MYSTERIENSPIELE

Von Torsten Schwanke



MARIAS STELLVERTRETENDER TOD


DIE EWIGE VORSEHUNG

(Gottheit in schwarzem Gewand und Schleier, mit einer Spindel in der Hand, allein auf der Szene)

Dem Manne Dodo ist es nun bestimmt,

Daß ihn in seiner Lebensmitte nimmt

Der Tod und Hades mit den Schreckenshänden,

Vor seiner Zeit soll ihm das Leben enden.

Er soll den Seelen sich im Tode gatten,

Als Schatte wallen unter Seelenschatten,

Daß er den Körper von der Seele streife

Und scheide jung, noch vor der Lebensreife,

Steig jugendlich hinab in Todes Schlund.

Er schloß ja mit dem Hades einen Bund,

Seit Schatten aus den Toten bei ihm wohnen

Als englisch-schöne tödliche Dämonen.

Zum Tode wenden sich des Mannes Schritte,

Vorbei das Leben in der Lebensmitte,

Er leidet nun die letzte Lebensnot,

Das Schwert in Händen naht ihm schon der Tod!

Schon ist er in des Hades Schoß gebettet,

Wenn ihn nicht noch ein Wort von Christus rettet!


CHRISTUS

(Lange wallende Locken, dichter Bart, mildes Antlitz, fließendes weißes Gewand, von seinem Herzen gehen rote und weiße Lichtströme aus)

Der Tod, der schon um Dodos Seele wirbt,

Wird schwinden, wenn ein Mensch für Dodo stirbt.

Der Hades hungert sehr nach Seelenfutter.

Ob Dodos Vater oder Dodos Mutter

Für Dodo sterben wollen, daß er lebe,

Daß ihm die Vorsicht neu sein Leben gebe?

Wer immer für ihn abtritt von der Bühne

Des Lebens und dem Tod sich gibt zur Sühne,

Wird retten Dodos Leben aus des Trübe

Des frühen Todes. Retten wird nur Liebe!

Denn wen der Herr des Himmels retten will,

Den rettet er durch Liebe. Aber still,

Ich sehe alle nach dem Eitlen hasten,

Will keiner beten, beten, beten, fasten,

Will keiner als ein Sühneopfer sterben,

Für Dodo neues Leben zu erwerben.

Nur seine mystiische Gemahlin will

Als Stellvertreterin im Tode still

Für Dodos vielgeliebte Seele sterben,

Das Leben dem Gemahle zu erwerben.


DER CHOR DER ALTEN WEIBER

Zu steigen in das Totenreich

Für andere, ist Christus-gleich.

Wer ist so ähnlich dem Messias?

Die schöne Liebe nur Marias

Als Stellvertreterin im Tod,

Als letzter Hoffnung Morgenrot

Die Seele rettet, die sie liebt,

Der sie das neue Leben gibt.

Wie Jesus Christus hing am Kreuz,

Maria, voll der Liebe Reiz,

Freiwillig opfert sich dem Tod,

Im Herzen Tränen blutig rot,

Im Herz die Schärfe eines Schwerts,

Der Tod durchbohrt ihr Mutterherz!

Wer ihrem Herzen ist geweiht,

Der wird von seinem Tod befreit

Und durch das Herz Marias schön

Voll schöner Liebe auferstehn!


DODO:

Beschlossen ist es durch der Vorsicht Spruch,

Geschrieben stehts in meinem Lebensbuch,

Am Lebensmittag glüht schon Abendrot,

Und jung muß ich hinunter in den Tod,

Hinunter zu den Seelenschatten still,

Wenn nicht ein andrer für mich sterben will.

Ich fragte meinen Zeuger, meinen Vater,

Er sprach: Was für ein tragisches Theater!

Soll ich verschwinden aus der Welt des Lichts,

Wie eine Fledermaus zur Nacht des Nichts

Und nicht mehr leben in dem Sonnenschein

Des Glücks und tot sein, nichtig, nicht mehr sein,

Nicht füllen mehr mit Leckerei den Bauch,

Im Nichts zerflattern nichtig wie ein Hauch?

Ists daß, was ich für meinen Sohn tun sollt

Nach meines Sohnes Willen? Schön wie Gold

Das Glück mir unter dieser Sonne lacht,

Freiwillig geh ich nicht in Todes Nacht.

So sprach mein Vater. So sprach meine Mutter:

Ich werde nicht des Hades Seelenfutter

Und geb mich nicht dem Tod als Opferbrot,

Soll seinen Hunger stillen doch der Tod,

Doch nicht an mir, ich will im Sonnenglanz

Mit meinen Schwestern tanzen Reigentanz

Und schmücken mich mit Schmuck und Blumenkränzen

Und meinen Mann erfreun mit meinen Tänzen,

Dem Ehegatten will ich Glück erwerben

Und nicht das Sterben meines Sohnes sterben!

So sagte meine Mutter. Aber schau:

Die mystische Gemahlin, meine Frau,

Maria sprach zu mir bei Wein und Brot:

Ich sterb dein Sterben, töte deinen Tod!

Ich will dem Tode mich als Opfer geben,

Durch meine Ganzhingabe sollst du leben!


MARIA

(Langes schwarzes Gewand, das Antlitz vom schwarzen Schleier verhüllt. Mit ihr kommen weinend Dodos Kinder, die Söhne seiner Seele.)

Nun geh ich fort von dir, geliebter Mann,

Gezeichnet schon auf mir des Todes Bann,

Die Schlange, die sich beißt in ihren Schwanz,

Des Todes Schlange schon umkreist mich ganz.

Doch weil ich mich dem Tode übergeben,

Sollst du nicht sterben, Dodo, sondern leben.

Durchbohrt von sieben Schwertern ist mein Herz,

Geöffnet ist mein Mutterherz vom Schmerz,

Und tret ich in des Todes Nacht und Winter,

In meinem Herzen leben deine Kinder,

Dem Hades werde ich zum Seelenfutter

Und bleib doch deiner Seelensöhne Mutter!


DODO

O mystische Gemahlin, Herz Marias,

Mir Mutter, Schwester, Braut und mein Messias,

Der Kaufmann, der mein Leben einst gezeugt,

Im Angesichte meines Schicksals schweigt,

Er opfert sich nicht auf als wahrer Held,

Zu sehr liebt er die Eitelkeit, das Geld,

Zu sehr liebt er das Glück im Glanz des Lichts

Und fürchtet allzusehr des Todes Nichts.

Und die mich einst getragen hat im Schoß,

Sie wendet sich von mir erbarmungslos,

Sie küsst den Hades nicht mit Mutterkuß,

Sie liebt zu sehr den irdischen Genuß,

Genießt zu sehr die Eitelkeit der Welt,

Ihr Gott der Bauch ist und des Mannes Geld.

Maria, du allein willst für mich sterben,

Du leerst für mich des Todes Kelch, den herben,

Du leerst ihn bis zum Grund, des Todes Grimm.

Für immer alle meine Liebe nimm,

Sei, starke Frau, im Himmel mir mein Vater,

Mir Gottheld in dem tragischen Theater,

Sei meine Mutter der Barmherzigkeit,

Der ich als ihr geliebter Sohn geweiht,

Und sei als Vater und als Mutter mir

Mein Gottesspiegel in der Schönheit Zier

Und sei als Gottesspiegel angeschaut

Als bis zum Tod und ewig meine Braut!


DODOS MUTTER

(Sie erscheint in vornehmen bunten Kleidern und geschmückt mit Gold, sie trägt Frühlingsblumen in den Locken und hält eine Gitarre in den Händen)

Wer sagt mir, daß ich für dich sterben muß?

Ich hab im Schoße keinen Uterus

Als Wohnsitz mütterlichem Allerbarmen

Und ruhen sollst du nicht in meinen Armen,

Mein ungewolltes Kind schon früh vermisste

An mir, der Amazone, Mutterbrüste,

Weil ich die Mutterbrüste abgeschnitten.

Ein Narr nur wäre in den Tod geschritten,

Wenn ihm der Ehe und des Reichtums Glück

Im Leben lacht! Wer kommt vom Tod zurück,

Wer einmal sich dem Tode übergeben?

Ich aber immer will ein Jugendleben

Und schon auf Erden die Unsterblichkeit.

Doch du erwarte nicht Barmherzigkeit,

Erwarte nicht Barmherzigkeit, nur Gold.

Ich habe eigentlich kein Kind gewollt.


DODO

Du Frau, Maria ist die wahre Mutter,

Die opfert sich dem Tod als Seelenfutter.

Geborgen in Marias Uterus

Voll mütterlichen Allerbarmens muß

Ich lieben jene Mutter, die mich liebt,

Die mir bedingungslose Liebe gibt,

Die für mich stirbt, freiwillig stirbt,

Mich freikauft aus dem Tod und mir erwirbt

Mein Leben neu. Ihr Sterben ist mein Leben,

Das ihre Ganzhingabe mir gegeben.

Doch wenn ich von Maria Abschied nehme

Und Tränen weinend mich als Mann nicht schäme

Und wenn ich hier von Tränenschauern schaure

Und dunkle Nacht in meiner Seele traure,

Weil sie hinabgeht zu des Todes Drachen,

Will ich nicht hören, Frau, dein eitles Lachen,

Geh du zu deinem Ehemann zurück

Und zu dem kinderlosen Eheglück,

Du bist nicht Mutter mir, ich nicht dein Sohn,

Unliebe hat auch Undank nur zum Lohn.


DODOS MUTTER

Du Narr! Wer liebte je wie ich das Leben?

Dich sah ich immer um den Hades schweben,

Dich immer abgeschiednen Seelenschatten

In dem Mysterium des Dunkels gatten,

Doch ich verachte diesen Hauch des Nichts,

Mir lacht das schöne Lebensglück des Lichts!

Du und Maria mögt im Dunkel schweben

Des Todes, ich kehr heim in Licht und Leben,

Ich werd mich nicht dem Tod zum Opfer bringen,

Werd meinem Gatten Liebeslieder singen

Und kinderlose Ehegattin sein,

Mein Liebeslied soll nämlich heiter sein!

(Dodos Mutter ab. Maria bleibt allein bei Dodo zurück. Sie trägt sieben Schwerter im Herzen. Ihr Antlitz ist schwarz verschleiert. Sie flüstert nur noch.)


MARIA

Zur Nacht versunken ist das Abendrot,

Ich wandle jetzt als Schatten in den Tod,

Ich fühle schon den Hades nach mir greifen,

Schon meine Seele aus dem Blute pfeifen,

Schon fühle ich die Lebenskraft ermatten,

Mein Geist schon fleucht als schattenloser Schatten,

Die sieben Schwerter bohren sich mit Schmerzen

Ins Herz mir! Immer trag ich dich im Herzen,

Für immer thronst in meinem Herzensthron

Der Gattin Gatte du, der Mutter Sohn,

Der Freund der Freundin und der Schwester Bruder.

Du trag im Herzen immer deine Mutter

Maria, deine Freundin, dir vertraut

Als liebende Genossin dir und Braut.

Ich will dich ewig in mein Herz versenken

Und will dir nur mein Herz für immer schenken!

Und du, geliebter Mann, mein Todesschmerz,

Geliebter, schenk auch du mir nur dein Herz!

(Sie stirbt mit sieben Schwertern im Herzen.)


CHOR DER ALTEN WEIBER

O wehe, wehe, wehe, weh!

Maria ich im Tode seh,

Durchbohrt mit Schärfe eines Schwerts

Das schmerzensreiche Mutterherz!

Sie gab sich selbst als Opfer hin,

Bedingungsloser Liebe Sinn

Vergoß wie Wein sich, brach wie Brot,

O wehe, weh, Maria tot,

O tot Maria! Doch im Sohn

Maria lebt im Herzensthron,

Im Sohn der Schmerz des Todes wacht,

Maria weilt nun in der Nacht,

Maria in des Todes Schlund,

Im Abgrund, in dem tiefsten Grund,

In Todes Finsternis trat ein,

Das Leben ihrem Sohn zu sein,

Zu lösen auf des Todes Bann

Für ihren vielgeliebten Mann!

So große Liebe niemand hatte:

Maria tot – so lebt der Gatte!


DODO

Wie leer ists mir in meinem innern Busen,

Nun Minne fort und fort der Kuß der Musen

Und fern der reinen Jungfrau Herrlichkeit!

Nichts bleibt als Eitelkeit, Alltäglichkeit,

Als Torenstumpfsinn und der Geist der Erde,

Verführend die so leicht verführte Herde.

Doch mehr noch als die Leere dieses Nichts

Der Schmerz ist in der Brust, mein Herz, mir brichts,

Da nun entleert des Herzens Heiligtum,

Des Herzens Mund verstummt und sprachlos stumm,

Versunken in der Stille alle Rede

Der Liebe, nichts bleibt nur als hohle Öde,

Das Leben wie ein starrer Petrefakt,

Die Knochen klappern in der Ödnis nackt,

Nur Zorn und Haß mit ihren krummen Säbeln

Dämonisch kämpfen mit den nackten Nebeln,

Zu Stein geworden ist des Lebens Brot,

Das Leben, dieses Leben ist der Tod,

Lebendig bin ich schon den Toten nah.

Da kommt ein ferner Gast. Sprich, wer ist da?


JESUS

Ich komme aus Bethaniens Gefilde,

Wo ich bei Martha und Maria milde

Zu Gast gewesen bin und sagen muß,

Ich rief zurück ins Leben Lazarus,

Den Armen staunte an der Reiche groß,

Wie er gebettet war in Abrams Schoß.

Nun aber will ich ruhen ohne Hast

In deiner Wohnung als dein Seelengast.

Empfange du den Hirten und den Herrn

Und habe ihn zum Freund und Bruder gern.

Ich will mit dir im nächtlichen Verein

Zusammen Zecher sein von dunklem Wein,

Und wenn wir von des Weines Seelenfunken

Als Liebende unsterblich sind betrunken,

Dann wollen wir mit unserm trunknen Triebe

Den Frauen Lieder singen voller Liebe,

Mit Musen tanzen in den Reigentänzen,

Mit Lorbeer unsre Seherstirnen kränzen.


DODO

Die Seele liegt mir so im müden Schlummer

Und Blei lähmt meine Flügel, Blei von Kummer,

Und selbst wenn ich den schweren Wein getrunken,

Bin kummervoll ich in den Schlaf gesunken.


JESUS

Vertreibe deines Trübsinns Traurigkeit!

Warum vertrauern deine Lebenszeit?

Schau, Blumen blühen, draußen naht der Lenz,

Der schönen Mädchen Flor wie Transparenz

Ist wie ein Schleier nur aus Licht der Sonne,

Denn Ostern kommt, der Liebe Zeit und Wonne!


DODO

Was ist mir Liebe aber, süße Minne

Und aller Liebreiz für die Körpersinne

Und aller Augen Glanz und Lippen Rot,

Ist meine Liebe Frau Maria tot!


JESUS

Maria tot? Das Leben ist erstorben!

Das Dasein ist am Todesgift verdorben!


DODO

Ein Sterben über Sterben ist das Leben!


JESUS

Dem Tode ist die Herrschaft übergeben!


DODO

Selbst Gott ist tot, ist tot das Herz Marias...


JESUS

Ich bin die Auferstehung, der Messias!


DODO

Laß mich allein in meinen Tränenschauern!

Blutstränen wein ich, ewiglich zu trauern!

(Jesus geht am Ende der Nacht heimlich fort.)


CHOR DER ALTEN WEIBER

Wer der Verzweiflung Herrschaft kennt,

Schon in der Hölle Feuer brennt,

Lebt nicht das liebevolle Weib

Und schenkt die Liebe mit dem Leib,

Du lebend in der Hölle glühst

Und Hades in die Augen siehst!

Wenn aber in dem Höllenschlund

Der Glaube lebt im Seelengrund

Und Hoffnung strebend sich bemüht,

Unsterblich deine Liebe glüht,

Dann Christus bricht die Höllentür

Und schenkt die Auferstehung dir!

Denn Christus lodert weiß und rot,

Die Liebe, stärker als der Tod!

(In der Morgenröte erscheint Christus im weißen Gewand. An seiner Seite ein Mädchen in weißer Seide, in welche Blumenflor eingestickt. Ihr Antlitz ist verschleiert.)


JESUS

Heil Dodo dir! Ich bringe dir ein Mädchen,

Du nimm es auf bei dir in deinem Städtchen,

Du hüt es wie ein Hirte tut dem Lamm,

Die lieb es wie die Braut der Bräutigam,

Sei treu wie Turteltauben in den Nestern,

Sei freundlich wie die Brüder sind den Schwestern,

Sei dankbar wie die Kinder Müttern sind,

Sei liebend wie ein Vater ist dem Kind,

Du liebe sie wie deine eigne Seele,

Nimm auf bei dir die Jungfrau ohne Fehle!


DODO

Gruß, Jesus, Gruß dir, Friede sei mit dir!

Doch warum bringst du diese Frau zu mir,

Wo du doch weißt, daß ich noch immer weine

Und um Maria traure, weil die meine

Gestorben ist und ich nun einsam bin?

Kein andres Mädchen wird mir zum Gewinn,

Auch diese Jungfrau nicht im Morgenrot,

Maria schwor ich Liebe bis zum Tod

Und über ihren Tod hinaus die Treue.

Das sei mir fern, daß mich die Andre freue.


JESUS

Doch weil ich heute von dir fortgehn muß,

Nimm heute du von mir als Abschiedskuß

Dies Mädchen an, des Lebens Augenweide,

Des Lebens Wonne in dem Flor der Seide.

Du sollst nun länger nicht mehr einsam trauern,

Getröstet sollst du sein, vor Wonne schauern!


DODO:

Nein, lieber bin ich traurig, aber treu,

Als daß ich mich an anderm Weibe freu.


JESUS

Du bist so treu wie Tauben in den Nestern,

Doch diese wählte ich aus allen Schwestern,

Die Seele deiner Seele dir zu sein,

Die Seelenschwester und die Freundin dein.

Du nimm sie auf, weil ich gebracht sie habe,

Nimm du sie an als deines Heilands Gabe!


DODO

Allein, weil du es willst, o Herr und Meister,

Mein Schöpfer, Ewigvater aller Geister,

Nimm ich nun auf bei mir die junge Frau.


JESUS

Ihr Angesicht nun unverschleiert schau!

(Die Jungfrau hebt ihren Schleier. Es ist Maria.)


MARIA

Nimm du mich auf bei dir, intim vertraut

Bin ich in Ewigkeiten deine Braut,

Die Gattin, die dein Schöpfer dir gesandt,

Maria, die vom Tode auferstand!


DODO

Dein Antlitz leuchtet wie die Morgensonne,

Du bist die Herrlichkeit des Herrn, Madonna,

Der Glanz vom Glanze Gottes, Licht vom Licht,

Bist Gottes feminines Angesicht!

(Jesus wandert in der Morgenröte weiter. Maria führt Dodo an der Hand ins Haus.)


CHOR DER ALTEN WEIBER

Maria also lebt hienieden

Mit Dodo in der Ehe Frieden,

Befriedigt Dodos tiefste Triebe,

Maria schenkt ihm Gottes Liebe!








THEOPHIL


Erste Szene


(Wohnung Theophils. Theophil, ein Mann im mittleren Alter, allein)


THEOPHIL

Ich bin ein Christ, wenn mehr auch als Messias

Ich liebe die Jungfräulichkeit Marias,

Ich bete an der Jungfrau Schönheit, sie

Ist meine Göttin, ich in Hyperdulie

Bin ganz ihr Sklave, Sklave ihrer Minne,

Steht göttlich sie vor meinem innern Sinne!

Ich habe auch den Vater und den Sohn

Verehrt und beider Geist im gleichen Thron –

Und schätzte damals Unsre Frau gering.

Der ich die Frauenschönheit immer sing,

Ich schaute da in dunkelgrünen Wäldern

Und frühlinglich beblümten Wiesenfeldern

Die junge Lilith an, so süß mir nah,

In der ich strahlen die Madonna sah!

Als Lilith, meiner Seele Sulamith,

Madonna sang ein süßes Minnelied,

Kam Gottes Amor angerauscht geschwind,

War wieder Weihnacht, war ich wieder Kind,

Sah ich in Gottes Tempel wieder sie,

Die reizende entzückende Marie,

Die erste Minne mein im Heimatstädtchen,

Madonna, meine Minne, Gottes Mädchen!

Nun bin ich ganz der Ihre. Mein Gefallen

Ist Lilith noch, doch scheint sie abgefallen

Von Unsrer Lieben Frau, nicht mehr katholisch,

Urmuttergöttinnen sucht melancholisch

Nun Lilith, goldner Zeiten Bienenstaat,

Der alten Magna Mater Matriarchat.

Da kommt sie, noch ein schönes Paradies

Ihr Mädchentum, das Lächeln hold und süß.


LILITH

(Tritt in die Wohnung, ein junges Mädchen)

Gegrüßet seist du, Bruder Theophil!

Nun höre, wie ich aus der Kirche fiel.

Der Pfaff verdient nur meinen bittern Spott.

Ist nirgendwo als in der Kirche Gott?

Gottlose schimpfte mich der alte Pfaffe!

Doch ist ein Gott, der schuf und immer schaffe,

Ist nichts in dieser Schöpfung gottlos je!

Doch Gott ich nicht mehr in der Seele seh!

Ich schenkte dem Geliebten hin mein Hymen,

Jungfräulichkeit so sehr die Pfaffen rühmen,

Ich gab mein Hymen hin, es war nicht schwer,

Jungfräulichkeit ist hin und ist nicht mehr,

Der, dem mein Hymen ich gewidmet hatte,

Er ist mein ehebrecherischer Gatte,

Ist Gatte auch noch einer andern Frau.

Da ist kein Gott auf dieser Erde! Schau,

Da saß ich in der Nacht, die Eiche steht

Stumm neben mir, es kam mir kein Gebet,

Nicht wie die Alten mit dem Zähneklappern

Nur immer lallen Rosenkranzes Plappern,

Von Sünde reden und vom lieben Gott.

Nein, Gott der Vater ist mir nichts als Spott!


THEOPHIL

Und hast mir doch Maria offenbart

Und warst ihr Ebenbild und Spiegel zart!


LILITH

Ich ging wie du vom Worte aus, der Bibel.

Hör heut ich Jeremia, wird mir übel!

Die Pfaffen sprachen stets vom puren Wort,

Von Gottes Offenbarung fort und fort,

Von Gott dem Vater und dem Gottessohn

Und beider Geist im gleichen Gottesthron –

Ich aber liebte mehr die goldne Wolke

Der Herrlichkeit Mariens in dem Volke,

Maria uns wie eine Göttin rette

Durch Quellen und geweihte Amulette,

Maria war im Geist des Volkes milder,

Es weinten auch der großen Mutter Bilder,

Man trug die Bilder, auf die Mutter stolz,

Man reichte Unsre Liebe Frau aus Holz

Von Haus zu Haus, gebenedeite Maid,

Ja, Unsre Liebe Frau voll Lieblichkeit

Die Ähren segnete im Ährenkleid,

Sie spendete des Weinbergs Fruchtbarkeit,

Das Volk sprach von dem Weibe, so als wär es

Die Mutter Erde, große Göttin Ceres!

