VON TORSTEN SCHWANKE
ERSTER TEIL
„Sieh, es ist Nacht! Ergebe dich der Nacht!“
(Reinhold Schneider)
22.4.2000
Nur das Gebet (Vaterunser) half mir aus dieser Welttraurigkeit. Besonders schön die Aus-legung von Reinhold Schneider zu „und führe uns nicht in Versuchung“, er sagt, Christen müssten oft ein schwereres Kreuz tragen als Heiden, hätten dafür aber auch die ewige Hoffnung, im Gegensatz zum vergänglichen Glück der Gottlosen.
Ich mit meiner Schwermut mag das Freuden- und Jubelchristentum der Charismatiker nicht. Ich liebe Autoren wie Reinhold Schneider, die aus der Tiefe des Leidens Gott geprie-sen haben. Leid verwandelt uns in das Ebenbild des Gekreuzigten. „Freude in allem Leide“ ist für mich keine Fröhlichkeit mit Lachen, sondern Trost und Dankbarkeit, daß der Vater da ist, ich ihm mein Herz ausschütten kann, der Geist in mir als Tröster, Jesus der Garant der ewigen Glückseligkeit. - Aber ich kenne in der Bibel keinen Fall von Liebeskummer. Salomo liebte glücklich. Jakobs Sehnsucht nach Rahel wird nicht geschildert, und sie ist ihm ja versprochen. David bekam jede, die er haben wollte. Aber unglückliche Liebe ist Wirkung des Übels, es wird soetwas im Paradies nicht geben, wo alle lieben ohne Aus-nahme und vollkommen. Und Melancholie und Schwermut, ist das die „Traurigkeit der Welt zum Tode“? Eine „göttliche Traurigkeit“ ist die Reue über die Sünde. Aber ich bin nicht von der Welt und doch schwermütig. Es kann nicht die Welttraurigkeit zum Tode sein. Aber es ist auch kein Leiden um Christi willen. Es ist nicht Sauls böser Geist, es ist nicht Elias Angst, es ist nicht Davids Traurigkeit wegen des Ehebruchs oder seine Angst vor den Feinden. Warum bin ich so schwermütig? Das zu fragen, scheint unsinnig, ich werde darauf im Himmel erst eine Antwort bekommen. Luther kannte Schwermut und empfahl Musik, Komödie, Geselligkeit.
24.4.
War bei Schwester S. Sie las mir zwei Lieder von Jochen Klepper vor, der die letzten Lie-der vor seinem Tod sehr schwermütig dichtete. Er hatte eine Jüdin zur Frau und ein halbjü-disches Kind, und zwei Tage, bevor sie ins KZ abgeholt werden sollten, drehten sie den Gashahn auf und starben mit Blick auf den segnenden Christus. Jochen Klepper, Rudolf Alexander Schröder und Reinhold Schneider will ich besser kennenlernen.
27.4.
Las etwas über Goethes Liebesleben. Er traf die Freundin Charlotte von Stein im Garten, wenn Stallmeister von Stein nicht da war, verherrlichte sie in Tasso und Iphigenie und lieb-te sie, sie liebte ihn als seine Schwester und Muse. Aber schließlich reiste er nach Italien und klagte über sein weimarianisches Unbefriedigtsein, er hätte Charlotte gern besessen, nahm sich Faustina als Schätzchen und schrieb Erotica. Kann eine idealisierende, platoni-sche, verzichtende Liebe erfüllend sein?
1.5.
Ich bin mit der Pfingstgemeinde unzufrieden, schon seit etwa Dezember. Der Lobpreis ist mir zu oberflächlich und ewig-fröhlich, die Gemeinschaft heuchlerisch fast und oberfläch-lich auf small-talk beschränkt, die Predigten sprechen mich nicht an, sie sind mir zu welt-lich. Ich fühle mich in der Gemeinde nicht mehr zuhause, auch das Reden von „Bildern“ und „Zungenrede“ befremdet mich mehr und mehr. Ich bin ganz vom Charismatischen weg. Wenn Charismatiker vom Heiligen Geist reden oder Pfingstler, werd ich mißtrauisch. Ich will gucken, ob ich mir vielleicht eine evangelikale Gemeinde suche.
2.5.
Leiden um Christi willen ist nicht nur die äußere Verfolgung und Peinigung des Leibes der Christen durch den Teufel und seine Kinder, sondern auch das innere Traurigsein der Seele der Christen über die Übel des Fleisches und der Welt.
5.5.
Ich bin irgendwie in einem dunklen Lybrinth, wo alles sinnlos scheint, ein lebenslanges Umherirren, und erst der Tod ist der Ausweg.
6.5.
Wenn ich eine textliche Tradition des christlichen abendländischen Kirchenliedes sehe: Ambrosianus, Tauler, Gerhard, Wesley, Zinsendorf, Teerstegen, Schröder und Klepper; was ist dagegen die Textkultur des charismatischen Lobpreises? Oberflächlich, inhaltsleer, literarisch schlecht. Auch die Tradition von Milton, Sidney und Spenser und anderen engli-schen Renaissance-Dichtern, Psalmen nachzudichten, ist bei mir zur Reimbibel geworden.
Franziskus: „Seine Rede war einfach und mächtig, erfüllt von der Glut der Wahrheit, die in ihm lebte; gerne erzählte er in schlichten Worten ein Gleichnis, fühlte er sich vom Geiste nicht mehr getragen, so schwieg er.“
8.5.
Das sehr tiefsinnige, fromme Buch Schneiders über Franziskus durchgelesen. Man muß es langsam lesen, es ist sehr sorgfältig formuliert und voller tiefer frommer Gedanken. Es lobt Armut, Demut, Gehorsam und Heiligung. Die Predigt des Franziskus war sein Leben, das dem Leben Christi ähnlich wurde.
Kleppers Kyrie gelesen, sprachlich hart und karg, aber geistlich fromm im Leiden, nun nicht mehr Klage, sondern Lob, sagt er, und ob Lebensbaum oder Dornbusch, es ist von Gott gesandt, mich zu ihm zu ziehen, er ist nah, und Klepper ersehnte die heilige Jerusa-lem!
10.5.
Waldemar Augustiny „der Glanz Gottes“ gelesen, eine Novelle über den deutschen Ba-rockmaler Johann Lyß in Venedig, der in sinnlicher Lebenslust lebte und melancholisch war, weil er Übersinnlich-Göttliches malen wollte. Ein Kardinal sagte ihm: Sein Beruf ist Berufung, er muß gehorchen. Er kann sinnliche und seelische Schönheit zur Ehre des schö-nen Schöpfers verherrlichen. Wenn zu seiner Kunstgabe ein frommes Leben käme, könne auch ein Abglanz der ewigen Schönheit in seine Werke fallen.
Lese Schneiders Sonette. Er bekennt sich zu seiner Schwermut, die ihm von Anfang an gegeben ist, es ist sein Kreuz, er ist auf der Erde nur Gast, mit Sehnsucht nach der lichten Heimat. Sehr tief, sehr still, sehr melancholisch die Sonette, gefallen mir ausgesprochen gut.
„Läßt nur ein Herz in Treue sich bereiten, / so kehrt ihm einst, sein Elend auszu-söhnen, / verklärt der Liebe Morgenglut zurück.“ (Schneider)
13.5.
Goethe sagt: Auf dieser Erdenflur muß man lieben, um zu dichten.
Im Liebesleben Goethes wird Zacharias Werner, der Sonetten- und Dramen-Dichter er-wähnt, der eheuntauglich und immer verliebt war, ein Prediger der Liebe, mal der fleischli-chen und mal der geistlichen. Goethe durfte, als er seinen Bettschatz Christiane hatte, im-mer äugeln und poetisch schwärmen, aber er blieb doch der Mann seines Hausschätzchens. Sie schaffte ihm häusliche Behaglichkeit und ein warmes Bett, seine feminine Inspiration suchte er außes Hauses.
Begeisternd, wie Schneider vom bitter-schwermütigen Todverfallnen zum heiligen Pro-pheten des ewigen Lebens wurde; ersteres raubt die Kraft beim Lesen, letzteres gibt Kraft selbst im Schweren.
14.5.
Höre Schubert-Lieder und lese Schneider-Gedichte. Mitternacht und eine stille Schwermut ist da. Ich habe fünf geistliche Lieder gedichtet. Vielleicht wird es ein Gesangbuch. Aber meine schöpferische Phase ist wohl eigentlich noch nicht wieder da. Immer diese einsamen Nächte!
15.5.
Wollte in eine kleine dunkle katholische Kapelle und beten und Eucharistie feiern.
Leiden gehört zum Christenleben, unschuldiges Leiden. Alles unschuldige Leiden ist ein Leiden um Christi willen, und ein Segen, weil es uns Christi Leiden und Tod gleichgestal-tet, uns dem Herrn ähnlich macht. Wir sehnen uns und seufzen nach der Erlösung. Was heißt aber: „Freuet euch, und abermals sage ich euch: Freuet euch im Herrn!“ wie Paulus sagt? Wie hängt das Schicksal der Leiden mit der gebotenen Freude zusammen?
Im Gebet sagte ich Gott, daß ich es annehmen will, wenn es mein Schicksal ist, immer ohne Weib zu bleiben. Vielleicht ist es Voraussetzung für mein Werk? Aber die Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Küssen, Gemeinschaft und Annahme bleibt, besonders an den schwermütig-einsamen Abenden.
16.5.
„Der Reiz der Schönheit ist in der Tat nicht rein erotisch; fester noch als das Verlangen bindet der Widerschein, der Tau auf ihren Flügeln, den sie aus einer unbekannten ersehnten Welt herausträgt. Die schöne Frau ist viel mehr als sie von sich weiß. Was sie selbst als ihren höchsten Wert betrachtet, ist nicht ihr Wert. Sie ist unbesiegbar wegen jenes Wider-scheins, für den sie keine Augen hat.“ Reinhold Schneider. Lewis sagte, alle irdische Schönheit sei Abglanz und Hinweis auf Gottes Herrlichkeit. Ich kann nicht anders als glauben, daß Gott schön ist und sicher hat er Sinn für das Schöne. Jerusalem-Eden ist schön, Jesus ist schön, Maria ist schön, die Engel sind schön.
Wäre es vorstellbar, daß ich mit einer Frau zusammenlebe? Daß ich nicht jederzeit ein-sam an meine und anderer Dichter Werke gehen könnte? Nur um an manchen Abenden nicht die Einsamkeit zu spüren? Man hätte keinen sexuellen Verzicht mehr zu leisten, aber oftmals einen Verzicht auf ein Leben in Traum und Phantasie, denn eine Ehefrau wird wahrscheinlich mehr Prosa als Poesie ins Leben bringen. Und dennoch möchte ich einmal wieder umarmen und küssen!
Gebet aus dem katholischen Gotteslob: „Mein Herr und Gott, es hat sich für mich so ergeben, daß ich allein lebe. Manchmal freue ich mich zwar über meine Freiheit, aber oft drückt mich das Alleinsein, und ich frage mich, was mein Leben soll. Dann laß mich spü-ren, daß du mich an einen Platz gestellt, an dem du mich haben willst, so wie ich bin, mit meinen Gaben und Fähigkeiten, mit meiner Schwachheit und Unzugänglichkeit, in meiner Einmaligkeit, die du so und nicht anders gewollt hast. Zeig mir, daß mein Alleinsein nicht Einsamkeit sein muß. Weil ich frei bin, kann ich vieles tun. Weil ich allein bin, kann ich vielen etwas bedeuten. Weil meine Liebe nicht gebunden ist, kann sie sich vielen zuwen-den. So kann auch mein Leben erfüllt sein, wenn ich es nur selbst annehme und bejahe. Dazu hilf mir.“ Amen.
17.5.
Bin um 2 Uhr morgens aufgewacht von einem Traum, der schön war. Ich hatte eine Rad-tour im Haschischrausch gemacht und kam an einer modernen evangelischen Kirche vor-über; als ich sah, daß es eine evangelische war, sagte ich: Nein, ich wollte ja in eine katho-lische; die stand daneben, und ein Pfarrer saß davor. Ich sagte: Entschuldigung, dürfte ich mal in der Kirche beten? Er sagte: Wie? Ich sagte: Ich suche schon den ganzen Tag eine kleine katholische Kapelle, um eine Andacht darin zu halten. Er sagte: Ja, wer steckt denn da dahinter? Ich sagte: Ich bin schon Christ, aber protestantischer, am Anfang meines Christseins war ich Katholik, und nun bin ich mir über meine Frömmigkeit nicht mehr im Klaren. Er lächelte, als wolle er mich zur Madonna bekehren, was ich nicht wollte. Ich wollte ihn erst fragen, ob ich bei ihm beichten könne. Ich wollte mein Haschischrauchen beichten, tat es aber dann nicht, entweder weil ich als Protestant nicht zur Beichte zugelas-sen war, oder weil ich nicht ans Sakrament der Beichte glaubte. Ich ging dann in die Kir-che, die von einem farbigen Dämmer erfüllt war (von den Glasfenstern). Da saßen zwei Frauen, eine in meinem Alter, mit grau-beiger Strickjacke, und eine ältere Frau, die auf-standen und sich erschraken oder verwunderten, als sei ich zu früh gekommen. Ich sagte, ich sei nur zum Beten gekommen. Sie zogen sich zurück. Ich setzte mich und fing eben an zu beten, da kam der Pfarrer zu mir, im schwarzen Talar, beleibt, etwas älter, und sprach mit warmer, väterlicher, freundlicher, salbungsvoller Stimme mit mir. Ich weiß nicht mehr, was er sagte. Dann verabschiedete ich mich und stellte beim Herausschauen aus dem hellen Vorraum fest, daß es die katholische Kirche ganz in meiner Nähe war, ich war irritiert, denn erst dachte ich noch, ich sei in einem ganz andern Stadtteil von Oldenburg. Der Pfar-rer gab mir zum Abschied eine Broschüre über ein esoterisches Fernsehprogramm, in dem die Überlegenheit der italienischen Rasse über die deutsche dargestellt wurde, und ein Lie-derheft mit katholischen Liedchen, „Unser Leben“ hieß es und freute mich sehr. Er fragte, ob ich ein Dichter sei, und ich bejahte. Das erklärte auch, warum ich den weiten Weg, den ich bis zur Kirche schon hinter mir hatte, nicht bemerkt hatte: ich war ein Träumer, und es war recht so, er lächelte liebend-väterlich.... Ich glaube, von der großen Liebe, die ich spür-te, wachte ich auf, hatte Durst und war wach.
Gott ist also gewiß schön: „Mein Volk wird schauen die Herrlichkeit des Herrn und die Schönheit unseres Gottes“ (Jesaja 35).
Ich glaube nicht an die Taufwiedergeburt, nicht an die Transsubstantiation und nicht an die Fürsprache Marias und der Heiligen. Ich mag am Katholischen die Mystik, besonders die Minnemystik, und Innerlichkeit und Gebet, was man vielleicht auch bei den älteren Pietisten findet. Innerlichkeit ist mir ein zentraler Begriff geworden, und heiligen Ernst will ich und Annahme der Leiden und Gleichgestaltung durch Leiden (auch Schwermut ist ein Leiden um Christi willen). Jedes Leiden an Geist, Seele und Leib, das nicht Strafe für eine begangene Sünde ist, sondern von Gott zugemessen zur Läuterung und Umgestaltung, ist ein Leiden um Christi willen.
Gestern dachte ich: Ich bin ein Schiff, ich muß nur das Segel des Gebetes spannen, dann wird der Wind des Heiligen Geistes mich führen in den Port. Heute fühle ich: Mein Leben ist ein Stück Wrackholz, das im chaotisch-wogenden Ozean treibt.
Ich hatte sonst das Gebet zu begreifen gesucht als Bitte um konkrete Dinge, die ich mir wünschte. Manches kam und manches blieb aus, manches kam spät. Aber ich begriff die Kraft des Gebetes nicht. Das Lobpreisgebet hatte mich kräftig und lebensfroh gemacht, aber es war wenig eigenes. In Altensteig die Gebetsspaziergänge mit den Psalmen und dem evangelischen Gesangbuch, das war Intimität, die mein Herz berührt hat. Das schöne Gebet gestern nach den Lob-, Segens- und Bußgebeten aus dem katholischen Gotteslob hat mir Liebe für Gott geschenkt. Das Wichtigste am Gebet ist die Gemeinschaft mit dem Vater, Intimität, innerliche Union, die grundsätzlich das Herz verändert.
Ein Wort für den ruhigen, müßigen, stillen Abend: „... die Anleitung zu einem Schwei-gen vor Gott, das nicht unter dem Erfolgsdruck überwältigender Emotionen steht, sondern auch mit der Erfahrung der Nichterfahrung rechnet und diese bejaht.“
Ich mag auch nicht, wie in der Pfingstgemeinde das Abendmahl gefeiert wird, ohne An-dacht und Versenkung in die Leiden Christi, sondern mit Fröhlichkeit und Lachen. Wie sehne ich mich nach einer Frömmigkeit, wie sie die Katholiken bei der Eucharistie haben, dieser Heiligung und Würde und Ernst und Demut.
18.5.
Sehe eine Messe mit dem Papst auf dem Petersplatz, viel fromme Gebete zum barmherzi-gen Vater, dem Herrn und Erlöser Christus in der Freude und durch die Gaben des Heiligen Geistes. In würdiger Feierlichkeit werden Psalmen gesungen melodisch von Chören. Der Märtyrer und der Einsamen und Leidenden wird gedacht. Das Volk Gottes wird eine heili-ge, prophetische Priesterschaft genannt, Tempel Gottes. Ich bin neidisch auf diese biblische Sprache; wie säkular ist die Sprache in der Pfingstgemeinde. Aber die Fürsprache Marias und der Heiligen und die Schlüsselgewalt des Papstes und das Opfer der Eucharistie halt ich nicht für biblisch. Maria ist tot, sie wird an der ersten Auferstehung am Jüngsten Tag teilhaben, dann werde ich sie nicht Mutter, sondern Schwester nennen. Ich kann auch Tote lieben, wie meinen Bruder Reinhold Schneider, so liebe ich auch meine Schwester Maria, und freue mich, sie beim alleinigen Herrn und Hohepriester und Fürsprecher Christus zu sehen.
Wenn das Mahl des Herrn kein Sakrament ist, in dem der Leib des Herrn und sein Blut tatsächlich gegeben werden, dann muß es immerhin eine heilige Meditation über den Kreu-zestod Christi sein, eine Versenkung in sein Opfer. Das will ich mit heiligem Ernst bege-hen, nicht mit Lustigkeit und Spaßigkeit und Tanz, sondern mit Ehrfurcht, in der Furcht des Herrn.
Teilzuhaben an Christi Leiden, um in einen Christus-Ähnlichen verwandelt zu werden, ist mein Los. Freude ist mir die Hoffnung auf die ewige Glückseligkeit und nicht die Teil-habe an zeitlichem irdischem Glück. In der Pfingstgemeinde predigen sie, wie man auf Erden glücklich wird. Ich mag die sanguin-hysterische Fröhlichkeit nicht. Die barock-protestantischen und die pietistischen Liederdichter schufen aus der Schwermut und dem Leiden heraus.
Zur Einsamkeit: „Nicht an den Menschen fehlt es oder an der mangelnden Möglichkeit zu sprechen, sondern an der Möglichkeit, es zu sagen. Das Herz ist nicht mitteilbar und kann deshalb niemand gewinnen.“
Kehrte in Osternburg in die katholishe Kirche ein und betete: Mein Leben erschien mir als Kreuzweg, und Christus hilft mir, mein schweres Kreuz zu tragen. Ich zündete eine Kerze vor dem Christus, der als Kind gekommen ist, fürs Baby an.
Etwas in Schneiders Tagebuch gelesen, aber ich glaub ich mag nicht mehr. Seine Idee vom Künstler aus Gnaden des Verzichts auf Glück hab ich verstanden, seine Bemerkungen über das katholische Spanien des 16. Jahrhunderts aufgenommen, ich will mehr vom be-kehrten Schneider ab 1936 lesen.
Mechthild von Magdeburg schreibt: „Denn Gott erscheint allen in dem Maße schön, in dem sie hier in der Liebe geheiligt und in den Tugendwerken veredelt wurden.“
20.5.
Hiob 36,15, Elihu sagt: „Wer aber leidet, wird durchs Leid gebessert, Gott öffnet ihm die Augen durch die Not.“
Blaise Pascal: „Denn es gibt zwei Prinzipien, die den menschlichen Willen in die eine oder andere Richtung lenken: die Begierde und die christliche Liebe. Es ist nicht so, daß die Begierde mit dem Glauben an Gott und die christliche Liebe mit den Gütern der Erde unvereinbar wären, aber die Begierde bedient sich Gottes und hat ihre Freude an der Welt, und die christliche Liebe verfährt umgekehrt.“ - „Verhärte ihr Herz. Und wie? Indem man ihrer Begierde schmeichelt und ihnen Hoffnungen macht, daß man ihr freien Lauf läßt.“ Die Gerechten verstehen unter ihren Feinden die Leidenschaften, die sie von Gott wegbrin-gen wollen.
Die Pein, sagt Mechthild, sei nicht aus dem Himmel, sondern aus dem Schoß Luzifers, aber sie haben schon manchem den Weg zum Himmel und zur Seligkeit geebnet. So viel-leicht auch unglückliche Leidenschaft? und gewiß die Schwermut, die man auch als bösen Geist oder Pfahl im Fleisch verstehen kann, welchen Gott mir gegeben hat, damit ich sei-nem Sohn gleichgestaltet werde.
War in der Osternburger Heilig-Geist-Kirche und betete: Wenn ich auf dem Kreuzweg Jesu gehe und mein Kreuz trage, ist meine Freude, daß Gott da ist, Jesus meine Hilfe und der Heilige Geist mein Tröster, und ich eine lebendige Hoffnung habe. Aber diese Freude ist nicht notwendig eine sanguinische Heiterkeit und Fröhlichkeit, sondern Trost, Dank und Hoffnung, „Freude in allem Leide“.
21.5.
Ich stelle viel Hochmut fest. Der glückliche Christ sieht auf den schwermütigen herab und sagt: „Du hast die Erlösung noch nicht erfahren, noch nicht die Auferstehungsfreude im Heiligen Geist und das heilige Lachen der Geisterfüllung erfahren“. Der Schwermütige sieht auf die Fröhlichen herab und sagt: „Du willst dein Kreuz nicht auf dich nehmen, dich nicht durch Leid in Christus verwandeln lassen, du bist infiziert vom Zeitgeist der Spaß-Generation.“ Um diese, von Gefühlen begründete Theologien bauen sich ganze Kirchen, wie mir scheint, vielleicht ist dies die Differenz zwischen Pietisten und Charismatikern.
Was ist gemeint mit der „Traurigkeit der Welt, die zum Tode führt“? Ist es Hoffnungslo-sigkeit und Depression der Kinder der Welt angesichts des Todes? oder ist es alle Traurig-keit, außer der „göttlichen Traurigkeit, die zur Reue führt“?
Schneider zitiert Papst Innozenz III: „Den Ehelosen quält die Fleischeslust, den Verhei-rateten das Weib.“
Pascal zitiert Jesus, der sagt: „Wer nicht sein Leben haßt, kann mir nicht folgen.“ Aber das Gebot: „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst“ setzt doch voraus, daß es geboten ist, auch sich selbst zu lieben. Sollte man nicht lieben, was Gott liebt? Und Gott liebt mich. Aber es heißt auch: „Wer Vater und Mutter nicht haßt, kann nicht mein Jünger sein“ und „Ehre Vater und Mutter!“ Heißt „hassen“ hier: an die zweite Stelle setzen? Sein Leben hassen, heißt, es ist nicht das Höchste, sondern Gott zu lieben ist mehr. Auf dem Thron des Herzens sitzt nicht mehr das Ego, sondern der Heilige Geist. Erst in Christus ist das Selbst wieder geliebt. Ist das recht gedacht?
Das Leben wird nach vorne gelebt, aber nur nach rückwärts verstanden, sagt Kierke-gaard. „Glücklich, wen ein leerer Wahn beschäftigt“, sagt Goethe.
22.5.
Vater, wie die Israeliten in der Wüste die Entbehrung satt waren und nicht mehr nur vom Manna leben wollten, sondern sich nach dem Fleisch Ägyptens sehnten, so denk auch ich manchmal, deine Gebote von mir zu werfen und nach dem Willen meines Fleisches zu leben. Und Vater, wie Mose die Last zu schwer wurde, die Israeliten zu führen, und er sich eine Erleichterung seiner Qual erbat oder du mögest ihn sterben lassen, so sehn ich mich nach Freude oder mehr noch nach dem Abscheiden.
J. meinte, die Schwermut sei die „Traurigkeit der Welt, die zum Tode führt“, aber könne von Gott zur Heiligung verwandt werden. Die Schwermut sei eine seelische Behinderung, wie es geistige oder körperliche gebe. Sie sei das Erbteil der sündigen Natur der Väter. Das trifft mit Mechthild zusammen, die sagte, die Pein sei aus Luzifers Schoß. Sie ist das Kreuz, das ich zu tragen habe. Gott gebraucht sie aber, mich zu ihm zu drängen. So sandte Gott den Juden die Finsternis der Nationalsozialisten, um den zionistischen Gedanken mächtig werden zu lassen. Vor dem dritten Reich warben die Juden in Freundlichkeit für die zionistische Idee, aber erst die Drangsal brachte den israelischen Staat zustande. So ist das Leid oft wirksamer als die Freude zur Herstellung einer intensiven Gottesbeziehung.
Pascal fragt, ob man einen Menschen, den man wegen seiner Schönheit liebt, wirklich liebt? Nein. Liebt man einen Menschen, den man wegen der Tugend seiner Seele liebt, wirklich? Nein, denn auch die kann, wie die Schönheit, vergehen. Aber kann man die Sub-stanz der Seele eines Menschen abstrakt lieben? Nein. Man liebt also den Menschen wegen seiner Eigenschaften.
Pascal: „Der Glaube umfaßt mehrere Wahrheiten, die einander scheinbar widersprechen: lachen hat seine Zeit, und weinen hat seine Zeit... Deren Quelle ist die Vereinigung der zwei Naturen in Jesus Christus.“ So ist es legitim, eine ernste, liturgische, heilige Messe im Dunkeln zu feiern, und ebenso legitim, einen fröhlichen Lobpreisabend zu feiern. Es ist legitim, beim Abendmahl lachend des Auferstandenen zu gedenken und ebenso legitim, beim Abendmahl ernst und würdig des Gekreuzigten zu gedenken. Seit kurzem bin ich nicht mehr überzeugt, daß bei dem Schisma durch die Reformation die Wahrheit allein auf den Reformatoren lag. Auch bei Katholiken wie Augustinus, Mechthild, Pascal und Schneider finde ich Glaube und Wahrheit.
Die totale dogmatische Verneinung alles Katholischen führt zu einem Traditionsverlust, es sei denn, man baue seine Traditionslinie über Waldenser, Albigenser, Hussiten, Refor-matoren. Wo bleibt da die Mystik? Mystik ist unter den Evangelikalen ein Schimpfwort, was ich immer schon bedauerlich fand.
Das Besondere der Poesie ist, daß sie erfreuen und belehren kann. Nur christliche Poesie kann recht belehren, denn sie lehrt die von Gott offenbarte Wahrheit. Erfreuen kann mich aber auch nichtchristliche Poesie, und auch aus ihr kann ein Christ lehren ziehen, z.b. vom Streben der Menschen nach natürlicher Religion Hölderlin, Rilke, Hesse). Schönheit und Wahrheit scheinen mir aber nicht identisch. Die Marienverehrung finde ich schön, halte sie aber nicht für wahr. Eine buddhistische Pagode finde ich schön, halte sie aber nicht für einen Tempel der Wahrheit. Solche Schönheit ist ein entstellter Abglanz der wahren Schönheit Gottes. Wenn Platon von dem Schönen, Wahren und Guten sprach, kann dies in Einheit nur von Gott erfüllt werden.
Luther nennt den Papst Rattenschwanz des Antichristen, Pascal nennt die Calvinisten Ketzer und Häretiker. Was soll man darüber denken? Was ist mit dem Leib Christi und seiner Gegenwart im Abendmahl oder unter dem Abendmahl oder ist es allein ein Ge-dächtnismahl? Die Evangelikalen lehren reines Gedächtnismahl und würden an einer Eu-charistie nicht teilnehmen, es sei erneute Opferung Jesu, das Kreuz sei das alleinige und endgültige Opfer. Die Katholiken schließen die Protestanten vom Abendmahl aus, weil sie den Leib des Herrn verunehren würden. Was soll man darüber denken?
23.5.
Ägypten ist die Welt, die Wüste das Leben der Heiligen in Aussonderung und das Gelobte Land der Himmel. Die Rotte Korach war ein Bild für die Namenschristen, die sich der Füh-rung Gottes durch Mose (Christus) widersetzten und wollten zurück in die Welt: „Ägypten ist das Land, wo Milch und Honig fließt. Wo ist denn dein Gelobtes Land? Stattdessen führst du uns in die Wüste.“ Die Wüste ist eine Entbehrungszeit, aber Gott sorgt für die Seinen und ist mit ihnen. Die Verheißung ist fest. Es gibt einen Verzicht auf irdische Glückseligkeit, aber eine Verheißung auf das Paradies. Die in der Wüste sind schon nicht mehr in der Gefangenschaft, aber noch nicht in dem Land, das Gott ihnen geben will. Wir sind nicht mehr von der Welt, aber noch nicht im Himmel, der uns aber fest verheißen ist.
24.5.
Pascal: „Jesus Christus ließ, so scheint mir, nach seiner Auferstehung nur seine Wundmale berühren. Noli me tangere. Wir sollen uns nur mit seinen Leiden vereinen.“
25.5.
Ich träumte, daß ich am See Genezareth ging in der heutigen Zeit, da sah ich auf dem sturmaufgewühlten See ein Boot und in dem Boot den Herrn und seine Jünger. Der See war sehr romantisch von einer Felsenlandschaft in der Abendsonne umgeben und Blumen, die Straße war staubig und ein Kampfgebiet im Krieg zwischen Palästinensern und Israeli-ten.
Meister Eckard: „Willst du recht wissen, ob dein Leiden dein sei oder Gottes, so sollst du dies hieran erkennen: Leidest du um deiner selbst willen, in welcher Weise es immer sei, so tut dir das Leiden weh, und es ist dir schwer zu ertragen. Leidest du aber um Gott und einzig um Gottes willen, dann tut dir das Leiden nicht weh, und es ist dir auch nicht schwer, denn Gott trägt die Last. In voller Wahrheit!“
26.5.
Film über Vincent van Gogh. Er liebte seine Cousine, aber die schickte seine Briefe unge-öffnet zurück. Dann hatte er ein einfaches Weib, die den brotlosen Künstler verließ. Er lebte in Einsamkeit in Arles, Provence, und schuf wie ein Besessener, genoß die Gemein-schaft mit Gauguin, stritt sich aber viel mit ihm, schnitt sich im Wahn das Ohr ab, als der ihn verließ und die Einsamkeit drohte. Ruhe fand er in der Anstalt, fand wieder zu seiner Schöpferkraft zurück. Sehnsucht seines Leben: Liebe und Lebensberufung.
Soll ich alle Menschen lieben außer mir selbst? Soll ich mich selbst hassen? Soll ich doch den Nächsten lieben wie mich selbst. Wenn ich mich selbst aber hasste, liebte ich den Nächsten schlecht. Und wenn Gott in meiner Seele wirkende Liebeskraft ist: Gott liebt mich. Ich soll mich aber selbst verleugnen, nicht eigensüchtig oder selbstsüchtig sein. Was ist der Unterschied zwischen der Selbstliebe und der Eigensucht? Der natürliche Mensch ist eigensüchtig, er macht seinen eigenen Willen zu seinem Gebieter und Gott. Der geistli-che Mensch nimmt seinen eigenen Geist und Seele und Leib an als von Gott geschaffen, erlöst und geliebt. Er haßt nicht, was Gott liebt. Aber er liebt sich selbst (wenn er Christus ähnlich ist) nicht mehr als andere, sondern gibt sich anderen hin. Er nimmt seine gottgege-benen Schätze an, um sie zu verschenken.
28.5.
Film über die christliche Künstlerin Margreth Knoop-Schellbach, sie sehr, sehr schön mal-te. Sie malte viele Christusse, schnitzte Kreuze und Kirchenportale, malte das Leben der Heiligen Franziskus und Elisabeth von Thüringen. Sie sagte, sie male, was sie malen müs-se, ohne sich ästhetische Theorien zu machen.
O für ein Schweigekloster! O für die heilige Stille in einer Heiligen Messe! Jetzt bleibt nur noch die fundamentalistisch-evangelikale Freikirche oder die katholische Kirche. Gott, sind die Protestanten abgeirrte Brüder und die katholische Kirche die Eine Kirche? Sind die Wiedertäufer die wahren Wiedergebornen und die katholische Kirche die Hure auf dem Tier, Prophetin einer endzeitlich-antichristlichen Welteinheitsreligion? Gott, ich stehe zwi-schen allen Stühlen.
Mich berührt am Gefühl folgendes Salve Regina: „Sei gegrüßt, o Königin, Mutter der Barmherzigkeit; unser Leben, unsre Wonne und unsre Hoffnung; sei gegrüßt! Zu dir rufen wir, verbannte Kinder Evas; zu dir seufzen wir traurend und weinend in diesem Tal der Tränen. Wohlan denn, unsre Fürsprecherin, wende deine barmherzigen Augen uns zu, und nach diesem Elend zeige uns Jesus, die gebenedeite Frucht deines Leibes. O gütige, o mil-de, o süße Jungfrau Maria!“
Ostern noch mochte ich nicht in die Messe in Hage gehen, sagte im Hauskreis zur Of-fenbarung, daß die Hure Babylon vielleicht die katholische Kirche sei. Nun lese ich auf-merksam das Gotteslob und finde gläubiges Christentum. Nur „Gottesmutter“ mag ich nicht sagen, wohl aber Liebe Frau und Mutter meines Herrn. An die Sündlosigkeit Marias kann ich nicht glauben, weil die Heilige Schrift sagt, daß alle Menschen Sünder sind, und Maria war ganz Mensch, wenn auch die erste Heilige, die erste geheiligte Sünderin.
29.5.
Gertrud von LeFort, Hymnen an die Kirche: Die Seele spricht: „Mutter... bist du gewiß, meine Mutter, daß nicht der Bote des Abgrunds dich betrog? oder daß Wildlinge aus der Engel Saal dich verhöhnten?“ Die Seele spricht: „Ich irre wie ein Vogel um meines Vaters Haus, ob ein Spalt ist, der dein fremdes Licht einläßt, aber es ist keiner auf Erden, außer der Wunde in meinem Geist.“ Die Kirche spricht: „Ich habe dich überblendet, daß deine Grenzen verfließen, ich habe dich verschattet, daß du deine Schatten nicht mehr fändest... Ich bin zum Hohn geworden an deinem Verstand... auf meiner Stirne wittern die Ufer des Drüben! Darum muß ich Wildnis sein in deiner Erkenntnis und Vernichtung auf deinen Lippen.“ Die Kirche spricht: „Siehe, die Tage wollen nicht mehr aufstehen vor Andacht, und die Nächte der Erde sind dunkel geworden vor tiefer Ehrfurcht.“
Ich bin zornig über die Gebetsarmut der Pfingstler und merke, meine Frömmigkeit läßt sich zur Zeit wenig mit andern Christen verbinden, zumindest nicht mit den freikirchli-chen... Ich müßte Eremitenchrist sein zur Zeit und schweigen wie Nikolaus von Flüe.
Lese über Pater Anselm Grün. Die Mystiker reden vom Ich-Tod, das ist das Ende des Egoismus. Die Pietisten reden vom Zerbruch der Persönlichkeit, das ist falsch. Sondern in der Tiefe des Selbst, im Herzen Gott finden, ist der Weg. Gottes Wort meditiert führt zu Stille, es entflammt nach Augustinus unsere Sehnsucht, und alle Sehnsucht unserer Seele zielt auf Christus. In dem Sinn ist Selbsterforschung im Tagebuch gut. Sankt Benedikt sag-te: Suche die Gemeinschaft und das Ich stirbt. In Grüns Kloster keine feurige Predigt, son-dern Lesung und Psalmengesang, keine anstrengende Bibelarbeit, sondern Meditation. „Al-le Einseitigkeit wird zur Häresie“. Der protestantische Begriff vom Menschen sieht diesen meist als durch und durch verdorben durch die Sünde an. Die katholische Anthropologie redet von der Ebenbildlichkeit des Menschen und dem Funken im Selbst, der durch Chris-tus erlöst und befreit werden muß. (A.Grün legt fasziniert griechische Mythen aus.)
Aufsatz von einem Charismatiker: Gemeinschaft mit dem Gekreuzigten. Heute wollen alle Gemeinschaft mit der Auferstehungskraft. Aber Paulus wollte Anteil am Leiden Chris-ti. Ignatius von Antiochia wollte zu den Löwen, sich zermalmen lassen und zum Brot Got-tes werden. Die irischen Mönche sprachen vom „weißen Martyrium“ eines opferbereiten Lebens, wenn sie das Leben lassen mußten, nannten sie es das „rote Martyrium“. Die Mön-che des Mittelalters entwickelten Methoden und Übungen, das Leiden Christi zu erfahren. Zinsendorf und Teerstegen als christozentrische Mystiker wollten in Innerlichkeit auf den Gekreuzigten schauen. Die Kreuzwegstationen nachvollziehen. Kreuz-Jesu-Litaneien. Wir sollen nicht das Leid suchen, sondern Jesus nachfolgen und alles Leid, das er uns zumutet, bejahen als Gemeinschaft mit ihm (also auch die Schwermut).
30.5.
Reinhold Schneider: „Mein Herr und mein Gott, entreiße uns der Lüge unseres Lebens, der Lüge der Eitelkeit und der Lüge der Gefälligkeit, der Lüge der Angst! Lasse den Glauben in uns wachsen, der die Angst auslöscht, und schenke uns den Mut, der deinem Sohne auf geradem Wege entgegengeht durch die Bangnis der Zeit, diesen Glauben, der weiß, daß kein Herr ist in der Welt außer deinem Sohne!“ Amen.
31.5.
Judith: „Also sind auch Isaak, Jakob, Mose und alle, die Gott lieb gewesen sind, beständig geblieben und haben viel Trübsal überwinden müssen. Die andern aber, so die Trübsal nicht haben annehmen wollen mit Gottesfurcht, sondern mit Ungeduld wider Gott gemurret und gelästert haben, sind von dem Verderber und durch Schlangen umgebracht.“
Das trifft auf den Hauskreis zu, in der wahren Anbetung schwach, im Bitten stark: „Un-ser Gebet war kein Gebet mehr, kein Dank, kein Lobpreis, keine Hingabe, nur die immer unvollständige Aufzählung unserer Nöte und Ängste.“ (Schneider)
Schneider über die Bekenntnisse: Ein englischer Missionar ging nach Indien und fand die Form der Hochkirche ungeeignet. Da er aber nicht auf das Sakrament verzichten wollte, ging er in jede christliche Gemeinschaft, ohnerachtet ihres Bekenntnisses. Keppler war zerrissen und litt an der Zerrissenheit der Konfessionen, in der Frage des freien Willens war er für Melanchton, gegen Luther, in der Lehre vom Abendmahl gegen Luther, für Cal-vin, und wünschte sich, man kehre zur Einen catholischen Kirche und dem einfachen christlichen apostolischen Alphabet zurück. Schneider meint, die Wahrheit sei nicht im Siegen oder Siegenwollen, sondern in der Liebe. Christus will die Einheit.
1.6.
Christi Himmelfahrt. Herr, in den Freikirchen lehren sie ein calvinistisches Verständnis des Abendmahles: reines Gedächtnis. In der lutherischen Kirche sagen sie: Unter und mit dem Brot ist Christus gegenwärtig. In der katholischen Kirche sagen sie: Brot und Wein ist Fleisch und Blut Christi durch die Wandlung, und es wird zum Gedächtnis gespeist und getrunken. Ein Gedächtnis ist es bestimmt, aber nicht wie in der Pfingstgemeinde ein Ge-dächtnis deines gegenwärtigen Triumphes, sondern ein Gedächtnis deiner Passion und dei-nes Kreuzestodes. Dazu fehlt mir in der Pfingstgemeinde Andacht und Ehrfurcht und Ver-senkung in deinen Kreuzweg und Buße. Als ich in der Messe das sakramentale Brot emp-fing 1994, war es mit heiligem Schauer und Ehrfurcht. Als ich in der Freien evangelischen Gemeinde 1995 und 96 das Abendmahl feierte, war es Gemeinschaft, aber ohne Schauer der heiligen Ehrfurcht. Allein das Wort: Christi Leib für dich gegeben, bewirkte keine Be-sinnung. In der Pfingstgemeinde wurde mir das Abendmahl mehr und mehr unwichtig. Ich staunte über Menschen, die dem Abendmahl zentrale Bedeutung zumaßen. In welcher Ges-talt und Art du gegenwärtig bist, in leiblicher oder in spiritueller, das weiß ich nicht.
Gotteserkenntnis, hebräisch „jada“, ist dasselbe Wort wie Geschlechtsverkehr. Intimität zwischen zwei Liebenden, ganzheitliche Begegnung, das heißt Erkenntnis. Wir können Gott nicht abstrakt und an sich erkennen, sondern nur in seinem Verhältnis zu uns. Dreifa-che Offenbarung des einigen Gottes: Schöpfungsoffenbarung des Vaters, Du sollst, Gott über uns, in der Natur erkennbar und durch Wissenschaft und Kunst; Heilsoffenbarung durch Jesus, Du darfst, Gott unter uns, erkennbar in der Geschichte durch die Bibel; per-sönliche Erfahrung des Geistes, Du kannst, Gott in uns, erfahrbar in der Existenz durch die Erfahrung. Nur in dreifacher Offenbarung hat sich Gott vollständig offenbart.
Was ich im Moment erlebe, ist Quietismus. „Lehre von der vollständigen Seelnruhe des Menschen, Taten- und Willenlosigkeit als höchstes Ziel, religiöses Aufgehen in Gott (Mys-tik). Bedeutender Einfluß auf den Pietismus. Strömung im Katholizismus des 17. Jahrhun-dert.“
In meiner Angst um die Weiterbewilligung meiner Rente sprechen mich die Jesaja-Verse an: „Durch Stillesein und Hoffen werdet ihr stark sein.“ - „Und der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der Ertrag der Gerechtigkeit wird ewige Stille und Sicherheit sein, daß mein Volk in friedlichen Auen wohnen wird, in sicheren Wohnungen und in stolzer Ruhe.“ Möge Gott mir dies zu dieser Zeit geben.
Schneider: „Luther, der in seinem Arbeitszimmer ein Marienbild bewahrte bis zum En-de, betont diese Menschheit Mariens in seiner Predigt zum Sonntag nach dem Christtag: Deshalben, ob die heilige Jungfrau Maria wohl hoch zu ehren ist ihrer Jungfrauschaft hal-ben, ist doch ihrer Weibschaft Ehre unermeßlich größer... Und in der Predigt auf das Evan-gelium am Christtag lehrt Luther ausdrücklich: Der Fluch Hevä ist nicht über sie gegangen, der da lautet: In Schmerzen sollst du deine Kinder gebären, aber sonst ist ihr geschehen ganz, wie einem gebärenden Weibe geschieht... Wir wollen uns auch daran erinnern, daß Bach alljährlich zu den Festtagen Mariens komponierte und musizierte, wenigstens die Tage Lichtmeß, Verkündigung und Heimsuchung wurden in der Nikolai- und Thomaskir-che gefeiert.“
Die Marienanbetung der Katholiken kann ich bei aller Liebe zur heiligen Jungfrau nicht teilen, sie gibt Maria Ehre, die ihr nicht gebührt. „Alle Menschen sind Sünder, alle erman-geln ihres Ruhmes bei Gott.“ Da ist von keiner Ausnahme die Rede. Ich fühle mich abge-stoßen von rationaler Dogmatik und sehne mich nach emotionaler Innigkeit. Aber wo, Herr Jesus, ist innige Gemeinschaft? Ich bin zerrissen zwischen katholischem Stil der Frömmig-keit und protestantischen Dogmen.
2.6.
Omas Geburtstag. Jesaja: „Deine Augen werden den König sehen in seiner Schönheit; du wirst ein weites Land sehen.“
Herr, du bist mein Erlöser von Selbstsucht, mein Tröster in Trübsal, meine Stärke in meiner Schwachheit und der Herr und die Quelle meines Lebens, der mich an meinem in-neren Leben täglich erfrischt und erneuert. Laß mich jede Tat als Gottesdienst, jedes Wort und jeden Gedanken als Gotteslob verstehen und vergib mir meine verborgenen Sünden, durch Christus, meinen Herrn, Amen.
Eine Erzählung von Hesse gelesen und Elegien von Hölty: „Gaukelt nur, ihr bunten Schmetterlinge! Andre Szenen laden mich zur Grotte, wo die Schwermut lauschet, der Be-trachtung Mutter.“
3.6.
Schneider über christliche Dichtung. Der Dichter schreibt aus seinem christlichen Welt-bild: Die Wahrheit war in die Welt gekommen, verbleibt in ihr und streitet mit dem Vater der Lüge. Das Heil ist wichtiger als die Kunst, das Heil besteht in der Nachfolge der Wahr-heit. Kunst sucht Vollendung, um Gott gut und schön verherrlichen zu können. Der oberste Maßstab ist nicht die Kunst, sondern das geistliche Gewissen. In der Zeit des Abfalls muß er Verkanntheit und Einsamkeit auf sich nehmen. Sein Amt ist vielleicht das eines Predi-gers in der Kunst. Vielleicht hat er wie Tolstoi die Aufgabe, das zu verkündigen, was in der gegenwärtigen kirchlichen Verkündigung nicht gepredigt wird. Dennoch ist sein Ort die Kirche. Er leidet an der Scheidung der Kirche von Kunst und Dichtung. Er muß in seinem Werk der Zeit voraus sein, auch dem Zeitgeist der kirchlichen Formen. Seit Mitte des 19.Jahrhunderts entwickelt sich wieder christliche Dichtung, aber nicht mehr getragen vom großen Geist des christlichen Abendlandes, sondern in eine Zeit des Abfalls hinein, wo der christliche Dichter einsamer Zeuge der Wahrheit sein muß. (Klopstock, Novalis, Brentano, Eichendorf, Klepper, Bergengruen, Schröder, Schneider, LeFort.) „In der Dichtung ver-mählt sich ja ein von Oben Gekommenes mit der gestaltenden Kraft, dem gesamten Le-bensgehalt eines in Zeit und Geschichte stehenden Menschen.“ Im Evangelium steht kein Satz, auf den die Kunst sich berufen könne. Zwar ist von der Verwaltung der Gaben des Geistes die Rede. Aber ist nicht die Verwandlung der Wahrheit im schönen Schein gemil-derte Lüge? Kultur ist kein Anliegen des Christentums, sondern das ewige Leben aller, das heute beginnen kann. Wie kann man in diesem Widerspruch bestehen? Was tun, wenn die unvermeidliche Eitelkeit der Künstler die Vision der Wahrheit entstellt? Christus hat die Dinge zum Gleichnis erhoben, so tun es auch die christlichen Künstler. Das Wort wird uns richten. Wir werden uns verantworten müssen für jedes unnütze Wort. Das Werk rettet nicht, sondern die Wundmale Christi. Das Werk wird im Feuer geläutert, damit der Christ, der Künstler ist, selig wird. Das Wort ist Echo auf das Wort Gottes. Des Dichters Wort ist das Grundanliegen seines Werkes, nicht jeder Satz seiner Kunstfiguren. „Christliche Dich-tung ist Fragment, Baustätte ungebauter Dome, zertrümmerndes Mal ungestaltbarer Vision, brechende Brücke, Pfeiler im Strom, geborstene Säule. Diese Trümmer weisen auf den, der kommen wird unter Aufhebung der Zeit; sie nehmen das Zerbrechen der Erde voraus. So werden sie zu Zeichen und Zeugen der Wahrheit. Daß sie die Wahrheit, die frei macht, ins Herz senken, ist ihre einzige, ihre unabdingbare Macht.“
5.6.
Der katholische Christ des 19.Jahrhunderts, John Newman, schrieb, daß er Schwierigkei-ten habe, sich mit dem Jüngling vor seiner Bekehrung zu identifizieren. So geht es mir ja auch.
In Rom herrschte die Kirche über die Welt, Luther unterstellte die Kirche der Welt. Ist in den Heiligen und Mystikern nicht schönere Weisheit als in den Predigten Luthers? Wo steht, daß durch die Taufe wiedergeboren wird? „Wer nicht von neuem geboren wird durch Wasser (!) und Geist...“ Gott, ich bin so verwirrt, wenn es nach meinen Gefühlen geht, bin ich katholisch, aber nach meinen Dogmen protestantisch. Die Herzlichkeit hab ich im ka-tholischen Gottesdienst vermisst. Ich möchte Maria verehren, aber die Lieder zum Marien-lob scheinen sich zwischen mich und den anbetungswürdigen Herrn zu schieben. Vater, bitte erleuchte mich!
Lese Kreuzwegstationen aus dem Gotteslob: „Auch wir sind noch nicht am Ziel; wir sind unterwegs, oft einsam und verlassen. Die Stunde, da alles umsonst scheint und uns der letz-te Mut verläßt, kann auch für uns kommen.“
6.6.
Zu meinem poetischen Werk: „Man muß sich entschließen, auch die Unvollkommenheiten zu lieben, sonst ist man betrogen.“ (Hesse)
Schneider sagt: Allein ist „der Künstler mit dem Zweifel an seinem Werk, das gerade in der Überwindung des Zweifels stark werden soll.“ Ich muß mir wirklich Gedanken machen über das Amt des christlichen Dichters.
Der heilige Franz von Sales sagt, es sei besser, mit dem Herrn am Kreuz zu hängen, als es nur zu betrachten. Schneider sagt, das Leiden annehmen und die drückenden Sorgen dieser Welt mit einem Ja an den Gekreuzigten, sei der Weg, Ihm ähnlich zu werden. Chris-tus hat das Leiden der Erde durch sein gottmenschliches Leiden verklärt in einen Weg zu Gott. Das Letzte eines Christenlebens ist nicht seine Aufgabe (Charismen), sondern das Kreuz, das sich in der Aufgabe verbirgt. Es sei das Kreuz der Einsamkeit und Schwermut und des stillen Versagens an heiliger Dichtkunst oder das Kreuz einer dummen Arbeit, ich will es von Christus um Christi willen annehmen.
