SOPHIA - EIN DIALOG

VON TORSTEN SCHWANKE


Es ist nicht eindeutig geklärt, was Sophia bedeutet. Einige wollen diesen Begriff mit ‘Weisheit Jesu Christi’ übersetzen. Dieser Titel würde nur besagen, daß der Inhalt die Unterweisung Jesu ist, d.h. die den Jüngern offenbarte ‘Weisheit’. Andere dagegen wollen Sophia unübersetzt lassen; dann ist Sophia der Name eines Lichtwesens, eines Wesens also, das in der Tat ‘hier als weiblicher Aspekt der schöpferischen Kraft eine große Rolle’ spielt.“

(Anmerkung zu „Sophia Christi“)

CYGNUS:

Wer bist du, göttliche Sophia, wer

Bist du, die aufsteigt wie die Morgenröte,

Wer bist du im Geheimnis Gottes, sprich!

SOPHIA:

Hab ich dir nicht gesagt, ich bin die Rose

Von Jericho, vom Libanon die Zeder,

Der Ölbaum in der Ebene, die Myrrhe?

CYGNUS:

Bezaubert war ich gleich von deiner Schönheit,

Sind doch die Vielgeliebten schöne Blumen

Dem Minnesänger, den sich Gott berufen.

SOPHIA:

Ich bin der Weihrauch in des Stiftes Hütte

Und Myrrhe, Narde, Aloe und Zimt

Und gelte auch als Heiligen Geistes Öl.

CYGNUS:

So bist du nicht nur eine schöne Frau,

Wie sie verehren kann der Minnesänger,

So bist du auch das Innere der Kirche,

Das da erahnen kann der Jünger Jesu.

SOPHIA:

Ich bin hervorgegangen aus dem Mund

Des Ewigen, vor der geschaffnen Zeit,

Und alles, was da wurde, ward durch mich.

CYGNUS:

So bist du nicht nur eine Vielgeliebte

Und nicht allein die Seele in dem Tempel,

So bist du das Mysterium des Herrn!

SOPHIA:

Ich suchte meine Wohnstatt auf der Erde

Und war als Veda einst in Hindustan

Und war als Tao einst im Reich der Mitte

Und war der Isis Schleier in Ägypten

Und Kultus der Mysterien in Hellas

Und war in Rom die Sehnsucht nach dem Heiland.

Dann aber wohnt ich in der Tochter Zion.

CYGNUS:

Du locktest mich am Anfang meines Glaubens,

Als ich dich pries, doch dich noch nicht erkannte.

SOPHIA:

So war ich Hagia Sophia einst

In Kiew in der ersten Kirche Rußlands

Und doch verstand das Volk nicht mein Geheimnis.

Doch die, die ich erwähle, mich zu lieben,

Die grüße ich von fern in schöner Minne.

Und wenn sie Sehnsucht dann nach mir bekommen,

Verberg ich mich, daß sie mich sehnlich suchen.

CYGNUS:

Was hab ich denn gelernt, als du im Dunkel,

Mir unbewußt, vor mir verschwunden warst?

War ich auf einem Irrweg denn, Sophia?

SOPHIA:

Die sich dem Herrn vertraut, die führt der Herr

Durch seine Vorsicht und durch seinen Geist.

Du gingst in Neuen Testamentes Schule

Und lerntest jedes Gleichnis Jesu kennen

Und die Bedeutung seines Kreuzestodes.

Ich lehrte dich das Fundament: das Kreuz!

CYGNUS:

Was blieb ich nicht beim Fundamentalismus?

SOPHIA:

Ein Fundament allein ist nicht genug,

Ein Haus muß auch darauf gebildet werden.

CYGNUS:

Was unternahmest du, mein Haus zu bilden?

SOPHIA:

Ich sandte dir den Geist der Weisheit, der

Anbetung ist und Dank und Lobgesang

Und Tröster, ließ die Süßigkeit dich schmecken,

Die in des Heiligen Geistes Freude ruht.

CYGNUS:

Auch die ging mir verloren, o Sophia,

Was mußte ich doch in die tiefe Trübsal?

SOPHIA:

Das Kreuz des Christus zu betrachten ist

Allein doch nicht genug, man muß auch leiden,

Auch tragen muß der Christ sein eignes Kreuz.

Ich lehre meine Jünger mehr im Leiden,

Wenn sie ihr Kreuz dem Kreuz des Herrn verbinden,

Als in der Süßigkeit und Fröhlichkeit.

Wie viele ziehts zum Berge der Verklärung,

Nur Auserwählte zu den Leiden Christi!

CYGNUS:

Das Evangelium ist Freudenbotschaft

Und mir allein wird Trübsal nur zuteil?

SOPHIA:

Ich bin ja keine sterbliche Geliebte,

Die dich zu Tanz und Wollust locken will.

Was ich verstehe unter wahrer Freude,

Was ich verstehe als den Sinn des Lebens,

Ist, mir in Jesus Christus gleich zu werden

Und mir sich durch das Leiden zu vereinen.

Denn wenn der Herr den Weg der Schmerzen ging,

So muß der Jünger auch den Kreuzweg gehen.

Dein Kreuzesleiden ist wie eine Hochzeit,

In der du dich vereinigst mit dem Herrn.

CYGNUS:

Da kann ich aber wenig Freude spüren.

