Von Torsten Schwanke
MARIAS STELLVERTRETENDER TOD
DIE EWIGE VORSEHUNG
(Gottheit in schwarzem Gewand und Schleier, mit einer Spindel in der Hand, allein auf der Szene)
Dem Manne Dodo ist es nun bestimmt,
Daß ihn in seiner Lebensmitte nimmt
Der Tod und Hades mit den Schreckenshänden,
Vor seiner Zeit soll ihm das Leben enden.
Er soll den Seelen sich im Tode gatten,
Als Schatte wallen unter Seelenschatten,
Daß er den Körper von der Seele streife
Und scheide jung, noch vor der Lebensreife,
Steig jugendlich hinab in Todes Schlund.
Er schloß ja mit dem Hades einen Bund,
Seit Schatten aus den Toten bei ihm wohnen
Als englisch-schöne tödliche Dämonen.
Zum Tode wenden sich des Mannes Schritte,
Vorbei das Leben in der Lebensmitte,
Er leidet nun die letzte Lebensnot,
Das Schwert in Händen naht ihm schon der Tod!
Schon ist er in des Hades Schoß gebettet,
Wenn ihn nicht noch ein Wort von Christus rettet!
CHRISTUS
(Lange wallende Locken, dichter Bart, mildes Antlitz, fließendes weißes Gewand, von seinem Herzen gehen rote und weiße Lichtströme aus)
Der Tod, der schon um Dodos Seele wirbt,
Wird schwinden, wenn ein Mensch für Dodo stirbt.
Der Hades hungert sehr nach Seelenfutter.
Ob Dodos Vater oder Dodos Mutter
Für Dodo sterben wollen, daß er lebe,
Daß ihm die Vorsicht neu sein Leben gebe?
Wer immer für ihn abtritt von der Bühne
Des Lebens und dem Tod sich gibt zur Sühne,
Wird retten Dodos Leben aus des Trübe
Des frühen Todes. Retten wird nur Liebe!
Denn wen der Herr des Himmels retten will,
Den rettet er durch Liebe. Aber still,
Ich sehe alle nach dem Eitlen hasten,
Will keiner beten, beten, beten, fasten,
Will keiner als ein Sühneopfer sterben,
Für Dodo neues Leben zu erwerben.
Nur seine mystiische Gemahlin will
Als Stellvertreterin im Tode still
Für Dodos vielgeliebte Seele sterben,
Das Leben dem Gemahle zu erwerben.
DER CHOR DER ALTEN WEIBER
Zu steigen in das Totenreich
Für andere, ist Christus-gleich.
Wer ist so ähnlich dem Messias?
Die schöne Liebe nur Marias
Als Stellvertreterin im Tod,
Als letzter Hoffnung Morgenrot
Die Seele rettet, die sie liebt,
Der sie das neue Leben gibt.
Wie Jesus Christus hing am Kreuz,
Maria, voll der Liebe Reiz,
Freiwillig opfert sich dem Tod,
Im Herzen Tränen blutig rot,
Im Herz die Schärfe eines Schwerts,
Der Tod durchbohrt ihr Mutterherz!
Wer ihrem Herzen ist geweiht,
Der wird von seinem Tod befreit
Und durch das Herz Marias schön
Voll schöner Liebe auferstehn!
DODO:
Beschlossen ist es durch der Vorsicht Spruch,
Geschrieben stehts in meinem Lebensbuch,
Am Lebensmittag glüht schon Abendrot,
Und jung muß ich hinunter in den Tod,
Hinunter zu den Seelenschatten still,
Wenn nicht ein andrer für mich sterben will.
Ich fragte meinen Zeuger, meinen Vater,
Er sprach: Was für ein tragisches Theater!
Soll ich verschwinden aus der Welt des Lichts,
Wie eine Fledermaus zur Nacht des Nichts
Und nicht mehr leben in dem Sonnenschein
Des Glücks und tot sein, nichtig, nicht mehr sein,
Nicht füllen mehr mit Leckerei den Bauch,
Im Nichts zerflattern nichtig wie ein Hauch?
Ists daß, was ich für meinen Sohn tun sollt
Nach meines Sohnes Willen? Schön wie Gold
Das Glück mir unter dieser Sonne lacht,
Freiwillig geh ich nicht in Todes Nacht.
So sprach mein Vater. So sprach meine Mutter:
Ich werde nicht des Hades Seelenfutter
Und geb mich nicht dem Tod als Opferbrot,
Soll seinen Hunger stillen doch der Tod,
Doch nicht an mir, ich will im Sonnenglanz
Mit meinen Schwestern tanzen Reigentanz
Und schmücken mich mit Schmuck und Blumenkränzen
Und meinen Mann erfreun mit meinen Tänzen,
Dem Ehegatten will ich Glück erwerben
Und nicht das Sterben meines Sohnes sterben!
So sagte meine Mutter. Aber schau:
Die mystische Gemahlin, meine Frau,
Maria sprach zu mir bei Wein und Brot:
Ich sterb dein Sterben, töte deinen Tod!
Ich will dem Tode mich als Opfer geben,
Durch meine Ganzhingabe sollst du leben!
MARIA
(Langes schwarzes Gewand, das Antlitz vom schwarzen Schleier verhüllt. Mit ihr kommen weinend Dodos Kinder, die Söhne seiner Seele.)
Nun geh ich fort von dir, geliebter Mann,
Gezeichnet schon auf mir des Todes Bann,
Die Schlange, die sich beißt in ihren Schwanz,
Des Todes Schlange schon umkreist mich ganz.
Doch weil ich mich dem Tode übergeben,
Sollst du nicht sterben, Dodo, sondern leben.
Durchbohrt von sieben Schwertern ist mein Herz,
Geöffnet ist mein Mutterherz vom Schmerz,
Und tret ich in des Todes Nacht und Winter,
In meinem Herzen leben deine Kinder,
Dem Hades werde ich zum Seelenfutter
Und bleib doch deiner Seelensöhne Mutter!
DODO
O mystische Gemahlin, Herz Marias,
Mir Mutter, Schwester, Braut und mein Messias,
Der Kaufmann, der mein Leben einst gezeugt,
Im Angesichte meines Schicksals schweigt,
Er opfert sich nicht auf als wahrer Held,
Zu sehr liebt er die Eitelkeit, das Geld,
Zu sehr liebt er das Glück im Glanz des Lichts
Und fürchtet allzusehr des Todes Nichts.
Und die mich einst getragen hat im Schoß,
Sie wendet sich von mir erbarmungslos,
Sie küsst den Hades nicht mit Mutterkuß,
Sie liebt zu sehr den irdischen Genuß,
Genießt zu sehr die Eitelkeit der Welt,
Ihr Gott der Bauch ist und des Mannes Geld.
Maria, du allein willst für mich sterben,
Du leerst für mich des Todes Kelch, den herben,
Du leerst ihn bis zum Grund, des Todes Grimm.
Für immer alle meine Liebe nimm,
Sei, starke Frau, im Himmel mir mein Vater,
Mir Gottheld in dem tragischen Theater,
Sei meine Mutter der Barmherzigkeit,
Der ich als ihr geliebter Sohn geweiht,
Und sei als Vater und als Mutter mir
Mein Gottesspiegel in der Schönheit Zier
Und sei als Gottesspiegel angeschaut
Als bis zum Tod und ewig meine Braut!
DODOS MUTTER
(Sie erscheint in vornehmen bunten Kleidern und geschmückt mit Gold, sie trägt Frühlingsblumen in den Locken und hält eine Gitarre in den Händen)
Wer sagt mir, daß ich für dich sterben muß?
Ich hab im Schoße keinen Uterus
Als Wohnsitz mütterlichem Allerbarmen
Und ruhen sollst du nicht in meinen Armen,
Mein ungewolltes Kind schon früh vermisste
An mir, der Amazone, Mutterbrüste,
Weil ich die Mutterbrüste abgeschnitten.
Ein Narr nur wäre in den Tod geschritten,
Wenn ihm der Ehe und des Reichtums Glück
Im Leben lacht! Wer kommt vom Tod zurück,
Wer einmal sich dem Tode übergeben?
Ich aber immer will ein Jugendleben
Und schon auf Erden die Unsterblichkeit.
Doch du erwarte nicht Barmherzigkeit,
Erwarte nicht Barmherzigkeit, nur Gold.
Ich habe eigentlich kein Kind gewollt.
DODO
Du Frau, Maria ist die wahre Mutter,
Die opfert sich dem Tod als Seelenfutter.
Geborgen in Marias Uterus
Voll mütterlichen Allerbarmens muß
Ich lieben jene Mutter, die mich liebt,
Die mir bedingungslose Liebe gibt,
Die für mich stirbt, freiwillig stirbt,
Mich freikauft aus dem Tod und mir erwirbt
Mein Leben neu. Ihr Sterben ist mein Leben,
Das ihre Ganzhingabe mir gegeben.
Doch wenn ich von Maria Abschied nehme
Und Tränen weinend mich als Mann nicht schäme
Und wenn ich hier von Tränenschauern schaure
Und dunkle Nacht in meiner Seele traure,
Weil sie hinabgeht zu des Todes Drachen,
Will ich nicht hören, Frau, dein eitles Lachen,
Geh du zu deinem Ehemann zurück
Und zu dem kinderlosen Eheglück,
Du bist nicht Mutter mir, ich nicht dein Sohn,
Unliebe hat auch Undank nur zum Lohn.
DODOS MUTTER
Du Narr! Wer liebte je wie ich das Leben?
Dich sah ich immer um den Hades schweben,
Dich immer abgeschiednen Seelenschatten
In dem Mysterium des Dunkels gatten,
Doch ich verachte diesen Hauch des Nichts,
Mir lacht das schöne Lebensglück des Lichts!
Du und Maria mögt im Dunkel schweben
Des Todes, ich kehr heim in Licht und Leben,
Ich werd mich nicht dem Tod zum Opfer bringen,
Werd meinem Gatten Liebeslieder singen
Und kinderlose Ehegattin sein,
Mein Liebeslied soll nämlich heiter sein!
(Dodos Mutter ab. Maria bleibt allein bei Dodo zurück. Sie trägt sieben Schwerter im Herzen. Ihr Antlitz ist schwarz verschleiert. Sie flüstert nur noch.)
MARIA
Zur Nacht versunken ist das Abendrot,
Ich wandle jetzt als Schatten in den Tod,
Ich fühle schon den Hades nach mir greifen,
Schon meine Seele aus dem Blute pfeifen,
Schon fühle ich die Lebenskraft ermatten,
Mein Geist schon fleucht als schattenloser Schatten,
Die sieben Schwerter bohren sich mit Schmerzen
Ins Herz mir! Immer trag ich dich im Herzen,
Für immer thronst in meinem Herzensthron
Der Gattin Gatte du, der Mutter Sohn,
Der Freund der Freundin und der Schwester Bruder.
Du trag im Herzen immer deine Mutter
Maria, deine Freundin, dir vertraut
Als liebende Genossin dir und Braut.
Ich will dich ewig in mein Herz versenken
Und will dir nur mein Herz für immer schenken!
Und du, geliebter Mann, mein Todesschmerz,
Geliebter, schenk auch du mir nur dein Herz!
(Sie stirbt mit sieben Schwertern im Herzen.)
CHOR DER ALTEN WEIBER
O wehe, wehe, wehe, weh!
Maria ich im Tode seh,
Durchbohrt mit Schärfe eines Schwerts
Das schmerzensreiche Mutterherz!
Sie gab sich selbst als Opfer hin,
Bedingungsloser Liebe Sinn
Vergoß wie Wein sich, brach wie Brot,
O wehe, weh, Maria tot,
O tot Maria! Doch im Sohn
Maria lebt im Herzensthron,
Im Sohn der Schmerz des Todes wacht,
Maria weilt nun in der Nacht,
Maria in des Todes Schlund,
Im Abgrund, in dem tiefsten Grund,
In Todes Finsternis trat ein,
Das Leben ihrem Sohn zu sein,
Zu lösen auf des Todes Bann
Für ihren vielgeliebten Mann!
So große Liebe niemand hatte:
Maria tot – so lebt der Gatte!
DODO
Wie leer ists mir in meinem innern Busen,
Nun Minne fort und fort der Kuß der Musen
Und fern der reinen Jungfrau Herrlichkeit!
Nichts bleibt als Eitelkeit, Alltäglichkeit,
Als Torenstumpfsinn und der Geist der Erde,
Verführend die so leicht verführte Herde.
Doch mehr noch als die Leere dieses Nichts
Der Schmerz ist in der Brust, mein Herz, mir brichts,
Da nun entleert des Herzens Heiligtum,
Des Herzens Mund verstummt und sprachlos stumm,
Versunken in der Stille alle Rede
Der Liebe, nichts bleibt nur als hohle Öde,
Das Leben wie ein starrer Petrefakt,
Die Knochen klappern in der Ödnis nackt,
Nur Zorn und Haß mit ihren krummen Säbeln
Dämonisch kämpfen mit den nackten Nebeln,
Zu Stein geworden ist des Lebens Brot,
Das Leben, dieses Leben ist der Tod,
Lebendig bin ich schon den Toten nah.
Da kommt ein ferner Gast. Sprich, wer ist da?
JESUS
Ich komme aus Bethaniens Gefilde,
Wo ich bei Martha und Maria milde
Zu Gast gewesen bin und sagen muß,
Ich rief zurück ins Leben Lazarus,
Den Armen staunte an der Reiche groß,
Wie er gebettet war in Abrams Schoß.
Nun aber will ich ruhen ohne Hast
In deiner Wohnung als dein Seelengast.
Empfange du den Hirten und den Herrn
Und habe ihn zum Freund und Bruder gern.
Ich will mit dir im nächtlichen Verein
Zusammen Zecher sein von dunklem Wein,
Und wenn wir von des Weines Seelenfunken
Als Liebende unsterblich sind betrunken,
Dann wollen wir mit unserm trunknen Triebe
Den Frauen Lieder singen voller Liebe,
Mit Musen tanzen in den Reigentänzen,
Mit Lorbeer unsre Seherstirnen kränzen.
DODO
Die Seele liegt mir so im müden Schlummer
Und Blei lähmt meine Flügel, Blei von Kummer,
Und selbst wenn ich den schweren Wein getrunken,
Bin kummervoll ich in den Schlaf gesunken.
JESUS
Vertreibe deines Trübsinns Traurigkeit!
Warum vertrauern deine Lebenszeit?
Schau, Blumen blühen, draußen naht der Lenz,
Der schönen Mädchen Flor wie Transparenz
Ist wie ein Schleier nur aus Licht der Sonne,
Denn Ostern kommt, der Liebe Zeit und Wonne!
DODO
Was ist mir Liebe aber, süße Minne
Und aller Liebreiz für die Körpersinne
Und aller Augen Glanz und Lippen Rot,
Ist meine Liebe Frau Maria tot!
JESUS
Maria tot? Das Leben ist erstorben!
Das Dasein ist am Todesgift verdorben!
DODO
Ein Sterben über Sterben ist das Leben!
JESUS
Dem Tode ist die Herrschaft übergeben!
DODO
Selbst Gott ist tot, ist tot das Herz Marias...
JESUS
Ich bin die Auferstehung, der Messias!
DODO
Laß mich allein in meinen Tränenschauern!
Blutstränen wein ich, ewiglich zu trauern!
(Jesus geht am Ende der Nacht heimlich fort.)
CHOR DER ALTEN WEIBER
Wer der Verzweiflung Herrschaft kennt,
Schon in der Hölle Feuer brennt,
Lebt nicht das liebevolle Weib
Und schenkt die Liebe mit dem Leib,
Du lebend in der Hölle glühst
Und Hades in die Augen siehst!
Wenn aber in dem Höllenschlund
Der Glaube lebt im Seelengrund
Und Hoffnung strebend sich bemüht,
Unsterblich deine Liebe glüht,
Dann Christus bricht die Höllentür
Und schenkt die Auferstehung dir!
Denn Christus lodert weiß und rot,
Die Liebe, stärker als der Tod!
(In der Morgenröte erscheint Christus im weißen Gewand. An seiner Seite ein Mädchen in weißer Seide, in welche Blumenflor eingestickt. Ihr Antlitz ist verschleiert.)
JESUS
Heil Dodo dir! Ich bringe dir ein Mädchen,
Du nimm es auf bei dir in deinem Städtchen,
Du hüt es wie ein Hirte tut dem Lamm,
Die lieb es wie die Braut der Bräutigam,
Sei treu wie Turteltauben in den Nestern,
Sei freundlich wie die Brüder sind den Schwestern,
Sei dankbar wie die Kinder Müttern sind,
Sei liebend wie ein Vater ist dem Kind,
Du liebe sie wie deine eigne Seele,
Nimm auf bei dir die Jungfrau ohne Fehle!
DODO
Gruß, Jesus, Gruß dir, Friede sei mit dir!
Doch warum bringst du diese Frau zu mir,
Wo du doch weißt, daß ich noch immer weine
Und um Maria traure, weil die meine
Gestorben ist und ich nun einsam bin?
Kein andres Mädchen wird mir zum Gewinn,
Auch diese Jungfrau nicht im Morgenrot,
Maria schwor ich Liebe bis zum Tod
Und über ihren Tod hinaus die Treue.
Das sei mir fern, daß mich die Andre freue.
JESUS
Doch weil ich heute von dir fortgehn muß,
Nimm heute du von mir als Abschiedskuß
Dies Mädchen an, des Lebens Augenweide,
Des Lebens Wonne in dem Flor der Seide.
Du sollst nun länger nicht mehr einsam trauern,
Getröstet sollst du sein, vor Wonne schauern!
DODO:
Nein, lieber bin ich traurig, aber treu,
Als daß ich mich an anderm Weibe freu.
JESUS
Du bist so treu wie Tauben in den Nestern,
Doch diese wählte ich aus allen Schwestern,
Die Seele deiner Seele dir zu sein,
Die Seelenschwester und die Freundin dein.
Du nimm sie auf, weil ich gebracht sie habe,
Nimm du sie an als deines Heilands Gabe!
DODO
Allein, weil du es willst, o Herr und Meister,
Mein Schöpfer, Ewigvater aller Geister,
Nimm ich nun auf bei mir die junge Frau.
JESUS
Ihr Angesicht nun unverschleiert schau!
(Die Jungfrau hebt ihren Schleier. Es ist Maria.)
MARIA
Nimm du mich auf bei dir, intim vertraut
Bin ich in Ewigkeiten deine Braut,
Die Gattin, die dein Schöpfer dir gesandt,
Maria, die vom Tode auferstand!
DODO
Dein Antlitz leuchtet wie die Morgensonne,
Du bist die Herrlichkeit des Herrn, Madonna,
Der Glanz vom Glanze Gottes, Licht vom Licht,
Bist Gottes feminines Angesicht!
(Jesus wandert in der Morgenröte weiter. Maria führt Dodo an der Hand ins Haus.)
CHOR DER ALTEN WEIBER
Maria also lebt hienieden
Mit Dodo in der Ehe Frieden,
Befriedigt Dodos tiefste Triebe,
Maria schenkt ihm Gottes Liebe!
THEOPHIL
Erste Szene
(Wohnung Theophils. Theophil, ein Mann im mittleren Alter, allein)
THEOPHIL
Ich bin ein Christ, wenn mehr auch als Messias
Ich liebe die Jungfräulichkeit Marias,
Ich bete an der Jungfrau Schönheit, sie
Ist meine Göttin, ich in Hyperdulie
Bin ganz ihr Sklave, Sklave ihrer Minne,
Steht göttlich sie vor meinem innern Sinne!
Ich habe auch den Vater und den Sohn
Verehrt und beider Geist im gleichen Thron –
Und schätzte damals Unsre Frau gering.
Der ich die Frauenschönheit immer sing,
Ich schaute da in dunkelgrünen Wäldern
Und frühlinglich beblümten Wiesenfeldern
Die junge Lilith an, so süß mir nah,
In der ich strahlen die Madonna sah!
Als Lilith, meiner Seele Sulamith,
Madonna sang ein süßes Minnelied,
Kam Gottes Amor angerauscht geschwind,
War wieder Weihnacht, war ich wieder Kind,
Sah ich in Gottes Tempel wieder sie,
Die reizende entzückende Marie,
Die erste Minne mein im Heimatstädtchen,
Madonna, meine Minne, Gottes Mädchen!
Nun bin ich ganz der Ihre. Mein Gefallen
Ist Lilith noch, doch scheint sie abgefallen
Von Unsrer Lieben Frau, nicht mehr katholisch,
Urmuttergöttinnen sucht melancholisch
Nun Lilith, goldner Zeiten Bienenstaat,
Der alten Magna Mater Matriarchat.
Da kommt sie, noch ein schönes Paradies
Ihr Mädchentum, das Lächeln hold und süß.
LILITH
(Tritt in die Wohnung, ein junges Mädchen)
Gegrüßet seist du, Bruder Theophil!
Nun höre, wie ich aus der Kirche fiel.
Der Pfaff verdient nur meinen bittern Spott.
Ist nirgendwo als in der Kirche Gott?
Gottlose schimpfte mich der alte Pfaffe!
Doch ist ein Gott, der schuf und immer schaffe,
Ist nichts in dieser Schöpfung gottlos je!
Doch Gott ich nicht mehr in der Seele seh!
Ich schenkte dem Geliebten hin mein Hymen,
Jungfräulichkeit so sehr die Pfaffen rühmen,
Ich gab mein Hymen hin, es war nicht schwer,
Jungfräulichkeit ist hin und ist nicht mehr,
Der, dem mein Hymen ich gewidmet hatte,
Er ist mein ehebrecherischer Gatte,
Ist Gatte auch noch einer andern Frau.
Da ist kein Gott auf dieser Erde! Schau,
Da saß ich in der Nacht, die Eiche steht
Stumm neben mir, es kam mir kein Gebet,
Nicht wie die Alten mit dem Zähneklappern
Nur immer lallen Rosenkranzes Plappern,
Von Sünde reden und vom lieben Gott.
Nein, Gott der Vater ist mir nichts als Spott!
THEOPHIL
Und hast mir doch Maria offenbart
Und warst ihr Ebenbild und Spiegel zart!
LILITH
Ich ging wie du vom Worte aus, der Bibel.
Hör heut ich Jeremia, wird mir übel!
Die Pfaffen sprachen stets vom puren Wort,
Von Gottes Offenbarung fort und fort,
Von Gott dem Vater und dem Gottessohn
Und beider Geist im gleichen Gottesthron –
Ich aber liebte mehr die goldne Wolke
Der Herrlichkeit Mariens in dem Volke,
Maria uns wie eine Göttin rette
Durch Quellen und geweihte Amulette,
Maria war im Geist des Volkes milder,
Es weinten auch der großen Mutter Bilder,
Man trug die Bilder, auf die Mutter stolz,
Man reichte Unsre Liebe Frau aus Holz
Von Haus zu Haus, gebenedeite Maid,
Ja, Unsre Liebe Frau voll Lieblichkeit
Die Ähren segnete im Ährenkleid,
Sie spendete des Weinbergs Fruchtbarkeit,
Das Volk sprach von dem Weibe, so als wär es
Die Mutter Erde, große Göttin Ceres!