Schneider sagt, die Theologie der Schwermut stehe noch aus. Pascal betete: Herr, befreie mich von der Traurigkeit, die meine Eigenliebe mir eingibt, und gib mir teil an deiner Traurigkeit. Der Herr war traurig bis zum Tode. In den Paulusbriefen liegt der Keim der Theologie der Schwermut. Es gibt göttliche Traurigkeit, die zur Reue führt: heißt das, eine Schwermut, die zum Kreuze führt? Schwermut ist Schwermut über Vergänglichkeit, Nich-tigkeit, Tod und Leere. Sie bezeugt die Notwendigkeit der Gnade und weiß um die Abhän-gigkeit von Gottes Gnade und Barmherzigkeit. Schwermut ist Sehnsucht nach Liebe und Schönheit. Damit ist sie Sehnsucht nach der ewigen Herrlichkeit. Schwermut kann ein Schicksal und Verhängnis und damit ein zu tragendes Kreuz sein. Ein Geheimnis ist, wa-rum die Künstler so schwermütig waren und sind. Das melancholische Temperament bildet die Künstler. Warum sind Schwermut und Kunst so eng miteinander verbunden? Vielleicht weil die Schwermut nicht den Genuß des Gegenwärtigen und Vorhandenen feiert, sondern eine gewaltigere Liebe und Schönheit ersehnt, eine ewige, die allein ihr Verlangen und Gnadendürsten stillen könnte, und in dieser gewaltigen Sehnsucht schimmert die Vision der Erfüllung auf, sei es das Goldene Zeitalter, das Glorreiche Mittelalter, die Romantik oder in Wahrheit das Himmlische Jerusalem, aller schwermütigen Sehnsucht Ziel. Was ist göttliche Traurigkeit? Sie wendet sich nicht dem Tode zu, sondern dem Gekreuzigten, dem Kreuz. Was ist Traurigkeit der Welt? Die ohne Hoffnung ist, die den Selbstmord stirbt. Göttliche Traurigkeit erhofft über alles Hoffen den ewigen Trost Gottes. Göttliche Traurig-keit ist Ergebenheit, Dulden, Mitvollenden der Trübsal und Gottverlassenheit Christi.
10.6.
Die deutschen Romantiker erfanden den Roman, die Engländer blieben bei Versen. Die Deutschen griffen auf Katholizismus und Mittelalter zurück, die Engländer benutzten anti-ke Mythologie. Schneider lehnte die Renaissance als irdisch und sinnlich ab und griff aufs Mittelalter als asketisch, mystisch und fromm zurück. Ich mag Antike und Renaissance, aber in Heiligen und Mystikern und deutscher Romantik ist mehr Christentum.
Ironisch werd ich von den Evangelikalen schon mit Mystik, Mönchstum und Eremiten-tum in Verbindung gebracht.
Traurigkeit der Welt gleicht dem Räuber am Kreuz, der Christus verachtet und im Un-frieden stirbt. Göttliche Traurigkeit gleicht dem leidenden Räuber am Kreuz, der auf Jesus im Paradies vertraut, und den eine ewig-lebendige Hoffnung erfüllt. An der Stellung zu Christus, nicht am Charakter der Traurigkeit selbst, entscheidet sich, ob sie weltlich oder göttlich ist.
Zur Poesie: „Und Er sprach zu mir: Du bist mein Knecht... durch den Ich mich verherrli-chen will! Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte mein Kraft umsonst und unnütz, wiewohl mein Recht bei dem Herrn und mein Lohn bei meinem Gott ist.“ Ich schreibe für den Herrn, und mein wahrer Ruhm ist ein himmlischer. Dem gehorsamen Die-ner und Arbeiter im Weinberg Gottes winkt vermehrte Seligkeit, wenn er nicht zu Selbst-verherrlichung, sondern zu Christi Ehre schreibt. Alle Selbstgefälligkeit und Eitelkeit der Kunst wird im Feuer des Preisgerichts verzehrt.
Ovid, Metamorphosen: Ein Gott, wer auch immer, schuf Himmel und Erde und Meer aus dem Chaos. Er schuf den ersten Menschen, „Japetos, Sohn des Prometheus“, aus einem Erdenkloß und machte ihn zu Seinem Ebenbild. Im Goldenen Zeitalter gab es keine Müh-sal, nur Frömmigkeit. Dann stürzte Saturnus in den Tartaros. Krieg und Goldgier und Sün-den breiteten sich auf der Erde aus. Überall herrschte die Göttin des Wahns. Jupiter beschloß, die Erde zu überfluten. Vom Schicksal ist es bestimmt, daß eines Tages Erde und Kosmos im Feuer vergehen. Die Sintflut kam. Nur zwei Menschen überlebten, die landeten in einem Nachen am Berg Parnassus (und opferten den Musen). Ein neues Menschenge-schlecht entstand.
11.6.
Pfingsten. Lese Ludwig Tiecks Dichterleben, über Shakespeare. Marlowe schrieb, wenn poetische Stimmung ihn ergriff, Robert Green schrieb zu jeder Zeit. Das Sinnliche muß vom Schöpferischen verwandelt werden in Sehnsucht nach dem Unsichtbaren, Ewigen. Das Ewige muß das Irdische durchdringen, verwandeln und erheben. Gott wurde Mensch, verwandelte den Menschen und erhob ihn zum reinen ewigen Leben. - Nachruhm erstreben ist eitel, es kann nicht das wahrhafte Streben eines christlichen Dichters sein. Sein ist: Zeu-ge Christi zu sein in der Zeit und teilhaftig zu werden des himmlischen Ruhmes. Was nach seinem Heimgang mit seinem Werk in der Welt geschieht, legt er begierdelos in die Hände des Heiligen Geistes. - „...so wird auch das einsame Gemüt des Dichters erst wahrhaft mit dem Überirdischen vermählt, wenn er den Abglanz desselben im Irdischen mit liebender Hingebung erkennen mag.“ (Green nach Tieck).
„...ließ ich auf kurze Zeit alle meine Arbeiten ruhen, weil mich kein Plan reizte, weil es mir unmöglich gewesen wäre, in dieser Stimmung irgendetwas, wie meine früheren Stücke, zu schreiben“, sagt Shakespeare im Tieck, so ergeht es mir diese Zeit.
12.6.
Lese Klopstocks Ästhetische Schriften: „Derjenige müßte ein merkwürdiger Fremdling in der Kenntnis des Menschen sein, der behaupten wollte, es sei überflüssig, die philosophi-sche, und die erhabnere Tugend der Religion dem Menschen liebenswürdig vorzustellen. Es ist dies so wenig überflüssig, daß es notwendig ist.“ Und „die Religion ist ((in den heili-gen Schriften)) durch Muster der Poesie und der Beredsamkeit offenbart worden.“ Nach-folge der biblischen Poesie ist der Weg zu guter Poesie. Der Dichter schöpft aus der Offen-barung (Klopstock), dient am Geoffenbarten (Schneider). Die Poesie soll bekannte oder angenommene Gegenstände von einer Seite zeigen, die die vortrefflichen Kräfte der Seele anregt und die ganze Seele in Bewegung setzt, und zwar auf Gedanken der Unsterblichkeit und Tugend hin.
13.6.
Lese Schneiders philosophische und ästhetische Essays „Dem lebendigen Geist“. Er schreibt über Kierkegaards Verhältnis zur Frau: „Das Unsterblichkeitsbewußtsein muß sich auf das Negative gründen.“ (Kierkegaard) Das Wesentliche in der Beziehung zur Frau ist die Verweigerung, die Unerreichbarkeit, die Idealität, und das heißt: das ganz Reale, der religiöse Grund. „Ein negatives Verhältnis zu einem Weibe weckt im Manne das Unendli-che.“ (Kierkegaard)
14.6.
Kirchenlexikon: „Orthodoxer Theologie geht es nicht um ein rationales Erfassen des göttli-chen Geheimnisses (mysterion), sondern um das Erfahren der Gemeinschaft mit dem le-bendigen Gott, das Sein in Christus. Man betrachtet vor allem die Menschwerdung sowie die Einheit von Kreuz und Auferstehung. Heil beschränkt sich nicht auf die Sündenverge-bung. Abendländisches Rechtfertigungsdenken tritt zurück hinter dem Gedanken der Ver-klärung alles Seins (Seinsmetamorphose) und der Begründung eines neuen Seins durch die mit der Menschwerdung beginnende Vergöttlichung (theosis): Gott wurde Mensch, damit die Menschen göttlich werden; d.h. das Wort wurde Träger des Fleisches, damit die Men-schen Träger des Geistes werden können (Athanasios d.Gr.). Damit ist nicht die Umwand-lung der menschlichen Natur in die göttliche gemeint, sondern eine Erneuerung durch die reale gnadenhafte Einwohnung Gottes im Herzen der Menschen. Das ewige Leben wird in seiner Fülle erst im Jenseits offenbar, ist aber durch Christi Kommen in diese Welt bereits im Diesseits keimhaft gegenwärtig. Von daher verbindet sich im orthodoxen Denken der Jenseitsbezug mit einer Offenheit für die konkreten Menschheitsprobleme. Sinn menschli-chen Lebens ist es, sich auf die Ewigkeit vorzubereiten. Gottesliebe muß sich in der Nächs-tenliebe erweisen, in der Einheit von Glaube und Werken. Den Werken eignet keine Ver-dienstlichkeit vor Gott, vielmehr sind sie notwendiger Ausdruck wahren Glaubens, denn wahrhaftig ist nur der Glaube, der durch die Liebe tätig ist (Galater 5,6).“
Herr, ich bin ja mystisch geworden. Aber keine protestantische Gemeinde ist mystisch. Ich finde schöne katholische Litaneien und Gebete, finde orthodoxe Gedanken interessant, lehne den Rationalismus des Protestantismus ab. Sind die Pietisten tiefsinnig-innig, oder sind es auch nur Wortverkündiger? Wo ist eine weltferne dunkle Kapelle? Aber willst du, daß ich mich in weltferne Innerlichkeit zurückziehe, in Mystik und stille Spiritualität? Oder soll ich wach, bewußt, gegenwartsbezogen, realitätsbewußt, verstandesmäßig und praktisch meinen Glauben leben? Ich würde mich so gern in ein Kloster zurückziehen! Ach Vater! wo willst du mich haben?
Kierkegaard sagt, die Wahrheit siege nur durch Leiden.
15.6.
Was heißt es, Christi Tod gleichgestaltet werden zu wollen? Ist das nur im blutigen Marty-rium möglich? Paulus ersehnte die Todesgleichgestaltung, ersehnte er das Martyrium? O-der ist es auch die Ungeborgenheit im Sterben, die Gottverlassenheit, das Einsamsein im schmerzlichen Sterben, die Todesangst? Wenn Paulus ersehnte, den Leiden Christi gleich-gestaltet zu werden, ersehnte er dann das Leid? Und was heißt in dem Zusammenhang die Sehnsucht, eins zu werden mit dem Auferstandenen? Geschieht dies erst in der Auferste-hung von den Toten?
Ich muß mein Leben Christus opfern. Ich opfere ihm um seiner Ehre willen meinen welt-lichen Ruhm und, wenn er will, um meiner Berufung zu seiner Verherrlichung willen mei-ne Begier nach einem Weibe. Ich bin bereit, ihm auch meine Dichtkunst zu opfern, sie soll ein Opfer des Lobes sein, oder, wenn er will, soll mein Opfer in ihrer Aufgabe bestehen, im Verzicht auf sie. Man kann das Dasein nur vom ewigen Leben her richtig bewerten.
Schneider über Novalis und den Tod: „Die Dichtung gibt das Bild des Lebens, nicht das Leben selbst; wie auf der Höhe des Glaubens der nur das Leben gewinnt, der gestorben ist und wiedergeboren wurde, so läßt sich auch wohl von der Kunst an ihrer Stelle sagen, daß der Künstler nur das Bild des Lebens und der Welt erreicht, der sich von der Welt gelöst hat, in gewissem Sinne sogar ihr gestorben und dann wieder, frei und von ihren Gütern nicht beschwert, in sie eingetreten ist. In einer besonderen Beziehung zum Tode erst kann die letzte Zusammenfassung der Wirklichkeit in gereinigten Bildern gelingen, mag diese Beziehung nun eine geheime oder offenbare sein; der unbedingte Abschied erhöht die Sprache zur Sprache der Kunst.“
Novalis schreibt, daß Christus „als die Geliebte umarmt“ werde. Welche Idee von Chris-tus verbirgt sich in der Ideal-Liebe? Die Ideal-Liebe ist das Heilige, Himmlische, darum der Jungfrau Maria so verwandt, die Lust ist das Irdische, der Venus verwandt. Mein Bild war eine heilige Jungfrau, die wirkliche Frau war anders, das war der tragische Irrtum.
„Da er (Novalis) sich zu sterben sehnte, entdeckte er, daß er Christi Sterben an seinem Leibe trug, und war gerettet.“
17.6.
Die Liebe zu einer Frau kann nicht zum Sinn des Lebens werden, daß hieße, die Frau zu vergöttern. Die Frau kann auch nicht vor finsteren Mächten schützen. Das und Sinn geben kann nur Christus. Christus muß die Idee, der Grund jedes Poetischen Werkes sein, denn Christus ist der „Sinn“, wie man Logos auch übersetzen kann. Kann man „in der Geliebten Christus umarmen“? Wahre Entsagung besteht darin, sein Heil nicht in der Frauenliebe, auch nicht in der idealisierten Frau, zu finden, sondern in Christus allein, wie es die entsa-genden Mönche taten.
Schneider über Chamisso: „Dichtung entspringt nicht in den Ereignissen, sie ist die Er-füllung eines ursprünglichen, vor allen Ereignissen gegebenen Auftrags, der im Lebenslau-fe wohl verstärkt und bestätigt werden kann, jedenfalls aber ihm wie der Künstler dem Stoffe oder dem Material gegenübersteht.“ Chamisso „geht vom Schmerz um das Teuerste aus, dessen Verlust eine Gnade für die geläuterte Seele ist“.
Schneider über Droste-Hülshoff: „Gerade darum muß ja in gewissen Phasen Nacht ohne Trost für den Heimgesuchten sein, als sein Anteil an Golgatha.“ - „Wer könnte die Versu-chung der Zerstörung, die Neigung zum Untergang leugnen: einen wesentlichen Klang des deutschen Gedichts!“
Paul Claudel: „O fühlt ich doch bald mein weites Werk unter mir auferstehn, o berührt ich doch schon mit den Fingern dies unzerstörbar von mir Gefügte, ein Ganzes, zusam-mengeschlossen aus all seinen Teilen, dies wohlgefestigte Werk, das ich schuf aus hartem Gestein, dem Urquell eine Fassung, mein Werk, die Wohnung Gottes!“
4.7.
Werner Bergengruen: „Ich weiß nicht, von welchem Franzosen das Wort stammt: Je ne travaille pas, je m’amuse. Ich mache es mir gern zu eigen. Das heißt, ich arbeite nicht im Dienst von Ideen, Thesen, Programmen, Ansichten und Zwecken, sondern aus Leiden-schaft und meiner Freude zuliebe. So habe ich denn auch nicht das Gefühl einer Mission; dergleichen vermöchte mein Unabhängigkeitsbedürfnis nicht zu dulden.“
Lese die Erzählung Plus Ultra von Gertrud von LeFort, eine Liebe, die verzichtet, ver-zichten muß und sich verzichtend im Kloster dem Gebet für den geliebten Menschen wid-met. Der Beichtvater sagte, auch die irdische Liebe sei (nach Platon) ein Weg zu Gott. Gott lieben in seinem Ebenbild sei eine Liebe, Gott dargebracht.
9.7.
Ich will ein weites Christentum, Einheit der Christen, lernen von allen Strömungen, auch Charismatikern und Katholiken. Die extreme Theologie scheint mir kunst- und poesie-feindlich. Der orthodoxe Dostojewski und der katholische Novalis sind meine Brüder. Für die Poesie brauch ich ein weites Verständnis. Die fundamentalistische Theologie schränkt die Poesie so ein, daß man im Extremfall nur noch die Bibel abschreiben kann,
Deutsche Literatur: In der Karolingerzeit Heliand und Otfried, Überlieferung heidnischer Spruchdichtung (Odin). Ottonenzeit: Geistliche und romantische Epen, Das Leben Jesu, Marien-Epen, Rolandslied, Kaiserchronik. Stauferzeit (1150-1250): aristokratische Ästhe-tik: Vervollkommnung durch hohe Minne, Rittertum, Ehrfurcht vor Gott. Höfisches Epos: Wolfram von Eschenbach, Hartmann von Aue, Gottfried von Straßburg (nach französi-schen Vorbildern). Nibelungenlied und Kudrun. Minnesang. Spätes Mittelalter: Niedergang der höfischen Kultur; Oster- und Fastnachtsdramen. Neue Prosaformen der Mystiker. Hu-manismus und Reformation: Rückgriff auf italienische Formen, evangelisches Kirchenlied, viele Satiren, Schuldrama des Humanismus, Entstehung der Briefliteratur. Hans Sachs. Lyrik nach dem Vorbild von Horaz und Ovid. Volksbücher (Faustus). Barock: Aneignung der Formen der Renaissance: Opitz-Poetik. Jesuitendrama. Viel Vanitas Vanitatis. Gryphi-us. Angelus Silesius. Hoffmannswaldau. Schäferdichtung. Das 18.Jhd: vor allem Klop-stock. Empfindsame Dichtung entwickelte sich unter Einfluß des Pietismus. Neigung zu seelischer Analyse und autobiographischem Roman. Lessing. Wieland (Rokoko). Anakre-ontiker. Sturm und Drang nach dem Vorbild Shakespeares, Ossians, Klopstocks. Neuent-deckung der Ballade. Klassik beeinflusst von deutschem Idealismus. Goether, Schiller. Romantik: Philosophie Schellings. Erwachen eines Nationalbewußtseins. Das Geheimnis-volle, Sehnsucht und Suche, das Chaotische, viele Lieder, Grimms Märchen, Novalis, Brentano, Eichendorf, Spätwerk Goethes. Rezeption von Calderon. Zwischen Klassik und Romantik stehen Kleist, Jean Paul und Hölderlin. 19. Jhd: Realismus, Grabbe, Grillparzer, Büchner; vor allem Mörike (Biedermeier), Stifter, Heine, Droste, Keller und Storm. Hebbel und CF Meyer. 20. Jhd: Rilke, Hesse, Thomas Mann.
Man kann den bedeutenden Einfluß des Christusgeistes auf die Literatur feststellen: He-liand, Otfried, Marien-Epen, Mystik, Wolfram, Kirchenlied, Gryphius, Jesuitendrama, Klopstock, Novalis und Brentano, Mörike, im 20. Jhd: Schneider, Bergengruen, LeFort, Schröder, Klepper. Aber mir scheint, der Einfluß nimmt immer mehr ab, die Literatur ent-fernt sich mehr und mehr von der Offenbarung. Die moderne Literatur in Deutschland wird im Wesentlichen neuheidnisch, okkult werden und von Sinnsuche und Suche nach über-sinnlichen Erfahrungen geprägt sein.
Novalis: „Wenn es schon für einen einzelnen Dichter nur ein eigentümliches Gebiet gibt, innerhalb dessen er bleiben muß, um nicht alle Haltung und den Atem zu verlieren...“ Könnte ich ein Jesus-Epos ohne Frauen schreiben? Nein, denn ich tauge nicht zur Darstel-lung des rein Männlichen. Selbst meine Ritter waren feminin und von bedeutenden Frauen umgeben. Meine männliche Poesie, David, sind nur Nachdichtungen der Bibel. Wo ich Eigenes schaffe, heißt es: Maria.-
Die Religion der Liebe beschreibt auch Novalis im Gespräch zwischen Heinrich und Mathilde: „O Geliebte, der Himmel hat dich mir zur Verehrung gegeben. Ich bete dich an. Du bist die Heilige, die meine Wünsche zu Gott bringt, durch die er sich mir offenbart, durch die er mir die Fülle seiner Liebe kundtut.“ Im zweiten Teil des Ofterdingen zu Be-ginn spricht zum elenden Pilger die heilige Mutter Maria mit der Stimme Mathildens zu ihm.
Novalis sagt, man muß Sinn und Verstand, Genie und Talent haben, eins ohne das ande-re ist Schwäche.
Der Theologe kann in Jesus den Theologen sehen, der Arbeiter den Arbeiter, der Knecht den Knecht, der König den König, der Arme den Armen, der Wanderer den Wanderer, der Leidende den Leidenden, der Sterbende den Sterbenden. Kann der Dichter in ihm den Dichter sehen? Was ist ein Dichter und ist Christus ein solcher? Die Bibel ist die Poesie der Poesien, die höchste Poesie, der Heilige Geist ist vollkommner Poet. Christus, ist er Dichter in den Gleichnissen, in den Lobgesängen, in dem Vaterunser und der Bergpredigt? Er sagt Wahres schön, er sagt Offenbarung in alltäglich-weltlichem Gewand. Er ist selbst die Offenbarung im irdischen Kleid, er ist Logos im Fleisch, er ist ein Gedicht. Sein Leben ist ein Roman, sein Sterben eine Tragödie, seine Auferstehung ein Hymnus. Er stirbt mit einer Elegie auf den Lippen: Psalm 22. Es gibt ein Buch eines christlichen Schriftstellers übers Jesus: „der Sperlinge und Lilien zu Gleichnissen nahm“, durchaus romantisch. Er sprach verständlich und zugleich geheimnisvoll. Die Bibel kennt geistliche Lieder, darin Elegien und Hymnen, Liebeslieder, Tanzlieder, Geschichtsbücher in mythisch-poetischer Sprache, also dichterische, den Mythos der Schöpfung, die Phantasieprosa der Offenba-rung, die Romane der synoptischen Evangelien, die Biographie in lebendiger Darstellung, theoretische und persönliche Briefe voller Beredsamkeit und ohne Niedrigkeit. Der regel-mäßige Anfang der Seligpreisungen „Selig sind...“ ist ein poetisches Stilmittel. Die Send-schreiben der Offenbarung sind poetisch gegliedert mit fast refrainartigen Wendungen. Die Bibel kennt den hebräischen Rhytmus, das Stilmittel des Parallelismus, die Metapher, sinngebundenen Reim und Alliteration, Akrostichen, Witz und Ironie, Satire, Klage und Jubel. Sie ist höchst poetisch und sollte das Muster aller Poesie abgeben.
10.7.
Die Idee eines Augenblicks bedarf ungeheurer Anstrengungen oder Leiden zur Verwirkli-chung, aber in der Verwirklichung offenbart und entfaltet sich die Fülle der inspirierten Idee.
Ich muß über das Verhältnis von Allgemeinem und Individuellem, Symbol und Person, Wahrheit und Gleichnis nachdenken. Alles Zufällige muß sich dem Gesetz oder Schicksal unterordnen. Das Symbol muß aber lebendig sein, das Vergängliche muß aber ein Gleich-nis sein. Um das Gleichnis wahrhaft zu gestalten, muß man aber die offenbarte Wahrheit kennen, muß sie so gut kennen, daß man ihren Geist und ihr Wirken auch im Individuellen erkennt.
Ich glaube, daß Gott, der Gott der Liebe, mein Vater ist. Ich glaube, daß Jesus Christus, der Herr und Sohn Gottes, mein Retter vom ewigen Tode ist. Ich glaube, daß der Heilige Geist in meinem Herzen wohnt. Ich glaube, daß ich aus Gnade Gottes gerettet bin durch den Glauben an den Herrn Jesus Christus. Ich glaube, daß ich das ewige Leben empfangen habe. Ich glaube an die Wiederkunft Jesu. Ich glaube, daß ich in ewiger Glückseligkeit mit Jesus im Paradies Gottes, im Neuen Jerusalem, leben werde. Ich glaube, daß ich geschaffen bin von Gott, zu Christus hin zu leben in Zeit und Ewigkeit. Ich glaube an die Liebe Got-tes, die sich in Christus offenbart hat. Ich glaube, daß die Heilige Schrift das vom Heiligen Geist inspirierte Wort Gottes ist, das Christus zum Inhalt hat. Ich glaube, daß das Wort Gottes, Jesus, der Gott ist, von der Jungfrau Maria geboren worden ist und am Kreuz zur Erlösung starb auch meinen Tod. Ich glaube, daß das Zentrum christlichen Lebens der ge-kreuzigte Christus ist. Ich glaube, daß das Zentrum christlichen Lebens die Liebe zu Gott und den Menschen (den Brüdern, den Nächsten, den Feinden) ist. Amen.
Lese Novalis „Die Christenheit oder Europa“. Wie soll ich zu einem Verständnis deut-scher Geschichte kommen, wenn ich die Heilsgeschichte, wenn ich die Kirchengeschichte nicht verstehe. War es das große christliche Abendland der Päpste, christlichen Kaiser, der Heiligen und Mystiker, das mit der Reformation als Vorläufer des Rationalismus zerstört wurde, in Aufklärung und schließlich Neuheidentum zugrunde geht? - Der Katholizismus ist poetisch fruchtbarer gewesen als der Protestantismus.
„Er hat einen neuen Schleier für die Heilige gemacht, der ihren himmlischen Gliederbau anschmiegend verrät, und doch sie züchtiger als ein anderer verrät.“ Novalis.
11.7.
Habe geträumt, daß ich zur Katholischen Kirche konvertieren wollte, aber der Volkskatho-likenverein empfing mich ohne Liebe. Höhere, gläubige Katholiken redeten mir ermuti-gend zu, ich solle enthaltsam leben.
„Ich bin die Liebe. Ich habe dich, o Mensch, je und je geliebt.“ Und der Mensch preist die Liebe. Der Mensch lebte im Garten der Liebe, die sie ihm alles gegeben hat und mit ihm sprach. Aber er wählte die Lieblosigkeit. Aber er kann nicht ohne Liebe leben, denn sie ist sein Leben, sein Licht, sein Sinn. Der Mensch ist zur Liebe geschaffen, zur Liebe berufen. Er kann nur durch das Opfer, durch das Blut wieder zur Liebe finden. Die Liebe will sich in das Herz des Menschen ergießen, sie will ihn wieder in den Garten der Liebe führen, das ist der Himmel.
12.7.
Die Klassiker verabscheuten das Sonett, die Romantiker liebten es. Schneider und ich lie-ben es auch.
Luther: „Niemand lasse den Glauben daran fahren, daß Gott durch ihn ein großes Werk tun möchte.“ Durch mich möchte Gott weitere christliche Poesie schaffen.
Las Eichendorf, Schloß Dürande, das Marmorbild, Arnim, Fürst Ganzgott und Sänger Halbgott, Tieck, des Lebens Überfluß, Die schöne Wilde. Alles sehr keusch. Klassiker leb-ten (wie ich) in einer vornehmen Sprachwelt, Romantiker webten in ihre lyrischen Schwärmereien einfache Volkssprache ein, aber ohne niedrige Gesinnung, Dinge des all-täglichen Lebens werden schamlos erwähnt.
14.7.
Las Arnims Isabella zuende. Die gleiche Idee, wie Spenser bei Una und Duessa, war bei Arnim mit Bella und Golem-Bella. Arnim ist dunkel. Las Der tolle Invalide und Frau von Saverne. Arnims Stil ist mir fremd, er ist Dunkel, es kommt keine liebliche Natur vor, aber viele böse Menschen.
Lese Eichendorfs Verspoem Robert und Gusicard. Die Romantik liebt das Schauerliche, Gespenstische: Arnim und Hoffmann.
16.7.
Im verwilderten Roman oder Godwi ist Brentano beeinflußt vom „ästhetishen Immoralis-mus“ Heinses und Wielands, artistisch schwankend zwischen irdischer und himmlischer Minne, Venus- und Mariendienst, den er später im Alter gewaltsam oder verklärend ent-schied.
Ich, der Mönch Paphnuti aus dem Kloster Athos, der ich einen Kommentar zum Hohen-liede Salomonis schrieb, will euch, meine lieben Griechen, nun ein merkwürdiges Denkmal eurer heidnischen Vergangenheit geben, eine von mir aufgefundene Schrift über das Leben der Venus, die ich ins Neugriechische bearbeitete. Damit sie eure Geister aber nicht verfüh-re, habe ich sie regelmäßig mit erbaulichen Kommentaren versehen.
Brentano und Mörike haben poetische Erbauungsschriften verfasst. Mir geht der Titel „Brevier“ durch den Sinn. In älteren Jahren mache ich vielleicht einmal so etwas, Sermone, oder Fragmente geistlichen Inhalts.
Für mich: „Und ich will mich meiner als eines edlen Gedankens erfreuen, wenn mich keine lieben sollte.“ Brentano.
17.7.
Im Glauben ist der Wein Blut, das Brot der Leib Christi, im Glauben essen und trinken wir Christus.
18.7.
Traum: Ich war in eine fremde Stadt gezogen, für einige Wochen. Eines Abends ging ich auf die Straße, in eine Schenke, wo niedrigster Pöbel saß und soff und mich schmähte. Ich ging und wußte, ich würde nie wieder hineingehen. Dann ging ich einsam spazieren, einen steinernen Fußweg durch Baumreihen. Schließlich kam ich zu meinem Erstaunen in eine romantische Altstadt, mittelalterlich. Ich stand vor einer schlichten steinernen Burg. Zur Rechten befanden sich mehrere Kirchen: eine große katholische, eine kleine katholische Kapelle und eine lutherische, alle im romanischen Stil. Ich sah mir den Schaukasten der lutherischen Jugend an, da hingen Plakate von Marx, Lenin, Mao Tsetung. Ich war entsetzt. Dann trat ich aufgeregt und wild in die katholische Kirche, die ich leer vermutete und in der ich betend meinen Frieden finden wollte. Es war aber gerade Heilige Messe. Der Pries-ter in edlem Priestergewand sah mich streng ermahnend an. Ich setzte mich beschämt auf eine Bank. Die Kirche war kunstvoll ausgestaltet, die Wände in grün und blau und gold, wohl mit Bildern und Zierat, die Holzbänke in warmem hellem rotbraun. Die Besucher Männer und Frauen zwischen sechzig und neunzig Jahren. Der Priester ging leise mit ei-nem Tablett voll Hostien umher, das Brot austeilend. Er kam zu mir und sagte, das Brot werde nach streng päpstlicher Lehre nur an Katholiken ausgeteilt. Ich bekundete, kein Mit-glied der katholischen Kirche zu sein, fand es aber im Stillen schade, am Abendmahl nicht teilnehmen zu können. Der Gottesdienst war zuende, ich ging neben dem Priester einen langen Gang durch einen herrlichen Vorsaal, im Gespräch. Er war voll von großer mysti-scher Weisheit, voller tiefgeheimer Wahrhaftigkeit. Aber er ermahnte mich wegen meines wilden Eintretens in die Kirche. Er unterrichtete mich in der Geheimlehre der Weisheit. Ich stand mit dem Priester am oberen Ende einer Treppe, die Stufen ausgelegt mit rotgoldenen weichen Teppichen, die Wände von feierlichem Dunkel, alles wie ein Gottestempel voller Herrlichkeit, aber nicht dem Mammon, sondern der Weisheit Gottes geweiht, wie mir schien. Dann flüchtete ich mit jungen Katholiken schwimmend durch einen Kanal. - Es ist erstaunlich, der dritte Traum vom Katholischen in den letzten Wochen. Erst die Empfin-dung großer Liebe, dann die Konversion, dann der heilige Tempel.
Erster Petrusbrief: Leiden wir, wie auch Christus gelitten hat, ist es eine selige Freude und Gnade zum Heil, dann kommt die Herrlichkeit und Seligkeit der Seelen, große Freude.
ETA Hoffmann, Der Goldene Topf, ist voller Phantasie und Poesie, aber er berührt mei-ne Seele nicht so schön wie Novalis, Eichendorf, Brentano. Arnim war offen dem Aber-gläubischen, das macht ihn dunkel.
20.7.
Brentanos Gockel durch, niedliche Stellen darin, zB. von der Mäuseprinzessin Sissi und dem reimenden, wortspielenden Schwälblein. Aber leider sind die Romantiker Verächter der Juden gewesen. Bettine hat einmal aus Trotz gegen den antisemitischen Zeitgeist (auch in der Christenheit) sich mit einem Judenmädchen angefreundet. Große Schuld lastet auf der Christenheit für ihren Antisemitismus, dem auch der alte Luther frönte. Papst Johannes Paul II bat die Juden im Namen seiner Kirche um Vergebung.
Homerübersetzer Voß wird im Brentanomärchen Murmeltier verspottet. Voß verab-scheute die Romantik, nichtdeutsche Worte, Sonett und Kanzone. Ich liebe Sonette mehr als die stolpernden deutschen Hexameter.
Romantischer Briefroman: Der Mönch Narzissus flieht aus den engen bedrückenden Klostermauern, in die er als Knabe kam, er hat noch keinen Glauben, stürzt sich in die Weltlust der Frauenliebe, Zauberei, Naturschwärmerei; bleibt aber im Briefwechsel mit der Nonne Agnes, der er von seinen Eskapaden berichtet, die ihn gütig lenkt, und schließlich seine Bekehrung und sein Gang entweder ins Kloster oder zu einem Bettelorden.
23.7.
Der Dreißigjährige Krieg findet in meiner Seele statt. In mir Tilly und Gustav Adolf von Schweden.
24.7.
Lese Eichendorf, Dichtergesellen, die lebendig geschilderte romantische Commedia dell’Arte wird gegen Ende fromm, Einsiedler tauchen auf. Über Eichendorfs Roman: „Er war der schönen Frau verfallen mit Leib und Seele. Aber nach durchschwelgten Nächten, zwischen halber Lust und Reue, versinkt er in tiefe Melancholie, bis ein zehrendes Feuer die müde Seele in seinen Traummantel hüllt. Nach langem Kranksein tastet er sich wieder in den Garten: es ist eine entzauberte Welt.“
Kommentar über Novalis: Vorbild des romantischen Romans ist Goethes Wilhelm Meis-ter. Darin wird das Allgemeinste wie das Wichtigste mit romantischer Ironie angesehen und dargestellt. Wunderbare romantische Ordnung entsteht, die keinen Bedacht auf Rang und Wert, Erstheit und Letztheit, Größe und Kleinheit nimmt. Das Romantische ist die Naturpoesie und das Wunderbare. Alle Poesie unterbricht den gewöhnlichen Zustand, das gemeine Leben, fast wie der Schlummer, um uns zu erneuern und so unser Lebensgefühl immer rege zu halten. Erzählungen, ohne Zusammenhang, jedoch mit Assoziationen, wie Träume, Gedichte, bloß wohl klingende und voll schöner Worte, aber auch ohne allen Sinn und Zusammenhang, wie lauter Bruchstücke aus den verschiedenartigsten Dingen. Ein Roman muß durch und durch Poesie sein, eine harmonische Stimmung unseres Gemütes, wo sich alles verschönert. Die ganze Natur muß auf eine wunderliche Art mit der ganzen Geisterwelt vermischt sein. Novalis war es natürlich geworden, das Gewöhnlichste und Nächste als ein Wunder, und das Fremde und übernatürliche als etwas Gewöhnliches zu betrachten. So umgab ihn das alltägliche Leben selbst wie ein wundervolles Märchen, und jene Region, die die meisten Menschen nur als ein Fernes und unbegreifliches ahnen oder bezweifeln wollen, war ihm eine liebe Heimat.
25.7.
Über Lyrikformen gelesen: Ballade, Romanze, Distichon, Elegie, Ode, Hymne, Dithyram-bus, Epigramm, Ritornell, Fünfzeiler, Ghazel, Glosse, Rondel, Sestine, Sonett, Stanzen, Terzine, Triolett, Volkslied. Besonders liegen mir Sonett und Stanze. Daran seh ich meine Vorbilder: Renaissance und Romantik.
26.7.
Tiecks Sternbald ist das Schönste, was ich bisher von Tieck gelesen habe, fromm, voller Seele und Schwärmerei, voller Gedanken über das Wesen der Kunst. Dürer ermutigt mich dazu, alle Pläne meines Herzens fleißig auszuführen. Aber Fleiß geht nur in Zeiten der Be-geisterung. Ohne Begeisterung ist Kunst tot.
27.7.
Die Gedichte Tagores durch, leider die Übersetzung mangelhaft, was poetische Schönheit betrifft, sie macht aus der Poesie so etwas wie Prosa. Tagore hat Sehnsucht nach einem persönlichen Gott, gegen den Aberglauben, für die Ewigkeit des Ungeschaffenen, leider zu Christus nicht gefunden, doch kann ein christlicher Dichter viel von ihm lernen.
Dürer ist männlicher, strenger als der feminin-liebliche Raffael oder der schwebende, mystische Tizian, zu Michelangelo hab ich noch keinen Bezug, er ist auch kernhaft männ-lich. Die deutsche Malerei scheint erdiger, männlicher, fester als die himmlische italieni-sche. Auch der deutsche Barock ist nicht so süß und leicht wie die italienische Renais-sance. Es gibt eine deutsche Schwere, Novalis ist in seiner Todessehnsucht schwer, Hölder-lin ist in seinen Hymnen schwer, Goethe in seinem Faust I, Schneider in seinen Sonetten, Rilke ist bei allem Schwebenden des Geistes schwer, Thomas Mann ist in seinem Doktor Faustus schwer, Hesse ist in seinem Steppenwolf schwer. Aber Ariost und Boccaccio sind leichter. Ich möchte wohl die italienischen Versepen besitzen. Ich hätte gern in englischer oder italienischer Renaissance oder englischer Romantik gelebt, dann hätte ich mit meiner Lust zu Poemen und Epen etwas werden können. Die südamerikanische Literatur des 20. Jhd ist sinnlich, irdisch-fruchtbar, hat gegenwärtig in Europa großen Anklang. Sie haben viel Phantasie, Neruda und Marquez. Die englische Romantik ist heidnischer als die deut-sche katholische und im Romantisieren nicht so weit gegangen, steht der Klassik näher. Keats ist vielleicht der Romantischste der Briten.
Friedrich Schlegel: „Gegen die Elegien war anfangs viel Einrede von seiten der strengen Sittlichkeit; wenn aber dem Dichter nichts zu sagen erlaubt wäre, als was sich in Gegen-wart junger Frauenzimmer sagen läßt, so möchte wohl überhaupt keine Poesie möglich sein, am wenigsten aber eine wie die der Alten.“ Nach Lohenstein mit seiner Üppigkeit (barocke Wollust) kam die strenge Tugend Klopstocks. Goethe fand einen Mittelweg in seinen Römischen Elegien. Man darf nicht nur auf Sinnlichkeit aus sein, sie muß in die natürlichen Grenzen gesetzt werden von Kunst und poetischer Erfindung. Ich denke an Wielands Agathon, Byrons Don Juan, Goethes Elegien, Heinses Ardinghello.
31.7.
Über Saul: Er war erfolgreich, solange er Gott vertraute und gehorchte, dann begann sein Abstieg: das Königtum von ihm genommen, Eifersuchtsanfälle, Jagd auf David, Befragung der Wahrsagerin, Niederlage bei Gilboa mit dem Tod seiner Söhne und dem Selbstmord Sauls. Sein Charakter erscheint wie der eines manisch-depressiven Cholerikers. Er verhielt sich wie ein Alkoholiker: von der Wut zu Tränen und von den Tränen zur Wut. Psycholo-gisch sehr interessant. Als er von Gott nicht mehr getragen war, trat seine psychische Labi-lität zutage.
Deutsche Chronik oder Der Seherin Gesicht: Hermann, Bonifazius, Theophanu und Otto III, Siegfrieds Tod und Gudrun, Dürer, Heinrich von Ofterdingen Zweiter Teil, Tod Jochen Kleppers. Arminius sterbend: „Von Teutonien bis Alemannien wird der Heliand der Geni-us des freien Germanien sein!“
2.8.
Der ständig graue und verregnete Sommer ist fürchterlich. Die Einsamkeit ist groß. Unge-färbte Liebe, wo ist sie? Ich habe eine Sehnsucht nach einem Leben, die auf Erden nicht gestillt werden kann. Es muß so poetisch, licht und voller Liebe sein, wie es nur im Him-mel sein wird. Selbst in irdischer Poesie ist das nicht zu schildern. Die Häuser der Ewigkeit werden wirklich aus Rubinen und Smaragden sein, heute ging mir die unglaublich poeti-sche Schönheit der ewigen Wohnungen auf. Die Gärten und Wälder werden voll sein von den schönsten Gesängen, alles licht und lebendig, sehr fruchtbar, sehr friedlich, ohne Un-heimlichkeit. Und alles wird voller Liebe sein. Es gibt da keine Einsamkeit. Die Heiligen und Seligen lieben sich alle mit einer vollkommenen Liebe, kein Neid, keine Abneigung, keine Überheblichkeit, keine Kälte wie auf Erden auch unter Christen. Kein Zweifel mehr, ob Jesus lebt und das Gebet hört, er ist sichtbar und allgegenwärtig. Selbst wenn ich A-bendfrieden und goldnen Sonnenschein und Taubenruf und Baumgrün und Teichstille ha-be, sehne ich mich nach dem Paradies. Möge Jesus bald mich holen kommen. Nichts hält mich hier.
Mach End, o Herr, mach Ende.
7.8.
Ich möchte einmal die Petrus-Akte und das apokryphe Petrus-Evangelium in einem römi-schen, phantastischen Roman schildern. Auch würde mich ein romantischer Indien-Roman über Thomas interessieren.
Tragisches Thema einer Geistesverwirrung der Christenheit ist der Kinderkreuzzug. Sie kamen bis ans Mittelmeer, viele starben auf dem Weg, viele wurden als Sklaven verkauft.
8.8.
Lieber Vater, in letzter Zeit habe ich oft das Gefühl, daß meine Gebete nur Selbstgespräche sind. Ich finde und fühle dich nicht. Ich bete dennoch, aus Not... Bewahre mich vor erneu-tem Liebesleid. Die Zeit meiner Mystik im Mai war so tief, so friedlich, aber ich habe auch viel Einsamkeit erfahren. Nun habe ich Sehnsucht nach liebevoller, gefühlvoller, zärtlicher Gemeinschaft, Sehnsucht nach einem verstehenden Freund und Sehnsucht nach Küssen und Umarmungen. Wie gern würd ich einmal von einer Frau hören: Ich liebe dich! Vater, du füllst diesen Mangel grad nicht aus. Ich sehe Jesus nicht, nicht seine Schönheit. Auch darf ich nicht an die Jungfrau Maria glauben, die selbst im Glauben nicht gegenwärtig ist und nicht sinnlich erfahrbar. Jesus spricht nicht zu mir. Die Bibel sagt: Ich, Gott, hab dich je und je geliebt. Ich lese das, Vater, aber es ist nicht so, wie wenn ein Mensch mir das sag-te. Ich sehe deine Augen nicht, ich höre deine Stimme nicht, ich werde von dir nicht um-armt. Ich muß entsagen und verzichten, und das ist mein Kreuz. Wie einsam war Jesus auch in Gethsemane, da die schlafenden Freunde ihm nicht beistanden. Ach Vater, ich lie-be die Erde und mein zeitliches Dasein nicht und sehne mich danach, bei dir in deiner schönen Welt zu sein, und in Liebe gebettet zu sein und ewiger Freude. Das Leben ist schwer. Wenn du nicht wärst, Vater, würd ich mir das Leben nehmen. Nun aber hab ich die lebendige Hoffnung inmitten meiner Traurigkeit. Lob sei Christus, Amen.
9.8.
Eichendorff: „Die heiligen Märtyrer, wie sie, laut ihren Erlöser bekennend, mit aufgehobe-nen Armen in die Todesflammen sprangen - das sind des Dichters echte Brüder, und er soll ebenso fürstlich denken von sich; denn so wie sie den ewigen Geist Gottes auf Erden durch Taten ausdrückten, so soll er ihn aufrichtig in einer verwitterten, feindseligen Zeit durch rechte Worte und göttliche Erfindungen verkünden und verherrlichen.“ - Und: „Wache, sinne und bilde nur fleißig fort, fröhliche Seele, wenn alle die andern Menschen schlafen! Gott ist mit dir in deiner Einsamkeit, und er weiß es allein, was der Dichter treulich will, wenn auch kein Mensch sich um dich bekümmert.“ Sehr schön, genau mein Sinn.
Im alten Venedig hatten die verheirateten Adelsfrauen mit Einwilligung ihres Ehemanns einen Cavalier servente, der sie morgens am Bett besuchte, bei der Morgentoilette half, sie zu ihrem Vergnügen ausführte oder in die Kirche, auch sein Geld stand ihr zur Verfügung. Meistens war es nicht unzüchtig, manchmal gab sich auch ein Geistlicher dazu her. So ein Cavalier servente (wahrscheinlich Überrest der älteren Zeit, da die Gräfin einen Ritter hat-te, der für sie die Lanze brach), so ein Amico bin ich. Die Ehen wurden in Venedig von der Eltern aus Ökonomie geschlossen, nicht aus Liebe.
10.8.
Am meisten an Antigone hat mich beeindruckt die Rede vom bräutlichen Altar, von der Hochzeit im Totenreich. Antigone kann man in Todessehnsucht schreiben.
Schöne Zisterziensergebete und Andachten gelesen, berührte meine gottferne Seele. Ich hoffe, im Himmel die total schöne Poesie, den vollkommenen Gesang dichten zu können, dem ich mich auf Erden nur von ferne nähern kann.
11.8.
Lese Brentano-Gedichte, voller traumhaften Wohlklangs, das hat was Himmlisches.
12.8.
Ich weiß nicht zu beten, ich habe kein Verlangen nach der Bibel, pro forma bete ich ein Vaterunser. Dichtete nachts traurige Geistliche Lieder. Ich habe Sehnsucht nach einer lyri-schen Sprache voll von Weisheit und himmlischem Wohllaut, und meine Versuche schei-nen mir nur Gestotter und Radebrechen. Erst im Himmel kann ich wahre Poesie zustande bringen. Allgemeines Ungenügen an der Erde.
13.8.
Erwachte mittags voller Haß und Verachtung auf alles. Ohne Gott leben ist fürchterlich, da lebt keine lebendige Liebe im Herzen. Wüstenzeit. Gott scheint ferne, scheint tot. Kein Gebet gelingt. Keine Sehnsucht nach Gott, nach der Bibel. Diese wird langweilig, allzu bekannt, unbedeutend für mein Leben und nicht schön genug. Gleichzeitig Unglück der Seele, die Gott entbehrt. Gefühl, ungeliebt zu sein. Alle frommen Sätze sind hohle Phrasen. Dunkel. - Mich rettet nicht mein Glaube, sondern Gottes Gnade. Ich ersehne das intime Zwiegespräch mit Gott. Habe eine Sehnsucht nach Liebe, Geliebtwerden, Glück, Poesie und Leben, die auf Erden wohl nie gestillt wird. Ach wär ich tot!
18.8.
Lese Tiecks Sonette an Alma im Garten. Der wahre deutsche Petrarkismus fand in der Ro-mantik statt: Tiecks Alma, Novalis’ Sophie, Brentanos Sophie. Eichendorff hat (nicht in meinem geliebten Taugenichts) etwas Biederes, das ich nicht mag. Clemens ist frisch-lebendig, ein Kind. Novalis lebt im Jenseits. Auch Arnim mag ich nicht sehr, er hat eine dunkle unerlöste Phantasie. Hoffmann ist zu dämonisch, hat aber blitzhaft sprachliche Schönheiten. Die Nachtwachen sind satanisch.
19.8.
Schrieb Sonette und Madrigale. Las gerne Tieck (seit seinen Alma-Sonetten lieb ich seine Dichtungen), der genialste Romantiker in meinen Augen ist Novalis, der auch schöne anti-ke Oden und Hexameter dichtete, und der liebe, liebe Clemens Brentano mit seiner ver-zweifelten, kindlichen Frömmigkeit.
Die „Emanzipation des Fleisches“ war eine Bewegung um 1800, halb klassisch, halb romantisch, Byron und Heinse vor allem, auch Brentano im Godwi und Schlegel in Lucin-de. Ich gestehe, ich lese so etwas mit Lust: Heinses Ardinghello hab ich dreimal gelesen, mein Italien mehr als Goethes Reise. Und Don Juan mit allerschönstem Genuß, Haidée ist die wahre Venus. Aber ist nicht Emanzipation des Geistes vom Fleisch das göttliche Pro-gramm? Aber ist nicht auch Lob der wahren Sinnlichkeit wie im Hohenliede Aufgabe eines christlichen Dichters?
In der Bibel steht, daß alle Könige der Erde ihre Herrlichkeit in das Neue Jerusalem ein-bringen werden. So werden alle Meisterwerke der Kultur im Himmel verherrlicht sein: der Himmelstempel von Peking und die chinesischen Gärten, der Kölner Dom oder die Aache-ner Pfalz, Venedig als Märchenstadt etc.
Mein persönlicher Eindruck von Venedig - Piazza und Canale Grande, Dom, Geschäfts-straße, Rialto, Fischmarkt, Maria del Miracoli, Marco-Polo-Haus - war das Bild der Venus von Botticelli, also in Wahrheit eine weiße Geliebte mit langen roten Locken, Flammetta am besten geheißen.
Gotteslob: „Wo Liebe ist, da ist Gott. In ihr können wir Gottes Nähe erkennen. Wenn wir Liebe haben, zeigen wir den anderen Menschen Gott.“
20.8.
Gebetsaltar für die Entführteaufgestellt: Christusikone, Marien Verkündigung von Botticel-li, Kerze. - Ich betete schon zur Maria Misericordia für die Verschwundene, so bang bin ich, das Gebet war aber ein schöner Traum, und mir schien, Maria lebt. - Eine Wolke von Zeugen umgibt uns. Ich bildete mir für einen engelhaften Hauch eines Moments ein ihre Erscheinung. Kann nicht zu Gott beten, betete aus dem Gotteslob zu Maria, berührt mein Herz. Nach einem freien Lobpreis Marias betete ich zur benedeiten Frucht ihres Leibes, zum wahren Christkind, dem Kinde Gottes. Amen, das weiß ich, daß Christus Jesus er-schienen ist am 10.10.94, als das Täubchen in seinem Blute schwamm. Kein Gemälde trifft ihn, eine Mischung aus Dürers Selbstbildnis und Leonardos Abendmahl. Ich hätte so gern ein wundertätiges Bild. Ich werde rein katholisch.