SOPHIA:

Du sinnliches Geschöpf, Gefühl allein

Kann deinen Gottesglauben nicht begründen,

Du mußt aus einem reinen Glauben leben,

Aus nacktem Glauben an die bloße Gottheit!

Die Freude ist des Seelengipfels Freude,

Ist wahre Freude in dem Heiligen Geist,

Unähnlich völlig weltlichem Vergnügen.

So freu dich allezeit im Herrn, ich sage,

Freu allzeit dich im Herrn, freu dich im Leiden!

CYGNUS:

Das kann ich glauben wohl, wenn auch nicht fühlen.

Als Kreuz will ich auch meine Leiden tragen

Und Jesus ähnlich werden durch das Kreuz.

Was aber, wenn mein Kreuz darin besteht,

An meiner eignen Leidenschaft zu leiden?

Die Marterzeugen starben schnellen Tod

Für ihren Glauben an den Christus Jesus,

Mein Leiden ist doch kein Martyrium,

Nicht einmal das Martyrium der Minne,

Ich leide an der fleischlichen Begierde.

SOPHIA:

Sei nur getrost, du sinnliche Natur.

Wer durch der Leidenschaften Fegefeuer

Mit festem Glauben treu hindurchgeschritten,

Der kann erreichen meine Apatheia,

Die Seelenruhe einer frommen Seele,

Was nicht das Fehlen aller Leidenschaft,

Was mehr die Ordnung aller Leidenschaft

In innrer Harmonie von Geist und Fleisch,

Wobei der Geist der König und das Fleisch

Die Magd ist. Alle deine Leidenschaft

Verwandle du in Lustbegier nach mir!

CYGNUS:

Ich will dich lieben, meine Kraft und Zier,

Und Liebe dir und Leidenschaften widmen

Und dich, wie Salomo, zur Braut erwählen.

Doch kann ich lieben nicht, was ich kaum kenne.

SOPHIA:

Vertrau darauf, daß ich dich auserwählt

Und dir nach mir die Sehnsucht eingegeben.

Ich werd dir nach und nach die Schleier lüften,

Mich immer mehr dir offenbaren, Freund,

Bis du im Himmel bloße Gottheit schaust!

CYGNUS:

Beginne, deine Schleier mir zu lüften!

SOPHIA:

Du weißt, die Juden suchen Gottes Wunder,

Die Griechen aber suchen Gottes Weisheit,

Und ich bin Gottes Kraft und Gottes Weisheit.

Du aber, der du einst ein Heide warst

Und nun durch Gottes Huld ein Christ geworden,

Du bist in meinen Augen wie ein Grieche,

Darum komm ich zu dir als Gottes Weisheit.

CYGNUS:

Ja, du hast recht, ich bin ein Grieche, bin,

Der Gottes Schönheit zu erkennen sucht.

SOPHIA:

Ich selber bins, die Platon inspiriert.

Wenn ich mich ihm nicht völlig offenbart,

So nur, weil noch die Zeit nicht reif dafür.

Suchst du im Himmel aber Gottes Schönheit,

Beginne du die Schöpfung anzuschauen,

Dann wend dich zum Mysterium der Seele

Und such dich in dir selber zu erkennen.

Betrachte Gottes Boten, Gottes Engel,

Die Meisterwerke auf den Morgensternen,

Erkenn die cherubinische Erkenntnis,

Entbrenn in Liebe wie die Seraphim.

Dein Engel wird dich langsam höher leiten

Bis zu der Welt platonischer Ideen,

Da jedes Dinges Urbild wohnt in Gott.

Lieb die Gemeinschaft aller Heiligen,

Glückseligen und gottesfrommen Geister,

Die Marterzeugen, Jungfraun und Bekenner,

Propheten, Patriarchen und Apostel,

Und wirk dein Heil in Furcht und Zittern, Seele,

Denn du wirst nahen Gottes weißem Thron!

Und wenn du schier vergehst vor Gottesfurcht,

Aus Furcht vorm Heiligsten der Heiligen,

Dann wende im Gebete dich an mich,

Ich bin die linde milde Schönheit Gottes,

Versöhnung bin ich, Frieden bin ich, Seele,

Bin deine Meisterin und deine Mutter.

Ich bin die ungeschaffne Weisheit Gottes

Und du schaust mich in der verklärten Menschheit!

CYGNUS:

Erkenn ich das, dann steigen in mir Tränen

Der Reue und der Buße auf, Sophia.

Ich fühle deine grenzenlose Gnade,

Die nur das Eine von mir fordert: Liebe!

SOPHIA:

Ich bin der Rosenbusch von Jericho,

Geheimnis schmerzensreicher Liebe, Seele,

Ich bin die Myrrhe und ein Wohlgeruch,

Des Kreuzes heiliges Mysterium,

Ich bin der Ölbaum in der Ebene,

Ich bin die Weisheit deiner Einsamkeit,

Ich bin die Zeder auf dem Libanon,

Bin deine Königin, du bist mein Sklave.

CYGNUS:

Ich will dein Sklave sein mein Leben lang,

Wie aber harr ich aus und halt die Treue?

SOPHIA:

Dazu eröffn’ ich ein Geheimnis dir,

Das nur den Auserwählten anvertraut:

Verehre meine Mutter, Sankt Maria!

CYGNUS:

Du weißt, ich liebe Sankt Maria sehr

Als Unsre Liebe Frau und Gottesmutter.