Demeter fand ich da, die Mutter Erde,
Ich schaute sie mit trauriger Gebärde
Um Kore weinen, um die Mädchengöttin,
Persephone, des Hades Ehegattin,
Da tauchte vor mir die Dreifaltigkeit
Der alten Göttin auf, im schwarzen Kleid
Voll Kunst, Magie und alter Weisheit seh
Erhaben in dem Geist ich Hekate.
Der Mutter göttlichen Dreifaltigkeit
Bin als der Göttin Tochter ich geweiht
Und feministisch meine Seele preist
Diana, also meine Göttin heißt!
THEOPHIL
So tief ich auch in meine Seele schaue,
Ich sehe immer Unsre Liebe Fraue
Maria, nur die Mutter des Messias
Ist meine Herrin, nur das Herz Marias
In meinem Herzen lebt und meine Gattin
Maria ist, aus Gnade meine Göttin!
Ich suchte auch in meiner Jugend Venus,
Doch offenbarte Jesus Nazarenus
In einer Schauung mystisch ohne Spott
Mir Gott, den einzig-einen wahren Gott!
Doch leide auch ich an dem Wort der Pfaffen,
Die plappern leere Formeln, Gottes Affen,
Die übergießen mich mit Hohn des Spottes,
Wenn ich die Herrlichkeit der Muttergottes
Verherrliche als meine Seelengattin
Und Herrin, meine Diva, meine Göttin!
Doch Göttin scheint den Pfaffen wert des Spottes:
Ein Mensch, nicht Göttin ist die Muttergottes!
Sie treiben mir ins Antlitz Schamesröte,
Ich weiß es besser, hat der alte Goethe
Geschaut und ausgesagt im Testament,
Prophetisch in dem dritten Faust bekennt
Maria eine Göttin er, der alte
Prophet die Oden auch von Jakob Balde
Geschätzt hat, da der Seher-Sänger Viva
Maria zusang, Domina und Diva!
Zweite Szene
(Aus einer Waldlichtung. Vollmondnacht. Um ein Lagerfeuer tanzen halbnackte Frauen. Theophil trinkt Wein. Lilith leichtbekleidet neben ihm plaudernd.)
LILITH
Was schweigst du, Theophil, in dich gekehrt?
Du hast die Frauen doch auch sonst verehrt,
So schau die Frauen, die und die und jene,
Ist jede eine kaumverhüllte Schöne.
Laß du dich auf das Lippenplaudern ein,
Und geht es nicht, so hilft dir doch der Wein.
THEOPHIL
Du Mädchen da bist schön, bei meiner Seel,
Holdselig wie der Engel Gabriel,
Als er holdselig Sankt Maria grüßte.
FRAU 1
Das ist das Allerschönste, Allersüßte,
Was jemals ich von einem Mann gehört.
THEOPHIL
Du Weib, dein voller Busen mich bekehrt,
Der Schönheit Spiegel du in runder Klarheit!
FRAU 2
Das ist zwar schön, doch gibt es keine Wahrheit,
Du schaust ja nur der Maya Schleier an.
THEOPHIL
Du alte Freundin, wie ein Zauberwahn
Bist du und wie ein Irrsinn der Magie,
Du bist die Seele meiner Seele, Sie!
FRAU 3
Die Seele deiner Seele bin ich nicht,
Geheimnis ist mein eignes Angesicht.
LILITH
Es ist nun Mitternacht, der Vollmond scheint,
Mit der Magie des Mondes, wie man meint,
Bewegt das Meer sich und der Weiber Blut.
Ich will nun fiedeln in entzückter Wut,
Und daß mein Fiedelspiel sei ohne Fehle,
Ich übereigne Luzifer die Seele!
(Sie spielt wie besessen. Alle tanzen in Wut und Raserei. Theophil in der Raserei des Rausches von Wein und Wollust.)
THEOPHIL
Diana, Luna, Hekate, ihr Drei,
Mondgöttin, löse meine Seele frei,
Mondgöttin, die du wandelst in der Nacht
In Reinheit, Schönheit und Magie der Macht,
Ganz reines Mädchen auf dem Sichelmond,
Ganz schöne Liebesgöttin, lustgewohnt,
Uralte Greisengöttin, schwarze Hexe,
Gieß Tau und Blut auf alle die Gewächse,
Laß auch mit deinen Diamantbalsamen
In Fruchtbarkeit erglühen meinen Samen,
Mich Lilith nehmen, heiß erglüht vom Tanz,
Daß ihren Schoß erfülle tief mein Schwanz!
LILITH
(Errötet vor Begierde)
Mondgöttin, höre Theophils Gebet,
Der schon im Reich der großen Göttin steht
Und Sklave ist der Religion des Eros,
Erkenne er der großen Göttin Heros,
Den alten Gott, der Dämon ist der Herr,
Dianas Gatte, Heros Luzifer!
THEOPHIL
Der alte Dämon ist doch ohne Zweifel
Der alte Satanas, der böse Teufel!
LILITH
Die Kirchenväter aus dem Patriarchat
Der Göttin Heros aus dem Matriarchat
Verteufelten, der Heros ward zum Teufel,
Ist doch der Göttin Heros ohne Zweifel.
THEOPHIL
O Mütter, Mütter, Mütter! Euer eigen
Ich bin, will als Bekenner euch nicht schweigen,
Ich widersag dem Vater und dem Sohn
Und widersag dem Papst im Petrusthron
Und widersag dem Kirchenheiligtum
Und sage los mich von dem Christentum!
Ich glaube nur ans goldene Äon
Der Mutter-Göttin mit dem Heros-Sohn!
LUZIFER
Nimm hin den Wahnsinn und den Suizid! –
THEOPHIL
(Schreit)
Ich sehe Ratten wimmeln im Gewirre
Der Nacht, tollwütig werde ich und irre!
LUZIFER
Am heißen Gift der Hölle dich besaufe!
SERAPHINA, THEOPHILS SCHUTZENGEL
O Theophil, gedenk an deine Taufe!
THEOPHIL
Ich schneide mir die Adern auf! Gefunden
Werd leider ich und leider auch verbunden...
LUZIFER
Geschrieben in der Bibel (sozusagen)
Für dich steht: Heute werde ich dich schlagen
Mit einem Schwert und niemand wird dich finden,
Ja, niemand wird dich finden und verbinden...
THEOPHIL
(Verblutend, er stirbt)
Maria - - -
Dritte Szene
(Schwarze Wolken, Donner und Blitze. Die Stimme des Zornes spricht im Gericht.)
DIE STIMME DES ZORNES
Glückseligkeit, wer stirbt in Christi Namen,
Wem Jesus Christus ist sein Ja und Amen.
Die Christen sind dem Vater angenehm,
Doch in das himmlische Jerusalem
Und Garten Eden in des Himmels Grunde
Gelangen Götzendiener nicht und Hunde
Und Hurer nicht und Magier, die trügen,
Und keiner der Verworfenen, die lügen.
Den Götzendienern ist mit Beelzebul
Bereitet im Abyss der Feuerpfuhl,
Doch werden sie in Schwefelflammen rot
Für ewig brennen in dem zweiten Tod!
(Ein Wagen, von einem Drachen gezogen, erscheint. Theophils Seele steigt ein. Der Drachenwagen fährt hinab in die Hölle. Dort wimmelt es von Ratten und Giftschlangen. Am Himmel weinen die Engel. Theophils Schutzengel Seraphina betet weinend.)
SERAPHINA
O Feuer allerhöchster Gottesliebe!
Ist eine Seele in des Todes Trübe
Hinabgewandelt, in des Hades Schatten,
Zu kalten Weiberschlangen, Männerratten,
O Gottesliebe, brennt in deinem Herzen
Das heiße Feuer weher Liebesschmerzen
Um alle Seelen, die sich selbst verdammen
Hinab zum Feuerpfuhl der Schwefelflammen!
Darf Seraphina ihre Stirne kräuseln
Und von der Süßigkeit der Liebe säuseln?
Die reine Heiligkeit der Gottesliebe
Ist nicht wie Menschenlust der Sündertriebe,
Die Gottesliebe kündet das Orakel,
Die Gottesliebe ohne Fehl und Makel
Kann keine Flecken dulden, keine Schatten,
Sie kann sich nicht mit Satanssöhnen gatten!
Die makellose, unbefleckte Liebe
Kann sich nicht einen mit des Teufels Trübe!
Der Gottesliebe reines Licht in Klarheit
Ist Heiligkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit,
Der Gottesliebe Wahrheit spricht in Flammen,
Daß Satans Söhne selber sich verdammen!
Ach Gottesliebe! Seraphina weint,
Sich ohne ihren Anvertrauten eint
Der Gottheit! Wehe, wie die Rotte Dathan
Verschlang auch Theophil der Schlund des Satan!
Nicht können meine Tränen ihn erlösen
Aus seinem selbstgewählten Bann des Bösen,
Drum Seraphina wühlt im Engelsherzen
Unglücklicher Begierde Liebesschmerzen
Und weinend werf ich mich aufs Angesicht,
Doch heilig, heilig, heilig bist du, Licht
Der Gottesliebe! Theophil verlorn!
Ah, Seraphina bebt vor Gottes Zorn!
DIE STIMME DES ZORNES
(Aus dem Gewitter donnernd)
Kehr, lichter Engel, heim in Gottes Licht!
Der Satanssohn verdammt sich im Gericht!
(Der Abgrund ist aufgedeckt. Aus der Hölle dringen schreckliche Schreie herauf. Theophil jammert entsetzlich und erbarmungswürdig.)
THEOPHIL
Maria! Ah Maria! mit mir Armen!
Maria! Oh Maria! hab Erbarmen!
(Die Madonna erscheint. Das dunkle Wetter schwindet vor ihr. An einem saphirblauen Himmel erscheint der weiße Thron Christi. Madonna tritt zu Christus und entblößt ihre makellosen Brüste.)
MARIA
Mein vielgeliebter Herr, mein Liebling Christe,
Schau meine bloßen, makellosen Brüste,
An denen du als Liebling lagst gebettet!
Ich fleh für Theophil, daß er gerettet
Aus der Verdammnis werde in der Hölle,
Ich will ihn führen zu der Lebensquelle,
Daß siege über die Gerechtigkeit
Die mütterliche Allbarmherzigkeit,
Daß sich erbarme über diesen Armen
Der Liebe universelles Allerbarmen!
CHRISTUS
(Mit sanfter Stimme)
O Liebe Frau, bei deinen bloßen Brüsten,
Dich soll nach Theophil umsonst nicht lüsten,
Triumph sei deinem makellosen Herzen!
Erlöse Theophil aus Höllenschmerzen,
Laß ihn die Milch aus deinen Brüsten trinken,
Vor deinem Reiz wird Satans Macht versinken,
Du brauchst nur einen Tropfen einzuflößen
Aus deiner Brust, so flieht die Macht des Bösen
Und Theophils verlorner Seelenfunken
Wird von der Liebe der Geliebten trunken
Erstehen aus dem Feuerpfuhl der Hölle
Und trinken aus der Liebe Lebensquelle!
MARIA
Fürwahr, bei meinen bloßen Mutterbrüsten,
Die deine Lippen, mein Erlöser, küssten,
Nach deinem und nach meinem Liebeswillen
Will ich den elenden Verdammten stillen
Und wandle darum in des Hades Rachen,
Als Jungfrau überwinde ich den Drachen
Und mache Theophil zu einem Christen
Und werde betten ihn an meinen Brüsten
Und ihn an meinen bloßen Brüsten betten
Und seine Seele durch die Liebe retten!
Vierte Szene
(Maria schwebt hernieder vom Himmel, durch das Reinigungsfeuer, zur Pforte der Hölle, in goldenen Lichtglanz gehüllt wie in die Aura der Sonne.)
MARIA
Die Königin des Himmels zweifelsohne
Ich bin, doch ließ im Himmel ich die Krone,
Der Armen Seelen Herrin ohne Wandel,
Ich ließ im Purgatorium den Mantel,
Nun tret ich in des Lichtes reinem Leib
Zur Höllenpforte als das Sonnenweib,
Die ich in Licht der Sonne eingehüllt,
Mein Lichtglanz blendet, meiner Schönheit Bild
Erschauen Seelen nicht, die sich verdammen,
Den lichten Leib, umlodert von den Flammen!
O Hades, öffne deine alten Tore,
Hier kommt vom Himmel hoch die wahre Kore,
Dir zu gebieten, Satanas der Toten,
Gib Theophil heraus, weil ichs geboten!
LUZIFER
Hier Theophil ist ewiglich gefangen,
Umwunden der Verdammte von den Schlangen,
Die nehmen in das Maul den Schlangenschwanz,
So Theophil gebannt bleibt völlig, ganz
Gebannt in dem Uroberos der Hölle!
Ob seine Qual zur Lebensquelle quölle,
Er bleibt doch ewig in dem zweiten Tod!
MARIA
Schau meinen bloßen Fuß, die Rose rot
Auf meinem Fuß, die Mystische von Eden,
Mit meinen Füßen will ich dich zertreten,
Der mit dem Giftzahn meinen Sohn gepackt,
Denn ich zertret dich mit den Füßen nackt!
(Maria zertritt mit den bloßen Füßen das Haupt der alten Schlange. Sie schleudert die alte Schlange Luzifer in das ewige Feuer.)
THEOPHIL
Ich fühle lösen sich von mir die Bande,
Ich atme auf im untern Schattenlande,
Ich fühle lösen sich von mir die Fesseln,
Ich ziehe aus des Fluches Hemd von Nesseln,
Ich wandle in dem Totenreiche nackt,
Gelöst ist nun mit Luzifer der Pakt!
Gekommen ist vom Himmelsthron die Göttin,
Verdammter Seele Retterin und Gattin!
Ich werde auferstehen, leben! Viva!
Mein Dank gilt der Madonna, meiner Diva!
MARIA
Ich bin gekommen, Sohn, dich zu erlösen!
THEOPHIL
Geschwunden ist bereits die Macht des Bösen!
MARIA
Die Milch aus meinen Brüsten wird dich stillen!
THEOPHIL
Ich bin dir ganz zu eigen, ganz zu willen!
MARIA
Fort aus dem Labyrinthe, dem konfusen!
THEOPHIL
Hinan an deinen benedeiten Busen!
MARIA
Wir Myrrhe bette dich an meinen Brüsten!
THEOPHIL
Ich schwebe selig zu den Wonneküsten!
MARIA
Verwirrt in meiner schwarzen Haare Schleier...
THEOPHIL
Ich bin im siebten Kreis im Fegefeuer!
MARIA
Du loderst in der Sinnenglut der Sünder!
THEOPHIL
Schon seh ich Blumen streuen schöne Kinder!
MARIA
Das sind die Putti, meine Himmelsknaben!
THEOPHIL
Sie kommen mich mit edlem Wein zu laben!
MARIA
Berausche dich an Minne, Minnezecher!
THEOPHIL
O Liebe Frau, dein Becken ist mein Becher!
MARIA
Nun schwebe du in trunkener Ekstase,
Versinke in der L i e b e Hypostase!
(Maria öffnet die Perlenpforte des Paradieses... Theophil gleitet selig über die Schwelle der engen Perlenpforte in die Aue der Wonne und Glückseligkeit...)
DIE EWIGE LIEBE
Nun gehe du erlöste Kreatur
Ein in den Schoß der Göttlichen Natur...
DON JUAN
1
(Mondfinsternis. Don Juan auf einem Balkon, klimpert auf einer Gitarre.)
DON JUAN
Als ich im Schoße meiner Mutter lag,
Als ich empfangen war am Unheilstag,
Da wollte meine Mutter mich nicht haben,
Sie wollte mich im Mutterschoß begraben.
Und als sie mich gebar, des Sternes Flamme
Mich zeichnete, da gab sie mich der Amme.
Da ward ich meiner ersten Liebe inne,
Denn sie war mir die Amme schöner Minne.
Drei Jahre war ich alt und schaut weich
Versonnen an der schwarzen Schwäne Teich
Marina stehen im karierten Rock,
Umflossen von dem goldenen Gelock.
Da liebte ich sie sehr, ganz rein und kindlich,
Da küsste ich das süße Mädchen mündlich.
Doch sie ging fort, doch sie hat mich verlassen.
Um meine Trauer irgendwie zu fassen
Ich wandte mich zu Hedwig, daß ich diene
Als Minner meiner kusslichen Cousine.
Ich wollt sie küssen, wollt sie kosend necken,
Ich bat, sie solle mich mit Küssen wecken,
Sie aber, das Cousinchen ohne Brüste,
Mich scheidend einmal nur zum Abschied küsste.
Das Nachbarmädchen, eine Bona Dea,
Sie sollte trösten mich. Und Dorothea
Begann mit mädchenhaften Zartgefühlen
Mit mir an ihrem Puppenhaus zu spielen.
Wir girrten wie die Tauben in den Nestern,
So lesbisch zärtlich waren wir wie Schwestern,
Wie eine Schwester sanft hat sie genossen
Mein Küssen keusch auf ihre Sommersprossen.
Da aber zog sie fort. Ich war allein
Und sah Susanna in dem Sonnenschein
Mit süßen Früchten in des Rockes Taschen.
Zusammen wir nach Schmetterlingen haschen,
Die Schmetterlinge sangen Minnelieder
Und taumelten so töricht um den Flieder,
Die wir die Schmetterlinge haschten, griffen,
Die Farbe von den Falterflügeln striffen,
Die Schmetterlinge starben da im Glas.
Und als ich bei Susanna zärtlich saß
Und sah erblühen ihre Mädchenbrust,
Mich rührte zart zum ersten Mal die Lust.
Da Eros kam mit heimlich süßem Schauer,
War ich allein mit meiner süßen Trauer.
Dann liebte ich zwei Frauen, Caroline
Und ihre Zwillingsschwester auch, Christine,
Doch unerreichbar blieb mir die Charlotte.
Verwundet war ich von dem bösen Spotte
Der hohen Frauen, da ich ward zum Manne.
Holdselig aber, huldvoll Marianne
Mich weihte ein mit ihren Zungenküssen,
Da unterm Dach wir tobten in den Kissen.
Dieweil ich aber küsste Marianna,
Ich dachte heimlich an die junge Anna,
Die Frauen liebte. Und bei Anna sah
Ich unberührt und frisch noch Ursula,
Die mich geliebt. Ich aber liebte Anna,
Bis ich gesehn die mächtige Johanna,
Ein Vollweib, ihre Brüste waren Glocken,
Die mich gefesselt mit den goldnen Locken,
Bis sie sich aber wandte zum Rivalen.
Rivalen immer mir die Frauen stahlen.
Ich aber raubte dem Rivalen da
Die junge zügellose Monica.
Ich schmachtete vor ihrer Brüste Paar,
Der Muschel in des Busches rotem Haar,
Und dachte an Johannas volle Euter.
Die junge Hexe gab mir Zauberkräuter,
Da ich im Wahn Maria von dem Mond
Herwandeln sah am nahen Horizont,
Mir nahe, und als ich Maria sah,
Da sagte sie: Ich bin Lysistrata,
Verwehre mich dem Männervolk hienieden,
Auf daß die Frau der Erde bringt den Frieden.
So sprach Maria ihr Prophetenwort
Und wallte himmlisch nach Venedig fort,
Maria, meiner Minne Madonnina.
Da sank ich an die Brust der Katharina,
Wie Aphrodites Busen ihre Brust,
Und ich vergaß Maria in der Lust
Und in der Wollust Herrlichkeit der Wonne
Mit meiner Aphrodite in der Sonne.
Ich schenkte Katharina Liebe flüssig
Und ward zugleich der Liebe überdrüssig.
Da aber fing mich Lilith, ohne Zweifel,
Dämonin war Frau Lilith, ein Sie-Teufel.
Ich träumte von Maria Madonnina
Und von der Liebeslust mit Katharina,
Bis wieder mich verzauberte Eirene.
Doch mich betrachtete die Frau nicht. Jene
Mich führte ein in Kreise ihrer Schwestern,
Da lauter Turteltauben in den Nestern,
Da ich um Mitka lange keusch geworben,
Bis Mitka in der Jugend Reiz gestorben,
Da mich getröstet freundlich Miriam,
Die Nonne, die verlobt war mit dem Lamm,
Bis ich getroffen hab die Frau der Frauen,
Frau Eva, Gottheit in ihr anzuschauen!
CHORUS MYSTICUS
Weiß er nicht, Don Juan,
Daß er nur Eine liebt, die Anima?
Er steht in ihrem Bann,
Die innre Frau im Mann
War immer die Geliebte, die er sah.
Von Mutterleibe an
Ist sie Genossin seiner Frauenminne.
Die innre Frau im Mann,
Die suchte Don Juan,
Daß er der Liebe werde selig inne.
Sie war zutiefst in ihm,
Doch er erkannte sie nicht in dem Innen-
Raum seiner Braut intim,
Sie schwebte hoch sublim
Geheim voran ihm in dem ganzen Minnen.
Gesichtswerk ist getan,
Die vielen Frauen sind dir nun errungen,
Tu Herzwerk, Don Juan,
Die innre Frau im Mann
Zu bilden innerlich ist dir gelungen.
Du wirfst das innre Bild
Der innerlich vertrauten Seelenfrau
Auf alle Mädchen mild,
Auf alle Weiber wild,
Wann schaust du Anima in innrer Schau?
Die Anima allein
War die begehrte Minne, ohne Spott,
Du sollst ihr Freier sein,
Die sie ist Schein von Schein
Und Seelenführerin zu deinem Gott!
2
(Frühling. Ein lichter blühender Garten. Don Juan und Eva auf einer Gartenbank.)
EVA
Hier pflanzte ich die Rose Neuer Morgen,
Hier hab ich in der Erde sie verborgen.
Maria heißt die andre Rosenart,
Die auch sehr schön war, weiß und rot und zart,
Ich aber nahm des Neuen Morgens Rose,
Wie Morgenröte glüht die makellose.
DON JUAN
Einst liebte ich ein Mädchen mit dem Namen
Maria. Sie, die Traumfrau aus den Damen,
War mir ein Ideal. Ob du das kennst?
Ein Seelenschatten war sie, ein Gespenst,
Ein Hauch, der fließend wie ein Schleier wallt,
War Seele ohne Leib, war Lichtgestalt,
War ein Idol, getaucht aus schönem Schaum,
Geboren aus der Seele in dem Traum.
EVA
Und liebst du die Maria immer noch?
DON JUAN
Als Nichts versank sie wie im schwarzen Loch
Des Nichts, im Lande der Vergessenheit
Sie flattert nun, ein Nichts in Hauches Kleid.
Mein Herz beschäftigt nun ein wahres Weib,
Vollkommne Seele im vollkommnen Leib,
Die Seele heilig, makellos und keusch,
Liebreizend und begehrenswert das Fleisch,
Ein Engel ihre Seele, goldne Blüte,
Ihr Leib die schaumgeborne Aphrodite,
Den Leib des Weibes muß ich heiß begehren,
Die Seele muß ich minnen und verehren.