Demeter fand ich da, die Mutter Erde,

Ich schaute sie mit trauriger Gebärde

Um Kore weinen, um die Mädchengöttin,

Persephone, des Hades Ehegattin,

Da tauchte vor mir die Dreifaltigkeit

Der alten Göttin auf, im schwarzen Kleid

Voll Kunst, Magie und alter Weisheit seh

Erhaben in dem Geist ich Hekate.

Der Mutter göttlichen Dreifaltigkeit

Bin als der Göttin Tochter ich geweiht

Und feministisch meine Seele preist

Diana, also meine Göttin heißt!


THEOPHIL

So tief ich auch in meine Seele schaue,

Ich sehe immer Unsre Liebe Fraue

Maria, nur die Mutter des Messias

Ist meine Herrin, nur das Herz Marias

In meinem Herzen lebt und meine Gattin

Maria ist, aus Gnade meine Göttin!

Ich suchte auch in meiner Jugend Venus,

Doch offenbarte Jesus Nazarenus

In einer Schauung mystisch ohne Spott

Mir Gott, den einzig-einen wahren Gott!

Doch leide auch ich an dem Wort der Pfaffen,

Die plappern leere Formeln, Gottes Affen,

Die übergießen mich mit Hohn des Spottes,

Wenn ich die Herrlichkeit der Muttergottes

Verherrliche als meine Seelengattin

Und Herrin, meine Diva, meine Göttin!

Doch Göttin scheint den Pfaffen wert des Spottes:

Ein Mensch, nicht Göttin ist die Muttergottes!

Sie treiben mir ins Antlitz Schamesröte,

Ich weiß es besser, hat der alte Goethe

Geschaut und ausgesagt im Testament,

Prophetisch in dem dritten Faust bekennt

Maria eine Göttin er, der alte

Prophet die Oden auch von Jakob Balde

Geschätzt hat, da der Seher-Sänger Viva

Maria zusang, Domina und Diva!



Zweite Szene


(Aus einer Waldlichtung. Vollmondnacht. Um ein Lagerfeuer tanzen halbnackte Frauen. Theophil trinkt Wein. Lilith leichtbekleidet neben ihm plaudernd.)


LILITH

Was schweigst du, Theophil, in dich gekehrt?

Du hast die Frauen doch auch sonst verehrt,

So schau die Frauen, die und die und jene,

Ist jede eine kaumverhüllte Schöne.

Laß du dich auf das Lippenplaudern ein,

Und geht es nicht, so hilft dir doch der Wein.


THEOPHIL

Du Mädchen da bist schön, bei meiner Seel,

Holdselig wie der Engel Gabriel,

Als er holdselig Sankt Maria grüßte.


FRAU 1

Das ist das Allerschönste, Allersüßte,

Was jemals ich von einem Mann gehört.


THEOPHIL

Du Weib, dein voller Busen mich bekehrt,

Der Schönheit Spiegel du in runder Klarheit!


FRAU 2

Das ist zwar schön, doch gibt es keine Wahrheit,

Du schaust ja nur der Maya Schleier an.


THEOPHIL

Du alte Freundin, wie ein Zauberwahn

Bist du und wie ein Irrsinn der Magie,

Du bist die Seele meiner Seele, Sie!


FRAU 3

Die Seele deiner Seele bin ich nicht,

Geheimnis ist mein eignes Angesicht.


LILITH

Es ist nun Mitternacht, der Vollmond scheint,

Mit der Magie des Mondes, wie man meint,

Bewegt das Meer sich und der Weiber Blut.

Ich will nun fiedeln in entzückter Wut,

Und daß mein Fiedelspiel sei ohne Fehle,

Ich übereigne Luzifer die Seele!

(Sie spielt wie besessen. Alle tanzen in Wut und Raserei. Theophil in der Raserei des Rausches von Wein und Wollust.)


THEOPHIL

Diana, Luna, Hekate, ihr Drei,

Mondgöttin, löse meine Seele frei,

Mondgöttin, die du wandelst in der Nacht

In Reinheit, Schönheit und Magie der Macht,

Ganz reines Mädchen auf dem Sichelmond,

Ganz schöne Liebesgöttin, lustgewohnt,

Uralte Greisengöttin, schwarze Hexe,

Gieß Tau und Blut auf alle die Gewächse,

Laß auch mit deinen Diamantbalsamen

In Fruchtbarkeit erglühen meinen Samen,

Mich Lilith nehmen, heiß erglüht vom Tanz,

Daß ihren Schoß erfülle tief mein Schwanz!


LILITH

(Errötet vor Begierde)

Mondgöttin, höre Theophils Gebet,

Der schon im Reich der großen Göttin steht

Und Sklave ist der Religion des Eros,

Erkenne er der großen Göttin Heros,

Den alten Gott, der Dämon ist der Herr,

Dianas Gatte, Heros Luzifer!


THEOPHIL

Der alte Dämon ist doch ohne Zweifel

Der alte Satanas, der böse Teufel!


LILITH

Die Kirchenväter aus dem Patriarchat

Der Göttin Heros aus dem Matriarchat

Verteufelten, der Heros ward zum Teufel,

Ist doch der Göttin Heros ohne Zweifel.


THEOPHIL

O Mütter, Mütter, Mütter! Euer eigen

Ich bin, will als Bekenner euch nicht schweigen,

Ich widersag dem Vater und dem Sohn

Und widersag dem Papst im Petrusthron

Und widersag dem Kirchenheiligtum

Und sage los mich von dem Christentum!

Ich glaube nur ans goldene Äon

Der Mutter-Göttin mit dem Heros-Sohn!


LUZIFER

Nimm hin den Wahnsinn und den Suizid! –


THEOPHIL

(Schreit)

Ich sehe Ratten wimmeln im Gewirre

Der Nacht, tollwütig werde ich und irre!


LUZIFER

Am heißen Gift der Hölle dich besaufe!


SERAPHINA, THEOPHILS SCHUTZENGEL

O Theophil, gedenk an deine Taufe!


THEOPHIL

Ich schneide mir die Adern auf! Gefunden

Werd leider ich und leider auch verbunden...


LUZIFER

Geschrieben in der Bibel (sozusagen)

Für dich steht: Heute werde ich dich schlagen

Mit einem Schwert und niemand wird dich finden,

Ja, niemand wird dich finden und verbinden...


THEOPHIL

(Verblutend, er stirbt)

Maria - - -



Dritte Szene


(Schwarze Wolken, Donner und Blitze. Die Stimme des Zornes spricht im Gericht.)


DIE STIMME DES ZORNES

Glückseligkeit, wer stirbt in Christi Namen,

Wem Jesus Christus ist sein Ja und Amen.

Die Christen sind dem Vater angenehm,

Doch in das himmlische Jerusalem

Und Garten Eden in des Himmels Grunde

Gelangen Götzendiener nicht und Hunde

Und Hurer nicht und Magier, die trügen,

Und keiner der Verworfenen, die lügen.

Den Götzendienern ist mit Beelzebul

Bereitet im Abyss der Feuerpfuhl,

Doch werden sie in Schwefelflammen rot

Für ewig brennen in dem zweiten Tod!


(Ein Wagen, von einem Drachen gezogen, erscheint. Theophils Seele steigt ein. Der Drachenwagen fährt hinab in die Hölle. Dort wimmelt es von Ratten und Giftschlangen. Am Himmel weinen die Engel. Theophils Schutzengel Seraphina betet weinend.)


SERAPHINA

O Feuer allerhöchster Gottesliebe!

Ist eine Seele in des Todes Trübe

Hinabgewandelt, in des Hades Schatten,

Zu kalten Weiberschlangen, Männerratten,

O Gottesliebe, brennt in deinem Herzen

Das heiße Feuer weher Liebesschmerzen

Um alle Seelen, die sich selbst verdammen

Hinab zum Feuerpfuhl der Schwefelflammen!

Darf Seraphina ihre Stirne kräuseln

Und von der Süßigkeit der Liebe säuseln?

Die reine Heiligkeit der Gottesliebe

Ist nicht wie Menschenlust der Sündertriebe,

Die Gottesliebe kündet das Orakel,

Die Gottesliebe ohne Fehl und Makel

Kann keine Flecken dulden, keine Schatten,

Sie kann sich nicht mit Satanssöhnen gatten!

Die makellose, unbefleckte Liebe

Kann sich nicht einen mit des Teufels Trübe!

Der Gottesliebe reines Licht in Klarheit

Ist Heiligkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit,

Der Gottesliebe Wahrheit spricht in Flammen,

Daß Satans Söhne selber sich verdammen!

Ach Gottesliebe! Seraphina weint,

Sich ohne ihren Anvertrauten eint

Der Gottheit! Wehe, wie die Rotte Dathan

Verschlang auch Theophil der Schlund des Satan!

Nicht können meine Tränen ihn erlösen

Aus seinem selbstgewählten Bann des Bösen,

Drum Seraphina wühlt im Engelsherzen

Unglücklicher Begierde Liebesschmerzen

Und weinend werf ich mich aufs Angesicht,

Doch heilig, heilig, heilig bist du, Licht

Der Gottesliebe! Theophil verlorn!

Ah, Seraphina bebt vor Gottes Zorn!


DIE STIMME DES ZORNES

(Aus dem Gewitter donnernd)

Kehr, lichter Engel, heim in Gottes Licht!

Der Satanssohn verdammt sich im Gericht!


(Der Abgrund ist aufgedeckt. Aus der Hölle dringen schreckliche Schreie herauf. Theophil jammert entsetzlich und erbarmungswürdig.)


THEOPHIL

Maria! Ah Maria! mit mir Armen!

Maria! Oh Maria! hab Erbarmen!


(Die Madonna erscheint. Das dunkle Wetter schwindet vor ihr. An einem saphirblauen Himmel erscheint der weiße Thron Christi. Madonna tritt zu Christus und entblößt ihre makellosen Brüste.)


MARIA

Mein vielgeliebter Herr, mein Liebling Christe,

Schau meine bloßen, makellosen Brüste,

An denen du als Liebling lagst gebettet!

Ich fleh für Theophil, daß er gerettet

Aus der Verdammnis werde in der Hölle,

Ich will ihn führen zu der Lebensquelle,

Daß siege über die Gerechtigkeit

Die mütterliche Allbarmherzigkeit,

Daß sich erbarme über diesen Armen

Der Liebe universelles Allerbarmen!


CHRISTUS

(Mit sanfter Stimme)

O Liebe Frau, bei deinen bloßen Brüsten,

Dich soll nach Theophil umsonst nicht lüsten,

Triumph sei deinem makellosen Herzen!

Erlöse Theophil aus Höllenschmerzen,

Laß ihn die Milch aus deinen Brüsten trinken,

Vor deinem Reiz wird Satans Macht versinken,

Du brauchst nur einen Tropfen einzuflößen

Aus deiner Brust, so flieht die Macht des Bösen

Und Theophils verlorner Seelenfunken

Wird von der Liebe der Geliebten trunken

Erstehen aus dem Feuerpfuhl der Hölle

Und trinken aus der Liebe Lebensquelle!


MARIA

Fürwahr, bei meinen bloßen Mutterbrüsten,

Die deine Lippen, mein Erlöser, küssten,

Nach deinem und nach meinem Liebeswillen

Will ich den elenden Verdammten stillen

Und wandle darum in des Hades Rachen,

Als Jungfrau überwinde ich den Drachen

Und mache Theophil zu einem Christen

Und werde betten ihn an meinen Brüsten

Und ihn an meinen bloßen Brüsten betten

Und seine Seele durch die Liebe retten!



Vierte Szene


(Maria schwebt hernieder vom Himmel, durch das Reinigungsfeuer, zur Pforte der Hölle, in goldenen Lichtglanz gehüllt wie in die Aura der Sonne.)


MARIA

Die Königin des Himmels zweifelsohne

Ich bin, doch ließ im Himmel ich die Krone,

Der Armen Seelen Herrin ohne Wandel,

Ich ließ im Purgatorium den Mantel,

Nun tret ich in des Lichtes reinem Leib

Zur Höllenpforte als das Sonnenweib,

Die ich in Licht der Sonne eingehüllt,

Mein Lichtglanz blendet, meiner Schönheit Bild

Erschauen Seelen nicht, die sich verdammen,

Den lichten Leib, umlodert von den Flammen!

O Hades, öffne deine alten Tore,

Hier kommt vom Himmel hoch die wahre Kore,

Dir zu gebieten, Satanas der Toten,

Gib Theophil heraus, weil ichs geboten!


LUZIFER

Hier Theophil ist ewiglich gefangen,

Umwunden der Verdammte von den Schlangen,

Die nehmen in das Maul den Schlangenschwanz,

So Theophil gebannt bleibt völlig, ganz

Gebannt in dem Uroberos der Hölle!

Ob seine Qual zur Lebensquelle quölle,

Er bleibt doch ewig in dem zweiten Tod!


MARIA

Schau meinen bloßen Fuß, die Rose rot

Auf meinem Fuß, die Mystische von Eden,

Mit meinen Füßen will ich dich zertreten,

Der mit dem Giftzahn meinen Sohn gepackt,

Denn ich zertret dich mit den Füßen nackt!


(Maria zertritt mit den bloßen Füßen das Haupt der alten Schlange. Sie schleudert die alte Schlange Luzifer in das ewige Feuer.)


THEOPHIL

Ich fühle lösen sich von mir die Bande,

Ich atme auf im untern Schattenlande,

Ich fühle lösen sich von mir die Fesseln,

Ich ziehe aus des Fluches Hemd von Nesseln,

Ich wandle in dem Totenreiche nackt,

Gelöst ist nun mit Luzifer der Pakt!

Gekommen ist vom Himmelsthron die Göttin,

Verdammter Seele Retterin und Gattin!

Ich werde auferstehen, leben! Viva!

Mein Dank gilt der Madonna, meiner Diva!


MARIA

Ich bin gekommen, Sohn, dich zu erlösen!


THEOPHIL

Geschwunden ist bereits die Macht des Bösen!


MARIA

Die Milch aus meinen Brüsten wird dich stillen!


THEOPHIL

Ich bin dir ganz zu eigen, ganz zu willen!


MARIA

Fort aus dem Labyrinthe, dem konfusen!


THEOPHIL

Hinan an deinen benedeiten Busen!


MARIA

Wir Myrrhe bette dich an meinen Brüsten!


THEOPHIL

Ich schwebe selig zu den Wonneküsten!


MARIA

Verwirrt in meiner schwarzen Haare Schleier...


THEOPHIL

Ich bin im siebten Kreis im Fegefeuer!


MARIA

Du loderst in der Sinnenglut der Sünder!


THEOPHIL

Schon seh ich Blumen streuen schöne Kinder!


MARIA

Das sind die Putti, meine Himmelsknaben!


THEOPHIL

Sie kommen mich mit edlem Wein zu laben!


MARIA

Berausche dich an Minne, Minnezecher!


THEOPHIL

O Liebe Frau, dein Becken ist mein Becher!


MARIA

Nun schwebe du in trunkener Ekstase,

Versinke in der L i e b e Hypostase!


(Maria öffnet die Perlenpforte des Paradieses... Theophil gleitet selig über die Schwelle der engen Perlenpforte in die Aue der Wonne und Glückseligkeit...)


DIE EWIGE LIEBE

Nun gehe du erlöste Kreatur

Ein in den Schoß der Göttlichen Natur...








DON JUAN


1


(Mondfinsternis. Don Juan auf einem Balkon, klimpert auf einer Gitarre.)


DON JUAN

Als ich im Schoße meiner Mutter lag,

Als ich empfangen war am Unheilstag,

Da wollte meine Mutter mich nicht haben,

Sie wollte mich im Mutterschoß begraben.

Und als sie mich gebar, des Sternes Flamme

Mich zeichnete, da gab sie mich der Amme.

Da ward ich meiner ersten Liebe inne,

Denn sie war mir die Amme schöner Minne.

Drei Jahre war ich alt und schaut weich

Versonnen an der schwarzen Schwäne Teich

Marina stehen im karierten Rock,

Umflossen von dem goldenen Gelock.

Da liebte ich sie sehr, ganz rein und kindlich,

Da küsste ich das süße Mädchen mündlich.

Doch sie ging fort, doch sie hat mich verlassen.

Um meine Trauer irgendwie zu fassen

Ich wandte mich zu Hedwig, daß ich diene

Als Minner meiner kusslichen Cousine.

Ich wollt sie küssen, wollt sie kosend necken,

Ich bat, sie solle mich mit Küssen wecken,

Sie aber, das Cousinchen ohne Brüste,

Mich scheidend einmal nur zum Abschied küsste.

Das Nachbarmädchen, eine Bona Dea,

Sie sollte trösten mich. Und Dorothea

Begann mit mädchenhaften Zartgefühlen

Mit mir an ihrem Puppenhaus zu spielen.

Wir girrten wie die Tauben in den Nestern,

So lesbisch zärtlich waren wir wie Schwestern,

Wie eine Schwester sanft hat sie genossen

Mein Küssen keusch auf ihre Sommersprossen.

Da aber zog sie fort. Ich war allein

Und sah Susanna in dem Sonnenschein

Mit süßen Früchten in des Rockes Taschen.

Zusammen wir nach Schmetterlingen haschen,

Die Schmetterlinge sangen Minnelieder

Und taumelten so töricht um den Flieder,

Die wir die Schmetterlinge haschten, griffen,

Die Farbe von den Falterflügeln striffen,

Die Schmetterlinge starben da im Glas.

Und als ich bei Susanna zärtlich saß

Und sah erblühen ihre Mädchenbrust,

Mich rührte zart zum ersten Mal die Lust.

Da Eros kam mit heimlich süßem Schauer,

War ich allein mit meiner süßen Trauer.

Dann liebte ich zwei Frauen, Caroline

Und ihre Zwillingsschwester auch, Christine,

Doch unerreichbar blieb mir die Charlotte.

Verwundet war ich von dem bösen Spotte

Der hohen Frauen, da ich ward zum Manne.

Holdselig aber, huldvoll Marianne

Mich weihte ein mit ihren Zungenküssen,

Da unterm Dach wir tobten in den Kissen.

Dieweil ich aber küsste Marianna,

Ich dachte heimlich an die junge Anna,

Die Frauen liebte. Und bei Anna sah

Ich unberührt und frisch noch Ursula,

Die mich geliebt. Ich aber liebte Anna,

Bis ich gesehn die mächtige Johanna,

Ein Vollweib, ihre Brüste waren Glocken,

Die mich gefesselt mit den goldnen Locken,

Bis sie sich aber wandte zum Rivalen.

Rivalen immer mir die Frauen stahlen.

Ich aber raubte dem Rivalen da

Die junge zügellose Monica.

Ich schmachtete vor ihrer Brüste Paar,

Der Muschel in des Busches rotem Haar,

Und dachte an Johannas volle Euter.

Die junge Hexe gab mir Zauberkräuter,

Da ich im Wahn Maria von dem Mond

Herwandeln sah am nahen Horizont,

Mir nahe, und als ich Maria sah,

Da sagte sie: Ich bin Lysistrata,

Verwehre mich dem Männervolk hienieden,

Auf daß die Frau der Erde bringt den Frieden.

So sprach Maria ihr Prophetenwort

Und wallte himmlisch nach Venedig fort,

Maria, meiner Minne Madonnina.

Da sank ich an die Brust der Katharina,

Wie Aphrodites Busen ihre Brust,

Und ich vergaß Maria in der Lust

Und in der Wollust Herrlichkeit der Wonne

Mit meiner Aphrodite in der Sonne.

Ich schenkte Katharina Liebe flüssig

Und ward zugleich der Liebe überdrüssig.

Da aber fing mich Lilith, ohne Zweifel,

Dämonin war Frau Lilith, ein Sie-Teufel.

Ich träumte von Maria Madonnina

Und von der Liebeslust mit Katharina,

Bis wieder mich verzauberte Eirene.

Doch mich betrachtete die Frau nicht. Jene

Mich führte ein in Kreise ihrer Schwestern,

Da lauter Turteltauben in den Nestern,

Da ich um Mitka lange keusch geworben,

Bis Mitka in der Jugend Reiz gestorben,

Da mich getröstet freundlich Miriam,

Die Nonne, die verlobt war mit dem Lamm,

Bis ich getroffen hab die Frau der Frauen,

Frau Eva, Gottheit in ihr anzuschauen!



CHORUS MYSTICUS


Weiß er nicht, Don Juan,

Daß er nur Eine liebt, die Anima?

Er steht in ihrem Bann,

Die innre Frau im Mann

War immer die Geliebte, die er sah.


Von Mutterleibe an

Ist sie Genossin seiner Frauenminne.

Die innre Frau im Mann,

Die suchte Don Juan,

Daß er der Liebe werde selig inne.


Sie war zutiefst in ihm,

Doch er erkannte sie nicht in dem Innen-

Raum seiner Braut intim,

Sie schwebte hoch sublim

Geheim voran ihm in dem ganzen Minnen.


Gesichtswerk ist getan,

Die vielen Frauen sind dir nun errungen,

Tu Herzwerk, Don Juan,

Die innre Frau im Mann

Zu bilden innerlich ist dir gelungen.


Du wirfst das innre Bild

Der innerlich vertrauten Seelenfrau

Auf alle Mädchen mild,

Auf alle Weiber wild,

Wann schaust du Anima in innrer Schau?


Die Anima allein

War die begehrte Minne, ohne Spott,

Du sollst ihr Freier sein,

Die sie ist Schein von Schein

Und Seelenführerin zu deinem Gott!



2


(Frühling. Ein lichter blühender Garten. Don Juan und Eva auf einer Gartenbank.)


EVA

Hier pflanzte ich die Rose Neuer Morgen,

Hier hab ich in der Erde sie verborgen.

Maria heißt die andre Rosenart,

Die auch sehr schön war, weiß und rot und zart,

Ich aber nahm des Neuen Morgens Rose,

Wie Morgenröte glüht die makellose.


DON JUAN

Einst liebte ich ein Mädchen mit dem Namen

Maria. Sie, die Traumfrau aus den Damen,

War mir ein Ideal. Ob du das kennst?

Ein Seelenschatten war sie, ein Gespenst,

Ein Hauch, der fließend wie ein Schleier wallt,

War Seele ohne Leib, war Lichtgestalt,

War ein Idol, getaucht aus schönem Schaum,

Geboren aus der Seele in dem Traum.


EVA

Und liebst du die Maria immer noch?


DON JUAN

Als Nichts versank sie wie im schwarzen Loch

Des Nichts, im Lande der Vergessenheit

Sie flattert nun, ein Nichts in Hauches Kleid.

Mein Herz beschäftigt nun ein wahres Weib,

Vollkommne Seele im vollkommnen Leib,

Die Seele heilig, makellos und keusch,

Liebreizend und begehrenswert das Fleisch,

Ein Engel ihre Seele, goldne Blüte,

Ihr Leib die schaumgeborne Aphrodite,

Den Leib des Weibes muß ich heiß begehren,

Die Seele muß ich minnen und verehren.