SOPHIA:

Nun sag ich dir, wie du sie lieben sollst:

Du weih dich ihrem Unbefleckten Herzen

Und in Marien Unbeflecktem Herzen

Der Allerheiligsten Dreifaltigkeit!

CYGNUS:

Das hab ich auch getan, mehr noch getan,

Ich hab mich Unsrer Lieben Frau verlobt!

SOPHIA:

Du kannst es nicht ermessen, kleine Seele,

Wie sehr dies meinen Geist zutiefst erfreut,

Wie meine Seele darob jubiliert

Und wie mein Herz zutiefst befriedigt ist.

Du wirst es erst im Paradies ermessen,

Was du getan, als du dich Sankt Maria

Mit Leib und Seele völlig übereignet!

CYGNUS:

Ja, ward ich nicht ins Paradies versetzt?

SOPHIA:

Ekstase schenkt ich dir und zeigte dir

Den Garten Eden, ersten Freudengarten,

Ich lehrte dich die Mystik der Muslime,

Die in der irdischen Gestalt der Liebe

Der himmlischen ein Ebenbild gestaltet.

Doch leider hast du all dein Herz gehängt

An deine irdische Geliebte, die

Nicht Liebe ist, drum fielst du in den Tod.

CYGNUS:

Was weckte sie in mir doch solchen Jubel

Und ward zu solcher schrecklichen Versuchung,

Daß ich mir selbst das Leben nehmen wollte?

SOPHIA:

Erscheint dir denn nicht auch, daß ich dir sage,

Was ich zu meinem lieben Seuse sagte?

Dich locken die Geschöpfe, ihre Schönheit,

Du hälst sie all für schöne rote Rosen

Und findest doch die Dornen nur an ihnen,

Die Dornen kränzen dir dein Herz, o Mensch,

Da rufst du wiederum zu meiner Gnade.

Ich hab dich für die Rosen nicht erschaffen,

Nicht für die Rosen, die im Herbste welken,

Ich hab dich für die ewige Idee

Der Rose, die in Gott erblüht, geschaffen!

Ich will dich für mich selbst! Das glaube nur.

CYGNUS:

Wie dank ich doch von Herzen deiner Mutter,

Die ist nicht nur in Sommerfreuden nah,

Die ist mir auch in Winterschmerzen nah.

SOPHIA:

Versenkst du dich in der Madonna Leben,

So ist das dir der Sicherste der Wege,

Zu finden mein Geheimnis, o mein Freund.

Da bin ich dir dein Bruder, o mein Bruder,

Wir saugen an der selben Mutter Brüsten.

Und willst du freien, Mann mit schönem Herzen,

So findest du die Frau, die du dir freist,

Glorwürdig sitzen auf der Weisheit Thron.

Und denkst du dann an Gott und nennst ihn Vater,

Verwandelt sich der Vater dir durch mich

In einen Bräutigam für deine Seele!

CYGNUS:

Besonders dank ich dir für das Geschenk

Des heiligen Montfort, sein Goldnes Buch!

SOPHIA:

Der Heilige ist mein erwählter Sklave.

CYGNUS:

Und wieder paradiesische Genüsse

Erquickten meine Seele mit der Labsal

Der Frucht des Lebens von dem Baum des Lebens!

SOPHIA:

Ich lehr dich Demut, sinnliche Natur,

Ich zeige dir, daß du aus Humus bist,

Verzag nicht, ich gedenke, daß du Fleisch bist!

Ja, mehr noch: Ich bin selber Fleisch geworden

Und blieb doch rein in meiner Göttlichkeit,

Um dich aus deinem Fleische zu vergotten!

CYGNUS:

Mir scheint, du zeigtest mir die Himmelsleiter,

Die Diotima Sokrates gezeigt?

SOPHIA:

Der Traum, den die Hellenen einst geträumt,

Als die Vergöttlichung des Fleisches in

Gestalt der Aphrodite, träumtest du,

Und wusstest doch, es war ein eitler Traum.

In Wirklichkeit begegnete dir schön

Die irdische Geliebte voller Anmut,

Doch leider, o mein Jünger, ohne Glauben.

Da meintest du, die Huri des Koran

Sei die Idee der irdischen Geliebten,

Von Gott dir in dem Paradies gegeben.

Was aber Liebe ist im Himmelreich,

Hab ich in Magdalena dir gezeigt,

Die dem Messias sich in Brunst vermählt

Durch reiche Buße ihrer Fleischessünden

Und durch die Liebe heiligen Gebets.

Dann zeigt ich dir die Schönste aller Frauen,

Die meiner Liebe gleichgestaltet ist,

Sie liebte dich, ich meine Sankt Maria.

CYGNUS:

Ach, träumte Jakob denn nicht auch dereinst

Den Traum von deiner Himmelsleiter, sah

Die Himmelspforte offen, sah den Herrn?

SOPHIA:

Ich zeigte mich dir selber, Jesus Christus,

Der in das Kreuz steigt als den Lebensbaum

Und Trauben wandelt in ein Sakrament.

CYGNUS:

Ich bin doch ungetreu dem Sakrament.

SOPHIA:

Um dich erneut zu mir zu ziehen, Freund,

Gab ich dir schwerer Seelenleiden Gnade.