Im Augenblick bin ich ganz voll von der Verschwundenen. Sie ist in meiner Phantasie eine römische Heilige wie Sankt Agnes oder Dorothea oder Katharina. Ich bin pfingstlicher Katholik. Ich habe solche Sehnsucht nach dem Trost Marias, der Mutter der Barmherzig-keit, der Königin der heiligen Jungfrauen, der schönen Fürstin des Himmels, der Trösterin und Fürbitterin: Maria, hilf!
21.8.
Ich werde wohl als Verherrlicher verschiedener Frauen in die Literaturgeschichte eingehen oder untergehen.
Ich denke viel an Gott und den Himmel, aber der Mund meines Herzens ist meist ver-schlossen, nur mit Überwindung entringen sich mir Worte an Gott, oder nur Stoßseufzer. Das Thema meines Herzens ist zur Zeit In. in der Seligkeit (oder in großer irdischer Not) und der Gedanke an die heilige Jungfrau und Mutter Maria. Danke, Gott, für Dantes Buch.
Dante zählt Epikur zu den Ketzern. Hedonismus, ästhetischer Immoralismus, Emanzipa-tion des Fleisches ist Ketzerei. Ich lese lieber Bücher, die himmlisch gesinnt sind. Novalis, Dante, Klopstock sind himmlisch gesinnt.
22.8.
Gebet zu Gott. Und Maria führe sie ihrem Sohne Jesus zu. Maria ist die Schwester der En-gel. Möchte noch einmal Maria-Hymnen schreiben: oliva speciosa, o Balsamstrauch, o elfenbeinerner Turm! Aber ich muß schauen, wie der allmächtige und allwissende Gott meine Frömmigkeit entwickelt. Maria ist Ecclesia, Braut Christi, Sulamith.
O Maria, schöne Fürstin des Himmels, Braut des Morgensternes! Du bist die Gnadenrei-che, die Schmerzensmutter, die Jungfrau sonder Makel. Schön wirst du gepriesen als Bal-samstaude, als Vlies, auf das der Tau des Geistes sank. Bitte du für mich und trete ein für mich bei Jesus, dem dornengekrönten König. Führe mich zu ihm und entflamme mein Herz mit der Liebe, die du zu Gott hast, meine Mutter.
23.8.
Ich versuche unter Menschen zu kommen, aber bin froh wieder allein zuhause zu sein und einsam trauern zu können um In., die nun ein Engel ist. Die Kerze brennt vorm Marienbild mit Ähnlichkeit zu der Verschwundenen und der Ikone. Gotteslob, Musik, Wohlsein in elegischer Einsamkeit. Ich suche Trost bei Menschen, aber sie trösten nicht, sie zerstreuen höchstens.
28.8.
Einer fragte, wie es mir ginge. Er zitierte Paulus, der die Christen ermahnte, die Elenden zu ermutigen, daß sie nicht von „übermäßiger Traurigkeit verschlungen“ würden. Es ist wie Israel in der Wüste. Beschränkung auf Manna, keine Fleischtöpfe und Knoblauch und Bier Ägyptens mehr. Wachteln begehrten sie, das erzürnte Gott. Zu trinken gab es nur Wasser aus dem Felsen, keinen Wein der Freude. Und dennoch kamen sie nach Elim, wo Palmen und Quellen rauschten, ein flüchtiger Vorgeschmack auf das Gelobte Land. Im Gelobten Land wuchsen riesige Trauben (Wein der Fülle). Die Psalmisten und Hiob berichten von der Erfahrung eines Christenlebens, das die Dürre kennt, wo Gott sich nicht lebendig zeigt. Wir sollen treu sein. Die Psalmisten trösten auch über das trügerische, vergängliche Glück der Gottlosen. Das Evangelium verheißt nicht Erdenglück, sondern Seligkeit des Himmels.
1.9.
Dichtete im Traum antike Oden.
Lieh Catull aus und kopierte Ovids Liebesgedichte. Lesbia und Corinna erinnern mich an Eine. Überlege, erotische Elegien zu schreiben.
Las Hiob und klagte Gott mein Elend. Ich lebe ein Hiobs-Leben. Trost gab mir der spekulative Gedanke an Freitod. Wäre es nur einfach, schmerzlos und nicht sündig! Ich wäre am allerliebsten tot!
2.9.
Es wäre grausam von Gott, wenn er mich mit diesem Gemüt alt werden lassen würde. Der Tag des Todes ist besser als der Tag der Geburt, sagt der Prediger. Verflucht die Stunde, in der man sagte, ein Knabe kam zur Welt, sagt Hiob. Jerusalem, du hochgebaute Stadt, wollt Gott, ich wär in dir, sagt der Kirchendichter. Ich würde gern morgen, nachdem ich die Ge-liebte sah, am Herzinfarkt sterben. Zur Not müßt ich in totaler Verblödung und Abge-stumpftheit des Gemüts die restlichen Jahre leben. Selbstmord ist grausam und verboten. Gott scheint mir grausam, daß er mich so leiden läßt. Warum heißt der Heilige Geist Trös-ter, wenn er nicht tröstet? Warum im Herzen solche Sehnsucht nach Liebe, wenn mich kei-ne Frau liebt? Warum solche wahnsinnige Sehnsucht nach dem Paradies, seit sieben Jah-ren, wenn ich in diesem Jammertal vielleicht noch fünfzig Jahre vegetieren muß? Das ver-hüte Gott! Ich bete um einen frühen Tod. Wer kann mich retten? Ich will weinen! Die Ge-liebte wird mich nicht retten, sie wird mich nicht einmal mütterlich oder fraulich trösten.
Warum hab ich nur meinen Selbstmordversuch überlebt? Majakowskis Kugel traf, Zwe-tajewas Strick erwürgte sie, Byron ward erschossen, der selige Novalis starb früh, Jochen Klepper starb am Gas, und ich muß leben, dieses gottverdammte Erdenleben leben! Ich hab das feste Gefühl, daß Gott Selbstmord verbietet. Aber ist nicht Jochen Klepper im Him-mel? Es rettet einen doch nicht die Tugend, sondern der Schrei zu Gott! Aber schrei ich zu Gott? Gott ist so fern! Er kümmert sich nicht um mich, teilnahmslos läßt er mich leiden, ein kalter gleichgültiger Alter auf dem Thron, und ein verherrlichter Herr, der nicht mehr nahe ist, und ein Geist, der nicht mehr tröstet. Sinnlos scheint mir das Gebet, scheint mir nur Selbstgespräch. Ich vertraue Gott nicht mehr. Gott ist Gott! Ich verstehe ihn nicht. Die Gottlosen läßt er glücklich sein, mich aber hat er mit meiner Bekehrung zum Allerelends-ten gemacht. Seit dem Sankt-Agnes-Tag 93 bin ich dem Tode nah und kenne kein Vergnü-gen an der Welt mehr. Wenn es nur so schön einfach wäre, sich das Leben zu nehmen, wenn wir nicht so an diesem elendigen Dasein doch hängen würden, wenn die Angst vor dem Schmerz und die Angst vor dem Sterben nicht so groß wäre und die Angst vor Gottes Gericht! Ich fürchte den Zorn und das Gericht Gottes! Ich fürchte die Hölle! Wer kann ga-rantieren, daß bekehrte Selbstmörder nicht in die Hölle kommen, wo steht das geschrieben? Wer kann mich in die Freude retten, wenn Gott mich nicht rettet? Wie soll ich dies Kreuz tragen? Es scheint mir zu schwer. Herr, erbarme dich, Herr, erbarme dich, Christus, erbar-me dich!
3.9.
Las Catull in hölzerner Nachdichtung, sein Schimpfen gefällt mir nicht. Die antiken Verse sind in Deutschland entwickelt worden von Ewald von Kleist, Klopstock, Goethe, Schiller, Voß (Homer), Novalis, Hölderlin, Schröder.
Otfried führte den Endreim in die deutsche Dichtung ein, den er von lateinischen Hym-nen hatte. Er vertrieb damit den germanisch-heidnischen Stabreim. Opitz kanonisierte den Jambus, das war Reformationszeit. Der gereimte Jambus ist christlicher Vers. Aber auch Klopstock, Novalis, Schröder eroberten antike Maße für die christliche Kunst. Der Marien-kult im 10. Jhd. legte die Grundlage für die Minnekultur.
Ach ich bin ein tragischer Mensch! Zerrissen zwischen Heiligkeit und Sünde, niederer und hoher Minne, Weltverachtung und Genußverlangen, Eros- und Todestrieb, mit dieser Tragik geh ich unter, Gott gebe bald!
Spiegelt sich in mir Jesu Herrlichkeit? Jesu Kreuz spiegelt sich in mir. Eli, Eli, lama asa-bthani? Der bittere Kelch, das ist das leidige Leben, ich will ihn nicht zur Neige leeren, aber Gottes Wille soll geschehen. Präge mir das Kreuz ein, Herr, laß mich mein Kreuz an-nehmen, hilf mir mein Kreuz tragen, sende mir einen Menschen (einen Simon von Kyrene), der mir hilft, mein Kreuz zu tragen. Gib einen Menschen, der zutiefst mitempfindet und Kraft abzugeben hat an mich und echten, tiefen Trost. O, laß mich frühen Todes sterben, daß ich bei Jesus bin!
4.9.
David entwickelte die primitive Kunst der Israeliten bedeutend weiter, zumindest die Mu-sik, er ließ ausgebildete phönizische (!) Musiker kommen. Ist das wahr? Erst beim Salo-monischem Tempel werden wahre Musiker-Heere genannt. David war Musiker, durch ihn entstand der Tempelgesang und das persönliche Lied der frommen Seele. Aber war er glücklich? Wohl nicht. Vielleicht bei den Schafen. Aber von seiner Berufung (Salbung) an, ward er gehetzt, gehasst und verfolgt und dichtete Angst- und Klagepsalmen. Als er König war, steckte er in Krieg und Bürgerkrieg, kein Grund zum Glücklichsein. Nach seiner sün-digen Wollust mit Bathseba war Haß und Brudermord in seiner Familie. Jonathan („deine Liebe ist besser als Frauenliebe“) ward bald von ihm getrennt durch Sauls Haß, dann starb er im Krieg. Michal, die David liebte, ward von ihm getrennt, einem andern Mann gege-ben, später verachtete sie ihn. Er hatte zwar einen Harem von Frauen, aber keine innig-vertraute Ehegemeinschaft. Joab, sein Kampfgefährte, tötete Absalom, darum gebot David Salomon, Joab zu töten. Nathan war kein gütiger Beichtvater, sondern ein strenger Buß-mahner. David war einsam. Wohl darum war er ein so großer Poet.
5.9.
Über biblische Poetik. Die Bibel ist Gotteswort und Menschenwort, wie diese beiden Quel-len sich zueinander verhalten, ist ein heiliges Geheimnis. Jedes Wort ist gottgehaucht (wie ich wohl glaube), aber ganz in den eigenen Worten des Chronisten, Dichters oder Prophe-ten ausgedrückt. Gott verwandte die Sprache der Menschen. Er verwandte auch die menschlichen, kulturell gewachsenen literarischen Formen. Die orientalischen Volker kannten Hymnus, Klage, Spottlied, Liebeslied etc. Gott verwandte das. Inwiefern ist da-durch in der Bibel eine neue Qualität dieser Formen entstanden? Vielleicht ist die Schön-heit verwandt mit der der heidnischen Poesie, aber in der Bibel sind Schönheit und Wahr-heit optimal vereint. Vielleicht ist der altägyptische Hymnus schön, aber er hat keine göttli-che Wahrheit. Welche Entwicklung nahm die menschliche Seite der hebräischen Poesie? Hat David eine kulturelle Blüte hervorgebracht? und Salomo diese noch verfeinert? Als ältestes Bibelbuch wird Genesis, dann Hiob angesehen. Genesis gibt den wahren Mythos in einem großen Gedicht von Schöpfung und Paradies. Hiob ist in Versen verfasst. Welche Gestalt haben die hebräischen Hiobsverse? Eine deutsche Nachdichtung gibt es in Blank-versen. Hiob ist dramatisch, dialogisch, elegisch, Weisheitsliteratur, voller poetischer Bil-der. Goethe greift in Faust I auf Hiob zurück. Die liberalen Theologen datieren Deborahs Triumphgesang (Schlachtlied) in älteste Zeiten, welchen Versrhytmus hat dieses Lied? In der deutschen Literaturgeschichte las ich, daß das poetische Mittel des Parallelismus häufig in sakraler Poesie verwandt wird. Stammt es ursprünglich aus der Bibel oder kannten die Babylonier und Ägypter es ebenfalls (und Chinesen im Shi-Jing)? Alle Uroffenbarung der Völker ist in Poesie, in Versen überliefert. Das deutet darauf hin, daß das Dichterische zum Wesen des Menschen als Ebenbild und damit auch zum Wesen Gottes gehört. Gott hat auch das Wesen eines Erzpoeten. Die formalen Aspekte der Dichtkunst, Rhytmus, Melo-die, Wohllaut, Regelmäßigkeit, kann man in der natürlichen Schöpfung ebenfalls finden. Der innere Aspekt der Dichtkunst, der verdichtete Ausdruck, gehört wesentlich zum Reden Gottes. Gott ist kein Schwätzer, sondern ein wesentlich und gedichtet redender Gott der Wahrheit. Platon redete vom obersten Prinzip als von dem Wahren, Guten und Schönen. Gott ist wahr und gut. Jesaja sagt, Gott ist ein Gott der Schönheit, oder, noch wesentlicher, der Herrlichkeit. Gott dichtete mit seinem Reden (und das Wort geschah) die gesamte Schöpfung: einen Jaspis, einen Schwan, ein Röslein, Sie: das sind die Gedichte des Logos Gottes!
6.9.
Bei Einem zum Tee, er zeigte mir Bilder vom Apollon-Tempel, Zeustempel, Delphi und dem meerumschlungenen Delos der Leto, Mutter Apollons und der Artemis. Er fand die vielen Götzentempel traurig-abscheulich („wie Paulus“), aber ich fand herrliche antike Kultur.
Ja, das Leben ist ein Jammertal, trage dein Kreuz, harre auf die lebendige Hoffnung. Kein Mensch ist in dieser schweren Stunde für mich da. Petrus und die Zebedäussöhne schlafen, aber ich kann nicht mal zum Vater beten, und er wird den bitteren Kelch nicht an mir vorbeigehen lassen. Ich muß den bitteren Kelch, voll schwarzer Galle, in diesem herbstlichen Garten Gethsemane leeren bis auf die Hefe. Ich hasse mein Leben. Gott hilft mir nicht. Niemand ist für mich da. Ich bin unendlich einsam und elend, elend, elend. Da hilft auch kein gegorener Traubenmost!
Einmal hat Sie gesagt, es muß schön sein, zu glauben wie ich. Herr Jesus, ist es denn schön, so zu glauben wie ich glaube? Was glaube ich denn noch? Glaub ich, daß du mich hörst? Ich will es glauben, ich muß einfach darauf vertrauen, auch wenn ich es nicht fühle. Aber Herr, wo ist denn deine Gnade und Güte? Ich weiß, ich muß mein Kreuz tragen, wenn ich dir nachfolgen will. Und ich will dir, um jeden Preis! nachfolgen ins ewige Leben! Das ist meine unendliche Sehnsucht. O Jesus, mir scheint mein Kreuz zu schwer zu sein. Deine Bibel sagt, Gott gibt nicht mehr zu tragen auf als einer tragen kann, und Gott hilft auch tragen. Das muß dann ja stimmen! Ich glaube an das Wort. Aber Herr, das ganze Jahr ist ein schweres Jahr, ein Jahr großer Leiden. Immer hat es mir geholfen, dir mein Herz auszu-schütten und in der Heiligen Schrift zu lesen, besonders in den Psalmen, Prediger und Hi-ob, in den Worten vom Elend. Aber nun wird es noch einmal schwieriger, Jesus, weil mir das Beten mit dem Mund des Herzens so schwer fällt. Herr, ich bin hungrig nach Liebe, nach seelischer und leiblicher. Mir fällt die Einsamkeit so schwer, mein Verlangen treibt mich um. Ich will von Menschen verstanden werden und sehne mich nach Mitgefühl. Ich spüre einen Mangel auf so vielen Gebieten. Soviel Mangel, Gott, den du nicht ausfüllst. Ist das denn der einzige Trost, daß ich eines Tages im Paradies sein werde? Wie soll ich bis dahin mein bitteres Herz ertragen? Laß mich bitte wieder fühlen, daß du mich liebst! Ich fühle mich wie Hiob, wie der Prediger, wie der 22. Psalmist, wie Jesus in Gethsemane, wie der Gottverlassene am Kreuz, als man ihm Essig und Galle gab! Elend über Elend! Weh mir! Wo ist der Trost des Heiligen Geistes, Vater? Ich brauche dich! Gib mir Kraft und Freude, daß ich die Weltzeit meines Daseins überstehe. Ich flehe dich an um Gnade, großer Gott, in Jesu Christi Namen. Amen.
Ich glaube nicht, daß Gott mir hilft. Er scheint mir ein ferner, gleichgültiger, kalter, grau-samer Götze. Er sieht mein Kreuz und denkt: Da kann noch eine Last drauf, noch bricht Torsten nicht zusammen. Jesu Schrei am Kreuz ist mein Verzweiflungsschrei, Gott hat sich in seine Finsternis jenseits zurückgezogen, der dunkle abgewandte Gott, nicht mehr ver-stehbar, nicht mehr liebenswert.
7.9.
Gestern vorm Einschlafen las ich die Kreuzigung in Lukas. Wie nüchtern, ruhig, undrama-tisch wird das größte Leiden der Welt dargestellt! Wie anders hätte es ein Tragiker (etwa des Sturm und Drang) dargestellt. Warum ist das Neue Testament so wenig poetisch? Wie wird das Leiden dramatisch und exaltiert im Hiob geschildert!
8.9.
Godwi: „Ich habe zuviel gelitten und hänge noch viel zu innig an meinen Tränen, den ein-zigen, die mir treu blieben.“
Mir tun gut die Schilderungen und Lieder des todessehnsüchtigen Einsiedlers in Godwi, sanft und traurig und von stiller schöner Hoffnung auf besseres Leben jenseits des Grabes. Welchen Wohlklang hat das Wort „Grab“ für mich! Wichtig in depressiver Verzweiflung ist liebevolle Menschennähe. Die frommen Ratschläge der Freunde Hiobs sind überflüssig. Liebe, Sympathie, Freundschaft, Anteilnahme sind die beste Medizin. Traurige, meidet die Einsamkeit.
Ach ich bekomme nirgends die Liebe, nach der ich mich sehne. Niemand hilft mir, auch Gott nicht, ich in meiner Elendsschwäche muß mir selber helfen. „Arzt, hilf dir selber!“
„I’m nothing but a stranger in this world. I’ve got a home on high, so far away...“
11.9.
Georg Heym liebte die Unglücklichen. Ich dachte gestern an die Schwermut und das Elend der deutschen Dichter: Lenz, Hölderlin, Kleist, Brentano, Novalis, Rilke, Heym, Trakl, Lasker-Schüler, Schneider, Bachmann, Celan; mit ihnen fühl ich mich im Bunde. Auch Goethe im Werther, Tasso und in der Iphiengie kannte das Dunkel, aber er neigte zum Ge-sunden, Licht, Geordneten. Edmund Spenser lieb ich wegen seiner vielen dunklen Klagen (nicht umsonst soll er den Prediger Salomo nachgedichtet haben). Petrarca war oft einsam und traurig. Der frühe Neruda war verzweifelt schwermütig (Aufenthalt auf Erden). Goethe sagte, daß, wie der Regenbogen auf feuchter Wolkenwand, das Gedicht sich auf Melancho-lie gründe. Hiob: Wo Wasser ist, wächst Papyrus.
Wie hängt Schwermut psychologisch und philosophisch mit der Kunst zusammen? Selbst Michelangelo, der so tüchtige Gestalten schuf, soll schwermütig gewesen sein. Im Mittelalter soll es eine allgemeine Neigung zur Krankheit der Schwermut gegeben haben. Wie steht Schwermut zur „Frucht des Geistes“, der Freude? Freude in allem Leide? Freude am Kreuz Christi und dem ewigen Leben! Die Bibel kennt die Schwermut: die Klagepsal-men, Hiob, Prediger, Lamentationen Jeremias, Christus in Gethsemane und Paulus: Weh mir elendigen Menschen! Wer wird mich von diesem Leibe erlösen? Ich hätte nicht übel Lust, abzuscheiden und beim Herrn zu sein! Kann man ein Lob der Schwermut schreiben? Kann man etwas loben, was es im Himmel nicht geben wird? Wird es im Himmel unter-schiedliche Temperamente geben? Wird es Melancholie geben als gewisse Neigung gewis-ser Erlöster, mehr als andere Heilige innerlich zu sein, kontemplativ und musisch? Werden alle Menschen im Himmel vollendete Menschen sein? Gewiß. Aber heißt vollendet sein, daß alle gleich sind? Mitnichten. Wir werden erlöste, eigene Persönlichkeiten sein. Es müßte also eine erlöste Melancholie geben. Werden einige Erlöste mehr Gott tätig dienen und andere ihn mehr beschaulich ergründen? Werden einige ihn künstlerisch loben? Wird es Kunst im Himmel geben? oder werden Alle Künstler sein? Was ist Kunst? Kunst ist das Verherrlichen des Schöpfers und seiner Schöpfung in Schönheit, mit den Mitteln des Schönen. Was ist Schönheit? Im Himmel wird alles schön sein, herrlich, von außerordent-licher Schönheit. Schönheit und Wahrheit werden eins sein. Werden alle im Himmel die gleichen Wesenszüge Jesu loben? Gibt es objektiv Schönes? „Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters“. Gottes Schönheit und Herrlichkeit, ist sie uns schon offenbar? Die Rela-tivität der Frauenschönheit, sie hängt wesentlich mit Liebe zusammen. Was ich liebe, finde ich schön. Liebe ist schön.
Plutarch: „Der Melancholiker hält sich für einen Menschen, den die Götter hassen und mit ihrem Zorn verfolgen. Ein noch schlimmeres Schicksal erwartet ihn; er wagt nicht, es abzuwenden oder sich die üble Lage zu erleichtern. Arzt und tröstenden Freund weist er ab. Laßt mich meine Sorgen tragen! sagt der Unglückliche: mich, den gottlosen, verfluchten und den Göttern verhaßten Mann. In Säcke oder schmutzige Lumpen gehüllt, sitzt er im Freien. Von Zeit zu Zeit wälzt er sich nackt im Schmutz und bekennt dabei seine Sünde. Die Feiern zu Ehren der Götter erfreuen sein Herz nicht, sondern erfüllen es mit Schre-cken.“ - Hiob: „So wurden mir beschieden Monde der Pein, Nächte der Mühsal hat man mir zugezählt. Gedenke, daß mein Leben nur ein Hauch ist! Nie wieder erschaut mein Au-ge das Glück!“ - Bunyan spricht in seiner Pilgerreise vom Sumpf der Verzweiflung. Wenn Leben heißt, den Zustand der Traurigkeit mehr oder weniger intensiv zu erleben und Schwermut das Gegenteil von glücklicher Stimmung ist... Exzessive Ausschweifung ist ein Versuch, gegen die Depression anzukämpfen. Erotisierung ist depressives Liebesverlangen. Anhänglichkeit ist Depression. Großzügigkeit ist der Wunsch, Liebe zu erkaufen, eigent-lich depressive Anhänglichkeit. Aus der Depression geht Aggression hervor, gegen den mich Ablehnenden oder häufig auch gegen mich selbst. Mutlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung. Keine Freude am Essen. Nachlässige Kleidung. Übermäßige Beschäftigung mit sich selbst. Trauriger Gesichtsausdruck. Ich habe an der Fröhlichkeit anderer keine Freude, ärgere mich sogar darüber. Tränen. Zynismus, Herzenshärte, Aggressionen. „Ich verfluche mein Fleisch und mein Leben!“ Meinung, die Menschen haben an mir kein Inte-resse. Furcht, aufdringlich zu sein und unerwünscht. Angst, verlassen zu werden. Ausweg-losigkeit. Die Vergangenheit besteht nur aus Leiden, die Zukunft verheißt keine Lösung. Herbst und Winter. Dunkle Farben machen schwermütig. Weihnachtstage wecken Kind-heitstraumata. Negative politische Nachrichten betrüben. Nachtwachen machen empfäng-lich für Schwermut. Stimmungsschwankungen ohne ersichtlichen Grund. „Überstehn ist alles!“ (Rilke) Künstlerische, intellektuelle Leistungen in depressiven Phasen hoch. Gegen die Schwermut andenken: Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, woher kommt mir Hilfe?! Der Blick nach unten ist zerstörerisch. Mit fünf Jahren der Großteil des Charakters angelegt. Stimmungsschwankungen der Pubertät. Schuldgefühle beim ersten Orgasmus, Scham nach der Masturbation. Im Alter von 40 bis 50 Jahren häufiger Depressionen. Ent-täuschungen oft unbedeutende Auslöser, Enttäuschungen durch Lieblosigkeiten der Men-schen. Ablehnung durch den liebsten Menschen führt zu besonderer Verzweiflung. Leid kann nur durch die Liebe eines Andern geheilt werden, aber Elende ziehen sich zurück. Andere sind ganz mit sich selbst beschäftigt und merken oft gar nicht, daß der Leidende liebevolle Zuwendung braucht. Das Gefühl in einer Falle zu sitzen und sich nicht befreien zu können. Depression als Reaktion auf Ablehnung, Liebesmangel. Die Auslöser sind nur die Oberfläche, der Kern sitzt tiefer. Die alten Völker verabreichten Opiate und Halluzino-gene. Beziehungs- und Denkstrukturen werden dadurch nicht verändert. Mariehuana kann Schizophrenie auslösen. Nach der ersten Euphorie eine um so tiefere Depression. Psycho-therapie soll die Zuwendung geben. Amoralisches Leben wirkt oft euphorisierend, weckt danach Schuldgefühle. Der innere Raum des Menschenherzens, der Gott bestimmt ist. „Ein Christ hat Vergebung, Friede, Kraft, Freude, ein Lebensziel, Zuversicht.“
Tapfer dulden und auf Gott harren, daß Christus in mir Gestalt gewinne, ist der Umgang mit Schwermut. Es steht geschrieben, daß Gott alle Haare auf meinem Haupt gezählt hat und ich ihm mehr wert bin als viele Sperlinge. Was mir fehlt, ist Glaube! Es steht geschrie-ben, daß Gott mich nicht über meine Kraft versuchen wird. Auch diesen Herbst nicht! Es scheint nur so. Die Prüfung ist am Vater vorübergegangen, sie wird mich nicht zerbrechen. Johannes: „Achtet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Versuchun-gen geratet, und erkennt, daß die Erprobung eures Glaubens Geduld wirkt.“ Gott will mich zu einem tieferen Gleichgestaltetsein mit dem Gekreuzigten kommen lassen. Im Alten Tes-tament war der Dichter des 22. Psalmes Christus am ähnlichsten, Isaak auf Moria ebenfalls, Hiob auch sehr. Wie der Stahl gehärtet wurde? Im Feuer! Preis sei Gott, daß er mich Hiob, David, dem Prediger gleichgestalten will, den großen Schatten des gekreuzigten Christus! Aber Paulus spricht auch von der Gleichgestaltung mit dem Auferstandenen? Christus sag-te zu den weinenden Frauen: „Weint nicht um mich.“ Je tiefer das Leid, desto größer die Gnade. Gott wird mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen.
Mose: „Ich vermag dies ganze Volk nicht allein zu tragen, es ist mir zu schwer! Willst du so an mir handeln, so töte mich lieber, wenn ich anders Gnade vor deinen Augen gefun-den habe, damit ich mein Elend nicht mehr ansehen muß!“
Meine Seele fühlt sich immer noch einsam und ungeliebt. Wenn ich doch, Gott, mich in deiner Liebe baden könnte! Ließe ich mir an deiner Gnade in meiner Schwachheit genügen. Soviele Segnungen konnte ich mir in Erinnerung rufen, und Christi Blut für mich, und Got-tes Geist in meinem Herzen! und dennoch fühl ich mich als Wurm! Preis deiner Liebe, Gott, mit der du mich Wurm geliebet hast!
12.9.
Das Auferstehungsleben Jesu bestand im Brotbrechen, im Fisch- und Honigwaben-Essen, im Zeigen seiner Wunden, im Auslegen der Heiligen Schriften und im Segnen.
Die heiligen Dichter haben eine Sehnsucht nach dem Paradies und ein Leiden an der Gefallenheit. Sie neigen als depressive Menschen zu Suchtverhalten, sei es im stofflichen oder im emotionellen Bereich. Sie neigen auch zu Idealisierung. Sie isealisieren die Gelieb-te. Idealisierung ist Verherrlichung, ein göttliches Grundprinzip der heiligen Poesie. - Die Literatur, die keine schönen Gegenwelten entwickelt, träumt auch nicht sehnsüchtig vom Himmel. Ich mag das Utopische in der Literatur. Es gibt den Eskapismus ins Gemüt und den ins Jenseits. Wir christlichen Künstler sollen nicht weltlich sein, den Geist der Zeit nicht liebhaben. Das Wesentliche der Romantik ist Innerlichkeit und Sehnsucht nach dem Unendlichen. Auch ein christlicher Künstler soll Himmelsbürger sein.
13.9.
Jeremia: „Nie saß ich fröhlich im Kreis der Scherzenden; von Deiner Hand gebeugt, saß ich einsam; denn mit Grimm hast du mich erfüllt. Warum ward mein Schmerz denn ewig, ward meine Wunde unheilbar und will nicht gesunden? Wie ein Trugbach wardst du mir, wie ein Wasser, auf daß kein Verlaß ist.“ (Jer. 15; 17,18)
Schneider war den Protestanten zu katholisch, den Katholiken nicht katholisch genug, den Andern zu christlich. Am Ende seines Lebens fügte er sich nicht mehr in tradierte Glaubens-Denkmuster. Sein Begriff des Tragischen hieß, der Mensch sei bestimmt, sich im Leiden zu bewähren, er solle sein Schicksal annehmen, um frei zu werden. Die Tragik des Christen ist das Vertreten der Wahrheit, die auf Erden als etwas Zerbrochenes erscheint, von der Welt abgelehnt wird. Schneider als „geborener Selbstmörder“, Klepper als „Selbstmörder wider Willen“. Im Drama personifizierte Laster, das Gefängnis der Leiden und die Rettung durch Buße und Gnade. Die „Wiederkehr des Immergleichen“ in der Ge-schichte macht historische und doch auch aktuelle Werke möglich. Er war Monarchist. Er wollte aber das Gottesreich anstelle des Weltreiches. Der alte Schneider, wie Johannes vom Kreuz, glaubte, als er glaubte, nicht mehr zu glauben: „Gefordert wird von uns über die Kraft, der felsenfeste Glaube, daß durch die Untergänge hindurch der Weg des Heiles führt, der Heimweg.“ Glauben über den Glauben hinaus. Die Christenheit versagte in Liebe und Gerechtigkeit. Daß die Wahrheit eines Lebens hervorleuchten kann, muß das Leben viel-leicht gar zerbrochen werden. Daß Christus in mir Gestalt gewinne, muß ich gekreuzigt werden. Schneider war einsamer Christ, Einzelgänger. Er schrieb kurz vor seinem Tode, um der Wahrheit willen sei es besser, mit einer brennenden Frage im Herzen zu sterben, als mit einem nicht mehr ganz ehrlichen Glauben. Anteil an Christi Verlassenheit. Leid ist Anteil am Kreuz Christi, kann aber auch Versuchung zum Unglauben sein. Er war Asket, nicht Zelot. Er hatte Toleranz ohne Indifferenz. Fatalität der Geburt: Schwermut, Existenz-angst, Hang zur Einsamkeit. Schopenhauer, Leben ist Leiden. Nietzsches Rausch. Musik der Deutschen als Todesrausch. Entscheidende Begegnung mit Kierkegaard, dieser: „O Tod, ich glaube, man tut dir Unrecht. Welche Bedeutung kannst du nicht dem Leben ge-ben!“ Schwermut wird Passion. Kierkegaard: „Die Situation der Gleichzeitigkeit mit Chris-tus, das allein ist Existenz.“ Schneider: „Es ist das Paradox der Botschaft, daß wir in einem gewissen Sinne krank sein müssen, weil Er sonst nicht zu uns kommt.“ In der absurden Leere des Atomzeitalters erlitt er seine letzte Anfechtung, Hoffnungslosigkeit und Klein-glaube. Er erbat ewigen Schlaf unterm Kreuz, ohne Hoffnung der Auferstehung, verharrte dennoch im Gebet. „In aller Religion ist die Sehnsucht nach dem Leidenden Gott, dem Bruder in Schmerzensgefangenschaft, ein Trost. Der Mitleidende ist uns deshalb auf Erden hilfreicher als der Auferstandene. Krankheit ist eine Gabe, eine Gnade, Anteil am stellver-tretenden Leiden Christi.“ Es ist falsch, die Tragik ins Heidentum zu verweisen. Einmal trifft der Weg eines jeden auf den Kreuzweg des Herrn. „Es gibt eine Stelle ohne Trost. Wir müssen aushalten, wenn wir sie erreicht haben. Näher als hier können wir dem Kreuz nicht sein.“ - „Der Schmerz über die göttliche Liebe, die nicht hilft, ist der schrecklichste der Kreuzigung.“ Selbsthingabe in der Agonie, im Bewußtsein des unbegreiflichen Gottes. Schneider über Camoes: „...ein Leiden, aber auch ein Leiden-Wollen“, unergründlichen Schmerz erfährt er frühzeitig von der Qual der Liebe, aber „gerade Qual wird in der Liebe gesucht“. Camoes Geliebte als menschliche Bestie...
Das Thema der Todesahnung unter der Wolke der Schwermut: Kleist, Schopenhauer, Wagner, Nietzsche, Thomas Mann, Hesse, Schneider. Untergang im Leben, Vollendung im Werk. Konflikt der Vorstellung mit dem Willen, der Form mit dem Leben, des Dichters mit der „menschlichen Bestie und dem Meer“. Den Untergang durch Annahme überwin-den. Die Vernichtung gebiert durch den Dichter das Werk, das idealisiertes Leben ist. Das Leben wird im Dichter vernichtet, daraus entsteht die Formung idealisierten Lebens; das ist Dialektik. Schneider konnte nur in Bildern und Schicksalen denken, nicht in abstrakt-rationalen Theoremen. Natur, Rausch, Trieb und Macht (Wille) auf der einen, Geist und Ohnmacht (Vorstellung) auf der anderen Seite: idealistische Metaphysik. Augustinisches Entweder-Oder: Gottesstaat oder irdische Macht unter der Herrschaft des Teufels. Schnei-der stellt Elend, Tod, Verfall, Besessenheit, Untergang Einzelner und ganzer Völker aus-führlich dar. Barocke Gruftstimmung. Die Geschichte sei „sehr reich an Bildern, die mit den Mitteln irdischer Wirklichkeit die jenseitige ausdrücken und den Gehalt einer Epoche in ihrer Beziehung zur Ewigkeit ausdrücken.“ Dichter sind geschichtliche Figuren, Vorbil-der, sie tragen das Stigma der Selbstaufopferung für Werk und Auftrag auf der Stirn. „Dichter kommen entweder zu früh oder zu spät; vorzubereiten, was kommen soll, oder in die Dauer zu erheben, was vergänglich oder vielleicht schon vergangen ist.“ Ich bin ein zu Spätgekommener. Die Romantiker waren ebensolche. „In der Prägung und verpflichtenden Darstellung, nicht in der Erfindung des noch nie Dagewesenen besteht die schöpferische Tat.“ Schneider kritisierte an der deutschen Klassik und Romantik die Flucht vor der ge-schichtlichen Stunde in den reinen Geist. Auch ich fliehe vor dem Geist der Weltzeit in den Traum des Heiligen Geistes in meiner Seele.
Wollust, Wahn und Tod! gewaltige Urtriebe, vielleicht dämonisch, beherrschen mein Denken. Licht, Liebe, Güte, Vernunft und Geist sind nicht in Sicht. Gott ist fern, ich bin allein. Eine Szene an Hiob und Lilith wühlte mich sehr auf, es ist ein mich sehr anstren-gender dionysischer Tanz vom Untergang und der zerstörenden Wollust.
Salomo vereinigt die Schwermut (Prediger) und die Lust (Hoheslied). Das wäre ein inte-ressanter Stoff, diese Mischung aus melancholischer Weisheit und Genuß der Liebe eines Weibes. Wollust der Verzweiflung, Todes-Lust!
Gedanken beim Wodka: Goethe kannte Leiden am Geist in Iphigenie und Tasso, dann wandte er sich der Lust an Faustine zu. Ich hasse den politisch-katholischen und den fun-damentalistisch-charismatischen Triumphalismus. Christentum besteht im Leiden. Gegen die Absurdität Gottes steht nur das Kreuz Christi. Ich finde Christus in der Vergangenheit am Kreuz, in der Zukunft im Paradies, aber nicht (mehr) in der Gegenwart. Die Moralität des Christentums und die Liebe Gottes gingen mir fort, aber das Kreuz Christi steht mitten in meinem Leben. Ich bin ein nordischer, deutscher, friesischer Typus, aber nicht mir zum Genuß, sondern es ist mein Kreuz. Das Paradies ist im Südland, sinnlich und sonnig. Ein-samkeit ist mir ekelhaft. Ich will mich an geistreichen Gesprächen berauschen. Habe Sehn-sucht nach zügelloser Lust.
„Ich glaube langsam, die Menschen verlieben sich, um unglücklich zu werden.“
„Er läßt mich nicht Atem schöpfen, sondern sättigt mich mit Bitternis.“ (Hiob)
14.9.
Die Frauen wissen von ihrer Schönheit, üben damit tyrannische Macht über die Männer aus, sie sind menschliche Bestien, she-demons, Lilim.
„Mich ekelt mein Leben.“ Hiob. Eliphas von Teman sagt zu Hiob: „Siehe, du hast viele unterwiesen und matte Hände gestärkt; deine Rede hat die Strauchelnden aufgerichtet, und die bebenden Knie hast du gekräftigt. Nun es aber an dich kommt, wirst du weich, und nun es dich trifft, erschrickst du!“ Wer hilft mir, wenn ich ertrinke?
Wer in die Nachfolge Christi tritt, wird mehr als vorher leiden, aber er erfährt auch die Gnade, die sein Leben in ein Opfer verwandelt. Das Gottesbild zerbricht, aber Gnade be-deutet, daß es Schneider auch als zerbrochenes weiter in Anspruch nimmt. In dem Tragi-schen sieht er das Geheimnis des ganzen zeitlich-historischen Lebens. Er betont, daß man es nicht genau definieren kann, sucht es aber trotzdem immer wieder zu beschreiben und zu bestimmen. Er findet den Inhalt des Tragischen in der Literatur, die den Namen Tragödie trägt. Das Tragische bedeutet für ihn, daß die Lage des Menschen hoffnungslos ist, daß die Ewigkeit mit dem Zeitlichen in Widerstreit steht, daß durch das Leben ein Bruch geht, daß aber dennoch ein transzendentes Licht auf den Weg des Menschen beim Sturz in die Tiefe fällt. Die Welt ist ein zerknicktes Rohr, das ist das Zeugnis aller abendländischen Tragö-dien. Gegen den billigen Optimismus, dem Nihilismus und dem Absurden nahe, dialek-tisch denkend. Mystisch, prophetisch, utopisch. Im Tragischen handelt es sich um Leiden, Unglück, Widerspruch. Man wird sich des Leidens bewußt und sucht eine Antwort. Man findet auf das Leiden keine wahre Antwort. Das Einzelschicksal wird transzendent für das Leiden der Menschheit. Das Tragische ist ein allgemeinmenschliches Gesetz und unabhän-gig vom Glauben. Schopenhauers und Buddhas „Leben ist Leiden“. Das Bild eines Men-schen, dessen Schicksal es ist, sich im Leiden zu bewähren. Antike Antworten: sich gegen sein Schicksal auflehnen oder es annehmen. Widerspruch von Notwendigkeit und Freiheit. Notwendigkeit ist objektive Wirklichkeit, Freiheit ist die subjektive Stellungnahme dazu. Trotz der Annahme des Schicksals bleibt der Widerspruch zwischen Notwendigkeit und Freiheit. Es gibt keine Auflösung. Eine letzte Antwort wird nicht gefunden. (Auch in Hiob nicht.) Im Tragischen liegt eine Tendenz zum Kreuz. Das „glückliche Ende“ hebt nicht unbedingt das Tragische auf (Ödipus auf Kolonos.) Im Zentrum des christlichen Glaubens steht das Kreuz. Das Schicksal des Christen verwirklicht sich im Dunklen. Die Größe des Christen zeigt sich im Leiden. Das ist auch die Idee des „russischen Christus“. Die Idee will sich in der Existenz verwirklichen und geht in ihr unter, das Heilige wird auf Erden zerbrochen.
Ich bin wie ein Panther im Käfig gefangen. Niemand ist da für mich, ich bin ganz allein, ohne Gott, dem Absurden und der Verzweiflung ausgeliefert, ohne Trost der Religion.
Pascal: Es gibt nur ein Glück auf Erden, das ist die Hoffnung auf das ewige Leben! Die Antike: Wen die Götter lieben, den lassen sie jung sterben! Jeremia: Ach wär ich im Schoß meiner Mutter geblieben! Nietzsche: „Ich liebe die, die nicht mehr zu leben wissen, es sei denn als Untergehende...“
Wo ist Gott in dieser großen Trübsal? Ist er mit mir? wie? leidet er mit? oder beobachtet er und wartet ab? Ach Christus an seinem Kreuz hatte ebensoviele Fragen! Er sagte nicht: Gott, du hast mich verlassen, weil ich zur Erlösung für viele zur Sünde und zum Fluch ge-macht werden mußte! sondern schrie: Mein Gott, warum, warum hast du mich verlassen? Christus existiert für mich nur noch am Kreuz, in seiner Gottverlassenheit. Aber es gibt für mich keinen triumphierenden Christus auf dem Thron, der mächtig mir beisteht. Meine Sehnsucht ist nicht nach einem Paradies, das wir uns nur irdisch vorstellen können mit Li-lienwiesen, schöner Stadt, gesungenem Lobpreis, Gespräch mit dem Menschensohn; son-dern meine Sehnsucht ist das Nichtmehrsein, das Erlöschen aller Leiden, ewige Ruhe! In einem Tagtraum sah ich ein leeres Kreuz, aus hartem Holz gezimmert: Christi Kreuz oder meines? Gott hilft mir nicht tragen. Die Frömmigkeit der glückseligen Christenheit gibt mir weder Trost noch Kraft. Ich muß das Kreuz tragen, Elend bejahen, aber es ist mir zu schwer, das Kreuz der Einsamkeit, ich strauchle und falle weinend zu Boden. Wie Maria am Kreuzweg sagte: Sehet, ob jemand solche Schmerzen kennt, wie ich erleiden muß! Ich kann nicht um Hilfe beten, weil ich nicht wirklich glaube, daß Gott lebt, für mich ist, Gebet erhört. Er ist ein Gott an sich, aber nicht für mich in dieser Stunde. Er war für mich am Kreuz in Christus, damals starb er meinen ewigen Tod, daß ich vor der Hölle bewahrt wer-de. Aber ist dies nicht die Hölle, diese Gottesferne? Wehe mir, ich elendster aller Men-schen!
Eine wies auf die Biographie Joni Tadas hin, daß Gott gerade den Leidenden helfen kön-ne, daß gerade die Leidenden Erkenntnisse gewinnen könnten, die den Satten und Zufrie-denen versagt blieben. Wenn ich wieder an die Gegenwart Gottes glauben könnte! Ich bete einzig das Vaterunser oder „Vater, ich lege meinen Geist in deine Hände!“ Mehr nicht.
15.9.
Will nur den müden romantischen Schlummer von Godwi auf meine noch vom gestrigen Leid wunde, kranke Seele wie Mondenbalsam wirken lassen.
„Aber was ist das für ein Leben: ganz allein in einem fremden Land!“
Ich bin kein großartiger Erfinder, ich schreibe Seelenbekenntnisse wie die empfindamen Pietisten und Hesse, auch der Godwi ist weitgehend autobiographisch. Brentano war in seinen jungen Jahren hin- und her-gerissen zwischen Venus- und Marien-Dienst, hoher und niederer Minne. Brentano entschied sich in späteren Jahren für einen streng-asketischen, büßerischen Mariendienst.
16.9.
Träumte, daß mir jemand in eine Kirchengemeinde ein hebräisches Altes Testament mit-brächte, plötzlich war es ein englischer Psalter mit weiteren geistlichen Liedern. Als ich es aufschlug, sah ich einen Film über Jesus, wie er mit 12 Jahren versuchte, einen Fisch zu fangen. Dann sah ich Maria auf einem Maultier reitend, sie hatte einen langen Rock an, aber ein bloßes Knie schaute hervor. Hinter mir in der Kirchenbank flüsterte eine polnische Alte ein Ave Maria.
Die Rückkehr zur Arbeit als Ersatz für das Glück ist das Prinzip des Genies, sagt Tho-mas Mann.
Daß ich unter Leonardos Abendmahl die Sixtinische Madonna und die Venus von Urbi-no hängen habe, zeigt das Nebeneinander von Venus- und Mariendienst. Es ist der tragi-sche Widerspruch von Reiz und Reinheit, Askese und Lust, Geist und Fleisch, Genuß und Entsagung. Ein Prinzip treibt mich immer zum andern.
„Wenn du in den Nächten einsam bist, dann ist da Einer, der dich liebt...“ Aber was ist das für eine Liebe? Vor zweitausend Jahren schrieb der Heilige Geist ein Buch, seitdem schweigt Gott. Auf Golgatha erwies er seine Liebe, seitdem erweist er sie nicht mehr. Wo redet denn Gott? wo ist er denn zärtlich? Sind nicht die Gebete Monologe? Er flüstert nicht in die Seele. Soll er durch die Ratschläge der Brüder reden? Die tappen doch genauso im Dunkeln und sind meistens nicht einfühlsamer als Hiobs Freunde. Und ob sich „Türen auf-tun“, nun, die tun sich den Gottlosen auch auf, oft viel weiter. Es ist wirklich ein Tal der Fisnternis, durch das ich ermattet wandere, aber mein Vertrauen auf die Führung des guten Hirten ist geschwunden. Soll ich beten, wenn ich nichts ans Gebet glaube? Soll ich glau-ben, wenn ich nicht glaube? Wie kann man glauben ohne Glauben? Ja, Christus litt die Gottverlassenheit am Kreuz. Er war einst auf der Erde und hat geweint. Meine Wohnung wollte ich das Golgatha-Haus nennen, hier werde ich in den kommenden Jahren meine Passion erleben. Es gibt keine Hilfe, außer Gott wendet mir wieder sein Angesicht zu und seine schreckliche Hand läßt von mir ab! Ich trinke das Wasser von Mara, möge Gott mich bald in Elim erquicken! Vielleicht gibt es auf Erden kein Elim, sondern erst in der Ruhe der Toten unter dem Kreuz von Golgatha?
Goethe schreibt über Petrarca, dessen Liebe war ein „ewiger Karfreitag“, Goethe wollte aber einen ewigen Maitag, pfingstliche Freude.
Es ist eine Verzweiflung wie Elia sie nach der großen Gotteserfahrung hatte. Man kann nichts tun, man muß auf Gott harren.
18.9
Der hohe Minnesang entstand als säkularisierter Mariendienst. Ich habe eigentlich auch keine Marienreligion (ich hätte sie gerne), aber Maria als Idee, als Ideal, als Vorbild einer Heiligen kommt in meiner Poesie vor.
Kein Trost der Religion. Es gibt ein von Gott gesichertes Fundament des Glaubens, aber mein darauf gebautes Haus des Glaubens ist nur noch eine Ruine. Weder Hiob tröstet noch ein marianisches Gebet, zu dem mir der rechte Glaube fehlt. An dem Herzen einer warmen liebenden Frau wollte ich Trost finden, aber Gott mutet mir Entbehrung zu. Die moralische Rigorosität der Evangelikalen wie der Katholiken schreckt mich nihilistisch-dionysischen, wilden Kreuzgläubigen ab. Es gibt keine menschliche Hilfe, außer Gott erbarmt sich wie-der. Einzig eine endlose Liebesumarmung der Geliebten könnte meinen Schmerz lindern.
Brentano: „... vom Himmel kömmt nur Begierde, und zwar die unendliche Begierde, die auf Erden keine Hülfe, keinen Frieden findet. Wer das Haupt im Himmel trägt, dem ver-welkt das Herz in der drückenden, niederen Sphäre.“
20.9.
Für mich hat „Ehe“ einfach einen faden Klang.- Die Katholiken sind ebensolche Puritaner wie die Evangelikalen. Die liberalen Evangelischen sind freier gesonnen, aber dafür auch Synkretisten. Ich bin skeptisch gegenüber allen christlichen Konfessionen. Ich bin ein chri-stologischer Freigeist, ein Dionysos am Kreuz. Daß die Christen aber auch immer so bür-gerlich sein müssen, solche Moralapostel und Anstandsdamen! Novizin und Fundamenta-list werden mich nicht verstehen können. „Puritaner“ ist mein Schimpfwort und „Philister“. Wie, wo, wann, mit wem kann ich endlich das Fest der Wollust feiern?
Brentano: „Oh, es ist ein großer Unterschied zwischen dem Traum der Liebe und der Liebe des Traumes!“
Ich weiß nicht, was ich nach Godwi noch lesen könnte. Will noch einmal etwas wie den Godwi lesen: erotisch und christlich, ästhetisch-immoralisch und tief, genialisch und katho-lisch. Ich bin begierig nach Erotik, aber mit Religion.