Hier, Eva, kniee ich, dich anzubeten,

Dich Liebesgöttin dem Garten Eden!


EVA

So redet zu mir leider nicht mein Mann,

Wie liebesheiß mir lodert Don Juan!

Ach, hätte mir mein Mann so süß geschmeichelt!


DON JUAN

Mein Lob, Glorwürdige, ist nicht geheuchelt!

Der Ehemann ist Narr der Ehegattin,

Der Minner aber betet an die Göttin!

Hier kniee ich vor dir und bete hier

Die Liebesgöttin an, ihr Cavalier

Servente und ihr Hausfreund und Galan.

Zu deinen Füßen windet Don Juan

Im Erdenstaube sich wie eine Schlange.

Anbetung deines Cavaliers empfange!


EVA

Nur leider liebt mich nicht mein Ehemann,

Wie leidenschaftlich liebt mich Don Juan.


DON JUAN

Ich seufze, stammle, fehlen mir die Worte,

Ich bete deinen Schoß an als die Pforte

Des Himmels, als die Perlenpforte süß

Und eng, den Eingang in das Paradies!

Des Weltalls Zentrum seh ich makellos,

Des Weltalls Zentrum seh ich, deinen Schoß!

Ein Kelch dein Schoß, ein Becher ist dein Becken,

O Liebesgöttin, Tote aufzuwecken!

Schon schwebe ich, dich selig anzubeten

Mit Seraphim um dich im Garten Eden,

Und alle Göttinnen und Huris rufen

Und Seraphim auf Himmelstreppenstufen

Zu dir, o Liebesgöttin in dem Licht,

Du Gottes feminines Angesicht!

Im Paradiese darf ich trunken feiern,

Die Liebesgöttin seh ich sich entschleiern,

O große Göttin voll Potenz und Akt,

Im Paradiese wir! Ich nackt, du nackt!


(Don Juan leert einen Becher schweren Weines. Er glüht. Eva steigt die Schamröte ins Gesicht.)


EVA

Ich muß nun gehn und meinen Mann empfangen.

Ach Don Juan, sieh glühen meine Wangen.

Die ehelichte Treue ist mir Pflicht,

Dich aber lieb ich nicht, dich lieb ich nicht,

Ich kann dich nimmer lieben, nimmer lieben,

Ich lieb dich nicht! (Das soll dich nicht betrüben.)


(Eva geht ins Haus. Dämmerung. Don Juan allein unterm einsamen Abendstern, verzweifelt.)


DON JUAN

Im Paradiese meine Liebe lohte –

Nun stehe ich im Schattenreich, der Tote!

Geträumt nur war die Liebeslust gemeinsam –

Vernichtet steh ich hier, unendlich einsam!

Und all der Frauen heilige Gemeinde

Ein Heer ist, eine Heerschar böser Feinde!

Hier stehe ich, von bitterm Schmerz umnachtet!

Von der Geliebtesten verhöhnt, verachtet,

Geschmäht, verschmäht, verlassen und verspottet

Vom Dämon, den als Göttin ich vergottet,

Die ich geschaut als Göttin in dem Lichte,

Sie-Teufelin, sie macht mich ganz zunichte!

Die ich anbetete in meinem Herzen,

Zerschlug mein Herz in tausend wehe Schmerzen!

Mir strömen Tränen nur wie Blut so rot!

Nun komm, mein liebster Freund, mein Heiland Tod!


(Die Nacht ist hereingebrochen. Don Juan wirft sich auf die Erde und weint.)


CHORUS MYSTICUS


Als Eva Jungfrau war,

Da lauschte leider sie dem Wort der Schlange,

Verschleiert nur vom Haar

Der nackten Brüste Paar,

Die Schlange biß in ihres Apfels Wange.


Verboten war der Baum

Der eitlen Wissenschaft von Gut und Böse.

Doch Eva, schön wie Traum,

Nur Sonnenlicht ihr Saum,

Begehrte für sich selber Gottes Größe.


Sie sprach zu Gott ihr Nein,

Ihr Nein sprach sie zum göttlichen Gebot.

Der liebende Verein

In Edens Freudenhain

Verwandelte sich nun in bittern Tod.


Wie glücklich diese Sünde,

Der eine solche Rettung ward gebracht!

Auf Evas Nein begründe

Mariens Ja, so künde,

Maria sprach ihr Ja in dunkler Nacht.


Maria sprach ihr Ja

Zu Gott dem Herrn voll schöner Minne süß.

Die Menschheit wieder sah

Den Garten Eden nah,

Maria tat uns auf das Paradies.


Die Neue Eva ist

Maria, voll der schönen Minne süß.

Maria folge, Christ,

Daß du glückselig bist,

Maria ist ja Gottes Paradies!


Der Eva du verehrt,

Getrost sei, sie wird auch gerettet, schau,

Wie Eva sich bekehrt,

Ist Eva heimgekehrt

Zum Garten Eden Unsrer Lieben Frau.


Maria liebe du,

Bist in Maria Gottes Liebe nah,

Du findest Seelenruh

Und Liebe immerzu.

Sprich du dein Ja – Maria spricht ihr Ja!



3


(Ein alter Mönch mit kahlem Kopf und langem weißem Bart, mit Don Juan in einem Rosenhag vor den Mauern eines Klosters.)


MÖNCH

Die Sehnsucht nach den Frauen wird dir bleiben,

Du solltest dich der Lieben Frau verschreiben.

Die Liebe Frau ist deine Anima,

Die stets Juan in vielen Mädchen sah,

Sie ist die Frau der Frauen, ist die Frau.

Ich seh in deiner Seele tief, genau

Seh ich Maria als dein Ideal.

Sei du Marias mystischer Gemahl.

Wenn du sie findest als intime Braut,

Die sich in Leidenschaft dir anvertraut,

So kannst du Seelenfrieden finden, Ruhe.

Der Ort ist heilig, zieh du aus die Schuhe,

Ein Barfußkarmeliter Unsrer Frau

Du die Erlösung deiner Seele schau!


DON JUAN

Auf meiner Seele lastet schwer ein Fluch,

Ein Unheil steht in meines Lebens Buch,

Auf meiner Stirne unsichtbar geschrieben,

Daß mich geliebte Frauen nimmer lieben.

Die Liebe und der Tod von gleicher Macht

Mein Herz mit Unglück haben umgebracht,

Nun steh ich in der dunklen Nacht der Seele.

Du redest von der Jungfrau ohne Fehle,

Als Mutter nicht, vielmehr als Jugendliebe,

Als Jungfrau, die erlöst mich aus der Trübe

Des Schicksals meiner todgeweihten Schwermut.

Ich trank den Wein schon von dem Sternbild Wermut,

Wird mich die Jungfrau von dem Schmerz erlösen,

Den Rauschtrank ihrer Liebe mir einflößen?


MÖNCH

Wer ist von solcher Schwermut heimgesucht,

Der meint sich bitterlich von Gott verflucht.

Jedoch die Trösterin der Heimgesuchten

Der Segen ist von Gott für die Verfluchten.

Wenn du sie findest in dem innern Herzen

Als Mutter aller deiner Seelenschmerzen,

Ihr Lichtglanz sinkt in deiner Trauer Trübe,

In Gottes Licht führt dich der Jungfrau Liebe.


DON JUAN

Ich sah vor kurzem voll der Trauer Trübe

Im Dom ein Bild der Mutter schöner Liebe.

Sie war so blaß, von Schwermut blaß und bleich,

Ihr Antlitz war der blassen Mondin gleich,

Die schwarzen Augen voll geheimem Feuer,

Von Trauer schwarz der Mantel und der Schleier,

Da sah ich in der Jungfrau ohne Fehle

Die schwarze Jungfrau meiner eignen Seele.


MÖNCH

Die Jungfrau, süß wie Honig, weiß wie Butter,

Sie will dir sein der schönen Liebe Mutter.

Du suchst von ganzem Herzen eine Braut,

Die sich in Leidenschaft dir anvertraut,

Du suchst der Seele innre Seelengattin,

Doch suchst du auch die unbedingte Göttin.

Die wahre Göttin aber ist dir, Christ,

Die Gottheit, die dir eine Mutter ist!


DON JUAN

Ach, Mutter, das ist mir ein bittres Wort,

Ist mir wie eines Ungebornen Mord.

Doch sehne ich mit meines Herzens Flamme

Mich nach der Mutterliebe meiner Amme.

Die Mutterliebe meiner Kinderfrau,

Die Mutterliebe Unsrer Lieben Frau

Und Gottes Mutterliebe in Person –

Da bin ich der fürwahr geliebte Sohn!


MÖNCH

So Gott geworden deine Liebesgöttin,

Ist Unsre Liebe Fraue deine Gattin.

So findest Ruhe du und Seelenfrieden.

Die Frauen aber voller Reiz hienieden,

Sie werden bleiben deiner Seele Sehnen.

Doch im Kristall der trauervollen Tränen

Wirst du im Grund der Schmerzen selig schauen

Maria, Unsre Liebe Frau der Frauen.


DON JUAN

Maria sei mir Frau auf allen Wegen.


MÖNCH

So geh mit Unsrer Frau und Gottes Segen!


(Don Juan verläßt den Mönch und den Rosenhag vor den Klostermauern nachdenklich.)


CHORUS MYSTICUS


Was einst in Isis sah

Und in Urania und in Maria

Die Menschheit, das ist nah,

Die Gottheit Ich-bin-da,

Die Mutter Jahwe: Hagia Sophia!


Was meine Seele preist

In Sankt Maria, Unsrer Lieben Frau,

Ist Gottheit Heilig Geist,

Die uns die Wege weist

Zu mütterlichen Angesichtes Schau.


Die Mutter Heilig Geist,

Sie prägt in Unsre Liebe Frau den Stempel,

So daß Maria heißt

Die Mutter, die uns speist,

Die Lebensquelle und des Geistes Tempel.


Der Geist ist Fleisch geworden

In Sankt Maria, Unsrer Lieben Frau,

So in Marias Orden

Mit süßer Minne Worten

Wir schauen Gott die Mutter trunkner Schau.


Die Gottheit Ich-bin-da

Will, daß du bist allein Marien Sklave,

Die Sapientia

Will deiner Minne Ja,

Und Heilig Geist die Mutter ist in Jahwe.



4


(Morgengrauen. Weißer Mond am dunkelblauen Himmel über einem ländlichen Friedhof. Auf dem Friedhofsgarten ein lebensgroßes Kruzifix. Don Juan allein.)


DON JUAN

Hier sah ich gestern die Madonna wallen

Im Frühlingsmondschein, wie die Nachtigallen

Von Minne schluchzten traurige Gesänge.

Hier ist der Welt Getriebe und Gedränge

Verscheucht von einem guten Genius,

Ein holder Engel gibt mir seinen Kuß,

Verheißt, ich darf in diesem Kirchhofgarten

Wie Morgenröte Unsre Frau erwarten.

Nun wart ich also auf die Morgenröte.

Die Lerchen blasen ihre Jubelflöte

In dieser Matutin vorm Himmelsthron

Zum Lob der Makellosen Konzeption.

Der Frühlingsblumen keuscher bunter Flor

Und in dem Morgenrot der Engel Chor,

Sie machen zum Empfang mich tief bereit,

Zu dem Empfang der makellosen Maid.

Ich ahne in der Schwermut meiner Seele,

Daß Unsre Liebe Fraue ohne Fehle

In ihrer Makellosen Konzeption

Mich einführt ins Geheimnis der Passion.

Zu tief hat mich die makellose Maid

Getaucht in ihrer Minne Pein und Leid,

Daß ich bereitet von der Schwermut-Wehmut

Die Allerheiligste in tiefer Demut

Empfangen darf in diesem Friedhofsgarten.

In dieser Herrlichkeit des Herrn, der zarten

Verklärung Gottes in dem Morgenrot,

Gedenk Marias ich und Christi Tod.


(Maria erscheint, im schwarzen Schleier ums lange schwarze Haar, im schwarzen Mantel, das Antlitz wie ein Mond, die schwarzen Augen voll Traurigkeit und Liebesglut.)


MARIA

Hier findest du mich stehen unterm Kreuz

In Schwermutsminne und geheimem Reiz,

Hier schaue meiner schwarzen Augen Glut,

Wo Jesus Christus, überströmt von Blut,

Ans Kreuz geschlagen ward im Dornenkranz,

Die Sonne trist verhüllte ihren Glanz,

Wo Jesus an das Kreuz genagelt worden,

Verblutend stiftete der Minne Orden!

Hier unterm Kreuz war ich dem Sohne nah,

Empfing im Schoß den Toten, Pieta,

Wo ich in der verschlossnen Höhle habe

Gebettet meinen Sohn in seinem Grabe,

Wo hoffend gegen alle Hoffnung ich

Gewandelt zu der Menschheit Mutter mich,

Wo auferstand des Todes Überwinder

Und gab der Mutter alle Menschenkinder!


JUAN

Ich liebe dich mit tausend Liebesschmerzen!


MARIA

Ich liebe dich zutiefst, von ganzem Herzen!


JUAN

Ich liebe dich mit meiner Trauer Trübe!


MARIA

Du liebe mich! Ich schenk dir meine Liebe!


JUAN

Begnade mich, indem du Segen hauchst.


MARIA

Ich weiß, daß du vor allem Liebe brauchst.


JUAN

Die Frauenliebe ist nur wert des Spottes...


MARIA

Ich aber lieb dich mit der Liebe Gottes!


JUAN

Du meiner Seele höchstes Ideal!


MARIA

Ich lieb dich absolut, perfekt, total!


JUAN

Du liebe mich als meine Liebe Frau!


MARIA

Nun zu dem Kreuzesleiden Christi schau!

Ich werde dich zur Nacht in meiner Kammer

Empfangen, du vergißt dort allen Jammer,

Ich will im Lager dort in meinem Zimmer

Dich anschaun mit der Augen feuchtem Schimmer.

Du hast mir nicht umsonst dein Herz vertraut,

In Ewigkeiten bin ich deine Braut!


(Maria wandelt vonhinnen.)


JUAN

O Jesus Christus an dem Kreuzesholz,

Mein Gott, ich nahe dir in Demut stolz,

Schau du herab, o Herr, von deinem Kreuz,

Madonna liebe ich, die Frau voll Reiz,

Du segne meiner Ganzhingabe Minne,

Laß werden mich Mariens Minne inne!

Du, angenagelt mit der Sünde Hammer,

Komm, Christus, heute Nacht in meine Kammer,

Du Schmerzensmann der Schmerzensfrau, zu schauen,

Wie ich vereine mich der Frau der Frauen...


(Christus am Kreuz nickt ihm gnädig zu.)


O Herr, vor dir erschauert tief der Fromme!


CHRISTUS

Ich komm in deine dunkle Nacht, ich komme - - -


CHORUS MYSTICUS


Wie Jesus an dem Kreuz

Sich hingegeben in der Ganzhingabe,

Wie seiner Liebe Reiz

Gesühnt den Liebesgeiz,

Ein Minner von der Krippe bis zum Grabe,


Maria die Passion

Des Sohnes auch als Frau der Schmerzen litt,

Sie litt mit ihrem Sohn,

Dem Herrn im Kreuzesthron,

Litt mit dem Herrn als Frau der Schmerzen mit!


Von Blut Mariens Tränen

Geweint im innerlichen Mutterherzen,

Mariens reine Venen

Von Glut erfüllt und Sehnen,

Sie liebte Gott mit ihren Liebesschmerzen!


Gebunden an das Kreuz

Mit unserm Herrn war Unsre Liebe Frau,

Die Schmerzensfrau voll Reiz,

Ganz ohne Liebesgeiz!

Die Frau der Schmerzen an dem Kreuze schau!...


Mit Schärfe eines Schwerts

Die Rosa Mystica im Dornenkranze

Durchbohrt am Mutterherz,

Die Frau voll Liebesschmerz,

Als Christus ward durchbohrt von einer Lanze!


Das Mutterherz steht offen,

Geöffnet von des Todes Überwinder,

Von Blut die Tränen troffen!

Nun auf die Mutter hoffen,

Auf die Erlöserin die Menschenkinder!



5


(San Juan in einer dunklen Eremitenhöhle in der Einöde. Vor der Morgenröte sitzt er im Eingang seiner Höhle und betet gen Himmel. Während seines Gebetes tanzt der Morgenstern. Unsere Liebe Frau erscheint auf dem Morgenstern.)


SAN JUAN

Ich eine mich mit allen frommen Seelen

Und will mein Heil der Jungfrau anbefehlen

Und singen Lob der makellosen Maid.

Erscheine, reine Maid, ich bin bereit!

Du schütze mich vor feindlichen Dämonen

Durch deinen reinen Lichtglanz in Äonen!

Gelobt sei Allmacht – Weisheit – Liebesglut –

Gelobt die Gottheit, die mein Höchstes Gut!

Maria sei erkannt von allen Sündern,

Gelobt, geliebt von allen Menschenkindern!

Ich preise und verehre dich, Madonne,

Du erstgeborne Tochter Gottes, Wonne

Und Leben, Hoffnung mir und Süßigkeit,

Du Himmelskönigiin, ganz reine Maid!

Ich preise dich, o Mutter meines Herrn,

Ich preise dich, brillianter Morgenstern!

Geliebte Gottes du in Ewigkeit,

Du Grazie Gottes allgebenedeit,

Du Meisterwerk der Allmacht, du Idee

Der Schönheit, die ich rein im Geiste seh,

Du reinstes Herz, du Heiligtum der Tugend,

Idee der Schönheit in dem Reiz der Jugend,

Du Wohnung Gottes, Offenbarungszelt

Des Geistes, Gottes Frau vor aller Welt!

Es preisen Seraphim und Cherubim

Der Engel Königin sublim, intim

Vertrauen sich die Heiligen dir an,

Ganz reine Braut bist du dem Gottesmann!

Der Schöpfer überhäufte dich mit Ruhm,

Du ewigweibliches Mysterium,

Du Seligste in der Glückseligkeit,

Der Liebe Herrin in der Ewigkeit!

Die Völkerstämme und die Kontinente

Und die Atome und die Elemente

Und Seraphim und Cherubim im Chor

Und alle Vögel, aller Blumen Flor,

Die preisen deiner Schönheit reine Liebe!

Barmherzig schau in unsre tiefsten Triebe,

Gib deinen Kindern deiner Liebe Zeichen,

Du gnadenvolle Mutter ohnegleichen,

Du reiche Spenderin der Gottesgnade,

Ganz reine Schönheit, reiner noch als Jade!

Die Unerschöpflichkeit der Mutterliebe

Lobpreisen deiner Kinder Liebestriebe

Und alle Zungen singen deine Größe!

Die makellose Brust vor mir entblöße

Und flöße mir den Trank der Weisheit ein,

Weil deine Minne besser ist als Wein!

Dein Herz ist Gottes Lustort, Gottes Ruhe,

So nah ich barfuß dir und ohne Schuhe,

Ich nahe zaghaft mich der Himmlischzarten,

Des Geistes Paradies und Wonnegarten,

Dem Lustort Gottes, Gottes Paradies!

Geheimnisvolle Rose bist du, süß

Und ohne Dornen, duftend wie die Öle,

Maria, Liebeswonne meiner Seele!

Ah, meine Seele Freudentränen weint,

Da Unsre Liebe Frau sich mir vereint!


(Am Himmel bildet sich aus Licht ein Kreuz, an dem Christus erscheint als Lichtgestalt mit Wundmalen.)


CHRISTUS:

Ich komme, wie ich sprach, und offenbar

Dir nun das mystische Erlöserpaar...


(Das Kreuz aus Licht am Himmel bleibt, da die Lichtgestalt Christus unsichtbar wird, nun erscheint die FRAU vor dem Kreuz, von ihren Händen fließen Liebesstrahlen. Sie ist umflossen von langen schwarzen Haaren und fließender weißer Seide. So tritt sie zu San Juan in die Eremitenhöhle und lächelt ihn an von Angesicht und Angesicht.)


MARIA

Dich zu vereinen mit der Himmelsmaid,

Bereit sei zur totalen Einsamkeit...


SAN JUAN

Ah! Oh!

Ich bin bereit für meinen Liebestod!


(San Juan sinkt in seinem Liebestod in den Schoß der Lieben Frau. Sie trägt in der Verzückung sein Unsterbliches in das Paradies!)


CHORUS MYSTICUS


Geladen in den Arm

Der Jungfrau, in die Beuge ihrer Arme,

Zu ruhn am Herzen warm,

Am Busen voller Charme,

Ist meine Sehnsucht. Herrin, dich erbarme!


Gebettet in den Schoß

Der Jungfraumutter, selig schon im Leben

Im Schoße makellos

Die Seele löst sich los,

Vom Schoße in das Paradies zu schweben!


Marias süßer Schoß

Ist Gottes Lustort, Gottes Paradies!

Im Schoße makellos

Die Seele leidenslos

Erwacht, vergöttlicht in dem Schoße süß!


Marias süßer Schoß

Und all der Reichtum ihrer reinen Brüste

Vereint sich makellos

Dem Seelengatten groß,

Dem Christus! Kyrie eleison, Christe!








TRAGÖDIE



ERSTER AKT


FRAU

Ich liebe wahrlich meinen lieben Mann,

Er ist doch meines Herzens Ideal.

Am Anfang waren wir so sehr verliebt,

Doch denk ich nun, er hat mich nicht mehr lieb.

Auch schläft er nicht mehr bei mir in dem Bett,

Denn wenn er abends von der Arbeit kommt,

Dann zieht er sich zurück mit seinem Bier

Und schläft allein auf seinem Sofa ein.

Ich aber rase fast vor Eifersucht

Und denk, er hat bestimmt ein andres Weib,

Er schläft gewiß mit einer andern Frau.

Wie aber soll ich je das überprüfen?

Doch da kommt meine liebe Busenfreundin,

Ich sag ihr, was mir auf dem Herzen liegt.

FREUNDIN

Du, Schwester, schaust so traurig und betrübt.

FRAU

Ach Freundin, denken muß ich allezeit,

Daß mein Gemahl mit einer andern schläft,

Doch weiß ich nicht, wie ich das prüfen soll.

FREUNDIN

Da rufe du nur an das Gottesurteil.

FRAU

Was für ein Gottesurteil, liebe Schwester?

FREUNDIN

Du musst ein Eisen richtig glühend machen

Und schwören lassen deinen Ehegatten,

Ob er dir treu gewesen oder nicht,

Dann nehme er das Eisen in die Hand,

Und wenn er treu gewesen seiner Gattin,

Wird ihm das Eisen nicht die Hand verbrennen.

FRAU

Dann bitt ich dich, erhitze mir das Eisen,

Mein Ehemann kommt gleich von seiner Arbeit,

Dann soll das Gottesurteil ihn bewähren.

(Die Freundin ab. Die Frau lässt schwermütig den Kopf hängen. Der Mann tritt ein. Küsschen hier, Küsschen da.)

MANN

Mein liebes Weib, was schaust du denn so traurig?

FRAU

Mein Mann, du hast mich gar nicht mehr so lieb,

Wie du am Anfang mich so lieb gehabt.