Du setztest allzuviel Vertrauen auf

Die irdische Geliebte, deine Hoffnung

War allzusehr die Liebe deiner Schwestern,

Die ich dir darum insgesamt entzog,

Auf daß du keinen Trost der Erde mehr

In deiner Trübsal schmeckst, vielmehr allein

Zu mir ausschauest nach dem Trost des Himmels.

CYGNUS:

Wie war mir meine Seele doch verwundet!

Da dank ich dir für deiner Mutter Trost.

SOPHIA:

Hast du denn auch gut acht gehabt, o Seele,

Was meine Mutter dir im Leiden tat?

Als du ihr alle deine Leiden klagtest,

Womit hat dich die Trösterin getröstet?

Sie zeigte dir die Leiden meiner Menschheit,

Dir meine Einsamkeit im Ölbaumgarten,

Dir meine Striemen, die die Geißeln schlugen,

Dir meines Hauptes scharfe Dornenkrone,

Dir meine Kreuzesleiden, meinen Tod.

Was dir Maria tat zu deinem Trost,

War dein und mein Leid zu vereinigen!

CYGNUS:

Da litt ich deine heilige Passion

In meinen Leiden mit, als auch die Kirche

Gedachte der Stationen deiner Leiden,

Und hab ich nicht gebetet? war ich doch

Gebet in jeder Faser meiner Leiden!

Doch als die Kirche dann den Jubel sang

Vom schönen Ostertage Jesu Christi,

War ich noch immer in der Seele Nacht!

SOPHIA:

Ich habe dir durch Kierkegaard gezeigt,

Wie du dein Leiden meinem weihen sollst.

Denn meine Menschheit war ja nichts als Leiden,

Als sie geleuchtet in der Finsternis.

Doch schau, die Auferstehung meiner Menschheit

Hat dir des Heiligen Geistes Glut geschenkt,

Der Liebe Flamme, die in dir gebrannt,

Als ich mich dir als schöne Weisheit zeigte.

CYGNUS:

Wie hat mir doch das Leiden Frucht gebracht,

Daß in der Nacht du meinen Geist bereitet,

Von Gottes Weisheit Dinge zu verstehen,

Die ich mir nie erfinden hätte können,

Vor allem meine ich die schöne Weisheit

Von Gottes großem Eros, mir zum Heil.

SOPHIA:

Und wieder war es meine Mutter, Freund,

Die unterrichtet dich von Gottes Eros.

CYGNUS:

Ich schaute byzantinische Ikonen

Vom Leben mir der Gottesmutter an.

SOPHIA:

Da habe ich von Dionysios,

Dem weisen Areopagita dir

Die erste Kunde in den Geist gegeben,

Der da der Vater aller Mystik ist.

Schau, Gottes Licht ist unaussagbar licht,

Schau, Gottes Herz ist grenzenlose Liebe.

Die Gottheit, die unendliches Geheimnis

Der Liebe ist, sie offenbart die Liebe

Und teilt die Liebe ihrer Schöpfung mit,

Erzengeln, Mächten, Thronen und Gewalten,

Den Heiligen, den Geistern und den Engeln

Und allen Gläubigen, den Erdenpilgern.

Das Licht, das lichter als die Sonne ist,

Wird im Geschöpf zu einem finstern Licht.

Die Liebe, mit der Gott den Menschen liebt,

Ist in dem Menschen selber Gottesliebe.

Es ist die Liebe Gottes, die im Menschen

Die Liebe zu der Gottheit brennen läßt.

Denn Gott allein liebt Gott im Heiligen Geist!

Das aber nannte Dionysios

Den großen Eros Gottes, der da brennt

Und will erotische Vereinigung

Des Menschen mit der Gottheit durch die Liebe!

CYGNUS:

Zu klein bin ich, um solches zu verstehen.

SOPHIA:

Ich weiß. Und darum gab ich dir zu Hilfe

Den Pater, der ein Sohn Sankt Benedikts.

Er sollte dir von Eros und von Mystik

Und von dem gotterwählten Brautgemach

Als Allerheiligstem des Herzenstempels

Das sagen, was du wissen solltest, Seele.

CYGNUS:

Ist meine Seele, Herr, auch sehr verwundet,

So ist doch Gott die Seele meiner Seele,

So ist in meines Herzens Dornengarten

Doch der verschlossne Garten tief verborgen,

Da heilig blüht die rosa mystica.

SOPHIA:

Du suche dieses Allerheiligste

Des Herzens, den verschlossnen Garten, oft

In Sammlung und Betrachtung und Gebet

Als Gast des eignen Herzens auf und du

Wirst merken, daß du eine Heimat hast

Und daß du heil in deinem Herzen bist,

Bist du in deines Herzens Herz, in Gott.

CYGNUS:

Und gabest du Maria nicht den Schlüssel

Zu meinem Herzen, Herr der Herzensschlüssel?

SOPHIA:

Du ahnst es und du darfst es glauben, Seele,

Denn ich in meiner Weisheit hab bestimmt,

Daß alle meine Gnaden durch Maria

Zu dir, mein Auserwählter, fließen sollen.

CYGNUS:

Und wenn ich nun das Allerheiligste

Des Herzens, den verschlossnen Garten, ahne

Und schau im Licht die rosa mystica,

So lebt in mir ein minnereiches Du.

Wer aber ist das Du der Herzensminne?

SOPHIA:

Ich bin es selbst! Doch ich begegne dir

Durch die Gestalt der Lieben Frau Maria.

