SPOSALIZIO ET ASSUMPTIO MARIAE

VON TORSTEN SCHWANKE


ERSTER TEIL: SPOSALIZIO MARIAE

„Höre, Tochter, schau her und neige dein Ohr:

Vergiß dein Volk und dein Vaterhaus,

Denn der König trägt nach deiner Schönheit Verlangen,

Er ist ja der Herr, so huldige Ihm!

Die Töchter von Tyrus werden dir mit Gaben nahen,

Um deine Gnade mühen sich die Reichen des Volkes.

Schönste Pracht ist die Königstochter im Innern,

Aus lauter goldenen Fäden besteht ihr Gewand,

In buntgestickten Kleidern wird sie zum König geführt.

Jungfrauen werden als Gefolge

Und Freundinnen zu dir geleitet,

Unter Jauchzen und Jubel werden sie eingeführt

Und ziehn in den Palast des Königs.“

(Psalm 45, 11-16)

„Ach! Hätt ich ein Brautkleid von Himmelsschein,

Zwei goldene Flüglein - wie flög’ ich hinein!“

(Joseph von Eichendorff, Mariä Sehnsucht)

ERSTER GESANG

Sing, Muse, Jungfrau Miriam, die Braut,

Die Braut des Himmels war und Braut der Erde,

Die Gott und einem Heiligen vertraut.

Einhundertzwanzig Monde voller Zärte

Als Tempeljungfrau lebte sie verschlossen

Und lauschte Gottes Weisheit nach: Es werde

Erneut die Schöpfung! Himmlische Genossen

Dem Kinde waren feurige Seraphe

Und sinnende Cheruben, die auf Sprossen

Der Himmelsleiter nahten ihr im Schlafe

Und weckten sie im frühsten Morgenrote

Und brachten der Erkorenen von Jahwe

Erkenntnisse in göttliche Gebote

Und Einsicht in der Weisheit dunkle Pfade.

Ihr Beten in Empfang nahm dann der Bote

Und stieg dann von der Jungfrau, rein wie Jade,

In Gottes Reich zurück, im Geist erfreut,

Weil dieses Mädchen so erfüllt von Gnade,

Wie damals nicht ein Mädchen und nicht heut

Und nimmerdar war je so fromm ein Kind.

Dann las sie die Gebete zum Geläut

Der Glocken, welche klangen durch den Wind,

Und gab sich dann dem Nähen hin und Weben.

Dem Tempel flocht sie mancherlei Gebind,

Gebet und Weben war ihr junges Leben,

Das Weben aber war ihr auch Gebet,

War ihr als tätiges Gebet gegeben.

Die immerdar in Gottes Nähe steht,

Sei es im Wachen oder sei’s im Schlafe,

Denkt immerdar an Gottes Majestät

Und lobt Gott feuriger als die Seraphe

Und weisheitsvoller als die Cherubim,

Denn Weisheit gab und fromme Glut ihr Jahwe.-

Gott ging mit dieser Jungfrau um, intim,

In ihrem Geiste Mirjam zu verzücken

Zum Berge der Versammlung, sehr sublim,

Ließ ihre Seele dort den Herrn erblicken,

Den Geist versenken in den Geist des Herrn,

Der glühte, Jungfrau Mirjam zu beglücken.

Wie jauchzte Morgenstern an Morgenstern,

Als sie die Himmelskönigin lobpriesen!

Sie war im Tempel und zugleich auch fern

In Schauungen, in schönen Paradiesen,

Und schaute Paradies um Paradies

Und Turm und Pforte, Gärten, Blumenwiesen,

Da sie gewandelt, in Verzückung süß,

Und freute sich der roten Rosen Pracht,

Bis sie mit einemmal der Herr verließ

Und ließ sie sinken in der Seele Nacht!

Da ward der Seele nichts von Vorverkosten

Der Seligkeit, da ihr kein Stern mehr lacht,

Da sie nicht freute mehr die Glut von Osten,

Wenn Venus auftaucht aus dem Meer am Morgen;

Nicht standen mehr die Engel Posten

Und was zurückblieb waren Angst und Sorgen

Und demütiges Bangen ihrer Kleinheit,

Ob wegen ihrer Schuld sich Gott verborgen

Und ihr entzogen den Genuß der Einheit.

So klagte sie verlassen wie die Tauben

Und bat um die Erneuerung der Reinheit

Und bat den Geist um neugebornen Glauben,

Den Glauben, der vertraut und der nicht sieht,

Vertrauen, das ihr nimmerwer kann rauben,

Weil sie Gott ahndet mit geschlossnem Lid,

Weil sie Gott traut, auch wenn sie ihn nicht schaut.

Da betete Maria: Sulamith

Bin ich und such den Bräutigam, die Braut

Irrt durch die Nacht allein und führerlos

Und voller Angst, weil ihr vorm Irren graut,

Denn Schrecken sind in diesen Nächten groß!

Vor lauter Bangnis bin ich lebensmüde

Und bette meinen Kopf aufs feuchte Moos;

Da wandelt plötzlich an mich Gottes Friede

Und die Verheißung, daß ich werde finden

Den Bräutigam, die Sonne süß und süde,

Daß meine Haare spielen mit den Winden,

Die lang und schwarz mir auf den Busen fallen,

Da werd ich mich von Herz zu Herz verbinden

Mit meinem Gott, der Alles ist in Allen,

Dann preis ich Gottes Herz, die rote Rose,

Mit allen Engeln, allen Nachtigallen.

Gott wird sich betten mir in meinem Schoße

Und sich verschenken in der mystischen Einheit!

Dann nennt der Geist mich seine Makellose,

Sein Liebesblick erwirkt mir meine Reinheit,

Dann singt er mir mit süßen Melodeien

Lobpreisungen Jehowahs voller Feinheit,

Da werd ich mich mit ganzem Herzen weihen

In Liebe meinem Gott, dem Bräutigam,

Dann wird inbrünstig mich der Gott-Geist freien!

Ich opfere mich auf als Opferlamm,

Um Gott und seine Menschheit zu versöhnen!

Dann steig ich, Königin aus Erdenschlamm,

Und werd dem Herrn die Schönste aller Schönen.

Er ist der Vielgeliebte, ich bin sein,

Aus Liebe, Schmerzen, Inbrunst aufzustöhnen

Und Minne zu beweisen durch die Pein

Und hinzugeben heimgesuchtes Herz!

Aus Gnade Gottes Königin zu sein,

Wenn Gott mich liebt mit Schärfe seines Schwerts!

ZWEITER GESANG

Es lebte Jakob mit den sieben Söhnen

In Bethlehem im Haus, das Jesse baute.

Den Lebensbaum aus Jesses Sproß zu krönen

Mit einer Blüte, die der Geist betaute,

War Josef jüngster von den sieben Söhnen,

Wie David einst der Jüngste war, der schaute

Die Mutter des Messias, sah zur Schönen,

Die stellte ihren königlichen Thron

Im Königshaus auf, Adonias Stöhnen

Zu bringen vor den König Salomon.

Doch Josef war ergeben nicht den Lüsten

Der Welt, war früh ein großer Beter schon.

Doch seine Brüder alle stolz sich brüsten,

Sie seien stark und männlich, während er

Stets saugte an der Mutter Weisheit Brüsten.

So war ihm oftmals seine Seele schwer,

Weil er berufen war zur Einsamkeit,

Daß ihn die Einsamkeit die Weisheit lehr.

Und fiel es ihm auch schwer, er war bereit,

Er trug die Einsamkeit, die oft ihn peinigt

Und doch Geheimnisse der Ewigkeit

Mit jenes Jünglings frommem Geist vereinigt,

Worüber seine Brüder spöttisch lachen,

Der Älteste hat Josef gar gesteinigt,

Wie oft in Jünglingsseelen Satans Drachen

Den Hochmut und den Stolz und Zorn und Haß

Wie eine Schwefelflamme gelb entfachen.