Interessant der Doppelsinn der antiken Elegie: Klagelied und buhlerisches Lied. Was sagt Platon über den Eros? Diotima nennt ihn einen Dämon. Die Alten nannten ihn Ältes-ten der Götter, später ward er der Knabe, der blinde Gott. Die Liebe und die Gerechtigkeit sind den Römern beide blind, die beiden scheinbar widersprüchlichen Wesenszüge Gottes, des Gottes, der mich sieht. Einer sagte, Eros lebt von schönen Gefühlen, die schöne Ge-danken hervorbringen und diese schöne Taten; Agape lebe von schönen Gedanken, die gute Taten zeugen, diese wiederum gute Gefühle. Das Wort Eros kommt im Neuen Testa-ment nicht vor, aber Eros ist der schrecklichste und gewaltigste der Götter! Die Leiden-schaft ist hart wie die Hölle, unwiderstehlich wie das Totenreich! Eros ist ein Daimonium, also der gute Geist, der Sokraktes inspirierte.
21.9.
Schneider: „Gott ruft, und der Mensch soll antworten. Aber er versteht im besten Falle das an ihn ergangene Wort, nicht Gottes Plan. Er sollte einsehen, daß an einen Andern ein an-deres Wort ergehen kann und es achten.“ Auch Schneider sagt, in ihm tobe der Dreißigjäh-rige Krieg. Er wäre zwar katholisch, könne aber die Evangelischen nicht widerlegen und verstehe sie nur zu gut.“ - „Ich halte die Neigung zum Selbstmord für eine angeborene Ver-suchung, ein nicht lösbares Problem... Wie ist es mit denen bestellt, die Dissonanz sein sollen in der unhörbaren Symphonie?“ - „Die innere Verwundung, die er ((der Selbstmord-versuch)) zurückläßt, vernarbt nicht. Wer sich auf solche Weise einmal von Welt und Men-schen geschieden hat, wird sich nie mehr in ungeteilter Gegenwart an ihren Tisch setzen.“ - „Es kann sein, daß das Leben zerstört wird aus der Sehnsucht nach einem Übermaß an Le-ben; aber ebensowohl aus wahrhaftiger Sehnsucht nach Schlaf...“ - Über Camoes: „Das Tödliche der Leidenschaft, die vernichtende Betörung, die Dämonie der Liebe, das Glück ihrer Selbstzerstörung und denTriumph ihres Leidens, ihre absolute Unstillbarkeit hat er mit solcher Macht des Klanges ausgesagt, daß nach ihm kaum etwas zu sagen bleibt. Er hat sie bis ins Mythische gesteigert... Die Geliebte ist zugleich Beatrice und wildes Tier und wieder Mutter: menschliche Bestie.“ Camoes konnte sich nicht losreißen von den Göttern, er suchte sie ins Christliche zu retten.
Tizians Bild „Himmlische und irdische Liebe“, eine sittsam bekleidete Tugendfrau und eine reizend Nackte, welche Liebe ist irdisch und welche himmlisch? Die Bekleidete soll himmlisch sein und die Nackte irdisch? Tizian scheint es umgekehrt auszulegen: die Be-kleidete ist bodenständig, die Nackte scheint stürmisch in den Himmel zu fliegen. Nackt-heit der biblischen Eva im Paradies, Linnenkleider im Neuen Jerusalem? Scham über die Nacktheit in der Sündenzeit.
„Wenn sie lachte, war es nicht laut, es war vielmehr ein sanftes gedämpftes Girren“.
Bettine: Schönheit ist göttlicher Geist im Mutterschoß der Natur gezeugt. Erkenntnis ist die Schönheit des Geistes, höher als leibliche Schönheit.
22.9.
Idee, den südliche Katholizismus mit der griechischen Mythologie zu vergleichen, sinnli-che Ausformung der Religion, kunstnaher Kultus, menschliche Heilige, schöne Madonna; den nördlichen Protestantismus mit der germanischen, in einsamen, abstrakten, geistigen Welten etwas gestaltlos verschwindend. Ist es Schicksal und Bestimmung, Protestant zu sein, hat Gott mich zu einem solchen gemacht? oder ist es meine menschliche Entschei-dung gewesen? Ich würde gern an Maria und die Heiligen, die Eucharistie und die Tauf-wiedergeburt glauben. Wenn ich zu Maria bete, ist es Sünde, weil es nicht aus Glauben des Geistes, sondern aus einem Wunsch der Seele geschähe.
23.9.
Ihrem beharrlichem Nein verdank ich die Theologie der Schwermut und die neue Nähe zum Kreuz. Alle Dinge müssen dem, der glaubt, zum Besten dienen. Ich finde soviel Frie-den in der Heiligen Messe, da ist mir der Streit der Theologen gleichgültig. Ich will aber auch das Blut Christi trinken. Ich betete zur heiligen Mutter Maria das Salve Regina frag-mentarisch: Wende deine barmherzigen Augen mir in diesem Elend und Tal der Tränen zu und bitte Jesus, meinen Herrn, um Trost und Kraft und Barmherzigkeit für meine Seele. Dies Gebet stieg aus meinem Gefühl, nicht aus meinem protestantischen Verstand.
24.9.
Wieviel Klage und Jammer ist in der Bibel, besonders im Alten Testament, wieviel Zerstö-rung (durch die Sünde), wieviel Gewalt der Feinde und Klage über das Glück der Gottlo-sen! Der Sündenfall, Sodom und Gomorrha, die Sintflut, der Turm zu Babel, Ägypten, die Wüste, Sauls Wahnsinn, Davids Klagelieder, der Prediger Salomo, Hiobs Elend, die Klage-lieder Jeremias und seine Prophezeiungen, das Leid des Elia, die Verzweiflung des Jona, der Gottesknecht in Jesaja. Dagegen nur die Idylle des Hohenliedes und die Halleluja-Psalmen. Im Neuen Testament wird von Christi Tränen geschrieben, nicht von seinem La-chen. Paulus: Ach ich elender Mensch! In der Apokalypse breit gemalt das Gericht, am Ende nur kurz angedeutet das Neue Jerusalem. So auch in meiner Poesie Hauptgewicht auf dem Elegischen, dem tragischen Ton.
Gott „hat mich geführt und gehen lassen in die Finsternis und nicht ins Licht... Er hat mich ringsum eingeschlossen und mich mit Bitternis und Mühsal umgeben... Und wenn ich auch schreie und rufe, so stopft er sich die Ohren zu vor meinem Gebet... Er hat mich mit Bitterkeit gesättigt und mit Wermut getränkt... Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des Herrn hoffen. Es ist ein köstlich Ding für einen Mann, daß er das Joch in seiner Jugend trage. Er sitze einsam und schweige, wenn Gott es ihm auferlegt, und stecke seinen Mund in den Staub; vielleicht ist noch Hoffnung.“ (Jeremias Klagelieder.)
25.9.
Gregor der Große: Einem dunklen Gemüt kann nur durch den Anblick des Leidens gehol-fen werden. Tauler: „Wohin Gott durch das Leiden mit dem Menschen wolle, dahin folge er Gott und ergebe sich in seinen göttlichen Willen.“
Eigentlich hätte ich gern einen katholischen Glauben wie Augustinus, Franziskus, Mechthild, Pascal, Schneider, aber ich finde die rationalen Argumente des Protestantismus nicht erschütterbar. Mein Herz hat Sehnsucht nach dem Sakrament und der Heiligen Jung-frau. Maria, ora pro nobis.
27.9.
Ging um 2 Uhr nachts ans Meer von Baltrum, gewaltiges Donnern der Wogen, schöner Sternenhimmel, dunkle Erinnerungen an die Gräser und Wege der Kindheit (einer heilen Kindheit). Ruhiges Gebet: Ich fand bei Gott nicht Glück, sondern Tragik: einen Hang zum Dunklen und zum Tod. Als die Laternen erloschen, überkam mich Furcht. Ich bejahe meine Lebensgeschichte, denn sie führte mich dahin, wo ich jetzt bin: nicht zu Müßiggang, son-dern an ein tragisches Leben und tiefes Ja zum Kreuz, mit der Hoffnung und Gewißheit der Ewigkeit. O Ewigkeit, du Donnerwort!
30.9.
Bettine auch und Schneider auch sprechen vom antiken Daimonium: die Zerrissenheit des Menschen kommt von seiner Sünde gegen sein innewohnendes Daimonium. Schneider: „Ohne Todessucht keine Magie.“ Ich laß mich nicht mehr therapieren: Todessucht, Ro-manzensucht, Idealisierung, Kindlichkeit, Eskapismus, erotisches Getriebensein: das bin ich.
Mönche, Eremiten, Poeten und Seelenkranke sind Höhlenexistenzen. Will über die Hei-ligen schreiben, wenn ich zu ihnen gefunden habe: Wüstenväter, Säulenheilige, Maria Ä-gyptiaca, Antonius, Agnes in Rom, Katharina von Alexandrien, Bonifazius, ganz katho-lisch, mystisch. Ich könnte einmal ein Romänchen über Maria Ägyptiaca schreiben.
Ich bin maßlos in den Gefühlen. Baltrum war mir heute das Paradies auf Erden, morgen mein tragisches Schicksal und Passionsdrama. Die ganze Heilsgeschichte von Eden zum Kreuz lag darin, aber Ostern und Jerusalem sind nicht in Sicht.
Die schöne Fähigkeit zum hohen Traum und die Unfähigkeit, ihn zu verwirklichen.
Schneider: „In jeder Inspiration jubelt, verführt uns der Tod.“ Nihilismus, Dekadenz, sie kommen wieder nach diesem Elysium der Südlichen Nordsee. Gibt es nicht unbelehrbare Tiere, die den gleichen verhängnisvollen Fehler immer wieder begehen? So geht es mir mit der Geliebten. Die klugen Ratgeber können mich nicht dressieren und dadurch vor dem Unheil schützen. Nur gehe ich, anders als die Tiere, sehendes Auge auf das Schwarze Loch zu.
Zwischen Jugendkraft und Altersweisheit.
1.10.
Der Mensch ist für die „niedere Minne“ geschaffen, für die Ehe. Die „hohe Minne“ ist nur säkularisierter Mariendienst. Vielleicht sollte der religiös begangen sein, ich bin unsicher. In der letzten Nacht auf Baltrum betete ich einen frei improvisierten Rosenkranz mit Beto-nung auf die Gleichgestaltung meines Lebens mit der Gottesgebärerin und dem gekreuzig-ten Sohn Gottes.
Liebe ist der Wunsch nach Überwindung der Einsamkeit. Es gibt schicksalshafte Ein-samkeit und die Einsamkeit des Kreativen, der keinen Kongenialen fand.
3.10.
Myrten im Talgrund, in der Vision Sacharjas, seien im Judentum ein Bild für den Eingang zum Himmel gewesen.
Dachte über die Romantiker nach. Bettine jubelt begeistert (fast wie eine Charismatike-rin) von der Schönheit der Schöpfung und dem Leben im Geist. Sie hat Tiefsinn und Kunstsinn, aber zeigt wenig Sog in die Tiefe. Auch Clemens, den ich liebe, träumt sich eine Welt der Schönheit, eine naive der Märchen, eine erotische in Godwi, eine fromme, aber die ganze Schwermut mit ihrer tödlichen Schwere ist nicht die seine, vielleicht war er hysterischen Temperamentes. Novalis aber, auf ihn trifft Schneiders Wort: „Ohne Todes-sucht keine Magie“. Die Hymnen an die Nacht und die Zauberwelt des Ofterdingen haben etwas Jenseitiges. Er kennt die Todessehnsucht. Er ist mir am nächsten von den Romanti-kern.
Mystik ist die Vergeistigung der kindlichen Sehnsucht nach Symbiose. Ich habe eine christozentrische Mystik des Kreuzes. Symbiose mit dem Gekreuzigten. Ich darf die totale Identität nicht von einer Frau erwarten. Todessehnsucht als Sehnsucht nach Lebensfülle, nach der endlich erreichten völligen Identität mit dem göttlichen Christus, nach vollende-tem Geliebtsein, ohne Mangel, Todessucht ist Paradiessehnsucht. Gott, erbarme dich über meine arme kleine hungrige Seele!
Wenn es keine Symbiose gibt, dann gibt es nur Individualität, Einzelsein, Einsamkeit. Ich suche bei dem einen Menschen den einen, bei dem andern Menschen den andern As-pekt, aber es gibt kein umfassendes Verständnis. Ist „holdes Bescheiden“ das Gebot? Re-signation? O wär ich im Paradies! die Erde ist zu bitter! Die Erde ist ein Planet, da Myrrhe wächst, gebildet aus Galle, schwimmend in Essig, mit einem Kreuz darauf mitten in der Wüste!
Ich fühle mich so: wie ein Ertrinkender, das Treibmoor zieht hinunter. Psalm: Die Was-ser gehen mir an die Kehle! Kein Mensch kann mich retten, Christus hält mich immer ge-rade mit der Nase über der Wasseroberfläche, daß ich nicht sterbe. Das Leben ist am Mar-terpfahl, die Indianer peinigen so, daß man leidet, aber eben nicht stirbt. Gott ist nicht gnä-dig genug, seine Gnade und Güte wäre mein Tod.
Mein eigenes Leben ist mir ein Rätsel. Wie sollte mir Gottes Wesen nicht ein noch viel größeres Rätsel sein? Wir haben aus seiner Hand das Gute empfangen, sollten wir nun nicht auch das Böse empfangen? Gott ist gütig und schrecklich zugleich.
4.10.
Der Begriff „Sünde“ ist mir seltsam fremd geworden. Schneider schlägt „Heimsuchung“ vor.
Es gibt eine innere Einsamkeit, die man zu den Menschen mitnimmt. Die Menschen be-rühren nur die Peripherie meiner Seele, ergreifen von ihr nicht den Kern. Wenn ich sagte von der „Peinigung durch die Krallen der grausamen Einsamkeit“, was ich empfinde, wer von den Heiteren empfände die Worte nicht als übertrieben pathetisch? Pathos heißt doch Leiden, Mit-Leiden. Der Ausdruck für wahres Leiden muß pathetisch sein.
Einer sagt, Kunst sei Kommunikation. Wer meine Poesie liebt, liebt mich. Es gibt keine Kommunikation, däucht mich gerade, es gibt nur Radebrechen der Seele, Stammeln und Stottern und Lispeln des Herzens. Sagt Poesie tiefer das Herz aus als das persönliche Ge-spräch? Dennoch der unstillbare Drang nach Kommunikation. Suche, sich auszudrücken und ein Echo seiner Seele zu finden. Ach wir dialogisieren, als wenn wir monologisierten.
Wer will ihn heben, den Schatz meiner jungen Weisheit? Ich kann nicht verstummen, kann nicht schweigen. Ich will daß ein Mensch mein Tagebuch liest. Ein Mensch muß mich verstehen!
Einheit von Agape und Eros. Agape als der Geist des Eros, Eros ist Fleisch. Fleischwer-dung des Logos. Die Geliebte ist ein verschlossener Lustgarten. Sie gedenkt daran, daß sie sein ist, mit Geist und Seele und Leib, dann gedenkt sie, daß er ihrer ist, er opfert sein Herz, sein Fleisch, gibt ihr seinen Geist hin. Er, der voller Liebe ist, lebt diese Liebe für sie. Er gibt sich ihr hin, sie antwortet hingebungsvoll mit einem tiefen Vertrauen. Sie ist die Schönste unter den Frauen, die Braut ist die Einzige, die er mit der ganzen Fülle seiner Liebe liebt. Sie ist die Vollendung seines Traums. Was er schafft an schönen Werken, ist übertroffen von ihrer Schönheit. Sie ist so schön, weil er sie liebt. Und gäbe es nur sie, und wäre sie mit ihm vereint, so wäre eine neue Welt der Harmonie der Herzen da. Ein Myr-rhebund. Die Myrrhe ist die Bitterkeit, das Leid, das der Bräutigam leiden muß unter der Sonne. Dieses Leiden verkörpert den göttlichen Bund, den er mit ihrem Herzen geschlos-sen hat, denn zwischen ihren Brüsten beherbergt sein heißt, Ruhe zu finden am Herzen der Geliebten, wie sie auch Ruhe findet erst in ihm. Wohl der fruchtbaren Wirklichkeit der Braut, die den Bräutigam mütterlich aufnimmt und ihren Leib ihm als Opfer hingibt. Gab die Narde ihren Duft: ein Bild für schamhaftes Erröten. Die Narde ist eine indische Pflan-ze, die besonders kostbar und besonders wohlriechend ist. All ihren Reichtum an Arom, an Odor des Geistes, gibt sie ihm, von seinem Anschaun erweckt, ja, er weckt den Reichtum ihres Wesen, der ein Wohlgeruch ist dem Liebenden. Dein Name ist wie Balsamen-Salbe: Der Name wird ausdrücklich auf die Salbe gereimt, denn ein Trost ist der Name des Bräu-tigams, denn ein Wohlgeruch ist der Name der Braut. Die Braut heißt nach dem Öl des Lebens. Ihre Seele ist gesalbt mit dem Öle der heiligen Liebe. Deine Augen sind Tauben. Es sind reine Tauben, die gut sind und voller Sanftmut und Frieden. Die Augen sind Tau-ben, weil sie die Liebe so oft angeschaut haben. Sie trinken von den Wassern des Lebens und fließen über davon, darum schimmern sie so von stillem Licht. Tauben sind Liebesvö-gel, ihre Augen als Spiegel der Seele weisen Gestalten wie Engel der Güte auf, lieb und licht und lind.
8.10.
Nachts übersetzte ich am Hohenlied.
9.10.
„Ach daß das Entsagen dem Begehren die Waage hält!“ Bettine.
„...die scheinheiligen, moralischen Tendenzen seh ich so alle zum Teufel gehen mit ih-rem erlogenen Plunder, denn nur die Sinne zeugen in der Kunst wie in der Natur.“ Bettine.
Mein Werk ist ein lebendiger Organismus, ständig aus dem Chaos sich schaffend, vom Geist geordnet und zu festen Formen gestaltet. So entstehen aus Leidenschaften, Leiden, poetischen Instinkten und Glauben Werke, die Bestand haben müssen!
10.10.
„Ach, es ist so schauerlich, mit sich allein sein, in mancher Stunde! Ach, so mancher Ge-danke bedarf des Trostes, den man doch niemand sagen kann, so manche Stimmung, die geradezu ins Ungeheure, Gestaltlose hineinzieht, will verwunden sein.“ Bettine.
Jesus Sirach über die Freunde: Sie sind wie Wein, sie müssen erst alt werden, dann erst sind sie gut. Den neuen soll man nicht zu schnell vertrauen. Manche bestehen nicht in der Not und machen sich lustig über einen Elenden. Man solle keinen alten Freund um eines neuen willen aufgeben.
„Du bist in sie verliebt, Goethe, es hat mir schon lange geahnt, jene Venus ist dem brau-senden Meer deiner Leidenschaften entstiegen, und nachdem sie eine Saat von Tränenper-len ausgesät, da verschwindet sie wieder in überirdischem Glanz. Du bist gewaltig, Du willst, die ganze Welt solle mit dir trauern, und sie gehorcht weinend Deinem Wink.“
Bettine zitiert Beethoven: „Da fühlt man denn wohl, daß ein Ewiges, Unendliches, nie ganz zu Umfassendes in allem Geistigen liege, und obschon ich bei meinen Werken immer die Empfindung des Gelingens habe, so fühle ich einen ewigen Hunger, was mir eben er-schöpft schien, mit dem letzten Paukenschlag... wie ein Kind von neuem anzufangen!“
Du Einzige, die mir den Tod bitter machst!
„Die Kunst ist Heiligung der sinnlichen Natur.“ Geniale Poesie: „Zu solcher Aufgabe gehört nicht Berechnung, sondern vielmehr Leidenschaft, oder vielmehr das Erleiden einer göttlichen Gewalt.“ - „Alle Erzeugnisse der Kunst sind Symbol der Offenbarung.“ - „Die Gabe des Eros ist die einzige genialische Berührung, die den Genius weckt; aber die an-dern, die den Genius in sich entbehren, nennen sie Wahnsinn.“ Bettine.
11.10.
Bettines Buch der Liebe wühlt mich so auf. Ich bin strahlend vor Liebe und süß wie Honig wegen der Goldenen Honigbienenkönigin. Oft war sie mein bitterer Beifuß, nun ist sie meine herrliche Rose. Beifuß-Rose Ai-Wei ist ihr chinesischer Name. Etwas am Hohenlie-de nachgedichtet.
12.10.
Bettines Buch der Liebe ist das schönste, was sie je geschrieben hat. „Ja, die Wehmut ist der Spiegel des Glücks; Du fühlst, Du siehst in ihr ausgesprochen ein Glück, nach dem sie sich sehnt.“ - „Ach und im Glück wieder durch allen Glanz der Freude durchschimmernd diese schmerzliche Wollust. Ja das Glück ist auch der Spiegel dieser aus unergründlichen Tiefen aufsteigenden Wehmut.“ Gott, der „meiner Inbrunst, meiner Sehnsucht kühlenden Balsam zuträufelte, der alles Begehren in geistiges Schauen umwandelte.“
„The night is my companion, the solitude my guide.“
Bettine: „Schönheit erzeugt Begeisterung, aber Begeisterung für Schönheit ist die höchs-te Schönheit selbst. Sie spricht das erhöhte, verklärte Ideal des Geliebten durch sich selbst aus.“
Die Geliebte ist das Dornröschen der Nordsee, ihr Mund ist eine Hagebutte, ihr Leib ein Meer, eine Zitterpappel, ihre Brüste sind Schiffsglocken, ihr Haar ist rauschenden Dünen-gras. - Das Hohelied ist ganz für Sie nachgedichtet. Sie ist so vielfältig, und ich will ihr tausend Hohelieder schreiben.
Bettine: „Vielleicht dringt Gott durch den Geliebten in unser Herz?“ - „Wo ich nicht in Worten liebkosen kann, da verweile ich nicht lange.“
Schneider: „Ach, was soll ein Herz auf der Welt, das schwer ist von Liebe und diese Liebe verschenken möchte und niemanden mehr findet, der sie annimmt!“
14.10.
War in der Heiligen Messe, so schöne Predigt über den Segen einer christlichen Gemein-schaft, in der man seinen Götzen: seinen Reichtum an Eigendrehung loslassen könne und Mensch sein. Es wurde ein Lied von Angelus Silesius vom Kreuztragen gesungen und an-dere Lieder mit süßmelancholischen Melodien. Der taubstumme Bettler, den ich aus der Obdachlosenarbeit der Pfingstgemeinde kenne, gab mir während der Wandlung die Hand, ich freute mich über ihn und gab ihm mein letztes Geld. Ich ging so beseligt und verklärt aus der Messe, die mir immer so gut tut. Mir gingen während der Messe die Parolen durch den Kopf, die Wandlung sei Magie und Zauberei, die Kirche Roms sei heidnisch-okkult oder die größte Sekte der Welt; all das kam mir nur engherzig und lächerlich und sektiere-risch vor. Mich berührt der Katholizismus mit seiner schönen Frömmigkeit.
Fragt ein Jud einen andern in Amerika: Na, bist happy? - Jo, happy bin ich schon, aber nicht glücklich.
15.10.
Lied der Lieder zuende nachgedichtet. Möchte auch den Prediger nachdichten: Sinnlosig-keit der Sinnlosigkeiten, alles ist sinnlos, sagt der Prediger.
16.10.
„The Lord is the only way for you to stop the hurt.“
Das schöne Buch Jesus Sirach gelesen, besonders schöne darin das Hohelied der Weis-heit, so schön wie die Vermählung Salomos mit der Weisheit in der Weisheit Salomos. Ich weiß nicht ob Jesus Sirach Gottes Wort ist, die Katholiken sagen ja, die Protestanten nein.
Hesses Siddharta angefangen. Jesus Sirach und Prediger Salomo wecken eine Sehnsucht nach der Weisheit in mir. Schneider spricht von Jugendkraft und Altersweisheit. Noch do-miniert bei mir die Jugendkraft, die sich in der Begeisterung erotischer Leidenschaft äußert. Ehrfurcht vor Gott ist der Anfang in der Weisheit, aber wie wächst man in der Weisheit? Es gibt ein Charisma der Weisheit. Übers Leid kann ich weise reden, aber gerade in der Liebe bin ich meistens töricht und die wilden Leidenschaften lassen mich fast die Ehrfurcht vor Gott vergessen. Ach ich armer Tor, wann werd ich endlich weise? Brecht sehnte sich nach Weisheit und Freundlichkeit und Güte. Konfuzius und Lao Tse waren weise und Pla-ton und Sokrates. Schneider war weise. Gott, ich bitte dich, wenn du mich noch viele Jahre auf der Erde leben lassen willst (was ich gar nicht hoffe), dann mach mir Reife und Alter sinnvoll durch das Charisma der Weisheit. Ich bin der törichten Leidenschaften überdrüs-sig.
17.10
Fing an, den Qoheleth nachzudichten. „Haschen nach Wind“ heißt „Verdruß des Geistes“! - Ich liebe in der Kirche das Bekreuzigen mit Weihwasser, das Bekreuzigen von Stirn und Mund und Herz, kneite vor dem Schrein, dem „Christus von Osternburg“. Ich dachte an die Zeit von 93 und 94, als ich glaubte und Katholik war und kein Streit meines Geistes die Seele störte, ich glaubte naiv wie ein Kind, das war schön. Glauben heißt nicht Wissen und Verstehen, Glauben heißt wie ein Kind vertrauen auf die Güte und Allmacht Gottes.
Ich klagte Einem die Sinnlosigkeit meines Dichtens, da es keiner liest. Nein, sagte er, es sei Gotteslob und darum sinnvoll, auch wenn es keiner kennt als Gott. Die Werke des Lichts werden von der Welt nicht geliebt.
Mein Hoheslied ist schöner als Luther seins.
Das erste Kapitel des Predigers fertig. Ich sehne mich nach der Weisheit, wie sie sich Jesus Sirach und Salomo gab, aber je mehr Weisheit, desto mehr Leiden. - Auch die Klage-lieder Jeremias will ich übersetzen. Der Hiob ist leider so unendlich lang, aber es wäre eine gewaltige Arbeit. Ich bräuchte eine große Gemütsruhe und viel Arbeistsamkeit, ich weiß nicht ob ich das leisten kann.
Okzident und Orient. Klopstock findet orientalische Poesie zu bilderreich. Ein Theologe fand das Hohelied schwülstig: Gotteslästerung ist das! Die persische Poesie (Madschnun und Leilah), die indische Liebeslyrik, das biblische Hohelied sind blumig. Ich bin offen-sichtlich ein orientalischer Dichter. Novalis in seinen Hymnen an die Nacht, Jean Paul in seinen ekstatischen Hymnen sind blumig. Ich neige zur Romantik, weil sie das Gefühl ver-herrlicht. Ich mochte die Vergeistigung der Natur bei Bettine, bin aber kein Naturphilo-soph. Ich gebrauche viele Naturbilder, um Menschliches oder Heiliges auszudrücken. Für mich ist die Geliebte die ganze Natur. Mangofrüchte sind nichts als ein Bild für ihre Brüs-te. Ich träumte von ihrer Scham als von einer Lilienblüte. Sie ist Meer und Muschel, sie ist ein Paradiesgarten. Die Tiere, denen Adam in Eden Namen gab, waren alle Aspekte und Vorschatten Evas. Das ist, glaube ich, das Renaissance-Konzept der Natur: Vermenschli-chung. CS Lewis sagt zur Naturliebe: Die Natur gibt ein Bild von Herrlichkeit, die zum Bilde wird für Gottes Herrlichkeit. Aber die Natur selbst lehrt nichts über Gott und den Menschen, sondern jeder Mensch legt seinen Geist und seine Seele in die Natur. Andrer-seits, wer den Gott der Bibel erkannt, sollte der nicht auch sein Abbild in der Natur finden? Nicht umsonst gibt es Vegetationsgötter wie Adonis, die Vorschatten waren des Adonai Jesus. Es gibt Passionsblumen, Passionsfrüchte, Salomosiegel, Mariengras. Es gibt die A-gonie des Sonnenuntergangs und die Auferstehung des Morgensterns. Es gibt Gott, den Felsen, der mitten im Meer der tobenden Völker steht. Schnee ist sein Gewand. Die zwölf Sternbilder sind Israels Krone (oder Marias), die Sonne ihr Gewand, die Mondsichel ist die Muschel, auf der sie daherfährt. Das Evangelium ist eine Perle. Menschen sind Gott wert-voller als Sperlinge und Lilien. Seid arglos wie Tauben und klug wie Schlangen. Herodes ist ein Fuchs. Die Frommen sind Schafe und Lämmer. Christus ist der Löwe Juda und das Lamm Gottes. Die Braut ist eine Gazelle, ihre Augen Tauben. Maria opferte für Jesus zwei reine Tauben. Das Hohelied ist voller Natur. Am Anfang schuf Gott die Natur. Am Ende der Bibel ist die Rede vom Baum und Strom des Lebens.
Zeit ist Trug, nur Ewigkeit ist wahrhaftig. Zeit ist eitel und nichtig, nur Ewigkeit hat Weisheit. Gott ist weise und ewig, ohne Gott weder Weisheit noch Ewigkeit. Weisheit ist nicht allein Gottesfurcht (Ehrfurcht), die ist das Fundament. Weisheit ist die rechte Einstel-lung zu den Dingen des Lebens? Weisheit ist mehr als Klugheit. „Weisheit (sophia) bedeu-tet Einsicht in die Fülle der Dinge und Lebenszusammenhänge. Der Mensch gewinnt sie teils aus Veranlagung, teils aus Erfahrung, immer aber als Gabe Gottes. Gottes Weisheit zeigt sich in dem Wunderwerk seiner Schöpfung, in der Offenbarung des Heils. Jesus nennt das Alte Testament die Weisheit Gottes. Die Sprüche nennen die Weisheit eine Person. Das Neue Testament nennt Christus die personifizierte Weisheit. In ihm sind alle Schätze der Weisheit. Die gottgeschenkte Weisheit im Alten Testament schließt künstlerische Fä-higkeiten ein. Weisheit des Menschen findet nicht immer Lohn auf Erden. Salomo, Josef und Daniel waren weise. Im Ruf besonderer Weisheit des Menschen standen die Ägypter. Gottes Gebote auf den Alltag anwenden, war die Aufgabe der Weisheitslehrer. Jesus Si-rach. Vom Heiligen Geist gewirkte Weisheit kann Geheimnisse enthüllen.“ Ich will mich zu Füßen Sophias setzen und ihrem Menschenmund lauschen. Sie redet töricht vom Kreuz, das ist ihre höchste Weisheit. Sie führt zur Ewigkeit, zur Liebe und zum erfüllten Leben. Sie hat in der Welt ihr Leid zu tragen und wird verspottet. Sie liebt Anstand und Reinheit. Die Weisheit ist fromm. Sie streute ihre Samen auch in die Lehren Konfuzius und Platons.
18.10.
Schiller an Sophie Mereau: „Ihre Phantasie liebt zu symbolisieren und alles, was sich ihr darstellt, als einen Ausdruck von Ideen zu behandeln. Es ist dies überhaupt der herrschende Charakterzug des deutschen poetischen Geistes, wovon uns Klopstock das erste und auffal-lendste Muster gegeben und dem wir alle... nicht sowohl nachahmen als durch unsre nor-disch-philosophierende Natur gedrungen folgen. Wie leider unser Himmel und unsre Erde der eine so trüb und die andre so mager ist, so müssen wir sie mit unsern Ideen bevölkern und ausschmücken, und uns an den Geist halten, weil uns der Körper so wenig fesselt. Deswegen philosophieren alle deutschen Dichter, wenige ausgenommen...“
Clemens warb trotz Aussichtslosigkeit um die Mereau, sie sah seiner Mutter ähnlich, er beschwor sie, keine weiteren Kinder mit ihrem Mann zu haben, trotz Zurückweisung blieb er beharrlich werbend, er sah sie als seine Zwillingsschwester, er allein verstand ihr inners-tes Wesen.
Ich sprach zum Lachen: du bist närrisch! und zum Jubel: wozu dienst du?
C.S. Lewis schreibt, daß Eros seine eigene Religion stiftet: die Geschichte des Kennen-lernens ist das Alte Testament, das Gnadegeben der Geliebten das Neue Testament, die Liebesleiden des Unglücklichen sind des Eros Martyrium, die seelische Liebe wird zum Gesetzgeber und definiert Gut und Böse, Erlaubtes und Nichterlaubtes: Erlaubt ist, was der Liebe gefällt.
Die Geliebte ist meine Religion, sie ist meine Götzin, Gott vergebe mir. Ich besitze sie mehr in der Einsamkeit, als wenn ich sie sehe und sie sich entzieht, sie lebt in meinem In-nern. Wie soll man da weise werden, wenn einen der törichte Amor besitzt und man keine rechte Gottesfurcht hat? Es müßte jeden Tag hier eine Heilige Messe geben. Gott ist mir ein Gott mit vielen Göttinnen, die sich alle auf den Namen der Geliebten reimen.
Ein Freund an Brentano: „Sei doch ein wenig poetisch, und die Poesie (die Mereau) ist dein. Was geht dich der schweinslederne Band an (ihr Ehemann), in den sie gebunden ist, du willst sie ja nicht einbinden.“
„Aber mir ist die Ahnung gekommen, als wenn dein Geist sie mehr interessiere als dein Herz.“
19.10.
Mit Einem über den Prediger gesprochen. „Haschen nach Wind“ (Luther), „Verdruß des Geistes“ (King James) ist eine hebräische Doppeldeutigkeit. Es heißt Verlangen, Begehren, Schmachten des Geistes und zugleich Trachten, Streben nach Wind. Das Schmachten des Geistes ist vergeblich wie ein Streben nach Wind. Ich sage: „Vergebliches Schmachten des Geistes“.
Überlege, die Klagelieder Jeremias (Elegie) mit Lang- und Kurzzeilen (Qinah) in Jam-ben textnah nachzudichten. In Jamben dichtete auch Tur-Sinai nach, aber er war kein deut-scher Dichter, er radebrecht, die Gute Nachricht dichtet auch in Versen, aber zu unabhän-gig vom Grundtext.
Clemens mußten die „Berge fern sein, um golden zu erscheinen“. Ist es die Unerreich-barkeit der Geliebten, die sie so ideal macht? Aber ach die Einsamkeit! ach das Fernsein vom Herzen!
Clemens an Sophie: Mir fehlt „ein Unnennbares, was mir deine Nähe gewährt, mehr als irgend die Nähe eines Menschen.“ O Wohlsein und Glück in Ihrer Nähe! Salomo: „Nichts vermag ein Mensch zu sagen!“
Sophie an Clemens: „...und bekämpfe jenen Hang, stets nach den Fernen dich zu sehnen. Diese ewige Sehnsucht gehört nur Gott.“ Ja, Sehnsucht nach dem fernen Lande als Sehn-sucht eigentlich nach dem Paradies, (mein Israel und China), Sehnsucht nach dem fernen, verklärten Menschen als eigentliche Sehnsucht nach dem vollkommenen Menschen, dem Ideal, das ist Jesus.
Ein Hauch von Küsschen wie der Duft einer weißen Jasminblüte auf ihre glühende Wan-ge...
Unbestimmt fühle ich, daß meine wilde Leidenschaft nicht zum Katholizismus passt. Da scheint mir Dämpfung, Demut, Tugend und Keuschheit zu sein, aber mich ziehts zu Sturm, Lebenslust, Stolz und Genuß.
„Brentano liebte diese Frau als sein in die Welt getretenes Ideal, irdisch und sinnlich und zugleich als Verkörperung dessen, was seine Phantasie in kühnsten Träumen ausgemalt hatte.“ Arnim: „Wer dich nicht kennt, würde dir geradezu sagen, du liebst sie nicht mehr als eine Romanperson.“ Brentanos hitzige Phantasie und ruhelose liebeshungrige Seele, seine stürmische Schwärmerei und Absolutheit der Liebe.
Rubine des Feuers, Diamanten der Erde, Smaragde des Wassers, Saphire der Luft, all das ist Sie, Sie ist die Natur, nach der ich mich sehne. Sie ist die Rose, der Garten, die Lichtung im Walde, die Pinie, die Hainbuche, der Apfelbaum, Pflaumenbaum, Birnenbaum, Pfir-sichbaum und Granatapfelbaum, sie ist die Feige und die Dattel, in ihrem Palmenschatten will ich ruhn, sie ist der reine weiße Lotos im trüben Teich, sie ist sanft wie eine Wolke, süß wie ein Sommerhimmel oder der Mai, zärtlich wie Maienblütenblust, melancholisch wie ein Herbstnebel, tief wie der Winter, sie ist aus tiefem stillem Wasser, von verborge-nem Feuer, geht mit den Jahreszeiten der Erde in ihrer Kleidung und ist ein sanfter Wind, sie ist die Königin der Elemente, sie möchte gerne tanzen, sie ist religiös, sie berherrlicht die Gefühle, sie ist romantisch, sie will tiefe Gemeinsamkeit, absolutes Vertrauen, absolute Treue in der Liebe, sie will Einheit von Liebe und Verliebtheit und Verlangen, sie hat Angst vor Vereinnahmung durch die Freundinnen, sie war ein todtrauriges Kind, ein schwermütiges Mädchen, sie mag mit Holz arbeiten, interessiert sich für romantische, mo-dern-naturverbundene Architektur, sie glaubt an das Prinzip Gottes, die Liebe und Wahr-heit und Güte, sie sehnt sich nach spiritueller Führung, sie würde an Gott als Person zu glauben beginnen, wenn sie ihn fühlen würde, sie ist klug, sie interessiert sich für Weltan-schauung, Religion und Weisheit, sie wird unsicher, wenn sie fühlt, daß sie in Wirklichkeit dem poetischen Bild nicht entspricht, sie ist schön, sanft und süß, ihr Lieblingswort ist: Lieb... Sie ist meine Muse, sie hat es mir erlaubt, sie so zu nennen.
Vorwort zu den poetischen Rosenkränzen: Diese jungen Rosenkränze sind allesamt ge-zählt und gesungen zur Ehre Gottes. Manche mögen darüber streiten, ob der Rosenkranz ein rechtes christliches Gebet sei. Ich sehe in diesen Rosenkränzen die Verherrlichung der geschaffenen Herrlichkeit und dadurch der schaffenden, ungeschaffenen Herrlichkeit. Da alle diese Werke aus Liebe geschaffen wurden, weisen sie durch die Ähnlichkeit der menschlichen mit der göttlichen Liebe deutliche Spuren der letzteren, höheren auf. Diese Rosenkränze sind alle vom Morgenstern gestreut worden und von einer klugen Jungfrau gereiht worden zu Perlenschnüren. Jede dieser Perlen ist eine Sehnsucht nach der Neuen Jeruschalajim, der schönen Braut Gottes, in deren Mitte der Poet die Liebe lobt.
Nachdem Sophie mit 36 Jahren bei der Fehlgeburt stirbt, ist Clemens Leben öde, ausge-brannt, undichterisch, tot. Er sucht Trost in der Religion. Er träumt oft von Sophie: sehr schön, sehr heilig, wie in der ersten Liebe. Sie starb: „Ach Gott, ach Gott, stärke mich! Lebt mein Kind?“
Gott möge mir ein ganzes Ja zu meiner Leiblichkeit geben. Ja, Gott nennt in der hebräi-schen Sprache auch das sexuelle Verlangen Liebe, ein Element der Liebe, dazu Eros der Seele, Freundschaft der Herzen und Geister, stille Zuneigung von Natur und Kindern, ge-genseitige Inspiration des Geistes und Liebe wie Christi Liebe: Er möge sich ihr offenba-ren! Und das Verlangen bleibt.
Einer meinte: Wenn Schullamyth sagt: Ich bin schwarz, aber schön, so meint das die Demut der Kirche, die von ihrer Sünde und von ihrem Geliebtsein weiß. Mir scheint das rassistisch. Sie ist braun von der Sonne Ägyptens. Ich bin schwarz und schön. Ihr Weißen, seht, ich bin eine Negerin, und was für eine schöne Negerin!
Gereinigt für die Geliebte. Schenkte ihr Duftöl vom Ylang-Ylang-Baum und einen Duft-stein mit Schmetterlingsbild. Sie freute sich ebenso lieblich. Dann waren wir in einer Aus-stellung: 5000 Jahre Stadtentwicklung von Dammaskus und Aleppo. 3000 Jahre vor Chris-tus Kultur von Sumer, der Euphrat als Wiege der Menschheit, er entspringt etwa nördlich von Syrien. Assyrische und ägyptische Herrschaft in Syrien. Kleine Tontafeln mit Keil-schrift. Kleine Frauengestalten, vielleicht Ascheren-Bilder. Schmuck, Perlenketten. Brun-nen, Töpfe, Räuchergefäße. Hellenistische Epoche mit korinthischen Kapitellen, Akan-thusblätter als Zier, und Friese mit Erosköpfen. Baalskult. Baal wurde in römischer Zeit mit Jupiter identifiziert. Im 4 Jhd. wurde Syrien Teil des oströmischen Reiches, in Dam-maskus byzantinisch-orthodoxe Basilika oder Kathedrale. Um 650 Eroberung durch die Muslime, im Zentrum Bau der Großen Moschee. Ornamentenkunst. Ein handgemalten Buch mit naiven Illustrationen, ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Eine Art Zither. Wasserpfeifen, gläserne Schminkfläschchen, verzierter kupferner Zuckerhammer, Pfeifen in Samtstickereien gewickelt. Zigarettenspitze. Moccatässchen von Bronze oder Kupfer. Bunte Ornamente an den Wänden. Häuser mit Innenhof, Brunnen und schattenden Bäu-men... Dann waren wir im Café. Sie war so schön! wie sprachen schön über die Liebe und Kunst. Bedürftige und wertschätzende Lust. Freundschaft in aller Liebe. Eifersucht. Ge-sprächslosigkeit ihrer Beziehung zum Ehefeind, mit mir tausche sie sich viel mehr aus. Erzählte ihr von Clemens und Sophie und Hölderlin und Diotima. Sie solle in mir nur lesen wie in einem Buch, sie lachte. Aber sie, sagte sie, sei nicht befruchtend für mich. Ich sagte, ich hätte es nüchtern geprüft und noch keine Frau so befruchtend empfunden wie sie. Sie sei befruchtend durch ihr bloßes So-Sein, sie sei immer anders, es sei sehr interessant, sie sei für mich die Summe der Natur. Sie freute sich von Herzen darüber. Ich verglich sie mit Oma, das sei ein Kompliment, denn Oma sei mir der liebste Mensch auf Erden gewesen.
Wenn die Geliebte die Natur ist, die Natur ein Bild Gottes, dann ist die Geliebte ein Bild Gottes. In ihrer Schönheit, Sanftmut, Süße, Freundlichkeit, Tiefe und Güte liebe ich diese Wesenszüge Gottes.
Qoheleth: Besser der Augen Schauen als der Seele schweifende Sehnsucht. Im Frühling 98 hörte ich eine Predigt über den Genuß der Schöpfung. Ich ging zu Ihr und genoß in ihr die Schöpfung.
Der Talmud sagt, der Embryo lese die Thora vor- und rückwärts und kenne alle Geheim-nisse der Gottheit, aber bei der Geburt schlage ihm ein Engel auf den Mund. Platon sagt in der Republik, die Seele sinke wie eine Sternschnuppe aus dem All-Einen nieder, durch-wandere eine Wüste, tränke von der Lethe und werde geboren. Nur Künstler, Philosophen und Poeten hätten wenig von der Lethe getrunken und erinnerten sich der Geheimnisse aus der Welt der Ur-Idee. Wir kommen aus dem Schoß Gottes, er schuf unsre Seelen aus dem Nichts (was ist das Nichts?) und gab uns Ähnlichkeit mit sich, schuf uns als Ebenbilder, wir sollen ihn suchen, er zieht uns, er wird sich offenbaren.
Daß Diotima, die Sokrates über die Liebe lehrte, ihm auch den Schierlingsbecher reichte! Das ist Tristan und Isolde, Liebe und Tod in einem, das ist Antigones Hymnus auf das Brautgemach des Hades, das ist Lammes Liebe am Kreuz und Hochzeit im Jenseits.
Homers Helena „steigt mit gerafftem Gewand leichtfüßig die Stufen zum skäischen Turm empor, daß die Greise ihr bewundernd nachschauen.“ Isolde Kurz.
„Schönheit ist die Sprache, durch die der Schöpfer seine liebevollen Gedanken uns im-merzu mitteilt, darum ist sie durch die ganze Schöpfung ausgegossen.“ (Isolde Kurz)
Ihre Nase ist ein Duftflakon aus ägyptischem Rosenharz. Gott blies Hans Adam den O-dem in die Nase, der Eva auch?
„... indem er seine unbelohnte Liebe der schönsten Frau als einen Strahlenkranz um die Stirn legte, mit dem sie durch die Jahrhunderte geht.“ Isolde Kurz.
Die Nase in der Bibel: „...blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase...“, „...will dir meinen Ring in die Nase legen...“, „solange der Hauch von Gott in meiner Nase ist...“
22.10.
Einer sagte, die Eskimos hätten viele Worte für Schnee. Ich sagte, die Griechen viele Wor-te für Liebe, die Hebräer viele Worte für Gott. Was einem Volk wichtig ist!
Sie ist ihm „das Eine, Wesentliche, wodurch alle Dinge erst ihren Wert erhalten“. Isolde Kurz.
23.10.
„Die Griechen wußten bei aller Verehrung, daß Aphrodite das Lachen liebt. Wir sind kei-neswegs verpflichtet, unsere Liebesduette in Moll zu singen, bebend, ewigkeitstrunken, herzzerbrechend, wie Tristan und Isolde. Singen wir doch auch wie Papageno und Papage-na.“ CS Lewis.
Galle heißt Mara, das Bittere. Mirjam sah bitter die Not des Mosekindes. Maria die Bit-tere sah die Passion. Dem einen wird das Bittere zuviel, er verspritzt Galle; der andere nahm es an und schluckte die Galle. Wer das Bittere mit Weisheit versteht, dem wird die Galle zum Guten, er wird barmherzig. Der Ort Mara (2.Mose 15,23). Das Holz des Lebens machte das bittere Wasser süß. Die Juden kennen vier Gallen: schwarze, rote, weiße, grü-ne. - Die Scham der Frau heißt Mekem, Quelle des Ursprungs. Das Geheimnis der Frau. Die Mutter schlechthin. Keuschheit heißt Bescheidenheit, Verborgenheit, Heimlichkeit, Unmerklichkeit. Ich will trinken von der Quelle allen Lebens. Nur durch persönliche Liebe und intimes Vertrauen sich nähern. Eine keusche Frau ist keine Prüde, sondern eine Ver-borgene. Liebe ist ein Opfer, keine Vorteil bringende Sache. Liebe ist so unerreichbar wie der Baum des Lebens. Begegnet man der Frau als Menschen, bestaunt in ihr das Wunder der Frucht. Sie ist in Liebe gesehen Bild und Gleichnis Gottes. Das Mannesglied nennt der Hebräer Mila: Beschneidung, oder Zeichen des heiligen Bundes. Beschneidung ist Wegtun des Äußeren. Der Fromme lebt den Akt als Verborgenes, Geheimnis.
24.10.
Walter von der Vogelweides Mädchenlieder der sogenannten niederen Minne haben viel mehr Lieblichkeit und ähneln dem Hohenliede viel mehr als die Lieder der hohen Minne. Bei beiden Gattungen denk ich an Sie und will einige Lieder für sie nachreimen
Ich will in dein Haus des Brotes kommen, du Tochter der Fülle, zu dir und deinem Kind. Ich sah den Stern Deneb im Herzen des Schwanes, dem am Kreuz des Nordens herrlich fliegt, und Deneb führte mich zu dir. Nun seh ich dich in Tannennadeln, zwischen Kater und Katze, die den Gabentisch der Liebe kennen, wie ich, denn von dir kommt die Gabe, die in meinem Herzen Liebe weckte. In deiner Schönheit, Milde, Sanftmut, Schamhaftig-keit und Lust seh ich diese Züge der göttlichen Liebe. Du Ebenbild Gottes, in dir lieb ich als der schönsten Schöpfung in meinen Augen den Geist, der dich geschaffen, das Wort, das dich ins Leben rief. Mit demselben Worte will ich dich zur Liebe rufen, komm zur e-wigen Liebe, der Geist der Liebe wirbt um dich, seufzt dir zu, lehrt dich Weisheit, deckt deine Makel zu, du Makellose in den Augen wahrer Liebe! Die wahre Liebe ist Gnade, unverdientes Geschenk, und sucht in deinem Herzen zu wohnen und begehrt mit der Lei-denschaft eines Bräutigams die liebende Antwort, das Ja deines Herzens, denn der Geist der Liebe ruft dich rote Rose, dich weiße Lilie zur Hochzeit eines Lammes, welches für dich alles zu geben sich nicht scheute, Leib und Leben: Jesus, der dich liebhat von ganzem Herzen Gottes, und er in mir, und ich, der ich dich liebe mit der tiefen Liebe eines Poeten, der sich deinem Ruhm verschrieben hat.
Diamanten sind extrem verdichteter Kohlenstoff. Ihre Augen.
Alraune sind Liebesäpfel. Kapernbeeren stimulieren sexuelles Verlangen. (Altes Testa-ment)
„Geheimnisvoll und gedankenreich wie eine Tanne war sie.“ (Kierkegaard) „...die zärtli-chen und treuen Umarmungen des Verstehens...“
25.10.
Es gibt verschiedene Melancholien: die des Wanderers, wenn sich eine feuchte Nebel-schleppe durch gelbbraunes Laub schleppt; die des männlich-leidenschaftlich Liebenden, der nicht wiedergeliebet wird; die des Dichters; die des Frommen angesichts der bitteren Schalheit der Welt.
Ich bin zutiefst traurig und ausgesetzt auf den Bergen des Herzens, o wie allein da, und wie ein Waisenkind im weiten Weltall, das so dunkel, kalt und gleichgültig ist; und wo ist Gott? Könnt ich glauben an die liebe Mutter Maria, aber ich kann nicht. Gott als Vater und Geist, wo ist da Wärme und Geborgenheit einer Höhle und eines Brutnestes? Ich mag die Nestwärme bei Ihr. Ich vermisse eine Mutter.
Maria nähert sich der Geliebten, indem sie mir als Madonna mit dem goldenen Granatap-fel erscheint, die Geliebte nähert sich Maria, indem sie schüchtern und schamhaft, sanft und tiefsinnig erscheint. Ich möchte in der Geliebten Maria finden und in der Madonna Jesu liebendes Herz. Maria ist die Bittere. Und wieviel Bitterkeit, Schwermut, Angst und Einsamkeit in der Seele der Geliebten, als sie Kind und Mädchen war. Ich liebe das Mäd-chen in ihr.