Alleine muß ich schlafen in dem Bett,

Du sitzt allein beim Bier in deiner Kammer.

Ein Küsschen hier, ein Küsschen da, mein Mann,

Das ist mir nicht genug an Leidenschaft!

Doch weil du nicht mehr lieb zu deiner Frau bist,

Darum ist meine Liebe auch erloschen.

Ich glaube ganz gewiß, du gehst mir fremd

Und schläfst mit einem andern Weibe heimlich.

MANN

Ach liebes Weib, was bist du eifersüchtig!

Was plagst du mich mit deiner Eifersucht!

Nach jungen schönen Frauen schau ich nicht,

Ich schwörs bei den Gebeinen meines Vaters.

FRAU

Mann, schwören mit der Zunge ist zu leicht,

Da weiß ich nicht, ob du die Wahrheit sprichst.

MANN

Ach Frau, versteh mich doch, ich bin so müde

Allein von meinem langen Arbeitstag,

Und all die Mühen meiner schweren Arbeit

Und all die Sorgen um das liebe Geld,

Da schläft die Liebe ein. Mehr ist es nicht.

FRAU

Du kannst mir viel erzählen, lieber Mann,

Ich aber will die reine Wahrheit kennen

Und prüfen dich mit einem Gottesurteil.

Du nimm ein heißes Eisen in die Hand,

Und bist du treu, verbrennst du nicht die Hand.

MANN

So hol das Eisen nur zum Gottesurteil.

FRAU

Die liebe Freundin macht das Eisen heiß,

Ich gehe jetzt und hol das heiße Eisen.

(Frau ab. Mann allein, spricht leise mit sich selbst.)

MANN

Ich nehme diese Hölzer in die Hand,

Ganz heimlich. Heb ich dann das Eisen auf,

Verbrennt das Holz, doch nimmer meine Hand.

(Die Frau und die Freundin kommen zurück, das glühende Eisen auf einer Schale tragend.)

MANN

Gegrüßet seist du, liebe Busenfreundin,

Dein guter Rat war wohl das Gottesurteil?

FRAU

Nicht lang herumgeredet, lieber Mann,

Da liegt das heiße Eisen, heb es auf,

Dann sehe ich, ob du die Wahrheit sprichst.

(Mann hebt das glühende Eisen auf. Nach einer kleinen Weile legt er es lächelnd wieder auf die Schale. Heimlich lässt er die Hölzer fallen.)

FRAU

Zeig deine beiden Hände, lieber Mann.

Ja, ist das möglich? Beide unverbrannt!

Nun weiß ich, lieber Mann, dass du mir treu bist.

FREUNDIN

Dann ist ja alles gut, geliebte Freundin,

Wie gut doch, dass du mich um Rat gefragt.

MANN

Nun, Busenfreundin, ist an dir die Reihe,

Heb du das heiße Eisen auf, bezeuge,

Daß deinem Manne du stets treu gewesen.

FREUNDIN

Wo denkst du hin? Ich, meinem Manne treu?

Der Gatte schafft das liebe Geld heran

Und holt von dem Gemüsemarkt das Essen

Und bringt die lieben Kinder in das Bett.

Doch kenn ich einen Kerl – das ist ein Kerl!

Ein Meister in der Liebeskunst des Bettes!

Mit dem vergnüg ich mich im Ehebruch.

MANN

Dann, liebe Frau und eheliche Gattin,

Nimm du das heiße Eisen in die Hand,

Bezeuge, dass du mir stets treu gewesen.

FRAU

Was sprichst du da? Du kennst doch meine Tugend,

Du weißt, Gemahl, dass ich ein guter Mensch bin,

Daß ich die Heiligkeit der Ehe ehre

Und glaube an bedingungslose Treue,

Die treue Liebe, bis der Tod uns scheidet.

MANN

Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach.

Nimm nur das heiße Eisen in die Hand.

FRAU

Zuvor, Gemahl, muß ich dir was gestehen:

Der Priester der Marienkirche kam

Zu mir am Nachmittag zu Tee und Kuchen

Und gab mir dabei Glaubensunterricht.

Ich aber hatte solche Rückenschmerzen,

Da bot er an, die Hände aufzulegen.

Der Priester also legte mir die Hände auf

Und streichelte den schmerzensreichen Rücken

Und streichelte die schmerzensreiche Schulter,

Die schmerzensreiche nackte Schulter küssend.

MANN

Bei meiner Liebe, Frau, dir sei vergeben.

Nimm aber nun zur Hand das heiße Eisen.

FRAU

Nur einen Augenblick Geduld, mein Mann!

Der Priester der Marienkirche küsste

Die nackte Schulter, küsste dann den Hals,

Umschlang dann leidenschaftlich meine Hüfte

Und drückte seinen Leib an meinen Leib.

MANN

Bei meiner Liebe, Frau, dir sei vergeben.

Nun aber nimm zur Hand das heiße Eisen.

FRAU

Mein Mann, doch höre erst noch das Geständnis,

Daß nun der Priester der Marienkirche

Anbetend kniete hin vor mir und sprach,

Er kann das Zölibat nicht mehr ertragen

Und wollte lieben mich in dieser Zeit

Und lieben mich in aller Ewigkeit!

Er nahm mich leidenschaftlich in die Arme

Und drückte seine Brust an meine Brüste!

MANN

Bei meiner Liebe, Frau, dir sei vergeben,

Nun aber nimm zur Hand das heiße Eisen.

FRAU

Gleich, lieber Mann, doch höre erst mich an!

Der Priester der Marienkirche kniete

Vor mir anbetend, legte dann sein Haupt

In meinen Schoß, als wolle er zurück

In seiner Mutter Schoß, und streichelte

Liebkosend glühend meine straffen Schenkel!

MANN

Ist das nun alles, Frau, was zu gestehen?

Nimm endlich in die Hand das heiße Eisen,

Wenn mehr nicht war, dann will ich dir vergeben,

Bezeuge nun, dass du mir treu geblieben.

(Die Frau nimmt das glühende Eisen und lässt es schreiend fallen.)

FREUNDIN

Laß sehen, meine liebe Busenfreundin.

Schau an, die Hände beide sind verbrannt!

Du selbst bist schuld, du armer Ehegatte,

Vergib nur deiner liebsten Ehegattin

Und schlafe wieder nachts bei ihr im Bett!

Nun zelebriert die ehelichen Pflichten...




ZWEITER AKT



ERSTE SZENE


CHRISTUS

Jehowah, eine Braut hab ich erwählt,

Die ich von ganzem Herzen lieben will

Und will in ihrem Mutterschoße zeugen

Und Kinder mit ihr haben, viele Kinder!

JEHOWAH

Mein Sohn, wer ist die Braut, die du erwählt?

CHRISTUS

Schau zu der Erde, dort ist meine Braut,

Die Schwarze Eva hab ich auserwählt.

JEHOWAH

Die Schwarze Eva ist doch eine Heidin!

Kann der Messias Israels erwählen

Zur Ehegattin eine Heidentochter?

Wie oft hab ich durch die Propheten doch

Gewarnt die Söhne Israels vor Frauen

Aus andern Völkern, vor den Heidentöchtern,

Wie haben die Propheten doch gewettert,

Misch-Ehen aufzulösen zwischen Töchtern

Der Heiden und den Söhnen Israels!

Und diese Schwarze Eva? Schau sie an,

Wie schwarz ihr Haar ist, schwarz wie Rabenflügel,

Wie braun ihr Antlitz, wie verbrannt von Sonne,

Wie schwarz das Kleid ist, damit sie sich kleidet!

Schau dort die Florentinerin, die Dame,

Ganz weiß ist sie, ganz vornehm ihre Blässe,

Wie licht die rötlichenblonden Lockenfluten,

Wie edel ihr Gewand aus Gold und Purpur,

Die Florentinerin erwähl zur Braut!

SANKT MICHAEL

Jehowah, allerhöchster Herr und Gott,

Die Schwarze Eva ist zwar schwarz, doch schön!

Schau doch die Bildung ihres Körpers an,

Ein Engel wollt umarmen ihre Hüfte!

Schau an der Schwarzen Eva breites Becken,

Der Inbegriff der Fruchtbarkeit ist dies,

Wieviele Kinder könnte sie gebären!

Und nähren könnte sie die Kinder auch,

Betrachte nur die Pracht der vollen Brüste,

Wie wölben fruchtbar sich die Mutterbrüste

Und drücken sich die Spitzen ihrer Brüste

Liebreizend durch ihr Brusttuch, träufeln Milch,

Sie quellen über schon von Muttermilch,

Von Milch des Trostes für die Söhne Christi!

JEHOWAH

Mein Sohn, ich habe dir bereits gesagt,

Daß schwarz die Schwarze Eva, schwarz und bräunlich.

Schau doch die Florentiner Dame an,

Wie schlank ihr weißer Leib, wie lilienschlank,

So schlank und lang wie weißer Lilie Stengel,

Wie schlank die Beine und wie schlank die Arme,

Wie sie mit rötlichblonden Lockenfluten

Die wohlgeformten festen Brüste deckt,

Die kleinen Brüste, die jungfräulich straffen,

Die weißen Brüstchen ohne Muttermal!

SANKT MICHAEL

Jehowah, allerhöchster Herr und Gott,

Schau dir der Schwarzen Eva Antlitz an,

Schau dir die Stirn an, die gedankenreiche,

Die Form der Nase, die charaktervolle,

Schau dir die Augen an, die Abendsterne,

Die schauen in sich, schauen Unsichtbares,

Schau dir die schöngewölbten Wangen an,

Die glühen purpurrot vor Scham der Liebe,

Schau dir die Lippen an, den vollen Mund,

Wer möchte diesen vollen Mund nicht küssen?

Und ist ihr Lächeln nicht bezaubernd, Gott?

Ihr Lächeln schon mach selig ihren Freier!

Schau auch die Ohren an, die Muschelohren,

Die nichts so gerne wie die Weisheit hören,

Schau dir die Zähne an, die strahlendweißen,

Wie Perlenschnüre oder Elfenbein,

Dann kehre wieder zu den süßen Lippen

Und lieber noch als diesen Mund zu küssen

Willst du der Lippen Plaudern immer hören.

Denn wenn sie spricht, so redet eine Seele!

Sie liebt die allgemeine Menschenliebe,

Der Demut Inbegriff ist ihre Seele,

Die Seele ist erfüllt von süßer Sanftmut,

Barmherzig ist die Seele, allverzeihend,

Verstehend ist die Seele, klug und weise,

Sie liebt die eheliche Treue sehr

Und sucht mit Herzen und Verstand die Wahrheit.

Wenn dich das Wunder ihres Angesichts

Noch nicht betört, das Wunder ihrer Seele

Betört dich sicher, Herr, mein Gott und Schöpfer!

JEHOWAH

Mein Sohn, nun bin ich überzeugt und lobe

Die Schwarze Eva, Inbegriff der Anmut,

Voll Liebreiz, Lieblichkeit und süßem Charme.

Berauschend ist die Schönheit ihres Körpers,

Verehrungswürdig ist ihr Angesicht

Und Gottes Heiligtum die schöne Seele!

Geh hin, mein Sohn, und freie deine Braut,

Beschenke sie mit meinen Brautgeschenken,

Du schenke ihr bedingungslose Liebe

Und die Erleuchtung durch das Licht der Weisheit

Und Initiation in das Geheimnis

Der Kraft der schöpferischen Weisheit Gottes.

Schenk ihr Erlösung, seelische Befreiung,

Schenk ihr ein fleischern Herz voll schöner Liebe,

Erwähle sie zur Braut, intimen Braut,

Und wohne bei der Schwarzen Eva, Christus!



ZWEITE SZENE



DER KÖNIG

Ich will für meinen vielgeliebten Sohn

Gewinnen eine Frau zur Ehefrau.

Soviel ich aber schaue in der Welt

Mich unter Frauen um, ich finde keine

Geeignete Gemahlin meinem Sohn.

Die eine hält den Sohn für nichts als Fleisch;

Die findet, dass sie größer ist als er;

Die nennt ihn zwar, doch denkt an einen andern;

Die will nur Fleischeslust und nicht die Treue;

Die hält den Königssohn für einen Teufel;

Die meint, er ist von einem fremden Volk;

Die denkt, er sei nicht weltgewandt genug;

Die will den Prinzen nur als Diener haben.

Ach wehe, wehe über alle Weiber!

Ist nicht noch eine liebe Frau auf Erden?

Ich will aus meinem himmlischen Palast

Hernieder auf die Erde steigen, um

Zu schaun nach einer Gattin für den Prinzen.

Dort! Jene Frau gefällt mir übermaßen!

Wer bist du, o du wundervolle Frau?

DIE FRAU

Ich bin ein Nichts! Ich bin nur Staub vom Staube!

Mein Vater selig war ein armer Sklave

Und meine Mutter lebt als ärmste Witwe,

Ich aber bin die Sklavin eines Sklaven!

DER KÖNIG

Du allerärmste Sklavin eines Sklaven,

Du Nichts, ich bin der König aller Welt,

Ich möchte mit dir reden, hör gut zu.

Ich bin der gute Vater in dem Himmel

Und tröste auch wie eine liebe Mutter.

Mein ist das Reich, die Macht, die Herrlichkeit

Und du sollst mir geliebte Tochter sein.

DIE FRAU

Es sind ja nicht so sehr die Worte, die

Du sprichst und die ich oftmals schon gehört,

Doch dass du selber mit mir sprichst, o König,

Daß du es bist, der mit mir redet, Vater-

Und Mutterliebe, Herr in deiner Herrschaft,

Und dass ich Sklavin höre, wie du sprichst,

Daß ich begreif, dass du lebendig bist,

Herr, dass du lebst, o Vater, und mich liebst,

Das macht mich nun so unaussprechlich glücklich,

Ich könnte tanzen wie die Himmelsengel,

Umarmen möchte ich die ganze Welt

Und aller Kreatur verkünden glücklich

Und lachend, glücklich lachend: Gott ist Liebe!

DER KÖNIG

Nun kennst du mich, den Vater in dem Himmel,

Nun werde Ehefrau des Königssohnes!

Denn wer zum König will ins Himmelreich,

Den Weg muß gehen mit dem Königssohn.

Du sollst des Königssohns Geliebte sein!

DIE FRAU

Ich habe jetzt erkannt in meinem Nichts:

Der König in dem Himmel ist die Wahrheit,

Der Sohn des Königs ist der Weg zur Wahrheit,

Der Weg zur Wahrheit aber ist die Liebe.

DER KÖNIG

Nun schließ die Augen, schaue meinen Sohn!

DIE FRAU

Am hellen Tag träum ich den schönsten Traum

Und sehe mich im Innern meiner Seele,

Im Brautgemach der Seele, in dem Bett,

Und bei mir ist der schöne Königssohn,

Entkleidet mich und küsst mich auf den Mund

Und liebt mich ehelich als Ehemann!

Geheimer Mystik Sexualität...

Wie zärtlich liebte mich der Königssohn

Und wie geborgen ruhte ich bei ihm.

DIE SCHLANGE

Erlösung durch die Sexualität,

Erleuchtung durch die Sexualität

Will ich dich lehren und Geheimnisse,

Den urgeheimnisvollen Königssohn

Der Urmysterien des Altertums,

Urweisheit von dem Anbeginn der Zeit,

Die Urmaterie, welche älter ist

Als Geist, die schwarze Mutter lehr ich dich,

Den schwarzen Schatten vor der weißen Sonne,

Dein Schicksal deut ich nach dem Sternenstand

Und lehre dich Magie, geheime Heilkunst

Und Tastsinn für den Kräftestrom der Erde.

DIE FRAU

Du Schlange bist ja ein Symbol der Weisheit,

Der Urmaterie Urmysterien

Und die Geheimnisse astralen Schicksals

Will ich erforschen und die Energie

Der großen, schwarzen, alten Mutter Erde.

Was ist den Vater, Reich des Himmels, Geist?

Ich will der Mutter Erde Energie!

Das Buch des Königs und des Königssohns

Will ich nicht lesen, sondern Karten lesen

Und lesen im geheimen Buch der Sterne,

Wie oft mein Geist sich schon verkörperte

Und nach dem Tode wieder sich verkörpert.

DIE SCHLANGE

Lies nicht das Buch und bete nicht zum Engel!

DIE FRAU

Wie wird mir? Wo ich geh und stehe, immer

Geschieht ein Unfall nach dem andern mir,

Dämonen stellen mir sich in den Weg

Und wollen mich wie Räder überrollen

Und mir mein Leben rauben! Todesangst

Und Grauen überfallen meine Seele!

Mir auf dem nackten Busen sitzt die Spinne!

Die Angst, der Ekel ist wie eine Hölle!

DER KÖNIGSSOHN

Ich bin der Freier meiner lieben Braut,

Im Traum war ich ihr einmal angetraut,

In mystischer Erotik Liebesakt

Der Freier nackt und die Geliebte nackt!

Ich bin der Freier meiner lieben Frau,

Ich wandele zu ihr durchs Himmelsblau

Und liebe, ob mein Herz auch bricht und stirbt,

Kein Freier so um eine Freundin wirbt!

Durchbohren laß ich mir das liebe Herz

Vom Liebespfeil, durchbohren mir vom Schmerz,

Verglühe meinen Geist in Liebesglut

Und weine heiße Tränen, rot wie Blut!

Mein Herz so sehr vor Frauenliebe flammt,

Doch fühlt mein Herz sich in die Nacht verdammt!

Kein Wort der Liebe höre ich, kein Wort,

Kein eheliches Ja, es ist wie Mord!

Unendlich tödlich ist die Traurigkeit,

Aus dem Verdammungsspruch des Schicksals schreit

Mein Herz verzweifelt, stark vom Tod bedrängt,

Ich habe mich im Geist schon aufgehängt!

Ach, dass sich meine heißgeliebte Braut

Nicht mir, sich einem andern angetraut,

Nicht meine Lippen küsst ihr süßer Mund,

Mit mir nicht schließt sie treuer Liebe Bund!

Von Ewigkeit zu Ewigkeit umwirbt

Mein Herz die Braut, selbst wenn mein Körper stirbt,

Unsterblich bleibt Verliebter doch mein Geist,

Vom Jenseits noch die Freundin an sich reißt!

Jetzt hänge ich mich auf an diesem Baum,

Zu schön ist meine Braut, zu schön der Traum

Vom Liebesakt, doch meine Braut zu stolz,

Jetzt sterb ich aufgehängt an diesem Holz!

Doch noch vom Baume streck ich aus den Arm,

Die Freundin zu umarmen liebeswarm,

Zu pressen ihre Brust an meine Brust!

Als Toter noch begehr ich sie zur Lust!




DRITTER AKT



SAPIENTIA

Ich, Sapientia, bin Caritas!

CARITAS

Ich, Caritas, bin Sapientia!

POET

Maria sprach zu mir in einer Nacht:

Nie rede schlecht du von der Caritas.

Was heißt denn Caritas, was heißt mir das,

Als Seelenkindern väterlich zu sein,

Ein Mann zu sein mit einem Mutterherzen?

CARITAS

Denkst du noch an mein herrliches Gemälde,

Wie mich ein Maler aus der Renaissance-Zeit

Gemalt? Da war ich eine Frau und Mutter,

Madonna ähnlich, Ähnlich Aphrodite,

Die Mutter ich von göttlicher Natur,

Der Gottheit drei Personen wie drei Kinder,

Drei nackte Gotteskinder, Amoretti,

So schautest du im Bild die Caritas.

POET

O Sapientia und Caritas,

Sankt Hildegard von Bingen sah euch beide,

Zwei Namen ihr für unsre Eine Gottheit.

CARITAS

Aktives Leben hab ich dich gelehrt.

SAPIENTIA

Ich aber lehrte dich zu kontemplieren.

CARITAS

Ich bin die Mutter deiner Seelensöhne.

SAPIENTIA

Du schautest mich in deiner Minnedame.

Du schautest mich auch an in der Ikone

Von Nowgorod, da Hagia Sophia

Der Engel Gottes ist, der feminine,

Zur rechten Seite steht die Muttergottes,

Zur linken Seite steht Johannes Täufer,

Der Christus aber steigt aus meinem Haupt,

Denn ich bin Mensch geworden im Messias!

Doch über der Sophia Jesu Christi

Die Engel heiligen die liebe Bibel.

CARITAS

Ich lehrte dich, aktiv wie Martha sein.

SAPIENTIA

Maria von Bethanien wies ich dir,

Die lauschte müßig nur der Weisheit Jesu.

CARITAS

Ich lehrte fruchtbar dich zu sein wie Lea

Und mütterlich zu sein den Söhnen Gottes.

SAPIENTIA

Ich lehrte dich wie Rahel schön zu schauen,

Zu schauen mit den eingekehrten Augen.

CARITAS

Doch Liebe ohne Weisheit, was ist das?

Das ist nur Weltlichkeit und Aktionismus,

Vor Liebe kommt der Mensch nicht mehr zum Beten.

SAPIENTIA

Doch Weisheit ohne Liebe, was ist das?

Die Weisheit bleibt platonische Idee,

Ein Ideal gedachter Himmelreiche,

Und ist nicht inkarniert auf Gottes Erde.

CARITAS

Ich sprach: Tu deine Arbeit nur für Gott.

SAPIENTIA

Ich sagte immer: Bete, bete, bete.

CARITAS

Ich sprach: Kreis nicht um deine eignen Leiden,

Kreis um die Leiden Gottes in der Welt

Und tröste Christus den Gekreuzigten,

Indem du tröstest arme Gotteskinder.

Du diene Gott, indem du Menschen dienst,

Du leide Christi Kreuzesleiden mit

Und kämpfe in der Welt für Gottes Reich.

SAPIENTIA

Ich sprach zu dir: Du lebe still verborgen,

Verkannt von Menschen, unbekannt der Welt,

Gesellschaft lauer Christen meide gern,

Gern meid die Toren, gern die Sünder meide,

Sei gern allein mit Gott, mit dem All-Einen.

CARITAS

Ich lehrte aber dich die Worte Jesu,

Daß jeder Mensch im Weltgericht gerichtet

Wird von der Liebe nach dem Maß der Liebe,

Denn Jesus Christus spricht als Weltenrichter:

Was ihr den Armen tut, das tut ihr mir!

SAPIENTIA

Ich lehrte dich die Weisheit Salomos,

Der sich Frau Weisheit auserkor zur Braut,

Der von Frau Weisheit Ewigkeit empfängt,

Des guten Namens ewiglichen Nachruhm

Und die Unsterblichkeit der reinen Seele.

CARITAS

Ich unterwies dich in dem Liebesweg

Teresas, dieser Mutter von Kalkutta,

Bonhoeffer wies ich dir, den Marterzeugen

Der Liebe Jesu Christi zu der Welt,

Papst Benedikt auch lehrte dich die Liebe.

SAPIENTIA

Ich schenkte dir das goldne Buch der Weisheit

Grignions, die Ganzhingabe an Maria,

Das mystische Verlöbnis mit der Weisheit,

Die Lehre Heinrich Seuses lehrt ich dich,

Zum Studium ich gab dir Solowjew,

Geheime Freundin war ihm die Sophia.