Doch Josef wehrt sich nicht. Von Tränen naß

Hat er sich tiefer noch der Einsamkeit

Geweiht, gebetet ohne Unterlaß,

Der schönen Weisheit kindlich sich geweiht,

Die kam, den Einzelgänger schön zu trösten,

Denn sieh, weil er erwählt war, litt er Leid.

Denn Weisheit wird bekannt oft nicht den Größten,

Vertraut sich gerne an demütig Kleinen,

Die Kinder zählt sie gern zu den Erlösten.

Und so ging Josef gerne, will mir scheinen,

Allein zu Felsengrotten, dort zu sinnen

Und sich in seiner Einsamkeit zu einen

Dem Geist, der eint das Außen und das Innen

Und zieht die Seele in den Seelenkern.

Wo ist der Ort der Weisheit, die zu minnen

Sich Josef vorgenommen, Gott den Herrn

Zu finden in den innigen Gebeten,

Zu folgen einzig seinem innern Stern.

Einöde liebt er fern von lauten Städten

Und von dem Trubel fern der Eitelkeiten,

Den Winden folgend, welche leise wehten,

Die eine Grotte ihm zum Ort bereiten,

Wo er die Weisheit schon erahnt hienieden

In schwermutvoll verklärten Einsamkeiten

Und sieht die Ruhe und den innern Frieden

In dieser Grotte, die vor Bethlehem

Ein Bethaus ward dem melancholisch Müden.

Du Grotte, mit dem Staub und Stein und Lehm,

Du Höhle mit dem trocknen goldnen Stroh,

Du bist das himmlische Jerusalem,

Ein Engel singt in dulcis jubilo

Und Hosianna hier in dieser Höhle

Und Halleluja, Halleluja froh

Und Josef taucht mit seiner frommen Seele

Im Himmelreich auf vor der Weisheit Thron!

Smaragd, Gold, Jaspis, Diamant, Juwele;

Er sieht die Herrlichkeit des Himmels schon,

Und mütterlich die Weisheit zu ihm spricht:

Ich bin! und du bist mein geliebter Sohn! -

In jener Grotte kam ihm ein Gesicht,

Da wurde ihm die Arbeit zugeteilt,

Zu geben seiner Demut mehr Gewicht.

Da ist er von dem Vater fortgeeilt

Ins nördliche Gefild von Palästina,

Wo er bei einem alten Meister weilt.

Man baut Pagodenpavillon in China

Und baut in Babylonien Zikkurate

Und baute in dem Lande der Schechinah

Den Tempel Salomos für Gottes Gnade,

Arbeiter sandte Tyrus zum Moria,

Die Siegelstecher schnitten an der Jade,

Vom Karmel kam der Stein, wo einst Elia

Gebetet, und das Holz vom Libanon,

Die Maurer bauten wie einst Nehemia,

Die Zimmerleute dienten Salomon.

Und Josef ward nun einer von der Gilde

Und schnitzte lange an Herodes Thron

Und sang bei seiner Arbeit im Gefilde

Die Psalmen seines Ahnen David, als

Ein Engel zu ihm trat in Gottesmilde

Und neigte hold das Haupt auf seinem Hals

Und sprach mit einer Stimme angenehm

Als wie das Rauschen eines Wasserfalls:

Du Eingeborener von Bethlehem

Und Blüte du an Davids Lebensbaum,

O Josef, ziehe nach Jerusalem!

Wer Josef heißt, der ist begabt zum Traum

Und folgt den inspirierenden Visionen;

Den Traum hielt Josef nicht für eitlen Schaum,

So folgte er, die Weisheit wird es lohnen,

Als wie der Hirtin folgt ein junges Lamm.

Da sah er Zion schon mit ihren Kronen,

Josef, der Tochter Zion Bräutigam:

DRITTER GESANG

Die Priester sprachen aber in dem Tempel

Zur Tempeljungfrau: Freie einen Mann!

Nimm aus den Schriften heilige Exempel

Und denk an Sara, an Rebekka dann

Und wie dem Boas sich genähert Ruth.

Wir stehen alle in der Erde Bann,

Die Liebe ist auf Erden höchstes Gut,

Und was ist Menschenliebe ohne Ehe?

Was will dir zähmen sonst des Herzens Glut,

Wenn nicht ein Mann ist Tröster allem Wehe

Des Liebesleids des Fleisches einer Frau

Und stillt die Herzenswunde mit der Nähe?

So war auch in der ersten Wonnen Au

Dem Manne Adam seine Frau gegeben,

Die schön wie Sonnenlicht und Morgentau.

Was war der Mensch denn ohne sie, das Leben,

Wie wird die Frau zur Mutter einer Sippe,

Will sie sich nicht mit seinem Fleisch verweben

Und ihren Mund anschmiegen seiner Lippe,

Da sie doch seinem Mannesfleisch entsprungen?

Gott schnitzt die Fraue aus des Mannes Rippe,

So ist der Mann von seiner Frau durchdrungen

Und ist die Frau des Mannes Mark und Bein.

So wissen alle Alten, alle Jungen,

Der Weise wie der Tor im Närrischsein,

Daß eine Frau ist eines Mannes Wonne,

Daß Frau und Mann wie Wasser und wie Wein,

Daß Frau und Mann wie Mondin sind und Sonne,

Daß Frau und Mann ergeben Eine Frucht,

Daß Gott ist Herr und Menschheit ist Madonne,

Daß Liebe braucht die eheliche Zucht,

Daß Gott die Frauen schuf, sich zu vermählen.

Gott führt ein Boot in deine Liebesbucht! -

Maria wollte aber anders wählen

Und sich entscheiden für den Ewig-Einen,

Dem Geisteshauch in den geschaffnen Seelen.

O Gott, mein Gott, mit dir will ich vereinen

Demütig mich in der Geschöpflichkeit,

Und außer dir, o Jahwe, will ich keinen

Gemahl, will keinem Manne sein die Maid

Und mich dem Irdischen nicht anvertrauen

Und nicht verliebt tun mit der Sterblichkeit

Und nicht den Schatten wählen, könnt ich schauen

Das Licht in seiner hochzeitlichen Süße!

Ich sehne mich nicht so wie andre Frauen

Nach fleischlicher Vereinigung, ich büße

Für alle irdische Verkehrtheit gern

Und sink nicht einem Menschen vor die Füße.

Ich wähle dich, den Ewigen, den Herrn,

Freiwillig öffne ich das Brautgemach

Und minne in dem innern Seelenkern

Gott, der in meiner Kindheit zu mir sprach

Und mich berufen für die Heiligkeit.

Du, Gott, bist meiner Seele Sehnsucht, ach,

Durchglüh, o Liebesflamme, deine Maid,

Durchflute, Allebendiger, mein Blut,

Erwähl mein Herz und mach mein Herz bereit,

Rein zu empfangen deine Gottesglut,

Wie einst die Glut der Dornenbusch des Mose,

Erfülle mich mit Geist, o Höchstes Gut,

Als wie der Morgentau erfüllt die Rose,

Geh ein in mich, o göttlicher Gemahl!

So herzlich betete die Makellose,

Als eintrat in des Herzens Hochzeitssaal

Der Engel ihres Herrn, der zu ihr sprach:

O Gnadenvolle Seiner Gnadenwahl,

Gott breitet sich in deinem Brautgemach

Auf Lagern seiner Liebeseinung aus!

Doch mußt du tragen auch das Ungemach,

Demütig treten aus dem Gotteshaus,

Hervorgehn, Tochter Zion, aus dem Zelt,

Und leise wandeln in die Welt hinaus.

Erlösen will Jehowah diese Welt,

Drum wandle du in lautrer Heiligkeit,

In frommer Tugend, die dem Herrn gefällt,

Und sei ein Zeichen in der Welt, o Maid,

An dir, o Frau, soll Großes noch geschehen,

So halt für Gottes Willen dich bereit.

Ein Heiliger soll dir an deiner Seite stehen,

Soll, Jungfrau, dich behüten als dein Hüter,

Du sollst mit ihm im Tränentale gehen

In frommer Armut, ohne viele Güter,

Dich wird der Wille Gottes überschatten

Zur Freude aller kommenden Gemüter

Will Gott dich segnen, dich und deinen Gatten.