Hier, Eva, kniee ich, dich anzubeten,
Dich Liebesgöttin dem Garten Eden!
EVA
So redet zu mir leider nicht mein Mann,
Wie liebesheiß mir lodert Don Juan!
Ach, hätte mir mein Mann so süß geschmeichelt!
DON JUAN
Mein Lob, Glorwürdige, ist nicht geheuchelt!
Der Ehemann ist Narr der Ehegattin,
Der Minner aber betet an die Göttin!
Hier kniee ich vor dir und bete hier
Die Liebesgöttin an, ihr Cavalier
Servente und ihr Hausfreund und Galan.
Zu deinen Füßen windet Don Juan
Im Erdenstaube sich wie eine Schlange.
Anbetung deines Cavaliers empfange!
EVA
Nur leider liebt mich nicht mein Ehemann,
Wie leidenschaftlich liebt mich Don Juan.
DON JUAN
Ich seufze, stammle, fehlen mir die Worte,
Ich bete deinen Schoß an als die Pforte
Des Himmels, als die Perlenpforte süß
Und eng, den Eingang in das Paradies!
Des Weltalls Zentrum seh ich makellos,
Des Weltalls Zentrum seh ich, deinen Schoß!
Ein Kelch dein Schoß, ein Becher ist dein Becken,
O Liebesgöttin, Tote aufzuwecken!
Schon schwebe ich, dich selig anzubeten
Mit Seraphim um dich im Garten Eden,
Und alle Göttinnen und Huris rufen
Und Seraphim auf Himmelstreppenstufen
Zu dir, o Liebesgöttin in dem Licht,
Du Gottes feminines Angesicht!
Im Paradiese darf ich trunken feiern,
Die Liebesgöttin seh ich sich entschleiern,
O große Göttin voll Potenz und Akt,
Im Paradiese wir! Ich nackt, du nackt!
(Don Juan leert einen Becher schweren Weines. Er glüht. Eva steigt die Schamröte ins Gesicht.)
EVA
Ich muß nun gehn und meinen Mann empfangen.
Ach Don Juan, sieh glühen meine Wangen.
Die ehelichte Treue ist mir Pflicht,
Dich aber lieb ich nicht, dich lieb ich nicht,
Ich kann dich nimmer lieben, nimmer lieben,
Ich lieb dich nicht! (Das soll dich nicht betrüben.)
(Eva geht ins Haus. Dämmerung. Don Juan allein unterm einsamen Abendstern, verzweifelt.)
DON JUAN
Im Paradiese meine Liebe lohte –
Nun stehe ich im Schattenreich, der Tote!
Geträumt nur war die Liebeslust gemeinsam –
Vernichtet steh ich hier, unendlich einsam!
Und all der Frauen heilige Gemeinde
Ein Heer ist, eine Heerschar böser Feinde!
Hier stehe ich, von bitterm Schmerz umnachtet!
Von der Geliebtesten verhöhnt, verachtet,
Geschmäht, verschmäht, verlassen und verspottet
Vom Dämon, den als Göttin ich vergottet,
Die ich geschaut als Göttin in dem Lichte,
Sie-Teufelin, sie macht mich ganz zunichte!
Die ich anbetete in meinem Herzen,
Zerschlug mein Herz in tausend wehe Schmerzen!
Mir strömen Tränen nur wie Blut so rot!
Nun komm, mein liebster Freund, mein Heiland Tod!
(Die Nacht ist hereingebrochen. Don Juan wirft sich auf die Erde und weint.)
CHORUS MYSTICUS
Als Eva Jungfrau war,
Da lauschte leider sie dem Wort der Schlange,
Verschleiert nur vom Haar
Der nackten Brüste Paar,
Die Schlange biß in ihres Apfels Wange.
Verboten war der Baum
Der eitlen Wissenschaft von Gut und Böse.
Doch Eva, schön wie Traum,
Nur Sonnenlicht ihr Saum,
Begehrte für sich selber Gottes Größe.
Sie sprach zu Gott ihr Nein,
Ihr Nein sprach sie zum göttlichen Gebot.
Der liebende Verein
In Edens Freudenhain
Verwandelte sich nun in bittern Tod.
Wie glücklich diese Sünde,
Der eine solche Rettung ward gebracht!
Auf Evas Nein begründe
Mariens Ja, so künde,
Maria sprach ihr Ja in dunkler Nacht.
Maria sprach ihr Ja
Zu Gott dem Herrn voll schöner Minne süß.
Die Menschheit wieder sah
Den Garten Eden nah,
Maria tat uns auf das Paradies.
Die Neue Eva ist
Maria, voll der schönen Minne süß.
Maria folge, Christ,
Daß du glückselig bist,
Maria ist ja Gottes Paradies!
Der Eva du verehrt,
Getrost sei, sie wird auch gerettet, schau,
Wie Eva sich bekehrt,
Ist Eva heimgekehrt
Zum Garten Eden Unsrer Lieben Frau.
Maria liebe du,
Bist in Maria Gottes Liebe nah,
Du findest Seelenruh
Und Liebe immerzu.
Sprich du dein Ja – Maria spricht ihr Ja!
3
(Ein alter Mönch mit kahlem Kopf und langem weißem Bart, mit Don Juan in einem Rosenhag vor den Mauern eines Klosters.)
MÖNCH
Die Sehnsucht nach den Frauen wird dir bleiben,
Du solltest dich der Lieben Frau verschreiben.
Die Liebe Frau ist deine Anima,
Die stets Juan in vielen Mädchen sah,
Sie ist die Frau der Frauen, ist die Frau.
Ich seh in deiner Seele tief, genau
Seh ich Maria als dein Ideal.
Sei du Marias mystischer Gemahl.
Wenn du sie findest als intime Braut,
Die sich in Leidenschaft dir anvertraut,
So kannst du Seelenfrieden finden, Ruhe.
Der Ort ist heilig, zieh du aus die Schuhe,
Ein Barfußkarmeliter Unsrer Frau
Du die Erlösung deiner Seele schau!
DON JUAN
Auf meiner Seele lastet schwer ein Fluch,
Ein Unheil steht in meines Lebens Buch,
Auf meiner Stirne unsichtbar geschrieben,
Daß mich geliebte Frauen nimmer lieben.
Die Liebe und der Tod von gleicher Macht
Mein Herz mit Unglück haben umgebracht,
Nun steh ich in der dunklen Nacht der Seele.
Du redest von der Jungfrau ohne Fehle,
Als Mutter nicht, vielmehr als Jugendliebe,
Als Jungfrau, die erlöst mich aus der Trübe
Des Schicksals meiner todgeweihten Schwermut.
Ich trank den Wein schon von dem Sternbild Wermut,
Wird mich die Jungfrau von dem Schmerz erlösen,
Den Rauschtrank ihrer Liebe mir einflößen?
MÖNCH
Wer ist von solcher Schwermut heimgesucht,
Der meint sich bitterlich von Gott verflucht.
Jedoch die Trösterin der Heimgesuchten
Der Segen ist von Gott für die Verfluchten.
Wenn du sie findest in dem innern Herzen
Als Mutter aller deiner Seelenschmerzen,
Ihr Lichtglanz sinkt in deiner Trauer Trübe,
In Gottes Licht führt dich der Jungfrau Liebe.
DON JUAN
Ich sah vor kurzem voll der Trauer Trübe
Im Dom ein Bild der Mutter schöner Liebe.
Sie war so blaß, von Schwermut blaß und bleich,
Ihr Antlitz war der blassen Mondin gleich,
Die schwarzen Augen voll geheimem Feuer,
Von Trauer schwarz der Mantel und der Schleier,
Da sah ich in der Jungfrau ohne Fehle
Die schwarze Jungfrau meiner eignen Seele.
MÖNCH
Die Jungfrau, süß wie Honig, weiß wie Butter,
Sie will dir sein der schönen Liebe Mutter.
Du suchst von ganzem Herzen eine Braut,
Die sich in Leidenschaft dir anvertraut,
Du suchst der Seele innre Seelengattin,
Doch suchst du auch die unbedingte Göttin.
Die wahre Göttin aber ist dir, Christ,
Die Gottheit, die dir eine Mutter ist!
DON JUAN
Ach, Mutter, das ist mir ein bittres Wort,
Ist mir wie eines Ungebornen Mord.
Doch sehne ich mit meines Herzens Flamme
Mich nach der Mutterliebe meiner Amme.
Die Mutterliebe meiner Kinderfrau,
Die Mutterliebe Unsrer Lieben Frau
Und Gottes Mutterliebe in Person –
Da bin ich der fürwahr geliebte Sohn!
MÖNCH
So Gott geworden deine Liebesgöttin,
Ist Unsre Liebe Fraue deine Gattin.
So findest Ruhe du und Seelenfrieden.
Die Frauen aber voller Reiz hienieden,
Sie werden bleiben deiner Seele Sehnen.
Doch im Kristall der trauervollen Tränen
Wirst du im Grund der Schmerzen selig schauen
Maria, Unsre Liebe Frau der Frauen.
DON JUAN
Maria sei mir Frau auf allen Wegen.
MÖNCH
So geh mit Unsrer Frau und Gottes Segen!
(Don Juan verläßt den Mönch und den Rosenhag vor den Klostermauern nachdenklich.)
CHORUS MYSTICUS
Was einst in Isis sah
Und in Urania und in Maria
Die Menschheit, das ist nah,
Die Gottheit Ich-bin-da,
Die Mutter Jahwe: Hagia Sophia!
Was meine Seele preist
In Sankt Maria, Unsrer Lieben Frau,
Ist Gottheit Heilig Geist,
Die uns die Wege weist
Zu mütterlichen Angesichtes Schau.
Die Mutter Heilig Geist,
Sie prägt in Unsre Liebe Frau den Stempel,
So daß Maria heißt
Die Mutter, die uns speist,
Die Lebensquelle und des Geistes Tempel.
Der Geist ist Fleisch geworden
In Sankt Maria, Unsrer Lieben Frau,
So in Marias Orden
Mit süßer Minne Worten
Wir schauen Gott die Mutter trunkner Schau.
Die Gottheit Ich-bin-da
Will, daß du bist allein Marien Sklave,
Die Sapientia
Will deiner Minne Ja,
Und Heilig Geist die Mutter ist in Jahwe.
4
(Morgengrauen. Weißer Mond am dunkelblauen Himmel über einem ländlichen Friedhof. Auf dem Friedhofsgarten ein lebensgroßes Kruzifix. Don Juan allein.)
DON JUAN
Hier sah ich gestern die Madonna wallen
Im Frühlingsmondschein, wie die Nachtigallen
Von Minne schluchzten traurige Gesänge.
Hier ist der Welt Getriebe und Gedränge
Verscheucht von einem guten Genius,
Ein holder Engel gibt mir seinen Kuß,
Verheißt, ich darf in diesem Kirchhofgarten
Wie Morgenröte Unsre Frau erwarten.
Nun wart ich also auf die Morgenröte.
Die Lerchen blasen ihre Jubelflöte
In dieser Matutin vorm Himmelsthron
Zum Lob der Makellosen Konzeption.
Der Frühlingsblumen keuscher bunter Flor
Und in dem Morgenrot der Engel Chor,
Sie machen zum Empfang mich tief bereit,
Zu dem Empfang der makellosen Maid.
Ich ahne in der Schwermut meiner Seele,
Daß Unsre Liebe Fraue ohne Fehle
In ihrer Makellosen Konzeption
Mich einführt ins Geheimnis der Passion.
Zu tief hat mich die makellose Maid
Getaucht in ihrer Minne Pein und Leid,
Daß ich bereitet von der Schwermut-Wehmut
Die Allerheiligste in tiefer Demut
Empfangen darf in diesem Friedhofsgarten.
In dieser Herrlichkeit des Herrn, der zarten
Verklärung Gottes in dem Morgenrot,
Gedenk Marias ich und Christi Tod.
(Maria erscheint, im schwarzen Schleier ums lange schwarze Haar, im schwarzen Mantel, das Antlitz wie ein Mond, die schwarzen Augen voll Traurigkeit und Liebesglut.)
MARIA
Hier findest du mich stehen unterm Kreuz
In Schwermutsminne und geheimem Reiz,
Hier schaue meiner schwarzen Augen Glut,
Wo Jesus Christus, überströmt von Blut,
Ans Kreuz geschlagen ward im Dornenkranz,
Die Sonne trist verhüllte ihren Glanz,
Wo Jesus an das Kreuz genagelt worden,
Verblutend stiftete der Minne Orden!
Hier unterm Kreuz war ich dem Sohne nah,
Empfing im Schoß den Toten, Pieta,
Wo ich in der verschlossnen Höhle habe
Gebettet meinen Sohn in seinem Grabe,
Wo hoffend gegen alle Hoffnung ich
Gewandelt zu der Menschheit Mutter mich,
Wo auferstand des Todes Überwinder
Und gab der Mutter alle Menschenkinder!
JUAN
Ich liebe dich mit tausend Liebesschmerzen!
MARIA
Ich liebe dich zutiefst, von ganzem Herzen!
JUAN
Ich liebe dich mit meiner Trauer Trübe!
MARIA
Du liebe mich! Ich schenk dir meine Liebe!
JUAN
Begnade mich, indem du Segen hauchst.
MARIA
Ich weiß, daß du vor allem Liebe brauchst.
JUAN
Die Frauenliebe ist nur wert des Spottes...
MARIA
Ich aber lieb dich mit der Liebe Gottes!
JUAN
Du meiner Seele höchstes Ideal!
MARIA
Ich lieb dich absolut, perfekt, total!
JUAN
Du liebe mich als meine Liebe Frau!
MARIA
Nun zu dem Kreuzesleiden Christi schau!
Ich werde dich zur Nacht in meiner Kammer
Empfangen, du vergißt dort allen Jammer,
Ich will im Lager dort in meinem Zimmer
Dich anschaun mit der Augen feuchtem Schimmer.
Du hast mir nicht umsonst dein Herz vertraut,
In Ewigkeiten bin ich deine Braut!
(Maria wandelt vonhinnen.)
JUAN
O Jesus Christus an dem Kreuzesholz,
Mein Gott, ich nahe dir in Demut stolz,
Schau du herab, o Herr, von deinem Kreuz,
Madonna liebe ich, die Frau voll Reiz,
Du segne meiner Ganzhingabe Minne,
Laß werden mich Mariens Minne inne!
Du, angenagelt mit der Sünde Hammer,
Komm, Christus, heute Nacht in meine Kammer,
Du Schmerzensmann der Schmerzensfrau, zu schauen,
Wie ich vereine mich der Frau der Frauen...
(Christus am Kreuz nickt ihm gnädig zu.)
O Herr, vor dir erschauert tief der Fromme!
CHRISTUS
Ich komm in deine dunkle Nacht, ich komme - - -
CHORUS MYSTICUS
Wie Jesus an dem Kreuz
Sich hingegeben in der Ganzhingabe,
Wie seiner Liebe Reiz
Gesühnt den Liebesgeiz,
Ein Minner von der Krippe bis zum Grabe,
Maria die Passion
Des Sohnes auch als Frau der Schmerzen litt,
Sie litt mit ihrem Sohn,
Dem Herrn im Kreuzesthron,
Litt mit dem Herrn als Frau der Schmerzen mit!
Von Blut Mariens Tränen
Geweint im innerlichen Mutterherzen,
Mariens reine Venen
Von Glut erfüllt und Sehnen,
Sie liebte Gott mit ihren Liebesschmerzen!
Gebunden an das Kreuz
Mit unserm Herrn war Unsre Liebe Frau,
Die Schmerzensfrau voll Reiz,
Ganz ohne Liebesgeiz!
Die Frau der Schmerzen an dem Kreuze schau!...
Mit Schärfe eines Schwerts
Die Rosa Mystica im Dornenkranze
Durchbohrt am Mutterherz,
Die Frau voll Liebesschmerz,
Als Christus ward durchbohrt von einer Lanze!
Das Mutterherz steht offen,
Geöffnet von des Todes Überwinder,
Von Blut die Tränen troffen!
Nun auf die Mutter hoffen,
Auf die Erlöserin die Menschenkinder!
5
(San Juan in einer dunklen Eremitenhöhle in der Einöde. Vor der Morgenröte sitzt er im Eingang seiner Höhle und betet gen Himmel. Während seines Gebetes tanzt der Morgenstern. Unsere Liebe Frau erscheint auf dem Morgenstern.)
SAN JUAN
Ich eine mich mit allen frommen Seelen
Und will mein Heil der Jungfrau anbefehlen
Und singen Lob der makellosen Maid.
Erscheine, reine Maid, ich bin bereit!
Du schütze mich vor feindlichen Dämonen
Durch deinen reinen Lichtglanz in Äonen!
Gelobt sei Allmacht – Weisheit – Liebesglut –
Gelobt die Gottheit, die mein Höchstes Gut!
Maria sei erkannt von allen Sündern,
Gelobt, geliebt von allen Menschenkindern!
Ich preise und verehre dich, Madonne,
Du erstgeborne Tochter Gottes, Wonne
Und Leben, Hoffnung mir und Süßigkeit,
Du Himmelskönigiin, ganz reine Maid!
Ich preise dich, o Mutter meines Herrn,
Ich preise dich, brillianter Morgenstern!
Geliebte Gottes du in Ewigkeit,
Du Grazie Gottes allgebenedeit,
Du Meisterwerk der Allmacht, du Idee
Der Schönheit, die ich rein im Geiste seh,
Du reinstes Herz, du Heiligtum der Tugend,
Idee der Schönheit in dem Reiz der Jugend,
Du Wohnung Gottes, Offenbarungszelt
Des Geistes, Gottes Frau vor aller Welt!
Es preisen Seraphim und Cherubim
Der Engel Königin sublim, intim
Vertrauen sich die Heiligen dir an,
Ganz reine Braut bist du dem Gottesmann!
Der Schöpfer überhäufte dich mit Ruhm,
Du ewigweibliches Mysterium,
Du Seligste in der Glückseligkeit,
Der Liebe Herrin in der Ewigkeit!
Die Völkerstämme und die Kontinente
Und die Atome und die Elemente
Und Seraphim und Cherubim im Chor
Und alle Vögel, aller Blumen Flor,
Die preisen deiner Schönheit reine Liebe!
Barmherzig schau in unsre tiefsten Triebe,
Gib deinen Kindern deiner Liebe Zeichen,
Du gnadenvolle Mutter ohnegleichen,
Du reiche Spenderin der Gottesgnade,
Ganz reine Schönheit, reiner noch als Jade!
Die Unerschöpflichkeit der Mutterliebe
Lobpreisen deiner Kinder Liebestriebe
Und alle Zungen singen deine Größe!
Die makellose Brust vor mir entblöße
Und flöße mir den Trank der Weisheit ein,
Weil deine Minne besser ist als Wein!
Dein Herz ist Gottes Lustort, Gottes Ruhe,
So nah ich barfuß dir und ohne Schuhe,
Ich nahe zaghaft mich der Himmlischzarten,
Des Geistes Paradies und Wonnegarten,
Dem Lustort Gottes, Gottes Paradies!
Geheimnisvolle Rose bist du, süß
Und ohne Dornen, duftend wie die Öle,
Maria, Liebeswonne meiner Seele!
Ah, meine Seele Freudentränen weint,
Da Unsre Liebe Frau sich mir vereint!
(Am Himmel bildet sich aus Licht ein Kreuz, an dem Christus erscheint als Lichtgestalt mit Wundmalen.)
CHRISTUS:
Ich komme, wie ich sprach, und offenbar
Dir nun das mystische Erlöserpaar...
(Das Kreuz aus Licht am Himmel bleibt, da die Lichtgestalt Christus unsichtbar wird, nun erscheint die FRAU vor dem Kreuz, von ihren Händen fließen Liebesstrahlen. Sie ist umflossen von langen schwarzen Haaren und fließender weißer Seide. So tritt sie zu San Juan in die Eremitenhöhle und lächelt ihn an von Angesicht und Angesicht.)
MARIA
Dich zu vereinen mit der Himmelsmaid,
Bereit sei zur totalen Einsamkeit...
SAN JUAN
Ah! Oh!
Ich bin bereit für meinen Liebestod!
(San Juan sinkt in seinem Liebestod in den Schoß der Lieben Frau. Sie trägt in der Verzückung sein Unsterbliches in das Paradies!)
CHORUS MYSTICUS
Geladen in den Arm
Der Jungfrau, in die Beuge ihrer Arme,
Zu ruhn am Herzen warm,
Am Busen voller Charme,
Ist meine Sehnsucht. Herrin, dich erbarme!
Gebettet in den Schoß
Der Jungfraumutter, selig schon im Leben
Im Schoße makellos
Die Seele löst sich los,
Vom Schoße in das Paradies zu schweben!
Marias süßer Schoß
Ist Gottes Lustort, Gottes Paradies!
Im Schoße makellos
Die Seele leidenslos
Erwacht, vergöttlicht in dem Schoße süß!
Marias süßer Schoß
Und all der Reichtum ihrer reinen Brüste
Vereint sich makellos
Dem Seelengatten groß,
Dem Christus! Kyrie eleison, Christe!
TRAGÖDIE
ERSTER AKT
FRAU
Ich liebe wahrlich meinen lieben Mann,
Er ist doch meines Herzens Ideal.
Am Anfang waren wir so sehr verliebt,
Doch denk ich nun, er hat mich nicht mehr lieb.
Auch schläft er nicht mehr bei mir in dem Bett,
Denn wenn er abends von der Arbeit kommt,
Dann zieht er sich zurück mit seinem Bier
Und schläft allein auf seinem Sofa ein.
Ich aber rase fast vor Eifersucht
Und denk, er hat bestimmt ein andres Weib,
Er schläft gewiß mit einer andern Frau.
Wie aber soll ich je das überprüfen?
Doch da kommt meine liebe Busenfreundin,
Ich sag ihr, was mir auf dem Herzen liegt.
FREUNDIN
Du, Schwester, schaust so traurig und betrübt.
FRAU
Ach Freundin, denken muß ich allezeit,
Daß mein Gemahl mit einer andern schläft,
Doch weiß ich nicht, wie ich das prüfen soll.
FREUNDIN
Da rufe du nur an das Gottesurteil.
FRAU
Was für ein Gottesurteil, liebe Schwester?
FREUNDIN
Du musst ein Eisen richtig glühend machen
Und schwören lassen deinen Ehegatten,
Ob er dir treu gewesen oder nicht,
Dann nehme er das Eisen in die Hand,
Und wenn er treu gewesen seiner Gattin,
Wird ihm das Eisen nicht die Hand verbrennen.
FRAU
Dann bitt ich dich, erhitze mir das Eisen,
Mein Ehemann kommt gleich von seiner Arbeit,
Dann soll das Gottesurteil ihn bewähren.
(Die Freundin ab. Die Frau lässt schwermütig den Kopf hängen. Der Mann tritt ein. Küsschen hier, Küsschen da.)
MANN
Mein liebes Weib, was schaust du denn so traurig?
FRAU
Mein Mann, du hast mich gar nicht mehr so lieb,
Wie du am Anfang mich so lieb gehabt.