Vom Eros bist du oftmals überwältigt

Und von den Leidenschaften deines Fleisches,

Der du die irdische Geliebte gar

Verklärst zu einer göttlichen Erscheinung

Und willst den Weg aus diesem Tal der Tränen

Zum Himmel finden durch die Frauenliebe

Und nennst es Religion der Minne. Aber

Hast du vergessen, was die Protestanten

Von Religion und Offenbarung sagen?

Die Religion geht von der Erde aus,

Die Offenbarung kommt vom Himmel her.

So komm ich dir vom Himmelreich entgegen

Und werd als Gottheit zur Geliebten dir

Durch die Vermittlung Unsrer Lieben Frau.

CYGNUS:

Soll so die Mystik und der Eros denn

In meiner ganz besonderen Natur

Gemäß dem Plane deiner Vorsicht mir

Den Weg zur mystischen Vereinigung

In dir, Sophia, durch die Minne zeigen?

SOPHIA:

Ich zeige dir zwei Gottbegnadete:

Die Magdeburger Mechthild zeig ich dir,

Die hoher Art verzückt von Jesus-Minne,

Die liebte mich in meiner Gottheit ganz

Und schaute mich in meiner Menschheit an

Und sang den Minnesang des Heiligen Geistes.

Und ich erinnre dich an Sankt Johannes

Vom Kreuze, der in seinem Liebeslied,

Das er in seiner dunklen Nacht gesungen,

Die Seele war, die Braut des Christus ist.

CYGNUS:

Ich ehre diese Gottbegnadeten

Und liebe sie, die auserwählten Seelen.

Doch spüre ich in meiner Seele, Herrin,

Daß ich den selben Weg nicht gehen kann.

SOPHIA:

Und weil du weißt, die Weisheit ist allwissend,

Drum weißt du auch, daß ich dich ganz erkenne.

Und darum zeige ich dir Heinrich Seuse,

Denn ihm ist Jesus eine Braut geworden,

Und er ward mir, der Weisheit, Minnesklave.

CYGNUS:

Was lehrtest du den Seligen, den Seuse?

SOPHIA:

Ich sagte ihm: Ich habe dich bewahrt

Vor den Geschöpfen, die du dir ersehnt

Als deines Herzens Teil und Liebesfreude,

Ich selbst, die ungeschaffne Weisheit, will

Dir, Auserwählter, deine Minne sein!

Da machte ich ihn sehr verliebt in mich,

Daß er in einem Minne-Maien lebte

Und liebte mich so sehr in seiner Jugend,

Daß einst er einen frommen Maler bat,

Die ungeschaffne Weisheit Gottes ihm

In der verklärten Menschheit schön zu malen

Als Inbild aller reinen Frauenschönheit.

Manchmal erschien ich ihm als Frau

Und manchmal auch als Jüngling Jesus, bis

Er so in mich verwandelt ward, der Christ,

Daß er begehrte, Christus selbst zu sein

In seiner Menschheit, seinen Kreuzesleiden.

Um nun die Leiden meiner Menschheit besser

Verstehn zu können, sah er zu der Mutter

Der Schmerzen, Mater Dolorosa, hörte

Wie Sankt Maria unterm Kreuze rief:

Mein Sohn, mein Sohn, was hast du mich verlassen!?

Mein Herr, mein Vater, meine Mutter, Gott!

CYGNUS:

Da hab ich mich gewundert und gefreut,

Daß Sankt Maria Jesus Mutter nannte.

SOPHIA:

Was sagte dir der Sohn Sankt Benedikts?

CYGNUS:

Die Sehnsucht nach den Frauen bliebe mir

Durch die Geschichte meines Schicksals, da

Sei Sankt Maria mir ein guter Weg,

Maria aber wolle mich zu Gott

Als Mutter führen, Gott sei meine Mutter.

SOPHIA:

Und glaubst du das von Herzen, o mein Christ?

CYGNUS:

Ich sehnte immer mich nach Gott der Mutter,

Und eine Lieblingsstelle aus der Schrift

War mir Jesajas Prophezeiung, daß

Uns Gott wie eine Mutter trösten will.

Ich sehne mich, wie der Psalmist zu sagen:

So wie ein Kind im Arme seiner Mutter,

So ist in Gott geborgen meine Seele.

Das ist mein Traum von Gott, wie ich bekenne.

Es sagen aber manche Theologen,

Maria sei die Mutterliebe Gottes.

Auch muß ich es bekennen: Mir wird fremd

Die Liturgie der Kirche, wenn dort einzig

Wird Gott geehrt im Namen eines Vaters.

Auch frag ich mich in aller Gottesfurcht,

Warum die Bibel selten Mutter sagt,

Jedoch das Evangelium Johanni

Ist wie ein Zwiegespräch von Sohn und Vater,

Und warum Jesus einzig Vater sagte

Und Paulus sagt, es ruft der Geist in uns

Zur Gottheit: Abba, Abba, lieber Vater!

SOPHIA:

Willst du des Vaters Mutterliebe kennen?