Um Gottes willen aber Jungfrau bleib,

Versiegle deines Schoßes Blumenmatten

Dem Geist, der dir liebkosen wird den Leib

Als goldenes Gewölk der Herrlichkeit,

Du stehst im Gnadenregen, liebes Weib,

Der Herr erwählte dich, o holde Maid,

Gott Jahwe ist dein Mann und nicht der Baal,

Du bist berufen zu der Heiligkeit,

Der Geist wird sein dein göttlicher Gemahl

Und dich mit süßen Liebeswehen stillen

Und dich erquicken in dem Hochzeitssaal!

Nun gehe, Gottes Willen zu erfüllen,

Den Willen Gottes zu erfüllen, gehe,

Den Schleier nimm, das Haupt dir zu verhüllen,

Gott Jahwe ruft dich in die keusche Ehe!

VIERTER GESANG

Die Priester riefen vor den Tempel Mannen,

Die waren allesamt von Davids Stamm.

Zwölf Freier standen da, die da begannen

Zu beten: Gott mach mich zum Bräutigam

Der Tempeljungfrau, gallenlosen Taube,

Der königlichen Schwanin, sanftem Lamm.

Aus Steinen war gebaut die Palmenlaube,

Geschmückt mit rosa Blüten weißer Mandeln,

Wo Kerzen flammten Liebe, Hoffnung, Glaube,

In Purpur Priester gingen, hold zu handeln,

Und trugen stolz den Efod mit den Losen

Und beteten, in Gnade sich zu manteln,

Daß Gott ein Zeichen geb der Makellosen,

Wer als die Nachtigall der Nachtigallen

Darf huldigen der Rose aller Rosen.

Auch Agabus stand vor den Tempelhallen

Und schmachtete in heißem Ungenügen,

Fand er doch an Maria Wohlgefallen,

An ihrer Schönheit himmlisches Vergnügen

Und an der Anmut seine Manneswonne

Und süßeste Betörung an den Zügen

Des Angesichtes, strahlendschöner Sonne,

Und an dem Leib, geweihtem Tempelleuchter,

Und an den bloßen Füßen der Madonne.

Die Schönheit dieser holden Maid bezeugt er

Mit jedem Herzschlag, seines Pulses Pochen,

Dem Schmachtenden wird seine Lippe feuchter,

Er wollte küssen ihre Wangenknochen,

Die schamgerötet waren, rot von Blut,

Geübt nicht, einen Mann zu unterjochen,

Bewahrte Miriam der Ruhe Gut.

Und Agabus ward nicht von Gott erwählt,

Vergebens glühte seiner Liebe Glut.

Doch Gott die Tränen dieses Mannes zählt,

Der in die Einsamkeit gen Norden zieht,

Von trauriger Enttäuschung leidbeseelt.

Er wurde auf dem Karmel Karmelit

Und betete allein in dunkler Höhle

Und also betete der Eremit:

O Gott, weil allzu sinnlich meine Seele,

Drum fliehe ich in tiefe Einsamkeit,

Daß ich auf meinem Weg zu Gott nicht fehle!

Ich will ja keine als die holde Maid,

Zur Mutter des Messias würdig sie,

Zugleich so schön in ihrem blauen Kleid.

Nun weih ich die Mariensympathie

Der Gottheit ganz, nimm alle Glut entgegen,

Ich freie Gott, frei ich Maria nie!

Maria ist der Quell dem Tränenregen,

Die Gottheit aber meine Trösterin!

- Wen seh ich dort sich in der Nacht bewegenn,

Wer schwebt als wie ein mildes Leuchten in

Die dunkle Höhle eines Beters, wie

Ein Engel, eine Himmelskönigin?

Die lichte Seele ähnelt ja Marie!

Seh ich Maria heute zu mir schweben?

O Gott, wert ist sie aller Hyperdulie!

Die Ursach meinem Eremitenleben,

Und lächelt an den Beter wie Beseelung

Und will ihm Gottes Geistesgaben geben

Und achtet nicht der törichten Verfehlung

Des Sünders, sondern tritt in seine Nähe

Als wie zu einer mystischen Vermählung,

Zum mystischen Mysterium der Ehe

Im Geiste, wie demütiges Gebet

So rein; Gott, Halleluja, Gott, ich sehe! - -

Dieweil Maria vor den Freiern steht,

Hält jeder in den Händen einen Stab,

Ob eine Blüte aus dem Stabe geht

Hervor wie ein Erstandner aus dem Grab

Und leuchtet wie die lichte Maienblüte,

Weil Gottes Odem neues Leben gab.

So sehr sich jeder der zwölf Freier mühte,

Der schönen Tempeljungfrau zu gefallen,

Die da wie eine junge Sonne glühte

Und ließ den leichten weißen Schleier wallen

Bis zu den Schultern um das schwarze Haar,

So sehr sie Liebe auch empfand zu allen

Geschöpfen: Einer nur erkoren war,

Weil über ihm erschienen Gottes Taube,

Die mütterliche Ruach wunderbar.

Aufstrahlte da Marien Schleierhaube

Und wehte und das schwarze Haar fiel offen,

Und Josef lächelte wie weiser Glaube

Und war von Gottes Gnadenwahl getroffen,

Und eine Blüte sproß aus seinem Triebe,

Und ihm erfüllte über alles Hoffen

In Mirjams Lächeln sich des Höchsten Liebe!

Wohl viele hulden dir, o Gnadenvolle,

Und bangen vor dem Herrn mit seinem Siebe,

Doch Einer hört der Taube Gurr-Gerolle

Und sieht der Maid holdseliges Gesicht

Aufleuchten lächelnd: Einzig Josef solle

Ihr Minnediener sein, der scheu und schlicht

Und demutvoll, bescheiden weise war

Und leuchtete verklärt in Gottes Licht.

Ein Glutglanz in Marien schwarzem Haar

Bezeugte ihre Glut, die Wangenscham

Verherrlichte ihr Antlitz wunderbar.

Glückselig ist Marien Bräutigam!

FÜNFTER GESANG

Die Hochzeitsfeier fand am Berge Zion

Im Dunkel statt, der Mond hat schön geblickt,

Der Schwan sah zu, Plejade und Orion.

Die Mädchen haben Miriam geschmückt

Und gaben ihr ein reines Unterkleid,

Das Unsre Frau sehr schön zurechtgerückt.

Um ihren Busen trug die schöne Maid

Geschmeid von Perlen und von Edelstein,

Ein ihre Brust verklärendes Geschmeid.

Der Leibrock war aus himmelblauem Lein,

Bestickt mit weißen, roten, goldnen Rosen

Und golddurchwirkt als wie mit Sonnenschein.

Die Mädchen flochten Miriam die losen

Haarsträhnen, schlossen sie mit einer Spange,

Vereinzelt fielen Strähnen zu der großen

Erhabnen Brust und, Schlange über Schlange,

So floß das schwarze Haar zu ihrer Lende.

Sie woben Gold ins Haar mit Glanzgeprange,

Sie woben Perlen in das Netz behende,

So ward zum Kunstwerk das Madonnenhaar;

Die Mädchen staunten an das Werk der Hände.

Sie flochten Blumenkränze wunderbar,

Marien Haupt trug einen Kranz aus Seide,

Aus Seide transparent und licht und klar,

Auch trug sie eine Krone aus Geschmeide

Als wie den Morgenstern im Diadem.

Maria, wahrlich eine Augenweide,

War allen Menschenaugen angenehm

Als wie der Schönheit heilige Idee,

Die Tochter himmlische Jerusalem,

War rot wie Feuer und war weiß wie Schnee

Und war gebräunt von Gottes schöner Sonne

Und ihre Brüste hüpften wie ein Reh.

Und da trat zu der herrlichen Madonne

Der weise Josef, arme Zimmermann,

Und sagte: Leben, Hoffnung mir und Wonne,

Ich schließ mich ganz an deine Hoheit an,

Geringer Diener deiner Heiligkeit,

Die ich durch Gott als meine Braut gewann.