„Anmut ist ausgegossen über deine Lippen“: was mich heute um die Geliebte weinen ließ, les ich jetzt in der Andacht der heiligen Mutter und Jungfrau, der Neuen Eva: der Mutter des Lebens, der Braut des Heiligen Geistes, in ewiger Jugend und ohne Makel. Die Mutter Erde tat sich auf und der Heiland sprosste hervor.
26.10.
„Heute grüß ich sie von Weitem. Ich bin zu traurig und zu feierlich... zu feierlich für Kin-der. Und doch Kind.“ (Rilke, die Weiße Fürstin)
Was mich tröstet, ist die Arbeit. Fragment um Fragment entsteht ein Musentempel, ein Haus Jehowahs.
Lese die trostreichen Zisterzienser-Meditationen zum Hohenlied: „Nirgends habe ich Trost, nirgends Erholung gefunden, sondern überall nur Kummer und Schmerz, denn ich habe den, den ich so glühend liebe und so inständig suche, nicht gefunden.“ Liebe ich Je-howah, liebte ich Jesus so, wie ich Sie liebe! Würde mich solch eine süße Leidenschaft für ihn ergreifen, wie ich für sie empfinde! Er würde mich nicht so verschmähen. Wie soll ich zu Gott finden? Ich suchte Glück und Liebe, Schönheit und Poesie, Herrlichkeit und Geist bei Ihr. Wo Sie war, war mein Himmel, wo sie sich weigerte, meine Hölle. Aber sie kann nicht geben, was meine Seele braucht. Ich zweifle sündig, daß Gott allein geben kann, was meine Seele braucht. Er mutet mir zu, daß ich an ihn glauben soll, obwohl ich ihn nicht süpre und erfahre. Ich bin in einer kalten Fremde, ich aus dem hebräischen Südland, zuhau-se eigentlich bei Eyn Gedyj; ich muß im kalten Germanien leben! Ich will heim zur Braut Jeruschalajim, ich will zur Tochter Tsyown, ich will in den Himmel, Jehowah dort zu um-armen und abzuküssen, zu ruhen an seinem Herzen, im Sonnenschein seiner liebenden Au-gen. O Jesus komm! O laß mich bald abscheiden! Ich ertrage das Exil nicht mehr.
Heimsuchung: mit Unerwünschtem, Unangenehmem überfallen, geplagt werden. Mein Leben ist eine Heimsuchung. Den Frommen dienen die Heimsuchungen zum Besten.
Jesus: Du mußt den Kelch trinken, den ich getrunken habe... Er war Bitterkeit des nichti-gen Lebens, er war der Tod in allem Dasein. Jesus rief: Mich dürstet!... Ihn dürstete nach der Liebe der Menschen. Sie aber kreuzigten ihn. Dem werd ich gleichgestaltet.
Die Zisterzienser haben mir Sehnsucht nach Tiefe, frommer Stille, Gebet, Meditation, Andacht, Sakrament, mystischem Wort Gottes und konzentrierter Liebe zum Bräutigam Jesus gegeben. Jetzt lese ich Brentano-Gedichte und fürchte mich vor der leidenschaftli-chen Liebe. Ich will Seelenruhe. Ich will erwiderte Liebe. Ich bin der Liebesleiden über-drüssig. Gott, mach mich gesund! Aber das ist unmöglich. Sie ist in mein Herz gebrannt. Das hat etwas von Verurteiltsein zu unglücklicher Liebe, und das hat etwas von Ver-dammtsein. Verfluchte Erde, die du Sehnsucht erzeugst nach Milch und Honig, aber nur Staub und Kot gibst.
Lukas 11,27. Eine Frau erhebt ihre Stimme und ruft Jesus zu: Glückselig der Leib, der dich getragen, und die Brüste, die du gesogen. Und er sprach: Gewiß... - O glückselige Ma-donna Maria!
27.10.
Clemens Brentano: „Unbeglückt muß ich durchs Leben gehen, / meine Rechte sind nicht anerkannt; / aus der Liebe schönem Reich verbannt, / muß ich dennoch stets ihr Schönstes sehen!“
28.10.
Dachte an Selbstmord. Heute tröstete mich eine Predigt über den Himmel. Jesus in seiner göttlich-süßen Schönheit sehen, mit ihm tafeln, im Palast Gottes im Himmel der Himmel wohnen, Gott loben, in neuer Kreativität ihn mit Kunst verherrlichen, zur Harfe Hymnen in Himmelszungen singen, unendliche Epen voller Wohllaut rezitieren von der Liebe und dem süßen Herze Jesu, der da ist und nimmer fern. Ach wär ich da! Gott, gib Kraft zur Ge-duld, zum Überstehen!
Heilige Messe. Nur der Kreuzweg ist der Weg der Auferstehung. Wie 1994 fühl ich eine tiefe, sehr süße, weltentrückende Beseligung durch den Leib Christi. Mit Gesundung der Seele, tiefer Begegnung mit Gott und dem Frieden Jesu trat ich aus der Kirche in die Nacht und gehe mit ihm durch die Zeit gesegnet.
30.10.
Wozu die Mühe meiner Arbeit, wenn es doch keiner liest? Vor dem Kruzifix: Christus ist auch auf der Erde gescheitert, die Jünger hielten seinen Tod auch für eine Niederlage. Aber Christus wußte, daß Gott seiner Niederlage einen Sinn geben wird in der Auferstehung. Dennoch, inmitten der Niederlage war die kommende Auferstehung ihm kein Trost, sie erleichterte sein Leiden nicht. Gott gab mir das Charisma meiner Poesie, ich muß ihn damit verherrlichen, nicht um irdischen Ruhm zu erlangen, sondern um Gott zu dienen. Das wei-tere Schicksal, das Vergessenwerden oder der Nachruhm oder auch Erfolg zu Lebzeiten, liegt in Gottes Hand. Was tut einer, der still in seinem Kämmerlein für alle Welt betet? Er hat auch keinen irdischen Lohn, sein himmlischer wird um so größer sein.
Rilke: „Ist Schmerz, sobald an eine neue Schicht / die Pflugschar reicht, die sicher einge-setzte, / ist Schmerz nicht gut? Und welches ist der letzte, / der uns in allen Schmerzen unterbricht? // Wieviel ist aufzuleiden. Wann war Zeit, / das andre, leichtere Gefühl zu leisten? / Und doch erkenn ich, besser als die meisten / einst Auferstehenden, die Selig-keit.“
1.11.
Übersensible Dünnhäutigkeit seit einer Woche, wundes Brüten in der Seele. Rosenkranz am Arm.
2.11.
Brentanos späte Lieder haben eine Tiefe, die denen seiner Jugend mir zu mangeln schien. In der Jugend heiteres Spiel, im Alter tiefer Schmerz, Schmerz um die toten Kinder, vor allem um Sophie, und das Kreuz bitterer Schwermut. Dennoch ist alles, bis auf ein paar sprachlich karge Kirchenlieder, von Wortreichtum, blitzenden Schätzen an Reimen, betö-render Musikalität. Diese späten Lieder und der Godwi, dafür lieb ich Clemens. Möchte gern seine Briefe an Sophie lesen. Über Brentano: „Zwischen Diesseits und Jenseits hin- und hergerissen, der tiefsten weltlichen Leidenschaft verfallen und zugleich voll einer ge-heimen Sehnsucht nach einer überirdischen Erfüllung seiner Träume, hat Brentano sein Leben hingebracht. Am Ende blieb ihm das tragische Gefühl der Vergeblichkeit seiner Dichtung.“
3.11.
Lieder von Brentano gelesen. Er kannte auch Schmerz, Wüste, Bitterkeit, vergebliche Lie-be, das Kreuz.
4.11.
„Doch in den Begeisterungen / weiß die Jungfrau nichts von allem, / sie hat nur vor Gott gesungen, / lauschen gleich die Nachtigallen.“ Clemens. Diese Haltung brauch ich. Dichten im Angesicht Gottes, allein für Jesus, wenn auch vielleicht der eine oder andre den einen oder anders Vers zu lesen bekommt.
In den Rosenkranz-Romanzen, von Biondette, eine schöne Nachdichtung des Hohenlie-des. Ich merke, wie mir durch meine Übersetzung das Lied der Lieder nahgekommen ist. Auch den Prediger hab ich jetzt tiefer im Herzen.
5.11.
Las Byrons „Prophecy of Dante“. Er klagt darüber, daß die inspirierten Poeten, die Rühmer des Himmlischen, auf Erden so arm und verachtet und elend sein müssen, oft zu Lebzeiten verspottet und erst nach ihrem Tode nennt der Ruhm ihre Namen.
Ich bin zu spät geboren. Ich hätte 1790 geboren werden müssen. Dann wären Klopstock und der jüngere Novalis meine Vorbilder, ich hätte mit Clemens und Bettina und später vielleicht Eichendorff Briefe gewechselt, und hätte Byron, Keats und Wordsworth ins Deutsche übertragen. Wie hätte ich wohl geheißen? Ich hätte mir das Pseudonym Porta Petri Cygnus zugelegt. Ich hätte Lust, einen unhistorischen Roman über die Romantik zu schreiben und mich hinein, eine Liebe zu Bettine und Karoline. An Goethe hätte ich den Diwan am meisten geliebt. Es sind drei Phasen: klassische Empfindsamkeit der Natur, Volksgut, liberaler Katholizismus. Sein Glauben wendet sich erst am Ende dem kirchlichen ganz zu. Vorher Anflüge von Pantheismus, Idealismus, Geist und Natur, Innen- und Au-ßenwelt. Er sehnt sich nach dem Tode, er ist schwermütig, Cygnus im Saturn. Die Blaue Blume, an der er stirbt, die Gärtnerin, nennt er Deneba.
Man könnte über Walter von der Vogelweide schreiben: Hohe und niedere Minne, Welt-entsagung und Palästinafahrt.
Zur Russischen Lyrik um 1920. Symbolisten, hohe poetische Sensibilität als Antwort auf den Prosaismus der vorangegangenen Epoche. Die Dichter, einst die Romantiker, dann die Symbolisten, dichteten immer in Stilepochen, waren jeweils modern. Ich bin ein Einzel-gänger. Auch Kleist und Hölderlin waren Außenseiter und Einzelgänger in ihrer Zeit. Die Symbolisten suchten bei christlichem Neuplatonismus, erotischer Mystik und Sophia (Lie-be und Weisheit), genau das interessiert mich auch, Sophia! Salomo und Heinrich Seuse wählten sie zur Braut.
Man darf nichts für Ruhm oder Literaturgeschichte schreiben, sondern allein aus Sterben und Lieben der Seele, aus innerer Not, das Gedicht muß eine Not-wendigkeit sein.
„Weils nicht möglich, daß man quallos singe...“ (Innokentij Annenskij)
6.11.
„Und wisse: der Kranz ward geschlungen / dem Dichter aus Dornen seit je.“ (Valerij Brjus-sow) - „Den Geist der Schwermut nicht beschmutze!“ (Anna Achmatowa, mir die liebste)
8.11.
Ingeborg Bachmann: „Reinen Fleisches wird sterben, / wer es nicht mehr liebt, / über Rausch und Trauer / nur mehr Nachricht gibt.“
Das Horn meiner Heimsuchung ist erhoben!
„Dein wehes Herz, vergötternd alle Leiden / vernichtet und verloren liebeskrank...“
„... gewiß ists, daß nur die Liebe / und einer den andern erhöht.“ Bachmann
„Erlöse mich, ich kann nicht länger sterben!“ Bachmann
10.11.
Eine Freundin sagte, ich wäre nicht der erste Dichter der katholisch würde. Möchte italieni-sche Lyrik von Petrarca und Dante hören. Brentano und Rilke haben vielleicht etwas von diesem Wohllaut, nicht die deutsche Härte Schillers. Warum wirkt die Eucharistie so ver-wandelt auf mich? Ist es allein die heilige Atmosphäre oder ist es wirklich ein wirksames Sakrament?
Augustinus: „Und selbst auch die Traurigkeit, die nach den Stoikern keinen Platz im Geiste des Weisen haben sollte, findet sich in gutem Sinne, und das besonders bei unsern Schriftstellern.“
11.11.
„...wie geschrieben steht in der Chronik der Mütter des Messias...“ (Schoß der Morgenröte)
12.11.
Lese über Schneider. Geistige und religiöse Einsamkeit. Freitod wurde von der Kirche bis ins 4. Jhd anerkannt.
Johannes vom Kreuz und die Nacht: Die Seele muß der Welt entsagen, die Welt muß ihr Nacht sein. Die Seele muß glauben, der Glaube ist die Nacht des Verstandes. Die Seele wendet sich zu Gott, der der auf Erden pilgernden Seele eine unergründliche Nacht ist. Ril-kes Stundenbuch: Mein Gott ist dunkel. Novalis: Hymnen an die Nacht.
13.11.
Ein Kind ist geboren, ein Sohn ist uns gegeben...
14.11.
In dieser Zeit wäre ich gern ein Philosoph, bin es aber nicht. Ich bin nur ein traurig Fühlen-der, ein Einsamer inmitten der Menschen, der sich daseinsunlustig von Tag zu Tag schleppt.
Im Alter wandte sich der Priester-Dichter Paul Claudel von der Prunksucht der Poesie ab und wandte sich Meditationen über die Bibel zu: Ein Dichter betrachtet das Kreuz. Ich ha-be viel aus Leidenschaft geschrieben, ich sehne mich aus der Jugendkraft nach der Alters-weisheit.
Zur katholischen Bewegung des 19. Jhd: Novalis, Brentano, Eichendorff, und der des 20. Jhd: Bergengruen, LeFort, Schneider, kommt die des 21. Jhd: dazu will ich mich zählen.
17.11.
Emily Dickinson, Gedichte und Briefe. Zeit ihres Lebens wurde nichts von ihr veröffent-licht. Leid und Unsterblichkeit ihre Themen und Ekstase des Lebens. Vielleicht wird gera-de in der Todesnähe die wahre Ekstase des Lebens entdeckt, eines Lebens im Sinn der E-wigkeit, ewiger Schönheit, ewiger Liebe und Lust am Schöpfer seiner Schöpfung.
18.11.
Gott fehlt mir so, ich habe solche Sehnsucht, in Jesu Armen an Gottes Herzen ewige Ruhe, ewigen Frieden zu finden. Aber er ist schrecklich fern, er ist nicht nah und da, sondern läßt mich allein in diesen verfluchten Dornen der Erde. Ich mag nicht mehr als Dichter arbeiten, eine Lüge und sündige Wollust auf die andere häufen, immer dieser schmutzige Schaum der Poesie.
19.11.
Seh gerstern einen Film über Botticelli. Wer das Modell zu seiner Venus gab, ist unbe-kannt, hieß es. Die heidnischen Bilder sind voll allegorischer Zeichen, Blumensprache, Embleme. Später kam der Dominikaner und Bußprediger Savonarola nach Florenz, wetter-te gegen das korrupte Papsttum und die sinnlichen Medici. Sandros Bruder war einer der Anhänger Savonarolas, vielleicht ward auch Sandro von ihm beeinflusst, er malte mehr und mehr sakrale Bilder, mehr und mehr mit düsterem Ton. Der Frühling des florentini-schen Humanismus ging zuende, die Zeit der Medici war vorbei, die Pest kam. Er malte das Gesicht seiner Venus nun als reizende Madonna mit dem Granatapfel. Er war nie ver-heiratet, auch Affären sind nicht bekannt. Seine farbigen Illustrationen zu Dantes Komödie sind leider verlorengegangen, ein Spätwerk.
„Der Wahnsinn, ein bestimmter Wahnsinn, geht oft Hand in Hand mit der Dichtung. So wie es den vernünftigsten Menschen schwer fallen würde, Dichter zu sein, fällt es den Dichtern vielleicht schwer, vernünftig zu sein.“ Pablo Neruda.
23.11.
Machte gestern in Gedanken mein Testament eines Selbstmörders. Auf meiner Beerdigung sollte „Jerusalem, du hochgebaute Stadt“ gesungen werden.
25.11.
Schöne Heilige Messe. Ein italienisches Lied wurde vorgetragen, da hörte ich das berühmte Italienisch, sehr charaktervoll, dazu weich wie Meerschaum und Fischfleisch, rund wie Orangen im dunklen Laub, ein Gesang. - Reden von der Dornenkrone und einem König nicht von dieser Welt, dennoch Immanuel, Gott mitten unter uns.
29.11.
Lamentationen übersetzt: Getränkt mit Wermut und Galle oder Schierlingstrank und Schlangengift!
Einleitung zu der Hochzeitsekloge: Nachdem Erasmus von Rotterdam den Text des Neuen Testaments erforscht hatte, wandte er sich wieder seinen müßigen eitlen Leiden-schaften zu, den humanistischen Forschungen. Er fand in einer der Bibliotheken der kunst-sinnigen Päpste ein Manuskript, das eine lateinische Nachdichtung eines griechischen Hir-tenliedes darstellte. Da er es für eine heidnische Prophetie hielt, wie ja auch Paulus in A-then zwei griechische Dichter zitierte und zu Propheten erklärte, schrieb er es ab, kam aber nicht mehr dazu, es in eine lebende Sprache zu übertragen. In seinen Forschungen über den großen Erasmus stieß ein Oldenburger Student auf die Handschrift, und da er ein Dichter war, und des Lateinischen sehr wohl mächtig (errarum humanum est), dichtete er das naive Hirtenlied nach. Sein Ursprung verliert sich in die Zeiten Platons, wenn nicht gar Homers.
30.11.
Englische Gedichte. John Donne brachte etwas vorbildlich Neues in die Renaissance: Er pries nicht die Körperschönheit der Geliebten, sondern die Union der Seelen.
1.12.
Ummauert, ausweglos, Todessehnsucht. Wodka. Finde keine Worte für meine Seelennot, alle Klageworte hab ich schon tausendmal ausgespien, ich mag sie nicht mehr.
2.12.
Die Heilige Messe versöhnte mich mit Weihnachten: In Gottes Liebe geborgen, erwartet der lichte Himmel uns, der Herr wird auf der Wolke kommen, wir erwarten ihn mit dem Feuer heiliger Leidenschaft im Herzen.
Sicher, eine ganz heile Seele hat keine tragischen Widersprüche in sich: Maria und Ve-nus, Sinn und Sinnlichkeit, Seele und Fleisch, aber ich hab diese Tragik in mir bis zum Grab. Ob eine Vereinigung beider Prinzipien in Einer Frau möglich ist, weiß ich nicht.
3.12.
Zypern, da müsste eine Geschichte spielen, Zerrissenheit zwischen Venus und Maria, die gleiche Zerrissenheit, die Fürst Myschkin zwischen Aglaja und Natassja empfand.
6.12.
Klagelieder: Nun aber liegen sie im Mist!
Populäres Lied über David und Bathseba: „I’m mad about you!“
Im Traum schwärmte ich der Geliebten von ihrer Schönheit vor im Stile des Hohenlie-des. Sie sagte, ich solle doch deutsch reden, ich sagte, das sei der Ursprung des Deutschen, Lutherdeutsch, ich lernte gerade, immer so zu reden. Sie sagte, wenn ihr immer die Juden so hochhaltet, ob nicht die Ägypter und Römer ebenso schöne Poesie gehabt hätten. Ich erzählte von Gottes Volk, erkoren zu einem Volk von Propheten des Messias.
8.12.
Orthodoxe Hymnen zur Christfeier. Ewige Jungfrau, das Paradies, in der die Frucht des Lebens reifte.
9.12.
Heilige Messe. Wir erwarten den neuen Himmel und die neue Erde, die Wandlung der Eu-charistie ist Symbol für jene eschatologische Wandlung und Hoffnungszeichen für die Wandelbarkeit der Umstände.
12.12.
Zu Antigone, Psalm 79: „Sie (die Heiden) haben die Leichname deiner Knechte den Vö-geln unter dem Himmel zu fressen gegeben und das Fleisch deiner Heiligen den Tieren im Lande. Sie haben ihr Blut vergossen um Jerusalem her wie Wasser und da war niemand, der sie begrub... Rechne uns die Schuld unsrer Väter nicht an... Laß vor dich kommen das Seufzen der Gefangenen, durch deinen starken Arm erhalte die Kinder des Todes.“
War bei Kar., so schön, Juri auf dem Arm zu schaukeln.
Die Tragische Trilogie - Kassandra, Orpheus, Antigone - entstand im Jahre 65 nach Christus. Cygnus war ein junger römischer Dichter gewesen, der sich in eitel erotischen und spöttisch satirischen Jamben versucht hatte, als er durch die Predigt des Petrus in den Katakomben Roms sich bekehrte. Seine Liebe zum griechischen Mythos versuchte er zum Lobe Gottes zu verwenden, dessen tragisches Schicksal am Kreuz ihm Anlaß zu seiner Tragödie gab. Juventus und Martial verspotteten ihn deswegen, er erntete in Rom keinen Ruhm. Sein Werk wurde von den Christen, besonders den Frauen, durch die Zeit des Mar-tyriums und der Verfolgung hindurchgerettet, kam in die Hände des Hieronymus, von ihm zu Gregor dem Großen und durch diesen in die päpstliche Bibliothek, wo es in der Versen-kung verschwand, bis es im 14. Jhd ein mit Petrarca befreundeter Bibliothekar entdeckte. Petrarca fertigte eine Übersetzung in die italienische Vulgärsprache an, die noch Ben Jon-son und Edmund Spenser bekannt war, aber verlorenging. Das lateinische Original aber bewahrte Erasmus von Rotterdam für die Nachwelt auf. In der Bibliothek der Universität von Rotterdam fand ich, durch Zufall oder Vorsehung, die Abschrift des Erasmus und ü-bersetzte sie in meine deutsche Muttersprache. Schwanke.
Virgils Wesen spricht mich an. Es gab katholische Virgilverehrung, es liegt eine Advent-sehnsucht über seinem Werk. Er lebte in stiller Zurückgezogenheit.
„Die uns das himmlische Feuer leihen, die Götter schenken heiliges Leid uns auch, drum bleibe dies. Ein Sohn der Erde schein ich, zu lieben gemacht, zu leiden.“ Hölderlin.
15.12.
Aufsätze von Theologen zu Kirche und Kunst. Gottes Schöpfungsoffenbarung umfasst auch den ästhetischen Menschen, Kunst ist Charisma, soll nicht gegen Schöpfer und Schöpfung sein, muß aber nicht unbedingt christliche Themen haben.
17.12.
Sehnsucht nach und Angst vor einer Ehe, Hang zur platonischen idealisierenden romanti-schen Liebe.
21.12.
Werde der Protestanten Brot und Wein an mir vorübergehen lassen. Schlief mit dem Ro-senkranz. Las die Geburt Jesu aus dem Schoß der Morgenröte, eine Pfingstlerin: „Außeror-dentlich! So eine Vision hatte ich noch nie!“
22.12.
Von griechischen Mythen geträumt, aufgewacht mit einem liebenden Gedanken an die Jungfrau Maria.
23.12.
Heilige Messe. Da befiel mich im Angesicht des Kreuzes eine tiefe Angst, Angst vor einem Leben als unaufhörliche Passion, Angst vor kommender innerer und äußerer Not. Werden denn meine Sehnsüchte nach Licht, Lust, Liebe, Leben erst im Jenseits erfüllt? Haben wir keine Verheißung auf irdisches Glück, sondern nur die Leiden der Nachfolge? Ich habe Angst.
Gleiche Widersprüche zwischen Lust und Weisheit, Welt und Gott, Venus und Maria, Glück und Leid, Familie und Ideal usw. Wollen die Hoffnung auf irdische Segnungen nicht aufgeben. Wollen Weite des Philosophierens.
Gott, mach mein Herz zu einer Krippe, daß Maria Christus sanft hineinlegt und das Got-teskind mir mein Herz sanft heilend berührt.
26.12.
Heiligen Abend nach der Mitternachtsmesse des Papstes rührte mich das Lied „Maria durch ein Dornwald ging, da wurden die Dornen Rosen“ zu Tränen. Ich fühlte meine Ein-samkeit.
27.12.
Film über Jesuiten. Film über David und Bathseba, Thamar und Amnon. Weltschmerz. Goethe-Lyrik. Selbstmordgedanken. Testament gemacht, möchte mir die Pulsadern auf-schneiden. Entweder ist Gott das kommende Jahr gnädig und schenkt Licht, oder ich ster-be. Kyrie Eleison!
28.12.
In diesem Jahr ein Leid aufs andere, die Geliebte, Gottverlassenheit. Nun hab ich keinen Liebeskummer, denk aber trotzdem an Selbstmord. 1993 war ich einsam, 94 wahnsinnig, 95 des Lebens überdrüssig, 96 gelangweilt, 97 depressiv, 98 traurig, 99 verliebte ich mich... Ist das eine normale Biographie eines Christen? Wenn sich mein Leben nicht ändert, fürcht ich auf diese Passionen von Schwermut folgt der Selbstmord.
29.12.
Von Psyche geträumt. Quo vadis, Domine? Christus ging nach Rom und ließ sich ein zwei-tes Mal kreuzigen. They gonna crucify me again!
30.12.
Charismatischer Prediger will meine „großartige Übersetzung“ des Qoheleth herausgeben. Halleluja.
2.1. 2001
Der Deuterokanon gehört nach dem Konzil von 389, nach der Überlieferung der östli-chen Kirchen und der römischen Kirche zur Heiligen Schrift dazu.
6.1.
Heilige Messe. Getauft in ein neues Leben mit Gott, der Himmel ist offen, ich bin Gottes geliebter Sohn, er ist alle Tage mit mir.
„Sweet virgin angel, sweet love of my life....“ - „Mystical wife...“ - „Glamorous nymph with an arrow and bow...“
Marien-Sonett. Möchte gern meine Sehnsucht und Suche nach Maria in Sonetten aus-drücken.
14.1.
Je begnadeter, desto mehr Anfechtung. Wen der Vater liebt, den züchtigt er.
20.1.
Träumte, daß ich eine Karte an das Jugendideal schriebe. Dann war ich in Dornum. Da wimmelte es in einem schmuckelosen steinernen Burgturm oder Kirchenraum von Christen und Tieren. Einer sagte, der Affe wäre der Antichrist. Die Tiere sehnten sich nach Erlö-sung, aber der Affe rufe die Tiere auf, gegen den Menschen zu rebellieren. Da jagte eine Ratte wild durch den Raum, sie war Bote des Antichristen. Ich sagte (wohlwissend, daß einige Brüder den Papst für den Antichristen hielten), es gäbe nur entweder Papstkirche oder Kirche des Antichristen. Dann trat eine weiße Katze auf. Die Katze fraß die Ratte. Ich sagte, die Katze sei die junge Kirche, sie fraß den Antichristen im Blut ihrer Blutzeugen unter Domitian. Dann sah ich einen körperlich verkrüppelten Märtyrer von Theben, er jammerte über seinen verkrüppelten Leib, ich sprach tröstend von seiner herrlichen Seele im Himmel. Da erzählte er mir von einer Vision im Martertode: Er sah Maria und Jesus, Maria als Mutter und Jesus als Kind, und ein Engel war an des Märtyrers Seite. Ich sah das Bild förmlich vor mir und mußte vor Rührung weinen. Ich fuhr mit einem antikatholischen Protestanten in einem Auto, wollte aber nur das Bild von Maria und Jesus malen. Einige Charismatiker sprachen über Rockmusik, ich wollte aber nur das Bild malen. Schließlich allein in einer alten romanischen Kirche konnte ich das Bild malen.
21.1.
Jesus Sirach 25,27: „Fall nicht auf die Schönheit einer Frau herein, und begehre sie nicht deswegen.“ Jesus Sirach 26, 21-24: „Wie die Sonne, wenn sie aufgeht, an dem hohen Himmel des Herrn eine Zierde ist, so ist die Schönheit einer guten Frau eine Zierde in ih-rem hause. Ein schönes Antlitz auf hoher Gestalt ist wie die helle Lampe auf dem heiligen Leuchter. Schöne Beine auf schlanken Fesseln sind wie goldene Säulen auf silbernen Fü-ßen.“ Jesus Sirach 36, 24-27: „Eine schöne Frau erfreut den Mann, und er sieht nichts lie-ber. Wenn sie dazu freundliche und liebliche Worte spricht, so ist ihr Mann nicht zu ver-gleichen mit andern. Wer eine Frau erwirbt, erwirbt damit noch mehr: eine Gehilfin, die zu ihm passt, und eine Säule, an die er sich lehnt... Wo keine Frau ist, da irrt der Mann seuf-zend umher.“ Jesus Sirach 40,23: „Einem Freund und einem Gefährten begegnet man ger-ne, aber lieber hat man die Frau, mit der man lebt.“
Bin ich Johannes, der die Mutter der Schmerzen in den Armen hält? oder sehn ich mich nach der feurigen Maria Magdalena? oder soll ich unbeweibter Johannes der Täufer blei-ben, der allein auf den Gekreuzigten hinweist? (Grünewalds Kreuzigung)
„Wein und Weiber betören die Weisen.“ Ich werde immer ein Bewunderer der Frauen-schönheit bleiben. Keine pries ich, die mir nicht schön erschien.
23.1.
Das Schicksal hat mich unterworfen. Ich soll nicht glücklich sein, ich soll nicht von einer Frau geliebt werden. Sie mögen mich, sie lieben mich vielleicht als Schwestern, aber es kommt keine Gehilfin. Ich fühl mich wie von einem Dämon ans Jugendideal gekettet. Ich habe Sehnsucht nach der Sanftheit der Geliebten. Erträgliche Bitterkeit und Fatalismus in meiner Seele. Schicksal der Einsamkeit und unerwiderten Liebe.
Meine Madonna, rot wie die Liebe, heilig-weiblich, schwebt über meiner einsamen Poe-tenhütte, im Gefolge ein Chor Weißer Frauen und dunkler Kinder. Und der Herr Jesus steht auf, steht zur Rechten Gottes. Da ist mein Kreuz, ich nenn es Schicksal. Und sterbe einen kleinen Tod. Ganz tragisch ist mir. Wollt ich Glück und irdische Liebe? wollt ich vorbei an meinem Schicksal? Wie einsam auch innerlich!
Die Frauen gehen alle an mir vorüber, um Inneres, Idee in mir zu werden.
Ich komme mir vor wie ein unendlicher dunkler Kosmos mit ausgesäten Sternen, auf denen Denker und Jungfrauen leben, den aber allein Gott in seiner Tiefe versteht. Ich ver-steh mein Schicksal nicht. Die Poesie erhascht nur hier und da einen Zipfel des Logos in diesem Kosmos, Innenkosmos, Herzenskosmos.
24.1.
Sprechen muß ich mit dem Pfarrer über die Eucharistie und Maria.
25.1.
„Der Dichter sucht das Schicksal zu entbinden, / das, wogenhaft und schrecklich ungestal-tet, / nicht Maß, noch Ziel, noch Richte weiß zu finden / und brausend webt, zerstört und knirschend waltet. / Da faßt die Kunst, in liebendem Entzünden, / der Masse Wut...“ (Goe-the)
26.1.
LeFort, Schweißtuch der Veronika. Veronika bekehrte sich durch eine Vision der lichten Monstranz in Sankt Peter, war erfüllt von Liebe und heller Freude, bis sie bald darauf in einer Totenmesse das Abbild des Dorngekrönten sah: hinein in tiefe Trauer. Schneider nannte es den Schacht, das Bergwerk. Nicht mehr von der Erde, sondern unterirdisch: im Grab Christi. Schneider nannte es den „Zauberberg der Mystiker“ (Johannes vom Kreuz).
27.1.
Bitter! Sollen mich doch alle Weiber für immer in Ruhe lassen. Sie sind wirklich Instru-mente des Teufels. Ich hasse die Liebe, die solche Qual bereitet. Könnt ich doch einfach alleinstehender Philosoph sein, ohne Leidenschaft. Verflucht!
Das Leben kommt mir vor wie ein Ungeheuer, die Liebe mit Haß vergiftet, die Vertrau-teste ganz fremd, die Liebe hart und unbarmherzig wie ein Wüstenstrauß (wie man so sagt). Ich Gesegneter des Herrn komme mir vor wie ein Fluchbeladener, wie ein von einem zerstörerischen Dämon Besessener und Zerrissener. Ich bin die ganze Tragödie, sie offen-bart das Ungeheuer meines Lebens.
Schrecklicher Blick eines Zerspaltenen in den inneren Abgrund der Ungeheuer. Völlig außer mir, innerlich in alle Lande zerstreut, ging ich in die Heilige Messe. Angst, an der Eucharistie zu sündigen. Fragte den Priester: Darf ich teilnehmen? Er: Heute ja. Nahm es von Anfang bis Ende knieend, betrat und verließ die Kirche knieend, mich hingebend an das Gebet der Kirche. Weisheit der Predigt: Berufung Jeremias, wer Profil entwickelt, muß mit Einsamkeit rechnen. Gott sammelte mich ein und gab mir elegischen Frieden.
28.1.
Schneiders Wort: „Gerade Qual wird in der Liebe gesucht“, wieder wahr. Nun bin ich selt-sam stumm.
29.1.
Ich sehne mich nach Altersweisheit. Wahre Weisheit ist melancholische Einsicht. Die Weisheit Gottes sei meine Freude. Ja zum Geschick, zu den eigenen Grenzen, diese als Gnade Gottes erkennen. Ich will den babylonischen Hiob, ägyptische und chinesische Weisheitssprüche, Platon und die griechische Philosophie kennenlernen. Muß Kierkegaard ergründen. Um Weisheit bitten. Hoffe auf die Altersweisheit, dafür lohnt es sich zu leben. Was Dichtung betrifft: Ich hoffe, Gott kann meine eitle Selbstdarstellung zu seiner Ehre verwenden.
Eine deutete an, daß dem alten Goethe verschiedene Frauen zu einer einzigen Idealisier-ten zusammengeflossen wären. Das ist mir neu, ich weiß nicht ob es stimmt, aber das ist vielleicht der einzige Weg, mehr und mehr von den Weibern fortzukommen und zur Idee der Schönheit oder Maria als dem Ewig-Weiblichen hindurchzudringen.
„...er liebte sie mit jener wunderbaren, leidlosen Liebe, welche (ich fühlte es wohl) von allen Wesen dieser Erde einzig dem Dichter vorbehalten ist zu lieben, ihm, welchem kein Mensch zu helfen vermag, weil seine tiefsten Schicksale sich gar nicht im Menschlichen vollziehen, sondern in dem Königreich seiner Dichtung, dort, wo sie gelöst sind von der furchtbaren Bedrängnis des wirklichen Lebens, wo alle Verwirrung und Qual, ja die unge-heuerste Tragik nichts sind als grenzenlose Schönheit, Unberührtheit und flügelndes Glück.“ (LeFort)
31.1.
Romano Guardini, vom Sinn der Schwermut. Der Schwermütige sehnt sich nach absoluter Liebe und Schönheit, die Wirklichkeit ist ihm zu platt. Er hält sich für krank, darum ver-schafft er sich Grund zur Krankheit, zieht das Zerstörerische an. Darum lieb ich immer unglücklich, weil ich keine Wirklichkeit will, bzw. einerseits will und andererseits fast dämonisch mein Unglück will.
Eine Schwester liebt Maria als Mutter, ich will sie aber als himmlische Geliebte verehren, die selige Jungfrau. Unsere Liebe Frau: das macht mich auf das „unsere“ eifersüchtig. Mei-ne Liebe Frau ist meine Madonna Maria, meine Madonna Minne. Vielleicht ist das mehr Eros als Religion, aber ich sehne mich nach der himmlischen Geliebten, der Madonna vom Schwanenteich zu Norden. Aber Liebe zur Madonna ist, zwar unmöglich und ideal, aber wie ich gern glauben will, nicht unerwidert, denn sie ist meine liebste Schwester im Jen-seits. Betet sie für mich?
Gott, ich bin versunken. Dunkel ist in mir, meerisches Brüten des Gemütes, Unaus-sprechliches. In mir ist Blindheit und Geheimnisvolles, für das ich keine Worte finde. Ich bin unendlich einsam. Aber du kennst und verstehst mich. Kann ich mich selbst ergründen? Soll ich es überhaupt versuchen? Ich möchte in einer stillen dunklen Kapelle kommunizie-ren. Tod und Wahnsinn, Herr, Dunkel, Schicksal und Zerrissenheit und die Ungeheuer des Abgrunds: solch ein Buch bräucht ich. Herr, ich schaff es nicht, von mir wegzusehen, mein Auge starrt gebannt in die Rätsel der Tiefe. Ich hätte Sehnsucht nach einem Weisheitsleh-rer. Sehnsucht nach Empfindungen himmlischen Geliebtseins. Daß Maria mir erscheine. Ich bin lebend begraben und warte auf die Auferstehung. Fühle mich so unerlöst, aber du bist mein Erlöser. Sei mir gnädig, lieber Herr.
Mir ist so elend. Gott? Ist nicht nur in ferner Nacht, ist in meinem Herzen und läßt das Kreuz Gestalt gewinnen. Aber wie soll ein Mann ohne Mut, Kraft und Hoffnung das Elend tragen, er, der Gott nicht spürt, nur Gottverlassenheit? Worte wie Dämon und Fluch drän-gen sich in meinen Geist, dabei bin ich Erlöster, Gesegneter des Herrn, Tempel des Heili-gen Geistes. Wie? Ich verstehe nichts von meinem Herzen und nichts von den Wegen des Herrn. Menschen ertrage ich heute nicht, denn sie verstehen mich ja doch nicht. Wenn ich mir selbst ein Rätsel bin, wie sollten mich da Menschen verstehen? Allein Gott erkennt mich. Aber was, wenn er nicht trösten will, sondern Leid bereiten? Aber glaube, meine Seele, dies Leid ist kein Fluch, dies Kreuz ist ein Segen der Gnade!
Alexander Blok, Verse an die Schöne Dame, nachgedichtet. Das ist die selige Jungfrau. Ich denke dem in letzter Zeit sehr nach. Dichtete Spensers Hymne an die Himmlische Schönheit nach.
1.2.
Salomo wählte die Weisheit als Braut, eine Schwester wählte Jesus zum Bräutigam, und ich wähle Maria, die selige Jungfrau, zur Braut? Ist das Wahn oder Glaube?
Es gibt eine Auslegung des Hohenliedes auf Maria und den Heiligen Geist. Maria ist eine keusche Sulamith, ein verschlossener Garten, ein versiegelter Brunnen, ja, aber ist dann auch ihr Schoß ein Kelch, dem nie der Mischwein mangelt? und hüpfen auch ihre Brüste wie Gazellen? und biegen sich auch ihre Schenkel wie Juwelenspangen?
Die Kirche lobt Marias Glauben, wie Sara, Mutter, wie Ruth, Erlöste, wie Ester, Befrei-ung Bringende. Ich nun will allein ihre Schönheit, ihren Liebreiz besingen? Wie Sulamith, Geliebte, wie Rahel, Geliebte? Im Stammbaum Jesu stehen Tamar, Rahab, Ruth die Moa-biterin und Bathseba. Ist Maria sündlos gewesen? Hatte Jesus leibliche Brüder oder nur Vettern? Blieb Maria nach der Geburt Jesu Jungfrau? Als ich die Elegie um die Ver-schwundene schrieb, pries ich aus der Doxologie Mariens die reine Jungfrau, nicht die Mutter. Ich nahm Esther und Ruth und Sulamith, nicht die Stammutter Sara. Rahel die himmlische, Lea die irdische Liebe. Rahel gerühmt durch ihren Tod bei der Geburt Benja-mins bei Bethlehem. Ich bin Benjamin. Ist „Himmelskönigin“ nicht ein Titel der Aschera, vor deren Verehrung Jeremia warnt? Ist Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufge-nommen worden?
Dante nachgereimt. Francesca, Mathilde, Beatrice, Jungfrau Maria, Gott. - In der Jugend singt man Venus, in der Reife Maria, im Alter Gott.
2.2.
Mariä Lichtmeß. Suchte vergeblich Botticellis Madonna mit dem Granatapfel. Ein Autor zog über Botticelli und die Renaissance her, es sei eine Mischung aus Maria und Venus, Mythos und Christentum, das gleiche Modell diente zur Venus und zur Madonna, bei Bot-ticelli mit einem melancholischen Liebreiz (was mir doch so gut gefällt). Raffael war ein großer Liebhaber der Frauen, ohne sie konnte er nicht arbeiten.
LeFort, Die Ewige Frau. Maria immerwährende Jungfrau, das Bild der Hingabe von Er-de, Kreatur, Weib und Kirche. Die nicht völlig verderbte Kreatur ist zur „Miterlösung“ aufgerufen, d.h. zur Hingabe an Gott, zum „mir geschehe nach des Herrn Willen“. In dem Sinne steht jede Bekehrung im Zeichen Mariens: Überwältigung, Überschattung durch den Geist, demütige Hingabe. Geburt des Logos im Herzen. Die Jungfrau spart sich ganz für die Hingabe an das Mysterium der Liebe auf: Antigone und Iphigenie, die germanische Seherin, Maria, die heiligen Jungfrauen. Jungfräulichkeit als Idee des ganz seinem Werk ergebenen Dichters (Priesters). Im Sichselbstaussagen des charismatischen oder berufenen Dichters schimmert über sein Ich-Sagen hinaus noch das Charisma, der Wille des berufen-den Schöpfers durch. Maria wird genannt „Mutter der schönen Liebe“, die Magd Gottes als Voraussetzung zur Königin des Himmels. In Maria ist die Entrückung, Verklärung des Gläubigen prophetisch vorweggenommen. Das Wesen der Frau ist ihr Schleier, Braut und Witwe und Nonne sind verschleiert. Alles andere ist Bloßstellung. Die Frau ist nicht zur Selbstverherrlichung, sondern zur Hingabe bestimmt. Die Mütter leben ihre Begabung nicht selbst, sondern schenken sie dem genialen Sohn. Marias Glorie ist nicht die einer selbstherrlichen Göttin, sondern sie wird überglänzt vom Sohn, der Gott ist, dessen Tochter sie ist. Doxologie Mariens geht in Lobpreis des Agnus Dei über. Weihnacht wurde an die Jungfrau Maria verkündigt, Ostern an Maria Magdalena. Der Schleier und die Krone der Regina Coeli ist Gottes Liebe, das Mysterium Caritatis. Die Musen waren Jungfrauen. Evas Abfall war nicht Sinnlichkeit oder ein Sinken zur Erde, sondern daß sie selbst wie Gott sein wollte, das heißt selbstherrlich und nicht mehr dem Ewigweiblichen gemäß Hingabe. Das hinanziehende Ewigweibliche führt zum Ewiggöttlichen. Selbst die sinnlich hingege-bene Frau ist Hingabe und damit marianisch. In gebrochenen Schatten deutet sich das Bild Mariens an, sie selbst aber ist die Sündlose, das unentweihte Ebenbild Gottes, die ungefal-lene Kreatur in ihrer völligen Hingabe an den Vater, den Herrn, überschattet und gesegnet vom Geist, überglänzt vom Sohn in seiner Glorie und seinen Todesleiden. Insofern Maria Mutter Christi in seinen Todesleiden ist, ist sie Mutter der Schmerzen, Mutter der Sterben-den und apokalyptische Madonna der sterbenden Erde. Noch wenn sie, mit Leib und Seele aufgenommen, von Christus im Himmel gekrönt wird, neigt sie sich demütig vor ihm. Der letzte Gesang der Göttlichen Komödie beginnt mit einer Anrufung der verherrlichten Maria und geht über in das Licht der Dreieinigkeit, das sie überglänzt, in welchem Licht das Ant-litz des Menschensohnes erscheint. Das letzte Wort ist: die Liebe. Was aber bedeutet die Verherrlichung der Frau, wenn sie nicht zur Selbstverherrlichung berufen ist? Dante gab sich Beatrice hin, die ihn zur Mystischen Rose führte, bis alles vom Licht Gottes über-strahlt wurde. Der Katholik wendet sich an Maria: Und führe uns zur Frucht deines Leibes, Jesus. Der Rosenkranz ist eine Meditation über das Evangelium der Erlösung. Die Doxolo-gie Mariens ist eine Reflexion der Heilsgeschichte. Sie ist die schöne Ruth und legt sich zu Füßen des Lösers. Virgo, sponsa, mater. Ist Maria mir - sponsa? Ist sie doch die sponsa des Heiligen Geistes. Maria ist virgo mater, Maria ist sponsa des Heiligen Geistes, den sie am Pfingsttag empfing, den Geist der Schöpfung und Geist der Liebe. Beatrice, Diotima, Frau von Stein: Geistige Hochzeit. Die Frau wird „erkannt“ als sich Hingebende. In ihr erkennt der Mann die andere Seite der Totalität, nur durch Erkenntnis der Totalität der göttlichen Schöpfung kann er den einigen Gott lobpreisen. Die Geliebte dichtet durch ihr Wesen mit, ist Mitschöpferin, Offenbarerin der anderen Welt, sie ist als Muse eigentlich Inspirrierende. Nur in Liebe kann der Dichter sie erkennen, er ringt so leidenschaftlich nach ihrer Wieder-liebe, weil sie mit ihrer Liebe und Hingabe ihm eine ganze Welt bringen würde. In diesem tieferen Sinn ist all mein leidenschaftliches Werben um die Geliebte ein Werben ums Ma-rianische. Die religiöse Freundschaft des Franz von Assissi mit der heiligen Klara, des Jo-hannes vom Kreuz mit der heilige Theresia von Avila. In der deutschen Geniezeit und in der ottonischen Zeit blühte die Kultur der Huldigung an das Weibliche. Allein streng Männliches ist unfruchtbar. Mysterium caritatis ist bei Dante wie bei Hoffmann, göttlich oder dämonisch, das gleiche Mysterium, die gleiche Totalität des Seins herstellend. Die Erkenntnis des Weiblichen ist abhängig von der Höhe des Schauenden wie des Geschauten. „Das Bild, das der schöpferische Mann von ihr hinstellt, es ist (in seiner Erhöhung, wie in seiner Erniedrigung) eben das Bild, das sie ihm darreicht!“ In der anonym mitschaffenden Frau erfährt der schaffende Mann, daß etwas Größeres eigentlich schafft, das Leben, oder Gott. Der Dichter ist empfangend wie eine Frau. Die Geliebte oder Muse verweist auf das über dem Dichter Stehende. Die Braut des Mannes (wenn auch nur ersehnte oder geistige Braut) ist auch Braut Christi. Maria weist hin auf Inkarnation, Golgatha, Himmelreich und Kirche.
Die schönste Mater Dolorosa die ich sah, ist die Pieta Michelangelos, ganz die Anmut der Jungfrau. „Die sponsa, welche die virgo und die mater vor dem Antlitz des Mannes vertritt, sie vertritt auch vor ihm die virgo-mater, sie vertritt das Marientum in Leben und Werk des Mannes, sie stellt es als die eine Hälfte seiner Wirklichkeit dar.“
Über die Kirche: „Denn die höchste Vernunft spricht ja nicht die dürre Sprache des blo-ßen Verstandes, sondern sie spricht die Sprache ihrer Mutter, der Liebe, welche der Anfang ist aller Dinge und darum auch der Anfang aller Erkenntnis.“ Die Fundamentalisten schla-gen mich mit Bibelsprüchen tot. Häresie ist einseitige Übertreibung, etwa Biblizismus.
3.2.
Im Geist bin ich Katholik, glaube an die heilige Eucharistie, die selige Jungfrau Maria, gehe gern in die Kirche wie nach Rom. Nur fürcht ich mich vor dem Schritt der förmlichen Konversion, da ich schon oft von Gemeinde zu Gemeinde wechselte, in die Kirche aber nur eintreten mag, wenn ich sie nicht nach zwei Jahren wieder verlasse. Der Protestantismus hat biblisches Wissen, die römische Kirche göttliche Weisheit. Fragte Maria, ob sie mir sponsa oder mater sein wolle. Verzehre das Sakrament sehr bewußt, es ist mir Speise der Seele, die mich wunderbar verwandelt.
In diesen Tagen, wo ich sehr verliebt in Maria bin, fühl ich mich sehr versöhnt mit Gott. Ich nannte sie Madonna Minne. Die Kirche nennt sie Mutter der schönen Liebe, und die schöne Liebe ist Gottes Liebe in Jesus Christus.
In protestantische Gemeinden kann man ein- und austreten. Die katholische Kirche ist ein heiliges Geheimnis, dem man sich nur ganz anvertrauen kann. Zur Zeit bin ich ihr sie liebendes Stiefkind; mit einem Fuß in und mit einem Fuß außerhalb ihres Tempels. Ich kann meinen Glauben nicht mit der Ratio aussagen und in kein deutliches Bekenntnis fas-sen. Den Nichtchristen kann ich nicht mehr dies oder das bekennen, ich will für sie nur ein „Medium“ der Liebe Gottes werden. Ihre Gotteslästerungen betrüben mich sehr, und ich bitte Gott, mir Liebe für sie zu schenken.
Eine Kerze anzündend, wußte ich Maria nur zu sagen, daß ich sie liebe. O sponsa mea, virgo caritates! O Madonna der Minne, Mutter der schönen Liebe! LeFort schreibt, die See-le liebt Gott mit der Liebe, der Geist liebt Gott mit dem Gebet. Ich weiß nicht zu Maria zu beten, aber meine Seele liebt sie. Es ist ein mächtiger schöner Ausdruck ihrer heiligen Jungfrauschaft in mir und um mich.
LeFort: „Ich wußte, was er meinte, denn zu ihm waren doch die Dinge sonst nur in der Scheingestalt der Dichtung gekommen: in der Dichtung, da hatten sie sich ausleben dürfen, wenn sie nur ihn selbst in Frieden ließen.“
4.2.
Die immerwährende Jungfrau ist die Idee der Schönheit, auch noch als Pieta, nicht zerris-senen Angesichtes, sondern die Schönheit einer bodenlosen Melancholie und Schicksalser-gebenheit. Sie als Gloriana, Jungfrau Königin, Urania Christi.
Dante verherrlichte vor allem Beatrice, sie wies ihn durch Bernhard auf die Madonna, deren Gebet ihn Gott schauen ließ. Novalis’ Blaue Blume war Mathilde, aber die Madonna sprach zu ihm mit Mathildes Stimme. Petrarcas Lob der triumphierenden Laura mündete in das Lob Mariens und Christi. Sicher hatte Sophie Mereau für Clemens Brentano etwas Ma-rianisches. Sie war die Geliebte mit den Zügen seiner Mutter: virgo-mater als sponsa... Auch Spenser war auf protestantische Weise marianisch.