CARITAS

Ich unterwies dich auch in Kung Fu Tse,

Der lehrte Liebe in Familienbanden,

Des Vaters Liebe zu dem Erstgebornen,

Ich lehrte allgemeine Menschenliebe

Dich, wie Mo Di sie einst gelehrt in China.

SAPIENTIA

Ich lehrte dich die Weisheit Lao Tse’s,

Denn Mutter Tao ist die Gottesweisheit,

Und lehrte dich die Mystik Tschuang Tse’s,

Das Ich ganz hinzugeben an das Tao,

Frau Weisheit, die All-Seele der Natur.

CARITAS

Den Griechen war ich Göttin Aphrodite.

SAPIENTIA

Und ich war die blauäugichte Athene.

CARITAS

Ich sprach zu dir: Die Weisheit ist die Liebe.

SAPIENTIA

Frau Weisheit ist die große Liebe Gottes,

Des Schöpfers Liebe zur geliebten Schöpfung,

Die Wollust der Vereinigung des Herrn,

Des Schöpfers, mit der Gattiin, seiner Schöpfung.

CARITAS

Du liebtest Salomonis Hohes Lied,

Es ist der inspirierte Sang der Liebe.

SAPIENTIA

Frau Weisheit ist in Wahrheit Sulamith,

Frau Weisheit ist die wahre Schwester-Braut,

Frau Weisheit ist die unbefleckte Freundin.

CARITAS

Ich bin die Liebe Gottes für den Weisen.

SAPIENTIA

Ich bin die Weisheit, die den Weisen liebt.

CARITAS

Frau Liebe pries die Magdeburger Mechthild

Mich oft, Frau Liebe, Königin der Seele.

SAPIENTIA

Frau Weisheit pries die Magdeburger Mechthild

Mich oft, die Jungfrau, die da kommt von Gott.

CARITAS

Papst Benedikt schrieb einmal: Gott ist Liebe!

Die Proztestanten der Marienkirche

Berlins zur Weihnacht priesen Jesus Christus

Als den Gesandten der allschönen Liebe,

Der pries die Liebe als den schönsten Weg

Der Gottheit, als der Gottheit höchstes Wesen.

POET

O Mutter Caritas, was ist denn Liebe?

Die Liebe? Sie bereitet mir nur Schmerzen,

Ich liebte stets und wurde nie geliebt,

Die Mutter meines Leibes liebt mich nicht,

Mich liebten nie die vielgeliebten Frauen.

CARITAS

Großmutterliebe hast du doch erfahren,

Geliebt wirst du von reinen Kinderseelen,

Geliebt bist du von Unsrer Lieben Frau!

POET

Wie soll ich an die Liebe Gottes glauben,

Der ich so wenig Liebe von den Menschen

Erfahren? Meine Seele ist verletzt,

Gekränkt, mein Herz ist krank von Liebeskummer.

Die Frau, die ich in meiner Torheit liebe,

Die will auch nicht die Liebe meines Herzens,

Will nur die Weisheit meiner Nachtgedanken.

Erklär mir Liebe, Mutter Caritas!

CARITAS

Im Abendland ist Liebe eine Arbeit,

Im Morgenland Beschaffenheit des Herzens.

Du liebe Gott mit deinem wunden Herzen,

Dann geh und tu nur was du eben willst.

Du liebe Gott, so liebst du Gottes Liebe,

Wo Liebe ist, ist Gottes Gegenwart.

POET

Gott, bei den kleinen Kindern meiner Seele,

Da habe reine Liebe ich gefunden,

Herr, in der Kirche fand ich keine Liebe!

CARITAS

Ich bin die Große Mutter Caritas,

Ich lieb mit einem vollen Mutterherzen

Die vielgeliebten Menschenkinder alle!

SAPIENTIA

Ich gab dir für die lieben kleinen Kinder

Die Pädagogik Gottes, die Erziehung

Im Geist der Weisheit voller Menschenliebe.

CARITAS

Ich rufe dich bei deinem Kosenamen,

Mit dem dich deine lieben Kinder rufen.

SAPIENTIA

Beim Namen deiner Taufe ruf ich dich,

Du bist mir König, Priester und Prophet,

Gesalbter Gottes durch den Geist des Herrn!

CARITAS

Ich schenkte dir das Buch der Oden Sapphos,

Die Eine Gottheit, die sie angebetet,

Und die besungen sie in schönsten Oden,

War Aphrodite, war der Liebe Gottheit.

SAPIENTIA

Ich schenkte dir Homeros’ Odyssee,

Die Eine Gottheit, die den Dulder führte,

Sie, die Odysseus in die Heimat führte,

Frau Weisheit wars, blauäugichte Athene!

POET

Der Archetyp des kleinen Gotteskindes,

Der Archetyp des Gottes als ein Kind,

Mit welchem Namen rufe ich das Gott-Kind?

CARITAS

Der Hymnus „Caritas et Amor Dei“

Gibt dir die Antwort : Mutter Caritas

Dir offenbart den Herrn als Amor Gottes,

Messias Jesus ist der junge Eros!

SAPIENTIA

Die Weisheit war als Liebling bei dem Herrn,

Des Ewigvaters Liebling in dem Himmel

Ist Weisheit, Hätschelkind und Pflegekind!

CARITAS

Der Liebe diene! Aber was ist Liebe?

Agape ist bedingungslose Liebe,

Erotik ist die Liebe des Begehrens,

Philia ist die fromme Freundschaftsliebe,

Du weihe dich der göttlichen Agape!

SAPIENTIA

Der Weisheit diene, doch der wahren Weisheit!

Denn da ist die dämonische Sophia,

Da ist die kosmische Sophia auch,

Da ist die irdische Sophia auch,

Fleisch, Welt und Teufel, das ist falsche Weisheit.

Du diene nur der himmlischen Sophia,

Du dien allein Urania Sophia!

CARITAS

Maria in Italien ist erschienen

Und nannte sich die Königin der Liebe.

SAPIENTIA

Maria ist in Deutschland auch erschienen,

Dort preist man sie als Mutter wahrer Weisheit.

CARITAS

Poet, wenn du mit Engelszungen singst,

Poet, in schönen Menschenzungen singst,

Doch keine Liebe in dem Herzen trägst,

Bist du das Lärmen einer Narrenschelle.

Selbst wenn du allen wahren Glauben hättest

Und die Geheimnisse der Gottheit wüsstest,

In Zungen betest und prophetisch lehrst,

Ist ohne Liebe alles gar nichts wert!

Die Zungenrede wird verstummen einst,

Die Prophetie wird einmal auch vergehen,

Auch alle mystischen Erkenntnisse

Sind nur ein Schatten vor der lichten Wahrheit.

Es bleiben nur der Glaube und die Hoffnung

Und Liebe! Und die Liebe ist die größte!

SAPIENTIA

Sophia ist ein unbefleckter Spiegel

Der Allmacht und ein Glanz vom Glanze Gottes,

Sie ist die makellose Kraft der Allmacht

Und reiner Strahl des Herrn der Ewigkeit,

Sophia ist die Königin des All,

Sie herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Sophia geht in reine Seelen ein

Und macht sie zu Propheten, Gottesfreunden.

Es liebt der Herr doch niemanden so sehr

Wie den, der liebend bei Sophia wohnt.

POET

Ich habe deine Schönheit liebgewonnen

Und suchte dich als Gattin zu gewinnen,

Mit dir die Ehe bringt mir keine Schmerzen

Und keinen Missmut, sondern Glück und Wonne!

SAPIENTIA

Ich lehrte dich den Platonismus, die

Erotik Diotimas, Platons Eros,

Den Diotima Sokrates gelehrt,

Die Weisheit der platonischen Erotik

Ist Weg zum Ideal der Schönen Liebe.

Der Philosoph (ich meine deinen Platon),

Er lehrt die Weisheit und die weise Liebe,

Urania, die Aphrodite Gottes!

Der Eros, wie ihn Diotima lehrt,

Der Weisheit Priesterin, der Mittler Eros

Ist Liebe, die hinansteigt zu der Gottheit.

CARITAS

Die Liebe, die das Evangelium

Verkündet, die Agape Gottes ist

Die Liebe, die hinabsteigt von der Gottheit

Und wendet sich barmherzig zu den Menschen.

Papst Benedikt verkündet Caritas

Als Gottes Liebe, die sich frei verschenkt

Und die hinabsteigt von dem Schöpfer zum

Geschöpf, die Liebe, die herniedersteigt.

Der Papst verkündet eine Einigung

Mit Gott nicht durch des Menschen Aufstiegs-Mystik,

Dies auch, doch tiefer ist die Einigung,

Wenn Gottes Liebe sich im Sakrament

Verschenkt und eucharistisch in das Fleisch

Der Kreatur sich liebevoll versenkt!

SAPIENTIA

Die Weisheit aber kennt die Liebe auch,

Sophias Liebe zu dem Philosophen

Ist Liebe Sulamiths zu Salomo.

Sophias Liebe zu dem Ewigen

Ist Liebe wie des Hohenliedes Liebe.

Die sophianische Erotik ist

Die Mystik der geheimen Weisheits-Ehe

Mit aller salomonischen Erotik.

Sophia kennt die göttliche Agape,

Sophia mit der göttlichen Agape

Den Weisen liebt, Sophias Bräutigam,

Sophia liebt mit göttlicher Agape

Und auch mit sophianischer Erotik

Den Weisen, Hagia Sophias Gatten!

CARITAS

Maria ist als Fraue aller Völker

In Amsterdam erschienen und sie sprach

Zu Deutschlands Christen eins nur: Caritas...!

POET

Die Kirche, ist sie eine Suppenküche?

Der Mensch, er lebt doch nicht vom Brot allein.

Ich ging wohl auch den Weg der Caritas

Und diente Jesus Christus in den Kranken.

Man wird nur ausgenützt von Egoisten,

Wird ausgebeutet von den Satanisten,

Und doch bekehren sich die Narren nie,

Verstockte Sünder, Steine ihre Herzen!

CARITAS

Einst Jesus zu Faustyna sprach, der Schwester:

Sei du Barmherzigkeit für alle Menschen,

Barmherzig sei du selbst zu jenen noch,

Die kommen, deine Güte auszunützen.

POET

Swoll ich ein Sklave denn von Narren sein?

Der Sklavendienst vor gottvergessnen Narren,

Die Geißel Gottes schien es mir zu sein,

Weil beinah ich von Christus abgefallen

Und Knecht geworden wär der Heidengöttin.

Als ich mich aber zu dem Herrn bekehrt,

Nahm Gott der Gottvergessnen Rute fort,

Zerbrach den Stock des Treibers, führte mich

Zur Weisheit in die Freiheit meines Geistes.

SAPIENTIA

Gib nicht der Caritas die Schuld, mein Sohn,

Für deiner Seele Schwächen, konntest du

Doch Nein nie sagen zur Begier der Sünder

Und liebtest Sünder mehr noch als dich selbst

Und schufst den Gottvergessnen eine Heimat,

Vergaßest, dir zu schaffen eine Heimat.

Laß dich bestimmen nicht von andern Menschen,

Laß dich beherrschen nicht von Gottvergessnen.

In aller Demut achte du dich selbst,

Sei gut zu dir, in Demut vor dem Herrn

Demütig sei, doch achte du dich selber,

Sei zu dir selbst wie eine liebe Mutter.

POET

Als Knecht der Caritas war ich so friedlos,

War oft in Zorn geraten und in Rage,

Als Sohn Sophias hab ich Seelenfrieden.

SAPIENTIA

So lehrte deine Freundin Edith Stein,

Folgst du allein der göttlichen Berufung,

Ist deine Seele innerlich voll Frieden.

Läßt du von andern Menschen dich bestimmen

Und folgst nicht einzig der Berufung nur,

Ereilt dich Missmut, Ärger, Übellaune.

POET

Auch Petrus sprach dereinst zur Urgemeinde:

Apostel sollen dienen nur am Wort,

Die Diakone sollen Arme pflegen.

SAPIENTIA

Doch nun sing Lob der Mutter Caritas,

Die Gottheit selbst, die Mutter Caritas,

Sie bete an im Geist und in der Weisheit!

POET

Maria einmal sprach in Medjugorje:

Weiht euch der Liebe, nicht der menschlichen

Verliebtheit, weiht euch nur der Liebe Gottes!

Ich sprach zum Priester einmal: Aphrodite

Ist immer noch in meinem Herzen. Aber

Der Priester sprach: Gott ist die Schöne Liebe!

Die Lehre der platonischen Erotik

Mich führte zur Idee der Schönen Liebe!

Frau Liebe ist ja Heilig Geist, die Gottheit,

Die Ur-Form der Geschöpfe ist die Liebe,

Frau Liebe, die Mitschöpferin der Schöpfung!

Frau Liebe ist die Ehegattin Gottes,

Wie mich Sankt Hildegard von Bingen lehrte,

Das Mädchen Liebe ist die Braut des Herrn!

So sah ich einmal sonntags Gottes Schöpfung

Erstrahlen in der Herrlichkeit des Herrn

Und schaute einen goldnen Weg des Lichts

Im offnen Himmel bis zum Throne Gottes,

Im Weißen Thron sah ich die Schöne Liebe!

Ich sah die Schöne Liebe! Hallelujah!

CARITAS

Ich bin das Makellose Mädchen Minne!

POET

Die Liebe ist verletzt! Die Dichterin

Sprach einst: Die Liebe, die ihr blind zertratet,

Die Liebe ist doch Gottes Ebenbild!

Maria rief doch auf zur Caritas,

Maria aber sprach auch über Frankreich:

Was hab ich alles nicht getan für Frankreich,

Doch wollte Frankreich sich bekehren nicht,

Ach, armes Frankreich, du wirst leiden müssen!

Die Liebe ward verachtet, ward benutzt,

Die Liebe ward benutzt vom Egoismus,

Verhöhnt, man wollte nicht die Liebe hören,

Sie wollten nähren sich von Gottes Volk

Und dankten dennoch nicht der Liebe Gottes.

CARITAS

Ich – trotzdem – bin die Unbefleckte Liebe!

Ich nämlich bin die Makellose Minne!

POET

Ach, Minne, Minne! Weh der Minneschmerzen!

Der Eros Christi wurde zwear genossen,

Doch als der Eros Christi Jüngerschat

Und Glauben forderte von den Geliebten,

Da ward der Eros Christi abgewiesen,

Sie spielten ja nur mit dem Eros Christi,

Sie liebten alle nicht den Eros Christi,

Sie liebten alle selbstverliebt sich selber!

Es wollte keine Seele sich bekehren

Von Fleischeslust und Weltlichkeit und Teufeln,

Verschmäht ward Gottes große Leidenschaft!

CARITAS

Ich dennoch bin die Leidenschaft des Herrn,

Ich, leidenschaftliche Geliebte Gottes,

Die Gottheit, die dich leidenschaftlich liebt!

POET

Ich bete an die Macht der Schönen Liebe!

SAPIENTIA

Nun schenke mir dein Herz, Geliebter, Sohn,

Ich bin ganz dein in der Sophien-Ehe!




VIERTER AKT


ERSTE SZENE


(Am fünfundzwanzigsten März begibt sich Petra, eine Kerze in der Hand, in die Kapelle, der heiligen Messe beizuwohnen. Der Priester trägt einen weißen Mantel. Nach der heiligen Messe wendet sich der Priester an Petra.)

PRIESTER

O Petra, was begehrst du von dem Herrn?

PETRA

Die herzliche Barmherzigkeit des Herrn,

Die religiöse Armut der Geweihten

Und die Gemeinschaft meiner lieben Schwestern.

PRIESTER

Wer arm im Geiste ist und nur von Gott

Verlangt die guten Gaben seiner Gnade

Und nichts als Bettlerin vor Jesus ist

Und voller Demut wie Maria ist

Und voller Sanftmut wie Maria ist,

Der wird von Gottes Angesicht gesegnet.

O liebe Petra, bist du fest entschlossen,

Bis zu dem ersten Tode auszuharren

Im Orden deiner Seele, Gott geweiht?

PETRA

Im Orden meiner Seele, Gott geweiht,

Will bleiben ich bis zu dem ersten Tode,

Mit Gottes Hilfe, ja, und mit der Hilfe

Der lieben Schwestern aus Marien Orden.

PRIESTER

Gott, der dir gab den Anfang deines Glaubens,

Gott schenke dir Vollendung deiner Weisheit

Im Orden deiner innersten Natur,

Durch Jesus Christus, unsern Meister. Amen.

(Petra legt nun alle weltlichen Kleider ab. Während sie sich entkleidet, betet der Priester.)

PRIESTER

Nun lege ab der alten Eva Kleider,

Zieh aus den Mantel der Weltförmigkeit,

Zieh aus das Kleid des Pakts mit Luzifer,

Zieh aus das Unterkleid der Fleischeslust.

PETRA

Nun bin ich eine nackte Seele, Jesus,

Nun brenne ich in großer Gier der Liebe!

(Petra begibt sich in eine Kammer zu den Schwestern, die sie mit dem weißen Kleid der Heiligkeit bekleiden. Die alte Mutter Äbtissin winkt einer Schwester, die den gekreuzigten Christus am Kruzifix in der Hand hält. Die Schwester reicht Petra das Kruzifix. Petra küsst den gekreuzigten Christus. Dann stellt Petra sich zwischen zwei Schwestern, die Kerzen in den Händen halten. Der Chor der Schwestern singt die Hymne: O Domina gloriosa! Die alte Mutter Äbtissin nimmt Petra an die Hand. Singend wandeln sie alle in die Kapelle.)

CHOR DER SCHWESTERN

Madonna, Domina voll Herrlichkeit,

Hoch thronend thronst du überm Universum!

Der dich erschuf in ewiger Vision,

Ihn nährtest du am Gottesmutterbusen!

Was Eva uns entzog in Traurigkeit –

Du schenkst es uns durch deine Leibesfrucht!

Als Himmelsfenster öffnest du den Weg

Vom Tal der Tränen zum astralen Saal,

Du bist des hohen Königs Eingangspforte,

Du bist des reinsten Lichtes Strahlenpforte.

O Völker, jauchzt dem Paradiese zu,

Dem Paradies, das uns erschloß Maria!

Dir, Herr, sei Lobpreis, Ruhm und Herrlichkeit,

Der du geboren wurdest von der Jungfrau,

Dem Vater Lobpreis, und dem Geist der Liebe

Sei Ruhm von Ewigkeit zu Ewigkeit!

PETRA

O bitte du für mich, o Gottes Mutter,

Und mach du mich des Paradieses würdig,

Das mir verheißen hat der Neue Adam!

PRIESTER

O Gott, der du den auserwählten Orden

Der Demut und der Armut in dem Geist

Geschmückt hast mit der Herrlichkeit Mariens

Und Wunder wirktest zur Verteidigung

Der Gottgeweihten, schenke uns die Gnade,

Daß wir durch Ihre Hilfe gegenwärtig

Beschützt, getröstet und gesegnet werden,

Die wir Ihr Angedenken fromm verehren

In Ganzhingabe an Ihr reines Herz,

Und dass wir nach dem Ende unsres Lebens

Im Paradies genießen dürfen selig

Die Wonne, Unsre Liebe Frau zu loben!

(Petra kniet nieder. Die alte Mutter Äbtissin steht neben ihr. Die Schwestern nehmen auf ihren Plätzen Platz. Im Innern der Kapelle liegen Mantel und Gürtel.)

PRIESTER

Herr, Gott der Kräfte, kehre uns zu dir

Und offenbare uns dein Angesicht,

So werden wir das Paradies erreichen.

O Petra und o Schwestern, Gott sei mit euch!

PETRA & SCHWESTERN

Und Gott der Herr sei auch mit deinem Geist!

PRIESTER

Herr, Gott der Kräfte, flehend bitten wir

Und rufen deine sanfte Milde an:

Der Reichtum deiner Allbarmherzigkeit

Purgiere diese deine Dienerin

Von allem alten Sauerteig und mache

Sie ganz bereit, das Neue zu empfangen

In Jesus Christus, unserm Meister. Amen.

SCHWESTERN

Gelobt sei Gott in Jesus Christus, Amen!

PRIESTER

O Gott der Allbarmherzigkeit, o Vater

Voll mütterlicher Allbarmherzigkeit,

Der Böses wunderbar zum Guten wendet

Und seine Gnade oft durch Sünder spendet,

Wir flehn zu deiner grenzenlosen Güte:

Es möge deiner kleinen Dienerin

Nicht Schaden bringen, dass sie Jesus folgt

Und dass zum Ruhm der hochgelobten Jungfrau

Sie nun die Weihe spricht der Gottgeweihten.

Vollziehe, Vater, durch der Weisheit Geist

Die Weihe, dir wir äußerlich vollziehen.

SCHWESTERN

Wir bitten Gott durch Jesus Christus, Amen.

PRIESTER

Herr Jesus Christus, Sohn des Ewigvaters,

Der du die sterbliche Natur der Menschheit

Im benedeiten Schoß der Jungfraumutter

Maria angelegt hast, der du kamest,

Die altgewordne Welt voll Schuld und Tod

Durch das Geheimnis der Inkarnation

In Liebe zu erneuern, Herr, wir flehen:

Durch die Gebete deiner reinen Mutter

Maria, der besonderen Matrone

Der Gottgeweihten im Marien-Orden,

Mög Petra, deine kleine Dienerin,

Erneuert werden in dem Sinn des Herzens,

Ausziehen möge sie die alte Eva,

Anziehen möge sie die neue Eva,

Maria nach dem Ebenbilde Gottes!

SCHWESTERN

Von Ewigkeit zu Ewigkeit, o Jesus,

Du lebst von Ewigkeit zu Ewigkeit!

PRIESTER

O Geist der Weisheit, der herabgekommen,

O Liebe, dich als Gott zu offenbaren,

Wir flehn zu deiner uferlosen Gnade:

Du wehst, o Atem Gottes, wo du willst,

Gewähre Petra, deiner Dienerin,

Die Inbrunst frommer Ganzhingabe, Hauch!

Durch das Gebet der allerreinsten Jungfrau

Bekehre Petra von der Eitelkeit

Der Welt, bekehre sie zur wahren Weisheit,

Und lasse eifern sie im Wettbewerb

Mit andern Gottgeweihten, Gott zu lieben

Und fromm zu sein in Demut, Sanftmut, Tugend,

In Brunst zu Gott und schwesterlicher Liebe

Zu allen Nächsten, allen Menschenkindern.

Das mögest du gewähren, Atem Gottes!

SCHWESTERN

Hauch, der du liebst mit Jesus und dem Vater!

(Der Priester tritt vor die in Demut vor Gott knieende Petra, sie einzukleiden mit dem Brautgewand der Braut Jesu.)

PRIESTER

Dich Christus kleide mit der neuen Eva,

Die ganz als Gottes Ebenbild geschaffen,

In der Gerechtigkeit und Heiligkeit

Der wahren Weisheit, in dem Namen Gottes.

(Der Priester legt Petra den Charis-Gürtel um die Lenden.)