Und Josef trug ein blaues Linnenkleid,

Das von der Brust zum Saum mit Schnüren schloß,

Die Ärmel fielen auf die Hände weit,

Das Beinkleid zu den Schuhen niederfloß,

Das blauen Leinen so wie Meerflut hing

Und war gegürtet rings um seinen Schoß.

Und dann gab Josef Mirjam einen Ring,

Dreiecke waren darin eingraviert,

In jedem Dreieck auf Marien Ring

Der Name Gottes stand, daß nie verliert

Maria ihren Bräutigam Gott Jahwe!

Der Ring, den Mirjam Josef gab, verziert

War er mit Perlen, deren jede Ave

Bedeutete, mit einem Leidenszeichen

Für den Messias, der als Gottessklave

Zu leiden kommen würde ohnegleichen.

Einander reichten sie die Hände und

Sie werden nimmer voneinander weichen.

Und siegelten das Eidwort Mund an Mund

Mit einem Kuß! Vom Munde der Madonne

Beseligt Josef war im Herzensgrund

Als wie von gottgeschenkter Liebeswonne,

Ganz überirdisch wie der Engel Scherzen

Im Paradies der Minne, eine Sonne

Aufstrahlte Josef glorios im Herzen,

Er sah der Braut Maria Angesicht

Und fühlte Liebesglück wie große Schmerzen

Und schaute Gottes Licht in ihrem Licht

Und Gottes Herrlichkeit in ihrem Glanz

Und schloß sie in die Arme selig dicht!

Und alle reihten sich zum Reigentanz,

Der Harfenspieler Schalak trunken sieht

Die Liebe Frau erfüllt von Freude ganz

Und streicht die Saiten, singt das Hohe Lied

Und singt es schön mit Rhytmus und mit Reim,

Versfüßen folgt mit Füßen Sulamith,

Tanzt Sulamith den Tanz von Mahanaim,

Mit bloßen Füßen zu dem Zimbeltakt,

Und glänzt vor Wonne wie der Wabenseim.

Die schwarze Haarflut wie ein Katarakt

Umschwingt die Tänzerin, es schwebt der Schleier,

Die Füße schweben über Gräsern nackt,

Der Leib sympathisiert mit Schalaks Leier

Und ihre Haare mit den Harfensaiten.

Und Josef jauchzt und jubelt auf der Feier

Und lobpreist Gott mit frohen Festlichkeiten

Und hebt zu Jahwes Ehre seinen Becher

Und preist das Glück für Zeit und Ewigkeiten!

Und Gott schenkt ein den Süßwein seinem Zecher

Und spendet Purpurwein wie rotes Blut.

Maria niederschlägt den Wimpernfächer,

Der Wimpernschatten auf der Wangen Glut,

Die Glut der Wangen und der Wimpernschatten,

Des Wangenjoches Rot, der Wimpern Flut

Beseeligen den Gatten aller Gatten

Auf aller Hochzeitsfeiern Hochzeitsfeier!

Die Mädchen alle ihre Tänzer hatten,

Maria aber lauschte Schalaks Leier.......

SECHSTER GESANG

O Josef, schmücke dich mit Ruhmes Federn,

Wer kann Marien Bräutigam vergessen?

Du zimmertest die Balken ihr von Zedern,

Du zimmertest die Wände von Zypressen,

Ein Jubelhaus, fern allem Zank und Jammer,

Wo Fromme unter Dankgebeten essen

Und trinken roten Wein, wenn ruht der Hammer,

Der Nägel in die Balken eingeschlagen.

Errichtet ist die bräutliche, die Kammer,

Erhaben keusche Scheidewände ragen

Und überm Lager wehen lichte Schleier,

Wo auf den Kissen frische Blumen lagen,

Erinnernd an die bunte Hochzeitsfeier,

Und in der Vase stand der Mandelstab,

Der ausgezeichnet dich vor jedem Freier.

Den Einsamkeiten bau ein Ehrengrab,

Die Wände rosa mal, orange und rot,

Daß immer Wärme euer Herz erlab.

Das Senkblei nimm, das Winkelmaß, das Lot,

Und messe an Akaziengestellen,

Als bautest du ein Haus für Zevaoth.

Die Decke tünche weiß, daß von dem hellen

Gewölk der Herrlichkeit die Huld erscheine.

Die Breite, Höhe, Länge miß in Ellen

Und tu die Fenster auf dem Sonnenscheine,

Im Winter selbst ein Wochenfest euch sei

Und Vögel eure singende Gemeine.

Madonna sei dir Königin im Mai,

Ihr Allerinnerstes ist dir vertraut,

Ihr guter Geist steht deinem Geiste bei,

Den Hammer hält so herrlich deine Braut,

Die Herrin unterweist, es wirkt der Sklave,

Der huldigend zu seiner Herrin schaut. -

Da aber schaute zu Maria Jahwe

Und sandte ihr den Engel Gabriel

Mit diesem ewiglichen Gruße: Ave

Maria, Gott salbt dich mit Freudenöl,

Wie niemals fromme Frauen Freude hatten:

Empfangen wirst du Gott in deiner Seel!

Wie dies, sprach sie, da ich doch meinen Gatten

Als Jungfrau nimmer ehelich erkenne?

Der Engel sprach: Die Ruach wird dich überschatten,

Es kommt der Geist, daß Gottheit in dir brenne,

Daß du gebären wirst den Menschensohn,

Messias Jisraels, ihn Jesus nenne!

Da zitterte Maria freudig schon

Vor gottesfürchtiger Erwählung: Ja!

Sprach sie zu Gott in demütigem Ton.

Und Gott geboren ward mit diesem Ja,

Geboren Weisheit ward in ihrem Schoße,

Die Chockmah durch die Ruach von Gott Jah! - - -

Wem kann ichs sagen, daß ich rote Rose

Jungfräulich werd gebären Morgentau?

Man wird mich nennen eine Tugendlose,

Wer wird verstehen, daß ich arme Frau

Zur Mutter des Messias auserwählt!

Ich bin allein, mir ist so blaß und blau,

Ich bin von tiefer Einsamkeit beseelt,

Auch Josef kann ich dies Geschick nicht sagen,

Hab ich ansonsten alles ihm erzählt.

Kein Mensch, nicht Frau nicht Mann in diesen Tagen,

Kein Mensch so weise, daß er mich verstehe!

Wie soll ich Einsamliche nicht verzagen?

Doch Gott ist bei mir in der Gottesehe!

Ja, wahrlich, Gott wohnt unter meinem Herzen!

Das ist fürwahr doch aller Nähen Nähe! -

Was muß ich singen noch von Josefs Schmerzen?

Der Zweifel ward ihm da erträglich kaum,

Unruhig flackerten des Nachts die Kerzen.

Marien Reinheit - nichst als eitler Schaum?

Die Königin des Herzens - nur ein Schemen

Der alten Sünde? Doch da kam der Traum:

Du schäm dich nicht, die Frau zu dir zu nehmen,

Jungfräulich immer ist die Liebe Frau,

Du brauchst dich deiner Gattin nicht zu schämen!

Da füllten seine Augen sich mit Tau

Und reuig seufzte er den Seufzerhauch:

Rein ist Maria, meine Blume blau,

Und schön ist sie! wie wölbt sich schon der Bauch!

Und gnädig stellt sie mich nicht an den Pranger,

Voll Gnade ist ihr Wesen und ihr Hauch,

Sie ist mein Eden, Paradies und Anger

Der ewigen Glückseligkeit der Seele!

Mit meinem Jesus ist Maria schwanger! -

Gott offenbart sich in Marien Höhle,

Der Morgenstern erscheint in ihrem All,

Ihr Antlitz glänzt als wie von Freudenöle,

Das Wort liebkost Marien Echohall,

Der Tau wird Perle in der roten Rose,

Die schöpferische Weisheit schläft im Stall,

Der Thron der Weisheit ist die Makellose,

Verehrung wird der Dame aller Damen,

Weil Gottheit eingesenkt in ihrem Schoße

Allschöpferischen Wortes ewigen Samen,

Und Schweigen ihn empfangen in der Grotte,

Das weise Schweigen vor der Gottheit Namen,

Der Gottheit in dem Fleische, Gott vom Gotte!