Vor meiner Phantasie seh ich Maria, in deren Madonnenmantel ich eingehüllt bin, aber nicht allein ich, sondern der ganze nächtliche Kosmos. Ich sehe auch eine alte Kirche, in-nen dunkel, aber erfüllt von einem goldenen Glanz vieler Kerzen.
Maria, du ewiges Weib, so gnädig, so sanft und süß, sei barmherzig mit einem Leiden-den, der dich liebt, einem lebensmüden! Erscheine in deiner vollen reinen himmlischen Schönheit, mit dem Liebreiz deines Angesichtes, winde mich in dein Haar und laß mich küssen deine Brüste. Laß meine Seele in dir aufgehen, mein ganzes sterbliches Sein in dei-nen Armen ruhen. Du wehst im weißen Schleier und weißen Gewande durch meine innere Landschaft. Deine Blicke sind so weich und voller Traum der Seele, zuhause ist deine See-le in der unsichtbaren Welt. Deine Augen sind wie das Meer, wie das Licht des Mondes. Den roten Mantel umgelegt, erscheinst du in deiner zarten Holdseligkeit, im Glauben von der Liebe Gottes redend. Du bist Braut des Heiligen Geistes, überwältigt vom Feuer des Charismas. Du bist mit betörend süßer Stimme Lobpreiserin Gottes, indem deine Seele über ihre Seligkeit in Gott jubelt. Du bist die Schmerzensreiche, die den Sohn anschaut am Kreuz und in deren Schoß der tote Christus niedergelegt wurde. Aber durch seine Aufer-stehung wurdest du in den Himmel entrückt, wo die Engel dich zu deinem Throne führten und Christus dir die Krone des ewigen Lebens aufsetzte. Von dort erscheine mit deiner jungfräulichen, bräutlichen und schwesterlich-mütterlichen Liebe dem dich Liebenden, erscheine überglänzt vom Glanz Gottes, und führe mich zu deinem Sohn, dem Sohne Got-tes, deines und meines Vaters.
5.2.
Mechthild von Magdeburg: Seele, willst du dich betten in Sankt Maria Magdalenas Liebes-tränen?
8.2.
Theophanie.
„Der Herr hat mir als Lohn eine neue Zunge gegeben, damit will ich ihn loben.“ (Jesus Sirach, 51,30)
ZWEITER TEIL
„Maria, Königin meines Herzens, Liebe Frau, lebe in meinem Herzen. Ich weihe dir alles, was in mir der Liebe fähig ist, und sei es auch nur ein Tropfen.“ (Bruder Ephraim)
9.2.2001
Meine Irrfahrt ist abgeschlossen, ich bin nun ein katholischer Poet. Ich will in den Fußtapfen Jesu wandeln. Klopstock war ein heiliger Mann. Und du, o schöne liebe mütterliche Mutter, führe mein Leben und wandle es in ein Magnificat, in einen Psalter. Meine Seele preist den Herrn! Gebe Gott, daß Mir. mir ein Echo sanfter Schwesterliebe wiedergibt. Heut ist ein Tag des Auferstandenen: Christus ist auferstanden, Halleluja, Er lebt! „Wie eine Perle, wertvoll und kostbar, ein Schatz, für den man alles gibt.“ Christus sprach in dem Sinne, ich solle mich von der Kirche in Erziehung nehmen lassen. Er weihte mich ein ins Allerheiligste Altarsakrament und die Verehrung Seiner Mutter. Darum bin ich Katholik. Da Er da in solcher Theophanie bestimmte, könnte ich zweifeln? Ich zähle mich nicht zu einer von dreihundert Kirchen, sondern zur Einen, Ecclesia Catholica, deren Adventsdichter Vergild war. Petrinische, marianische und im wesentlichen jesuanische Frömmigkeit gilt es zu ergründen. Mein Leben sei ein Opfer für Christus. Und ich will barmherzig sein. Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! Herr, laß uns drei Hütten bauen, Mose eine und Elia eine und dir eine. Aber die Stimme erscholl: Dies ist mein lieber Sohn, Ihn sollt ihr hören. Und Petrus schaute als Träumer die Verklärung Christi. Und Christus ging allein in den Ölgarten, und Petrus schlummerte mit den Donnersöhnen. Und Satan begehrte Petrus zu sieben wie den Weizen, aber der Herr hat gebetet, daß Petri Glaube nicht aufhört. Und Petrus versprach als Erster, und alle taten es ihm nach: Und wenn ich mit dir sterben müßte, ich wollte dich nicht verleugnen. Hab ich in meinem Leben Christus geleugnet? Herr, geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch! Der Herr sprach: Wirf deine Netze aus, diese Nacht wirst du Fische fangen. Und die Boote sanken fast vor Überfülle. Ich mache dich zum Menschenfischer. Bin ich als Poet Menschenfischer? Sollen sie zappeln in den Netzen meiner Reime! Und Schlüsselübergabe. Und Stuhl Petri. Der heilsame Schatte des Petrus. Der Brief vom Leiden und der kommenden Glückseligkeit, meine Theologie. Ich will ernst machen mit der ganzen Kirche nach dieser Theophanie. Christus zeugte in mir die Sehnsucht nach der Absolution. Ich will Gott bitten um das Charisma der Ehelosigkeit. Poet der Mutter im Dienste Gottes will ich sein. Das ist eine Gnade und Ehre, und weil es eine Gnade ist, muß man demütig sein wie die Mutter Maria. Ich werde mich vor dem Gericht des Wortes für alle meine Worte zu rechtfertigen haben.
10.2.
Sie sagten von Jesus, er sei „von Sinnen“, so war ich die Tage nach der Theophanie von Sinnen.
13.2.
Paulinius trägt Agnes von Rom den Smaragdring an. Sankt Agnes in langem weißem Gewand, unstofflich, mit goldener Krone, von schöner Gestalt, eine Jungfrau so erhaben, daß man sie Königin nennen möchte.
14.2.
„Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und verleugne sich selbst!“
Lese mit ehrfürchtiger Liebe und tiefer Belehrung die Oden des Propheten-Poeten Klopstock.
19.2.
Salomes Tanz um das Haupt des Täufers.
Hütete den Säugling, er schlief auf meiner Schulter ein, nachdem er an meinem Hals wie an einer Brust gesogen. Es war so schön, ich konnte es nicht ertragen! Er hat wasserblaue Augen und so ein weiches breites Näschen.
Sankt Peter Hille Buch. Will über Petrus schreiben. Liebe ihn wie einen starken geistigen Vater.
Ich bin der greise Simeon, auf dessen Schulter der Heiland einschlief. Es ist schön, katholisch zu sein.
In Elses Buch sagt Petrus: „Du wirst meinem Angedenken einen Thron bereiten.“
27.2.
„Aus der siebenten Generation nach Kain kam die erste uns aus der Bibel bekannte Dichtung, die des Lamech über seine Mordtat.“ Danach wurden Saiten- und Blasinstrumente erfunden. Ich glaube aber, daß das Reden Adams im Paradies Poesie war, Idee der Poesie sozusagen. „Und Lamech sprach zu seinen Frauen: Ada und Zilla! höret meine Rede, ihr Weiber Lamechs, merket auf, was ich sage: Einen Mann erschlug ich für meine Wunde und einen Jüngling für meine Beule.“ Ada war die Mutter von Jubal, von ihm stammen die Zither- und Flötenspieler. Zilla gebar die Naama.
Lutherisches Flugblatt: „... wie das griechische Wort für Bruder (adelphos). Letzteres kann auch Vetter heißen. Daher die unlösbare Frage, ob Jesus Brüder oder nur Vettern hatte.“
Es waren so überwältigend wunderschöne Frauen in der Universität, alles Modelle für Venus-Madonnen. Schmerzlich schön! nur wollen sie nicht küssen!
Kopierte Bilder von Klopstock (er allein) und Dante (knieend neben der stehenden Beatrice vor Christus inmitten Paulus und Petrus).
4.3.
Milan Kundera: Der Schriftsteller ist von zwei, drei Obsessionen bestimmt, darum wiederholt er sich.
10.3.
Aus der heiligen Messe komm ich voller Liebe. Raffael malte die Madonna Diotalevi. Vielleicht kann ich eine Magd Gottes mit Kind noch schaffen. - Mein Herz war die Schlange. Die Geliebte war sanft, demütig, liebevoll, hilfsbereit, dienend.
Rilke: „Und jetzt bist du diese ganze Stille. / Doch mein Aufblick wird dich immer wieder / sammeln in den lieben: Deinen Körper.“ (Lulu)
Sie ist Magdalena die Lauscherin, Martha die Dienerin, Maria die erschrockene Erde. Oder sie ist Meschiane, in der persischen Mythologie blühend im Baum als Same in Vereinigung mit Meschia (Adam), die ersten Menschen. Oder sie ist Morpho, Venus als Vollenderin den Gestalten vorstehend.
11.3.
Träumte von einem Buch Reinhold Schneiders über die Muttergottes. Einer wollte eine Bibel kaufen. Träumte von Maria im Jahre drei nach Christi Geburt. Aß eine Suppe, aber nicht das Lammfleisch darin, des Fastens wegen.
Maria! Mutter und Jungfrau, Liebe Frau und Himmelskönigin, komm du zu mir mit sanfter Demut und Gottesliebe. Lehr mich lieben, Madonna. Und segne meine stille Einsamkeit, sie soll zu deinem Minnelob und Gottes Preis sein. O Maria, du Reine, komm du zu mir.
Ein wunderschönes Bild von Tizian: Maria Assunta, Marien Himmelfahrt, so lauter Rot der Liebe!
21.3.
Gott sprach zu Jeremia: Wenn du Edles redest und nicht Gemeindes, sollst du weiter mein Mund sein.
22.3.
Die Missionare um Sankt Patrick nahmen den Druidenglauben auf und deuteten ihn um und weihten ihn, sie sahen viele Verwandschaft. Christentum ist nicht das Nein zu aller religiösen Sehnsucht, sondern Heimat, Erfüllung, Vollendung.
Tao mildert mein Glänzen und eint mich meinem Staube.
23.3.
Auch Lao Tse war ein Prophet, er gab mir gestern abend etwas Frieden. Der Heilige Geist spricht zu mir auch durch Lao Tse und apokryphe Jesus-Worte.
24.3.
Lese italienische Poesie. Dante höher als Petrarca. Lese Vita Nuova
26.3.
Marien Verkündigung. Gestern vorm Einschlafen sah ich die Bucht von Petra tou Romiou und eine geistig erhabene Venus: Ich bin die große Königin! Im Schlaf heute nachmittag fasste ich alle Träume von vielen Frauen und Venus und Minerva der letzten Tage zusammen in einem einzigen Buchstaben: M, das Ewig-Weibliche.
Gespräch mit einer Freundin. Ich liebe das Ewigweibliche, sprach von Frau von Stein und Diotima, die Frau als geistige Braut. Darum sei auch die Doktorarbeit so knöchern, tot, unlebendig, weil es ohne Rücksicht auf das Weibliche entstand, darum lieb ich auch das Glasperlenspiel nicht, weil es allein die männliche Welt der Vernunft ist. Weisheit, du bist ein Weib. Darum lieb ich Lao Tse. Darum lieb ich Maria. Alle hohe Poesie entstand durch die Befruchtung durch Frauen.
Die letzte Zeit wehte der Geist, lehrte mich mein Engel, sprach Gott zu mir. Jetzt ist alles tot und nüchtern. Die Bücher raunen nicht mehr bedeutungsvoll, die Bibel bleibt kalt und stumm, mitten in der Nacht ist es wie sachlicher Tag. Vielleicht, und diese Erfahrung kommt von Gott, soll ich geerdet werden? Idee, Litaneien zu schreiben. Will über Maria von Frankreich schreiben.
27.3.
Las am frühen Morgen wunderschöne Gebete an Maria in den schönen Gedichten von Charles Péguy, katholischem Dichter von Anfang des 20. Jhd. Im frühen Sonnenschein ging ich im Wäldchen und besprach mich mit Königin Maria.
„Das Dekret des Trienter Konzils verbietet auch nicht, zum Gebrauch und Nutzen der Gläubigen und zum leichteren Verständnis der Worte Gottes Übersetzungen in der Muttersprache anzufertigen, wie es, mit Billigung der kirchlichen Autorität, schon vielerorts, wie Wir wissen, löblicherweise geschehen ist.“ (Pius XII)
30.3.
Minnesang gelesen.
2.4.
Traum von einem Traum oder einem Buch, das ich schrieb, das legte Gottes Wort mir aus, da sah ich Bilder und hörte Worte von allerschönsten Engeln, hörte Maria oder die mütterliche Weisheit reden, sah Kerzen: Komm herein! Mit einem gewaltigen Donnerschlag erwachte ich.
3.4.
Franz Liszt in einem Film: Ich bin halb Zigeuner, halb Priester. Wenn ich einsam bin, sehn ich mich nach der Welt, bin ich in der Welt, sehn ich mich nach der Abgeschiedenheit eines Klosters. Durch mein Talent muß ich der Musik dienen, wie ich Gott dienen möchte, mit Hingabe, Demut und ohne Eitelkeit. Wenn ich so der Musik diene, habe ich auch Gott gedient.
4.4.
Las Mittags Briefe von Petrarca über die Provence. Schrieb drei Strophen an La France: In der Provence möcht ich am liebsten leben. Petrarca berichtet von manchem Mann, der durch Familiensorge in seiner geistigen Entwicklung gehemmt worden ist. Sich ganz einem Dienst an Gott widmen, dazu braucht man Ehelosigkeit. Auch lobt Petrarca die Einsamkeit. Aber heute möcht ich menschliche Sympathie oder gar Liebe fühlen.
Goethe späte Gedichte. Sehne mich nach Weisheit. - Mit dem Petrus-Epos begonnen, 17 Stanzen über die Weisheit.
13.4.
Karfreitag. Päpstlicher Kreuzweg: Wenn wir am elendsten, verachtetsten, verlassensten sind, ist Gott uns am nächsten. Das erfuhr ich als tiefses Paradox des Kreuzes im Jahr 1994 und im Jahr 2000.
Herr, mein Gott, du Hort aller wahren Weisheit, ich sehne mich, deine Geheimnisse noch tiefer zu erforschen, deine Weisheit noch tiefer zu erkennen, deine heilige Caritas noch heiliger und hingebungsvoller zu leben. Herr, ich möchte eine dauerhafte geistige Heimat in der katholischen Kirche finden und darin auch eine Heimat all dessen, was ich in meinem protestantischen Leben an Gutem und Hohem gewonnen habe. Ich möchte dir dienen mit meiner Poesie. Ich sehne mich nach der Schönheit der Weisheit. Ich bitte dich, mir das Charisma der Ehelosigkeit bis in die Seele zu geben. Durch Christus, deinen Sohn und meinen Herrn, Amen.
Keiner war so weise wie Salomo, doch die Frauen machten ihn zum Toren, daß er in Verzweiflung starb.
14.4.
Schneider fragte, ob nicht das dichterische Spiel, der künstlerische Schein in gewisser Weise gegen die heilige Wahrheit sei. Petrarca wandte sich den Geisteswissenschaften zu. Paul Claudel, den ich noch kennenlernen muß, wandte sich von der Poesie zur Bibelbetrachtung. Brentano wandte sich von Godwi, Märchen und Romanzen ab und wandte sich Schwester Emmerich und dem Kirchenlied zu.
Mitternachtsmesse. Sehr feierlich, andächtig. In allen, gerade auch in den Häßlichen, das Schöne und Liebenswerte sehen. Die Schönheit der Liebe Gottes, der Nächstenliebe. Nur weil der Herr erstanden ist, ist unser Glaube wahr. Er wirkt, er wirkte in Franziskus, der in jedem Verachteten die Person Christi sah und darum die Welt verlassen hatte. Bitte für mich, heilige Maria Magdalena, die der Herr „von dämonischer Schwermut erlöst und zur Osterfreue befreit hat“. Ich wurde mit Taufwasser besprengt. Meine Osterkerze ward von einem Engel von Mädchen entzündet, die ihr Licht an der Feuersäule entzündet hatte. Ich bekam von Christus eine rote Rose geschenkt. Das „Agape-Mahl“ anschließend war wie in den Freikirchen und auf Partys schrecklich: alle wussten sich zu lieben und miteinander zu lachen, ich stand abseits mit meinem Rotwein, der Pfarrer begrüßte mich und mußte weiter, ich ging traurig. Die Evangelikalen fragen mich immer nach „Gemeinschaft“, ich bin dazu nicht tauglich. Ich will einen Priester, der mich leitet, einen christlichen Freund, dem ich vieles Persönliches sagen kann, und zwei Freundinnen mit Kindern, die mich mögen und mir Tee oder Essen bereiten. Aber ich möchte mich auch in Liebe betten, bin aber zur Einsamkeit bestimmt. Ich wünschte, daß Oma da wäre und mich zu Bett brächte. Ich muß mir an der Liebe Jesu genügen lassen. Diese rote Rose ist allein Zeichen seiner Liebe zu mir. Ihn will ich lieben. Ich bin ein einsames Opfer für Gott. Ich will sterben. Sankt Magdalena, bitte für mich, Sankt Maria, bitte für mich, Sankt Augustin, bitte für mich, Sankt Agnes, bitte für mich.
Ich habe eine Melancholie, einen stillen Schmerz in meiner Seele diese Nacht. Wo ist denn die Osterfreude? Ich wäre gern beim Herrn, in dieser Welt gibt es nur Zwiespalt und Zerrissenheit, Rätsel und Ratlosigkeit, Ohnmacht und Hilflosigkeit, Einsamkeit und Schwermut. Die kirchlichen Hochfeste von Weihnachten und Ostern brechen sich in meiner dann vermehrten Schwermut. Ich sehne mich nach Licht und Liebe, aber es ist dunkel, und alle sind wir erbärmlich arm an Liebe. Ich bin einsam, Gott ist nicht spürbar. Ich bin erst zufrieden, wenn ich in Marien Armen ruhe. Keine andere Frau als Sankt Marien kann mir geben, was ich brauche. Nun in Gott find ich Ruhe, aber bin ich in Gott? Warum hab ich keine Ruhe, nur Angst und Getriebensein und Zerrissenheit?
15.4.
Ostersonntag. Menschen kommen und gehen, einsam pilgere ich durchs Erdental, nur Jesus wird immer bei mir bleiben! Ach ich elender Mensch, dem keine Osterfreude beschert ist und der nicht weiß warum. Pflücke den Tag! Morgen bin ich vielleicht tot, das wäre nicht das Schlechteste.
17.4.
Verlaine-Gedichte. Nach seiner Bekehrung zur katholischen Kirche ward er 20 Jahre lang zwischen Eros und Religion, Orgie und Gebet hin- und her-getrieben, starb schließlich im Haus einer Hure, die den verelendeten Herumtreiber aufgenommen hatte.
Perelandra, die grüne Eva des Morgensternes ist eine „Göttin, nackt, schön, ohne Scham, ihr Gesicht wie in einer kühlen Kirche eine Madonne, sie kann tanzen wie eine Mänade und forteilen wie eine Artemis“, das vollkommene Weib. (Lewis)
18.4.
Einerseits ist der Dichter, der sich ganz seinem Werk hingeben will, wie ein Priester notwendig Jungfrau, andererseits ist er aufgerichtet auf die geliebte Muse, deren Liebe er begehrt, weil sie ihm die Totalität der Schöpfung einbringt. Ein reiner Widerspruch, oh Rose: Lust, niemandes Schlaf zu sein unter sovielen Lidern.
Hebbels Judith, alttestamentliche Sprachgewalt über eine jungfräuliche Retterin.
19.4.
„Denn die Welt ist schön zu begehren und schal zu begreifen“ (Gertrud Kolmar).
Eine große Tafel mit Bildern gemacht: Dürers Adam und Eva, daneben sinnende Magdalena mit Büchern und Kerze und Totenschädel, darüber ein energischer Petruskopf neben einem Marienkopf aus einer Kreuzigung, darüber eine zyprische Gottesmutter und Tizians Himmelfahrt Mariens, zu Seiten der Marien die Magdalena von der Kreuzabnahme Botticellis und die büßende Magdalena Tizians im losen Kleid, über allem in der Mitte ragend ein Kreuztragender Christus vermutlich von Dürer.
22.4.
Siehe, viel Wissen erforscht ich und manche Kunde lernte ich und siehe, das war eitel Haschen nach Wind und vergebliches Seufzen des Geistes. So gehe hin und liebe deine Mitmenschen, sei barmherzig mit ihnen und wende dich ihnen zu in Demut, Aufrichtigkeit und kindlicher Herzlichkeit. Wo viel Wissen ist, ist viel Hochmut.
25.4.
Dogmatische Aussagen zur Evolution liegen noch nicht vor. Die Kirche hält fest an der Schöpfung des Himmels und der Erde, der geistigen Engelwelt und der körperlichen materiellen Welt und des Menschen aus Leib und geistiger Seele durch Gott, hält fest am Urzustand und am Sündenfall. Allerdings wird bezweifelt daß Genesis 1 und 2 ein geschichtlicher Bericht ist und nicht eher eine poetische Hymne, in literarischer Form mosaischer Zeit die ewigen Wahrheiten verkündend.
Warum hat wohl, wie ich hörte, der alte Brentano die Romanzen vom Rosenkranz verworfen? Sie sind doch fromm, Gott, Christus, Maria, die Messe, die Buße geliebt, Wollust und Magie und Teufel gehasst, dazu sehr schöne Verse, auch ein schönes Hoheslied Biondettens. Ist es, daß das Alter so sehr Weisheit oder Religion will, daß es die Kinderspiele der Poesie nicht mehr wertschätzt? So Petrarca mit seinen Sonetten, Tolstoi mit seinen Romanen.
26.4.
Gertrud Kolmar: „Du weißt von unsrer Scheinromantik nichts, die uns am Tage des Gerichts verläßt, und nichts von goldgetünchten Idealen.“
Die Seele ist eine, nicht zwei, nicht eine geistige und eine sinnliche Seele hat der Mensch. Die Natur ist gut von Gott geschaffen, er offenbart in ihr seine Macht und Herrlichkeit und Weisheit, vor allem im menschlichen Leib.
27.4.
Adam im Paradies besaß immer die Herrschaft seiner Vernunft über seine Begierlichkeit, besaß keine böse Begierlichkeit. In der Wiedergeburt in der Taufe wird die Erbsünde ganz vom Gotteskinde genommen, die verbleibende Begierlichkeit ist keine Sünde, macht aber zur Sünde geneigt. Ach daß uns manchmal die leibliche Begierlichkeit herrscht über die Vernunft der Seele!
28.4.
Heute las ich vom Primat des Papstes. Christus ist der Fels, Petrus ist auch der Fels, ihm ist der Schlüssel gegeben, er ist zum Hirten der Herde eingesetzt, er war Bischof von Rom und weihte den römischen Bischofssitz mit seinem Blut, alle römischen Bischöfe sind seine Nachfolger und damit die Hirten der ganzen Herde.
Wie gewann denn Venus vor Juno und Minerva den Preis? Sie ließ ihr Gewand fallen!
1.5.
Marien-Tag. Betete die Lauretanische Litanei. Trank mit der Freundin eine Flasche Wein „von der Insel der Aphrodite“. Betete dem Säugling vor, Credo und Vaterunser, Gebet zu seinem Schutzengel. Saugte an seinem Ohrläppchen, was ihm gut gefiel. Sang ihm vor Ma-Ma-Maria und Li-la-lei.
2.5.
Maria ist „schwarz und schön“, sie ist Brückenbauerin zwischen den Kulturen. Nicht das Entweder-Oder des religiösen Holocaust gilt, sondern das Sowohl-als-auch. So gibt es Schwarze Madonnen zu Recht. Ich denke an die Guan Yin. Katholische Mönche begegnen buddhistischen Mönchen. Ich denke an eine Widmung Chinas an die Mutter der Barmherzigkeit.
Asketen: „Sie sind keusch aus Bewunderung der Weisheit und aus Liebe zu ihr, und sie begehren so sehr, ihr Leben mit der Weisheit zu verbringen, daß sie den Freuden des Leibes gegenüber gleichgültig sind.“
„Wie im Osten, so auch im Westen wetteiferten Dichter darin, immer neue Bezeichnungen für Maria zu erfinden.“
„Ich würde lieber in Richtung Überschwang irren und ihr übertriebene Vorzüge zuschreiben, als in Richtung von zuwenig und ihr eine Größe absprechen, die sie womöglich hat.“
3.5.
Ich muß allein sein, dann bin ich nicht mehr so einsam. „Bei Musik und Speisen bleiben sie stehen, aber vom Tao will keiner hören. Ich allein bin elend, aber ich ehre die nährende Mutter.“ Lao Tse. Ich habe das Gefühl, ein neues Leben, ein neues Glaubensleben, ein neues Lieben und Fühlen und Denken beginnt, alle alten Bekanntschaften fallen ab, keiner will mich begleiten in mein neues Leben, ja, es merkt ja nicht einmal jemand. Ich habe nicht-mehr-mitteilbare Gedanken und Gefühle. Meine Einsamkeit wird zunehmen.
Nicht mehr säkularisierten Mariendienst (hohe Minne) will ich, sondern religiösen Mariendienst. Ich will mich der Weisheit als Braut vermählen. Soll ich, wie Franziskus Frau Armut wählte, Frau Einsamkeit wählen? Sie ist doch die Magd der Frau Weisheit. Ach ich würde gern jetzt schon in den Schoß der Kirche. Ich habe Sehnsucht nach Beichte und Firmung. Ich habe Sehnsucht nach Marien Gemeinschaft. Ich brauche zu meinem Heil das Ursakrament der Kirche. Die katholische, heilige, apostolische Kirche ist der Leib Christi, der mystische, ich will kein abgetrenntes Glied sein. Ich will heim zu meiner Mutter, die mich auch im tiefsten Protestantismus nicht ließ, darum der häretische Schoß der Morgenröte, der protestantisch-polemische, aber doch irgendwie marianische.
4.5.
Eine sagte, Johannes vom Kreuz habe auch sehr vollkommene mystische Gedichte geschrieben. Die muß ich einmal lesen. Seine mystische Prosa sei kaum verständlich, sei eine Kommentierung seiner Gedichte. Sie liest Vita Nuova auf italienisch. Sie erwähnte, daß der alte Petrarca seine Liebessonette vernichtet haben wollte. Allgemein wird sein Canzoniere als sein Meisterwerk angesehen, aber ich habe Sehnsucht nach seinen Weisheitsschriften, nach den Gesprächen über die Weltverachtung. Welchen Sinn hat das Schmachten des Canzoniere? War Laura mehr als eine nur schöne Frau? Hätte er einen Canzoniere für die Jungfrau Maria geschrieben! LeFort sagt, der Dichter brauche das Weib. Ich glaube das. Muß das ein irdisches, sichtbares Weib sein? oder kann das auch Maria sein? Ich sagte der Schwester, ich wolle ein Marien-Minnesänger werden.
5.5.
Was ist das für eine Änderung meines Lebens, die ich nicht mitteilen kann? Ist es das Überzeugtsein von der Wahrheit des katholischen Glaubens in seiner mystischen Tiefe? Ist es die fromme Liebe zu Maria? Ist es die Begegnung mit dem Auferstandenen zu Sankt Apollonia? Es ist nicht eine andere Auffassung in der einen oder anderen „nicht heilsnotwendigen“ Glaubensfrage, es ist eine Revolution, ein völlig neuer Glauben, ein völlig neues Denken, Weltempfinden. Dazu kommen die mystischen Erfahrungen dieses Jahres, die Erfahrungen Christi waren (und mich in Widerspruch zu den Evangelikalen setzten), es waren Erfahrungen Marien und Petri, Visionen von David und Agnes von Rom, die Osternacht mit Magdalena. Es war und ist ein verändertes Verhältnis zur Frauenliebe. Zum ersten dachte ich an eine entschiedene Widmung meines Herzens an die Erinnerung des Jugendideals als hohe Minne, platonisch-ideale Liebe; aber ich dachte auch an den Ursprung der Minne, die Marienliebe, ich denke an die Ehelosigkeit und die Vermählung mit Frau Weisheit. Die Schwester sagte: „Das hört sich an, als ob du weißt, was du willst.“ In diesem Mai sehne ich mich nicht nach Verliebtheit, ich sehne mich danach, Maria als Mutter Natur zu finden. Die Natur berührt mich, eigentlich von der romantischen Zeit des Mai 2000 an, wie nie zuvor. Ich habe das Gefühl, in einer ganz anderen Welt als meine Freunde zu leben, sie werden mir dadurch fremd.
6.5.
„Dem Himmel ist nichts fremd, der Zweifel und der Glaube nicht. Aller Schönheit wohnt ein Schmerz inne, aller Hoffnung eine Sehnsucht, allem Gebet eine große Einsamkeit.“
Bei der Vermählung Mariens mit Josef, sagt die Legende, seien zwölf Bewerber mit Stäben gewesen. Des Josef Stab blühte. Ein Jüngling liebte und begehrte Maria besonders innig, aus Enttäuschung zerbrach er seinen Stab. Raffael malte das. Es heißt, aus Liebeskummer sei er Eremit auf dem Karmel geworden. Dort aber erklang später der Jubel an die Gottesmutter. Die Jungfrau, die keinen Mann je erkennen wollte, wäre nie so sein eigen geworden, wie er es einst ersehnte. Sankt Josef war ja allein ihr Hüter und Bewahrer ihrer Reinheit. Aber die verschmähte Liebe trieb den Jüngling in ein gottgeweihtes Leben, in dem er später eine reine heilige Liebe zu Maria finden sollte. Eine hervorragende Legende!
Der engelgleiche Thomas von Aquin sagt, Freude sei die beste Medizin gegen Traurigkeit. Maria ist unsere Freude, unsere Wonne, sie ist die Trösterin der Betrübten, im Stabat Mater Dolorosa heißt es: Laß uns kindlich mit dir weinen! Die Betrachtung der schmerzhaften Geheimnisse ihres Rosenkranzes tröste, Tränen gießen die Traurigkeit durch die Augen aus, sagt Thomas, wir dürfen uns ausweinen vor dem Mutterherzen, das da Wonne aller Heiligen war und ist. Thomas sagt, die Betrachtung der Wahrheit lindere den Schmerz.
„Wir sind die Kinder glaubenstreuer Ahnen. Was war für diese Maria? Fragen wir jene herrlichen Dome, die ihr zu Ehren erbaut, jene Folianten, die ihr zum Lobe, zu ihrer Verteidigung geschrieben worden, die Gemälde und Statuen Mariens, zahllos, und dabei wahre Meisterwerke der Kunst, die Lieder und Hymnen zu ihrer Ehre, sie alle sind Zeugen und Urkunden der Liebe zu Maria, Beweise, daß die wahre Kultur sich immer an ihren Namen geknüpft hat. Der Tempel Salomos, ein Wunderwerk an gewaltiger Schönheit (80 000 Steinmetze arbeiteten daran) ist nach Augustinus ein Bild Mariens als des Tempels der Barmherzigkeit Gottes.“ Im Liede heißt es auch: Freue dich, Zion, jauchze, Jerusalem, jubele, Gottesmutter, denn dein Sohn ist auferstanden! Wenn Maria die Kirche, die wahre Religion, der Tempel Gottes ist, dann ist auch der Kölner Dom ihr Bild. Wenn sie das Thema der wahren Kunst ist (Raffael, Dante, Faust Zwei), dann will auch ich ihr singen, „...ähnlich jenen gothischen Domen, die zu Ehren der Gottesmutter entstanden und nicht nur im Großen wundervoll harmonieren, sondern auch im Kleinsten Maß-Werke, in jeder Krabbe und Kreuzblume Meisterstücke sind.“
7.5.
„Du bist ja die Mutter des Allerhöchsten, darum möchte mein Vertrauen fast bis zur Kühnheit steigen.“ Sankt Ephraem der Syrer. - Die Marienfrömmigkeit entfaltete sich im Mittelalter vor allem durch die Verbindung der Minneliebe für die Dame und der mystischen Liebe zur Muttergottes. Die Reformatoren ehrten Maria mehr als der heutige Protestantismus. Dennoch wurde ihre Lehre über Maria von der katholischen Gegenreformation als häretisch bezeichnet. „Der gegenreformatorische Aspekt dieser Mariologie zeigt sich auch darin, daß die neuen Konvertiten ihre Rückkehr zur römisch-katholischen Kirche durch Akte ausdrücklich marianischer Frömmigkeit manifestieren sollten.“ An der Schwelle zur Neuzeit gibt es eine Art „katholischen Pietismus“, eine „Religion des Herzens“, die die gelehrten Dogmen der Orthodoxie als zu abstrakt verwerfen und aus gefühlsmäßiger Liebe blühen. Das führte zu ketzerisch-abgöttischen Übertreibungen, von den Jesuiten verurteilt. Neue marianische Frömmigkeit Mitte des 19.Jhd. bis Mitte 20.Jhd. 1942 weihte Pius XII die Welt dem Unbefleckten Herzen Mariens. Das Zweite Vaticanum bremste die isolierte Mariologie. Von Maria-Königin ging man mehr zu Maria-Magd über, dachte über ihr Verhältnis zum Heiligen Geist nach. Johannes Paul II hat eine große Marienverehrung, besuchte alle ihre Wallfahrtsorte dieser Welt und nennt sie am Ende jeder seiner Interventionen. Seine ökumenischen Bemühungen sind vor allem auf die Orthodoxe Kirche bezogen. Paul VI rief 1974 zu einer Neubelebung der Marienverehrung auf. Nur durch die Mariologie ist die rechte Christologie zu finden. - Mein Gefühl sagt, ich brauche einen „anderen Christus“ als in den letzten Jahren. Das evangelikale Christusbild ist, da die ganze Bewegung häretisch ist, gewiß auch nicht rein und wahr. Ich denke jetzt vor allem an das „süße Herz Jesu“. Ich will mich intensiv mit dem überlieferten katholischen Glauben beschäftigen, zur Zeit vor allem mit Maria. So will ich auch zum wahren Christus finden, den der recht ausgelegten Schrift und der Väter und Kirchenlehrer und Heiligen. Ich habe Interesse an Theologie gewonnen, an katholischer Dogmatik. Meine Fragen: Wie unterscheidet man wesentlich „Verehrung Mariens“ und „Anbetung Gottes“, welche Form sollen, dürfen die Gebete an Maria haben? Die kirchliche Lehre selbst unterscheidet zwischen dem genauen Dogma und dem Überschwang der Poesie und der Volksfrömmigkeit. Der Überschwang der Poesie ist erlaubt als Poesie, aber entspricht nicht der genauen Lehre des Apostolischen Stuhles. - Maria ist Gottes Geschöpf, rein Mensch, rein Frau. „Sie muß zunächst in ihrem Wesen als Frau betrachtet werden. Nicht als eine Frau, die von den anderen Menschen getrennt wäre, noch als ein Modell passiver Unterwerfung, das die anderen Frauen den Männern gegenüber nachzuahmen hätten, noch als Symbol einer idealen Weiblichkeit, die eine gewisse Verachtung der Sexualität und der fleischlichen Fortpflanzung beinhaltete. Das alles sind Entgleisungen, die zurecht von den feministischen Bewegungen unserer Zeit angeprangert werden, und die in der Tat zu häufig die Darstellung der Jungfrau Maria im Laufe der Jahrhunderte geprägt haben. Die Entwicklung der Kunst ist ein gutes Beispiel dafür: Wenn Maler wie Georges de la Tour die stille Innerlichkeit Marias ausgezeichnet wiedergegeben haben, und sie somit wie ein sublimiertes Bild der Frauenfigur erscheinen konnte, haben andere Künstler dagegen Maria idealisiert und sie dadurch der Gefahr ausgesetzt, die simple Projektion eines imaginären Wunsches oder der Ausdruck einer götzendienerischen Entgleisung zu werden.“ Peguy nennt sie „eine arme jüdische Frau aus Judäa, das demütigste aller Geschöpfe“, nicht herausragend wie Miriam, Deborah, Esther oder Judith, mit einem Allerweltsnamen Maria. Sie war eine treue Tochter Israels und eine Mutter, die Freud und Leid der Mutterschaft kannte. Von der Jungfrau wurde sie zur Jungfrau-Mutter, von dieser zur Jungfrau-Mutter-Jüngerin. Jungfrau vor Gott, Mutter vor dem Sohn, Jüngerin vor dem Geist. Sie ist „mit Gnade erfüllt“, die Gnade in Maria geht auf eine empfangene und ungeschuldete Gabe zurück. - „Ambrosius von Mailand (+379), der Vater des Kirchengesangs, dichtete Hymnen, in den vier völlig gleichartige Zeilen zu einer Strophe zusammengefasst sind. Die einzelne Zeile besitzt vier Hebungen. Anfangs wurde der Vers wie in der antiken Lyrik nach metrischem Prinzip gebaut (jambische Dimeter), später setzte sich, wie fast überall in der lateinisch verfassten Dichtung das rhytmische Prinzip durch (steigende Achtsilber).“ Ambrosius dichtete reimlos. Das erste lateinische Loblied auf Maria dichtete Ennodius (+521). Auffällig am reimlosen Loblied des Ennodius ist die auf Kosten eines gehobenen Lobpreises gehende Freude an der genauen theologischen Formulierung. Im Hymnus des Venantius Fortunatus (ca. 530-600) wird Maria Herrin genannt. Die lehrhafte Theologie wird vernachlässigt zugunsten einer Verehrung ihrer Herrlichkeit. In ihm löst sich der poetische Geist vom theologischen, das Marienlob emanzipiert sich vom Christuslob. 300 Jahre später entstehen die Sequenzen des Notker des Dichters (+912). Er bricht mit der Hymnenform. Die Sequenz hat verschiedenartig gebaute Strophen, von Anfang bis Ende durchkomponiert. Das Lied des Venantius war das Lied einer Einzelseele und inniger Liebe zur Himmelskönigin. Die Sequenzen waren Gemeindelieder. Maria wird gelobt als Verkörperung aller Tugenden (von Edelsteinen symbolisiert). In dem Hymnus Ave Maris Stella (fallende Sechssilber) wird erstmals Maria nicht allein um Fürbitte gebeten, sondern es wird zu ihr gebetet. Hermannus Contractus (Hermann der Lahme) schuf Antiphone und Sequenzen: Salve Regina Misericordia, ein Mariengruß, ein Gebet an sie. Der Lobpreis ist dem Gebetston untergeordnet. Zum ersten Mal tauchen die Bilder des Hohenliedes auf. Ihre leibliche Schönheit wird als Ausdruck ihrer Tugendschönheit gepriesen, vor dem Konzil von Nicäa dachten z.B. Origines und Johannes Chysostomus an einige Unvollkommenheiten Mariens. Nun wird sie nach neuplatonischer Lehre zur Perfectissima, der Tugend- und Leibesschönheit angehören. Attikus von Konstantinopel (um 400) sagte, ihre Schönheit übertreffe die aller Frauen des Alten Testaments. Inflation der Marienhymnik des 12.Jhd., aber in der Bilderwelt kaum Neues. Blüte und klassische Form in den Sequenzen des Adam von Sankt Victor. Sie wird gepriesen als Himmelskönigin, Mutter der Barmherzigkeit, aller Tugenden Reiche, Jungfrau-Mutter. Ausführliche Bilderwelt des Alten Testaments: Stab Aarons, Reis Jesses mit Blüte Christus, Pforte des Tempels, Honigstab Jonatans, der Tempel selbst, lichttragende Menorah der sieben Geistesgaben etc. Neue Form zu Hymne und Sequenz sind die Grußhymnen (Ave, Salve), die die Doxologien Mariens „im Stehen gesungen“ aufzählen. Man steigert sich zu asiatisch-hyperbolischem Lobpreis. DAS LOB MARIENS MÜSSE, FALLS ES ANGEMESSEN SEIN SOLLE, SO GROSSARTIG SEIN, DASS DER DICHTER SELBST ES NIEMALS VOLLENDEN KÖNNE. Hinter den ästhetischen Preisungen innerer und äußerer Schönheit verblasst der theologische Gehalt. Schon Ambrosius deutete die Braut des Hohenliedes auf Maria, sieht in der Braut aber vor allem die Seele oder die Kirche. Die Himmelfahrt Mariens begleitete man ab 550 mit Worten des Hohenliedes. Hieronymus deutete den Verschlossenen Garten auf die Immerwährende Jungfrau. Maria ist schön wegen ihrer jungfräulichen Reinheit und jungfräulichen Mutterschaft. Maria hat ihre Schönheit von Gott. Sie ist schön als Heilbringerin. Maria ist schön als an allen Tugenden, Keuschheit und Demut Reiche. Maria ist schön, weil ihre Rede süß ist zum Lobe Gottes. Maria ist Vorbild aller Kontemplativen. Nicht nur um Fürbitte wird gebeten, sondern zu ihr selbst wird gebetet als zu der Führerin ins ewige Leben (Salve Regina). Sie ist auch Vorbild des aktiven Lebens. Als Vorbild des kontemplativen Lebens ist sie Vermittlerin ihres tieferen Wissens von Christus. Die Passio Mariae wird aufgesagt, das Stabat Mater entsteht, die Franziskaner ehren die Mater Dolorosa. Eine Auslegung des Hohenliedes auf Maria wird in Reimprosa verfasst von Phillip von Harvengt (+1183). Der Prolog dazu endet mit einem Gedicht in Distichen (Maria als Mond, Christus als Sonne). Breit wird das Lob der Aurora gesungen. Maria als Sonne überstrahlt die Sterne aller Heiligen. Bernhard von Clairveaux deutete Maria als das Große Zeichen, das Weib der Apokalypse. Im 12.Jhd. entstehen erste volkssprachliche Marienlieder. Das epische „Leben Jesu“ von Frau Ava entsteht, in dem Maria fast keine Rolle spielt. Der Fromme ist Diener der Herrin Maria, schon ihr Lob gibt ihm Trost und Freude. Im Gebet zu Maria geht man weit über das orthodoxe Dogma hinaus, bittet sie um Vergebung und Erlösung. Drei Stufen im Marienlob: „1.Diskussion ihrer Stellung im Heilsgeschehen, 2. rein ästhetische Würdigung, 3. Wärme und innige Vertrautheit zu einer Quasi-Göttin.“ In den volkssprachlichen Marienpredigten des 12.Jhd. wird sie vor allem gepriesen als Königin und Mutter der Barmherzigkeit. Desweiteren ist sie Unsere Liebe Frau und Himmelskönigin. Trost und Zuflucht der armen Sünder. Allein der hohe Minnesang ist Abglanz der Marienverehrung. Der Kult der Dame (Vrouwe) entstand vielleicht parallel zur Marienverehrung, aber dem Dichter entging nicht die Verwandtschaft oder Ähnlichkeit. Vielleicht ist durch die Würdigung Mariens der Frau eine höhere Würdigung dargebracht worden, sie war nicht mehr Objekt der Sinnlichkeit, sondern der Verehrung. Aber der wenig mariengläubige weltliche Dichter konnte leichter seiner Vrouwe als Quasi-Maria huldigen als der wahrhaft Mariengläubige. Walter von der Vogelweide ist der einzige Minnesänger der Blütezeit, der auch Verse an Maria geschrieben hat. Zurückgespiegelt wirft der Minnesang im 13. und 14.Jhd. auf die Marienverehrung einen merkwürdigen Schein: „Formen erotischer Verehrung Mariens von Seiten
der Mönche und Geistlichen; die Mönche nennen sich Gatten oder Geliebte Mariens, und nicht selten finden sich stark sinnliche Elemente in der Marienverehrung“. Ein geistlicher Dichter polemisiert gegen die Übertragung der Attribute der Gottesmutter auf sämtliche Frauen, sie allein ist der hohen Ehren würdig. Heinrich von Morungen, der „marianischste“ Minnesänger, prophanisiert auf irreligiöse Weise die Marienverehrung. - In Marienlyrik und Minnesang wie in gothischen Domen verborgene Zahlensymbolik: 150 Psalmen, 150 Ave Marias, 7 Freuden, 7 Leiden, 7 Tugenden Marias, 7 Gaben des Geistes, 7 Sakramente. 28 Tage des Mondes /Maria) aus 4 x 7. Dreifaltigkeit und dreifache Jungfräulichkeit: vor, während und nach der Geburt. Das Leben Mariä: 12 Jahre (Mädchen), 40 Wochen (Schwangerschaft), 33 Jahre (Christus), 9 Jahre (bis zur Aufnahme). Die meisten Traditionen sagen, sie empfing mit 14 Jahren. Sie lebte 7 Jahre zuhause, 7 Jahre im Tempel. 7 die wichtigste Symbolzahl Marias. Die 12 Sterne ihrer Krone. Die heilige Brigitta lehrte, Maria habe 63 Jahre auf Erden gelebt. Davon reden auch die Franziskaner. Eine andere Tradition sagt, sie habe 24 Jahre nach dem Kreuz gelebt und insgesamt 72 Jahre und beruft sich dabei auf Sanct Epiphanius.
8.5.
„...der Greis / liegt im Gebete still und heiß / in der Kapelle, wo ein Bild / der Gottesmutter rauchgeschwärzt / ihr eingeräuchert Kindlein herzt / verzeichnet bunt, doch gut genug / da es dem Manne sonder Trug / mit Andacht so die Seele füllt / denn ganz besonders hat er sich / geweiht der Jungfrau minniglich.“ (Droste-Hülshoff).
Schob den Säugling im Kinderwagen in die Heilig-Geist-Kirche, da Messe war, bekreuzigte ihn mit Weihwasser, kniete mit ihm vorm Tabernakel, zündete für ihn eine Marienkerze und lauschte etwas dem Gebet des Priesters. Ich glaube, das Kind nahm es gut auf und empfand die heilige Atmosphäre.
9.5.
Gott der Dreifaltige ist (anders als Zeus) über das Geschlechtliche erhaben. Er trägt das Urbild des Männlichen und des Weiblichen in sich. Wenn er in der Religionsgeschichte oft als Mann dargestellt wurde, ist das nicht notwendigerweise seinem Wesen gemäß, sondern kulturgeschichtlich bedingt.
Ist des katholischen Dichters Aufgabe in erster Linie religiöse Poesie? War Wolfram von Eschenbach Katholik? Waren es die Minnesänger? Da waren der Heliand, die Evangelienharmonie, die Marienlieder. Dann die Ritterepen. Dann Dantes Commedia, ein religiöses Gedicht. Petrarcas Sonette als moderner Minnesang, den er später verwarf, sein heidnisches Epos Afrika, seine gelehrten Weisheitsschriften. Die Ritterepen der Renaiccance (Ariost, Tasso, Spenser, alle christlich inspiriert) und die petrarkistischen Sonette der Italiener und Engländer. Französisches Theater. Lope de Vega und Cervantes. Miltons Paradise Lost und Klopstocks Messias. Die deutsche Romantik (Natur, Mittelalter, Märchen, Sehnsuchtsliebe): Novalis Geistliche Lieder, sein Minnesänger-Märchen Ofterdingen ein Künstlerroman, wie Tiecks Sternbald. Clemens’ Märchen. Sein Rosenkranz, halb Märchen, halb religiöse Dichtung. Seine Hinwendung zur Emmerich und dem Kirchenlied. Drostes Geistliches Jahr. Charles Péguys religiöse Lyrik, sein religiöses Epos Eva. Paul Claudel, der Dichter des Dogma, Schneiders geistliche Sonette, religiöse Dramen, Laientheologie. LeForts Ewige Frau (Mariologie), Schweißtuch der Veronika (über die Sakramente, über das Mysterium Caritatis).
10.5.
Wachte nach wenigen Stunden Schlaf auf und dachte: Urweib - Mutter - Maria - wühlte mich in ihr Wesen hinein und schlief wieder ein.
Ich wende mich der mariologischen Dogmatik zu. Gerade der sinnenfreudigste Monat, der Mai, ist der Madonna gewidmet. Italien dient ihr treuer als Deutschland. Raffael malte sie schöner als Dürer. Die katholisch-deutschen Romantiker hatten alle Sehnsucht nach Italien.
Eirenaios von Lyon spricht im Jahre 202 von den „in Germanien gegründeten Kirchen“.
12.5.
Wenn der Logos die menschliche Natur von Maria angenommen hat, hat Jesu menschliche Seele dann auch ein Gepräge von der Mutter geerbt? oder hat der Gottessohn nur seinen Leib von Maria? Hat dann sein Leib, etwa sein Antlitz, Ähnlichkeit mit Maria? „Der Heilige Geist ist es ja, der in Maria die menschliche Natur Christi aus ihren eigenen weiblichen Möglichkeiten schöpferisch hervorgebracht hat.“ - Maria ist nicht „die weibliche Dimension Gottes“ (The Mary Myth). Die Kollyridianerinnen des 5. Jhd. (Maria-Anbeterinnen) wurden von der Kirche verurteilt. Verwandt sind sie mit der feministischen Bewegung der Gegenwart. Maria ist Geschöpf, allerdings das vorzüglichste. - „Wenngleich der menschgewordene Gottessohn seine leibliche Gestalt seiner Mutter verdankte, so daß man sagen durfte, er sehe ihr gleich, so wurde doch Maria ihrem eigenen Sohne vor allem ähnlich, insofern er selbst das Bild des himmlischen Vaters ist. Sie gab ihm das geistig-leibliche Antlitz; sie empfing von ihm das geistlich-geistige Angesicht.“ Der Autor wandte sich gegen die „gnostische Entgeschichtlichung Marias, in welcher Maria sich zu einer neuplatonischen Idee verflüchtigte“.
13.5.
„Wer also einen Heiligen um Fürbitte anruft, drückt den Wunsch aus, der Heilige möge mit seiner Liebe zu Gott auch ihn, den Beter, umfangen und so durch die weckende Kraft seiner von Gottes eigener Liebe genährten Liebe die Liebesfähigkeit des Beters entbinden und dessen Herz bereit und aufnahmefähig machen für Gott.“
Den ersten dichterischen Gruß an Maria richtete um 350 Ephräm der Syrer, dann Ennodius von Pavia im Lied des 5.Jhd., im Abendland die erste Anrufung Marias bei Augustinus. Papst Paul VI bestimmte 1974, die Marienfrömmigkeit solle sich gemäß der gegenwärtigen Zeit gestalten und insbesondere das gewandelte Frauenbild berücksichtigen.
14.5.