Willst du dich auf dem Wege nicht verirren

Und zu der Heiden Magna Mater kommen,

Vielmehr den Vater Jesu Christi lieben,

Der ja in seiner Vaterliebe mehr

Dir Mutter ist, als deine Mutter je

Gewesen ist, ja, Gott ist von Natur

Die Mutter deiner Seele, deines Herzens,

Die Mutter deines Geistes, deines Fleisches;

Wenn du nur liebst die Gottheit, nennst du sie

Mit Jesus und Johannes Vater oder

Mit dem Bedürfnis deiner Seele Mutter;

Wenn Gott du finden willst, so sag ich also,

Vertraue dich Marien Führung an!

CYGNUS:

Wie aber ist die wahre Mutterliebe?

SOPHIA:

Erinnre dich an jene Wallfahrtskirche,

An Unsre Liebe Frau von Schöneberg.

Du standst in der Kapelle zwischen Kerzen

Und schautest zu dem kleinen Gnadenbild

Und betetest zu deiner Braut Maria.

Was stieg in dir für ein Gefühl herauf?

CYGNUS:

In jener marianischen Kapelle

War ich zuhaus, da war mir innre Heimat,

Die heilige Kapelle im Gebet

War wie ein Gleichnis meiner innern Heimat,

Da war ich in Maria, sie in mir,

Die innre Mutter, in der Mutterheimat.

SOPHIA:

Und hat sie selber nicht zu dir gesprochen?

CYGNUS:

Mir war so: Es ergeht der Weisheit Ruf

An alle Unverständigen der Welt

In Sankt Marie von Medjugorje Botschaft!

Wie schön sind doch der Freudenbotin Füße,

Die auf den Bergen Frieden uns verkündigt!

Ich lag in einem Park im Licht der Sonne

Und las das Wort der Friedenskönigin

Und mir war da, ich wäre schon verzückt

Ins Reich der ewigen Glückseligkeit,

Weil zu mir sprach der Weisheit Jungfraumutter!

SOPHIA:

Sie spendete den Frieden dir des Himmels

Und machte dich zu einem Kind des Lichts,

Der Schönheit und der Freude in dem Geist.

Und alles, was du von dem Wort verstandest,

Das war das immerwährende Gebet

Und die Verheißung, Unsre Liebe Frau

Ist in die Welt gekommen, ihre Kinder

Das immerwährende Gebet zu lehren

Als Mittel der Vereinigung mit Gott.

CYGNUS:

Was war das doch ein segensreicher Sommer,

Da still die Leidenschaften der Natur

In mir, da nicht ich von der Qual gequält

Unglücklicher Begierde der Geliebten,

Die von der Welt ist, sondern hoch erhoben

War ich zum Himmel, anders ausgedrückt:

Maria zog mich in das Innerste

Der Seele, wie in einen innern Karmel.

SOPHIA:

Hab ich dich denn in jener Zeit nicht auch

So wunderbarer Weisheit unterrichtet

Durch jenes kleine Kind, das du so liebst,

In dem du oft den Jesusknaben siehst.

So stell dir einmal vor, du bist mir näher,

Wenn du zum Kind mit einem Kinde wirst,

Als wenn du die Gedanken der Gelehrten

In ihrer Unbegreiflichkeit erforschst.

Denn hat dir nicht auch Salomo gesagt,

Daß Gottes Weisheit wie ein Kind vor Gott

Gespielt und gerne bei den Menschen wohnt?

Der kleine Knabe mit dem guten Herzen

Vermag dich mehr zu lehren als Therese

Vom Kinde Jesus, wenn du ihn in Gott liebst.

CYGNUS:

Bewahre seine Seele vor dem Dämon,

O menschenliebende Sophia Gottes!

SOPHIA:

Ich gab dir durch den Beichtiger Teresa

Von Avila, die Innre Burg zu schauen.

CYGNUS:

O wehe meiner Narretei! wie wenig

Hab ich von jener Heiligen verstanden

Und fast in meiner Torheit nichts gelernt!

SOPHIA:

War dir denn damals nicht die Seele nah

Der heiligen Teresa mütterlich?

CYGNUS:

Ich sprach mit ihr und nannte Madre sie,

Und wenn ich an Erkenntnis nichts gewonnen

Zu haben meine, wenn ich mich nicht irre,

So hab ich doch empfunden, daß Teresa

Wie eine Mutter mich vom Himmel liebt.

SOPHIA:

Erkenntnis bläht nur auf, und nur die Liebe

Ist Anteilhabe an dem Himmelreich.

Hat dich geliebt denn nicht auch Franz von Sales,

Als Seelenhirte dich geführt wie einst

Die heilige Johanna von Chantal?

Schau, lernst du Liebe, ist es schon genug,

Wenn du dich lieben läßt und überfließt

Von jener Liebe, mit der Gott dich liebt.

Das spürtest du für deine fromme Schwester.

In jenen Tagen gab ich dir das Wort

Vom innern Kloster und der inneren

Äbtissin Sankt Maria, meiner Mutter.

CYGNUS:

Das ist so lieb von dir, o Weisheit Gottes,

Daß du mir immer wieder Sankt Maria

Zur Mittlerin der Gnaden, Braut und Mutter

Und Lehrerin der wahren Weisheit gibst.

Die Theologen, die Maria nicht

Erkennen, loben, lieben, kenn ich nicht,

Erkenn ich nicht, versteh ich nicht, allein

Maria ist mir Führerin zur Weisheit.

SOPHIA:

Wer meine Mutter liebt, dem geb ich Weisheit,

Wie ich dereinst an Solowjew getan

Und jenen orthodoxen Theologen,

Die von der Hagia Sophia sprachen.

