterricht. Sie macht einige Fortschritte, zumindest im Französischen. Aber sie wird diese Sprache stets radebrechend sprechen und mit Arabismen vermischen und nie richtig lesen und schreiben lernen. Schwester Mirjam hat sehr wenig gelesen. Zu ihrer gewöhnlichen Lektüre gehörten das Brevier, die Nachfolge Christi, die Karmelregel, und in ihren letzten Jahren ein in Großbuchstaben gedrucktes Buch: Der Schutzengel. Und dennoch dichtete Schwester Mirjam von Jesus dem Gekreuzigten während ihrer Ekstasen aus dem Stegreif Papabeln, Gedichte und geistliche Lieder, die von zahlreichen Gebildeten bewundert werden. Sie ist eine echte Palästinenserin aus den galiläischen Hügeln, die sich jedes Frühjahr in ein prächtiges Gewand aus Anemonen und Zyklamen, aus Asphodillen und unglaublich vielfältige Lilien des Feldes hüllen.

Mirjam von Abellin erfüllt die Klöster, in denen sie lebt, mit den Düften und Farben des biblischen Landes. Bis zu ihrem letzten Morgen in Bethlehem, dem 26.August 1878, hört sie nicht auf, Psalmen, Hymnen und Allegorien zu erfinden und zu singen, die an die reinsten Texte der inspirierten Literatur und durch ihren mystischen Schwung insbesondere an das glühende Hohelied gemahnen. „


Ich nehme die Flügel meines Erlösers. Ich sehe, wie die ganze Welt mich selig preist. Wie ist es süß, Dir anzugehören, o mein Heiland!

Dein Name ist groß und erfüllt den Himmel. 

Alles lobt Dich und ist von Freude durchdrungen, weil Du gegenwärtig bist.

Die Flügel, mit denen ich fliege, hat mein Erlöser mir gegeben. 

Gnädig hat er meine Seele angeschaut. Er hat mir die Flügel geschenkt, mit denen ich flog.

Aus dem tiefen Abgrund, in dem ich mich befand, hat der Herr mich herausgezogen.

Seit diesem Tag bin ich in seinem Schoß für immer. 

Glücklich der nie endende Tag…

Der Herr hat mich in seine Heimat geholt.

Was sagt ihr, Bewohner der Erde?

Er gibt mir Flügel, um zu fliegen, 

Er gibt mir tausend Blumen, um sie auf meinen Weg zu streuen.

Er hat einen Korb voller Blumen in meine Hände gedrückt, 

Und alle meine Freunde dürfen daraus nehmen, soviel sie wollen.

Auf dem ganzen Weg habe ich Blumen gestreut, 

Freunde und Feinde haben sich eifrig bemüht, sie aufzulesen.

Er schenkte mir Flügel, um zu fliegen, 

Und legte einen Korb voller Blumen in meinen Schoß.

Himmel und Erde, alles freute sich über sein wunderbares Lächeln!


Papst Johannes Paul II. über Mirjam


Ihr ganzes Leben ist eine Frucht der höchsten Weisheit des Evangeliums. Es gefällt Gott, die Demütigen und Armen zu erwählen, um die Mächtigen zu beschämen (vgl. 1 Kor 1, 26-29). Sie hatte nie die Möglichkeit erhalten, höhere Studien zu betreiben, obwohl sie mit einer großen inneren Klarheit, mit einer lebendigen natürlichen Intelligenz und mit jener poetischen Vorstellungskraft, die dem semitischen Volk eigen ist, begabt war. Dennoch wurde sie, Dank ihrer hervorragenden Tugenden, mit dieser wertvollen Erkenntnis erfüllt, die Christus, der am Kreuz für uns gestorben ist, uns gibt: die Erkenntnis des Mysteriums der Dreifaltigkeit, eine für die orientalische christliche Spiritualität, in der die kleine Araberin erzogen wurde, so wichtige Einsicht.


In der Erscheinung der Gottesmutter in Sievernich (Deutschland) im Jahre 2000-2002 zeigte sich Maria als „Die Makellose“ mit Heiligen und heiligmäßigen Personen, darunter Mirjam von Abellin.


Ihr tägliches Gebet zum Heiligen Geist


O Heiliger Geist, erleuchte mich, 

O Gottes Liebe verzehre mich, 

Den Weg der Wahrheit führe mich, 

Maria, Mutter, schau auf mich, 

Mit deinem Jesus segne mich; 

Vor aller Täuschung und Gefahr, 

Vor allem Übel mich bewahr!

Heiliger Geist, erleuchte mich! 

Was soll ich tun und wie kann ich Jesus finden? 

Die Jünger waren sehr unwissend, sie waren bei Jesus, und doch verstanden sie Ihn nicht.

Das Geringste macht mich verwirrt und aufgeregt. 

Ich bin zu empfindlich; ich bin nicht großmütig genug, um Opfer für Jesus zu bringen.

O Heiliger Geist, als Du den Jüngern Dein Licht erstrahlen ließest, wurden sie umgewandelt; sie waren nicht mehr das, was sie vorher waren; ihre Kraft war erneuert, die Opfer wurden ihnen leicht; sie erkannten Jesus besser als vorher, da Er noch unter ihnen weilte. Quelle des Friedens, des Lichtes, komm, mich zu erleuchten. Ich habe Hunger, komm, mich zu ernähren; ich habe Durst, komm, gib mir zu trinken; ich bin blind, komm, mich zu erleuchten; ich bin arm, komm, mich reich zu machen; ich bin unwissend, komm und belehre mich!

Heiliger Geist, ich gebe mich Dir hin. Amen!


Gebet der Schwester Mirjam von Jesus dem Gekreuzigten


Herr Jesus, im Schweigen dieses anbrechenden Morgens komme ich zu Dir und bitte Dich mit Demut und Vertrauen um Deinen Frieden, Deine Weisheit, Deine Kraft. Gib, dass ich heute die Welt betrachte mit Augen, die voller Liebe sind. Lass mich begreifen, dass alle Herrlichkeit der Kirche aus Deinem Kreuze als dessen Quelle entspringt. Lass mich meinen Nächsten als den Menschen empfangen, den Du durch mich lieben willst. Schenke mir die Bereitschaft, ihm mit Hingabe zu dienen und alles Gute, das Du in ihn hineingelegt hast, zu entfalten. Meine Worte sollen Sanftmut ausstrahlen, und mein ganzes Verhalten soll Frieden stiften. Nur jene Gedanken, die Segen verbreiten, sollen in meinem Geiste haften bleiben. Verschließe meine Ohren vor jedem übelwollenden Wort und jeder böswilligen Kritik. Möge meine Zunge nur dazu dienen, das Gute hervorzuheben. Vor allem bewirke, o Herr, dass ich so voller Frohmut und Wohlwollen bin, dass alle, die mir begegnen, sowohl Deine Gegenwart als auch Deine Liebe spüren. Bekleide mich mit dem Glanz Deiner Güte und Deiner Schönheit. damit ich Dich im Verlaufe dieses Tages offenbare. Amen.