Alleine muß ich schlafen in dem Bett,
Du sitzt allein beim Bier in deiner Kammer.
Ein Küsschen hier, ein Küsschen da, mein Mann,
Das ist mir nicht genug an Leidenschaft!
Doch weil du nicht mehr lieb zu deiner Frau bist,
Darum ist meine Liebe auch erloschen.
Ich glaube ganz gewiß, du gehst mir fremd
Und schläfst mit einem andern Weibe heimlich.
MANN
Ach liebes Weib, was bist du eifersüchtig!
Was plagst du mich mit deiner Eifersucht!
Nach jungen schönen Frauen schau ich nicht,
Ich schwörs bei den Gebeinen meines Vaters.
FRAU
Mann, schwören mit der Zunge ist zu leicht,
Da weiß ich nicht, ob du die Wahrheit sprichst.
MANN
Ach Frau, versteh mich doch, ich bin so müde
Allein von meinem langen Arbeitstag,
Und all die Mühen meiner schweren Arbeit
Und all die Sorgen um das liebe Geld,
Da schläft die Liebe ein. Mehr ist es nicht.
FRAU
Du kannst mir viel erzählen, lieber Mann,
Ich aber will die reine Wahrheit kennen
Und prüfen dich mit einem Gottesurteil.
Du nimm ein heißes Eisen in die Hand,
Und bist du treu, verbrennst du nicht die Hand.
MANN
So hol das Eisen nur zum Gottesurteil.
FRAU
Die liebe Freundin macht das Eisen heiß,
Ich gehe jetzt und hol das heiße Eisen.
(Frau ab. Mann allein, spricht leise mit sich selbst.)
MANN
Ich nehme diese Hölzer in die Hand,
Ganz heimlich. Heb ich dann das Eisen auf,
Verbrennt das Holz, doch nimmer meine Hand.
(Die Frau und die Freundin kommen zurück, das glühende Eisen auf einer Schale tragend.)
MANN
Gegrüßet seist du, liebe Busenfreundin,
Dein guter Rat war wohl das Gottesurteil?
FRAU
Nicht lang herumgeredet, lieber Mann,
Da liegt das heiße Eisen, heb es auf,
Dann sehe ich, ob du die Wahrheit sprichst.
(Mann hebt das glühende Eisen auf. Nach einer kleinen Weile legt er es lächelnd wieder auf die Schale. Heimlich lässt er die Hölzer fallen.)
FRAU
Zeig deine beiden Hände, lieber Mann.
Ja, ist das möglich? Beide unverbrannt!
Nun weiß ich, lieber Mann, dass du mir treu bist.
FREUNDIN
Dann ist ja alles gut, geliebte Freundin,
Wie gut doch, dass du mich um Rat gefragt.
MANN
Nun, Busenfreundin, ist an dir die Reihe,
Heb du das heiße Eisen auf, bezeuge,
Daß deinem Manne du stets treu gewesen.
FREUNDIN
Wo denkst du hin? Ich, meinem Manne treu?
Der Gatte schafft das liebe Geld heran
Und holt von dem Gemüsemarkt das Essen
Und bringt die lieben Kinder in das Bett.
Doch kenn ich einen Kerl – das ist ein Kerl!
Ein Meister in der Liebeskunst des Bettes!
Mit dem vergnüg ich mich im Ehebruch.
MANN
Dann, liebe Frau und eheliche Gattin,
Nimm du das heiße Eisen in die Hand,
Bezeuge, dass du mir stets treu gewesen.
FRAU
Was sprichst du da? Du kennst doch meine Tugend,
Du weißt, Gemahl, dass ich ein guter Mensch bin,
Daß ich die Heiligkeit der Ehe ehre
Und glaube an bedingungslose Treue,
Die treue Liebe, bis der Tod uns scheidet.
MANN
Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach.
Nimm nur das heiße Eisen in die Hand.
FRAU
Zuvor, Gemahl, muß ich dir was gestehen:
Der Priester der Marienkirche kam
Zu mir am Nachmittag zu Tee und Kuchen
Und gab mir dabei Glaubensunterricht.
Ich aber hatte solche Rückenschmerzen,
Da bot er an, die Hände aufzulegen.
Der Priester also legte mir die Hände auf
Und streichelte den schmerzensreichen Rücken
Und streichelte die schmerzensreiche Schulter,
Die schmerzensreiche nackte Schulter küssend.
MANN
Bei meiner Liebe, Frau, dir sei vergeben.
Nimm aber nun zur Hand das heiße Eisen.
FRAU
Nur einen Augenblick Geduld, mein Mann!
Der Priester der Marienkirche küsste
Die nackte Schulter, küsste dann den Hals,
Umschlang dann leidenschaftlich meine Hüfte
Und drückte seinen Leib an meinen Leib.
MANN
Bei meiner Liebe, Frau, dir sei vergeben.
Nun aber nimm zur Hand das heiße Eisen.
FRAU
Mein Mann, doch höre erst noch das Geständnis,
Daß nun der Priester der Marienkirche
Anbetend kniete hin vor mir und sprach,
Er kann das Zölibat nicht mehr ertragen
Und wollte lieben mich in dieser Zeit
Und lieben mich in aller Ewigkeit!
Er nahm mich leidenschaftlich in die Arme
Und drückte seine Brust an meine Brüste!
MANN
Bei meiner Liebe, Frau, dir sei vergeben,
Nun aber nimm zur Hand das heiße Eisen.
FRAU
Gleich, lieber Mann, doch höre erst mich an!
Der Priester der Marienkirche kniete
Vor mir anbetend, legte dann sein Haupt
In meinen Schoß, als wolle er zurück
In seiner Mutter Schoß, und streichelte
Liebkosend glühend meine straffen Schenkel!
MANN
Ist das nun alles, Frau, was zu gestehen?
Nimm endlich in die Hand das heiße Eisen,
Wenn mehr nicht war, dann will ich dir vergeben,
Bezeuge nun, dass du mir treu geblieben.
(Die Frau nimmt das glühende Eisen und lässt es schreiend fallen.)
FREUNDIN
Laß sehen, meine liebe Busenfreundin.
Schau an, die Hände beide sind verbrannt!
Du selbst bist schuld, du armer Ehegatte,
Vergib nur deiner liebsten Ehegattin
Und schlafe wieder nachts bei ihr im Bett!
Nun zelebriert die ehelichen Pflichten...
ZWEITER AKT
ERSTE SZENE
CHRISTUS
Jehowah, eine Braut hab ich erwählt,
Die ich von ganzem Herzen lieben will
Und will in ihrem Mutterschoße zeugen
Und Kinder mit ihr haben, viele Kinder!
JEHOWAH
Mein Sohn, wer ist die Braut, die du erwählt?
CHRISTUS
Schau zu der Erde, dort ist meine Braut,
Die Schwarze Eva hab ich auserwählt.
JEHOWAH
Die Schwarze Eva ist doch eine Heidin!
Kann der Messias Israels erwählen
Zur Ehegattin eine Heidentochter?
Wie oft hab ich durch die Propheten doch
Gewarnt die Söhne Israels vor Frauen
Aus andern Völkern, vor den Heidentöchtern,
Wie haben die Propheten doch gewettert,
Misch-Ehen aufzulösen zwischen Töchtern
Der Heiden und den Söhnen Israels!
Und diese Schwarze Eva? Schau sie an,
Wie schwarz ihr Haar ist, schwarz wie Rabenflügel,
Wie braun ihr Antlitz, wie verbrannt von Sonne,
Wie schwarz das Kleid ist, damit sie sich kleidet!
Schau dort die Florentinerin, die Dame,
Ganz weiß ist sie, ganz vornehm ihre Blässe,
Wie licht die rötlichenblonden Lockenfluten,
Wie edel ihr Gewand aus Gold und Purpur,
Die Florentinerin erwähl zur Braut!
SANKT MICHAEL
Jehowah, allerhöchster Herr und Gott,
Die Schwarze Eva ist zwar schwarz, doch schön!
Schau doch die Bildung ihres Körpers an,
Ein Engel wollt umarmen ihre Hüfte!
Schau an der Schwarzen Eva breites Becken,
Der Inbegriff der Fruchtbarkeit ist dies,
Wieviele Kinder könnte sie gebären!
Und nähren könnte sie die Kinder auch,
Betrachte nur die Pracht der vollen Brüste,
Wie wölben fruchtbar sich die Mutterbrüste
Und drücken sich die Spitzen ihrer Brüste
Liebreizend durch ihr Brusttuch, träufeln Milch,
Sie quellen über schon von Muttermilch,
Von Milch des Trostes für die Söhne Christi!
JEHOWAH
Mein Sohn, ich habe dir bereits gesagt,
Daß schwarz die Schwarze Eva, schwarz und bräunlich.
Schau doch die Florentiner Dame an,
Wie schlank ihr weißer Leib, wie lilienschlank,
So schlank und lang wie weißer Lilie Stengel,
Wie schlank die Beine und wie schlank die Arme,
Wie sie mit rötlichblonden Lockenfluten
Die wohlgeformten festen Brüste deckt,
Die kleinen Brüste, die jungfräulich straffen,
Die weißen Brüstchen ohne Muttermal!
SANKT MICHAEL
Jehowah, allerhöchster Herr und Gott,
Schau dir der Schwarzen Eva Antlitz an,
Schau dir die Stirn an, die gedankenreiche,
Die Form der Nase, die charaktervolle,
Schau dir die Augen an, die Abendsterne,
Die schauen in sich, schauen Unsichtbares,
Schau dir die schöngewölbten Wangen an,
Die glühen purpurrot vor Scham der Liebe,
Schau dir die Lippen an, den vollen Mund,
Wer möchte diesen vollen Mund nicht küssen?
Und ist ihr Lächeln nicht bezaubernd, Gott?
Ihr Lächeln schon mach selig ihren Freier!
Schau auch die Ohren an, die Muschelohren,
Die nichts so gerne wie die Weisheit hören,
Schau dir die Zähne an, die strahlendweißen,
Wie Perlenschnüre oder Elfenbein,
Dann kehre wieder zu den süßen Lippen
Und lieber noch als diesen Mund zu küssen
Willst du der Lippen Plaudern immer hören.
Denn wenn sie spricht, so redet eine Seele!
Sie liebt die allgemeine Menschenliebe,
Der Demut Inbegriff ist ihre Seele,
Die Seele ist erfüllt von süßer Sanftmut,
Barmherzig ist die Seele, allverzeihend,
Verstehend ist die Seele, klug und weise,
Sie liebt die eheliche Treue sehr
Und sucht mit Herzen und Verstand die Wahrheit.
Wenn dich das Wunder ihres Angesichts
Noch nicht betört, das Wunder ihrer Seele
Betört dich sicher, Herr, mein Gott und Schöpfer!
JEHOWAH
Mein Sohn, nun bin ich überzeugt und lobe
Die Schwarze Eva, Inbegriff der Anmut,
Voll Liebreiz, Lieblichkeit und süßem Charme.
Berauschend ist die Schönheit ihres Körpers,
Verehrungswürdig ist ihr Angesicht
Und Gottes Heiligtum die schöne Seele!
Geh hin, mein Sohn, und freie deine Braut,
Beschenke sie mit meinen Brautgeschenken,
Du schenke ihr bedingungslose Liebe
Und die Erleuchtung durch das Licht der Weisheit
Und Initiation in das Geheimnis
Der Kraft der schöpferischen Weisheit Gottes.
Schenk ihr Erlösung, seelische Befreiung,
Schenk ihr ein fleischern Herz voll schöner Liebe,
Erwähle sie zur Braut, intimen Braut,
Und wohne bei der Schwarzen Eva, Christus!
ZWEITE SZENE
DER KÖNIG
Ich will für meinen vielgeliebten Sohn
Gewinnen eine Frau zur Ehefrau.
Soviel ich aber schaue in der Welt
Mich unter Frauen um, ich finde keine
Geeignete Gemahlin meinem Sohn.
Die eine hält den Sohn für nichts als Fleisch;
Die findet, dass sie größer ist als er;
Die nennt ihn zwar, doch denkt an einen andern;
Die will nur Fleischeslust und nicht die Treue;
Die hält den Königssohn für einen Teufel;
Die meint, er ist von einem fremden Volk;
Die denkt, er sei nicht weltgewandt genug;
Die will den Prinzen nur als Diener haben.
Ach wehe, wehe über alle Weiber!
Ist nicht noch eine liebe Frau auf Erden?
Ich will aus meinem himmlischen Palast
Hernieder auf die Erde steigen, um
Zu schaun nach einer Gattin für den Prinzen.
Dort! Jene Frau gefällt mir übermaßen!
Wer bist du, o du wundervolle Frau?
DIE FRAU
Ich bin ein Nichts! Ich bin nur Staub vom Staube!
Mein Vater selig war ein armer Sklave
Und meine Mutter lebt als ärmste Witwe,
Ich aber bin die Sklavin eines Sklaven!
DER KÖNIG
Du allerärmste Sklavin eines Sklaven,
Du Nichts, ich bin der König aller Welt,
Ich möchte mit dir reden, hör gut zu.
Ich bin der gute Vater in dem Himmel
Und tröste auch wie eine liebe Mutter.
Mein ist das Reich, die Macht, die Herrlichkeit
Und du sollst mir geliebte Tochter sein.
DIE FRAU
Es sind ja nicht so sehr die Worte, die
Du sprichst und die ich oftmals schon gehört,
Doch dass du selber mit mir sprichst, o König,
Daß du es bist, der mit mir redet, Vater-
Und Mutterliebe, Herr in deiner Herrschaft,
Und dass ich Sklavin höre, wie du sprichst,
Daß ich begreif, dass du lebendig bist,
Herr, dass du lebst, o Vater, und mich liebst,
Das macht mich nun so unaussprechlich glücklich,
Ich könnte tanzen wie die Himmelsengel,
Umarmen möchte ich die ganze Welt
Und aller Kreatur verkünden glücklich
Und lachend, glücklich lachend: Gott ist Liebe!
DER KÖNIG
Nun kennst du mich, den Vater in dem Himmel,
Nun werde Ehefrau des Königssohnes!
Denn wer zum König will ins Himmelreich,
Den Weg muß gehen mit dem Königssohn.
Du sollst des Königssohns Geliebte sein!
DIE FRAU
Ich habe jetzt erkannt in meinem Nichts:
Der König in dem Himmel ist die Wahrheit,
Der Sohn des Königs ist der Weg zur Wahrheit,
Der Weg zur Wahrheit aber ist die Liebe.
DER KÖNIG
Nun schließ die Augen, schaue meinen Sohn!
DIE FRAU
Am hellen Tag träum ich den schönsten Traum
Und sehe mich im Innern meiner Seele,
Im Brautgemach der Seele, in dem Bett,
Und bei mir ist der schöne Königssohn,
Entkleidet mich und küsst mich auf den Mund
Und liebt mich ehelich als Ehemann!
Geheimer Mystik Sexualität...
Wie zärtlich liebte mich der Königssohn
Und wie geborgen ruhte ich bei ihm.
DIE SCHLANGE
Erlösung durch die Sexualität,
Erleuchtung durch die Sexualität
Will ich dich lehren und Geheimnisse,
Den urgeheimnisvollen Königssohn
Der Urmysterien des Altertums,
Urweisheit von dem Anbeginn der Zeit,
Die Urmaterie, welche älter ist
Als Geist, die schwarze Mutter lehr ich dich,
Den schwarzen Schatten vor der weißen Sonne,
Dein Schicksal deut ich nach dem Sternenstand
Und lehre dich Magie, geheime Heilkunst
Und Tastsinn für den Kräftestrom der Erde.
DIE FRAU
Du Schlange bist ja ein Symbol der Weisheit,
Der Urmaterie Urmysterien
Und die Geheimnisse astralen Schicksals
Will ich erforschen und die Energie
Der großen, schwarzen, alten Mutter Erde.
Was ist den Vater, Reich des Himmels, Geist?
Ich will der Mutter Erde Energie!
Das Buch des Königs und des Königssohns
Will ich nicht lesen, sondern Karten lesen
Und lesen im geheimen Buch der Sterne,
Wie oft mein Geist sich schon verkörperte
Und nach dem Tode wieder sich verkörpert.
DIE SCHLANGE
Lies nicht das Buch und bete nicht zum Engel!
DIE FRAU
Wie wird mir? Wo ich geh und stehe, immer
Geschieht ein Unfall nach dem andern mir,
Dämonen stellen mir sich in den Weg
Und wollen mich wie Räder überrollen
Und mir mein Leben rauben! Todesangst
Und Grauen überfallen meine Seele!
Mir auf dem nackten Busen sitzt die Spinne!
Die Angst, der Ekel ist wie eine Hölle!
DER KÖNIGSSOHN
Ich bin der Freier meiner lieben Braut,
Im Traum war ich ihr einmal angetraut,
In mystischer Erotik Liebesakt
Der Freier nackt und die Geliebte nackt!
Ich bin der Freier meiner lieben Frau,
Ich wandele zu ihr durchs Himmelsblau
Und liebe, ob mein Herz auch bricht und stirbt,
Kein Freier so um eine Freundin wirbt!
Durchbohren laß ich mir das liebe Herz
Vom Liebespfeil, durchbohren mir vom Schmerz,
Verglühe meinen Geist in Liebesglut
Und weine heiße Tränen, rot wie Blut!
Mein Herz so sehr vor Frauenliebe flammt,
Doch fühlt mein Herz sich in die Nacht verdammt!
Kein Wort der Liebe höre ich, kein Wort,
Kein eheliches Ja, es ist wie Mord!
Unendlich tödlich ist die Traurigkeit,
Aus dem Verdammungsspruch des Schicksals schreit
Mein Herz verzweifelt, stark vom Tod bedrängt,
Ich habe mich im Geist schon aufgehängt!
Ach, dass sich meine heißgeliebte Braut
Nicht mir, sich einem andern angetraut,
Nicht meine Lippen küsst ihr süßer Mund,
Mit mir nicht schließt sie treuer Liebe Bund!
Von Ewigkeit zu Ewigkeit umwirbt
Mein Herz die Braut, selbst wenn mein Körper stirbt,
Unsterblich bleibt Verliebter doch mein Geist,
Vom Jenseits noch die Freundin an sich reißt!
Jetzt hänge ich mich auf an diesem Baum,
Zu schön ist meine Braut, zu schön der Traum
Vom Liebesakt, doch meine Braut zu stolz,
Jetzt sterb ich aufgehängt an diesem Holz!
Doch noch vom Baume streck ich aus den Arm,
Die Freundin zu umarmen liebeswarm,
Zu pressen ihre Brust an meine Brust!
Als Toter noch begehr ich sie zur Lust!
DRITTER AKT
SAPIENTIA
Ich, Sapientia, bin Caritas!
CARITAS
Ich, Caritas, bin Sapientia!
POET
Maria sprach zu mir in einer Nacht:
Nie rede schlecht du von der Caritas.
Was heißt denn Caritas, was heißt mir das,
Als Seelenkindern väterlich zu sein,
Ein Mann zu sein mit einem Mutterherzen?
CARITAS
Denkst du noch an mein herrliches Gemälde,
Wie mich ein Maler aus der Renaissance-Zeit
Gemalt? Da war ich eine Frau und Mutter,
Madonna ähnlich, Ähnlich Aphrodite,
Die Mutter ich von göttlicher Natur,
Der Gottheit drei Personen wie drei Kinder,
Drei nackte Gotteskinder, Amoretti,
So schautest du im Bild die Caritas.
POET
O Sapientia und Caritas,
Sankt Hildegard von Bingen sah euch beide,
Zwei Namen ihr für unsre Eine Gottheit.
CARITAS
Aktives Leben hab ich dich gelehrt.
SAPIENTIA
Ich aber lehrte dich zu kontemplieren.
CARITAS
Ich bin die Mutter deiner Seelensöhne.
SAPIENTIA
Du schautest mich in deiner Minnedame.
Du schautest mich auch an in der Ikone
Von Nowgorod, da Hagia Sophia
Der Engel Gottes ist, der feminine,
Zur rechten Seite steht die Muttergottes,
Zur linken Seite steht Johannes Täufer,
Der Christus aber steigt aus meinem Haupt,
Denn ich bin Mensch geworden im Messias!
Doch über der Sophia Jesu Christi
Die Engel heiligen die liebe Bibel.
CARITAS
Ich lehrte dich, aktiv wie Martha sein.
SAPIENTIA
Maria von Bethanien wies ich dir,
Die lauschte müßig nur der Weisheit Jesu.
CARITAS
Ich lehrte fruchtbar dich zu sein wie Lea
Und mütterlich zu sein den Söhnen Gottes.
SAPIENTIA
Ich lehrte dich wie Rahel schön zu schauen,
Zu schauen mit den eingekehrten Augen.
CARITAS
Doch Liebe ohne Weisheit, was ist das?
Das ist nur Weltlichkeit und Aktionismus,
Vor Liebe kommt der Mensch nicht mehr zum Beten.
SAPIENTIA
Doch Weisheit ohne Liebe, was ist das?
Die Weisheit bleibt platonische Idee,
Ein Ideal gedachter Himmelreiche,
Und ist nicht inkarniert auf Gottes Erde.
CARITAS
Ich sprach: Tu deine Arbeit nur für Gott.
SAPIENTIA
Ich sagte immer: Bete, bete, bete.
CARITAS
Ich sprach: Kreis nicht um deine eignen Leiden,
Kreis um die Leiden Gottes in der Welt
Und tröste Christus den Gekreuzigten,
Indem du tröstest arme Gotteskinder.
Du diene Gott, indem du Menschen dienst,
Du leide Christi Kreuzesleiden mit
Und kämpfe in der Welt für Gottes Reich.
SAPIENTIA
Ich sprach zu dir: Du lebe still verborgen,
Verkannt von Menschen, unbekannt der Welt,
Gesellschaft lauer Christen meide gern,
Gern meid die Toren, gern die Sünder meide,
Sei gern allein mit Gott, mit dem All-Einen.
CARITAS
Ich lehrte aber dich die Worte Jesu,
Daß jeder Mensch im Weltgericht gerichtet
Wird von der Liebe nach dem Maß der Liebe,
Denn Jesus Christus spricht als Weltenrichter:
Was ihr den Armen tut, das tut ihr mir!
SAPIENTIA
Ich lehrte dich die Weisheit Salomos,
Der sich Frau Weisheit auserkor zur Braut,
Der von Frau Weisheit Ewigkeit empfängt,
Des guten Namens ewiglichen Nachruhm
Und die Unsterblichkeit der reinen Seele.
CARITAS
Ich unterwies dich in dem Liebesweg
Teresas, dieser Mutter von Kalkutta,
Bonhoeffer wies ich dir, den Marterzeugen
Der Liebe Jesu Christi zu der Welt,
Papst Benedikt auch lehrte dich die Liebe.
SAPIENTIA
Ich schenkte dir das goldne Buch der Weisheit
Grignions, die Ganzhingabe an Maria,
Das mystische Verlöbnis mit der Weisheit,
Die Lehre Heinrich Seuses lehrt ich dich,
Zum Studium ich gab dir Solowjew,
Geheime Freundin war ihm die Sophia.