ZWEITER TEIL: ASSUMPTIO MARIAE

„Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“

(Jesaja 60, 1-2)

„...jetzt siehst du im Himmel die verklärte Menschheit der ungeschaffenen Weisheit, und die Freude deiner Seele läßt dein Herz in beseligendem Entzücken aufjauchzen, da du die anbetungswürdigste Dreifaltigkeit von Angesicht zu Angesicht schaust.“

(Pius XII.)

ERSTER GESANG

Wohlan denn, Muse, singe den Gesang

Der Himmelfahrt Mariens, Maß und Reim

Begleite dich und Liebesüberschwang.

Am Ölberg lag zu Bett in ihrem Heim

Die Mutter, die mit vierzehn frommen Jahren

Empfing die Weisheit, süß wie Honigseim,

Die schleierte das Kind mit schwarzen Haaren

Und nährte ihn an ihrer weißen Brust,

An beider Brüste goldnen Apfelpaaren,

Die hatte an dem Knaben ihre Lust,

Dem Ziehsohn vom Marienbräutigam,

Der seines Vaters innig sich bewußt

Und also in des Vaters Tempel kam,

Die Schriftgelehrten Weisheit da zu lehren.

Er ging zum Täufer dann, das Opferlamm,

In Kana drauf den Hochzeitswein zu mehren,

Zu stehen auf dem Tabor weiß wie Schnee,

Wo Moses und Elias Jesus ehren,

Um dann zu gehen nach Gethsemane,

Um Blut zu weinen und um Blut zu schwitzen,

Zu leeren einen Becher voll von Weh,

Um dann vor richterlichen Herrschersitzen

Zu nennen König sich und Menschensohn,

Den Leugner durch das Dunkel anzublitzen,

Und dann zur Schädelstätte, zu dem Thron

Der Herrlichkeit des Herrn, das Kreuz zu tragen,

Zu leiden Galle-Spott und Essig-Hohn,

Die Gottverlassenheit dem Herrn zu klagen,

Die Mutter aller Menschheit zu vererben,

Und dann als Hoffnung allen Sarkophagen

Erstanden Gott die Menschheit zu erwerben,

Daß Vater Jahwe Er die Braut errette!

Nun also mußte seine Mutter sterben?

Madonna lag in ihrem weißen Bette

Und die Apostel all um sie geschart,

Es war wie ein Konzil an dieser Stätte,

Da neue Glaubenseinsicht offenbart

Alleine durch das Anschaun dieser Süßen,

Der Schönheit Gottes, minniglich und zart.

Und Petrus kniete ihr zu ihren Füßen

Und weinte, weinte vor der Makellosen:

Ich werde meiner Leugnung Torheit büßen,

Als ich geprahlt in glaubensstarken Posen

Und dann vor Jesu Leiden abgefallen!

Ich fleh zu deiner Füße goldnen Rosen,

Erbitte du mir vor den andern allen,

Daß ich im Glauben bin ein fester Fels,

Laß Gott dem Vater meinen Tod gefallen,

Sterb ich in Rom, o Tochter Israels,

Bewache mütterlich den Marterzeugen,

So fleht zu dir der Reuetränen Schmelz.

Laß mich von meinem Glauben nimmer schweigen

Und Jesu Frieden allen Menschen künden!

Und muß ich einst das Haupt am Kreuze neigen,

So mit dem Haupt zur Erde, um der Sünden

Und um der Schwachheit willen, der ich irrte

Und darf nun Sünden lösen doch und binden,

Denn Jesus liebt mich: Sei der Schafe Hirte!

Sprach er, ich sprach: Mein Herr, ich liebe dich!

Die Liebe Jesu kränze dich mit Myrte,

Mit jungen Rosenknospen kränze dich

Des Vaters Liebe, und der Heilige Geist

Streu dir die blauen Blumen minniglich.

Maria, die du Himmelspforte heißt,

Ich will dir Wächter deiner Ehre sein,

Daß jeder dich erkennt und liebt und preist! -

Johannes schmiegte sich in süßer Pein

Voll warmer Minne an Marien Wange

Und sprach mit ihr, als wäre er allein:

O Mutter, scheidest du, so bin ich bange,

Warst du doch meines Glaubenslebens Hut

Mit deinem immerwährenden Gesange

Und heiligem Gebet, das Gutes tut,

Erhellt als Flamme alle Seelentrübe

Und wirft ein Feuer in das schwarze Blut.

Ich weih dir meiner Seele beste Triebe,

Daß du zu Jesus leitest alles Streben

Durch die Vermittlung deiner Mutterliebe.

Ich Sohn, ich durfte mit der Mutter leben

In Ephesos am Berg der Nachtigall

Und meinen Glauben in den deinen weben

Und beten dein Gebet, du Echohall

Des Wortes Gottes, meine Meisterin.

Ich weih dir meiner Minne Schwang und Schwall,

Gebenedeite Minnekönigin,

Der ich gewürdigt war, dich aufzunehmen

In Geist und Herz, in Seele und in Sinn.

Von allen unseres Konziles Themen,

Von aller Hoffnung und von allem Glauben,

Von allem Jubeln und von allem Schämen,

Preis ich vor allem, Taube aller Tauben,

Die Minne, denn du weissagst: Gott ist Minne!

Du mögest mir den Minnesang erlauben,

Du auserwählte Frau und Königinne,

Daß durch die Liebe alle sich bekehren,

Die werden deiner Gottesschönheit inne.

So will ich Minne, nichts als Minne lehren,

Darf niemand Unsre Minne-Dame lästern,

Weil so wir Gott den Liebenden verehren

Und lieben alle unsre Menschenschwestern.

ZWEITER GESANG

Muse vom Sion, singe mir vom Tod,

Von Bruder Tod, da Bruder Esel stirbt!

Was sagt die Weisheit uns aus Zevaoth

Und was Erfahrung, wie ein Mensch verdirbt?

Wie lange geht die Jungfrau mit dem Schleier,

Da um die Schönheit und die Sanftmut wirbt

Ein Gottvergessner, ein verliebter Freier,

Bis sie sich banden in dem Ehebund,

Da sah sie in der Nacht den Herrn im Feuer,

Der gurrte ruckend mit dem Taubenmund

Und rief sie heim in großes Hochzeitslicht.

Da ging ihr feiner zarter Leib zugrund.

Und da ein Dichter dichtet ein Gedicht,

Um eine Muse eine Elegie,

In Nächten, da er mit der Jungfrau spricht,

Da scheidet aus der Welt der Leiden die,

Die er am meisten liebte in der Welt,

Die hört im Scheiden seine Melodie

Um sich ertönen, als der Schatten fällt

Der großen Nacht, da ist ihr Leib so müd,

Der Bräutigam erscheint vom Himmelszelt

Und lächelnd sagt die greise Schullammyth:

Ihr alle seid so lieb, gesegnet seid!

Und schließt zum letzten Mal ihr leichtes Lid.

Und andrer Tod ist auch: vor lauter Leid

Erstarb die geistliche Entwicklung ganz,

Wie eine Greisin hockt die goldne Maid,

Sie ist ein schmerzensreicher Rosenkranz,

Ob in der Nacht der Seele sie erlab

Des Todes ferner weltverlorner Glanz,

Mystische Mutter ist dem Geist ein Grab,

Wie Hiobs Hoffnung war aus tiefster Nacht

Die Gottheit, die uns ganz im Tode hab.

Madonna aber vor dem Tode lacht,

Denn kommen sieht sie schon zu sich das Leben,

Das ewige, das ihre Wandlung macht

Vollkommen, an das Ziel führt all ihr Streben.

Ihr Abgang von dem tragischen Theater

Ist Aufgang von der Erde voller Beben.