PRIESTER

Du gürtetest dich selbst in deiner Jugend

Und gingst den Weg, wohin du selber wolltest.

Nun, da du reif geworden bist, o Petra,

Wird Christus selbst dich gürten mit der Charis.

SCHWESTERN

In Gottes Namen: Allmacht, Weisheit, Liebe!

(Der Priester legt Petra den weißen Mantel um)

PRIESTER

Sie, die dem Lamme ohne Makel folgen,

Die gehn mit ihm in weißen Linnenkleidern.

Drum seien deine Kleider immer rein

Zum Zeichen deiner innerlichen Reinheit.

SCHWESTERN

Im Namen Gottes: Allmacht, Weisheit, Liebe!

(Der Priester taucht den Wedel in das Weihwasser-Becken und benetzt mit dem Segen der Taufgnade Petra.)

PRIESTER

Gewähre, Gott, der kleinen Dienerin

Der Gottheit, Petra, deine schöne Gnade,

Daß sie als Jesu Jüngerin und Braut

Und als ein Glied im Corpus Mysticus

Vereinigt sei und bleibe Jesus Christus.

(Petra liegt prosterniert auf dem Gebetsteppich! Der Chor der Schwestern singt die Hymne an Heilig Geist.)

CHOR DER SCHWESTERN

Komm, Atem Gottes, kehre bei uns ein,

Besuche du die Herzen deiner Kinder!

Erfülle alle uns mit deiner Charis,

Der Seelen schuf, du schöpferischer Hauch!

Du wirst genannt die tiefste Seelentröstung,

Vom allerhöchsten Gott das Charisma,

Du Lebensbrunnen, Liebe, Lichtglanz, Weißglut,

Des Geistes Salbung, höchstes Gut der Schönheit!

O Schatz des Herzens, Licht in sieben Farben,

O Finger Gottes, der uns führt den Weg,

Geschenk der Liebesglut vom Ewigvater,

Du, der du uns in Zungen reden lässt,

Entzünde in uns deine Glut der Liebe,

Gieß deine schöne Liebe uns ins Herz!

Stärk unsre Körper in der Sterblichkeit

Mit deiner Grünkraft voller Energie!

Vertreibe du die Feinde unsrer Seelen,

Bewahre uns in deiner Seelenruhe!

Du führe uns zu deinem schönen Lichtglanz,

Bewahre uns vor schwerer Schuld und Schwermut!

Gib, dass den Ewigvater wir erkennen,

Daß wir erkennen Jesus, unsern Meister,

Und dass als Hauch des Vaters und des Sohnes

Wir immer glauben an die Glut der Liebe!

Dem Ewigvater Ruhm im weißen Thron

Und Jesus, unserm auferstandnen Meister,

Und auch dem Trost, dem Atem Gottes, Ruhm

An diesem Tag und in der Ewigkeit!

EINE SCHWESTER

Barmherzigkeit, o Meister Jesus Christus,

Barmherzigkeit, o Heiland Jesus Christus,

Und gib uns deinen Frieden, Jesus Christus!

PRIESTER

O Pater Noster! Vater, führe uns,

Daß wir nicht den Versuchungen erliegen,

Erlös uns alle von der Macht des Bösen,

Befreie alle uns von allen Übeln!

Gebiete, Gott, in deiner starken Kraft

Und schütz die Gnade in der Seele Petras,

Schenk Heil und Heilung deiner Dienerin,

O Gott der Liebe, du bist ihre Hoffnung,

Sei ihr, o Herr, ein Davidsturm der Stärke

Und schütz sie vor dem Angesicht des Feindes,

Nicht soll der Bösewicht sie überwinden,

Der Sohn des Unheils soll ihr niemals schaden!

O Gottesmutter, bitte du für Petra,

Auf dass sie würdig wird des Paradieses!

Herr, höre mein Gebet für Petras Heil!

SCHWESTERN

Es komme unser Ruf zu deinen Ohren.

PRIESTER

Der Vater der Barmherzigkeit sei mit euch!

SCHWESTERN

Des Herrn Erbarmen sei mit deinem Geist!

PRIESTER

Gott, der die Herzen deiner Frommen du

Gelehrt durch die Erleuchtung deines Geistes,

Gib Petra in dem selben Geist der Weisheit

Geschmack am Guten, Trost an deiner Liebe,

Bewahre Petra allezeit im Frieden

Und schütz sie durch Maria vor den Feinden!

SCHWESTERN

Wir beten an die Macht der Schönen Liebe!

PRIESTER

Barmherziger Gebieter, lieber Vater,

Der Wohlgefallen hat an allem Guten,

Die Ohren deiner väterlichen Güte

Du öffne nun den Bitten deiner Kinder,

Verteidige die fromme Seele Petras,

Bekleidet mit dem Kleid der neuen Eva,

Vor aller Eitelkeit und Weltlichkeit

Und allen Hemmnissen der Erde schütze

Die Seele Petras und vor der Begierde

Und schenke ihr in deiner großen Huld,

Daß sie Vergebung ihrer Schuld erlange,

In die Gemeinschaft deiner Auserwählten

Von deiner Gnade aufgenommen werde.

SCHWESTERN

Wir beten an die Macht der Schönen Liebe!

PRIESTER

O Gott, wir bitten dich, wir flehn dich an,

In deiner Liebe Huld gewähre Petra,

Daß sie durcheilt die Rennbahn dieses Lebens

In deinem Dienst als deine Kämpferin,

Am Ende ihrer Bahn den Kranz erlangt,

Den Lorbeerkranz des Ruhmes ihres Sieges.

Du inspiriertest sie, o Geist von Gott,

Daß sie begehrte, ein Marienkind

Zu sein im Orden der Marienkinder.

So möge sie erlangen auch den Lohn

In der Gemeinschaft der Glückseligen,

Den Lohn der Liebe ihres Meisters Jesus!

(Der Priester taucht wieder den Wedel in das Weihwasser-Becken und besprengt Petra dreimal mit geweihtem Naß. Sie erhebt sich und nimmt die brennende Kerze in die Hand. Der alten Mutter Äbtissin küsst sie die Wangen. Sie umarmt ihre Schwestern.)

PETRA

Geliebte, bittet Gott für meine Seele!

CHOR DER SCHWESTERN

Schau, gut und lieblich ist es, wenn Geschwister

Zusammenwohnen. Das ist wie die Salbe

Auf Aarons Haupt, die fließt in seinen Bart,

Die Salbe trieft herab auf Aarons Bart,

Die Salbe trieft herab auf Aarons Mantel.

Das ist wie Tau vom Hermon, der herabströmt

Und strömt zum Gottesberg der Tochter Zion.

Denn so hat Gott den Segen uns gespendet.

Maria führe uns ins Paradies!

PRIESTER

Ruhm sei dem Vater der Barmherzigkeit

Und seinem eingebornen Sohn Messias

Und beider Liebe, Einer großen Gottheit!

SCHWESTERN

So wie es war im Anbeginn der Zeit,

So sei es nun und alle Ewigkeit!

PETRA

Ja, Amen! In dem Namen Gottes, Amen!



ZWEITE SZENE


(Über der Kapelle steht das Motto von San Juan de la Cruz: Mein einziger Beruf ist fortan nur mehr lieben! – Die Schwestern in langen Kleidern, verschleiert, halten Kerzen in den Händen. Sie singen die Hymne an Heilig Geist.)

CHOR DER SCHWESTERN

Komm, schöpferischer Hauch, und suche heim

Die Herzen deiner Kinder, fülle sie

Mit Gnade aus dem hohen Himmelreich,

Erfülle sie, der du die Seelen hauchtest,

Du, dessen Name unser Beistand ist,

Du bist der allerhöchsten Gottheit Gabe,

Des Lebens Quelle und die Glut des Feuers,

Die Liebe und die Salbung für das Haupt.

Als Licht in sieben Farben bist du Spende,

Ein Finger bist du an der Hand des Höchsten,

Zu unserm Trost und unserm Heil verheißen,

Der du den Zungen Worte gibst und Lieder,

Entzünde du in unsern Sinnen Licht

Und gieße Liebe uns ins Herz hinein!

Der leiblichen Gebrechlichkeit gib Kraft

Mit deiner Kraft, denn du bist Gottes Kraft.

Vertreibe weit die Feinde unsrer Seelen

Und gib in unsrer Zeit den Menschen Frieden.

Geh du voran als weise Führungskraft,

Dann werden wir von Feinden nicht gefangen.

Vom Schöpfergott gib du uns die Erleuchtung

Und lehre den Messias uns erkennen

Und lehr uns glauben an die Schöne Liebe!

Dem Schöpfer Herrlichkeit in Ewigkeit,

Dem Heiland Lob und Preis und Dank und Weisheit

Und beider Schönen Liebe Lobpreis! Amen.

PRIESTER

O Gottheit, sende aus die gute Geistkraft,

Erschaffen werden alle Kreaturen,

Erneuert wird das Angesicht der Erde.

O Gottheit, heile deine Tochter Petra,

O Gottheit, sei du allzeit ihre Hoffnung!

Herr, höre mein Gebet um Petras Heil

Und laß mein Rufen zu dir kommen, Herr.

Der Herr sei mit euch, vielgeliebte Schwestern!

SCHWESTERN

Der Herr sei mit dir, hochverehrter Priester!

PRIESTER

O Gott, der du die Herzen deiner Frommen

Erleuchtest durch Erleuchtungen des Geistes,

Gib Petra, dass sie in dem Geist der Liebe

Erkennt in Liebe alles wahrhaft Gute

Und immer sich der Liebe Trost erfreue!

Das bitten wir durch Jesus, deinen Liebling.

(Der Priester legt ein anderes Gewand an, um nun Petras Schleier zu segnen.)

PRIESTER

Sei unsre Hilfe in dem Namen Jahwe,

Der Er gemacht das ganze Universum,

Den Himmel und die Erde und das Meer.

Erweise uns, o Gott, dein Allerbarmen!

Gott, schenke jedem Menschenkind das Heil!

O Gott der Kräfte, ziehe uns zu dir

Und offenbare uns dein Angesicht,

Dann werden wir geheilt und Heil erlangen.

Der Herr sei mit euch, vielgeliebte Schwestern!

SCHWESTERN

Der Herr sei mit dir, hochverehrter Priester!

PRIESTER

O Jesus, der du in der Welt erwählt

Vor allem unsre Armut, Demut, Sanftmut, Güte,

Du kamst herab und riefst zu dir die Sünder

Und hast die Frommen liebend angenommen.

Ich flehe jetzt zu deinem Allerbarmen:

O Jesus, segne diesen Schleier Petras

Und gib, daß die, die ihn mit Liebe trägt,

Einst trägt das weiße Linnenkleid des Himmels

Im himmlischen Jerusalem vor dir!

(Der Priester taucht den Wedel in das Weihwasser-Becken und benetzt den Schleier Petras mit segnenden Tropfen.)

VORSÄNGERIN

Ich liebe Jesus Christus, Gottes Liebling!

CHOR DER SCHWESTERN

In dessen Brautgemach ich eingetreten.

O, seine Mutter ist die reinste Jungfrau,

Sein Vater aber kennt kein Eheweib.

Wenn ich ihn liebe, bin ich keusche Jungfrau,

Und wenn ich ihn berühre, reine Jungfrau,

Und wenn ich ihn empfange, bin ich Braut!

VORSÄNGERIN

Mit seinem Ringe band er mich an sich

Und mit Geschmeide schmückte er sein Liebchen.

CHOR DER SCHWESTERN

Wenn ich ihn liebe, bin ich keusche Jungfrau,

Und wenn ich ihn berühre, reine Jungfrau,

Und wenn ich ihn empfange, bin ich Braut!

PRIESTER

Komm, Christi Braut, empfange deine Krone,

Der Schönheit Krone für das Paradies,

Die Christus dir geformt vor aller Zeit.

CHOR DER SCHWESTERN

Erhöre dich der Herr am Tag der Trübsal,

Es schütze dich der Name Zebaoth!

Gott sende Hilfe dir vom Heiligtum,

Er schütze dich vom Berg der Tochter Zion.

Er denke stets an alle deine Opfer,

Das reiche Opfer deiner Ganzhingabe!

Er gebe dir, was dein Gemüt begehrt,

Verleihe Stärke allen deinen Plänen.

Wir freuen uns an deinem Seelenheil!

Im Namen Gottes werden wir erhoben.

Der Herr erfülle alle deine Bitten.

Jetzt weiß ich, dass der Herr die Seinen führt.

Er höre dich von seinem Himmelreich,

In seiner Rechten ruht dein Seelenheil.

Die halten Wagen, jene aber Rosse

Für das Begehrenswerteste, ich aber

Begehr vor allem Gottes schöne Liebe!

(Petra steht in der Mitte des Chores der Schwestern. Sie singt allein, während sie den Schleier empfängt.)

PETRA

O nimm mich an, mein vielgeliebter Jesus!

Ich werde leben, ja, ich werde leben

Und blühen wie die Lilie auf dem Feld!

Laß mein Begehren nicht vergebens sein!

(Der Priester legt Petra den Schleier über das lange schwarze Haar.)

PRIESTER

Empfange nun den Schleier, Jesu Braut,

Und trage ihn vorm Richterstuhl der Liebe,

Auf dass du ewig lebst im Paradies!

(Petra kehrt vom Priester zurück in die Mitte des Chores.)

PETRA

Er drückte mir sein Siegel auf die Stirn.

CHOR DER SCHWESTERN

Kein andrer sei mir Bräutigam als Jesus!

PRIESTER

Es segne dich der Schöpfer, Petra, Amen.

Es segne dich der Retter, der herabkam

Und nahm auf sich dein Leiden, Petra, Amen.

Es segne dich die ewigschöne Liebe

In der Gestalt der Taube, Petra, Amen.

(Die verschleierte Petra prosterniert sich in der Mitte des Chores der Schwestern. Der Chor singt zur Orgel das Tedeum.)

CHOR DER SCHWESTERN

(Te deum laudamus vom Heiligen Ambrosius von Milan.)


Dich, Große Gottheit, loben wir,

Dich, Gott den Herrn, bekennen wir,

Dir, Ewigvater, Schöpfergott,

Die Mutter Erde singt dir Lob!


Dir rufen alle Engel zu,

Neun Chöre ihrer Hierarchie,

Die Cherubim und Seraphim,

Sie preisen dich, Herr Zebaoth!


Der Himmel und die Erde sind

Erfüllt von deiner Herrlichkeit.

Apostel rühmt dich und Prophet

Und Märtyrer im weißen Kleid.


Dich feiert die Ecclesia,

Bekennt des Vaters Herrlichkeit,

Den eingebornen Gottessohn,

Den liebevollen Tröstergeist.


Der Christus, Herr der Herrlichkeit,

Des Vaters eingeborner Sohn,

Der einging in der Jungfrau Schoß,

Erlöst das menschliche Geschlecht.


Dem Tode nahmst den Stachel du,

Den Frommen schließt du auf das Reich,

Du thronst auf Gottes weißem Thron,

Als Richter kommst du wieder bald!


Komm du zu Hilfe deiner Schar,

Die du erlöst mit deinem Blut,

Dein Erbe segne, mach sie heil

Und führ sie in die Ewigkeit.


Wir preisen dich von Tag zu Tag

Und singen dir in Ewigkeit.

Bewahr uns heut vor aller Schuld,

Erbarme dich, erbarme dich!


Dein Allerbarmen, lieber Gott,

Sei allzeit über unserm Haupt.

Weil du bist meine Hoffnung, Herr,

Drum lebe ich in Ewigkeit!


(Petra erhebt sich, küsst den Altar, und zieht in einer feierlichen Prozession mit den Schwestern aus der Kapelle.)



DRITTE SZENE


(Die Mutter-Äbtissin überreicht zum Jubiläum der Nonne Paula Margarethe vom Unbefleckten Herzen Mariens die Jubiläumskerze.)

ÄBTISSIN

Empfange du das Licht in deinen Händen,

Daß du durch dieses Wunderzeichen lernst,

Dem makellosen Lichte nachzufolgen.

(singend)

Komm, hochgelobte Braut des Hirten Jesus!

CHOR DER GEMEINDE

Empfange heute deine Lebenskrone,

Die Gott bereitet hat für dich für immer!

PRIESTER

Die Gottheit sei mit euren Geistern allen!

GEMEINDE

Die Gottheit sei mit dir, du Gottgeweihter!

PRIESTER

Gott unsrer Ahnen, voll Barmherzigkeit,

Durch Moses gabest du uns deine Weisung,

Das fünfzigste der Jahre fromm zu feiern

Als Jubiläum, uns zum Jubelsang,

Da du die Freiheit allen Seelen schenktest.

Den frommen Müttern, die den Glauben wahrten

Bis an das Ende ihrer Lebenszeit

Und treu der Bibel und der Kirche blieben,

Hast du verheißen deines Segens Fülle.

So spende deiner Dienerin und Magd,

Sankt Paula Margarethe von dem Herzen

Der Makellosen Mutterschaft Mariens,

Zu diesem Jubiläum, das wir feiern,

Die Fülle deiner väterlichen Gunst,

Daß sie vollkommnen Ablaß ihrer Sünden

Erlange, die sie irgendwann begangen.

Geruh in deiner süßen Vaterhuld,

Zu segnen unsre Schwester, unsre Mutter

Und sie zu heiligen in deiner Liebe,

Damit sie bleibe in der Liebe Gottes.

Gott, schenk ihr grenzenlosen Herzensjubel

Zum Lohn der Treue zu der Gottesliebe

Und Wonne ewiger Glückseligkeit!

VORBETERIN

O Jahwe, sende du den guten Geist!

GEMEINDE

So wird der Erde Angesicht getröstet.

VORBETERIN

Das Heil schenk deiner Dienerin und Magd!

GEMEINDE

O Herr, du Hirte, denn sie hofft auf dich.

VORBETERIN

Sei ihr ein starker Turm von Elfenbein!

GEMEINDE

Und schütze sie vor allem Schmerz und Leid.

VORBETERIN

Nicht überwältige die Trübsal sie.

GEMEINDE

O Vater in den Himmeln, hör mein Beten,

Laß meine Schreie zu dir dringen, Herr!

PRIESTER

Der Herr, der gute Hirte, sei mit dir!

GEMEINDE

Mit deinem Geiste sei der gute Hirte!

PRIESTER

O lieber Gott, du hast die frommen Herzen

Belehrt durch die Erleuchtungen des Geistes,

Laß Paula Margarethe von dem Herzen

Der Makellosen Mutterschaft Mariens

Auch in dem selben guten Geist der Liebe

Erkennen in dem Geist das Höchste Gut

Und ewig sich an Gottes Tröstung freuen!

ZELEBRANT

O Paula Margarethe von dem Herzen

Der Makellosen Mutterschaft Mariens,

Du hast nun fünfzig Jahre treu und fromm

Im Christenglauben ausgeharrt voll Liebe,

In Demut einer Magd, in Mutterliebe,

Wie eine keusche Witwe, Christi Braut,

Und mit der Hilfe Gottes warst du Vorbild,

Und darum schenken wir am Jubeltag

Dir unser Herz und bitten unsern Gott,

Er möge dir des Lebens Krone schenken,

Die Himmelskrone in dem Paradies.

Ihr Schwestern der Gemeinde, Gott sei mit euch!

SCHWESTERN

Des lieben Gottes Gnade sei mit dir!

PRIESTER

Gott, wir verachten all die Eitelkeit

Der Welt und wenden uns voll Ekel ab

Und glühen für den Lorbeerkranz des Ruhmes

Vor Gott! Gieß in die Seelen uns die Gnade,

Dir treu zu bleiben hier in dieser Welt,

Daß wir behütet ruhn in deinen Armen,

Daß wir erfüllen heilig unsre Weihe

An Unsre Liebe Frau und unsern Herrn

Und dass durch Glauben wir und Liebeswerke

Gelangen zu der Ruh im Paradiese,

Zur Ruhe in dem Schoße unsrer Gottheit!

(Der Jubiläumsstab wird gesegnet.)

PRIESTER

O Jesus Christus, eingeborner Sohn,

Du Quelle unsrer Kraft, du Heiligmacher,

Durch Kreuzigung und Auferstehung siegst du!

Herr, segne diesen Jubiläumsstab,

Er trägt dein Kreuz an seiner goldnen Spitze.

Laß Paula Margarethe von dem Herzen

Der Makellosen Mutterschaft Mariens

Erfüllt sein mit dem Segen deiner Gnade,

Du, der du lebst in ewigen Äonen!

(Die Jubiläumskrone wird gesegnet.)

PRIESTER

O Gott, du hast den Gläubigen verheißen

Die Himmelskrone in dem Paradies,

Nun strecke deine segensreichen Hände

Voll Gnade über diese goldne Krone,

Das herrliche Symbol der Seligkeit.

Gewähre deiner Magd, die trägt die Krone,

Die Krönung mit der goldnen Himmelskrone,

Geziert mit Perlen und mit Edelsteinen.

(Die Mutter-Äbtissin überreicht Paula Margarethe den Jubiläumsstab.)

PRIESTER

Empfange, Schwester, diesen Segensstab,

Das Kreuz des Herrn auf seiner goldnen Spitze,

Die Stütze deines Alters sei der Stab

Zur Unterstützung deiner Körperkräfte,

Doch mehr noch, um die Feinde zu verjagen

Und deine Pilgerstraße zu vollenden

Beim Berg der Tochter Zion in dem Himmel!

(Die Mutter-Äbtissin setzt Paula Margarethe die Jubiläumskrone auf.)

PRIESTER

Empfange, Schwester, deine Himmelskrone,

Des Zeichen seliger Glückseligkeit,

Die Christus dir zum Lohn der Liebe gibt,

Der Gott, der lebt in ewigen Äonen!

O Paula Margarethe, Gott sei mit dir!

PAULA M.

Du Gottgeweihter, Jesus sei mit dir!

PRIESTER

Gott, denen, die auf diese Welt verzichten,

Gibst du die Wohnung in dem Vaterhaus.

O Liebe Gottes, weite unsre Herzen,

Daß einig in geschwisterlicher Liebe

Wir leben in dem Orden unsrer Seele

Und mehr und mehr erkennen, dass aus Gnade

Wir sind gerettet, ohne unsre Werke.

Gib, Christus, dass wir würdig Christen heißen,

Daß unsere Berufung durch die Gnade

Erkannt wird von der Welt an unserm Herzen.

Gib Paula Margarethe deine Hand,

O Jesus, führe sie zur Schau der Liebe!

(Der Priester besprengt Paula Margarethe mit Weihwasser.)

PRIESTER

Gepriesen, Gott der Ahnen, Zebaoth!

GEMEINDE

O Allerheiligste Dreifaltigkeit!

PRIESTER

O meine Seele, preise Gott den Herrn!

PAULA M.

Sing Halleluja, meine Seele! Amen.




FÜNFTER AKT


(Teresia Benedicta a Cruce)



ERZENGEL MICHAEL

(Aus der Himmelspforte kommend)

Ihr kennt mich wohl: Dies scharfe Schwert bezeugt,

Ich bins, der des Messias Kämpfe kämpft!