CARITAS
Ich unterwies dich auch in Kung Fu Tse,
Der lehrte Liebe in Familienbanden,
Des Vaters Liebe zu dem Erstgebornen,
Ich lehrte allgemeine Menschenliebe
Dich, wie Mo Di sie einst gelehrt in China.
SAPIENTIA
Ich lehrte dich die Weisheit Lao Tse’s,
Denn Mutter Tao ist die Gottesweisheit,
Und lehrte dich die Mystik Tschuang Tse’s,
Das Ich ganz hinzugeben an das Tao,
Frau Weisheit, die All-Seele der Natur.
CARITAS
Den Griechen war ich Göttin Aphrodite.
SAPIENTIA
Und ich war die blauäugichte Athene.
CARITAS
Ich sprach zu dir: Die Weisheit ist die Liebe.
SAPIENTIA
Frau Weisheit ist die große Liebe Gottes,
Des Schöpfers Liebe zur geliebten Schöpfung,
Die Wollust der Vereinigung des Herrn,
Des Schöpfers, mit der Gattiin, seiner Schöpfung.
CARITAS
Du liebtest Salomonis Hohes Lied,
Es ist der inspirierte Sang der Liebe.
SAPIENTIA
Frau Weisheit ist in Wahrheit Sulamith,
Frau Weisheit ist die wahre Schwester-Braut,
Frau Weisheit ist die unbefleckte Freundin.
CARITAS
Ich bin die Liebe Gottes für den Weisen.
SAPIENTIA
Ich bin die Weisheit, die den Weisen liebt.
CARITAS
Frau Liebe pries die Magdeburger Mechthild
Mich oft, Frau Liebe, Königin der Seele.
SAPIENTIA
Frau Weisheit pries die Magdeburger Mechthild
Mich oft, die Jungfrau, die da kommt von Gott.
CARITAS
Papst Benedikt schrieb einmal: Gott ist Liebe!
Die Proztestanten der Marienkirche
Berlins zur Weihnacht priesen Jesus Christus
Als den Gesandten der allschönen Liebe,
Der pries die Liebe als den schönsten Weg
Der Gottheit, als der Gottheit höchstes Wesen.
POET
O Mutter Caritas, was ist denn Liebe?
Die Liebe? Sie bereitet mir nur Schmerzen,
Ich liebte stets und wurde nie geliebt,
Die Mutter meines Leibes liebt mich nicht,
Mich liebten nie die vielgeliebten Frauen.
CARITAS
Großmutterliebe hast du doch erfahren,
Geliebt wirst du von reinen Kinderseelen,
Geliebt bist du von Unsrer Lieben Frau!
POET
Wie soll ich an die Liebe Gottes glauben,
Der ich so wenig Liebe von den Menschen
Erfahren? Meine Seele ist verletzt,
Gekränkt, mein Herz ist krank von Liebeskummer.
Die Frau, die ich in meiner Torheit liebe,
Die will auch nicht die Liebe meines Herzens,
Will nur die Weisheit meiner Nachtgedanken.
Erklär mir Liebe, Mutter Caritas!
CARITAS
Im Abendland ist Liebe eine Arbeit,
Im Morgenland Beschaffenheit des Herzens.
Du liebe Gott mit deinem wunden Herzen,
Dann geh und tu nur was du eben willst.
Du liebe Gott, so liebst du Gottes Liebe,
Wo Liebe ist, ist Gottes Gegenwart.
POET
Gott, bei den kleinen Kindern meiner Seele,
Da habe reine Liebe ich gefunden,
Herr, in der Kirche fand ich keine Liebe!
CARITAS
Ich bin die Große Mutter Caritas,
Ich lieb mit einem vollen Mutterherzen
Die vielgeliebten Menschenkinder alle!
SAPIENTIA
Ich gab dir für die lieben kleinen Kinder
Die Pädagogik Gottes, die Erziehung
Im Geist der Weisheit voller Menschenliebe.
CARITAS
Ich rufe dich bei deinem Kosenamen,
Mit dem dich deine lieben Kinder rufen.
SAPIENTIA
Beim Namen deiner Taufe ruf ich dich,
Du bist mir König, Priester und Prophet,
Gesalbter Gottes durch den Geist des Herrn!
CARITAS
Ich schenkte dir das Buch der Oden Sapphos,
Die Eine Gottheit, die sie angebetet,
Und die besungen sie in schönsten Oden,
War Aphrodite, war der Liebe Gottheit.
SAPIENTIA
Ich schenkte dir Homeros’ Odyssee,
Die Eine Gottheit, die den Dulder führte,
Sie, die Odysseus in die Heimat führte,
Frau Weisheit wars, blauäugichte Athene!
POET
Der Archetyp des kleinen Gotteskindes,
Der Archetyp des Gottes als ein Kind,
Mit welchem Namen rufe ich das Gott-Kind?
CARITAS
Der Hymnus „Caritas et Amor Dei“
Gibt dir die Antwort : Mutter Caritas
Dir offenbart den Herrn als Amor Gottes,
Messias Jesus ist der junge Eros!
SAPIENTIA
Die Weisheit war als Liebling bei dem Herrn,
Des Ewigvaters Liebling in dem Himmel
Ist Weisheit, Hätschelkind und Pflegekind!
CARITAS
Der Liebe diene! Aber was ist Liebe?
Agape ist bedingungslose Liebe,
Erotik ist die Liebe des Begehrens,
Philia ist die fromme Freundschaftsliebe,
Du weihe dich der göttlichen Agape!
SAPIENTIA
Der Weisheit diene, doch der wahren Weisheit!
Denn da ist die dämonische Sophia,
Da ist die kosmische Sophia auch,
Da ist die irdische Sophia auch,
Fleisch, Welt und Teufel, das ist falsche Weisheit.
Du diene nur der himmlischen Sophia,
Du dien allein Urania Sophia!
CARITAS
Maria in Italien ist erschienen
Und nannte sich die Königin der Liebe.
SAPIENTIA
Maria ist in Deutschland auch erschienen,
Dort preist man sie als Mutter wahrer Weisheit.
CARITAS
Poet, wenn du mit Engelszungen singst,
Poet, in schönen Menschenzungen singst,
Doch keine Liebe in dem Herzen trägst,
Bist du das Lärmen einer Narrenschelle.
Selbst wenn du allen wahren Glauben hättest
Und die Geheimnisse der Gottheit wüsstest,
In Zungen betest und prophetisch lehrst,
Ist ohne Liebe alles gar nichts wert!
Die Zungenrede wird verstummen einst,
Die Prophetie wird einmal auch vergehen,
Auch alle mystischen Erkenntnisse
Sind nur ein Schatten vor der lichten Wahrheit.
Es bleiben nur der Glaube und die Hoffnung
Und Liebe! Und die Liebe ist die größte!
SAPIENTIA
Sophia ist ein unbefleckter Spiegel
Der Allmacht und ein Glanz vom Glanze Gottes,
Sie ist die makellose Kraft der Allmacht
Und reiner Strahl des Herrn der Ewigkeit,
Sophia ist die Königin des All,
Sie herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Sophia geht in reine Seelen ein
Und macht sie zu Propheten, Gottesfreunden.
Es liebt der Herr doch niemanden so sehr
Wie den, der liebend bei Sophia wohnt.
POET
Ich habe deine Schönheit liebgewonnen
Und suchte dich als Gattin zu gewinnen,
Mit dir die Ehe bringt mir keine Schmerzen
Und keinen Missmut, sondern Glück und Wonne!
SAPIENTIA
Ich lehrte dich den Platonismus, die
Erotik Diotimas, Platons Eros,
Den Diotima Sokrates gelehrt,
Die Weisheit der platonischen Erotik
Ist Weg zum Ideal der Schönen Liebe.
Der Philosoph (ich meine deinen Platon),
Er lehrt die Weisheit und die weise Liebe,
Urania, die Aphrodite Gottes!
Der Eros, wie ihn Diotima lehrt,
Der Weisheit Priesterin, der Mittler Eros
Ist Liebe, die hinansteigt zu der Gottheit.
CARITAS
Die Liebe, die das Evangelium
Verkündet, die Agape Gottes ist
Die Liebe, die hinabsteigt von der Gottheit
Und wendet sich barmherzig zu den Menschen.
Papst Benedikt verkündet Caritas
Als Gottes Liebe, die sich frei verschenkt
Und die hinabsteigt von dem Schöpfer zum
Geschöpf, die Liebe, die herniedersteigt.
Der Papst verkündet eine Einigung
Mit Gott nicht durch des Menschen Aufstiegs-Mystik,
Dies auch, doch tiefer ist die Einigung,
Wenn Gottes Liebe sich im Sakrament
Verschenkt und eucharistisch in das Fleisch
Der Kreatur sich liebevoll versenkt!
SAPIENTIA
Die Weisheit aber kennt die Liebe auch,
Sophias Liebe zu dem Philosophen
Ist Liebe Sulamiths zu Salomo.
Sophias Liebe zu dem Ewigen
Ist Liebe wie des Hohenliedes Liebe.
Die sophianische Erotik ist
Die Mystik der geheimen Weisheits-Ehe
Mit aller salomonischen Erotik.
Sophia kennt die göttliche Agape,
Sophia mit der göttlichen Agape
Den Weisen liebt, Sophias Bräutigam,
Sophia liebt mit göttlicher Agape
Und auch mit sophianischer Erotik
Den Weisen, Hagia Sophias Gatten!
CARITAS
Maria ist als Fraue aller Völker
In Amsterdam erschienen und sie sprach
Zu Deutschlands Christen eins nur: Caritas...!
POET
Die Kirche, ist sie eine Suppenküche?
Der Mensch, er lebt doch nicht vom Brot allein.
Ich ging wohl auch den Weg der Caritas
Und diente Jesus Christus in den Kranken.
Man wird nur ausgenützt von Egoisten,
Wird ausgebeutet von den Satanisten,
Und doch bekehren sich die Narren nie,
Verstockte Sünder, Steine ihre Herzen!
CARITAS
Einst Jesus zu Faustyna sprach, der Schwester:
Sei du Barmherzigkeit für alle Menschen,
Barmherzig sei du selbst zu jenen noch,
Die kommen, deine Güte auszunützen.
POET
Swoll ich ein Sklave denn von Narren sein?
Der Sklavendienst vor gottvergessnen Narren,
Die Geißel Gottes schien es mir zu sein,
Weil beinah ich von Christus abgefallen
Und Knecht geworden wär der Heidengöttin.
Als ich mich aber zu dem Herrn bekehrt,
Nahm Gott der Gottvergessnen Rute fort,
Zerbrach den Stock des Treibers, führte mich
Zur Weisheit in die Freiheit meines Geistes.
SAPIENTIA
Gib nicht der Caritas die Schuld, mein Sohn,
Für deiner Seele Schwächen, konntest du
Doch Nein nie sagen zur Begier der Sünder
Und liebtest Sünder mehr noch als dich selbst
Und schufst den Gottvergessnen eine Heimat,
Vergaßest, dir zu schaffen eine Heimat.
Laß dich bestimmen nicht von andern Menschen,
Laß dich beherrschen nicht von Gottvergessnen.
In aller Demut achte du dich selbst,
Sei gut zu dir, in Demut vor dem Herrn
Demütig sei, doch achte du dich selber,
Sei zu dir selbst wie eine liebe Mutter.
POET
Als Knecht der Caritas war ich so friedlos,
War oft in Zorn geraten und in Rage,
Als Sohn Sophias hab ich Seelenfrieden.
SAPIENTIA
So lehrte deine Freundin Edith Stein,
Folgst du allein der göttlichen Berufung,
Ist deine Seele innerlich voll Frieden.
Läßt du von andern Menschen dich bestimmen
Und folgst nicht einzig der Berufung nur,
Ereilt dich Missmut, Ärger, Übellaune.
POET
Auch Petrus sprach dereinst zur Urgemeinde:
Apostel sollen dienen nur am Wort,
Die Diakone sollen Arme pflegen.
SAPIENTIA
Doch nun sing Lob der Mutter Caritas,
Die Gottheit selbst, die Mutter Caritas,
Sie bete an im Geist und in der Weisheit!
POET
Maria einmal sprach in Medjugorje:
Weiht euch der Liebe, nicht der menschlichen
Verliebtheit, weiht euch nur der Liebe Gottes!
Ich sprach zum Priester einmal: Aphrodite
Ist immer noch in meinem Herzen. Aber
Der Priester sprach: Gott ist die Schöne Liebe!
Die Lehre der platonischen Erotik
Mich führte zur Idee der Schönen Liebe!
Frau Liebe ist ja Heilig Geist, die Gottheit,
Die Ur-Form der Geschöpfe ist die Liebe,
Frau Liebe, die Mitschöpferin der Schöpfung!
Frau Liebe ist die Ehegattin Gottes,
Wie mich Sankt Hildegard von Bingen lehrte,
Das Mädchen Liebe ist die Braut des Herrn!
So sah ich einmal sonntags Gottes Schöpfung
Erstrahlen in der Herrlichkeit des Herrn
Und schaute einen goldnen Weg des Lichts
Im offnen Himmel bis zum Throne Gottes,
Im Weißen Thron sah ich die Schöne Liebe!
Ich sah die Schöne Liebe! Hallelujah!
CARITAS
Ich bin das Makellose Mädchen Minne!
POET
Die Liebe ist verletzt! Die Dichterin
Sprach einst: Die Liebe, die ihr blind zertratet,
Die Liebe ist doch Gottes Ebenbild!
Maria rief doch auf zur Caritas,
Maria aber sprach auch über Frankreich:
Was hab ich alles nicht getan für Frankreich,
Doch wollte Frankreich sich bekehren nicht,
Ach, armes Frankreich, du wirst leiden müssen!
Die Liebe ward verachtet, ward benutzt,
Die Liebe ward benutzt vom Egoismus,
Verhöhnt, man wollte nicht die Liebe hören,
Sie wollten nähren sich von Gottes Volk
Und dankten dennoch nicht der Liebe Gottes.
CARITAS
Ich – trotzdem – bin die Unbefleckte Liebe!
Ich nämlich bin die Makellose Minne!
POET
Ach, Minne, Minne! Weh der Minneschmerzen!
Der Eros Christi wurde zwear genossen,
Doch als der Eros Christi Jüngerschat
Und Glauben forderte von den Geliebten,
Da ward der Eros Christi abgewiesen,
Sie spielten ja nur mit dem Eros Christi,
Sie liebten alle nicht den Eros Christi,
Sie liebten alle selbstverliebt sich selber!
Es wollte keine Seele sich bekehren
Von Fleischeslust und Weltlichkeit und Teufeln,
Verschmäht ward Gottes große Leidenschaft!
CARITAS
Ich dennoch bin die Leidenschaft des Herrn,
Ich, leidenschaftliche Geliebte Gottes,
Die Gottheit, die dich leidenschaftlich liebt!
POET
Ich bete an die Macht der Schönen Liebe!
SAPIENTIA
Nun schenke mir dein Herz, Geliebter, Sohn,
Ich bin ganz dein in der Sophien-Ehe!
VIERTER AKT
ERSTE SZENE
(Am fünfundzwanzigsten März begibt sich Petra, eine Kerze in der Hand, in die Kapelle, der heiligen Messe beizuwohnen. Der Priester trägt einen weißen Mantel. Nach der heiligen Messe wendet sich der Priester an Petra.)
PRIESTER
O Petra, was begehrst du von dem Herrn?
PETRA
Die herzliche Barmherzigkeit des Herrn,
Die religiöse Armut der Geweihten
Und die Gemeinschaft meiner lieben Schwestern.
PRIESTER
Wer arm im Geiste ist und nur von Gott
Verlangt die guten Gaben seiner Gnade
Und nichts als Bettlerin vor Jesus ist
Und voller Demut wie Maria ist
Und voller Sanftmut wie Maria ist,
Der wird von Gottes Angesicht gesegnet.
O liebe Petra, bist du fest entschlossen,
Bis zu dem ersten Tode auszuharren
Im Orden deiner Seele, Gott geweiht?
PETRA
Im Orden meiner Seele, Gott geweiht,
Will bleiben ich bis zu dem ersten Tode,
Mit Gottes Hilfe, ja, und mit der Hilfe
Der lieben Schwestern aus Marien Orden.
PRIESTER
Gott, der dir gab den Anfang deines Glaubens,
Gott schenke dir Vollendung deiner Weisheit
Im Orden deiner innersten Natur,
Durch Jesus Christus, unsern Meister. Amen.
(Petra legt nun alle weltlichen Kleider ab. Während sie sich entkleidet, betet der Priester.)
PRIESTER
Nun lege ab der alten Eva Kleider,
Zieh aus den Mantel der Weltförmigkeit,
Zieh aus das Kleid des Pakts mit Luzifer,
Zieh aus das Unterkleid der Fleischeslust.
PETRA
Nun bin ich eine nackte Seele, Jesus,
Nun brenne ich in großer Gier der Liebe!
(Petra begibt sich in eine Kammer zu den Schwestern, die sie mit dem weißen Kleid der Heiligkeit bekleiden. Die alte Mutter Äbtissin winkt einer Schwester, die den gekreuzigten Christus am Kruzifix in der Hand hält. Die Schwester reicht Petra das Kruzifix. Petra küsst den gekreuzigten Christus. Dann stellt Petra sich zwischen zwei Schwestern, die Kerzen in den Händen halten. Der Chor der Schwestern singt die Hymne: O Domina gloriosa! Die alte Mutter Äbtissin nimmt Petra an die Hand. Singend wandeln sie alle in die Kapelle.)
CHOR DER SCHWESTERN
Madonna, Domina voll Herrlichkeit,
Hoch thronend thronst du überm Universum!
Der dich erschuf in ewiger Vision,
Ihn nährtest du am Gottesmutterbusen!
Was Eva uns entzog in Traurigkeit –
Du schenkst es uns durch deine Leibesfrucht!
Als Himmelsfenster öffnest du den Weg
Vom Tal der Tränen zum astralen Saal,
Du bist des hohen Königs Eingangspforte,
Du bist des reinsten Lichtes Strahlenpforte.
O Völker, jauchzt dem Paradiese zu,
Dem Paradies, das uns erschloß Maria!
Dir, Herr, sei Lobpreis, Ruhm und Herrlichkeit,
Der du geboren wurdest von der Jungfrau,
Dem Vater Lobpreis, und dem Geist der Liebe
Sei Ruhm von Ewigkeit zu Ewigkeit!
PETRA
O bitte du für mich, o Gottes Mutter,
Und mach du mich des Paradieses würdig,
Das mir verheißen hat der Neue Adam!
PRIESTER
O Gott, der du den auserwählten Orden
Der Demut und der Armut in dem Geist
Geschmückt hast mit der Herrlichkeit Mariens
Und Wunder wirktest zur Verteidigung
Der Gottgeweihten, schenke uns die Gnade,
Daß wir durch Ihre Hilfe gegenwärtig
Beschützt, getröstet und gesegnet werden,
Die wir Ihr Angedenken fromm verehren
In Ganzhingabe an Ihr reines Herz,
Und dass wir nach dem Ende unsres Lebens
Im Paradies genießen dürfen selig
Die Wonne, Unsre Liebe Frau zu loben!
(Petra kniet nieder. Die alte Mutter Äbtissin steht neben ihr. Die Schwestern nehmen auf ihren Plätzen Platz. Im Innern der Kapelle liegen Mantel und Gürtel.)
PRIESTER
Herr, Gott der Kräfte, kehre uns zu dir
Und offenbare uns dein Angesicht,
So werden wir das Paradies erreichen.
O Petra und o Schwestern, Gott sei mit euch!
PETRA & SCHWESTERN
Und Gott der Herr sei auch mit deinem Geist!
PRIESTER
Herr, Gott der Kräfte, flehend bitten wir
Und rufen deine sanfte Milde an:
Der Reichtum deiner Allbarmherzigkeit
Purgiere diese deine Dienerin
Von allem alten Sauerteig und mache
Sie ganz bereit, das Neue zu empfangen
In Jesus Christus, unserm Meister. Amen.
SCHWESTERN
Gelobt sei Gott in Jesus Christus, Amen!
PRIESTER
O Gott der Allbarmherzigkeit, o Vater
Voll mütterlicher Allbarmherzigkeit,
Der Böses wunderbar zum Guten wendet
Und seine Gnade oft durch Sünder spendet,
Wir flehn zu deiner grenzenlosen Güte:
Es möge deiner kleinen Dienerin
Nicht Schaden bringen, dass sie Jesus folgt
Und dass zum Ruhm der hochgelobten Jungfrau
Sie nun die Weihe spricht der Gottgeweihten.
Vollziehe, Vater, durch der Weisheit Geist
Die Weihe, dir wir äußerlich vollziehen.
SCHWESTERN
Wir bitten Gott durch Jesus Christus, Amen.
PRIESTER
Herr Jesus Christus, Sohn des Ewigvaters,
Der du die sterbliche Natur der Menschheit
Im benedeiten Schoß der Jungfraumutter
Maria angelegt hast, der du kamest,
Die altgewordne Welt voll Schuld und Tod
Durch das Geheimnis der Inkarnation
In Liebe zu erneuern, Herr, wir flehen:
Durch die Gebete deiner reinen Mutter
Maria, der besonderen Matrone
Der Gottgeweihten im Marien-Orden,
Mög Petra, deine kleine Dienerin,
Erneuert werden in dem Sinn des Herzens,
Ausziehen möge sie die alte Eva,
Anziehen möge sie die neue Eva,
Maria nach dem Ebenbilde Gottes!
SCHWESTERN
Von Ewigkeit zu Ewigkeit, o Jesus,
Du lebst von Ewigkeit zu Ewigkeit!
PRIESTER
O Geist der Weisheit, der herabgekommen,
O Liebe, dich als Gott zu offenbaren,
Wir flehn zu deiner uferlosen Gnade:
Du wehst, o Atem Gottes, wo du willst,
Gewähre Petra, deiner Dienerin,
Die Inbrunst frommer Ganzhingabe, Hauch!
Durch das Gebet der allerreinsten Jungfrau
Bekehre Petra von der Eitelkeit
Der Welt, bekehre sie zur wahren Weisheit,
Und lasse eifern sie im Wettbewerb
Mit andern Gottgeweihten, Gott zu lieben
Und fromm zu sein in Demut, Sanftmut, Tugend,
In Brunst zu Gott und schwesterlicher Liebe
Zu allen Nächsten, allen Menschenkindern.
Das mögest du gewähren, Atem Gottes!
SCHWESTERN
Hauch, der du liebst mit Jesus und dem Vater!
(Der Priester tritt vor die in Demut vor Gott knieende Petra, sie einzukleiden mit dem Brautgewand der Braut Jesu.)
PRIESTER
Dich Christus kleide mit der neuen Eva,
Die ganz als Gottes Ebenbild geschaffen,
In der Gerechtigkeit und Heiligkeit
Der wahren Weisheit, in dem Namen Gottes.
(Der Priester legt Petra den Charis-Gürtel um die Lenden.)