Lese Brentanos Rheinmärchen, die er später nicht mehr schätzte. Ich verstehe das. Sie sind hübsch, niedlich, unterhaltsam, poetisch, aber welcher tiefere Sinn liegt darin? Poesie soll nicht nur erfreuen, sondern auch nützen. Nützen kann nur Wahrheit, Weisheit, Religion, Gottesliebe.
Welchen Tiefsinn, welche Kraft zur Erbauung haben Augustinus’ Bekenntnisse! Das stärkt mein Herz wie eine eucharistische Speise.
Ich möchte mehr und mehr von bloß schöner Poesie hinauf zu geistlich-geistiger, tiefer Poesie. Was wäre eine Weisheit, eine Theologie, eine Mystik des Rosenkranzes! Aber ich muß tiefer in die Schule der Kirche der Weisheit gehen, Milch von der Mutterbrust trinken, mich reinigen lassen von allen Häresien sowohl des Rationalismus als auch der subjektiven Schwärmerei. Wie Brentano der Anna Katharina Emmerich diente, Schneider als Laientheologe, LeFort als Marienmystikerin, Claudel als Bibelbetrachter.
Man liebt, sagt Augustinus, sein Heil mehr, wenn man verloren war und es wiederfand, als wenn man es immer besessen hatte. So liebte ich Christus, weil er mich von meiner Gottlosigkeit bekehrte. Auch liebe ich so die katholische Kirche, weil ich abgeirrt war und heimkehrte zum wahren Glauben.
Augustinus: „Zurück hielten mich die Nichtigkeiten und Eitelkeit, meine alten Freundinnen, zerrten mich am Mantel meines Fleisches und flüsterten mir zu: Was, du willst uns verlassen? Von dem Augenblick an werden wir nicht mehr bei dir sein in Ewigkeit. Von dem Augenblick an wird dir dies und jenes nicht erlaubt sein in Ewigkeit. Welche Bilder brachten sie mir vor die Seele in dem Dies-und-Jenes! welche Bilder, o mein Gott! Deine Barmherzigkeit wende es ab von der Seele deines Dieners... Dennoch hielten sie mich auf, und ich zögerte, sie von mir abzuschütteln und mich loszureißen und hinüberzugehen, wohin ich gerufen ward, indem die mächtige Gewohnheit sprach: Glaubst du es ohne jene Dinge aushalten zu können?“
15.5.
Hesekiel 33, 31-33: „Und sie werden zu dir kommen, wie das Volk so zusammenkommt und vor dir sitzen als mein Volk und werden deine Worte hören, aber nicht danach tun, sondern ihr Mund ist voll von Liebesweisen, und danach tun sie, und hinter ihrem Gewinn läuft ihr Herz her. Und siehe, du bist für sie wie einer, der Liebeslieder singt, der eine schöne Stimme hat und gut spielen kann. Sie hören wohl deine Worte, aber sie tun nicht danach. Wenn es aber kommt - und siehe, es kommt! - so werden sie erfahren, daß ein Prophet unter ihnen gewesen ist.“ Dies Wort stellt die prophetische Verkündigung des Gotteswortes weit über irdische Liebeslieder, aber man erkennt, daß das prophetische Wort wie ein Liebeslied erscheint. Siehe Mechthild von Magdeburg.
Ich bereue den „Schoß der Morgenröte“. Eine evangelische Seelsorgerin sagte, ich solle annehmen, daß zu jener Zeit mein Mariaroman meiner Überzeugung entsprach, ich müßte zu meiner Geschichte stehen, solle mich nicht anklagen. Alles Geschriebene würde nach einiger Zeit in Frage gestellt. Gott würde mich nicht anklagen, mir wohl verzeihen. Ich solle getrost sein.
16.5.
Papst Pius II schrieb in seiner Jugend Novellen und Liebeslieder, ward dann ein tiefreligiöser Mensch. Dem Dichter hatte Kaiser Friedrich den Lorbeerkranz aufgesetzt.
Die idealisierende Liebe ist so: Ich sehne mich nach einem Ideal, das in Maria religiöse Wahrheit hat, projeziere das auf die Frau. Die Frau sagt: Du liebst gar nicht mich, sondern nur das Bild, das du dir von mir machst. Ja, das stimmt wohl. Eigentlich liebe ich die Jungfrau Maria. Meine innere Stimme klang heute, Maria sprach: Willst du mein Minnesänger sein? Ob sie das wirklich gesagt hat?
21.5.
Für allerlei Seelenkrankheiten (Mattigkeit, Trübsal, Schwermut, Lebensüberdruß, Selbstmordgedanken) gibt der hl. Bernhard als Medizin die Anrufung des Namens Jesus, sein Aussprechen. So tröstete mich schon die Herz-Jesu-Litanei.
Die Liturgie (einschließlich des Kirchenliedes) ist Gebet des ganzen Kirchenvolkes, ein Gerüst, ein Stab, ein Fels für die Seelen. Die poetische, mystische, Gott individuell erfahrende Seele kann darüber hinausgehen und ihre Erfahrungen wieder der Kirche in Poesie mitteilen. In der Liturgie und im Dogma schaff ich mir ein katholisches Fundament. Aber der Schatz der katholisch-christlichen Weisheit ist so umfangreich, daß es doch wieder einen individuellen Schatz ergibt.
Petrarca: „Die Poesie steht durchaus nicht im Gegensatz zur Theologie. Fast möchte ich sagen, die Theologie sei eine von Gott kommende Poesie. Wenn Christus bald Löwe, bald Lamm, bald Wurm heißt: was ist das, wenn nicht poetisch?“ Der Scholastik galt die Poesie als niedrigste Wissenschaft. Die frühchristliche Hymnik ist Glaubensbekenntnis. Bernhards Theologie ist poetisch. Das Christentum hat sich seinen Sieg ersungen. Im 2.Jhd nimmt das christliche Carmen poetische Formen der griechischen Dichtkunst auf. Erstes Beispiel ist der Hymnus „auf den Erlöser Christus“ des Klemens von Alexandrien: „Christus Jesus, himmlische Milch, aus den süßen Brüsten der Braut, Geschenk deiner Weisheit, saugen wir, Kleinkinder, durch den zarten Mund ernährt, mit Geistestau aus des Logos Brust ganz erfüllt. Lauteres Lob, wahrhaftige Hymnen dem König Christus als schuldigen Lohn für die Lehre des Lebens laßt uns gemeinsam singen!“ Klemens Hymne speist sich aus zwei Quellen: klassisch-griechischer Poesie (Homer, Hesiod, Pindar) und platonischer und gnostischer Religionsphilosophie. Klassisch geschult nennt Klemens Jesus „Hirt, Pflüger, Fischer“, redet vom „Pferdezügel, Vogelschwinge, Steuerruder“. Klemens ist ein belesener, der Mittelmeerkultur aufgeschlossener Mensch. Der Philosophie entstammen Vokabeln wie „unerschöpfliches Wort, unermeßliche Zeit, ewiges Licht“. Fragmente aus dem Schatz der Bildung werden dem Logos zugetragen, weil sie nach Klemens’ Überzeugung von Ihm und Seiner Inspiration im Geist der Dichter und Denker ausgegangen sind. Solche humanistische Offenheit war in der Alten Kirche nicht selbstverständlich. Die Theologie der Kirche ist meist mehr an attischer Philosophie, weniger an attischer Poesie interessiert. Die Scholastik würdigte die Poesie nicht. Darum ist Dantes Virgillob so wichtig, Petrarcas Liebe zur klassischen Poesie so wichtig.
Ich las, Georges Bernanos stelle das Wesen des Heiligen in das Zentrum seiner Poesie. Peguy dichtete liturgisch oder predigend. Ich las, Paul Claudel sei der Dichter auf dem Boden des Dogmas. LeFort entwickelte ihre Lehre vom Opfer, vom Leid, von der Imitatio Christi, von der Eucharistie und den Sakramenten. Schneider schrieb eschatologische Sonette, Betrachtungen über das Kreuz in der Geschichte, Laientheologie vom Kreuz. Diese Dichter sind in einem ausgesprocheneren Sinne katholisch als Novalis, Brentano, Arnim, Eichendorf. Ich denke über das Amt des christlichen Dichters nach. Dabei muß man auch Dante und Petrarca bedenken. Schließlich muß ich meinen eigenen Weg gehen, Maria wird bei mir zentral sein.
22.5.
Nachwort zu Gerard Nervals Aurelia: Aurelia ist nicht allein ein Deckname für Jenny Colon, sondern ein Symbol wie Beatrice in der Vita Nuova. Sie kann einen Gestaltenwandel eingehen: die vergeblich gesuchte abgeschiedene Geliebte (Eurydice), die Führerin ins Jenseits (Beatrice), die Königin und Göttin (Artemis). Alles in allem, sag ich, ist sie ein Schatte Mariens, deren Preis auch synkretistisch gesungen wird gegen Ende der Erzählung. Die letzten Manuskriptseiten des Werks fand man in Nervals Manteltasche, als er sich erhängt hatte.
Wenn ich einmal von einem „Christus untergeordneten Synkretismus“ des Dichtens schrieb, findet das seine Rechtfertigung in der katholischen Lehre von Offenbarung und Religion. Die Religionen sind auf den göttlichen, katholischen Glauben hingeordnet. In ihm ist die ganze Fülle der Offenbarung (die römische Kirche steht dem katholischen Glauben am nächsten), in den Religionen sind Funken, Schatten, Reste, Sehnsüchte. Alles dies nahmen die katholischen Missionare auf. In Irland „taufte“ man den keltischen Druidenglauben, in China griffen die Jesuiten auf die klassischen Schriften (und das Bild der Guan Yin) zurück. So ging Klemens von Alexandrien mit klassischer Poesie und Philosophie um. Das sagt mir zu und ist künstlerisch viel fruchtbarer als der evangelikale Rigorismus (die Puritaner kämpften gegen das elisabethanische Theater).
Was LeFort von der geistigen Hochzeit des Dichters mit der Geliebten schreibt, sie sei Mitschöpferin, Ergänzung zur Totalität des Lebens, kann das auch die heilige Jungfrau Maria sein? oder muß es eine irdische Frau, eine sterblich Geliebte sein? Ist das Phänomen der idealisierten Geliebten erledigt, weil ich Maria gefunden habe?
Ist mir die Madonna Geliebte oder Mutter? 1994 war sie geliebte Gottesmutter, aber war es sublimierte erotische Liebe oder fromme kindliche Liebe? Die Kirche lehrt fromme kindliche Liebe. Mir scheint aber, der Frauenliebhaber Raffael malte seine Madonnen aus sublimierter erotischer Liebe. Kann man die Minne für die Dame auf Maria übertragen oder ist die mystische Liebe zur Mutter Gottes eine ganz andere? Ist die Minne platonische Stufenleiter, menschliche Religion des Eros; dagegen die Offenbarung von Maria als Mutter der Gläubigen spricht? Das Zweite Vaticanum definiert Marienkult als „aus dem Glauben, nicht aus Gefühlswallungen“ (sinngemäß). Ist sie denn Jungfrau-Mutter: Geliebte und Mutter in einem? Italien preist die geliebte Madonna, Deutschland preist die verehrte Muttergottes. Der Pfarrer sagte, ich solle mit Maria reden „wie mit einer Freundin“. Maria ist auch (wie die Muse Nervals) abgeschiedene Geliebte, Führerin ins Jenseits, Königin und Göttin. Dennoch hatten die Dichter eine Frau, eine Geliebte, eine Stellvertreterin Mariens (Vikarin Mariens). Vielleicht ist Sie selbst zu erhaben, zu unnahbar? Es gibt in der Poesie zwei Linien: die Linie Dantes, Beatrice als Mittlerin zu Maria zu verherrlichen, und die Linie der Hymniker, Maria selbst zu grüßen. Welchen Weg werd ich gehen? Maria ist doch preisungswürdiger als die idealisierte Frau, welche auch zur großen Teilen ihre Attribute von der Königin borgt, Maria ist doch die, die mehr gesegnet ist als alle anderen Frauen. - In der Sankt-Marien-Kirche stehen zwei Mariengestalten: In der Kapelle eine nonnenhaftee ältere Mutter, vor der der Glaube beten kann, und im Chorraum eine junge Madonna ohne Kind, die Schlange niedertretend, schön und schlank, welche die Seele lieben kann. Der Geist glaubt, die Seele liebt. Die Seele liebt Schönheit, Jugend, Jungfräulichkeit, Anmut, Reinheit, Liebreiz. Ja, auch Liebreiz, denn die Weisheit hat nach der Schrift die Welt mit ihrem Liebreiz gestaltet.
23.5.
Träumte von einem Juden, dem ich sagte, Mutter der Juden sei die ungehorsame Eva, Mutter der Christen sei die gehorsame Maria.
Nicht allein im Weitersagen des Gotteswortes, sondern in jedem Tun und Wort des Trostes, der Ermutigung, der aufbauenden Kritik gibt der Christ das Heil weiter. Für seine Heilsvermittlung ist allein die Liebe maßgebend. Im liebenden Christen liebt Gott, im die Liebe Empfangenden empfängt Gott die Liebe. Das Kreuz des Getauften ist Christi Kreuz, in Leiden und Sterben hat der Christ Anteil am Leiden und Sterben Christi, besonders im Leiden des Christen wird das Heil wirksam. Der Auferstandene wirkt in den Sakramenten und im ursakramentalen Handeln der Kirche und ihrer Glieder.
24.5.
Ich habe so ein Gefühl der Liebe für Maria heute, fast als ob ich sie begehrte, als ob ich die Sixtina umarmen und küssen wollte, eine schmachtende Sehnsucht.
25.5.
Träumte von der Kirche, kam in eine kleine Landgemeinde von acht Schwestern, einer Pfarrerin, bekam ein Einzelzimmer, aber die Pfarrerin verstand nicht, daß ich als Dichter leben wollte. Ich wollte in der Nachbargemeinde beim Pfarrer eine Glaubensunterrichtung mitmachen. Einige Kirchenlehrer sagten, wer nachts wache, werde besonders leicht von Dämonen versucht. Der Pfarrer sagte, ein Dichter dürfe ruhig nachts wachen, um in der Stille der Welt zu dichten; wenn die Einsamkeit zu schwer würde, sei ja die Musik da.
„...so bleibt es unentschieden, ob ich an Bettine denke oder an Abelone. Nein, Bettine ist wirklicher in mir geworden, Abelone, die ich gekannt habe, war wie eine Vorbereitung auf sie, und nun ist sie mir in Bettine aufgegangen wie in ihrem eigenen, unwillkürlichen Wesen.“ (Rilke, Malte)
Angefangen mit Franz Werfel, Das Lied von Bernadette. Gefällt mir sehr, schöne Sprache, poetisch-realistische Schilderungen. Ich habe viel Sympathie für Frankreich, das ich in Nerval, Rilkes Malte und jetzt Werfel, vorher in Peguy und meinem Frankreich-Poem, gefunden habe. Ich würde gern nach Frankreich reisen. Rom ist eine religiöse Frage, aber von der Lebensart zieht es mich nach Südfrankreich. - Mit der wunderschönen Beschreibung Unserer Lieben Frau von Lourdes (nach Werfel) geh ich schlafen, er nennt sie „die Allerliebste“.
26.5.
Das Brot der Eucharistie ist Frucht der Erde, Gipfel der Evolution, von den denkenden Kreaturen gebacken, dargebracht Gott. Christus ist seit der Himmelfahrt die Weltseele, der schöpferische Logos. Er verwandelt die Frucht der Erde und Menschenarbeit in seinen Leib, daß wir den kosmischen Christus empfangen, den Leib des Logos überall in der Welt entdecken und selbst Sakrament werden.
28.5.
Mechthild von Magdeburg: „Die Jungfrau ist hier vor der Heiligen Dreifaltigkeit / eine Beschirmerin aller Keuschheit / und eine Anwältig der Versuchten, / die sich mit Reue fürchten.“
Consolatrix afflictorum: Ihr Wallfahrtsort ist Kevelaer, dahin zieht es mich. Die Madonnenmaler von Kevelaer sagen: Der Mund muß ausgearbeitet sein, soll aber kein roter Kußmund sein. (Aber die Madonna küsste Johannes Chrysostomus!)
Als Bernadette die Dame nicht sehen darf, ist sie voller Sehnsucht, wie ein Geliebter sich nach einer fernen Geliebten sehnt. Als sie ihr das zweite Mal begegnet, ist sie von einer ersten Hingerissenheit vorgedrungen zu einer dauerhaften Hingabe. Als die Dame, unendlich geduldig, zu ihr spricht, ist trotz ihrer Erscheinung von junger Mädchenhaftigkeit ihre Stimme mütterlich. Sie sagt zu Bernadette: „Ich kann nicht versprechen, Sie in dieser Welt glücklich zu machen, aber in jener!“ Sie wird die Allerliebste, Allerlieblichste, Allerschönste genannt. Ich nannte sie Freundin der Armen, Freundin der Gottsuchen, Freundin der Erdenpilger, Freundin der Dichter, meine geliebte Freundin, die mich liebt. Gottesmutter und Königin ist sie sicher, aber diese Titel schaffen solche Distanz. Trösterin der Heimgesuchten ist sie, unsre Wonne, süße, milde, gütige Maria.
31.5.
Besuchte den Hochschulseelsorger der katholischen Hochschulgruppe. Wird nicht meine Welt sein. Die Freundin sprach von Tolstoi: den Glauben nach innen und nach außen durch die Liebe leben, Jesus wäre auch seinen Weg gegangen und es war ein einsamer Weg. Ich bräuchte nicht unbedingt Gleichgesinnte. Wenn ich wirklich tief überzeugt sei, könne ich auch Gemeinschaft mit Andersdenkenden haben.
Rilkes Gedichte, sein Ja zum einsamen Dichterleben, helfen mir. Hinterm Haus der Hochschulgemeinde war ein verträumter grüner Garten, abgeschlossen, mit weißen Türen, da hätt ich gern wie im Klostergarten gesessen, vielleicht mit einem weisen Alten, und Zen-Gedichte gedichtet, chinesische Lyrik der Stille oder japanische Haikus. Ich bin ganz für die Kontemplation. Ich bin für einsame Nächte. Nur manchmal soll mich ein schönes Mädchen anlächeln. Alle Mädchen sind Marien.
1.6.
Die Schwester schreibt: „Jesus mutet dir Einsamkeit zu.“
2.6.
Omas 100. Geburtstag.
3.6.
Pfingstsonntag. Heilige Messe. Las für Oma das Totenangedenken. Der Geist ist Feuer, verbrennt zu Asche und gebiert den Phönix. So war und ist die Kirchenfeindlichkeit des 20. und 21. Jhd. nach Meinung des Priesters geistgewirkt, verknöcherte Strukturen müssen aufgegeben werden, neue Kirchenfrömmigkeit entsteht. Noch nie hätte es Päpste von solchem Format gegeben wie die des letzten Jahrhunderts. Johannes Paul II geht versöhnend auf die griechische Orthodoxie zu, der Priester sprach von einer Verbrüderung mit dem Islam. Es müssten nun Gemeinschaften entstehen, in denen Jesus allein im Mittelpunkt steht.
Noch hab ich protestantische Berührungsängste vor den andern Religionen. Ich würde gern des Papstes Gedanken zum Buddhismus lesen. Es ist schöne Poesie aus dem Buddhismus hervorgegangen. Jesuiten beschäftigen sich mit Zen. Ich habe nicht ein Interesse an Atem- und Körperübungen, aber an Gedanken der Weisheit. So hab ich auch keine Angst vor Konfuzianismus und Taoismus. Den wahren Frieden aber finde ich nur in Jesus. Die katholische Religion nimmt viel von andern Systemen auf, weil jede Religion und menschliche Sehnsucht auf den göttlichen Glauben hin geschaffen ist. Islamische Mystik, indische Weisheit, buddhistische Poesie, das interessiert mich.
4.6.
Der Priester von Notre Dame de Paris sagte zur Zigeunerin: „Ich hatte meine Ruhe und wollte nichts als meine Ruhe, aber nun seh ich nur dich und überall dich, in jedem Buch, in jedem Bild, und habe keinen Willen mehr!“ ...Das seelische Verlangen nach der Geliebten brennt in jeder Fiber, in meinem Blut. Sie ist umwerfend, tief beeindruckend. Sie ist der Traum einer Geliebten, einer asiatischen Prinzessin, einer Indianerin, einer Pantherin, einer demütigen Dienerin Gottes vielleicht. Es ist das Verlangen nach ihrer Schönheit, das mir meine innere Ruhe raubt.
5.6.
Weihte mich dem Unbefleckten Herzen Mariens, in einem ruhig formulierten Gebet, vor dem Bild der Sixtinischen Madonna.
6.6.
Papst Pius XII an Maria: „Und wir arme Sünder, wir, denen der Leib den Aufschwung der Seele hemmt, wir bitten dich, reinige unsere Sinne, damit wir lernen, schon hienieden inmitten der Lockungen der Geschöpfe Gott zu lieben, Gott allein.“
Der heilige Märtyrer Maximilian Kolbe betete zu Maria: „Erlaube mir, dir eine solche Ehre darzubringen, wie sie dir noch niemand dargebracht hat.“
Schon ETA Hoffmann sagte: Wie schön ist „Ave stella maris!“ und wir unschön: „Meerstern, wir dich grüßen“.
7.6.
Papst Pius XII: „Aus der Tiefe des Tales der Tränen, in dem die leidbeladene Menschheit mühsam dahinzieht, aus den Meeresfluten, die von den Stürmen der Leidenschaften beständig aufgepeitscht werden, erheben wir unsere Augen zu dir, o Maria...“ Wir „verbannte Kinder Evas“ seufzen zu dir trauernd und weinend. Die Heiligen sind „beseligt in der Schau deiner leuchtenden Schönheit“!
10.6.
Heilige Messe. Wann wurde mir zum letzten Mal die Liebe erklärt? Mir stiegen die Tränen auf. Der Gott der Liebe ist die Liebe in aller Liebe. Liebe zwischen Mann und Frau ist nicht Symbiose, denn wenn wir den Andern ganz in uns aufnehmen wollen, werden wir selbst entwurzelt und gehen verloren. Aber groß ist die Sehnsucht des Menschen nach Vereinigung: mit der Geliebten, mit der Natur, mit Gott. Der Dreifaltige ist in sich totale Liebesgemeinschaft in Union, aber in drei völlig souveränen Personen. Im Geheimnis der Dreifaltigkeit liegt das Geheimnis der Liebe.
Mein Christus-Evangelium heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Mein Petrus-Evangelium heißt: Eine Zeit lang, wenn es sein soll, Leiden, danach aber eine übergewichtig herrliche Glückseligkeit der Seele! Amen.
Ich war mit dem Säugling allein im Kinderzimmer. Er lag auf dem Rücken allein, ich sagte mit schluchzender Stimme: Ach du! und die Tränen drangen herauf. Da fing auch er an, traurig zu weinen. Ich ermannte mein weibliches Gemüt und sagte: Sei nicht traurig, du. Da hörte er wieder auf zu weinen. Ich hab ihn lieb und sag ihm das auch.
11.6.
Du bist ein sehr schöner Mensch, innen und außen, ich hab dich von Herzen lieb, aber wenn ich bei dir bin, entflammt es mich und alle Sehnsüchte nach Liebesgemeinschaft erwachen in mir, denn du bist die Verkörperung so vieler Sehnsüchte meiner Seele!
Nur Bachs „Komm, o süßes, süßes Kreuz, o süßes Kreuz, o komm!“ ist mir Trost. Ich bin sehr einsam. Die Leidenden sind meine Brüder. Die Glücklichen stehen bei mir im Verdacht der Gottlosigkeit. Der Bettler im Winter vor der Kapelle war mehr mir Bruder als die satten Philister in den Kirchenbänken.
13.6.
Mit dem Säugling ging ich in die Heilig-Geist-Kirche. Er war wach und gespannt. Daß ich ihm ein Kreuz auf die Stirn tupfte mit Weihwasser, schien ihn sehr zu freuen. Dann zog ich ihn im Kinderwagen in den Kirchenraum und sagte: Da ist Jesus, sein Leib. Ich kniete und bekreuzigte mich. Dann sagte ich: Jetzt gehen wir zur Mutter Maria. Da, wies ich ihm das Muttergottesbild: Maria und Jesus! Jetzt zünden wir für Maria eine Kerze an. Wir grüßen dich, Maria, bitte für uns! Dann zeichnete ich mir, dem Kinde das Gesicht zugewandt, ein Kreuz auf die Stirn und dann auch ihm: Sei gesegnet im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Er freute sich und schien dankbar. Wir verabschieden uns vom Herrn Jesus. Ich betupfte ihn mit Weihwasser am Ausgang, dann gingen wir, er sah so beseligt aus. Das helle Licht des Tages blendete ihn. Ich sagte: Das ist gut, das Licht! Aber, nach einer Besinnung, du, wir beide sind doch Kinder der Nacht. Abends badete die Freundin den Säugling, ein glückliches wasserplätscherndes Baby. Sie machte ihn bettfertig und sagte: Man kann auch so einen kleinen Buffodontel zusammen haben, nicht wahr? Ja, das ist eine schöne Art, einen Buffodontel zusammen zu haben, wie wir ihn uns 1990 am Golf du Lyon erträumten.
Maria von der Todesstunde, wenn du bei mir bist, dann sterb ich getrost.
14.6.
Dichte Johannes vom Kreuz (San Juan) nach. O ninfas de Judea!
16.6.
Las Hölderlin „An die Madonna“, er singt darin vom Teutoburger Wald. Ich war im Herzen so verwirrt-verliebt. Ich denke an Hölderlin und Rilke. Sie liebten ihre Musen. Hölderlin liebte und sang Diotima, ging dann aber in den Gesang der großen Hymnen über. Rilke liebte Lou oder Abelone, ging dann aber in das mystische Preislied vieler Frauen und Prinzessinnen über.
Rasputin-Film: Der sibirische Mönch, aussehend wie das Leiden Christi, bekreuzigte sich und sagte: Gott ist gut! Er stand im Licht, er betete auf Knieen, ihm war die Mutter Gottes erschienen, sie hatte ihn berührt und ihn gesandt zum bluterkranken Zarewich, den er durch Handauflegung und ein gutes Wort heilte. Die Zarin vertraute ihm, der Zar Nikolaus II war skeptisch. Aber Rasputin wußte sich am Hof nicht zu benehmen, er war wie ein russischer Muschik: versoffen und verhurt. Er sagte: Ich bin Rußland! Warum gerade ich auserwählt wurde, weiß ich nicht! Der Zar schickte ihn fort. Das Kind wurde krank. Die Zarin ließ Rasputin wieder rufen. Er machte sein Testament: Wenn er von Bauern ermordet wird, sei es nicht schlimm; aber wenn er von der zaristischen Familie ermordet würde, würde die Zarenfamilie binnen zweier Jahre sterben. Kein Fluch, sondern Prophetie. Er sollte vergiftet werden, ihm aber schadete das Gift nicht. Dann wurde er wie ein Hund erschossen. Sein letztes Wort war: Schmerz! Die Zarenfamilie wurde von den Bolschewisten ermordet. Wie Rasputin prophezeit, folgte Blut und Terror und Krieg und Mord.
Im Garten der Geliebten allein dachte ich an Sankt Maria Magdalena, da dort eine weiße Malve mit rotem Mittelpunkt stand, die Malve von Magdala, die große Minnerin Christi, wie Meister Eckhard sie nannte. Ich dachte an Sankt Eva von Eden, die zu Füßen Mariens im Himmel sitzt, im weißen Gewand, oder im orangenen und lichtgrünen Gewand, wie die Frucht des Paradieses, die gute Frucht der Glückseligkeit und der süßen Wonne. Ihr widmete ich die schönen orangen-blühenden Mohnblumen. Dann muß die violettgelbe Iris mit dem keuschen Blütenschoß die Blume der Seligsten Jungfrau sein. Ich habe mich dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht, die Unsere Liebe Frau von Fatima wünschte. Ich wünsche, mich mit ihr zu vermählen, um Liebe und Friede und Ruhe für mein Herz zu finden. Maria, führe mich!
Zur Messe ging ich in stiller Freude, die Frucht (Jesus) vom Baum des Lebens (Maria) speisen zu dürfen, auf daß ich dereinst am himmlischen Hochzeitsmahl teilhaben darf. Ich bat Maria um Segen für meine Freundinnen. Die Lesung und Verkündigung war von der Sünderin, die Jesus die Füße mit Tränen gewaschen, sein Haupt mit Salböl gesalbt. Sie hat viel geliebt, darum ist ihr viel vergeben worden. O Simon, weil ihr viel vergeben worden, darum liebt sie viel. O heilige Magdalena! Bei den Einsetzungsworten donnerte es, und wenn Gott aus dem Donner sprach, dann sprach er: Dies ist mein Leib! Ich bat Jesus um das Manna und sah vor meiner Seele einen Granatapfel.
Der Priester sprach von der Inkarnation: Logos ward Fleisch und Blut. Wir sind Fleisch und Blut Christi. Christus ist nicht „Idee“ oder „Ideal“.
El Greco, Maler der spanischen Gegenreformation, lernte als Kind byzantinische Ikonenmalerei. Er stand im Dienst der Kirche, lebte in Toledo mit seiner Lebensgefährtin. Er malte die Hure, die Sünderin, die büßende Magdalena, den heiligen Franziskus, über einem Totenschädel meditierend, er malte Maria, mit entblößter Brust Jesus stillend, er malte das Antlitz Christi mit tieftraurigen Augen. Ein weltliches Bild malte er: Gaukler am Feuer. Einen Mythos malte er, aus seinem Nachlaß, nur für sich gemalt, voller Rätsel: Laokoons Kampf mit den Schlangen. Seine Heiligen waren von ekstatischer, mystisch-verzückter Religiösität, überirdisch, in lauter Finsternis in einem kühlen reinen Licht.
Ein beseligtes, seliges Glück empfand ich in der Hl. Messe. Es war wirklich die Frucht vom Baum des Lebens. Ich wiegte mich zum Halleluja, lachte selig tonlos nur auf dem Antlitz und im Herzen und sang von Herzen: Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren, alles was Odem hat, Psalter und Harfe, wacht auf!“ Ich konnte vor der Eucharistie nicht tief genug knieen. Das ist wahrer Gottesdienst.
17.6.
Traum: Ich kam zum Priester, er führte mich in sein Wohnzimmer. Wir sprachen, er fragte, was mein Problem sei. Ich sagte, vielleicht sei der Kern des Problems mein Selbstmordversuch, seit dem ich nicht mehr heimisch auf der Erde. Er sah mich an, ob ich sicher sei, daß dies das Problem sei. Dann trat eine Frau mit langen roten Haaren ein, sie trank einen Schluck Alkohol. Der Priester sagte zu ihr: Wollen wir diesen hier in die Kirche aufnehmen? Ein Diakon trat ein. Priester und Diakon griffen mich, banden mich, wickelten mich ein, machten etwas, wie als ob sie mich unter Strom setzten, da rief ich: Vater, Ewiger! Das war meine Bekehrung. Ich trat aus dem Haus und sagte: Maria, Tochter des Vaters, bitte für mich. Ich kam in eine katholische Altstadt, da sagte Eine zu mir: Wenn ich wieder auf Abwege gerate, seien Bessere immer mit mir, auch werde die Weiße Dame immer da sein. Ich war dann bei einem einsamen alten Mann, wir sprachen davon, daß wir von Anglikanern, Lutheranern und Baptisten nichts mehr wissen wollten.
20.6.
Der alte Meßdiener, der mich unterwies, wie man den Rosenkranz betet, sagte, nicht dem solle ich folgen in der Verehrung Mariens, was andere sagten oder wie die offiziellen Gebete lauten, sondern ich solle meinen eigenen, ganz persönlichen Weg gehen. Mir schien, er hieß meinen Wunsch nach der „mystischen Vermählung“ mit Maria für gut und recht. Es sagte, ich sei ein Mönch in weltlicher Kleidung, ein Freund Mariens.
21.6.
Ich möcht mich für immer begreifen als „Marien Bräutigam“. Sie hat noch nicht Ja gesagt zu meinem Antrag in der Litanei von der Lieben Frau. 1994 hab ich ihre weiße Hand geküsst. Maria wird immer da sein, wird mich nie verlassen: „Und wenn mich alle Freundinnen verlassen, dann nimmst du mich doch auf!“
Maria begegnete mir zwar in der idealisierten Frau, aber Maria ist ganz anders. Die Frau ist dornenreich, Maria ist die dornenlose Rose. Maria ist zwar „gebendeit unter den Frauen“, aber sie ist vor allem „mehr gesegnet als alle anderen Frauen“. Wird die idealisierte Frauenliebe nun ganz in die Marienliebe aufgehen? Alles durch Maria für Jesus, immer durch Maria zu Jesus!
Maria hüllte mich heute Morgen in die Wolke stiller Wehmut, einer weltabgeschiedenen Versunkenheit und innigen Liebe zu ihr.
22.6.
Ich ruh in Maria in Gott.
KANN MARIA MIR DAS SAKRAMENT DER EHE SPENDEN?
23.6.
Traum: Ich ruh in Maria in Jesus, in Jesus in Gott. Vor dem Einschlafen versenkte ich mich in die Madonna auf dem Sessel und liebte die Madonna innig-minnig, und sie nahm mich in die Arme.
24.6.
Träumte von inniger minniger Liebe zu Christus.
Ich habe heute zu Sankt Johannis auf Omas Teetisch einen Altar errichtet, einen vorläufigen: Ein Rosenölgefäß mit Weihrauchstäbchen (für Magdalena) vor der Ikone vom Schweißtuch Christi, gelehnt an eine Vase mit Blauer Blume (für Maria), daneben die Heilige Schrift. Vorn ein goldenes Glöckchen als Zeichen der Wandlung, dazu ein Brötchen und ein Weinbecher mit Fischmuster, als Gedenken an den eucharistischen Christus.
Ich wage immer noch nicht zu sagen, daß ich mit Maria „vermählt“ bin. Ich denke so und finde so Frieden vorm Sturm der Leidenschaften. Ich dichte von Schalak (Schwan), dem Eremiten vom Karmelberge, aber die Jungfrau hat mir noch kein Ja-Wort gesandt. Sie liebt mich innig, minnig und wundersüß, ja, aber ein Wort: woher könnte es kommen? Ich denke an einen Ring. Bin ich auf dem richtigen Weg? Gott, ewiger Vater, darf ich mir Maria, die Gottesmutter, zur Geliebten wählen? Laß Du sie Ja sagen!
Ich mag nicht „Mutter“ sagen. Ich liebe Sie mehr, wenn ich Madonna, Liebe Frau, Jungfrau, Maria sage. Mutter erstickt. Ich hatte nie eine Mutter. Wenn ich krank bin oder elend, ob ich dann eine Mutter will? Wie aber, daß die Kirche sie als Mutter verkündet: Siehe, Johannes, deine Mutter! Und ist es gegen die Ehrfurcht vor der erhabenen Gottesmutter, sie als Geliebte, als Braut zu betrachten? Das eine ist der vorgegebene Weg der Religion, der Kirche; das andere ist mein ganz subjektiver, individueller Lebensweg. Der Pfarrer: „Reden Sie mit ihr wie mit einer Freundin.“ Meine Freundin, mehr noch, meine Geliebte bist du, o Maria, sei gegrüßt und vieltausendmal geküsst! Das finde ich auch in keinem kirchlichen Gebet, daß jemand Maria „Muse“ genannt hat.
Maria, wo bist du, über alle Maßen Geliebte? Ich ruhte in deinen Armen, du versenktest mich wie einen weißen Stein in Gott, in die ewige Ruhe in Gott. Ich sah dich in der Iris im Garten, in der Dame, deren Haar den Säugling verschleierte, in dem schönen Mädchen mit dem kleinen Knaben, in der stillenden Mutter. Heute find ich dich nicht, obwohl ich dir die Ave murmelte. Wo bist du, Feuersäule, wo bist du, Himmelstreppe? Alle nennen dich Mutter, ich mag dich nicht Mutter nennen. Liebe Frau, o sag, darf ich dich Geliebte nennen? Madonna, Freundin des Geistes der Liebe, darf ich dich Braut nennen, meine Braut, o Liebe Frau? Bitte sprich zu mir, wie du von mir geliebt sein willst. Ich wäre gern dein Minnesänger „vom Berge Karmel“.
Ich bin traurig, weil ich mich nicht traue, Maria Geliebte zu nennen, obwohl sich alles in mir glühend danach sehnt! O Maria, hilf mir, du Liebe, Schöne, Holdselig-Süße, von Liebe Glühende, Anmutige, innig Gott Liebende, komm und zeige dich mir! Gib mir durch einen Priester einen weisen, weisen Rat. Erlaube mir eine unorthodoxe Verehrung.
Rilke: „Vergangen nicht, verwandelt ist was war.“
25.6.
Die Heilige Agnes von Rom hat sich mit dem Jesuskind verlobt, dem Jesuskinde auf der Madonna Arm.
„Weigert sich aber ihr Vater, sie ihm zu geben, dann hat er ihm soviel zu zahlen, wie der Brautpreis für eine Jungfrau beträgt.“ (Exodus 22,16) - Vermählung mit Maria muß im tiefen Geheimnis eine Vermählung mit dem lieben Christus sein und in Ihm im Tiefsten mit Gott - „Ich lege dich wie einen Siegelring an meine Hand“, sagte Gott zu einem, zu Serubabel, glaub ich, und, wie mir schien, 1994 zu mir.
Der heilige Johannes vom Kreuz war Seele, die den Geliebten liebte, er war die Geliebte. Ich bin ein Liebhaber der Liebsten, von Ihr geliebt, von der Königin meines Herzens, und singe ihre einen bräutlichen Rosenkranz, einen Hochzeitstanz. O Rosenkranz-Marie!
26.6.
Mit der Schwester gesprochen. Gott will uns immer ganz persönlich, jedem anders begegnen. So darf ich Maria als Liebender begegnen. Als Maria Sonntag fern war, schmachtete ich, ich schmachtete wie ein unglücklich Liebender. In einem Rilke-Gedicht sprach sie dann abends mit mir. Das Liebesschmachten, die Sehnsuchtsnacht ist auch das Thema San Juans. Die Schwester will mir mehr Gedichte von ihm schicken. Bin dabei, ein zweites Gedicht von ihm nachzudichten.
28.6.
Träumte von Weihrauchduft und der Wolke der Herrlichkeit im Mosaischen Zelt und in der Katholischen Kirche.
29.6.
Polnischer Priester: Maria ist Königin, ist die Immaculata. Jeder hat ein anderes Marienbild in sich. Lesen solle ich päpstliche Enzyklika zur Marienverehrung. Ich sang „Schwarze Madonna, children at your feet“, als ich von ihm ging. Er hatte meinen Minneweg aber nicht verstanden und nicht gefördert.
5.7.
Charis heißt Gnade, Liebe, Güte, Schönheit, Sympathie, Gunst, Charme. Mit dem Weiblichen als Dimension verbindet sich alles, was auf das Leben hinweist (Entstehung, Schutz, Nahrung); alles was mit Intuition und Kreativität zu tun hat; auch alles was mit Intimität, Innerlichkeit und Geheimnis zu tun hat; Gefühl, Aufnahmevermögen und Aufmerksamkeit; Zartheit, Wärme und Liebe. Die Frau ist Mutter, Braut, Schwester und Freundin. Die Freundin ist Beatrice. Maria (Tempel des Geistes) ist alles dies. Geist Rouah ist feminin, lebensspendend und tröstend.
Die Schwester schrieb mir Mariengebete: „Ö Königin des Paradieses, nimm die Liebe des größten Sünders an, der in Liebe zu dir entbrannt ist!“ (Alfons Maria von Lignori) „Sei gegrüßt, bräutlich geleitest du heilige Seelen!“ (Hymnos Akathistos) „Du bezauberst mich mit einer Süßigkeit und einer Trunkenheit, die süßer ist als Wein, durch einen deiner Blicke halte ich am Kreuz hängend aus, ich halte aus in der Verzückung über dich, eingeschlafen, festgebunden an dem Baum des neu geschenkten Paradieses!“ (Bruder Ephraim)
9.7.
Las eine Übersetzung des Hohenliedes mit Kommentar, das Lied ward mit der Poesie von Theokrit in Verbindung gebracht und mit den Kultgesängen aus dem Ischtar-Tammuz-Kult.
Inannas Vulva glich einem Salatkopf. Aphrodite ist Schwanin. Ihr Element ist das Wasser. Inanna ist keine Muttergöttin, sondern eine erotische Göttin. „Mein Bruder brachte mich in sein Haus, legte mich auf ein duftendes Honigbett, legte sich auf mein Herzstück, tat es fünfzig Mal, zungenfertig!“ Sie war Göttin des Kusses und der Masturbation. Die älteste Poesie war von der Dichterin Enkeduanna aus Babylon, sie dichtete 2300 v.Chr. ihre „Zelebration für Inanna“, dichtete über die Kriege und Verwüstungen und Blutbäder der Liebe. Archetypischer Widerspruch zwischen der Mutter und der Geliebten: Demeter und Aphrodite, die Muttergottes und Maria Magdalena.
10.7.
Irgendetwas von Maria, Grotte, Schleier geträumt, wollte es nicht vergessen, vergaß es aber im Traum, nur „Massabielle“ blieb mir im Sinn. Erwachte morgens mit Gedanken an Maria und Elisabeth.
11.7.
Träumte von Maria und der Geliebten, mir scheint, Maria gab mir Weisung wegen der Geliebten.
12.7.
Die Schwester lud mich nach Lourdes ein.
13.7.
Petrarcas Augustinus: „Deiner Schwachheit Rechnung tragend, verlange ich nicht von dir, deine Natur völlig abzutöten; doch sollst du sie im Zaume halten.“ Meine Natur ist sinnlich, wie hält man sie im Zaume, wie bindet man sie an Gott? Augustinus: „Rastlos wird der Mensch hin und her geworfen zwischen Trauer und Freude, und sein schwacher Wille vermag nicht der wilden Begierden Herr zu werden.“ Plato: Halte die Seele rein von Lüsten des Leibes, dann erhebt sie sich rein und frei zum Schauen göttlicher Geheimnisse. „Enthaltsam vermag nur der zu leben, dem Gott es verleiht.“ Meine Sehnsucht, aus den Sturmesmeeren in den stillen Hafen der Seelenruhe und der Kontemplation zu kommen. Plato sagt, „daß uns vom Schauen der Gottheit nichts mehr abzieht als fleischliche Begierden und entflammte Sinnlichkeit“.
14.7.
Traum von einem Weisheitsgedanken: Das Leben bestehe aus Weihnacht und Ostern, gerade sei Weihnacht und Maria trage mich aus.
Ich will der sinnlich Schönen Seele preisen und die Heiligen und Engel in ihrem Garten. Nicht Werbung sei mein Gedicht, sondern „ein Wehn im Wind“, eine Preisung des Ewigen. In der Entsagung mehr Fülle zu sehn als im Begehren oder in der Erlangung: „Die Kinderlose hat mehr Kinder als die Hausmutter“.
Augustin zu Petrarca: Du liebtest den Leib und die Seele und den Namen, daß du einsam deine Zeit verseufztest und wenig an Gott dachtest. Geh fort, entferne dich, entferne alle Gegenstände der Erinnerung, schau dich nicht um. Ein schöner Körper entflammt die sinnliche Begierde, ein süßes Augenspiel weckt dem schon nahezu Geheilten auf ein Neues die schlafende Liebe. Der Liebeskranke sagt: Ich will und will nicht und will nicht und will.
15.7.
Träumte, ich suchte auf Baltrum die Bundeslade.
Bin in der Wüste, dürste nach dem Wasser der Liebe, bin ungeliebt, oder alle Liebe, die ich bekomme, fällt in das schwarze Loch meiner Seele. Da wird sie gefressen und nichts bleibt. Wer füllt mir das Loch des Liebeshungers? Gott nicht. Vielleicht ist es sein Wille, daß ich hungere und dürste nach Liebe. Selig sind, die da dürsten... Und Liebe kommt erst im Himmel? Auch von der Kommunion geh ich traurig und verzweifelt fort, dabei ist sie das einzige, was mir an der Messe noch wichtig ist. Aber warum speise ich die Hostie, wenn sie mich genauso elend wieder entläßt? Nacht!
18.7.
Ahnung, als wenn der milde weise Gott der Liebe sagte: Steige nicht zu steil die Himmelsleiter hinan, sei geduldig, dulde deine Sinnlichkeit und zähme sie. Der Kardinal zum Maler: Du bist berufen, sinnliche und seelische Schönheit zu gestalten, führe ein frommes Leben, dann kann auch ein Abglanz überirdisch-heiliger Schönheit auf dein Werk fallen. Poet, vergiß nicht die Charitinnnen und die Nymphen von Judäa!
19.7.
San Juan sagt, je mehr einer vom Himmel erwartet, desto mehr bekommt er vom Himmel. O Gottes Brautgemach! Liebe! Trank vom Saft des Granatapfels! Göttliche Wollust der unsterblichen Seele in Ewigkeit! Und ein Liebesmartyrium, ein seliger Liebestod, kein Strohtod, sondern im lodernden Feuer verbrennen! Maria, tritt in das Allerheiligste meines Herzens, in das Brautgemach, zu dem allein der Bräutigam meiner Seele, Jesus, den Schlüssel hat. Vermählung Mariens mit dem feurigen Geist in mir! Vermählung mit Maria ist, wie Sankt Agnes vollzog, Vermählung mit Marien Kind Jesus.
Der Heilige Geist in mir weht feurig und begehrt die Jungfrau Maria!
Ein Kreuzleben, las ich, ein Leben in Schwachheit und Agonie, im innersten Herzen der Kirche, wie San Juan und die Kleine Therese, ist weniger ein Leben von Ordnung und Harmonie, mehr ein Brennen: Propheten waren Ekzentriker.
20.7.
Träumte von der kleinen Therese als Dichterin.
Bruder Ephraim: „Darum hat ihr Sohn, der ihr Gemahl geworden ist, wie wir alle es zu werden berufen sind...“ - Vermählung mit Maria, um in Maria vermählt zu werden mit Jesus in Gott. Dies sei der Sinn meiner Wallfahrt nach Lourdes. (Dafür mag ich auch einen Ring tragen.)
21.7.
Träumte eine Anrufung Sankt Augustins, war in einer Höhle mit Felsmalerei, darstellend die Weiße Dame der Iberer. Wachte auf und war still verliebt in Marien Schönheit.
Bruder Ephraim: das Rot der Liebe duldet es nicht, daß eine andere Farbe daneben tritt, es kann nur sublimiert werden, heilig werden in Maria, in Gott glühend, daß es Weiß wird. Maria als Die Verklärte Frau schlechthin. - Heimsuchung Mariens, Elisabeths Gruß in Ajin Karin. Lourdes: Hochzeitsreise. Maria in Medjugorje: Liebe Kinder, kommt unter meinen mütterlichen Mantel. Aber sie ist ja auch die Jungfrau, die am Kreuz durch ihr Mitleiden der Passion Braut des Sohnes wurde, sagt Bruder Ephraim. Werde ich mit ihr vermählt, mit ihrem liebenden Herzen, werd ich mit dem Herzen Jesu vermählt. Will Jesus eine Zeremonie, einen Ring? Ist nicht vielmehr, wie Mir. sagte, die Vermählung, ein tägliches Ereignis? Wie in der Ehe: ein Hochzeitsfest, aber dann eine tägliche Vermählung, und in dieser Ehe scheidet uns der Tod nicht, sondern vereint uns endgültig. - „O Maria, gewähre mir die Umarmung des Heiligen Geistes, daß ich unter dem Kuß Gottes sterbe!“ - Maria: Drängt euren Glauben den Ungläubigen nicht auf, lehrt sie durch euer Beispiel und betet für sie. Laßt mich eure Mutter sein und eure Verbindung zu tiefem Glauben, ewigen Leben, Gott. - Ach, warum mag ich nicht Mutter sagen zu Maria? Ist es das Verlangen meiner Triebe, daß ich sie mehr als Freundin und Geliebte will? Im Traum ward ich doch von ihr geboren! Geistig erzieht und lehrt sie mich wie eine Mutter. - Maria spricht: Geh, trinke an der Quelle und reinige dich! - „Maria, du vollkommene Schönheit, schöner als das schönste der Menschenkinder, Maria, meine Taube, meine Vollkommene, in der kein Makel ist, Maria, die du innerlich schön bist, weil der Weisheit gleichgestaltet, o Schönheit, ich habe dich gefunden und will dich nicht mehr loslassen, solange du mich in dir so fest umschließt, bis ich zur Vollkommenheit, zu vollkommenen Form Christi geboren werde: Mögen mir alle die Charismen und Gaben des Vaters die ursprüngliche Ebenbildlichkeit bis hin zur Vermählung wiedergegeben werden!“ Vollendet findet die Vermählung der bräutlichen Seele in Maria mit dem Bräutigam Jesus beim Hochzeitsmahl des Lammes statt. Aber die Eucharistie ist schon Teilhabe an diesem Mahl. - Später will ich Maria auch Mutter nennen, wenn ich erkannt habe, was ihre Mutterschaft bedeutet. Jetzt will ich sie Braut nennen.
Unstillbare Sehnsucht ist gut, nur in der ewigen Liebesvereinigung mit Gott wird gestillt unsre glühende Sehnsucht. Augustin: Nicht Gott gebrauchen zu eigenen Zwecken, sondern sich freuen in Gott, seine Schau genießen. Pascal: Sinnlichkeit gebraucht Gott, um Freude an der Welt zu haben; Christliche Liebe gebraucht die Welt, um Freude an Gott zu haben. Maria: Gott verherrlichen wie Salomo im Hohenliede. Ich: Nahezu eine sinnliche Liebe zu Jesus haben. In der Eucharistie Jesus als Geliebten verschlingen. Erwählung: Wir wurden wachgeküsst von Gott, von seinem Geist. Der Geist gießt sich auf alles Fleisch aus. Auferstehung des Fleisches. Ich würde gern mit Augustin über Diotima reden. Sublimierung der Frauenliebe zu Marienliebe, die zu Jesusliebe führt oder eigentlich schon Jesusliebe ist.