O Genius, mein himmlischer Berater,

Gib du mir heut Marien Worte wieder:

O Jesus Christus, o mein Sohn und Vater!

Ich werfe meine Wimpern vor dir nieder,

Du Schöpfer meiner unsterblichen Seele,

Die du vermählt der Summe meiner Glieder,

Die du aus Gnade schufest ohne Fehle,

Die hochbevorzugt ist von deiner Gnade,

Der spreche zu im göttlichen Befehle,

Wie ich dir nahen soll. Halt allen Schade

Mir fern und alles Blendwerk der Dämonen,

Mein Herz sei rein vor dir wie reine Jade,

Laß mich, o Herr, an deinem Herzen wohnen,

In deinem Tempel ruhn, o Weisheit du,

Bei dir, o mütterliche Weisheit, thronen,

In dir, o Mutter, bleiben immerzu,

Geborgen, Weisheit, dort in deinem Schoß.

So mach dich, Gottheit, auf zu deiner Ruh,

Zur Ruhe du und ich, wo makellos

Wir uns in Ewn aller Ewen betten

In unserm Gott, dem Ewigen, der groß

Und mächtig ist, die Irdische zu retten

Und sich in dir, o Herr, zu einigen

Durch Ruachs Nabelschnur und Perlenketten

Und mich, die Mutter all der Deinigen,

Zu freien in dem aufgetanen Herzen

Und, Jesus, in mir all die Meinigen. -

Und Jesus sprach: Um meiner Kreuzesschmerzen

Und um des Vaters Liebe lieb ich dich

Und halt dir in der Hand die Tempelkerzen

Des Geistes, der dich liebet! Siehe, ich

Lieb dich am meisten, auserwähltes Kind,

Lieb dich, geliebte Seele, minniglich,

Ich bin in deinem offnen Haar der Wind,

In deinem Augenpaar die Lebensflamme,

Du bist wie niemand sonst mir lieb und lind,

Für dich geworden bin ich gar zum Lamme

Und litt, dich zu erlösen, gar den Tod

Und einte deiner Seele mich am Stamme

Des Kreuzes, also liebt dich Zevaoth

Unsagbar, Gottes Liebe nie zu nennen,

Und so umarm ich dich, wie Morgenrot

Den Morgenstern, bin Glut in deinem Brennen,

Bin deine Liebesglut, o rote Rose,

Bin Weisheit, lasse mich von dir erkennen,

In meinem Geist wird dir das makellose

Gemüt von Gott vollendet in der Reinheit,

Mit dir versinke ich in Gottes Schoße,

Du Einzigartige, in Gottes Einheit,

Und bin mit dir in Ewigkeit allein.

O lausche mir, du Taube voller Feinheit,

Durch die Verdienste meiner Liebespein

Werd ich dich in die Ewigkeit der Minne

Einführen in der Gottheit Rosenhain.

Drum, Seele, nenne ich dich Königinne

Der Rosen, Erste meiner Rosen du,

Du meinem dorngekränzten Herzen inne,

O Seele, du alleine meine Ruh,

Maria, meine auserwählte Tochter!

So sang der Herr der Gotterwählten zu,

Ihr diesen Rosenkranz der Minne flocht er.

DRITTER GESANG

O Lob der Sonne im August, der Sonne,

Die aus dem Schoß der Morgenröte gold

Aufsteigt und strahlt am Horizont voll Wonne,

O Lob dem Sonnenrade, das da rollt,

Vier Feuerräder rollen an dem Wagen,

Im Wagen steht der Bräutigam sehr hold!

Die Rosse vor dem Wagen Gottes jagen

Und von den Feuerrädern Funken stieben,

Wenn wir in lauter Herrlichkeiten tagen

Den Sohn sehn, da die Horen um ihn schrieben

Mit goldner Schrift Gebete auf die Berge,

Wie mit dem Griffel in das Erz getrieben.

Siehst du die Sonne, Volk des Herrn, aufmerke,

Es kommt die Sonne der Gerechtigkeit

Und gibt Gerechten Lohn nach ihrem Werke.

Die goldne Rosenpforte tut sich weit

Am Himmel auf, und auf die ganze Welt

Ein Meer von goldnen Rosenblüten schneit.

In goldner Rüstung tritt der Gottesheld

Hervor und lächelt wie ein Bräutigam

Vor dem saphirnen Offenbarungszelt.

In Gloria und Glanz er niederkam

Zur Erde, wie in abendroter Glut,

Da er die Erde in das Feuer nahm

Und lodern ließ windaufgewühlte Flut

Und in den Ofen nimmt die Elemente,

Den Staub zu wandeln in das Höchste Gut!

Er gießt herab die Feueropferspende,

Das Irdische ins Himmlische zu wandeln.

Er strahlt durchs Tor ins Haus, beglänzt die Wände,

Beglänzt Olivenbäume, Zedern, Mandeln

Und glüht auf der Madonna Wange rot,

Die Scheidende in goldnen Glanz zu manteln.

Da rauscht es wie der Geist von Zevaoth:

O Jesus! süß wie Schemen ist dein Schem,

Wie Salbe süß dein Name, Mensch und Gott!

Und du, o Tochter von Jerusalem,

Gelobtes Land von Honigseim und Butter,

Maid von Kalvaria und Bethlehem,

Du Nymphe an der Kirche Fischerkutter,

Du Mutter deines Gottes, deines Herrn,

Du wirst den Menschen eine milde Mutter,

Du Meerestropfen und du Meeresstern,

Und hebst die Heiligen an deine Brüste!

Maria schreibt auf jeden Dattelkern

Der Geist, weil du geboren Jesu Christe!

Dein Ruhm wird alle Ewigkeit nicht minder,

Du Freudenflamme an der Wonnen Küste,

Auf deinen Knieen herzt du deine Kinder

Und schließt in deine Arme deine Söhne,

Sie seien Juden, Griechen oder Inder,

Allüberall bist du die Wunderschöne,

Die Thomas preisen wird im fernsten China.

Die Völker alle durch Gebet versöhne

Und lächele zur Welt herab, Regina

Coeli, von des Himmels goldnem Dach,

Und sei den Musenpriestern Madonnina

Und breit den Frieden aus wie einen Bach,

Daß alle Völker für den Frieden taugen!

Und Herrin, laß den Lieblingsjünger, ach,

Den Lieblingsjünger laß am Busen saugen

Und betten sich in deinem keuschen Schoß

Und selig sein im Anschaun deiner Augen!

Und bring die Menschheit dar, der Erde Los,

Die Menschheit deinem Schöpfer überschreib,

Denn deine Herrlichkeit, o Frau, ist groß!

Und müssen wir nun scheiden, schönstes Weib,

Und alle unsre Hoffnungen begraben

Und in die Erde legen deinen Leib?

Soll uns dein Lächeln denn nicht mehr erlaben

Und sollen wir nicht sehen mehr den Mund

Und deine Worte voller Geistesgaben?

Geht nun die Herrlichkeit des Herrn zugrund

Und in den Staub verschwinden deine Glieder?

Wir sind vor Sehnsucht an der Seele wund

Und lauter Mängel künden unsre Lieder,

Weil du uns auf der Erde nicht mehr küsst!

Ein letztes Mal laß wogen in dem Mieder

Die Trostanschauung deiner vollen Brüst’!

Wir saugen nur noch Schwermut uns und Tod!

Was bin ich so verzweifelt als ein Christ,

Ist nur noch dunkle Nacht um Zevaoth

Und bin ich auf der Erde so allein!

Wann, Vater, wann lacht uns das Morgenrot

Und wann wird Tröstung nahen unsrer Pein,

Da wir den schönsten Leib zu Grabe tragen?

Wir salben sie mit traurigem Gewein

Und betten sie im Bette unsrer Klagen

Und schleiern sie mit Nichtigkeit vom Staube!

Wer gibt uns Antwort allen unsern Fragen,

Wie spendet Trost des Heiligen Geistes Taube,

Da wir in der Madonna nun zuende?

O, wird sie finden eine Gartenlaube

Des Paradieses, bleiben unsre Hände

Doch leer, da wir sie nimmermehr betasten!