PRIESTER
Du gürtetest dich selbst in deiner Jugend
Und gingst den Weg, wohin du selber wolltest.
Nun, da du reif geworden bist, o Petra,
Wird Christus selbst dich gürten mit der Charis.
SCHWESTERN
In Gottes Namen: Allmacht, Weisheit, Liebe!
(Der Priester legt Petra den weißen Mantel um)
PRIESTER
Sie, die dem Lamme ohne Makel folgen,
Die gehn mit ihm in weißen Linnenkleidern.
Drum seien deine Kleider immer rein
Zum Zeichen deiner innerlichen Reinheit.
SCHWESTERN
Im Namen Gottes: Allmacht, Weisheit, Liebe!
(Der Priester taucht den Wedel in das Weihwasser-Becken und benetzt mit dem Segen der Taufgnade Petra.)
PRIESTER
Gewähre, Gott, der kleinen Dienerin
Der Gottheit, Petra, deine schöne Gnade,
Daß sie als Jesu Jüngerin und Braut
Und als ein Glied im Corpus Mysticus
Vereinigt sei und bleibe Jesus Christus.
(Petra liegt prosterniert auf dem Gebetsteppich! Der Chor der Schwestern singt die Hymne an Heilig Geist.)
CHOR DER SCHWESTERN
Komm, Atem Gottes, kehre bei uns ein,
Besuche du die Herzen deiner Kinder!
Erfülle alle uns mit deiner Charis,
Der Seelen schuf, du schöpferischer Hauch!
Du wirst genannt die tiefste Seelentröstung,
Vom allerhöchsten Gott das Charisma,
Du Lebensbrunnen, Liebe, Lichtglanz, Weißglut,
Des Geistes Salbung, höchstes Gut der Schönheit!
O Schatz des Herzens, Licht in sieben Farben,
O Finger Gottes, der uns führt den Weg,
Geschenk der Liebesglut vom Ewigvater,
Du, der du uns in Zungen reden lässt,
Entzünde in uns deine Glut der Liebe,
Gieß deine schöne Liebe uns ins Herz!
Stärk unsre Körper in der Sterblichkeit
Mit deiner Grünkraft voller Energie!
Vertreibe du die Feinde unsrer Seelen,
Bewahre uns in deiner Seelenruhe!
Du führe uns zu deinem schönen Lichtglanz,
Bewahre uns vor schwerer Schuld und Schwermut!
Gib, dass den Ewigvater wir erkennen,
Daß wir erkennen Jesus, unsern Meister,
Und dass als Hauch des Vaters und des Sohnes
Wir immer glauben an die Glut der Liebe!
Dem Ewigvater Ruhm im weißen Thron
Und Jesus, unserm auferstandnen Meister,
Und auch dem Trost, dem Atem Gottes, Ruhm
An diesem Tag und in der Ewigkeit!
EINE SCHWESTER
Barmherzigkeit, o Meister Jesus Christus,
Barmherzigkeit, o Heiland Jesus Christus,
Und gib uns deinen Frieden, Jesus Christus!
PRIESTER
O Pater Noster! Vater, führe uns,
Daß wir nicht den Versuchungen erliegen,
Erlös uns alle von der Macht des Bösen,
Befreie alle uns von allen Übeln!
Gebiete, Gott, in deiner starken Kraft
Und schütz die Gnade in der Seele Petras,
Schenk Heil und Heilung deiner Dienerin,
O Gott der Liebe, du bist ihre Hoffnung,
Sei ihr, o Herr, ein Davidsturm der Stärke
Und schütz sie vor dem Angesicht des Feindes,
Nicht soll der Bösewicht sie überwinden,
Der Sohn des Unheils soll ihr niemals schaden!
O Gottesmutter, bitte du für Petra,
Auf dass sie würdig wird des Paradieses!
Herr, höre mein Gebet für Petras Heil!
SCHWESTERN
Es komme unser Ruf zu deinen Ohren.
PRIESTER
Der Vater der Barmherzigkeit sei mit euch!
SCHWESTERN
Des Herrn Erbarmen sei mit deinem Geist!
PRIESTER
Gott, der die Herzen deiner Frommen du
Gelehrt durch die Erleuchtung deines Geistes,
Gib Petra in dem selben Geist der Weisheit
Geschmack am Guten, Trost an deiner Liebe,
Bewahre Petra allezeit im Frieden
Und schütz sie durch Maria vor den Feinden!
SCHWESTERN
Wir beten an die Macht der Schönen Liebe!
PRIESTER
Barmherziger Gebieter, lieber Vater,
Der Wohlgefallen hat an allem Guten,
Die Ohren deiner väterlichen Güte
Du öffne nun den Bitten deiner Kinder,
Verteidige die fromme Seele Petras,
Bekleidet mit dem Kleid der neuen Eva,
Vor aller Eitelkeit und Weltlichkeit
Und allen Hemmnissen der Erde schütze
Die Seele Petras und vor der Begierde
Und schenke ihr in deiner großen Huld,
Daß sie Vergebung ihrer Schuld erlange,
In die Gemeinschaft deiner Auserwählten
Von deiner Gnade aufgenommen werde.
SCHWESTERN
Wir beten an die Macht der Schönen Liebe!
PRIESTER
O Gott, wir bitten dich, wir flehn dich an,
In deiner Liebe Huld gewähre Petra,
Daß sie durcheilt die Rennbahn dieses Lebens
In deinem Dienst als deine Kämpferin,
Am Ende ihrer Bahn den Kranz erlangt,
Den Lorbeerkranz des Ruhmes ihres Sieges.
Du inspiriertest sie, o Geist von Gott,
Daß sie begehrte, ein Marienkind
Zu sein im Orden der Marienkinder.
So möge sie erlangen auch den Lohn
In der Gemeinschaft der Glückseligen,
Den Lohn der Liebe ihres Meisters Jesus!
(Der Priester taucht wieder den Wedel in das Weihwasser-Becken und besprengt Petra dreimal mit geweihtem Naß. Sie erhebt sich und nimmt die brennende Kerze in die Hand. Der alten Mutter Äbtissin küsst sie die Wangen. Sie umarmt ihre Schwestern.)
PETRA
Geliebte, bittet Gott für meine Seele!
CHOR DER SCHWESTERN
Schau, gut und lieblich ist es, wenn Geschwister
Zusammenwohnen. Das ist wie die Salbe
Auf Aarons Haupt, die fließt in seinen Bart,
Die Salbe trieft herab auf Aarons Bart,
Die Salbe trieft herab auf Aarons Mantel.
Das ist wie Tau vom Hermon, der herabströmt
Und strömt zum Gottesberg der Tochter Zion.
Denn so hat Gott den Segen uns gespendet.
Maria führe uns ins Paradies!
PRIESTER
Ruhm sei dem Vater der Barmherzigkeit
Und seinem eingebornen Sohn Messias
Und beider Liebe, Einer großen Gottheit!
SCHWESTERN
So wie es war im Anbeginn der Zeit,
So sei es nun und alle Ewigkeit!
PETRA
Ja, Amen! In dem Namen Gottes, Amen!
ZWEITE SZENE
(Über der Kapelle steht das Motto von San Juan de la Cruz: Mein einziger Beruf ist fortan nur mehr lieben! – Die Schwestern in langen Kleidern, verschleiert, halten Kerzen in den Händen. Sie singen die Hymne an Heilig Geist.)
CHOR DER SCHWESTERN
Komm, schöpferischer Hauch, und suche heim
Die Herzen deiner Kinder, fülle sie
Mit Gnade aus dem hohen Himmelreich,
Erfülle sie, der du die Seelen hauchtest,
Du, dessen Name unser Beistand ist,
Du bist der allerhöchsten Gottheit Gabe,
Des Lebens Quelle und die Glut des Feuers,
Die Liebe und die Salbung für das Haupt.
Als Licht in sieben Farben bist du Spende,
Ein Finger bist du an der Hand des Höchsten,
Zu unserm Trost und unserm Heil verheißen,
Der du den Zungen Worte gibst und Lieder,
Entzünde du in unsern Sinnen Licht
Und gieße Liebe uns ins Herz hinein!
Der leiblichen Gebrechlichkeit gib Kraft
Mit deiner Kraft, denn du bist Gottes Kraft.
Vertreibe weit die Feinde unsrer Seelen
Und gib in unsrer Zeit den Menschen Frieden.
Geh du voran als weise Führungskraft,
Dann werden wir von Feinden nicht gefangen.
Vom Schöpfergott gib du uns die Erleuchtung
Und lehre den Messias uns erkennen
Und lehr uns glauben an die Schöne Liebe!
Dem Schöpfer Herrlichkeit in Ewigkeit,
Dem Heiland Lob und Preis und Dank und Weisheit
Und beider Schönen Liebe Lobpreis! Amen.
PRIESTER
O Gottheit, sende aus die gute Geistkraft,
Erschaffen werden alle Kreaturen,
Erneuert wird das Angesicht der Erde.
O Gottheit, heile deine Tochter Petra,
O Gottheit, sei du allzeit ihre Hoffnung!
Herr, höre mein Gebet um Petras Heil
Und laß mein Rufen zu dir kommen, Herr.
Der Herr sei mit euch, vielgeliebte Schwestern!
SCHWESTERN
Der Herr sei mit dir, hochverehrter Priester!
PRIESTER
O Gott, der du die Herzen deiner Frommen
Erleuchtest durch Erleuchtungen des Geistes,
Gib Petra, dass sie in dem Geist der Liebe
Erkennt in Liebe alles wahrhaft Gute
Und immer sich der Liebe Trost erfreue!
Das bitten wir durch Jesus, deinen Liebling.
(Der Priester legt ein anderes Gewand an, um nun Petras Schleier zu segnen.)
PRIESTER
Sei unsre Hilfe in dem Namen Jahwe,
Der Er gemacht das ganze Universum,
Den Himmel und die Erde und das Meer.
Erweise uns, o Gott, dein Allerbarmen!
Gott, schenke jedem Menschenkind das Heil!
O Gott der Kräfte, ziehe uns zu dir
Und offenbare uns dein Angesicht,
Dann werden wir geheilt und Heil erlangen.
Der Herr sei mit euch, vielgeliebte Schwestern!
SCHWESTERN
Der Herr sei mit dir, hochverehrter Priester!
PRIESTER
O Jesus, der du in der Welt erwählt
Vor allem unsre Armut, Demut, Sanftmut, Güte,
Du kamst herab und riefst zu dir die Sünder
Und hast die Frommen liebend angenommen.
Ich flehe jetzt zu deinem Allerbarmen:
O Jesus, segne diesen Schleier Petras
Und gib, daß die, die ihn mit Liebe trägt,
Einst trägt das weiße Linnenkleid des Himmels
Im himmlischen Jerusalem vor dir!
(Der Priester taucht den Wedel in das Weihwasser-Becken und benetzt den Schleier Petras mit segnenden Tropfen.)
VORSÄNGERIN
Ich liebe Jesus Christus, Gottes Liebling!
CHOR DER SCHWESTERN
In dessen Brautgemach ich eingetreten.
O, seine Mutter ist die reinste Jungfrau,
Sein Vater aber kennt kein Eheweib.
Wenn ich ihn liebe, bin ich keusche Jungfrau,
Und wenn ich ihn berühre, reine Jungfrau,
Und wenn ich ihn empfange, bin ich Braut!
VORSÄNGERIN
Mit seinem Ringe band er mich an sich
Und mit Geschmeide schmückte er sein Liebchen.
CHOR DER SCHWESTERN
Wenn ich ihn liebe, bin ich keusche Jungfrau,
Und wenn ich ihn berühre, reine Jungfrau,
Und wenn ich ihn empfange, bin ich Braut!
PRIESTER
Komm, Christi Braut, empfange deine Krone,
Der Schönheit Krone für das Paradies,
Die Christus dir geformt vor aller Zeit.
CHOR DER SCHWESTERN
Erhöre dich der Herr am Tag der Trübsal,
Es schütze dich der Name Zebaoth!
Gott sende Hilfe dir vom Heiligtum,
Er schütze dich vom Berg der Tochter Zion.
Er denke stets an alle deine Opfer,
Das reiche Opfer deiner Ganzhingabe!
Er gebe dir, was dein Gemüt begehrt,
Verleihe Stärke allen deinen Plänen.
Wir freuen uns an deinem Seelenheil!
Im Namen Gottes werden wir erhoben.
Der Herr erfülle alle deine Bitten.
Jetzt weiß ich, dass der Herr die Seinen führt.
Er höre dich von seinem Himmelreich,
In seiner Rechten ruht dein Seelenheil.
Die halten Wagen, jene aber Rosse
Für das Begehrenswerteste, ich aber
Begehr vor allem Gottes schöne Liebe!
(Petra steht in der Mitte des Chores der Schwestern. Sie singt allein, während sie den Schleier empfängt.)
PETRA
O nimm mich an, mein vielgeliebter Jesus!
Ich werde leben, ja, ich werde leben
Und blühen wie die Lilie auf dem Feld!
Laß mein Begehren nicht vergebens sein!
(Der Priester legt Petra den Schleier über das lange schwarze Haar.)
PRIESTER
Empfange nun den Schleier, Jesu Braut,
Und trage ihn vorm Richterstuhl der Liebe,
Auf dass du ewig lebst im Paradies!
(Petra kehrt vom Priester zurück in die Mitte des Chores.)
PETRA
Er drückte mir sein Siegel auf die Stirn.
CHOR DER SCHWESTERN
Kein andrer sei mir Bräutigam als Jesus!
PRIESTER
Es segne dich der Schöpfer, Petra, Amen.
Es segne dich der Retter, der herabkam
Und nahm auf sich dein Leiden, Petra, Amen.
Es segne dich die ewigschöne Liebe
In der Gestalt der Taube, Petra, Amen.
(Die verschleierte Petra prosterniert sich in der Mitte des Chores der Schwestern. Der Chor singt zur Orgel das Tedeum.)
CHOR DER SCHWESTERN
(Te deum laudamus vom Heiligen Ambrosius von Milan.)
Dich, Große Gottheit, loben wir,
Dich, Gott den Herrn, bekennen wir,
Dir, Ewigvater, Schöpfergott,
Die Mutter Erde singt dir Lob!
Dir rufen alle Engel zu,
Neun Chöre ihrer Hierarchie,
Die Cherubim und Seraphim,
Sie preisen dich, Herr Zebaoth!
Der Himmel und die Erde sind
Erfüllt von deiner Herrlichkeit.
Apostel rühmt dich und Prophet
Und Märtyrer im weißen Kleid.
Dich feiert die Ecclesia,
Bekennt des Vaters Herrlichkeit,
Den eingebornen Gottessohn,
Den liebevollen Tröstergeist.
Der Christus, Herr der Herrlichkeit,
Des Vaters eingeborner Sohn,
Der einging in der Jungfrau Schoß,
Erlöst das menschliche Geschlecht.
Dem Tode nahmst den Stachel du,
Den Frommen schließt du auf das Reich,
Du thronst auf Gottes weißem Thron,
Als Richter kommst du wieder bald!
Komm du zu Hilfe deiner Schar,
Die du erlöst mit deinem Blut,
Dein Erbe segne, mach sie heil
Und führ sie in die Ewigkeit.
Wir preisen dich von Tag zu Tag
Und singen dir in Ewigkeit.
Bewahr uns heut vor aller Schuld,
Erbarme dich, erbarme dich!
Dein Allerbarmen, lieber Gott,
Sei allzeit über unserm Haupt.
Weil du bist meine Hoffnung, Herr,
Drum lebe ich in Ewigkeit!
(Petra erhebt sich, küsst den Altar, und zieht in einer feierlichen Prozession mit den Schwestern aus der Kapelle.)
DRITTE SZENE
(Die Mutter-Äbtissin überreicht zum Jubiläum der Nonne Paula Margarethe vom Unbefleckten Herzen Mariens die Jubiläumskerze.)
ÄBTISSIN
Empfange du das Licht in deinen Händen,
Daß du durch dieses Wunderzeichen lernst,
Dem makellosen Lichte nachzufolgen.
(singend)
Komm, hochgelobte Braut des Hirten Jesus!
CHOR DER GEMEINDE
Empfange heute deine Lebenskrone,
Die Gott bereitet hat für dich für immer!
PRIESTER
Die Gottheit sei mit euren Geistern allen!
GEMEINDE
Die Gottheit sei mit dir, du Gottgeweihter!
PRIESTER
Gott unsrer Ahnen, voll Barmherzigkeit,
Durch Moses gabest du uns deine Weisung,
Das fünfzigste der Jahre fromm zu feiern
Als Jubiläum, uns zum Jubelsang,
Da du die Freiheit allen Seelen schenktest.
Den frommen Müttern, die den Glauben wahrten
Bis an das Ende ihrer Lebenszeit
Und treu der Bibel und der Kirche blieben,
Hast du verheißen deines Segens Fülle.
So spende deiner Dienerin und Magd,
Sankt Paula Margarethe von dem Herzen
Der Makellosen Mutterschaft Mariens,
Zu diesem Jubiläum, das wir feiern,
Die Fülle deiner väterlichen Gunst,
Daß sie vollkommnen Ablaß ihrer Sünden
Erlange, die sie irgendwann begangen.
Geruh in deiner süßen Vaterhuld,
Zu segnen unsre Schwester, unsre Mutter
Und sie zu heiligen in deiner Liebe,
Damit sie bleibe in der Liebe Gottes.
Gott, schenk ihr grenzenlosen Herzensjubel
Zum Lohn der Treue zu der Gottesliebe
Und Wonne ewiger Glückseligkeit!
VORBETERIN
O Jahwe, sende du den guten Geist!
GEMEINDE
So wird der Erde Angesicht getröstet.
VORBETERIN
Das Heil schenk deiner Dienerin und Magd!
GEMEINDE
O Herr, du Hirte, denn sie hofft auf dich.
VORBETERIN
Sei ihr ein starker Turm von Elfenbein!
GEMEINDE
Und schütze sie vor allem Schmerz und Leid.
VORBETERIN
Nicht überwältige die Trübsal sie.
GEMEINDE
O Vater in den Himmeln, hör mein Beten,
Laß meine Schreie zu dir dringen, Herr!
PRIESTER
Der Herr, der gute Hirte, sei mit dir!
GEMEINDE
Mit deinem Geiste sei der gute Hirte!
PRIESTER
O lieber Gott, du hast die frommen Herzen
Belehrt durch die Erleuchtungen des Geistes,
Laß Paula Margarethe von dem Herzen
Der Makellosen Mutterschaft Mariens
Auch in dem selben guten Geist der Liebe
Erkennen in dem Geist das Höchste Gut
Und ewig sich an Gottes Tröstung freuen!
ZELEBRANT
O Paula Margarethe von dem Herzen
Der Makellosen Mutterschaft Mariens,
Du hast nun fünfzig Jahre treu und fromm
Im Christenglauben ausgeharrt voll Liebe,
In Demut einer Magd, in Mutterliebe,
Wie eine keusche Witwe, Christi Braut,
Und mit der Hilfe Gottes warst du Vorbild,
Und darum schenken wir am Jubeltag
Dir unser Herz und bitten unsern Gott,
Er möge dir des Lebens Krone schenken,
Die Himmelskrone in dem Paradies.
Ihr Schwestern der Gemeinde, Gott sei mit euch!
SCHWESTERN
Des lieben Gottes Gnade sei mit dir!
PRIESTER
Gott, wir verachten all die Eitelkeit
Der Welt und wenden uns voll Ekel ab
Und glühen für den Lorbeerkranz des Ruhmes
Vor Gott! Gieß in die Seelen uns die Gnade,
Dir treu zu bleiben hier in dieser Welt,
Daß wir behütet ruhn in deinen Armen,
Daß wir erfüllen heilig unsre Weihe
An Unsre Liebe Frau und unsern Herrn
Und dass durch Glauben wir und Liebeswerke
Gelangen zu der Ruh im Paradiese,
Zur Ruhe in dem Schoße unsrer Gottheit!
(Der Jubiläumsstab wird gesegnet.)
PRIESTER
O Jesus Christus, eingeborner Sohn,
Du Quelle unsrer Kraft, du Heiligmacher,
Durch Kreuzigung und Auferstehung siegst du!
Herr, segne diesen Jubiläumsstab,
Er trägt dein Kreuz an seiner goldnen Spitze.
Laß Paula Margarethe von dem Herzen
Der Makellosen Mutterschaft Mariens
Erfüllt sein mit dem Segen deiner Gnade,
Du, der du lebst in ewigen Äonen!
(Die Jubiläumskrone wird gesegnet.)
PRIESTER
O Gott, du hast den Gläubigen verheißen
Die Himmelskrone in dem Paradies,
Nun strecke deine segensreichen Hände
Voll Gnade über diese goldne Krone,
Das herrliche Symbol der Seligkeit.
Gewähre deiner Magd, die trägt die Krone,
Die Krönung mit der goldnen Himmelskrone,
Geziert mit Perlen und mit Edelsteinen.
(Die Mutter-Äbtissin überreicht Paula Margarethe den Jubiläumsstab.)
PRIESTER
Empfange, Schwester, diesen Segensstab,
Das Kreuz des Herrn auf seiner goldnen Spitze,
Die Stütze deines Alters sei der Stab
Zur Unterstützung deiner Körperkräfte,
Doch mehr noch, um die Feinde zu verjagen
Und deine Pilgerstraße zu vollenden
Beim Berg der Tochter Zion in dem Himmel!
(Die Mutter-Äbtissin setzt Paula Margarethe die Jubiläumskrone auf.)
PRIESTER
Empfange, Schwester, deine Himmelskrone,
Des Zeichen seliger Glückseligkeit,
Die Christus dir zum Lohn der Liebe gibt,
Der Gott, der lebt in ewigen Äonen!
O Paula Margarethe, Gott sei mit dir!
PAULA M.
Du Gottgeweihter, Jesus sei mit dir!
PRIESTER
Gott, denen, die auf diese Welt verzichten,
Gibst du die Wohnung in dem Vaterhaus.
O Liebe Gottes, weite unsre Herzen,
Daß einig in geschwisterlicher Liebe
Wir leben in dem Orden unsrer Seele
Und mehr und mehr erkennen, dass aus Gnade
Wir sind gerettet, ohne unsre Werke.
Gib, Christus, dass wir würdig Christen heißen,
Daß unsere Berufung durch die Gnade
Erkannt wird von der Welt an unserm Herzen.
Gib Paula Margarethe deine Hand,
O Jesus, führe sie zur Schau der Liebe!
(Der Priester besprengt Paula Margarethe mit Weihwasser.)
PRIESTER
Gepriesen, Gott der Ahnen, Zebaoth!
GEMEINDE
O Allerheiligste Dreifaltigkeit!
PRIESTER
O meine Seele, preise Gott den Herrn!
PAULA M.
Sing Halleluja, meine Seele! Amen.
FÜNFTER AKT
(Teresia Benedicta a Cruce)
ERZENGEL MICHAEL
(Aus der Himmelspforte kommend)
Ihr kennt mich wohl: Dies scharfe Schwert bezeugt,
Ich bins, der des Messias Kämpfe kämpft!