„Wohl den Menschen, die Kraft finden in dir, wenn sie sich zur Wallfahrt rüsten!“ (Psalm 84) - Trösterin als Braut des Trösters. Maria muß das Taufwasser sein, das Taufbecken, Braut des Geistes Gottes, in Wasser und Geist bin ich wiedergeboren. Mein Bekehrung war marianisch: Der Engel des Herrn erschien, ich sagte Ja, indem ich mit vor Gott als seine Sklavin niederwarf. - Jesus ist traurig über den Widerspruch, der gegen ihn erhoben wird. Wer sich der Schule der Weisheit unterzieht, in dem dieser Widerspruch verstummt, der „tröstet Jesus“: Ich mache Jesus eine Freude! - Ich bin eifersüchtig auf die Welt, an die sich Maria in Medjugorje richtet. Ich will, daß sie mit mir ganz allein redet. - O Trösterin, ich weihe mich, o Braut des Trösters, deinem unendlich zärtlichen Herzen, damit ich anderen selbst zum Tröster werde. - Maria, ich weihe mich dir, daß ich zum „Mittler der Mittlerin“ werde und deine Schönheit besinge und in ihr die Schönheit Gottes, dessen wundervolles Meisterwerk du bist. - Ein Pater schreibt: Maria sagt uns:
„Nimm mich doch auf, wie du es so oft versprochen hast; halte Wort. Du hast mir so oft versprochen, nicht nur mir ganz zu gehören, sondern mich auf eine Weise aufzunehmen, nach der ich dir ganz gehöre. Du hast mir oftmals Worte wiederholt, die nur diese eine Bedeutung haben. Nun gut, jetzt nimm mich auf, wie du gesagt hast. Und vor allem: beschäme mich nicht in meiner Erwartung: so lange warte ich schon, so lange sehne ich diese Stunde herbei, diesen Augenblick, von dem an du mich ganz in dein Innerstes aufnehmen und mir nichts mehr vorenthalten wirst!“
Ein, scheint mir, prophetisches Wort an mich. - Mütterliche Freundin! Schoß, der mich geboren hat! Weisheitsvolle Erzieherin! Und: Braut, Geliebte, Freundin, Schwester, Königin meines Herzens! - „Meine Freundin, meine Mutter, meine Taube, Maria, dringe in das Brautgemach meiner Seele ein, in diese innerste Stätte, die ich ohne dich nicht besuchen kann. Du Braut Gottes, mache mich dir ganz zu eigen. Meine All-Reine, bereite im Geheimnis meiner Nacht den Hochzeitsbaldachin vor, für den der Allerhöchste mich erschaffen hat. Umhülle mich mit dir, wie der Geist dich mit seinem Schatten bedeckt hat.“ - Der Heilige Geist ist „kostbarer Zauber jeder fruchtbaren Einsamkeit“. - Maximilian Kolbe: Komm nah und näher der Immaculata, sie ist wie niemand sonst dem heiligsten Herzen Jesu nahe. Kommst du ihr nah und näher, kommen auch alle deine Nächsten des Herzens ihr nahe. - O mein geliebter Jesus, ich möchte Braut sein deinem Herzen und dir aus Liebe sterben (das Martyrium des Liebestodes). - Maria strahlt die Schönheit Gottes wieder, sie ist eine Braut, die durch die Liebe Gottes schön wurde. - „L’Union Mystique à Marie“. -
„Maria, indem ich mich dir weihe, liefere ich mich der Liebe aus, ihrer Liebkosung im Hauch des Heiligen Geistes, aber auch ihrem verzehrenden Feuer.“ - „O Königin des Paradieses, Liebenswürdigste, nimm die Liebe des größten Sünders an, der in Liebe zu dir entbrannt ist!“ - Maria, Blume von Galiläa, du fruchtbare Erde, in die der Same des Wortes gesät ward, du Baum, der die duftende Blüte Jesus hervorgebracht hat, du Salomonischer Tempel in deiner vollkommenen Architektur, liebe mich, komm und liebe mich lang und heftig! - Geist, du Kuß der Liebe, zieh mich zu Jesus! Jesus, laß mich in dir ganz vergehen, in dem Kuß der unendlichen Vereinigung! Laß mich dich sehen, besitzen, genießen! Ich sehne mich dürstend und verzehrend nach dir! - Maria, ich überlasse mich deinen Armen, gebe mich der Wärme deines liebenden Herzens hin, dem Feuerherd der Liebe, ruhe in der Geborgenheit deines milden Blickes. Du hast eine Vorliebe für mich. Du umhüllst mich im Elend mit Zärtlichkeit. Es ist einfach, mit dir eins zu sein. Meine Taube, geschmiegt in die Grotte des göttlichen Felsens, du bezauberst mich mit Süßigkeit und Trunkenheit, die süßer ist als Süßwein. Am Kreuz halt ich aus, festgebunden an dich, am Lebensbaum des Paradieses. - Maria ist das Gelobte Land, in dem Milch und Honig fließen. Sie ist ein Fels (Petra), von dem ich Wasser des Lebens trinke. Sie ist die Rosenpforte ins Paradies, sie ist der Gleichmut der inneren Märtyrer. Blüte der Unvergleichlichkeit, Granatapfelbaum der Labsal. Ihr Lieben ist über alles Verlangen groß. Sie ist Gemach der Weisheit, Gemach der Vorsehung. Brautgemach des unversehrten Verlöbnisses, bräutlich geleitest du heilige Seelen. O Becher des Jubels! o mystische Rose! - Weisheit Salomos: „Sie ist schöner als die Sonne, übetrifft jedes Sternbild und ist strahlender als das Licht. Sie habe ich geliebt und gesucht, ich suchte sie als Braut heimzuführen und fand Gefallen an ihrer Schönheit. Im Umgang mit Gott beweist sie ihren Adel.“ - Nun ist die Stunde eines neuen Kana, einer Hochzeit, bei der die Braut Gottes uns einlädt, den Wein zu trinken, den Wein der neuen Ausgießung des Geistes, eines neuen Pfingsten der Liebe! - Aus dem Schoß der Jungfrau, dem Paradies, dem Gelobten Land, fließen Milch des Trostes und Honig innigster Minne. Saugt euch satt an ihren tröstenden Brüsten! - Maria: „Wenn ihr betet, seid ihr so schön!“ -
23.7.
„Ich mag dich dicht, obwohl du so bist, wie du bist, sondern weil du so bist, wie du bist.“
Fand Reinhold Schneider über Camoes und über Portugal. Ja, südlich sinnlich lieben, eine Sehnsucht so groß, daß sie aus der Welt geht, immer schmachtend, immer einsam und unglücklich, im schwarzen Mantel der Schwermut, der Einsamkeit und des Todes, die Geliebte ist Gnade und Dämon, eine Lust am Leiden, eine Liebe zum Leiden, eine Wollust des Untergangs. Ich liebe wie ein Portugiese. Darum Ja zur Geliebten, sie ist mir Schicksal.
25.7.
Worte Jesu an Torsten. Jesus will, daß ich ihn so liebe, wie ich bin, ich muß nicht erst ein Heiliger werden. Kümmere dich nicht um deinen Mangel an Tugenden! Zuviel Tugend gibt Jesus mir nicht, weil es meiner Eigenliebe schmeicheln würde. Nicht nach meinen Talenten oder meiner Weisheit verlangt er, sondern allein nach dem Gesang meines Herzens. „Ich habe dich allein zur Liebe geschaffen“! Aus meinem Elend soll die Liebe zu ihm aufsteigen. Ich soll nicht an ihm zweifeln. „Ich gab dir meine Mutter“, ich soll ihm alles, alles geben durch ihr reines Herz.
Erwachte nach wenig Schlaf frühmorgens, da liebte mich Maria unsagbar; wie soll ich sagen? Als wäre ich in ihr, als schliefe ich mit ihr, solche Liebe, ganz unkörperlich.
Ich weinte, da sah ich das Antlitz des Dorngekrönten. Jesus will mir Kraft zum Leiden geben, die kleine Therese wollte das Leiden lieben, es ist ein Martyrium der Seele. Aber die Märtyrer segneten die, die die Löwen schickten. Ich aber bin arm an Liebe zu denen, die mir zuwider sind.- Nicht kann ich dir geben, o Herr, nur mein Nichts!
26.7.
Sehne mich danach, mein Leben in der Grotte von Lourdes niederzulegen, dort wiedergeboren zu werden, und von Jesus durch Marien Hände ein neues Leben zu empfangen.
28.7. - 5.8.
VIERGE IMMACULEE DE LOURDES
6.8.
Glücklich, in Lourdes gewesen zu sein. Der Besuch der Quelle, das Sakrament der Versöhnung, das Bild vom Mund der Pieta war überwältigend. Zärtliche Seelenverwandschaft mit der Schwester. Interessant, die wilde Jugend mit ihren Romanzen zu beobachten. Tiefe Gespräche mit Priestern. Frankreichs Süden ist mir das Schönste, was ich bisher sah. Hab einen kleinen rosanen Rosenkranz mit zehn Perlen aus Lourdes mitgebracht, Zeichen zärtlichster Intimität, er hängt am Bilde vom Mund der Madonna. Zuhause erwartete mich ein Buch „Weihe an die Heiligste Dreifaltigkeit durch das Unbefleckte Herz Mariens“. Die kleine Therese will Jesus lieben, indem sie ihm Blumen gibt, und wenn sie die Blumen auch von den Dornen pflücken muß, sie will Jesus Lieder singen, und je länger und spitzer die Dornen, desto süßer das Lied. Trage seit Lourdes einen silbernen Rosenkranz-Ring als Zeichen meines Verlöbnisses mit Maria (in Maria mit Jesus).
9.8.
War bei der Geliebten, das war überwältigend schön! Sie hat so ein wunderschönes Gesicht, so ein schönes leises Lachen! So schön ihr Armgelenk mit dem Silberkettchen mit bunten Steinchen aus Lourdes! Sie freute sich über die silberne Halskette mit dem Anhänger von Sainte Evelyne, wollte die Heilige kennenlernen! Ich erzählte ihr von der Liebe der portugiesischen Dichter: Du wirkst südlich auf mich, du entflammst solche Sehnsucht in mir, die nur durch die Liebesvereinigung mit Gott gestillt werden kann! Ich schilderte ihr die Erschütterung vor dem Mund der Pieta. Zum Abschied gab ich ihr einen Kuß auf die warme weiche Wange, was sie gewährte. Ich bin tief am Herzen von Freude berührt.
1997 bis 2000 war der Psalter mein wichtigstes Buch, 2000 kam der Koheleth dazu, nun wird es das Hohelied, Weisheit und Jesus Sirach dazu. Die Perser möcht ich kennenlernen. - Ich bin wie ich bin, mit sinnlicher Sehnsucht, da will Jesus, daß ich ihn mit sinnlicher Sehnsucht preise, nicht in platonisch-gnostischer Leibfeindlichkeit eines Asketen. Was ist Leidenschaft und Begehren?
Die Geliebte: „Inbegriff aller Schönheit“.
Ich danke Gott, daß er mir Magdalena als Heilige in mein Leben gegeben hat. Sie möge mich lehren, meine Sinnlichkeit, meine sinnliche Sehnsucht, in Glut der Liebe zu Jesus zu verwandeln. Als solche rief ich sie auch in Lourdes an. Ich freu mich auf das Paradies, dort Magdalena zu sehen, und neben Magdalena Eva und Sulamith. Dort werden auch Esther und Judith sein.
Portugal passt zu Magdalena: Traurigkeit der Sinnlichkeit, Sinnlichkeit der Traurigkeit. „So bin ich auch“, sagte die Geliebte. Wie es von Magdalena heißt, war sie Hetäre mit dämonischer Schwermut. Eben tanzte die Heilige unsichtbar betörend in meiner Wohnung, da erklärte ich ihr meine Liebe: Führe mich, ich brauche dich!
11.8.
Die Schwester schickte mir einen Rosenkranz von „Unserer Lieben Frau“, Perlen wie rote und violette Weinbeeren an goldenen Kettengliedern. Ich sehe portugiesische sinnliche Schwermut, schwermütige Sinnlichkeit darin, Marias weinrote südliche Schönheit.
Einer erzählte, auf Lanzarote ward eine Marienstatue vom Meer angespült und durchs Land getragen und die Madonna angerufen gegen die Dürre. Welche mythische Macht ist in den Kult der Madonna eingegangen: vom Meere angespült!
12.8.
Persische Mystik von den Poeten geschaffen. Das Lob der irdischen Liebe ist ein Gleichnis der göttlichen Liebe. Mystik des Weines. Wein ist Tröster der Betrübten, Freude der Herzen, Blut Christi. Maria ist der schöne Kelch der Hingabe. Derwische und die Extase, Dionysos und die Extase, San Juan: Ekstase ist Selbstvergessenheit und Gottversunkenheit.
13.8.
Träumte von Maria, sehr innig, sehr rot, sehr intim, sehr liebevoll, voll ehrfürchtiger Liebe zu der Gnädigen erwachte ich und küsste innig den portugiesischen Rosenkranz am Handgelenk.
Die Freundin las mir meine französischen Strophen an die Immaculata vor und war „sprachlos“, solche eine „Liebes-Hymne“ zu lesen. Sie sagte, sie fände mich schön.
14.8.
Idee, mir morgen zu Marien Himmelfahrt ein Schreibheft zu kaufen und es zu füllen mit Sonetten an Madonna Maria.
Tieck: „Und wie liebst du, Liebster? fragte sie. - Daß ich dir ganz unbedingt gehöre, du ganz mir, sprach der Trunkene: daß unter uns kein Zweifel waltet, keine ängstliche Furcht uns die kleinste Wahrheit oder größte Wonne unterschlagen darf, daß du mir keine Faser deines Herzens verdeckst, daß du jeder Frage mit Liebe und Wahrheit Antwort gibst.“ So liebt Maria mich, so lieb ich Maria. „Ach, in manchen Momenten glaube ich, daß ich deiner nicht würdig bin, dann fühle ich dich so viel größer und herrlicher. Ja, zu deinen Füßen muß ich liegen, im Staube vor dir, und deine Füße küssen als dein Huldiger oder demütiger Sklave, dem deine Hoheit, deine Gnade erst die Freiheit schenken kann.“
Ach Mandolinen, Orangen, Brunnen, Mondnächte, melancholische Poeten und unglückliche Liebende und Nymphen vom Tejo und der Tiber. Ach eine sulamithische Suleika oder Leilah im Rosengarten Persiens.
15.8.
Ich sehne mich so in den Süden, Südfrankreich oder Portugal! Wo ist das Buch, das diese Sehnsucht stillen könnte? Ich muß es selber schreiben. Wo ist poetische, romantische, schwermütige Sinnlichkeit? Ich kann die Weltmenschen und die kühlen Frauen nicht ertragen. Ich sehne die Nacht herbei. O Magdalena hilf!
In Indien war Maria erschienen und schenkte einer Armen ihr Lächeln. Das Gnadenbild wird in Indien zu Marien Geburtstag von Millionen Pilgern - Christen, Moslems und Hindus - ans Meer getragen. Man badet im Meer, gedenkt des Meeressternes Maria, welche schiffbrüchigen Portugiesen an den Strand half, und schert sich die Haare. Den einen ist sie Mutter Gottes, Mutter des Lebens, Mutter des Universums, den andern die Muttergöttin, allen die heilige Mutter. Es wird das Magnificat gesungen: Die Mächtigen stürzt er vom Thron und die Armen erhöht er.
18.8.
Simson: den Löwen der Wollust zerreißen und den Bienenhonig des Gotteslobes sammeln. Simson, von der Hure und der Philisterin versucht, wie Salomo von den heidnischen Frauen.
19.8.
Priester von Sankt Marien: Leidenschaft ist gut, sie gibt Kraft und Energie zum Leben.
Allein in Maria verliebt und ehelos - unglücklich verliebt wie ein Portugiese in sinnlicher Schwermut?
21.8.
Der väterliche Priester ermutigte mich, mich an der natürlichen Schönheit der Frauen zu erfreuen. Sublimierung heiße, nicht beim Geschlechtlichen stehen zu bleiben, sondern Leib und Seele als Geschöpf und Ebenbild zu ehren und zu lieben, die Frau nicht als die ewige Versucherin verachten. Ich denke, der Widerspruch zwischen Askese und Sinnlichkeit in mir ist noch dualistisch, gnostisch, manichäisch, esoterisch, leibfeindlich, Verachtung der Materie. Ist nicht die Schönheit des Leibes auch ein Lob der Schönheit Gottes? Inkarnation Gottes nicht in Form eines ätherischen Schleiers, sondern in einem Wesen aus Fleisch und Blut!
Einer schickte einen Aufsatz vom Anglikaner Lewis zu christlicher Poesie. Aristotelische Nachahmung sei auch lobenswert als Nachahmung verehrter Vorbilder. Paulinisch sei, die Frau ahme den Mann nach, der Mann aber Christus, Christus sei Anglanz Gottes. Das mag ich nicht leiden! Ich bin Platoniker: Der Mahn ahmt die Frau Muse nach, die Frau Muse ist das Ebenbild der göttlichen Schönheit. Thomas von Aquin sagt, es sei vernünftig, daß sich die Vernunft ab und an in der Muße erhole. Darum, sagt Lewis, sei auch Poesie der Unterhaltung gut.
Camoes: Ihr Frauen, ihr geht so leicht in die Netze roher, gemeiner Gesellen!
Der Geliebten Traum von Schönheit will ich teilen, die Sehnsucht ihrer Seele, ihre Schönheit genießen und in meiner Seele verwandeln. Nachts stille Zärtlichkeit für sie und ein lyrisches Gedicht. Meine Liebe ist Maria. Darum bin ich besser als freier Mensch bei den Frauen, ich werbe nicht um die Ehe, ich empfange nur, was Gottes Vorsehung mir an Schönheit und Freundlichkeit und Grazie zukommen läßt. Zuhause grüß ich die Königin meiner Einsamkeit. Ja, meine Mutter bist du, wie ich nie eine Mutter gehabt habe, Gottesmutter, meine Trösterin. Gewähre mir aus deiner Gnade, dich lieben zu dürfen wie meine Frau, meine Mitbewohnerin, meine Muse, in deinen Armen der Liebe will ich in den Himmel getragen werden, in die Heimat meiner Seele. - Und doch, O Jesus, wie gerne würd ich die Geliebte küssen!
22.8.
Ich hätte gern südliche Leichtigkeit, Genuß an Sonne und Meer und Wein und schönen Frauen. Aber ich bin ein dunkelblauer Friese mit nordischem Winter in der Seele, Weh umd Schmerz, und Sehnsucht nach Folkwang... Es ist in mir blaue romantische Nacht, Traurigkeit und Einsamkeit. Ich fürchte mich vor dem deutschen Herbst und Winter, den maroden Stimmungen und den frostigen Schwertern durch das Herz. Ich wäre gern glücklich. Heute ist die Welt lieblos, voll von Nesseln und Disteln und Dornen. Wo ist die Rose Maria? Laß mich dich sehen, Maria, die Schönheit Gottes! Meine Seele ruft an die Königin der Schwermut, aber meine Seele fürchtet sich vor der Schwermut. Ich sehne mich nach dem Glück, von einer sterblichen Frau geliebt zu sein.
O Königin Portugals, Fürstin von Fatima! War mit Maria allein. Sehnsucht nach der Blume in dünner Gaze. Sah Maria innen, als blicke sie, schwarzgewandet, mit schwarzen warmen Augen (Schönheit der Schwermut) in meiner dunkle, lichtbegierige Seele, sie mit dem Schmuck am Handgelenk.
Heute liebe ich keinen Menschen, nur Maria liebe ich, die portugiesische, die nach Indien will! Der Tag, die Welt, die Zeit ist grausam. Maria in mir! Alle Frauen außen, einzig Maria innen! Wie sieht sie aus? Den Mexikanern eine Indiofrau, den Indern eine lächelnde Somamilch-Mutter, den Afrikanern die schwarze Madonna, den Europäern die Sixtina und Pieta und Madonna vom Granatapfel, den Russen die melancholische Ikonenmutter. Mir die Göttin der Schönheit, heute schwarz wie eine Portugiesin gekleidet, mit Perlenarmband geschmückt, Schmelz und liebe linde Glut der dunklen Augen, Schwester meiner Schwermut, meine treu mich liebende Frau (was ich auch tu, sie liebt mich).
Sah einen Film über portugiesische Fado-Musik, Lieder über die Liebe. Bild einer Portugiesin, im schwarzen Kleid, braune bloße Arme, schwarzes Haar, dunkle Augen, im Sonnenuntergang auf einer steinernen Mauer sitzend, am braunen Handgelenk einen silbernen Armreif. Das war das Ebenbild der Maria, Inbild meines inneren Ideals heute, Königin der wehmütigen Schönheit, meine Frau, die mich ansah.
23.8.
Der Gottessohn in einer apokryphen Apokalypse: „Das Tor zum Lebensland steht weit offen!“ Herr, schaffe mir einen weiten Eingang zu deiner Freude! Sehnsucht nach dem Paradies!
Ich will verliebt sein in Maria, ich bitte Gott darum, ich brauche dies zu Trost und Heil, ich sage ja: Maria, ich liebe dich, ich liebe dich! Sei mir der Name Mariens der liebste Frauenname!
G e l ö b n i s a n M a r i a .
25.8.
Maria, der großen Träume Königin, ich lebe quasi eine Ehe, eine treue Brautzeit mit mir, sie ist allzeit da als Mutter und Frau und Muse.
Inneres Bild: Weihnachten, Maria geht als wahre Mutter unsichtbar durch das Wohnzimmer meiner Kindheit.
27.8.
Jeder Dichter hatte eine Muse. Einige blieben einer Einzigen ihr leblang treu. Andere suchten das Weib an sich in den vielen. Auch Tizian und Raffael liebten die Frauen. Raffael hätte das Madonnenlob ohne seine Geliebten nicht malen können. Auch Baudelaire hatte eine oder mehrere Musen. Nicht die bleiche, weiße, verfließender Schleier in die Nacht, sondern die im Leib, die Reizende, Rote, Engel und Sphinx in einem. Was will denn Maria? Kann sie allein meine Muse sein? Sie, die ich Königin der Musen nenne? In Lourdes suchte ich Maria allein, sie war die Gebendeite unter den Frauen. Wen lieb ich? Kann ich Maria als Einzige lieben? Sie, die da gesegnet ist mehr als alle Frauen? Sie ist die einzige Rose ohne Dornen. Aber warum kam ich aus Lourdes mit Camoes? Maria! Königin, ich will dein Sänger sein. Dich lobt ich im Jugendideal, du warst mein eigentliches Ideal. Du kennst Raffael und Dante, Michelangelo und Camoes und weißt, wie die Dichter sind. Führe mich, meine Meisterin, meine Madonna, daß ich dein Lob singe, auch wenn ich nicht nur Marienloblieder singe. Dein Bild scheine in meinem ganzen Werk auf. Aber, Geliebteste, brauch ich auch eine irdische Frau zum Bilde der Ewigen Frau, die du in Vollendung bist? Und ist es die Geliebte, die ich singen soll? An ihr seh ich schon seit so vielen Jahren meinen Traum von Schönheit. Sie ist der Schönheit Inbegriff. Erlaubst du, Herrin, solch ein Lied? Kann dein Lob daraus entstehen? Siehe Botticellis Muse, wie er sie als Venus und als Madonna malte. Maria, hilf mir, das Marianische an der Geliebten zu singen. Willst du, daß sie meine Muse ist? Oder willst du allein meine ideale Frau, mein Spiegel, mir der Abglanz Gottes sein? Lenke mein Herz, du Königin meines Herzens!
Ich schließe meine Augen und sehe Marien Handgelenk, geschmückt. Sie ist die Muse, die nicht von außen kommt, sondern von innen. Sie ist meine Trösterin, wenn die liebekargenden Frauen mich verwunden. Sie allein ist wahrhaft „anbetungswert“. Sie ist von himmlischer Schönheit, sie ist vollendet, vollkommen, das Weibliche in Vollkommenheit, meine Frau. - Wie ist das Verhältnis von Frauen und der Lieben Frau, von der Königin der Musen und den jungen Musen?
In mir seh ich eine Maria, die schöner ist als - kaum zu glauben - ja als selbst die Geliebte! Wie soll ich sie beschreiben? Sie scheint eine Portugiesin, schlank, im schwarzen Kleid, die Madonna voller Anmut, voller südlicher Grazie, mit bloßen Armen, makelloser Haut, glatt und gebräunt, am Arme: Perlen oder Diamanten, ein weißes Gesicht mit warmen schwarzen Augen, die Haare in einem schwarzen Schleier. Du bist so schön, so schön, schöner als jedes Mädchen, das ich je liebte! Du bist die Glut des Südens, der Schönheit und der Liebe! Solch eine Frau, das hätt ich nie gewagt, zu hoffen, daß mich solch eine Frau liebte, und nun liebt Madonna mich und lebt mit mir!
Wie gern hätt ich ein portugiesisches Madonnenbild Unserer Lieben Frau von Fatima! Was geschah in Fatima?
Wo aber bleibt in der Marienliebe der Eros in mir, Sinnlichkeit und Leidenschaft? Wird Eros sich nicht immer wieder eine Geliebte suchen? „Dein nackter Busen seinen Duft verschwendet...“ Ich bin kein Asket, sondern ein leidenschaftlicher Mensch.
Beaudelaire: „Madonna!... und mein Begehren dient dir als Gewand, das bebt, das sich in Wellen senkt und wieder neu erhebt, sich auf der Höhe wiegt, im Tal zur Ruhe streckt, und das mit seinem Kuß den weißen Leib bedeckt.“
Ja, jetzt ist Hälfte des Lebens, ich trete in die Heilige Apostolische Kirche ein und habe mich mit Maria verlobt, ihr soll mein Gesang, ihr und allem was sie liebt, gewidmet sein.
30.8.2001
Bei der Geliebten, alles süß und ruhig, schenkte ihr drei rosane Lilien, die sie und ihren Duft sehr schön fand.
6.9.
Träumte von Sankt Josef als dem Patron der Sterbenden. Er hatte ein schmales, älteres, gütiges, väterliches Gesicht, dunkelblonde Locken und einen reichen, aber nicht sehr langen Bart.
8.9.
Las das Nachwort zu den Eichendorff-Gedichten. Der „erotische Marienkult“ seiner Jugend wirke „pubertär“, erst als er die Frau seines Lebens, Luise, als Gattin und Mutter gefunden, huldigte er „Mutter und Kind“ mit „christlichen Wurzeln dieses Kultes“. Ich sollte keine Nachworte lesen!
Traurig über das Desinteresse der Freundinnen an mir. Sie haben mich vergessen! Ich werde zum Misanthropen.
10.9
Traum: Ich war in Herford, am Stiftsberg, in einer Schule. Ich trug einen Rosenkranz am Arm, wollte täglich zum Stiftsberg und der dortigen Marienkirche wallfahren. Ich sah ein Bild, die Evolution darstellend in den Armen Gottes, der Adam und Eva den Apfel reichte, Eva auf einer Muschel. Ein Schüler fragte mich nach Martha und Magdalena. Ein Pastor sagte, man wisse von der Legende der Magdalena, weil die Heilige einmal gesagt: „Ich bin Magdalena!“ Da stöhnte ich auf, weil ich die Heilige so liebte. In einer Gesprächsrunde sagte ich, alle, Nietzsche, Freud und Dostojewski, hätten ihre Musen gehabt. Ich ging aus dem Schulraum, ein Mädchen ging neben mir. Sie sagte, die Künstler haben Musen, aber eben doch immer die Hübschesten, Schönsten. Es sei auch aus moralischen Gründen besser, manchmal mit Frauen zu feiern, als immer allein zu sein. Dann saß ich an einer Skulptur von Michelangelo, die Barmherzigkeit darstellend, eine liegende Frauengestalt mit hübschen Brüsten. Als ich den Kopf ansah, war es der Geliebten Kopf. Ich erwachte und rief in großer Liebe: Maria!
„Hat Raffael in der Madonna auf dem Sessel das Irdische zur höchsten Reinheit erhoben, so scheint er bei der Sistina den Versuch zu machen, das Göttliche in Irdische Gestalt zu bringen.“
12.9.
Die politischen Fundamentalisten geben nicht das Bild des Islam, sondern Hafis und Rumi.
13.9.
Ich bin im Sommer, Blumen blühn, Früchte reifen, Frauen sind erwachsen und schön!
15.9.
Heilige Messe: Frieden und Versöhnung mit den Muslimen, Gerechtigkeit auch für Arabien, keinen „gerechten, heiligen“ Krieg, Wettstreit der Weltreligionen in der Liebe.
17.9.
Weihe an Gott kann öffentlich oder privat-geheim abgelegt werden. „Eremitisches“ Leben? Weihe an Maria; noch nicht ganz vollzogen die Weihe durch Marien Herz an die Allerheiligste Dreifaltigkeit.
Paul Claudel an André Gide: Sankt Franz hob ein Pergament von der Straße auf, denn es war S c h r i f t ! Wir dagegen, wie unsorgfältig gehen wir mit der Schrift anderer um und sogar mit unserer eigenen.
20.9.
Der älteste Liebesbrief der Welt ist aus dem 17.Jhd. vor Christus und auf Ziegel geritzt an eine ägyptische Prinzessin.
21.9.
Platens Abbassiden zuende. Als Katholik muß man darin zu den Muslimen halten, sie vertreten den wahren Glauben gegen die Götzendiener. Aber am schönsten sprach mich die Gestalt der Heliodora an, der Tochter des Kaisers von Byzanz, eine Christin, die der Liebe zum Kalifensohn entsagte und sich in ein libysisches Kloster zurückzog. Ich denke an meine alte Liebe zum schönen Byzanz.
Lese Platens Hafis. Das ist die Geliebte, denn es ist das Lied der Schönheit. Keats erhob die Schönheit zum Maß der Poesie. Ein Dichter ist ein Dichter und singt die Schönheit. Lobt der fromme Dichter die Schönheit der schönen Frau, ist es Lob der Schönheit-schaffenden Schönheit des Schöpfers.
Nizamis Madschnun und Leila.
22.9.
Welche herrliche Poesie in den orientalischen Doxologien, syrischen, byzantinischen, auch Ambrosianus, wie will ich das alles mehr und mehr kennenlernen. Das liturgische Beten soll „von außerordentlicher Schönheit“ sein. Eines Tages will ich eine Messe und ein Totenangedenken schreiben, sehr orthodox und sehr poetisch.
23.9.
Ist die Schönheit oder die religiöse Wahrheit das höchste Maß der Poesie? Vielleicht hat Dante als Einziger die beiden Reiche vereint in seiner Commedia. Aber ist nicht Gott ein schöner Gott? Und wie schön sind die Liebeskanzonen des Heiligen Johannes vom Kreuz! Wie schön sind die orientalischen Hymnen und die byzantinische Liturgie! Soll man Platos Wahres-Schönes heranziehen? Ist das wahre Wahre nicht immer schön? Die katholischen Gebete, Bilder, Kirchen sollen schön sein. Welche Rolle spielt die Imagination und welche das Dogma? Wer wird mir Vorbild sein? Einst waren Hölderlin, dann Rilke meine Meister. Kommt man aus dem Alter heraus, wo man Meistern folgt? Nahm nicht der alte Goethe noch Hafis zum Vorbild? Ich bin doch ein religiöser Dichter. Aber bin ich nicht auch vor allem ein Liebesdichter? Der göttliche Glaube ist (im Gegensatz zum trocknen Rationalismus des Protestantismus) ein Glaube an die Schönheit der Religion. Ihr werdet sehen die Schönheit eures Gottes! Ist das Thema der Poesie nicht die Schönheit der Schöpfung? Soll meine Kunst eine sakrale Kunst sein? Soll ich meine Seele aussagen? LeFort: In der Selbstaussage des charismatischen Dichters sagt sich Gott aus. Und was ist mit der Ewigen Frau? Salomo dichtete von der Schönheit der Schöpfung (von der Zeder bis zum Ysop), von der geliebten Frau Sulamith und von der bräutlichen Weisheit. Michelangelo schuf mit 24 Jahren seine Pieta: die ideale Schönheit. Er war Platoniker, die Idee der Schönheit war sein Höchstes Gut. Vor seinem Tode schuf er eine andere Pieta, die Leid-Entstellte, fragmentarisch: die Häßlichkeit des Kreuzes, die Torheit des Kreuzes, den Platonikern eine Torheit? Aber die Weisheit Gottes!
24.9.
Tag der Jungfrau der Barmherzigkeit.
Die drei schönsten Frauen der Welt: Die Sixtinische Madonna von Raffael, die Venus von Botticelli, und meine Geliebte von Gott dem Schöpfer!
25.9.
Platens Ghasele.
29.9
Habe an nichts als an der Geliebten Freude.
Goethes Rat an jüngere Dichter: Schau in dich, kenne dich selbst, schaffe aus dir und der Natur, häng dich nicht ewig-nachtrauernd an eine verstorbene oder entfernte Geliebte, sondern sei lebendig, lebe!.
1.10.
Fuhr zur Geliebten mit einem Sulima-Gedicht, war zwei Stunden bei ihr. Ich kann mich nicht sattsehen. Möchte ihr soviel schenken, ihr in allem das Leben erleichtern und sie glücklich machen. „Schön daß du da warst“, sagte sie zum Abschied. Ich solle nicht mehr soviel von meinem Werk vernichten und werde der Nachwelt nicht vergessen sein. Ich: Dann wird die Nachwelt auch von dir reden!
Denke an Rumi-Ghaselen, sehr freie Nachdichtung.
Wie herrlich ist Goethes Dialog mit der Houri! Möcht Rückerts Koran lesen.
2.10.
Lese die Bibel als Literat: Salomo und die Königin von Saba, Gold, Spezerei, Edelsteine, Affen, Pfauen, Sandelholz, Schiffe, Harfen, Weisheit. Wie herrlich wäre es, hätte ein alter Perser ein Epos Salomo gedichtet. Auch lieben sie Jussuf.
Zu Hafis: Die Religion des Herzens, die Religion der Liebe, freies Leben, fern der Sittengesetze der verdienstlichen Frömmler, fern der Verbote, allein auf Gnade für Sünder fußend, das Lied von der Liebe inspiriert, vom erleuchtenden Himmel eingegeben.
Denke an ein Salomo-Poem, Bathseba, Abischag, Sulamith, Astarte.
4.10.
Goethe über den Unterschied zwischen Propheten und Poeten: „Beide sind von Einem Gott ergriffen und befeuert, der Poet aber vergeudet die ihm verliehene Gabe im Genuß, um Genuß hervorzubringen, Ehre durch das Hervorgebrachte zu erlangen, allenfalls ein bequemes Leben. Alle übrigen Zwecke versäumt er, sucht mannigfaltig zu sein, sich in Gesinnung und Darstellung grenzenlos zu sein.“ Über Rumi: „...daß der eigentliche Dichter die Herrlichkeit der Welt in sich aufzunehmen berufen ist und deshalb immer eher zu loben als zu tadeln geneigt sein wird. Daraus folgt, daß er den würdigsten Gegenstand aufzufinden sucht und, wenn er alles durchgegangen, endlich sein Talent am liebsten zu Preis und Verherrlichung Gottes anwendet. Besonders aber liegt dieses Bedürfnis dem Orientalen am nächsten, weil er immer dem Überschwenglichen zustrebt und solches bei Betrachtung der Gottheit in größter Fülle gewahr zu werden glaubt.“ - „Auch unseren westlichen Dichter loben wir, daß er eine Welt von Putz und Pracht zusammengehäuft, um das Bild seiner Geliebten zu verherrlichen.“
„...eine alte Goethesche Weisheit, sich von der Vergänglichkeit der irdischen Tage innerlich unabhängig zu machen, indem man jede Stunde nimmt, wie sie ist, und sich eine innere Welt aufbaut, in der die Liebe herrscht.“
„Im Koran findet sich ein Kapitel, das zwölfte, unter dem Namen Jussuf, wo von Suleika, Tochter des Pharao und Gemahlin des Potiphar die Rede ist und ihrer Liebe gegen Jussuf. Da diese Liebe aus dem Anblick der großen Schönheit Josefs entstanden sein soll und ohne sinnliche Befriedigung geblieben, so wird sie von den Mohammedanern als ein Muster keuscher, obgleich brennender Liebe vorgestellt, welche zur Liebe gegen Gott geführt haben soll, weil man hinzudichtet, daß Suleika sich am Ende zum wahren Glauben bekehrt habe. Dies hat zum Roman Jussuf und Suleika von Dschami Gelegenheit gegeben. Die Liebe wird darin als die Neigung zu allem Schönen, Guten und Edlen vorgestellt und soll sich durch Betrachtung der sinnlichen Schönheit an Menschen wie an anderen Geschöpfen zur Liebe und Anbetung des Schöpfers aller Schönheit erheben. Die Religion wird überall hineingezogen.“
5.10.
„Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide!“
6.10.
Luther: „Ja freilich, denn Gott der Herr wird einen neuen Himmel und ein neues Erdreich schaffen, auch neue Belferlein und Hündlein mit goldener Haut. Da werden die Blumen, Laub und Gras so lieblich sein wie Smaragd. Und wird ein großes Licht sein und alles, was hier schön ist, wird dort nichts sein. Unsre Augen werden glänzen wie fein Silber, unser Leib wird leicht dem Willen folgen, wie ein Flaum. Wir werden uns genügen lassen an der Gnade Gottes. Wenn wir die nur haben, lachen uns alle Kreaturen an.“ Luther: „Gott spricht nicht Worte der Grammatik, sondern ruft wahre Wirklichkeiten; Sonne, Mond, Himmel, Erde, Du und Ich, wir sind Worte Gottes, seine Dichtung, Verse, Zeilen seines Schaffens.“
Ephesus, wo Artemis mit sechs Brüsten vom Himmel gefallen, Traumdeuter und Heiler und Wahrsager in ihrem Tempel waren, der Bau stürzte der Legende nach durch Johannes ein, der da begraben liegt und ewig mit seinem Atem Mannastaub bewegt, weswegen viele wallfahren zu dem, der nicht stirbt. Dort wird nach Anna Katharina Emmerich Tod und Himmelfahrt Mariens stattfinden, dort wird sie zur Muttergottes erklärt, dort wird angeblich Magdalena ihre letzte Ruhe finden (oder in Aix-en-Provence), dort werden die Siebenschläfer schlafen.
12.10.
An meiner Wand, mir im Rücken der Mund der Pieta und die marmorne Magdalena von Bernini, vor mir die Sixtina und die Venus von Urbino unter Leonardos Abendmahl. Wer ist die Venus?
13.10.
Die Flut meiner Leidenschaft stürmt vergebens. Mein Trost: Möge sie poetische Perlen an den Strand werfen.
Nicht in der Messe, in der Sinnlichkeit such ich Trost, in Venus, nicht in Christus. Ich fliehe den Trost des Heiligen Geistes, um meinen Schmerz zu kultivieren.
14.10.
Ich will ihr die Liebe Christi bringen und in ihr Christus verehren. Ich lebe allein in der Geliebten!
Der Tempel Salomos ist die Braut Jerusalem, die Nymphe des Lämmleins, das Haus der Weisheit, Tochter Zion, Maria, das ist die Geliebte.
Ich hab zur Geliebten gebetet. Stern des Paradieses am Himmel.
16.10.
Die Geliebte ist das Leben, mein Sommergenius im Sommer meines Lebens, ist die Mutter der Lebenden, die Neue Eva öffnet mir die Pforte zum Paradies. Ich sage Pforte und nicht Tor, denn die Pforte zum Paradies ist weiblich, ist marianisch. Petrinisch sind die Engel darüber und die Jünger, ihre treuen Freunde.
Die vielen Lilim laß ich, ich singe die lebendige Eva. Meine Neue Eva! Milton und Péguy sangen Eva. Bei Milton ist es die schöne Sünderin, bei Péguy die alte Mutter aller Lebenden. In meinem Poem ist sie die Schöne Braut, die Perfekte Schönheit, und dann die junge Mutter eines Urvolkes. Ganz von Eva selbst geschrieben. Die Geliebte in Maria lieben, Maria in der Geliebten lieben! Ihr Abbild, ihre Gestalt! Sulamith, Bild der göttlichen Mutter!
In Liebestrunkenheit und Rausch ahne ich, ahne ich etwas vom Paradies. Nicht der kristallene Himmel der Esoteriker, sondern die Über-Sinnlichkeit, Geist-Leiblichkeit, das Fleisch ganz Seele, die Seele ganz Fleisch, und alles in Harmonie und Ausgewogenheit, voller süßester Freude und lichten Jubels der Liebe! - Dann Adam im Staub, Eva mit den Kindern an seinem Grab. Die Kinder, ein ganzes Volk des Orients, alle Welt bevölkernd. Gott gebe mir den Geist der Prophetie!
Eine Seidenpfingstrose für Sie, denn sie ist eine dornenlose Rose. Sie ist wie violette Lavendeljade. Viva Eva! Evoe! Ein Name der Geliebten: La Vita!
Klopstocks Eva Hexameter, Miltons Blankverse, Péguys Alexandriner. Goethe sagt, der Deutsche singt Knittelreime (so spricht die Huri mit dem deutschen Dichter).
Lourdes: Suchen und Jagen und Finden junger Verliebter, eine italienische Venus, eine angerufene Magdalena von den Sternen, Prozessionen, schmerzreiche Nächte, Weinseligkeit, Sommerschwüle, Beichte, Glück, der Kreuzweg, der Mund der Pieta!
17.10.
Sie lachte. O du bist die Einzige in meinem Herzen! Ich darf sie morgen sehen. Ich liebe sie.
18.10.
Bei Ihr. Fühlte mich ungeliebt, nicht wertgeschätzt, war traurig. Noch eine Rose mit Dornen! Wehe, Schmerz! Einsamkeit, ohne wahre Freunde. Viel Ave Maria. Sie sah mir aus hellen blaugrünen Augen in die Seele. Zum Abschied: Schön daß du da warst. Ich küsste ihr die Hand: Ich hab dich lieb. O Schmerz des Verzichts auf Gegenliebe! An meiner Wiege stand Eros, aber nicht Anteros.
Wandte mich zu marianischen Gebeten. „Sie wird sein Ein und Alles auf dem Weg zu Jesus. Da also diese Seele ganz Maria gehört, gehört Maria auch ganz ihr.“ - „Nicht länger nennt man dich die Verlassene und dein Land nicht mehr das Ödland, sondern man nennt dich Meine Wonne und dein Land Die Vermählte“ (Jesaja 62).
Wenn der Schmerz der Verschmähung kommt, sag ich: Dich kenn ich, Dorn der Rose, sei gegrüßt, mein Schmerz, da bist du, altes Schicksal. Dann sah die Geliebte mich an aus lichten reinen klaren Augen, von traurigen Lidern verhangen. Ach Maria, wie soll ich dich ehren, wenn ich so verliebt bin? Ich traue auf dich, ewige Herrin, aber all mein Gefühl glüht für die Geliebte. Sprich zu mir!
20.10.
Sie weiß, daß ich sie liebe, aber sie fühlt es nicht. Wenn sie es fühlte, könnte es sie bewegen. Vielleicht fühlt nur die selbst Liebenden die Liebe des Liebenden. Die nur Geliebte nimmt die Liebe nur distanziert und damenhaft zur Kenntnis. Im besten Fall sagt sie: Ja, du darfst mich lieben, mir huldigen, aber verlange nichts, nichts für dich selbst (als nur meine Gedanken einer Dame).
Sieht der Liebende im Geschöpfe Gott oder macht er das Geschöpf zum Götzen?
Sie: Freundschaft ist nicht Sehnsucht nach Verschmelzung. Sie sehe sich nicht als Dame, finde es aber schön, so gesehen zu werden. Sie zog sich zurück, weil sie kein Liebesunglück oder dramatische Leidenschaft erregen wollte. Ich: Bewege dich auf mich zu, du bringst soviel Leben zu mir. Ich will doch nur jemanden liebhaben, und wenn es manchmal weh tut, nun, das ist nicht so schlimm.
Sie ist mein Leben. Ich bin an einen Dorn gebunden, den Dorn einer schöneren Rose. Ich liebe, um zu leiden, das scheint mir mein Fluch?
21.10.
In Lourdes warf ich mich Madonna zu Füßen, Sie gab mir die Geliebte als geistige Braut.
Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide! Wer nie sein Brot mit Tränen aß, der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte!
Liebe ist Sehnsucht nach ganzheitlicher Verschmelzung mit der Geliebten. Aber mag sein, ich brauche die Sehnsucht zur poetischen Produktion. Sie darf nicht gestillt werden, das wäre Kastration. So ist das Dichten ein sublimierter Liebesakt. Der Dichter leidet, um Schönheit zu erzeugen. Er trägt den Fluch, um Segen zu bringen. Darin ist er Christus gleich. Jedes Werk ist eine Hostie, in der sich die Seele des Poeten der Welt spendet. „Um den Plunder im Werk zu vermeiden, muß man den Plunder im Leben vermeiden“. Mir scheint, jeder Dichter hat seine eigene Sendung, die Romantiker und Goethe die Natur, Shakespeare und Schneider die Geschichte, meine ist die Ewige Frau. Darum muß ich LeFort noch einmal lesen. Es ist mein Evangelium. Darum bin ich Katholik, weil Maria die Ewige Frau in bezug auf Gott ist.
23.10.
Goethe lobt Byrons Frauengestalten: „Es ist aber auch das einzige Gefäß, was uns Neueren noch geblieben ist, um unsere Idealität hineinzugießen. Mit den Männern ist nichts zu tun. Im Achill und Odysseus, dem Tapfersten und Klügsten, hat der Homer alles vorweggenommen.“
Auch der Liebende und der Dichter seiner Geliebten sind für Gott geschaffen, der Liebe in allem Lieben. Gott, ein verschmähter Liebhaber, zärtlich Werbender.
Meine Liebe zur Geliebten nimmt religiöse Formen an. Ich sehne mich nach ihr. Aber es wird keine ganz erfüllende Gemeinschaft geben. Wann ist sie mein Götze und wann seh ich Gott in ihr? Ist es Neuplatonismus, Aufstieg vom Geschöpf zu Gott? Aber wo ist Gott? In dünnen intellektuellen Lüften? Nicht den Gott der Theologen such ich. Ich habe Sehnsucht, den Hunger, den die Geliebte weckt, im Sakrament zu stillen, Liebe zu essen, Jesu Fleisch, ob es mich sättigen kann? oder ist es irdisches Schicksal, Sehnsucht und Hunger zu haben? Wenn es mich schon so trunken macht, ihre seelenvolle Schönheit nur still anzuschauen, wie erst bei Gott, der ihrer Schönheit wesentliche Essenz, das Ideal, die Idee, die Substanz, das konzentrierte Wesen, die Schönheit selbst, die sich in der Ewigkeit nicht entzieht, sondern sich ewig mir hingibt! In dem Sinne ist es das Himmelreich, die Geliebte zu küssen, der Geliebten beizuwohnen, das wird über-sinnlich in Gott geschehen. Ach wär ich tot, damit ich die Geliebte in Ewigkeit anschauen kann! Denn Gott ist schön wie die Geliebte! Aber wie im irdischen Leben die quälende Sehnsucht, den Hunger ertragen? Soll ich Gott im geliebten Geschöpf suchen oder alle Kreatur verlassen und in mein Herz schauen? Was ist ins eigene Herz zu schauen anderes als Eigenliebe, Selbstverliebtheit? geht doch Liebe immer auf ein Du! Aber wann wird die Geliebte zum Götzen? Die persischen Liebesmystiker reden bewußt vom Götzen, bejahen diesen Götzendienst als Mittel zur Vereinigung mit Gott. Wo, wie, in welcher Art kann ich mich mit Gott vereinigen? Wie schwer fällt mir das Gebet, zu dem Maria aufruft, wie scheint es mir oft Selbstgespräch und wie oft vermehrt es nur meine Traurigkeit! Ich sehe zur Zeit nur die eucharistische Kommunion.
24.10.
Hilflos... ausweglos... vergeblich...
25.10.
Etwas von der Helena aus Goethes Faust geträumt.
Nachts ergreift mich eine quälerisch verzehrende Begierde. Gefangen in Qual, Trauer, Schmerz, Einsamkeit. „Ich bin verflucht!“
1.11.
Goethe über indische Philosophie: Der Jugendliche ist Sensualist, der Mann Idealist und legt der Geliebten Eigenschaften bei, die diese eigentlich nicht besitzt, der reife Mann Skeptiker, der Alte begnügt sich mit Quietismus. Ich im traurigen Sommer meines Lebens bin leider unheilbarer Idealist.
Hesse: „...scheint mit einem Leid beschäftigt, das er kostend angebissen, das er wie verbotene Frucht fürchtet und doch liebt und sucht.“
2.11.
Abends wieder dieser Dorn im Herzen. Wie soll ich das Leben überstehen? Wer kann mir helfen? Wünsche schon wieder, tot zu sein.
3.11.
Lebensangst. Calderon: Was dem Elenden das Leben, ist dem Glücklichen der Tod. Dauerhaft zerrissenes Herz. San Juan: Die Welt ist ein Raubtier. Er nennt die Sinnlichkeit den Feind der Seele. Bruder Ephraim sagt, viele Künstler und Mystiker leiden an Angst, die kleine Therese hatte Angst. Er empfiehlt, von der kleinen Therese zu lernen, die sterbend sagte: Nun bin ich ein geheiltes Kind! Fehlende Mutterbindung führt zur Einnahme giftiger Substanzen. Mama: Tu uns das nicht an, dir das Leben zu nehmen!
4.11.
Der Genius bleibt, die Musen wechseln? Aber hinter allen Musen steht Maria. Die sponsa im Werk des Mannes vertritt die virgo-mater. Was aber, wer aber ist Genius? Ist es Charisma? Der berufene Dichter ist eine charismatische Persönlichkeit, sagt LeFort. Eine Gnadengabe des Heiligen Geistes, des Meisters, des verherrlichenden Geistes, der da lobpreist die Schönheit des Schöpfers.
5.11.
Sehne mich nach schönen Marienliedern. Schwäche, Einsamkeit, Lebensuntüchtigkeit.
6.11.
Firmung: Chrisam: Nimm hin die Gabe des Heiligen Geistes! Priester: Er war überzeugter Evangelischer und kommt nach reiflicher Überlegung in die katholische Kirche und bringt die Würdigung des Wortes mit. Das Grundwort vor allen Worten und Geschichten des Lebens ist das Wort, das Gott ist. Euphorisches Glück anschließend. Tanz an der Hand des Heiligen Geistes!
Darum hat Gott mich am Leben gelassen, damit ich seinen Namen auf der Erde bekannt mache.