Einst, als sich Luzifer erhob, mein Bruder,

Gott gleich zu sein und selbst als Gott zu herrschen,

Klang meine Stimme dröhnend durch den Himmel:

W e r i s t w i e G o t t ?

Und alle treuen Engel folgten mir,

Doch Satan stürzte nieder in den Abgrund.

Auch jetzt bin ich der Heerschar Heeresführer,

Die gegen Satan und die Seinen streiten

Im Krieg, in diesem fürchterlichen Weltkrieg,

Der wie ein Feuer durch die Lande wütet.

Ich schütze voller Macht, die mir vertrauen.

Ihr habt von mir besondern Schutz zu hoffen,

Um einer Gabe willen, die mir teuer:

Ihr habt mir ja ein kleines Kind geweiht!

Mit meinem Schutze werd ich es beschützen

Vor allen den Gefahren, die euch drohen.

Noch eine Botschaft möchte ich euch bringen,

Die müsst ihr tief in eure Herzen schreiben

Und großer Segen wird euch draus erwachsen:

In eurer Mitte ist ein Schatz verborgen,

So schön, dass selbst im Himmel aller Himmel

Kein schönrer und erhabnerer zu finden.

Dies Rätsel aufzulösen, schaut nach innen.

Warum ist hier ein Vorgemach des Himmels?

Was macht die arme Stätte euch so teuer?

Was bindet Herz und Herzen hier zusammen?

Das ist das Herz, das aller Herzen König

Und Mittelpunkt und Herzenskrone ist,

Das heilige und süße Herz des Herrn!

Lauscht gut auf seine heimlich-leisen Worte,

Der in der Tiefe eurer Seelen spricht.

Lernt stille schweigen. Lernt gelassen sein.

In euren Herzen wird er Wunder wirken.

Seid überzeugt: Wenn Friede in euch herrscht,

Der wahre Friede, den nichts stören kann,

Dann wird der Friede kommen für die Welt.

Und wollt ihr mir, Sankt Michael, nicht glauben,

Dann hört doch auf das Zeugnis eurer Brüder

Und frommen Schwestern, kommend aus dem Himmel.


(König Stefan und Sankt Alphons erscheinen.)


KÖNIG STEFAN:

Im fernen Osten ist mein Vaterland,

Es ist das schöne vielgeliebte Ungarn,

Das trotzig-stolze Volk der Magyaren,

Durch mich hat es gelernt, das Joch zu tragen,

Das sanfte Joch des süßen Herzens Jesu,

Und ihren Dienst zu leisten für die Fraue,

M a r i a !

Das ist das selbe: Wer Maria dient,

Der muß geweiht sein Jesu süßem Herzen.

Für Unsre Frau gibt’s keine andre Freude,

Kein Glück so süß wie dieses, sehn zu dürfen,

Daß Ihrer Kinder Herzen ganz gehören

Dem heiligen und süßen Herzen Jesu!


SANKT ALPHONS:

Und diese Wahrheit hab auch ich erlebt:

Vor Liebe brennend zu der Unbefleckten,

Des Guten Hirten Wege musst ich wandeln

Und schwarze Schafe, die am Abgrund standen,

Auf Schultern tragen an das Herz des Herrn,

Sie rein zu waschen in dem Blut des Lammes.

Marien Herz und Jesu Herz sind Eins,

Die Eine Herz allein ist Port des Friedens.


DER ERZENGEL MICHAEL.

Ein heilger König und ein heilger Bischof,

Ihr habt gehört, was diese zwei bezeugen.

Doch hört auch auf die Stimme dieser Drei,

Bekleidet mit dem Karmeliter-Kleid.


(Elisabeth von der Dreifaltigkeit, Mirjam von Abellin und Johannes vom Kreuz erscheinen.)


ELISABETH VON DER DREIFALTIGKEIT.

Kennt ihr die Seele, die in ihrem Herzen

Errichtet einen Tempel der Drei-Einheit

Und diesen Tempel nie verlassen wollte?

Bedenkt den Namen wohl: Das Haus des Brotes!

Wir tragen die Drei-Einheit in den Herzen,

Wenn wir uns nähren von dem Brot des Lebens,

Das zu uns kam herab vom Himmelreich.

Ist einig unser Herz mit Jesu Herz,

Ist es ein Tempel der Dreifaltigkeit.

Und wisst ihr, wo ich diese Weisheit lernte?

Ich fand sie in dem Herzen Unsrer Mutter,

Dem süßen Herz der allerreinsten Jungfrau!

Dies Herz, ach, niemals hat es sich entfernt

Vom Herzen Gottes, ihres Sohnes Herzen!

Drum war es immer eins mit der Drei-Einheit

Und ruhte immerdar in tiefstem Frieden.


MIRJAM VOM GEKREUZIGTEN JESUS:

Die süße Mutter, sie war meine Mutter!

Ein Kind Arabiens, mit braunem Antlitz,

Geboren in dem Land, wo Jesus lebte,

Wo Unsre Liebe Frau gewandelt ist,

Den Namen Mirjam durft ich freudig tragen.

Den Vater und die Mutter ich verlor,

Maria war ich nun allein vertraut

Und wundersam bewacht mich ihre Treue.

Als mich dereinst ein Mörder tödlich traf,

Maria brachte mich zurück ins Leben!

Sie führte mich auf wunderbaren Pfaden

Zum Karmel und vermählte meine Seele

Als Braut dem Christus, dem Gekreuzigten!

Sie lehrte mich, die Wünsche zu erfüllen

Des süßen, heiligen, durchbohrten Herzens,

Sie lehrte mich verstehen dieses Herz,

Den Geist der Liebe! Ja, Barmherzigkeit!


JOHANNES VOM KREUZ:

Ein auserwählter Sohn der reinen Jungfrau

Von frühster Kindheit an darf ich mich nennen,

Den aus dem dunklen Brunnen sie errettet,

Die mich befreit aus der Gefangenschaft.

Sie lehrte mich, zumeist das Kreuz zu lieben,

Das Kreuz, das aufragt aus dem Herzen Jesu,

Umlodert von der Liebeflamme Feuer!

Am Kreuze fand ich meinen Seelenfrieden,

Es war mein Weg zu der Dreifaltigkeit.

Glaubt mir, ich habe wirklich es erfahren:

Kalvaria und Karmel, sie sind Eins,

Am Fuß des Kreuzes steht die Schmerzensmutter,

Maria, Unsre Liebe Frau vom Karmel,

Sie, die die Königin des Friedens ist!

O betet, betet, betet! Sie erhört!


(Die Königin des Friedens und Unsre Liebe Frau vom Karmel, Maria, erscheint. Alle singen:)


O Karmelblume! Weinstock blütenreich,

O Licht des Himmels, Jungfrau, Mutter weich,

Du einzig Hehre,

Du süße Mutter, Gattin und doch ledig,

O Frau, den Karmelitern sei du gnädig,

O Stern der Meere!


Die Herzen deiner Töchter, deiner Söhne,

Neig deinem Herzen zu, du Wunderschöne,

Voll süßer Minne!

Um Frieden flehen wir, o Jungfrau prächtig!

Dich heiß bestürmen wir, o Mutter mächtig!

O Königinne!





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KOMÖDIE



ERSTER AKT


ERSTE SZENE


SOKRATES

Ach Freunde, hört mir zu, wenn ich bekenne:

Der Weise, der gelebt als Philosoph,

Der sterbe nur getrost, naht ihm der Tod.

Ich bin voll Hoffnung, voller freudiger

Erwartung, dass ich drüben in dem Jenseits

In vollem Maß erlangen werde Gutes.

O Simmias und Kebes, hört mir zu!

Die Philosophen, die Sophia lieben,

Die suchen doch nur Eines, unbemerkt

Von andern Menschen, suchen sie allein

Zu sterben und den Toten gleich zu sein.

Ist das nun wahr, dass Philosophen wünschen

Dem Leibe abzusterben, wär es seltsam,

Wenn sie dann voller Trauer wären, kommt

Der Tod, die Seele von dem Leib zu scheiden.


KEBES (lachend)

Bei Gott, o Sokrates, wiewohl ich traure,

Machst du mich lustig, schau, da muß ich lachen!

Du gibst doch nicht den hohlen Leuten recht,

Die immer lästern, dass der Philosoph

Den Tod mehr liebe als das liebe Leben

Und dass er es auch wert und würdig sei,

Daß er gestorben sei und endlich tot!


SOKRATES

Was aber sagen sie, was ist der Tod?


SIMMIAS

Der Seele Trennung von dem Todesleibe.


SOKRATES

Und ihr nun, meine Freunde, meint ihr etwa,

Daß es gehöre sich für einen Weisen,

Sich zu bemühen um des Leibes Lüste,

Um leckres Essen und um teuren Wein

Und um den Trieb der Sexualität?


SIMMIAS

Darum soll man sich nicht so sehr bekümmern.


SOKRATES

Und achtet nun ein Philosoph Gewänder,

Ob schön auch seine Kleider oder Schuhe

Und wird er achten Gold und Silberschmuck?


SIMMIAS

Verachten wird das nur der Philosoph.


SOKRATES

Scheint so denn nicht des Philosophen Herz

Dem Körper abgewandt? und mehr der Seele,

Der körperlosen Seele zugewandt?


SIMMIAS

Allein die Seele liebt der Philosoph.


SOKRATES

So ist des Philosophen Wesen also

Der Wille, nur die Seele zu betrachten

Und nichts als nur die bloße reine Seele

Und diese Seele zu befreien von

Der törichten Gemeinschaft mit dem Körper?


SIMMIAS

So scheint das Wesen eines Philosophen.


SOKRATES

Die lieben Leute aber meinen doch,

Das Leben ohne den Genuß der Sinne

Sei nichts mehr wert und sei dem Tode gleich,

Wenn sich der Gaumen nicht ergötzt an Speise

Und edlem Wein und wenn der liebe Körper

Nicht schön gekleidet und geschmückt sei und

Wenn der Geschlechtstrieb nicht befriedigt wird?


SIMMIAS

Ja, dies die Meinung unsrer lieben Leute.


SOKRATES

Wie aber kann des Menschen Geist die Wahrheit

Erkennen? Kann er es durch Aug und Ohr?

Wird nicht erkannt die Wahrheit durch das Denken?

Denn Aug und Ohr erkennen nur den Wandel,

Das Werden und Vergehen der Natur.

Das Ewigseiende erkennt allein

Das reine Denken in des Menschen Geist.

So wird der Geist wohl Aug und Ohr verlassen

Und wird befreit von Aug und Ohr allein

Im reinen Denken zu erkennen suchen

Die Wahrheit von dem Ewigseienden.

Je reiner ist das Denken, desto reiner

Ist die Erkenntnis. Der nur, der sein Denken

Ausrichtet auf das Ewigseiende

Und frei ist, über Sinnlichkeit erhaben,

Nur der wird Wahrheit in dem Geist erkennen.


SIMMIAS

Des Leibes Trieb verwirrt das reine Denken.


SOKRATES

So lang wir sind in diesem Todesleibe

Mit allen seinen Trieben und Begierden,

Erlangt der Geist das reine Denken nicht

Und nicht der Wahrheit heilige Erkenntnis

In vollem Maße, wie der Weise wünscht.

Die Wahrheit aber ist allein das Gute

Und ist allein die Schönheit, die wir suchen.


SIMMIAS

Der Leib macht uns zu schaffen mit Begierden

Und Trieben, Durst und Hunger und Verlangen

Nach sexuellen Wonnen mit den Weibern,

So werden wir getrieben von Gelüsten,

Begierden und Verlangen, Fleischeslust

Und Augenlust, und jagen Schatten nach

Und haschen Luftgespinste und sind gleich

Den Kindern, Toren sind wir, keine Weisen!

Dazu kommt noch die Gier nach Geld, der Krieg,

Die Gier nach Geld erzeugt ja alle Kriege.


SOKRATES

Verstehst du nun, warum ich freudig scheide?



ZWEITE SZENE



SOKRATES

Ihr Freunde, wenn wir etwas schauen wollen

Und wirklich so erkennen, wie es ist,

Dann müssen wir befreien uns vom Körper

Und mit der Seele selbst das Sein beschauen.

Dann werden wir erlangen mit der Seele,

Die wir begehren, Hagia Sophia!

Wir sagen doch, wir sind der Weisheit Minner

Und werden sie erlangen in dem Tode,

Doch nicht, solang wir sind im Todesleibe.

Erst, wenn der Herr uns selbst befreit vom Fleisch,

Wenn wir entledigt sind des Fleisches Torheit,

Dann sind wir mit den Seligen zusammen

Und werden ungetrübt erkennen Gott.

Das aber ist doch wohl die wahre Schönheit?


SIMMIAS

So scheint mir auch, o Sokrates, die Gottheit

Ist wahre Schönheit für die bloße Seele.


SOKRATES

So bin ich auch voll freudenreicher Hoffnung,

Ich werde in dem Sein, wohin ich gehe,

Wenn irgendwo, dann dort, Genüge finden

Und alles das erlangen, was ich wünsche,

Was ich ersehnt zutiefst im Erdenleben.

Meinst du nicht auch, mein lieber Simmias,

Das an die Ziel kommt nur die reine Seele?


SIMMIAS

Allein der reinen Seele wird das Heil.


SOKRATES

Ist das nicht aber Sterben und Erlösung:

Ablösung meiner Seele von dem Körper?


SIMMIAS

Das Sterben trennt die Seele von dem Körper.


SOKRATES

Den Geist vom Fleische aber loszulösen,

Das ist das Streben doch der Philosophen.

So also ist der Philosophen Streben

Befreiung und Absonderung der Seele

Vom erdgebornen Fleisch des Todesleibes?


SIMMIAS

Der Weise will nichts sein als reiner Geist.


SOKRATES

O Simmias, so streben Philosophen

Zumeist danach, den Toten gleich zu sein?

Der Tod ist ihnen gar nicht fürchterlich.

Und wäre das nicht eine große Torheit,

Wenn sie nicht so mit Freuden sterben wollten,

Um dahin zu gelangen, wo die Hoffnung

Den Weisen die Erfüllung aller Wünsche

Verheißt, dass sie die Weisheit drüben lieben?


SIMMIAS

Der Tod ist dennoch voller dunkler Trauer.


SOKRATES

Soll der allein denn weinen, dem die Frau

Gestorben, dem die Kinder sind vergangen,

Soll der allein zu sterben trachten, dem

Sich die Geliebte in der Welt entzogen?

Die Hoffnung würde solche Menschen treiben,

Im Jenseits ihrer Liebe wieder zu

Begegnen, der Erfüllung ihrer Sehnsucht,

Daß sie die Liebsten in Elysen finden!

Wer aber Hagia Sophia liebt

Und eben diese Hoffnung kraftvoll hat,

Daß er Sophia drüben erst erkennt,

Den sollte es zu sterben noch verdrießen?

Sag, sollte er nicht lieber freudig sterben?

Das muß man glauben, lieber Simmias,

Ist er nur wahrhaft Liebender der Weisheit!

Denn mächtig ist der Glaube solchen Minners,

Sophia in dem Jenseits zu erkennen!



DRITTE SZENE



SOKRATES

Zum Vater in den himmlischen Regionen

Und zu den Göttern in den Sphären Gottes

Gelangt wohl keiner, der nicht Weisheit suchte,

Erforschte die Geheimnisse der Weisheit

Und reinen Herzens abgeschieden ist.

Zu Gott gelangt allein, wer sich bestrebte,

Wer lernen wollte, wer sich lehren ließ

Vom Wahrheitsdämon in der eignen Brust.

Und darum, liebe Simmias und Kebes,

Enthalten sich die wahren Philosophen

Der Geldgier, Fleischeslust und Gaumenkitzel

Und aller andern fleischlichen Begierden

Und Triebe lehmgebornen Todesleibes.

Die Philosophen wollen nämlich nichts,

Was gegen die Erlösung ihrer Seele

Und nichts, was gegen ihres Geistes Reinheit

Gerichtet ist und wollen die Erlösung

Des Geistes und die Reinigung der Seele

Durch Hagia Sophia, der sie folgen.


SIMMIAS

Wie folgt man aber Hagia Sophia?


KEBES

Wie reinigt Hagia Sophia Seelen?


SOKRATES

Die Philosophen wissen, dass Sophia

Die Philosophen mitleidsvoll betrachtet,

Denn Hagia Sophia sieht die Seelen

Der Philosophen in dem Körperkerker,

Dem Fleisch anklebend und vom Fleisch gezwungen,

Das Sein zu schauen wie durch Gitterstäbe

Und nicht das reine Sein im Geist allein.

Der Philosophen Seelen müssen auch

Sich wälzen wie die Narren, wie im Wahnsinn,

Da sie die Macht des Körperkerkers kennen

Und kennen die Gewalt der Fleischeslüste

Und fleischlichen Begierden, die uns fesseln,

Die Seelen fesseln mit den Fleischeslüsten.


SIMMIAS

Wie kann uns Hagia Sophia retten?


KEBES

Wie löst die Fesseln sie der Fleischeslust?


SOKRATES

Sophia nimmt des Philosophen Seele

Voll Mitleid an und lehrt den Philosophen,

Daß seine Seele mit der Augenlust

Die reine Wahrheit nicht erkennen kann,

Und was die Seele hört mit ihren Ohren

Ist auch voll Hinterlist und Narren-Irrtum,

So dass des Philosophen Seele sich

Von Augenlust und Ohrenschmaus zurück

Sich zieht ins Innere der Seele selbst.

Wenn nun der Mann mit Augen und mit Ohren

Auf dieser Erde leben muß und wirken,

So ruft die Hagia Sophia ihn

So oft es irgend geht in seiner Seele

Geheimnisvollen Innenraum zurück.

Dort sammelt sich die Seele, hält sich still,

Bleibt bei sich, in sich, in dem Geist betrachtend.


SIMMIAS

Ist Aug und Ohr im Innern auch der Seele?


SOKRATES

Die Augenlust des Körpersinnes ist

Nur Truggespinst und wirkt nur Fleischeslust

Und ungeordnete Begier nach Stoff.

Der Ohrenschmaus des Körpersinnes ist

Betrogen durch der Menschen Hinterlist

Und durch der Toren Widerspruch und Irrtum.

Der Seele innres Auge aber schaut

Die Schönheit an der Herrlichkeit des Herrn

Und ist geblendet von der Schönheit Gottes!

Der Seele innres Ohr vernimmt in Stille

Das innere Dämonium der Brust,

Der Wahrheit Genius im eignen Busen,

Wenn Hagia Sophia zu ihm spricht

Und er die Wahrheit über Gott erkennt.


KEBES

Und was ist Lust und Unlust, Furcht und Freude?


SOKRATES

Die Seele eines wahren Philosophen,

Still wendet sie sich ab von Lust und Unlust,

Von Furcht und Freude, ist im Innern frei

Von den Begierden, ruht allein in Gott.


KEBES

Und bleibt des Philosophen Seele ruhig?


SOKRATES

Das soll nicht anders sein, dass eine Seele,

Die weiß, wie Hagia Sophia sie

Durch geistige Beschaulichkeit erlösen

Von allen fleischlichen Begierden will,

Daß diese Seele ruht in Gottes Geist.

Weh, wenn die Seele, die erlöst von Gott,

Sich wieder hingibt wilden Leidenschaften

Und ungeordneten Begierden folgt

Und wälzt sich wieder wie die Sau im Schlamm

Und gleicht dem Hund, der Ausgespucktes frisst!

Nein, Ruhe von Begier und Leidenschaft

Ist Heil der Seele, folgt sie der Vernunft,

Der eigenen Vernunft, der Weltvernunft,

Und immer ruhend in der Weltvernunft

Beschaut in geistiger Beschaulichkeit

Die Seele Gottes Schönheit, Gottes Weisheit!


SIMMIAS

Das ist dein Trost im Angesicht des Todes?


SOKRATES

Die Seele eines wahren Philosophen

Betrachtet nicht die Meinungen der Menschen,

Betrachtet nur die Weisungen der Wahrheit.

Die Seele, die allein die Schönheit Gottes

Betrachtet, die sich nährt allein von Wahrheit,

Die glaubt gewiß, solang sie lebt auf Erden,

Der Wahrheit-Schönheit Gottes nur zu dienen,

Doch nach dem Tode, glaubt gewiß die Seele

Des Freundes der Sophia, kommt die Seele

Zu frommen Ahnen und den Geistern Gottes.





ZWEITER AKT


ERSTE SZENE


(Goethe in seinem Schlafgemach allein. Der Schattenriß einer schönen Frau an der Wand. Davor eine Kerze, brennend. Goethe schaut abwechselnd in die Kerzenflamme und in das Antlitz der Frau.)


GOETHE

(trinkt den letzten Becher dunkelroten Weines aus und murmelt, fast lallend)

Wem soll ich aber den Gedanken sagen?

Wie einsam ist der Weise! Nicht verzagen

Darf doch der Diener an dem Wahren-Schönen,

Wenn auch die Toren meinen Geist verhöhnen.

Ich aber muß mit liebevollen Tränen

Mich hier nach meinem Liebestode sehnen!

Die Liebenden ja stets in Tränen schwammen,

Der Liebende ersehnt der Liebe Flammen,

Ersehnt der Liebe letztes Abenteuer,

Ersehnt den Liebestod im Liebesfeuer!


(Schweigend starrt er eine Weile in den Tanz der seraphischen Flamme.)


Denke ich an jene dunkle Nacht,

Da mein Schöpfer meinen Leib gemacht,

Als der Gatte für die Gattin brannte,

Als der Bräutigam die Braut erkannte,

Als der Mannessame ist geronnen

In des Weibes Ei mit Wollustwonnen,

Als der Ewige die Seele hauchte –

Damals auch die stille Flamme rauchte!

Aber denk ich auch an jene Kammer,

Da das Eisen schmiedete der Hammer,

Donnernd auf den Amboß niedersauste,

Funkenglut in Feuerströmen brauste,

Die Geliebte mit der Wonnebrust

Schmolz in eins mit meiner Liebeslust

Und gestillt der Wollust Spannungsschmerzen –

Damals strahlten auch wie Tempelkerzen

Sieben Lichter über uns zusammen,

Sieben Sternenkerzen voller Flammen!

Nein, ich will nicht bleiben in der Nacht,

Liebe reißt mich mit Gewalt und Macht

Aus der Finsternis der Todesschatten,

Himmlisch will ich mich der Liebe gatten,

Werde alle Liebeskünste lernen

Mit der Paradiesfrau auf den Sternen!

Liebe reißt mit heißer Feuersbrunst

Mich zur Lehrerin der Liebeskunst!

Über dieses Todes Nebeldünsten

Lebt die Meisterin von Liebeskünsten,

Die der Liebe Lehrbuch las auf Sternen!

Auf dem Venussterne will ich lernen

Ihre Weisheit mit Begeisterung

Von den Künsten der Vereinigung!