Ich hab dir ein Geheimnis anvertraut

Durch einen orthodoxen Theologen,

Daß ich, die heilige Sophia, nicht

Allein der Logos bin, bin auch Maria.

CYGNUS:

Hat doch der heilige Montfort geschrieben,

Die Weisheit ist Person der Gottheit, Sohn,

Ist Logos Christus, göttlicher Natur.

Doch legt die Kirche oft die Weisheitstexte

Auf Sankt Maria aus, die bloß Geschöpf.

Wie hab ich das denn zu verstehen, Herrin?

SOPHIA:

Ich selber gab dir den Gedanken ein,

An Augustinus’ Wort zu denken, der

Von Christus totus sprach, dem ganzen Christus.

Die göttliche und menschliche Naturen

In der Person des Jesus Christus sind

Vereinigt mit der Kirche, seiner Braut.

Der Christus ist das Haupt, die Kirche Leib.

Und Haupt und Leib, das ist der ganze Christus.

Maria aber ist das Bild der Kirche,

Die Jungfrau ist, Messias’ reine Braut,

Die Mutter ist, die Mutter seiner Glieder.

Maria sprach für alle Menschheit, ja,

Für alle Schöpfung sprach Maria einst

Ihr Ja zu Gott: An mir gescheh dein Wille,

Als Gott die Jungfrau um ihr Ja-Wort bat,

Als Gottes unerschaffne Weisheit wollte

Fleisch werden in dem Schoß der Jungfraumutter.

So ist Maria Braut, ist mystischer Leib

Der ungeschaffnen Weisheit in dem Fleisch,

Ist makellose Braut aus reiner Gnade,

Zuvor-erlöst zur Stunde der Empfängnis

Im Hinblick auf die Kreuzesleiden Christi,

Weil in Maria sich die Weisheit Gottes

Ihr Haus bereitet, um in ihr zu wohnen,

Um einzuwohnen ihrem Fleisch, darum

Maria ward der Weisheit gleichgestaltet,

So daß Maria das aus Gnade ist,

Was ich, ich bin von göttlicher Natur!

CYGNUS:

Wenn ich in jenem frommen Sommer lebte

Im innern Kloster, in der Apatheia,

Ach, warum mußte ich erneut den Weg

Der Lust an einer sterblichen Geliebten

Und nicht allein der Lust, der Leiden auch

Als wie ein Weltkind gehn? O sag mir das!

SOPHIA:

Hast du nicht deinem Bischof gar geschrieben,

Ob du denn, wenn du Gott alleine liebst,

Von aller Frauenliebe lassen mußt?

CYGNUS:

Ich war so unzufrieden mit der Antwort,

Die mir der Sekretär des Bischofs schrieb.

Die Frau kann, liebt sie ihren Mann, ein Spiegel

Für Gottes grenzenlose Liebe sein.

Das mag wohl sein. Wie aber steht der Fall,

Wenn der Poet die schöne Muse liebt,

Sie aber liebt den Dichter nicht? Sie lächelt,

Ist sanft und schön, doch liebt sie nicht den Dichter!

SOPHIA:

Wie ging es denn dem weisen Solowjew,

Der da geliebt die Hagia Sophia

Und Freundin mich genannt und ewige Liebe?

Und doch, so sagt dir eine Philosophin,

Hat er die Frauen unerwidert immer

Geliebt. Der immer nur das Jenseits liebte,

War in den Dingen dieser Erde Tor!

Ich zeige dir dies Beispiel, dir zum Trost.

Das mußt du wissen, daß es Seelen gibt,

Geschaffen für die grenzenlose Liebe,

In Wahrheit dürstend nach der Liebe Gottes,

Die immer wieder sich nach Frauen sehnen.

Freund, denke nur an Salomonis Harem!

CYGNUS:

Wir Toren in der Liebe dieser Erde,

Wir finden nicht der Liebe Lebensquelle

Und suchen nur die rissigen Zisternen!

SOPHIA:

Erkenne nur, daß du ein Tor bist, Christ,

Dann kann ich dir die wahre Weisheit geben.

Erkenne deine Schwachheit, o mein Freund,

Und laß an meiner Gnade dir genügen.

Bedenke auch, o Seele, alle Dinge

Gereichen einem Gläubigen zum Besten.

CYGNUS:

Kannst du verwandeln meine Torheit, Weisheit,

Kannst du den Sinn mir meiner Torheit zeigen?

SOPHIA:

Du trage nur geduldig die Passion,

Denn erst, wer durch die Leidenschaft hindurch

In Weh und Tränen ging, der kommt zur Ruhe

Der Seele in der wahren Apatheia,

Der Ausgeglichenheit der Leidenschaft

Und Ordnung aller Leidenschaft auf Gott.

Ich aber habe auch zum Trost für dich,

Daß deine irdische Verliebtheit nicht

Vergebens, lebst du immer im Gebet

Und weihst die irdische Verliebtheit Gott.

Das sagte dir die Dichterin dereinst,

Ich meine die katholische LeFort,

Als sie von Sankt Maria und der Muse

Dem charismatischen Poeten schrieb,

Die Muse sei Vikarin Sankt Mariens.

Glüht mystische Erotik in der Minne,

Wird sie zum Bild des Eros in der Mystik.