Und nur dem Tod gilt unsre Opferspende,

Da Hoffnung, Leben wir und Wonne fasten

Und tragen in die Nacht die Bundeslade!

Zerbrochen unsres Kirchenschiffes Masten,

Doch um Marien willen wird uns Gnade!

VIERTER GESANG

Grab Jesu, sieh mich vor den Felsen weinen,

Mich weinen, Vater, über Adams Fall,

Seit dem wir alle uns dem Tod vereinen.

Nun siehe meiner Tränen reichen Schwall,

Ob sie vielleicht den toten Staub beleben?

Unendlich ist die Nacht im Weltenall,

O Nacht, ist eingeschlummert alles Leben,

Stieg Jesus nieder in das Totenreich,

Um Eva Leben wiederum zu geben.

Ist nicht die Hölle meinem Herzen gleich,

Bin ich doch keine Taube ohne Galle,

Und wird die Hölle nicht zum Himmelreich,

Weil Jesus niederstieg in Hades’ Halle,

Um zu erlösen auch Eurydice,

Ist nicht mein Herz ein Himmel? Walle, walle,

Geliebte Seele Mirjam Magdalee,

Zum Grab, ob dort dein Auge Jesus sieht!

War nicht sein Linnen reiner als der Schnee

Und funkelte sein Auge unterm Lid

Nicht lieb, als er dich bei dem Namen nannte?

Er nannte dich Maria Schullammyth,

Weil er die Liebende in dir erkannte

Und hörte deiner Seele Seufzen, Schmachten,

Da er sich als dein Minner zu dir wandte

Und lehrte dich, die Gottheit zu betrachten,

Der du in deiner Einsamkeit genaht.

Fürbitte für mein trauriges Umnachten,

Daß Jubel blüht aus meiner Tränensaat

Und daß mein Leib mit gottesbangem Beben

Aufjaucht im schönen Tale Josaphat

Und ich im geistgewirkten Geistesleben

Maria herze in den Weinterrassen,

Wie um die Ulme ranken sich die Reben...

Und Petrus seh ich seine Schlüssel fassen

Und seine Psalmschnur aus Olivenkern

Und beten: Droben auf den goldnen Gassen

Jerusalems seh wandeln ich den Herrn!

Ich sehe Throne tragen Cherubim

Und sehe glühen wie den Morgenstern

Die Flammenschlangen, Gottes Seraphim,

Und seh auf seinem Thron von weißer Jade

Den hochbetagten Vater Elohim

Und Ihm zu Seiten Jesus, voller Gnade,

Der lichter noch als sieben Sonnen gleißt,

Und ausgehn hör ich von der Bundeslade

Den Wind, des Vaters und des Sohnes Geist,

Der Abba, Abba! spricht in meinem Herzen

Und seiner Braut geliebte Seele preist,

Die da erscheint inmitten sieben Kerzen

Und ist so schimmernd wie der schöne Schnee

Und ihre Füße glühen goldenerzen,

So taucht sie aus des Alls kristallner See

Und wandelt rauschend an der Wonnen Bucht

Und wendet sich zu mir mit holdem Dreh,

Und heilige Harfen tönen ihr mit Tucht

Und Engel singen ihr und singen wem?

Des benedeiten Leibes Lebensfrucht!

Und ihr, allheiliger Jerusalem,

Der Tochter Zion, aller Völker Mutter,

Die ist so lieblich wie Vanille-Creme

Und ist wie Wabenhonigseim und Butter

Und gibt der Menschenseele, Gottes Spatz,

Die Frucht, den Samen und das Brot zum Futter.

Jerusalem, Jerusalem, mein Schatz,

Gott-Vater wohnt in dir und ich bin dein!

Bewahre mir im Himmel meinen Platz! -

Und Paulus hielt den glatten Schädel sein

Mit seiner schneeigweißen Haare Kranz

Anbetend in das Himmelreich hinein:

O Gott, ich sehe dich in lichtem Glanz

Als Vater mit der Harfe unterm Kinn

Inmitten schöner Engel Reigentanz.

Ich führte ja die Griechen zu dir hin,

O Unbekannter, und zum Menschensohn,

Der Logos ist, der Weltgeschichte Sinn.

Gefallen sind einst Engel von dem Thron

Jehowahs ab und wurden falsche Götter

Und zeugten Götzendienst als Gottes-Hohn.

Die aber dich geboren hat, o Retter,

Die träumte einst Homer in einem Traum,

Als über Troja lag des Schicksals Wetter,

Die Himmelskönigin erschien beim Baum

Und auch der Weisheit Hüterin, Athene,

Und jene Schöne, aufgetaucht aus Schaum,

Den Hirten so betört mit ihrer Schöne

Und ihrem zauberischen Gürtelband

Und mit des Busens Schnee so weiß wie Schwäne

Und mit den Fingern ihrer weißen Hand,

Mit der sie ihres Keuschheitsgürtels Schnalle

Zusammenschloß, als sie vorm Jüngling stand,

Und stand verschleiert in dem Haargewalle

Und war verschleiert von den goldnen Strähnen,

Sie, die mit zauberischem Worteschwalle

Den Hirten anvertraute seiner Schönen,

In Minne, sag ich, aber nicht zur Ehe.

Und dann, mit einem Lächeln auf den Zähnen

Und mit dem Tanzen perlengleicher Zehe

Stieg sie hinan, stieg heim ins Himmelreich.

Doch herrlicher als Aphrodite sehe

Maria ich, die keiner Göttin gleich!

FÜNFTER GESANG

Um deiner Tränen willen, Liebe Frau,

Die du geweint hast über Lazarus,

Als er verweste in des Grabes Bau,

Um deiner Tränen trauerreichen Fluß,

Der dir geblutet hat in deinem Herzen,

Weil Jesus in dem Ölhain einsam muß

Die Becher leeren voll von bittern Schmerzen,

Um deiner Tränen mitleid angenehm,

Die fähig, alle Leiden auszumerzen,

Das Leid der Töchter von Jerusalem,

Um deiner Tränen, Jungfrau voller Reize,

Die du geweint am Schädelberg mit dem

Gekreuzigten, der Weisheit an dem Kreuze,

Um deiner Tränen willen tröste, Frau,

Den Minnesänger seiner Falkenbeize,

Der unter Tränen sucht die Blume blau

Und nährt die Blume seiner Sehnsucht mit

Der Einsamkeit Gewässer, Tränentau.

O Consolatrix Afflictorum! bitt

Für deinen Liebling, nimmer widerstehn

Kann eine Maid dem Jüngling, der da litt,

Sie nimmt ihn in die Taubenschwingen schön

Und bettet ihn an ihrer süßen Brust:

Getrost, mein Lieber, unverzagt! denn sehn

Wirst deinen Heiland über Todes Dust

Du in dem Garten Eden lieblich spielen,

Und ich werd da sein dir zu deiner Lust,

Wenn du da voll Gedanken und Gefühlen

Von Gott dich freuen wirst in meinem Arm

Und deine heißen Tränen süß sich kühlen

In meiner Zärtlichkeit, in meinem Charme,

Und wir in Gott uns küssen, Mann und Frau.

Dies geb ich dir zur Hoffnung.- Herr, erbarm! -

O Wind, der rauscht durch Nächte dunkelblau,

O Geist in deinem unsichtbaren Licht,

Nun sing, erquicklich wie des Lebens Tau!

O Leib Mariens, göttliches Gedicht,

Erhebe dich, dich aus der Nacht erhebe!

Vorm Seienden, Maria, bist du nicht,

Ich aber hauch, daß ich dir Leben gebe,

Ich weh dir in dein langes schwarzes Haar,

In deiner Haare Schleier Nachtgewebe,

Dir fallend zu der Brüste Taubenpaar,

Die du bedekcst mit deiner schmalen Linken,

Weil deine Mädchenbrust demütig war,

Auch seh ich deine lange Haarflut sinken,

Da deine Rechte schleiert dir die Scham.