Ist sie noch so fern, ich darf nicht weilen,

Weil die Liebe lockt, so muß ich eilen,

Wie die Schmetterlinge liebend kosen

Mit den Fühlern Kelche roter Rosen,

Also sei der Liebe Licht erkannt,

Bin ich doch zuletzt in Lust verbrannt,

Der ich nach dem Schein der Schönheit hasche,

Bleibt auf Erden nur ein Häufchen Asche!

Schwebt mein Seelchen doch, der Psyche-Falter,

Auf zur Liebe mit der Liebe Psalter!

Also will ich sterben! Also werden!

Will kein trüber Gast sein auf der Erden,

Werde liebend sterben und vergehen

Und in Liebeswonnen auferstehen!



ZWEITE SZENE



(Goethe und ein Priester, der ihm das letzte Bekenntnis als Geständnis entlockt und ihn segnet für die mystische Reise.)


PRIESTER

Gehst du getrost, getröstet in den Tod?


GOETHE

Ganz ruhig kann ich denken an den Tod,

Mein Geist ist doch ein Wesen unzerstörbar,

Geistwesen, das unsichtbar und unhörbar,

Fortlebend Ewigkeiten Ewigkeiten

In der Äonenwelt der Himmelsweiten.


PRIESTER

Unsterblichkeit ist also deine Wonne?


GOETHE

Ja, meine Seele ist wie eine Sonne!

Die Menschenaugen sehn das Abendrot

Und sehn die Nacht und sehn das Morgenrot

Und doch ists immerdar dieselbe Sonne,

Die leuchtet fort und fort in heller Wonne!


PRIESTER

Und kann der Sarg dir gar nicht imponieren?

Kannst du da deinen Glauben nicht verlieren?


GOETHE

Ein starker Geist lässt sich gar niemals rauben

An die Unsterblichkeit den wahren Glauben.


PRIESTER

So fürchtest du dich gar nicht vor dem Nichts?


GOETHE

Die Seele, Tochter himmlischreinen Lichts,

Sie bleibt doch treu der Mutter, der Natur,

Sie ist ja doch der Mutter Kreatur,

Und diese Mutter lässt ihr Kind nicht enden,

So wird sie ihre Schöpfung nicht verschwenden!


PRIESTER

Natur lehrt also dich Unsterblichkeit?


GOETHE

Der die Natur in meines Lebens Zeit

Betrachtet und erforscht und tief erkannt,

Ich überall doch in der Schöpfung fand

Nicht Tod und Nichts, allein nur Metamorphose,

Sie lehrte mich der Falter und die Rose.


PRIESTER

Denkst du, die eigene Persönlichkeit

Bestehe fort und fort in Ewigkeit?


GOETHE

Ach, was von der Persönlichkeit noch bliebe,

Was wert des Dauerns sei, entscheid die Liebe!

Was bleibt von der Person, will ich gelassen

Geheimnisvoller Gottheit überlassen.


PRIESTER

Was ist die Seele aber, was der Geist,

Den du als ewig und unsterblich preist?


GOETHE

Ich glaub an Anfangspunkte der Erscheinung

In der Natur, ich denk an Leibnitz’ Meinung,

Ur-Seele ist es, schaffende Monade,

Der Kosmos wird durch der Monaden Gnade,

Ur-Keime sind es oder Ur-Gestalten,

Die schöpfrisch tätig eine Welt entfalten.

Monaden gibt es schwache oder starke,

So wird der Staub, so wird mit Saft und Marke

Die Pflanze und so wird das Tier, der Stern,

So auch der Schöpfung Krone, Fraun und Herrn.

Die Hauptmonade als des Menschen Geist

Die Schar Monaden schaffend an sich reißt,

Die Hauptmonade, königliches Weib,

Sie bildet sich als Hofstaat einen Leib.

Auflösung aber nennen wir den Tod.

Die Monas dann gebietet mit Gebot,

Daß die Monaden sich im letzten Leiden

Von ihrer Herrin Monas schließlich scheiden,

Daß die Monaden auf der Schöpfung Spur

Eingehen in die Seele der Natur,

Zu Meer und Land, zu Bergen in der Ferne,

Verschweben in die Feuer, in die Sterne.

Die Herrin Monas aber, trotz den Spöttern,

Die Monas teil hat an der Lust von Göttern!

Bei schöpferischen Göttern oder Engeln

Die Hauptmonaden frei von allen Mängeln

Sich selig in der Götter goldnen Netzen

Sich Ewigkeit um Ewigkeit ergötzen!


PRIESTER

Du denkst die Hauptmonade also süß

Als Monas selig in dem Paradies?


GOETHE

Ich zweifle nicht nach allem meinen Lernen,

Daß da ein Leben ist auf höhern Sternen.

Der Mensch ist ja das Sprechen der Natur

Mit Gott! Der Mensch als Wort der Kreatur

Wird sprechen noch mit Gott und Weisheit lernen

Und Liebe singen auf den Morgensternen!

Dann stöhnt man von der Liebe süßer, leiser,

Der Weisen Diskussionen werden weiser

Und glühender der Lodernden Gestöhn,

Dort sind die schönen Frauen mehr als schön!


PRIESTER

Sagt einer aber, dass der liebe Gott

Die Welt schuf in sechs Tagen ohne Spott

Und sich am siebten Tage gönnte Ruhe?


GOETHE

Hier ist der Boden heilig! Ohne Schuhe

Will ich den Schöpfer preisen, nicht wie Pfaffen,

Den Schöpfer nicht, der einst die Welt geschaffen,

Der dann großväterlich sich ausgeruht,

Den Schöpfer preis ich, der mit Schöpferwut

Alltäglich schafft und wirkt und an sich reißt

In Hauch-Begeisterung des Menschen Geist!

Den Schöpfer preis ich, der auf dieser Erde

Die Menschheit schafft, auf dass auf Erden werde

Die Höhere, die Geisterwelt erzogen,

Die steten Umgang mit dem Herrn gepflogen,

Die Geisterwelt, mit Gott vereinter Geist,

Die alles Niedre machtvoll aufwärts reißt,

Gott bildet überall ein Geisterreich

Von Geistern, die den Göttersöhnen gleich!

Des Menschen Geist ist ja ein Gottessohn!

Anbetend schweig ich vor der Gottheit Thron!


PRIESTER

Und so erteil ich dir die Absolution.




DRITTE SZENE


(An der Perlenpforte des Paradieses erscheint der verklärte Goethe als Jüngling Hatem, die Schönste der Huris, Sankt Haura, empfängt ihn.)


SANKT HAURA

Heut steh ich an des Paradieses Pforte

Zum Garten Eden, dem geliebten Orte.

Du aber, so gelassen und bedächtig,

Wer bist du denn? Du bist mir fast verdächtig!

Bist du denn einer von den frommen Christen,

Daß ich dich lasse ein zu Himmelslüsten

Und Wonnen in des Garten Eden Lauben,

Bist du denn einer auch vom wahren Glauben?

Hat dich Verdienst? hat dich allein die Gnade

Gebracht in Zions Gartenstadt von Jade?

Bist du Bekenner? Doktor? Marterzeuge?

Von deinem Marterzeugnis mir nicht schweige!

Zeig mir die Wunde für den Glauben an,

Die dir den Weg ins Paradies gewann!


HATEM

Leg mir mein Wort nicht auf die goldne Waage,

Verstehe mit dem Herzen, was ich sage:

Ich war als Mann ein Minner reiner Minne,

Durch Minne ich das Paradies gewinne,

Ich hab zur Paradiesestür gefundnen

Und zeige rühmlich meine Minnewunden,

Die Minne hat gemartert mich am Herzen,

Die Minne war mir Kreuz und Todesschmerzen!

Du sollst mit deinen lichten Mandelaugen

Mir in die Seele schauen: Sie wird taugen

Zu Paradieseslust und Himmelsliebe,

Denn Liebe lebt im tiefsten Seelentriebe!

Schau, Haura, in das Innre meiner Brust,

Hier lebt der Liebe Leid, der Liebe Lust!

Doch trotz der Liebeswunden, Liebesschmerzen

Anstaunend stand ich vor der Herrin Herzen,

Bewundernd hoch aus meinem tiefbetrübten

Gemüt stand preisend ich vor der Geliebten

Und schien in Ihr, der Schönsten aller Frauen,

Der Gottheit Gloria schon anzuschauen!

Mein Zeuge aber sei der Totenrichter:

Die Schöne Liebe sang ich als Ihr Dichter,

Verewigte die Vielgeliebte rein

Und ging zum Nachruhm in die Nachwelt ein!

Du wählst nicht den Geringen und Gemeinen,

Du Himmlische, du kannst dich mir vereinen,

Komm, laß uns wandeln, Haura, Hand in Hand,

Gemeinsam hier durch Edens Gartenland,

Und wenn wir ganz verschmolzen unsre Seelen,

Will ich an deinen Fingern Jamben zählen!


SANKT HAURA

Da draußen vor der Paradiesespforte

Im Wind des Geistes an dem Himmelsorte,

Da dacht ich an die göttlichen Gebote

Und wie gerettet wird so mancher Tote,

Da hört ich, ohne irgendwas zu sehen,

So einen Klang von Jamben und Trochäen,

So einen Klang von altvertrauten Reimen,

So wonnesüß wie Schmack von Wabenseimen.

Ich dacht im himmlischen Jerusalem,

Das sei von dir ein frommes Verspoem!


HATEM

Du Ewige Geliebte, meine Braut,

Wie sind wir doch von Ewigkeit vertraut,

Ins eins geschlungen unsre Himmelsglieder!

Und nun denkst du auch noch an meine Lieder,

Wie ich mit Patriarchen mich besinne

Und sing Mysterien der frommen Minne!

Auf Erden schallen irdisch hin und wieder

So erdgeborner Erdenmenschen Lieder,

So Kling und Klang vom sündigen Gelichter!

Propheten aber sind wir Priesterdichter

Und wissen alle nur von Einem Worte,

Sie schweben um die Paradiesespforte

Und haben nur vom Paradies geschrieben

Und werden ewige Geliebte lieben!

Wenn aber deine schönen Schwestern, Huri,

Die Lieder an Sulima, an Siduri

Und an Suleika auf der Erde hören,

So sollen sie aus ihren Engelschören

Mit inspirierendem Gebläse stärken

Die Dichter meisterlich zu Meisterwerken!

Das wird den Himmel ehren und auf Erden

Die Guten werden schön getröstet werden.

Wenn aber dann der Minnedamen Dichter

Ins Jenseits treten vor den Totenrichter,

Das Weltgericht wird ihre Liebe lohnen,

Die Dichter dürfen bei den Huris wohnen!

Du aber bist mir einzig anvertraut,

Die Ewige, die Einzige, die Braut,

Von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du

Mein Licht des Lebens, meiner Seele Ruh,

Dich, Haura, laß ich nicht aus meinem Zelt,

Die andern Huri in der Himmelswelt,

Sie sollen warten an der Himmelspforte

Auf andre Minnedichter edler Sorte!


SANKT HAURA

Schon wieder schlugst du liebend deinen Arm

Um Haura, tief bezaubert von dem Charme,

Und wie betrunken von den Himmelsdüften

Ergötzt du dich an der Geliebten Hüften!

Wie viele Ewigkeiten Ewigkeiten

Wir uns die Liebeslüste schon bereiten!


HATEM

Was weiß denn ich, wie lange es schon währt?

Von Ewigkeit zu Ewigkeit begehrt

Die Ewige Geliebte nur mein Geist,

Die Paradiesfrau, die mich an sich reißt!

In Ewigkeit glückseliger Genuß!

Als währte ewig unser Erster Kuß!


SANKT HAURA

Doch seh ich schweben meinen Freier schon

In Einsamkeit hinan zu Gottes Thron!

Als ob der Ewige dich herberiefe,

Singst du vorm Thron der Ewigen Liebe Tiefe!

Sing du als Lobgesang dem Lieben Gotte

Nur immerdar dein Liebeslied an Lotte!




VIERTE SZENE


(Hatem im Chor der Seraphim anbetend schwebt mit der goldenen Harfe im geflügelten Arm vor dem Thron der Ewigen Liebe.)


SERAPHIM

Daß wir von nichts als von der Liebe singen!


HATEM

Man möge in den eignen Busen dringen!


SERAPHIM

Wie Liebe ewig selig anzuschauen!


HATEM

Schaut, Freier, an die Schönheit lieber Frauen!


SERAPHIM

So singen wir der Liebe Seelenfrieden!


HATEM

Wie Selige der Liebe auch hienieden!


SERAPHIM

Der Selige an Gottes Brust gebettet!


HATEM

Der Mensch weiß gern sein Wahres Selbst gerettet!


SERAPHIM

Wer immer liebte, wird die Liebe preisen!


HATEM

Die schönen Frauen, frommen Dichter, Weisen!


SERAPHIM

Frau Minne preisen wir voll Liebesdrang!


HATEM

Ganz wie im reinen deutschen Minnesang!


SERAPHIM

Das Wort der Liebe preisen wir in Worten!


HATEM

Mit Maß und Reim im Himmel allerorten!


SERAPHIM

Und vor der Einen Liebe, höchstverehrten –


HATEM

Empfinden sich unendlich die Verklärten!


SERAPHIM

So schwingen wir und dringen wir durch Sphären –


HATEM

Voll Liebe mit unendlichem Begehren –


SERAPHIM

Durch Liebesparadiese fort und fort –


HATEM

Durchhaucht das Paradies von Gottes Wort –


SERAPHIM

Mit Feuersbrunst und Leidenschaft der Triebe –


HATEM

Wir beten an die Macht der Schönen Liebe –


SERAPHIM

Die Ewige Schöne Liebe makellos –


HATEM

Und sinken, ah, der Liebe in den Schoß...





DRITTER AKT



ITHURIEL

Mein ewiger Student, ich grüße dich,

Der Engel von dem Jupiter bin ich,

Der Engel jovialer Freundlichkeit,

Großzügiger charmanter Heiterkeit,

Gott schickt mich und ich komm in Engels-Demut,

Dich aufzuheitern von der Schwermut Wehmut.


STUDENT

Verehrter Engel, schimmernd wie der Zinn,

Wo ist denn alle meine Wehmut hin?

Ich war umnachtet! Nun ist alles hell!


ITHURIEL

Ich bin der himmlische Ithuriel,

Zinnteller sind mein eignes Element,

Der ewige Student der Weisheit kennt

Doch die Erleuchtung durch der Weisheit Zinn?


STUDENT

Ich suche zwar die Weisheit, doch ich bin

Noch fern, sie zu erkennen. Zwar ich rief,

Doch alles ist so unergründlich tief,

In mir ist keine menschliche Vernunft!


ITHURIEL

Doch um so stärker ist des Tieres Brunft

In dir, des Hengstes und des Esels Kraft,

Ist ungeordnet deine Leidenschaft,

Ist brennend dein Begehren, dein Verlangen,

Die Weisheit lehren dich die Feuerschlangen!


STUDENT

Wie überall die Feuerschlangen prassten,

Von allen Seiten! Doch ich muß nun fasten.


ITHURIEL

Ich weiß, du willst ein Fastenbruder sein,

Asketisch fasten – bei Tabak und Wein!

Ein Weinschlauch bist du, der da hängt im Rauch!

Doch das ist eitel, das ist nichts als Hauch.


STUDENT

Ich möchte fasten! Beten, beten, beten!

Frau Armut sei von mir erwünscht, erbeten.


ITHURIEL

Frau Armut hüllt dich in befleckte Lumpen,

Doch reicht sie reichlich dir den vollen Humpen!


STUDENT

Ich will kein Gold, ich will nur Philosophie!

Und darum preise ich die Melancholie!

Der Spaß der Welt ist doch ein Seelenschlummer,

Den Geist erweckt allein ein rechter Kummer!

Drum, wenn ich sterbe fast vor Weh und Jammer,

Dann küsst Frau Weisheit mich in meiner Kammer!


ITHURIEL

Frau Weisheit ist es, der du dich geweiht,

Die schickt den Engel dir der Heiterkeit,

Daß dich nicht schlingt hinab der Schwermut Rachen,

Heut sollst du einmal wie die Engel lachen!


STUDENT

Frau Weisheit will die frohe Wissenschaft

Mir schenken, die die Menschen glücklich schafft?


ITHURIEL

Du sollst die großen Philosophen sehen,

Sollst heute von den Toten auferstehen

Und leben selig wie im Himmelszelt

Mit Geistern schon in der Ideenwelt.

Wen also willst du sehn, wen willst du zwingen,

Wen soll der Engel Jupiters dir bringen?


STUDENT

Den Zarathustra oder Zoroaster,

Des Morgensternes gute lichte Aster!


ITHURIEL

Den Zarathustra also, Zoroaster?

Man wähle eben Tugend oder Laster,

Ein jeder schaue selbst, wie er da wähle.

Doch kann ich leider Zarathustras Seele

Nicht dem Studenten magisch herberufen

Hinab der lichten Himmelstreppe Stufen,

Denn Zarathustra mit den Sonnen-Zofen

Studiert im Jenseits einen Philosophen,

Der antichristlich mit dem Bart am Mund

In Zarathustras Namen lallte Schund!


STUDENT

Dann rufe mir den Dichter-Weisen Orpheus!


ITHURIEL

Berauscht von Mohnmilch aus dem Horn des Morpheus

Der Dichter aller Dichter ruht, der Heros

Der Muse, ruht erlöst vom Mittler Eros

Eurydice im Arm im Ozean

Des Fixsternhimmels auf dem Sternbild Schwan!

Den Dichter Orpheus darf ich heut nicht wecken,

Wir wollen andre Philosophen necken.


STUDENT

Dann rufe mir herab Pythagoras!


ITHURIEL

Pythagoras, den Meister, willst du das?

Sagt er dir etwas, sag nur: Autos epha!

Der Meister sagt es! Doch bei Mutter Eva

Pythagoras ist in dem Garten Eden,

Mit Abel von der Mathematik zu reden,

Gleichzeitig dort den Bohnenstock zu pflegen

Und zu besprechen mit geheimem Segen,

Weil seine Ahnen in verklärten Röcken

Für immer leben in den Bohnenstöcken!

Ich ruf ihn nicht, bei Mutter Evas Nabel*,

Soll doch der Zahl Geheimnis lernen Abel!


(* Die Theologen diskutieren noch, ob Mutter Eva mit einem Nabel

erschaffen worden ist.)


STUDENT

Dann rufe mir den göttergleichen Plato!


ITHURIEL

Ja, wirklich Plato? Oder lieber Cato?

So also Plato? Bist du sicher des?

Den Plato? Oder lieber Sokrates?

Mit Plato aber kann ich dienen nicht,

Er schaut in einem Spiegel voller Licht

Die ewigen Ideen an in Tänzen,

Die schönen Nymphen mit den Ruhmeskränzen,

Und ist verliebt (nur nicht die Nase rümpfe!)

In Sankt Urania, der Schönheit Nymphe!

Der weise Plato ist so sehr verliebt,

Daß er nicht Unterricht in Weisheit gibt,

Will nur in paradiesischen Genüssen

Den Mund der Himmels-Aphrodite küssen!


STUDENT

Dann rufe Plotin aber doch hernieder!


ITHURIEL

Da ist es aber ganz das Gleiche wieder.

Auch Plotin glüht, wie er auf Erden glühte,

Im Himmel für die Himmels-Aphrodite!

Auch er darf dort die Aphrodite küssen,

Sie geizt nicht mit dem Spenden von Genüssen!

So trunken küsst er Aphrodites Mund,

Ich darf ihn rufen nicht zum Erdengrund,

Denn er will lehren nicht geheimes Wissen,

Will nur die Schönheit küssen, küssen, küssen!


STUDENT

Wen aber bringt, o Engel, mir dein Flügel?


ITHURIEL

Ja, denke dir! Ich bring dir Eulen-Spiegel,

Dich zu erheitern in der Langenweile,

Ist ein Symbol der Weisheit doch die Eule,

Der Spiegel finde auch bei dir Verwendnis,

Der Spiegel helfe dir zur Selbsterkenntnis,

Die Selbsterkenntnis und die Weisheit, Siegel

Des Weisen, will dich lehren Eulen-Spiegel!


STUDENT

Auf Eulenspiegels Weisheit will ich harren,

Die größten Weisen sind zuletzt die Narren!


ITHURIEL

Doch Eulenspiegel ist ein froher König,

Die Wabe spaltend, leckt er an dem Hönig!


STUDENT

Mein Engel, bei dem Vater aller Lichter,

Ruf doch herab die beiden deutschen Dichter,

Laß Friedrich Schiller blasen seine Flöte,

Die Zymbel streiche Johann Wolfgang Goethe!


ITHURIEL

Kommt, Geister, aus dem Paradies! O Hatem,

Vom Liebesflüstern laß mit heißem Atem

Und komm von deiner Huris Huri, Haura!

O Schiller, dich entring dem Arm der Laura,

Ist auch der Weltenbrand euch Hochzeitsfackel!

Der Narr hier, melancholisch wie ein Dackel,

Steht hier, euch wie Propheten zu erharren,

Kommt, Seher Deutschlands, kommt zum deutschen Narren!


GOETHE

Mein Herr, vor Lilith mit den langen Haaren

Soll Pan-Sophia ewig dich bewahren!


SCHILLER

Sophia oder Jesus Nazarenus,

Sophia flieht noch immer, naht die Venus!


GOETHE

Soll ich zitieren dir die Harlekine?


SCHILLER

Suchst du gar die kokotte Colombine?


GOETHE

Soll ich Pierrot dir rufen aus der Hölle?


SCHILLER

Verlangst du etwa auch nach Pulcinelle?


GOETHE

Willst Corallina setzen auf den Ehring?


SCHILLER

Brautzeuge soll dir sein der Pickelhering?


GOETHE

Das Festmahl gebe Jean Pottage dazu!


SCHILLER

Soll schließlich aus der Peking-Oper Chou

Euch schließen lächelnd eure Augen zu.


GOETHE

Frau Torheit und der Tor – nun gute Ruh!


ITHURIEL

Wer fehlt dir noch? Beim Suppentopf von Martha,

Wen suchst du noch?..........................................


STUDENT

..................................Ach, Helena von Sparta!


ITHURIEL

Die Schwangezeugte, die der Gott als Schwan

Gezeugt, die Schwanin auf der Wellenbahn,

Mit weißem Schwanenbusen schöngebrüstet,

Mit langem Schwanenhals! Nach ihr dich lüstet,

Eurotas Schwanenmädchen Helena,

Dem Bild der göttlichen Urania?


GOETHE

In goldner Morgenzeit wird sie gefunden,

Doch suche nicht die Hündin bei den Hunden,

Die Schönste aller Schönen, ohne Fehle,

Erkenne sie im Morgentraum der Seele!


STUDENT

Wer kann wie diese Helena betören?

Ithuriel, du musst sie mir beschwören!


ITHURIEL

Nun aber – leider! – ist die Schönheitsgöttin

Vermählt mit Menelas als Ehegattin.

Du willst doch werden nicht ein Ehebrecher?

Ich bring dir aber Schönheit, wilder Zecher,

Ich bring (bei Muschi von dem Stamme Levi!)

Dir von der Nachdurst-Gasse Fräulein Evi...