Einst, als sich Luzifer erhob, mein Bruder,
Gott gleich zu sein und selbst als Gott zu herrschen,
Klang meine Stimme dröhnend durch den Himmel:
W e r i s t w i e G o t t ?
Und alle treuen Engel folgten mir,
Doch Satan stürzte nieder in den Abgrund.
Auch jetzt bin ich der Heerschar Heeresführer,
Die gegen Satan und die Seinen streiten
Im Krieg, in diesem fürchterlichen Weltkrieg,
Der wie ein Feuer durch die Lande wütet.
Ich schütze voller Macht, die mir vertrauen.
Ihr habt von mir besondern Schutz zu hoffen,
Um einer Gabe willen, die mir teuer:
Ihr habt mir ja ein kleines Kind geweiht!
Mit meinem Schutze werd ich es beschützen
Vor allen den Gefahren, die euch drohen.
Noch eine Botschaft möchte ich euch bringen,
Die müsst ihr tief in eure Herzen schreiben
Und großer Segen wird euch draus erwachsen:
In eurer Mitte ist ein Schatz verborgen,
So schön, dass selbst im Himmel aller Himmel
Kein schönrer und erhabnerer zu finden.
Dies Rätsel aufzulösen, schaut nach innen.
Warum ist hier ein Vorgemach des Himmels?
Was macht die arme Stätte euch so teuer?
Was bindet Herz und Herzen hier zusammen?
Das ist das Herz, das aller Herzen König
Und Mittelpunkt und Herzenskrone ist,
Das heilige und süße Herz des Herrn!
Lauscht gut auf seine heimlich-leisen Worte,
Der in der Tiefe eurer Seelen spricht.
Lernt stille schweigen. Lernt gelassen sein.
In euren Herzen wird er Wunder wirken.
Seid überzeugt: Wenn Friede in euch herrscht,
Der wahre Friede, den nichts stören kann,
Dann wird der Friede kommen für die Welt.
Und wollt ihr mir, Sankt Michael, nicht glauben,
Dann hört doch auf das Zeugnis eurer Brüder
Und frommen Schwestern, kommend aus dem Himmel.
(König Stefan und Sankt Alphons erscheinen.)
KÖNIG STEFAN:
Im fernen Osten ist mein Vaterland,
Es ist das schöne vielgeliebte Ungarn,
Das trotzig-stolze Volk der Magyaren,
Durch mich hat es gelernt, das Joch zu tragen,
Das sanfte Joch des süßen Herzens Jesu,
Und ihren Dienst zu leisten für die Fraue,
M a r i a !
Das ist das selbe: Wer Maria dient,
Der muß geweiht sein Jesu süßem Herzen.
Für Unsre Frau gibt’s keine andre Freude,
Kein Glück so süß wie dieses, sehn zu dürfen,
Daß Ihrer Kinder Herzen ganz gehören
Dem heiligen und süßen Herzen Jesu!
SANKT ALPHONS:
Und diese Wahrheit hab auch ich erlebt:
Vor Liebe brennend zu der Unbefleckten,
Des Guten Hirten Wege musst ich wandeln
Und schwarze Schafe, die am Abgrund standen,
Auf Schultern tragen an das Herz des Herrn,
Sie rein zu waschen in dem Blut des Lammes.
Marien Herz und Jesu Herz sind Eins,
Die Eine Herz allein ist Port des Friedens.
DER ERZENGEL MICHAEL.
Ein heilger König und ein heilger Bischof,
Ihr habt gehört, was diese zwei bezeugen.
Doch hört auch auf die Stimme dieser Drei,
Bekleidet mit dem Karmeliter-Kleid.
(Elisabeth von der Dreifaltigkeit, Mirjam von Abellin und Johannes vom Kreuz erscheinen.)
ELISABETH VON DER DREIFALTIGKEIT.
Kennt ihr die Seele, die in ihrem Herzen
Errichtet einen Tempel der Drei-Einheit
Und diesen Tempel nie verlassen wollte?
Bedenkt den Namen wohl: Das Haus des Brotes!
Wir tragen die Drei-Einheit in den Herzen,
Wenn wir uns nähren von dem Brot des Lebens,
Das zu uns kam herab vom Himmelreich.
Ist einig unser Herz mit Jesu Herz,
Ist es ein Tempel der Dreifaltigkeit.
Und wisst ihr, wo ich diese Weisheit lernte?
Ich fand sie in dem Herzen Unsrer Mutter,
Dem süßen Herz der allerreinsten Jungfrau!
Dies Herz, ach, niemals hat es sich entfernt
Vom Herzen Gottes, ihres Sohnes Herzen!
Drum war es immer eins mit der Drei-Einheit
Und ruhte immerdar in tiefstem Frieden.
MIRJAM VOM GEKREUZIGTEN JESUS:
Die süße Mutter, sie war meine Mutter!
Ein Kind Arabiens, mit braunem Antlitz,
Geboren in dem Land, wo Jesus lebte,
Wo Unsre Liebe Frau gewandelt ist,
Den Namen Mirjam durft ich freudig tragen.
Den Vater und die Mutter ich verlor,
Maria war ich nun allein vertraut
Und wundersam bewacht mich ihre Treue.
Als mich dereinst ein Mörder tödlich traf,
Maria brachte mich zurück ins Leben!
Sie führte mich auf wunderbaren Pfaden
Zum Karmel und vermählte meine Seele
Als Braut dem Christus, dem Gekreuzigten!
Sie lehrte mich, die Wünsche zu erfüllen
Des süßen, heiligen, durchbohrten Herzens,
Sie lehrte mich verstehen dieses Herz,
Den Geist der Liebe! Ja, Barmherzigkeit!
JOHANNES VOM KREUZ:
Ein auserwählter Sohn der reinen Jungfrau
Von frühster Kindheit an darf ich mich nennen,
Den aus dem dunklen Brunnen sie errettet,
Die mich befreit aus der Gefangenschaft.
Sie lehrte mich, zumeist das Kreuz zu lieben,
Das Kreuz, das aufragt aus dem Herzen Jesu,
Umlodert von der Liebeflamme Feuer!
Am Kreuze fand ich meinen Seelenfrieden,
Es war mein Weg zu der Dreifaltigkeit.
Glaubt mir, ich habe wirklich es erfahren:
Kalvaria und Karmel, sie sind Eins,
Am Fuß des Kreuzes steht die Schmerzensmutter,
Maria, Unsre Liebe Frau vom Karmel,
Sie, die die Königin des Friedens ist!
O betet, betet, betet! Sie erhört!
(Die Königin des Friedens und Unsre Liebe Frau vom Karmel, Maria, erscheint. Alle singen:)
O Karmelblume! Weinstock blütenreich,
O Licht des Himmels, Jungfrau, Mutter weich,
Du einzig Hehre,
Du süße Mutter, Gattin und doch ledig,
O Frau, den Karmelitern sei du gnädig,
O Stern der Meere!
Die Herzen deiner Töchter, deiner Söhne,
Neig deinem Herzen zu, du Wunderschöne,
Voll süßer Minne!
Um Frieden flehen wir, o Jungfrau prächtig!
Dich heiß bestürmen wir, o Mutter mächtig!
O Königinne!
ZWEITER TEIL
KOMÖDIE
ERSTER AKT
ERSTE SZENE
SOKRATES
Ach Freunde, hört mir zu, wenn ich bekenne:
Der Weise, der gelebt als Philosoph,
Der sterbe nur getrost, naht ihm der Tod.
Ich bin voll Hoffnung, voller freudiger
Erwartung, dass ich drüben in dem Jenseits
In vollem Maß erlangen werde Gutes.
O Simmias und Kebes, hört mir zu!
Die Philosophen, die Sophia lieben,
Die suchen doch nur Eines, unbemerkt
Von andern Menschen, suchen sie allein
Zu sterben und den Toten gleich zu sein.
Ist das nun wahr, dass Philosophen wünschen
Dem Leibe abzusterben, wär es seltsam,
Wenn sie dann voller Trauer wären, kommt
Der Tod, die Seele von dem Leib zu scheiden.
KEBES (lachend)
Bei Gott, o Sokrates, wiewohl ich traure,
Machst du mich lustig, schau, da muß ich lachen!
Du gibst doch nicht den hohlen Leuten recht,
Die immer lästern, dass der Philosoph
Den Tod mehr liebe als das liebe Leben
Und dass er es auch wert und würdig sei,
Daß er gestorben sei und endlich tot!
SOKRATES
Was aber sagen sie, was ist der Tod?
SIMMIAS
Der Seele Trennung von dem Todesleibe.
SOKRATES
Und ihr nun, meine Freunde, meint ihr etwa,
Daß es gehöre sich für einen Weisen,
Sich zu bemühen um des Leibes Lüste,
Um leckres Essen und um teuren Wein
Und um den Trieb der Sexualität?
SIMMIAS
Darum soll man sich nicht so sehr bekümmern.
SOKRATES
Und achtet nun ein Philosoph Gewänder,
Ob schön auch seine Kleider oder Schuhe
Und wird er achten Gold und Silberschmuck?
SIMMIAS
Verachten wird das nur der Philosoph.
SOKRATES
Scheint so denn nicht des Philosophen Herz
Dem Körper abgewandt? und mehr der Seele,
Der körperlosen Seele zugewandt?
SIMMIAS
Allein die Seele liebt der Philosoph.
SOKRATES
So ist des Philosophen Wesen also
Der Wille, nur die Seele zu betrachten
Und nichts als nur die bloße reine Seele
Und diese Seele zu befreien von
Der törichten Gemeinschaft mit dem Körper?
SIMMIAS
So scheint das Wesen eines Philosophen.
SOKRATES
Die lieben Leute aber meinen doch,
Das Leben ohne den Genuß der Sinne
Sei nichts mehr wert und sei dem Tode gleich,
Wenn sich der Gaumen nicht ergötzt an Speise
Und edlem Wein und wenn der liebe Körper
Nicht schön gekleidet und geschmückt sei und
Wenn der Geschlechtstrieb nicht befriedigt wird?
SIMMIAS
Ja, dies die Meinung unsrer lieben Leute.
SOKRATES
Wie aber kann des Menschen Geist die Wahrheit
Erkennen? Kann er es durch Aug und Ohr?
Wird nicht erkannt die Wahrheit durch das Denken?
Denn Aug und Ohr erkennen nur den Wandel,
Das Werden und Vergehen der Natur.
Das Ewigseiende erkennt allein
Das reine Denken in des Menschen Geist.
So wird der Geist wohl Aug und Ohr verlassen
Und wird befreit von Aug und Ohr allein
Im reinen Denken zu erkennen suchen
Die Wahrheit von dem Ewigseienden.
Je reiner ist das Denken, desto reiner
Ist die Erkenntnis. Der nur, der sein Denken
Ausrichtet auf das Ewigseiende
Und frei ist, über Sinnlichkeit erhaben,
Nur der wird Wahrheit in dem Geist erkennen.
SIMMIAS
Des Leibes Trieb verwirrt das reine Denken.
SOKRATES
So lang wir sind in diesem Todesleibe
Mit allen seinen Trieben und Begierden,
Erlangt der Geist das reine Denken nicht
Und nicht der Wahrheit heilige Erkenntnis
In vollem Maße, wie der Weise wünscht.
Die Wahrheit aber ist allein das Gute
Und ist allein die Schönheit, die wir suchen.
SIMMIAS
Der Leib macht uns zu schaffen mit Begierden
Und Trieben, Durst und Hunger und Verlangen
Nach sexuellen Wonnen mit den Weibern,
So werden wir getrieben von Gelüsten,
Begierden und Verlangen, Fleischeslust
Und Augenlust, und jagen Schatten nach
Und haschen Luftgespinste und sind gleich
Den Kindern, Toren sind wir, keine Weisen!
Dazu kommt noch die Gier nach Geld, der Krieg,
Die Gier nach Geld erzeugt ja alle Kriege.
SOKRATES
Verstehst du nun, warum ich freudig scheide?
ZWEITE SZENE
SOKRATES
Ihr Freunde, wenn wir etwas schauen wollen
Und wirklich so erkennen, wie es ist,
Dann müssen wir befreien uns vom Körper
Und mit der Seele selbst das Sein beschauen.
Dann werden wir erlangen mit der Seele,
Die wir begehren, Hagia Sophia!
Wir sagen doch, wir sind der Weisheit Minner
Und werden sie erlangen in dem Tode,
Doch nicht, solang wir sind im Todesleibe.
Erst, wenn der Herr uns selbst befreit vom Fleisch,
Wenn wir entledigt sind des Fleisches Torheit,
Dann sind wir mit den Seligen zusammen
Und werden ungetrübt erkennen Gott.
Das aber ist doch wohl die wahre Schönheit?
SIMMIAS
So scheint mir auch, o Sokrates, die Gottheit
Ist wahre Schönheit für die bloße Seele.
SOKRATES
So bin ich auch voll freudenreicher Hoffnung,
Ich werde in dem Sein, wohin ich gehe,
Wenn irgendwo, dann dort, Genüge finden
Und alles das erlangen, was ich wünsche,
Was ich ersehnt zutiefst im Erdenleben.
Meinst du nicht auch, mein lieber Simmias,
Das an die Ziel kommt nur die reine Seele?
SIMMIAS
Allein der reinen Seele wird das Heil.
SOKRATES
Ist das nicht aber Sterben und Erlösung:
Ablösung meiner Seele von dem Körper?
SIMMIAS
Das Sterben trennt die Seele von dem Körper.
SOKRATES
Den Geist vom Fleische aber loszulösen,
Das ist das Streben doch der Philosophen.
So also ist der Philosophen Streben
Befreiung und Absonderung der Seele
Vom erdgebornen Fleisch des Todesleibes?
SIMMIAS
Der Weise will nichts sein als reiner Geist.
SOKRATES
O Simmias, so streben Philosophen
Zumeist danach, den Toten gleich zu sein?
Der Tod ist ihnen gar nicht fürchterlich.
Und wäre das nicht eine große Torheit,
Wenn sie nicht so mit Freuden sterben wollten,
Um dahin zu gelangen, wo die Hoffnung
Den Weisen die Erfüllung aller Wünsche
Verheißt, dass sie die Weisheit drüben lieben?
SIMMIAS
Der Tod ist dennoch voller dunkler Trauer.
SOKRATES
Soll der allein denn weinen, dem die Frau
Gestorben, dem die Kinder sind vergangen,
Soll der allein zu sterben trachten, dem
Sich die Geliebte in der Welt entzogen?
Die Hoffnung würde solche Menschen treiben,
Im Jenseits ihrer Liebe wieder zu
Begegnen, der Erfüllung ihrer Sehnsucht,
Daß sie die Liebsten in Elysen finden!
Wer aber Hagia Sophia liebt
Und eben diese Hoffnung kraftvoll hat,
Daß er Sophia drüben erst erkennt,
Den sollte es zu sterben noch verdrießen?
Sag, sollte er nicht lieber freudig sterben?
Das muß man glauben, lieber Simmias,
Ist er nur wahrhaft Liebender der Weisheit!
Denn mächtig ist der Glaube solchen Minners,
Sophia in dem Jenseits zu erkennen!
DRITTE SZENE
SOKRATES
Zum Vater in den himmlischen Regionen
Und zu den Göttern in den Sphären Gottes
Gelangt wohl keiner, der nicht Weisheit suchte,
Erforschte die Geheimnisse der Weisheit
Und reinen Herzens abgeschieden ist.
Zu Gott gelangt allein, wer sich bestrebte,
Wer lernen wollte, wer sich lehren ließ
Vom Wahrheitsdämon in der eignen Brust.
Und darum, liebe Simmias und Kebes,
Enthalten sich die wahren Philosophen
Der Geldgier, Fleischeslust und Gaumenkitzel
Und aller andern fleischlichen Begierden
Und Triebe lehmgebornen Todesleibes.
Die Philosophen wollen nämlich nichts,
Was gegen die Erlösung ihrer Seele
Und nichts, was gegen ihres Geistes Reinheit
Gerichtet ist und wollen die Erlösung
Des Geistes und die Reinigung der Seele
Durch Hagia Sophia, der sie folgen.
SIMMIAS
Wie folgt man aber Hagia Sophia?
KEBES
Wie reinigt Hagia Sophia Seelen?
SOKRATES
Die Philosophen wissen, dass Sophia
Die Philosophen mitleidsvoll betrachtet,
Denn Hagia Sophia sieht die Seelen
Der Philosophen in dem Körperkerker,
Dem Fleisch anklebend und vom Fleisch gezwungen,
Das Sein zu schauen wie durch Gitterstäbe
Und nicht das reine Sein im Geist allein.
Der Philosophen Seelen müssen auch
Sich wälzen wie die Narren, wie im Wahnsinn,
Da sie die Macht des Körperkerkers kennen
Und kennen die Gewalt der Fleischeslüste
Und fleischlichen Begierden, die uns fesseln,
Die Seelen fesseln mit den Fleischeslüsten.
SIMMIAS
Wie kann uns Hagia Sophia retten?
KEBES
Wie löst die Fesseln sie der Fleischeslust?
SOKRATES
Sophia nimmt des Philosophen Seele
Voll Mitleid an und lehrt den Philosophen,
Daß seine Seele mit der Augenlust
Die reine Wahrheit nicht erkennen kann,
Und was die Seele hört mit ihren Ohren
Ist auch voll Hinterlist und Narren-Irrtum,
So dass des Philosophen Seele sich
Von Augenlust und Ohrenschmaus zurück
Sich zieht ins Innere der Seele selbst.
Wenn nun der Mann mit Augen und mit Ohren
Auf dieser Erde leben muß und wirken,
So ruft die Hagia Sophia ihn
So oft es irgend geht in seiner Seele
Geheimnisvollen Innenraum zurück.
Dort sammelt sich die Seele, hält sich still,
Bleibt bei sich, in sich, in dem Geist betrachtend.
SIMMIAS
Ist Aug und Ohr im Innern auch der Seele?
SOKRATES
Die Augenlust des Körpersinnes ist
Nur Truggespinst und wirkt nur Fleischeslust
Und ungeordnete Begier nach Stoff.
Der Ohrenschmaus des Körpersinnes ist
Betrogen durch der Menschen Hinterlist
Und durch der Toren Widerspruch und Irrtum.
Der Seele innres Auge aber schaut
Die Schönheit an der Herrlichkeit des Herrn
Und ist geblendet von der Schönheit Gottes!
Der Seele innres Ohr vernimmt in Stille
Das innere Dämonium der Brust,
Der Wahrheit Genius im eignen Busen,
Wenn Hagia Sophia zu ihm spricht
Und er die Wahrheit über Gott erkennt.
KEBES
Und was ist Lust und Unlust, Furcht und Freude?
SOKRATES
Die Seele eines wahren Philosophen,
Still wendet sie sich ab von Lust und Unlust,
Von Furcht und Freude, ist im Innern frei
Von den Begierden, ruht allein in Gott.
KEBES
Und bleibt des Philosophen Seele ruhig?
SOKRATES
Das soll nicht anders sein, dass eine Seele,
Die weiß, wie Hagia Sophia sie
Durch geistige Beschaulichkeit erlösen
Von allen fleischlichen Begierden will,
Daß diese Seele ruht in Gottes Geist.
Weh, wenn die Seele, die erlöst von Gott,
Sich wieder hingibt wilden Leidenschaften
Und ungeordneten Begierden folgt
Und wälzt sich wieder wie die Sau im Schlamm
Und gleicht dem Hund, der Ausgespucktes frisst!
Nein, Ruhe von Begier und Leidenschaft
Ist Heil der Seele, folgt sie der Vernunft,
Der eigenen Vernunft, der Weltvernunft,
Und immer ruhend in der Weltvernunft
Beschaut in geistiger Beschaulichkeit
Die Seele Gottes Schönheit, Gottes Weisheit!
SIMMIAS
Das ist dein Trost im Angesicht des Todes?
SOKRATES
Die Seele eines wahren Philosophen
Betrachtet nicht die Meinungen der Menschen,
Betrachtet nur die Weisungen der Wahrheit.
Die Seele, die allein die Schönheit Gottes
Betrachtet, die sich nährt allein von Wahrheit,
Die glaubt gewiß, solang sie lebt auf Erden,
Der Wahrheit-Schönheit Gottes nur zu dienen,
Doch nach dem Tode, glaubt gewiß die Seele
Des Freundes der Sophia, kommt die Seele
Zu frommen Ahnen und den Geistern Gottes.
ZWEITER AKT
ERSTE SZENE
(Goethe in seinem Schlafgemach allein. Der Schattenriß einer schönen Frau an der Wand. Davor eine Kerze, brennend. Goethe schaut abwechselnd in die Kerzenflamme und in das Antlitz der Frau.)
GOETHE
(trinkt den letzten Becher dunkelroten Weines aus und murmelt, fast lallend)
Wem soll ich aber den Gedanken sagen?
Wie einsam ist der Weise! Nicht verzagen
Darf doch der Diener an dem Wahren-Schönen,
Wenn auch die Toren meinen Geist verhöhnen.
Ich aber muß mit liebevollen Tränen
Mich hier nach meinem Liebestode sehnen!
Die Liebenden ja stets in Tränen schwammen,
Der Liebende ersehnt der Liebe Flammen,
Ersehnt der Liebe letztes Abenteuer,
Ersehnt den Liebestod im Liebesfeuer!
(Schweigend starrt er eine Weile in den Tanz der seraphischen Flamme.)
Denke ich an jene dunkle Nacht,
Da mein Schöpfer meinen Leib gemacht,
Als der Gatte für die Gattin brannte,
Als der Bräutigam die Braut erkannte,
Als der Mannessame ist geronnen
In des Weibes Ei mit Wollustwonnen,
Als der Ewige die Seele hauchte –
Damals auch die stille Flamme rauchte!
Aber denk ich auch an jene Kammer,
Da das Eisen schmiedete der Hammer,
Donnernd auf den Amboß niedersauste,
Funkenglut in Feuerströmen brauste,
Die Geliebte mit der Wonnebrust
Schmolz in eins mit meiner Liebeslust
Und gestillt der Wollust Spannungsschmerzen –
Damals strahlten auch wie Tempelkerzen
Sieben Lichter über uns zusammen,
Sieben Sternenkerzen voller Flammen!
Nein, ich will nicht bleiben in der Nacht,
Liebe reißt mich mit Gewalt und Macht
Aus der Finsternis der Todesschatten,
Himmlisch will ich mich der Liebe gatten,
Werde alle Liebeskünste lernen
Mit der Paradiesfrau auf den Sternen!
Liebe reißt mit heißer Feuersbrunst
Mich zur Lehrerin der Liebeskunst!
Über dieses Todes Nebeldünsten
Lebt die Meisterin von Liebeskünsten,
Die der Liebe Lehrbuch las auf Sternen!
Auf dem Venussterne will ich lernen
Ihre Weisheit mit Begeisterung
Von den Künsten der Vereinigung!