Liebst du die Schöne wegen ihrer Schönheit,

Des Leibes Schönheit und der Seele Schönheit,

Wird sie zum Bilde dir der Schönheit Gottes.

Erbarmst dich ihrer wegen ihrer Armut,

Wird sie zum Bild der Armut Jesu Christi.

So zeigt ich dir, der du barmherzig warst,

Die Armut und die Ohnmacht deiner Schönen,

Und was ich dir gezeigt, war die Passion

Der ungeschaffnen, menschgewordnen Weisheit.

Und deine Sehnsucht nach Vereinigung

Mit der Liebreizenden, Holdseligen,

Ward dir in deinem Geist durch meine Gnade

Zur Sehnsucht nach der schönen Weisheit, ja,

Der Hochzeit göttlicher Vereinigung!

Drum sei du nur getrost. Ich bin zu Gott

Die Mittlerin, gottmenschliche Person,

Maria ist zu mir die Mittlerin,

Und wenn ich will, so nimm die Schöne, die

Du liebst, zur Mittlerin zu Sankt Maria.

CYGNUS:

Und meditierte ich das Herz Mariens,

Durchbohrt vom Schwerte ihrer Mutterschmerzen,

Und meditierte ich die Wunden Jesu

Als Quell der Liebe und Barmherzigkeit,

Das alles sprach mir von der Nächstenliebe,

War ein Gebot des Herrn, der Frau zu helfen,

Als Zimmermann der Schönen beizustehn.

Wie waren manchmal unsre Seelen eins!

Vereinigt waren wir durch reine Freundschaft.

So wollt ich immer mit ihr leben, ja,

Marien Stellvertreterin mir freien.

SOPHIA:

Und wolltest doch Maria selber freien.

CYGNUS:

Weil die Geliebte ähnlich war Maria,

Darum erbat ich von Maria sie.

SOPHIA:

Maria sah dir diesen Weg nicht vor,

Sie wollte selber dir Gemahlin sein.

CYGNUS:

Wie mich die sterbliche Geliebte auch

Enttäuscht in ihrem Nein und ihrem Undank,

Die himmlische Geliebte kam

Als Unsre Liebe Frau der Weihnachtsfreude

Und lohnte mir das Werk der Nächstenliebe

Mit ihrer himmlischen Erscheinung, Liebe

Und nichts als Liebe war es, was sie schenkte!

Maria und ihr Sänger tanzten gar,

Maria brachte ihn zu Bett und schlief

An seiner Seite, weckte ihn am Morgen,

Als er geschlafen zwischen ihren Brüsten,

Mit einem Kusse ihrer süßen Minne...

O Seligkeit und Überseligkeit!

Weltabgewandtheit, Aufenthalt im Himmel!

SOPHIA:

Ich danke dir für deine Dankbarkeit,

Mit der du Sankt Maria lobgepriesen,

Weil sie dich heimgesucht zur Weihnachtszeit,

Drum sangest du ihr das Marienleben

Ein halbes Jahr mit aller deiner Kunst.

Und was dein Dankgebet und Lobgesang,

Hat meine Mutter in dem Paradies

So sehr gefreut, daß sie dir wiederum

Geoffenbart die Hagia Sophia.

CYGNUS:

Wir nehmen Gnade über Gnade von

Maria, aller Gnaden Mittlerin,

Der Ewigen Weisheit Mutter, Thron und Herrin!

SOPHIA:

Die heilig, apostolisch und katholisch,

Die Kirche ist dem Christen eine Mutter,

Aus ihrer rechten Brust fließt lauter Trost,

Aus ihrer linken Brust die süße Weisheit.

Maria ist die Mutter Jesu und

Sie ist auch des geheimen Leibes Mutter.

Sankt Bernhard gar, Marien Minnesänger,

Lobpries die Mutter Jesus, die den Kindern

Die lautre Milch der Gottesliebe spendet

Aus seinen Wunden und aus seinem Herzen.

Sankt Hildegard, teutonische Prophetin,

Pries Gottes Caritas die wahre Mutter,

Pries Gottes Weisheit eine wahre Mutter.

Und Jesus Sirach nannte Gottes Weisheit

Die Mutter und die Meisterin der Schöpfung

Und pries sie eine junge Frau der Liebe,

Die Salomo als seine Braut gefreit.

So nannte mich der weise Solowjew

Die ewige Freundin, die zum Jenseits führt,

Nicht Beatrice, Hagia Sophia

Sei ewige Freundin ihm und Ideal,

Die ich mich Jakob Böhme auch vertraut,

Der Buße tat, sich Jesu Wunden einte,

Den ließ ich in Sophien Rosengarten.

Nun rufe ich auch dich, geringste Seele,

Begnadeter Mariens, rufe dich

Und zeig mich dir als Frau der jungen Liebe

Und ewige Freundin, die zum Himmel führt

Und Braut der mystischen Vereinigung,

Ich, ungeschaffne, fleischgewordne Weisheit,

Ich lad dich zur Verlobung ein mit mir,

Wenn du dich mir in Sankt Maria schenkst,

Dann will ich führen dich ins Paradies

Zur Hochzeit göttlicher Vereinigung,

Des Lammes Hochzeit in Jerusalem,

Und schenk im Paradies dir meine Perle!

CYGNUS:

Anbetung, Dank und Lobgesang Sophia

Im Vater, Sohn und Heiligen Geiste! Amen.