Ich singe so und deine Augen blinken

Liebreizend voller Charme zum Bräutigam,

Die Tiefen deiner Augen, schön wie Sterne,

Aus deinen diamantne Trauer kam,

Ich sehe schimmern in des Weltalls Ferne

Dein Auge, schauend in des Kosmos Grund.

Von dir das Sternbild Jungfrau Schönheit lerne,

Orion auch, der Jäger mit dem Hund,

Sieht dich auftauchen, himmlische Plejade.

Am Himmel seh ich deinen schönen Mund

Zulächeln mir voll Grazie und Gnade,

Daß ich verzückt vor dir im Feuer bleib!

O lichter Leib, o transparente Jade,

O weißer Stein, der Jungfrau reiner Leib,

Vergöttlicht alles, Scheitel so wie Schritte,

Du Gottes Leidenschaft, du Gottes Weib,

Und über alles deines Lebens Mitte

Und deiner Liebe Zentrum glüht dein Herz!

Daß ich, dein Bräutigam, ins Herz dir glitte! -

Oh Geist, mein Auge funkelt innenwärts

In seiner Paradieses-Schwärze, Stern

Der Nacht, oh Geist, das lichte Aug mir schwärz,

Oh, schwimm in meines Auges Mandelkern,

Wie Tau gesammelt unterm braunen Lid,

Und wein in mir die Tränen meines Herrn!

Oh Geist, auf meinen Lippen laß dein Lied

Der Liebe lächeln und wie Rosen blühn,

Ist Rose doch der Mund der Schullammyth,

Weiß nur der Mund in Minnerot zu glühn

Und aufzujauchzen, Jubelsang lobpreisend

Gott gebend, alle Kraft des Lebens grün

In dich zu spiegeln, Gottes Antlitz, gleißend

Vor Licht und doch so dunkel wie die Nacht,

Geschlossner Lider, Weisheit, unterweisend,

Wie meines Leibs unendliches Geschmacht

Sich deines Geistes Inbrunst ganz vermähle!

Das Beben meiner Brüste, o die Pracht

Der Berge Gottes, ich vor Gott nicht hehle,

Das Beben meiner Brüste bebt dir zu,

Oh Geist, du Liebesspiel in meiner Seele!

In meinem Schoß Empfangener, oh Du,

Der du gesät des ewigen Wortes Samen,

Du find in meinem Schoße deine Ruh

Und reime auf mein Hymen, Geist, dein Amen,

So wohnst du innen in mir, Gottheit, innen,

Und offenbarst mir dort des Geistes Namen!

So wirst du mich von innen durch dein Minnen

Verklären, meinen Leib in edler Zucht

Vergöttlichen, mit geistgewirkten Sinnen

Auftauch ich an der Wonnen Meeresbucht,

Zum Eiland der Glückseligkeit ich treib,

Wo ich vom Lebensbaum die Lebensfrucht

Empfange in dem gottverklärten Leib!

SECHSTER GESANG

Komm, Thomas, komme du von den Brahmanen

Und eile von den mystischen Disputen

Aus deinem Dschungelland der Indostanen.

Was wissen sie von Atem, Weltall, Gluten,

Vom Schöpfer, der auf einem Schwan geflogen?

Wem opfern sie die Böcke und die Puten

Und wer ist aufgetaucht aus Soma-Wogen?

War Gott die Devi oder Gott ein Deva?

Wer sind, die mit der Shakti Umgang pflogen?

Was sagte ihnen plötzlich Adam, Eva,

War der Disput nicht nur ein Zeitvertreib?

Sie gingen auch auf Wasser, wie einst Kefa,

Gott Krischna hatte einen blauen Leib,

Und wenn du willst, so nenn die Gottheit Shiva,

Was sind schon Namen? Gott ist auch ein Weib,

Die Devi Shakti eine schöne Diva

Und Gottvereinigung die Lust des Tantra

Und Gott geboren in Liebkosung: Viva!

Ist in der Lotos das Juwel! dies Mantra

War doppelt heilig: mystisch und erotisch!

Was sagtest du, o Thomas, weiser Wandrer,

War dir die Hindu-Mystik zu exotisch,

War weiser die geheime Weisheit dein?

Und wirkte heiliger Geist von Gott hypnotisch

Auf Schlangen? Willst du einmal wieder sein

Bei den geliebten Bergen Israels?

In Josaphat und beim Olivenhain?

Die Jungfrau ruft dich, rein wie Bergschneeschmelz,

Zum Tal, wo sie erstanden durch den Geist,

Da lehne dich an Petrus an, den Fels.

O Hirte Kefa, sag mir, was du weißt,

Ist auch der Leib zum Himmel eingegangen?

Weißt du, wie man in Indien lobpreist?

Da ist die Seele in dem Leib gefangen

Und ist die Seele unberührt von Sinnen

Und ist ganz frei von Leib zu Leib gegangen

Und war verborgen in dem Körper innen,

Der eitel war, aus Werdewelt und nichtig.

Kann Gottes Geist des Leibes Ruhm gewinnen

Und ihm die Schwere geben, wertgewichtig,

Gewichtig wie die Herrlichkeit des Herrn?

Ist Auferstehung allen Fleisches richtig,

Hat Gott auch unsre armen Körper gern

Und will den Leib durchpulsen und durchgeisten

Mit Ewigkeit, nicht nur den Seelenkern?

O Thomas, was die Indier umkreisten

Und doch nicht griffen, liegt hier als Beweis,

Siehst du zum Grab Mariens, dem verwaisten,

Was siehst du? Thomas, singe Lob und Preis,

Der du getastet hast Messias’ Wunden,

Hier gibt dir auch Maria eines preis.

O Kefa, ich nur hab die Schnur gefunden,

Mit der die Jungfraumutter sich gegürtet!

Mit ihrem Gürtel will ich mich umrunden,

Ihr Kordeln, die ihr ihre Hüfte ziertet,

Wenn sie gegürtet Lenden des Gemüts,

Ihr Schnallen, die ihr diese Bänder schnürtet,

Euch leg ich an. Und oh im Grabe blühts,

Die Rosen blühen der Madonna nach,

Weil nun ihr Leib im Garten Schullammyths!

Den Gürtel trag ich nun, getrost, gemach,

Als heilige Reliquie zum Schrein

Des zyprischen Olympos. Thomas sprach.

Und über Cypros geht herauf der Schein

In keuschem Rosa, goldne Morgenröte,

In himmlischem Orange, und leis stimmt ein

Ein junger Seraph, spielt die Jadeflöte

Und trunken sind vor Jubel seine Töne,

Als ob er Gott ein Lobpreisopfer böte:

Die Unbeschreiblichkeit der Wunderschöne

Mariens ist gemäß der Gottesgnade

Der Göttin-Werdung!... Gott! Maria kröne

Und laß anstaunen uns die reine Jade

Verklärten Leibes, ganz dem Geiste eins!

Vergöttlicht taucht die Göttin aus dem Bade

Der Neugeburt, gehüllt in Morgenscheins

Orange, das klärt und klärt sich noch zum Gold!

Von allen Mädchen ist so lieblich keins,

So sehr sie alle heilig auch und hold

In ihrer Gottesebenbildlichkeit!

Archaische Poeten, trunken wollt

Ihr diese Maid, aus Gnade Göttin, weit

Und hoch Maria Aphroditissa rühmen!

Aus Glut der Liebe Gottes ist ihr Kleid,

Neun Engelshierarchieen sie umblümen,

Ihr Schleier wallt wie weißer Meeresschaum,

Und makellos erscheint sie den intimen

Verehrern, die benommen wie vom Traum

Und sehn die Aura wie von Meeresblau,

Als Stella Maris wandelt durch den Raum

In ihrer weißen Mandorla, o schau,

Als wie in einer Muschel oder Grotte

Erscheint vollkommen schön die Liebe Frau,

Auf daß vergotte, fort und fort vergotte

Der Herr Sie - Christus an dem Kreuze schrie -

Da Sie sich einigte dem lieben Gotte!

Maria, oh Maria, oh Marie!...