Ist sie noch so fern, ich darf nicht weilen,
Weil die Liebe lockt, so muß ich eilen,
Wie die Schmetterlinge liebend kosen
Mit den Fühlern Kelche roter Rosen,
Also sei der Liebe Licht erkannt,
Bin ich doch zuletzt in Lust verbrannt,
Der ich nach dem Schein der Schönheit hasche,
Bleibt auf Erden nur ein Häufchen Asche!
Schwebt mein Seelchen doch, der Psyche-Falter,
Auf zur Liebe mit der Liebe Psalter!
Also will ich sterben! Also werden!
Will kein trüber Gast sein auf der Erden,
Werde liebend sterben und vergehen
Und in Liebeswonnen auferstehen!
ZWEITE SZENE
(Goethe und ein Priester, der ihm das letzte Bekenntnis als Geständnis entlockt und ihn segnet für die mystische Reise.)
PRIESTER
Gehst du getrost, getröstet in den Tod?
GOETHE
Ganz ruhig kann ich denken an den Tod,
Mein Geist ist doch ein Wesen unzerstörbar,
Geistwesen, das unsichtbar und unhörbar,
Fortlebend Ewigkeiten Ewigkeiten
In der Äonenwelt der Himmelsweiten.
PRIESTER
Unsterblichkeit ist also deine Wonne?
GOETHE
Ja, meine Seele ist wie eine Sonne!
Die Menschenaugen sehn das Abendrot
Und sehn die Nacht und sehn das Morgenrot
Und doch ists immerdar dieselbe Sonne,
Die leuchtet fort und fort in heller Wonne!
PRIESTER
Und kann der Sarg dir gar nicht imponieren?
Kannst du da deinen Glauben nicht verlieren?
GOETHE
Ein starker Geist lässt sich gar niemals rauben
An die Unsterblichkeit den wahren Glauben.
PRIESTER
So fürchtest du dich gar nicht vor dem Nichts?
GOETHE
Die Seele, Tochter himmlischreinen Lichts,
Sie bleibt doch treu der Mutter, der Natur,
Sie ist ja doch der Mutter Kreatur,
Und diese Mutter lässt ihr Kind nicht enden,
So wird sie ihre Schöpfung nicht verschwenden!
PRIESTER
Natur lehrt also dich Unsterblichkeit?
GOETHE
Der die Natur in meines Lebens Zeit
Betrachtet und erforscht und tief erkannt,
Ich überall doch in der Schöpfung fand
Nicht Tod und Nichts, allein nur Metamorphose,
Sie lehrte mich der Falter und die Rose.
PRIESTER
Denkst du, die eigene Persönlichkeit
Bestehe fort und fort in Ewigkeit?
GOETHE
Ach, was von der Persönlichkeit noch bliebe,
Was wert des Dauerns sei, entscheid die Liebe!
Was bleibt von der Person, will ich gelassen
Geheimnisvoller Gottheit überlassen.
PRIESTER
Was ist die Seele aber, was der Geist,
Den du als ewig und unsterblich preist?
GOETHE
Ich glaub an Anfangspunkte der Erscheinung
In der Natur, ich denk an Leibnitz’ Meinung,
Ur-Seele ist es, schaffende Monade,
Der Kosmos wird durch der Monaden Gnade,
Ur-Keime sind es oder Ur-Gestalten,
Die schöpfrisch tätig eine Welt entfalten.
Monaden gibt es schwache oder starke,
So wird der Staub, so wird mit Saft und Marke
Die Pflanze und so wird das Tier, der Stern,
So auch der Schöpfung Krone, Fraun und Herrn.
Die Hauptmonade als des Menschen Geist
Die Schar Monaden schaffend an sich reißt,
Die Hauptmonade, königliches Weib,
Sie bildet sich als Hofstaat einen Leib.
Auflösung aber nennen wir den Tod.
Die Monas dann gebietet mit Gebot,
Daß die Monaden sich im letzten Leiden
Von ihrer Herrin Monas schließlich scheiden,
Daß die Monaden auf der Schöpfung Spur
Eingehen in die Seele der Natur,
Zu Meer und Land, zu Bergen in der Ferne,
Verschweben in die Feuer, in die Sterne.
Die Herrin Monas aber, trotz den Spöttern,
Die Monas teil hat an der Lust von Göttern!
Bei schöpferischen Göttern oder Engeln
Die Hauptmonaden frei von allen Mängeln
Sich selig in der Götter goldnen Netzen
Sich Ewigkeit um Ewigkeit ergötzen!
PRIESTER
Du denkst die Hauptmonade also süß
Als Monas selig in dem Paradies?
GOETHE
Ich zweifle nicht nach allem meinen Lernen,
Daß da ein Leben ist auf höhern Sternen.
Der Mensch ist ja das Sprechen der Natur
Mit Gott! Der Mensch als Wort der Kreatur
Wird sprechen noch mit Gott und Weisheit lernen
Und Liebe singen auf den Morgensternen!
Dann stöhnt man von der Liebe süßer, leiser,
Der Weisen Diskussionen werden weiser
Und glühender der Lodernden Gestöhn,
Dort sind die schönen Frauen mehr als schön!
PRIESTER
Sagt einer aber, dass der liebe Gott
Die Welt schuf in sechs Tagen ohne Spott
Und sich am siebten Tage gönnte Ruhe?
GOETHE
Hier ist der Boden heilig! Ohne Schuhe
Will ich den Schöpfer preisen, nicht wie Pfaffen,
Den Schöpfer nicht, der einst die Welt geschaffen,
Der dann großväterlich sich ausgeruht,
Den Schöpfer preis ich, der mit Schöpferwut
Alltäglich schafft und wirkt und an sich reißt
In Hauch-Begeisterung des Menschen Geist!
Den Schöpfer preis ich, der auf dieser Erde
Die Menschheit schafft, auf dass auf Erden werde
Die Höhere, die Geisterwelt erzogen,
Die steten Umgang mit dem Herrn gepflogen,
Die Geisterwelt, mit Gott vereinter Geist,
Die alles Niedre machtvoll aufwärts reißt,
Gott bildet überall ein Geisterreich
Von Geistern, die den Göttersöhnen gleich!
Des Menschen Geist ist ja ein Gottessohn!
Anbetend schweig ich vor der Gottheit Thron!
PRIESTER
Und so erteil ich dir die Absolution.
DRITTE SZENE
(An der Perlenpforte des Paradieses erscheint der verklärte Goethe als Jüngling Hatem, die Schönste der Huris, Sankt Haura, empfängt ihn.)
SANKT HAURA
Heut steh ich an des Paradieses Pforte
Zum Garten Eden, dem geliebten Orte.
Du aber, so gelassen und bedächtig,
Wer bist du denn? Du bist mir fast verdächtig!
Bist du denn einer von den frommen Christen,
Daß ich dich lasse ein zu Himmelslüsten
Und Wonnen in des Garten Eden Lauben,
Bist du denn einer auch vom wahren Glauben?
Hat dich Verdienst? hat dich allein die Gnade
Gebracht in Zions Gartenstadt von Jade?
Bist du Bekenner? Doktor? Marterzeuge?
Von deinem Marterzeugnis mir nicht schweige!
Zeig mir die Wunde für den Glauben an,
Die dir den Weg ins Paradies gewann!
HATEM
Leg mir mein Wort nicht auf die goldne Waage,
Verstehe mit dem Herzen, was ich sage:
Ich war als Mann ein Minner reiner Minne,
Durch Minne ich das Paradies gewinne,
Ich hab zur Paradiesestür gefundnen
Und zeige rühmlich meine Minnewunden,
Die Minne hat gemartert mich am Herzen,
Die Minne war mir Kreuz und Todesschmerzen!
Du sollst mit deinen lichten Mandelaugen
Mir in die Seele schauen: Sie wird taugen
Zu Paradieseslust und Himmelsliebe,
Denn Liebe lebt im tiefsten Seelentriebe!
Schau, Haura, in das Innre meiner Brust,
Hier lebt der Liebe Leid, der Liebe Lust!
Doch trotz der Liebeswunden, Liebesschmerzen
Anstaunend stand ich vor der Herrin Herzen,
Bewundernd hoch aus meinem tiefbetrübten
Gemüt stand preisend ich vor der Geliebten
Und schien in Ihr, der Schönsten aller Frauen,
Der Gottheit Gloria schon anzuschauen!
Mein Zeuge aber sei der Totenrichter:
Die Schöne Liebe sang ich als Ihr Dichter,
Verewigte die Vielgeliebte rein
Und ging zum Nachruhm in die Nachwelt ein!
Du wählst nicht den Geringen und Gemeinen,
Du Himmlische, du kannst dich mir vereinen,
Komm, laß uns wandeln, Haura, Hand in Hand,
Gemeinsam hier durch Edens Gartenland,
Und wenn wir ganz verschmolzen unsre Seelen,
Will ich an deinen Fingern Jamben zählen!
SANKT HAURA
Da draußen vor der Paradiesespforte
Im Wind des Geistes an dem Himmelsorte,
Da dacht ich an die göttlichen Gebote
Und wie gerettet wird so mancher Tote,
Da hört ich, ohne irgendwas zu sehen,
So einen Klang von Jamben und Trochäen,
So einen Klang von altvertrauten Reimen,
So wonnesüß wie Schmack von Wabenseimen.
Ich dacht im himmlischen Jerusalem,
Das sei von dir ein frommes Verspoem!
HATEM
Du Ewige Geliebte, meine Braut,
Wie sind wir doch von Ewigkeit vertraut,
Ins eins geschlungen unsre Himmelsglieder!
Und nun denkst du auch noch an meine Lieder,
Wie ich mit Patriarchen mich besinne
Und sing Mysterien der frommen Minne!
Auf Erden schallen irdisch hin und wieder
So erdgeborner Erdenmenschen Lieder,
So Kling und Klang vom sündigen Gelichter!
Propheten aber sind wir Priesterdichter
Und wissen alle nur von Einem Worte,
Sie schweben um die Paradiesespforte
Und haben nur vom Paradies geschrieben
Und werden ewige Geliebte lieben!
Wenn aber deine schönen Schwestern, Huri,
Die Lieder an Sulima, an Siduri
Und an Suleika auf der Erde hören,
So sollen sie aus ihren Engelschören
Mit inspirierendem Gebläse stärken
Die Dichter meisterlich zu Meisterwerken!
Das wird den Himmel ehren und auf Erden
Die Guten werden schön getröstet werden.
Wenn aber dann der Minnedamen Dichter
Ins Jenseits treten vor den Totenrichter,
Das Weltgericht wird ihre Liebe lohnen,
Die Dichter dürfen bei den Huris wohnen!
Du aber bist mir einzig anvertraut,
Die Ewige, die Einzige, die Braut,
Von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du
Mein Licht des Lebens, meiner Seele Ruh,
Dich, Haura, laß ich nicht aus meinem Zelt,
Die andern Huri in der Himmelswelt,
Sie sollen warten an der Himmelspforte
Auf andre Minnedichter edler Sorte!
SANKT HAURA
Schon wieder schlugst du liebend deinen Arm
Um Haura, tief bezaubert von dem Charme,
Und wie betrunken von den Himmelsdüften
Ergötzt du dich an der Geliebten Hüften!
Wie viele Ewigkeiten Ewigkeiten
Wir uns die Liebeslüste schon bereiten!
HATEM
Was weiß denn ich, wie lange es schon währt?
Von Ewigkeit zu Ewigkeit begehrt
Die Ewige Geliebte nur mein Geist,
Die Paradiesfrau, die mich an sich reißt!
In Ewigkeit glückseliger Genuß!
Als währte ewig unser Erster Kuß!
SANKT HAURA
Doch seh ich schweben meinen Freier schon
In Einsamkeit hinan zu Gottes Thron!
Als ob der Ewige dich herberiefe,
Singst du vorm Thron der Ewigen Liebe Tiefe!
Sing du als Lobgesang dem Lieben Gotte
Nur immerdar dein Liebeslied an Lotte!
VIERTE SZENE
(Hatem im Chor der Seraphim anbetend schwebt mit der goldenen Harfe im geflügelten Arm vor dem Thron der Ewigen Liebe.)
SERAPHIM
Daß wir von nichts als von der Liebe singen!
HATEM
Man möge in den eignen Busen dringen!
SERAPHIM
Wie Liebe ewig selig anzuschauen!
HATEM
Schaut, Freier, an die Schönheit lieber Frauen!
SERAPHIM
So singen wir der Liebe Seelenfrieden!
HATEM
Wie Selige der Liebe auch hienieden!
SERAPHIM
Der Selige an Gottes Brust gebettet!
HATEM
Der Mensch weiß gern sein Wahres Selbst gerettet!
SERAPHIM
Wer immer liebte, wird die Liebe preisen!
HATEM
Die schönen Frauen, frommen Dichter, Weisen!
SERAPHIM
Frau Minne preisen wir voll Liebesdrang!
HATEM
Ganz wie im reinen deutschen Minnesang!
SERAPHIM
Das Wort der Liebe preisen wir in Worten!
HATEM
Mit Maß und Reim im Himmel allerorten!
SERAPHIM
Und vor der Einen Liebe, höchstverehrten –
HATEM
Empfinden sich unendlich die Verklärten!
SERAPHIM
So schwingen wir und dringen wir durch Sphären –
HATEM
Voll Liebe mit unendlichem Begehren –
SERAPHIM
Durch Liebesparadiese fort und fort –
HATEM
Durchhaucht das Paradies von Gottes Wort –
SERAPHIM
Mit Feuersbrunst und Leidenschaft der Triebe –
HATEM
Wir beten an die Macht der Schönen Liebe –
SERAPHIM
Die Ewige Schöne Liebe makellos –
HATEM
Und sinken, ah, der Liebe in den Schoß...
DRITTER AKT
ITHURIEL
Mein ewiger Student, ich grüße dich,
Der Engel von dem Jupiter bin ich,
Der Engel jovialer Freundlichkeit,
Großzügiger charmanter Heiterkeit,
Gott schickt mich und ich komm in Engels-Demut,
Dich aufzuheitern von der Schwermut Wehmut.
STUDENT
Verehrter Engel, schimmernd wie der Zinn,
Wo ist denn alle meine Wehmut hin?
Ich war umnachtet! Nun ist alles hell!
ITHURIEL
Ich bin der himmlische Ithuriel,
Zinnteller sind mein eignes Element,
Der ewige Student der Weisheit kennt
Doch die Erleuchtung durch der Weisheit Zinn?
STUDENT
Ich suche zwar die Weisheit, doch ich bin
Noch fern, sie zu erkennen. Zwar ich rief,
Doch alles ist so unergründlich tief,
In mir ist keine menschliche Vernunft!
ITHURIEL
Doch um so stärker ist des Tieres Brunft
In dir, des Hengstes und des Esels Kraft,
Ist ungeordnet deine Leidenschaft,
Ist brennend dein Begehren, dein Verlangen,
Die Weisheit lehren dich die Feuerschlangen!
STUDENT
Wie überall die Feuerschlangen prassten,
Von allen Seiten! Doch ich muß nun fasten.
ITHURIEL
Ich weiß, du willst ein Fastenbruder sein,
Asketisch fasten – bei Tabak und Wein!
Ein Weinschlauch bist du, der da hängt im Rauch!
Doch das ist eitel, das ist nichts als Hauch.
STUDENT
Ich möchte fasten! Beten, beten, beten!
Frau Armut sei von mir erwünscht, erbeten.
ITHURIEL
Frau Armut hüllt dich in befleckte Lumpen,
Doch reicht sie reichlich dir den vollen Humpen!
STUDENT
Ich will kein Gold, ich will nur Philosophie!
Und darum preise ich die Melancholie!
Der Spaß der Welt ist doch ein Seelenschlummer,
Den Geist erweckt allein ein rechter Kummer!
Drum, wenn ich sterbe fast vor Weh und Jammer,
Dann küsst Frau Weisheit mich in meiner Kammer!
ITHURIEL
Frau Weisheit ist es, der du dich geweiht,
Die schickt den Engel dir der Heiterkeit,
Daß dich nicht schlingt hinab der Schwermut Rachen,
Heut sollst du einmal wie die Engel lachen!
STUDENT
Frau Weisheit will die frohe Wissenschaft
Mir schenken, die die Menschen glücklich schafft?
ITHURIEL
Du sollst die großen Philosophen sehen,
Sollst heute von den Toten auferstehen
Und leben selig wie im Himmelszelt
Mit Geistern schon in der Ideenwelt.
Wen also willst du sehn, wen willst du zwingen,
Wen soll der Engel Jupiters dir bringen?
STUDENT
Den Zarathustra oder Zoroaster,
Des Morgensternes gute lichte Aster!
ITHURIEL
Den Zarathustra also, Zoroaster?
Man wähle eben Tugend oder Laster,
Ein jeder schaue selbst, wie er da wähle.
Doch kann ich leider Zarathustras Seele
Nicht dem Studenten magisch herberufen
Hinab der lichten Himmelstreppe Stufen,
Denn Zarathustra mit den Sonnen-Zofen
Studiert im Jenseits einen Philosophen,
Der antichristlich mit dem Bart am Mund
In Zarathustras Namen lallte Schund!
STUDENT
Dann rufe mir den Dichter-Weisen Orpheus!
ITHURIEL
Berauscht von Mohnmilch aus dem Horn des Morpheus
Der Dichter aller Dichter ruht, der Heros
Der Muse, ruht erlöst vom Mittler Eros
Eurydice im Arm im Ozean
Des Fixsternhimmels auf dem Sternbild Schwan!
Den Dichter Orpheus darf ich heut nicht wecken,
Wir wollen andre Philosophen necken.
STUDENT
Dann rufe mir herab Pythagoras!
ITHURIEL
Pythagoras, den Meister, willst du das?
Sagt er dir etwas, sag nur: Autos epha!
Der Meister sagt es! Doch bei Mutter Eva
Pythagoras ist in dem Garten Eden,
Mit Abel von der Mathematik zu reden,
Gleichzeitig dort den Bohnenstock zu pflegen
Und zu besprechen mit geheimem Segen,
Weil seine Ahnen in verklärten Röcken
Für immer leben in den Bohnenstöcken!
Ich ruf ihn nicht, bei Mutter Evas Nabel*,
Soll doch der Zahl Geheimnis lernen Abel!
(* Die Theologen diskutieren noch, ob Mutter Eva mit einem Nabel
erschaffen worden ist.)
STUDENT
Dann rufe mir den göttergleichen Plato!
ITHURIEL
Ja, wirklich Plato? Oder lieber Cato?
So also Plato? Bist du sicher des?
Den Plato? Oder lieber Sokrates?
Mit Plato aber kann ich dienen nicht,
Er schaut in einem Spiegel voller Licht
Die ewigen Ideen an in Tänzen,
Die schönen Nymphen mit den Ruhmeskränzen,
Und ist verliebt (nur nicht die Nase rümpfe!)
In Sankt Urania, der Schönheit Nymphe!
Der weise Plato ist so sehr verliebt,
Daß er nicht Unterricht in Weisheit gibt,
Will nur in paradiesischen Genüssen
Den Mund der Himmels-Aphrodite küssen!
STUDENT
Dann rufe Plotin aber doch hernieder!
ITHURIEL
Da ist es aber ganz das Gleiche wieder.
Auch Plotin glüht, wie er auf Erden glühte,
Im Himmel für die Himmels-Aphrodite!
Auch er darf dort die Aphrodite küssen,
Sie geizt nicht mit dem Spenden von Genüssen!
So trunken küsst er Aphrodites Mund,
Ich darf ihn rufen nicht zum Erdengrund,
Denn er will lehren nicht geheimes Wissen,
Will nur die Schönheit küssen, küssen, küssen!
STUDENT
Wen aber bringt, o Engel, mir dein Flügel?
ITHURIEL
Ja, denke dir! Ich bring dir Eulen-Spiegel,
Dich zu erheitern in der Langenweile,
Ist ein Symbol der Weisheit doch die Eule,
Der Spiegel finde auch bei dir Verwendnis,
Der Spiegel helfe dir zur Selbsterkenntnis,
Die Selbsterkenntnis und die Weisheit, Siegel
Des Weisen, will dich lehren Eulen-Spiegel!
STUDENT
Auf Eulenspiegels Weisheit will ich harren,
Die größten Weisen sind zuletzt die Narren!
ITHURIEL
Doch Eulenspiegel ist ein froher König,
Die Wabe spaltend, leckt er an dem Hönig!
STUDENT
Mein Engel, bei dem Vater aller Lichter,
Ruf doch herab die beiden deutschen Dichter,
Laß Friedrich Schiller blasen seine Flöte,
Die Zymbel streiche Johann Wolfgang Goethe!
ITHURIEL
Kommt, Geister, aus dem Paradies! O Hatem,
Vom Liebesflüstern laß mit heißem Atem
Und komm von deiner Huris Huri, Haura!
O Schiller, dich entring dem Arm der Laura,
Ist auch der Weltenbrand euch Hochzeitsfackel!
Der Narr hier, melancholisch wie ein Dackel,
Steht hier, euch wie Propheten zu erharren,
Kommt, Seher Deutschlands, kommt zum deutschen Narren!
GOETHE
Mein Herr, vor Lilith mit den langen Haaren
Soll Pan-Sophia ewig dich bewahren!
SCHILLER
Sophia oder Jesus Nazarenus,
Sophia flieht noch immer, naht die Venus!
GOETHE
Soll ich zitieren dir die Harlekine?
SCHILLER
Suchst du gar die kokotte Colombine?
GOETHE
Soll ich Pierrot dir rufen aus der Hölle?
SCHILLER
Verlangst du etwa auch nach Pulcinelle?
GOETHE
Willst Corallina setzen auf den Ehring?
SCHILLER
Brautzeuge soll dir sein der Pickelhering?
GOETHE
Das Festmahl gebe Jean Pottage dazu!
SCHILLER
Soll schließlich aus der Peking-Oper Chou
Euch schließen lächelnd eure Augen zu.
GOETHE
Frau Torheit und der Tor – nun gute Ruh!
ITHURIEL
Wer fehlt dir noch? Beim Suppentopf von Martha,
Wen suchst du noch?..........................................
STUDENT
..................................Ach, Helena von Sparta!
ITHURIEL
Die Schwangezeugte, die der Gott als Schwan
Gezeugt, die Schwanin auf der Wellenbahn,
Mit weißem Schwanenbusen schöngebrüstet,
Mit langem Schwanenhals! Nach ihr dich lüstet,
Eurotas Schwanenmädchen Helena,
Dem Bild der göttlichen Urania?
GOETHE
In goldner Morgenzeit wird sie gefunden,
Doch suche nicht die Hündin bei den Hunden,
Die Schönste aller Schönen, ohne Fehle,
Erkenne sie im Morgentraum der Seele!
STUDENT
Wer kann wie diese Helena betören?
Ithuriel, du musst sie mir beschwören!
ITHURIEL
Nun aber – leider! – ist die Schönheitsgöttin
Vermählt mit Menelas als Ehegattin.
Du willst doch werden nicht ein Ehebrecher?
Ich bring dir aber Schönheit, wilder Zecher,
Ich bring (bei Muschi von dem Stamme Levi!)
Dir von der Nachdurst-Gasse Fräulein Evi...