URANIA

Von Torsten Schwanke



ERSTER TEIL



Urania, die glänzende Jungfrau, hält mit ihrem Zaubergürtel das All in tobendem Entzücken zusammen!“

(Ardinghello)



O Christ-Sophia, sende deinen Strahl,

Daß ich verherrliche mein Ideal!“



ERSTER GESANG



1


Ich, Sokrates, ich schau in Geistes Klarheit

Die eine, reine, makellose Wahrheit,

Unfehlbar, irrtumslos und unbefleckt,

Die Gottheit, die allein ist ganz perfekt!

Inmitten wüster Frevler, eitler Narren,

Will ich allein der Offenbarung harren.

Die Frevler sind verstockt und Spötter spotten,

Sie wollen ihre Nichtigkeit vergotten

Und Götter schaffen nach der Narren Bild,

Wie Tiere leben sie, gleich wüst und wild,

Doch böse werden sie vom Traum erwachen

Und schaudern. Ja, dann wird Frau Weisheit lachen,

Sie lacht die Narren aus, die eitlen Spötter,

Sie stürzt sie nieder, sie und ihre Götter,

Sie stürzen in den Hades zur Vernichtung!

Sie ist ja nicht poetische Erdichtung,

Nein, Weisheit offenbart sich in dem Licht

Des Geistes, wenn die innre Stimme spricht.

Ist auch der Körper sterblich, mein Gemüt

Auch wankelmütig wie der Mond, der glüht,

Der einmal finster, einmal strahlend wacht,

Im Geiste offenbart sich Geistes Macht,

Im Geiste herrscht in makelloser Klarheit

Die reine geistgeoffenbarte Wahrheit.

Mein Geist ist ja der Weisheit Heiligtum,

Die innre Stimme als Daimonium

Ist höchste Weisheit in des Geistes Wort,

Sie spricht in meinem innern Seelenort,

Wie Hauch, der flüstert lieblich linder Leisheit.

Ja, mütterlich liebkosend spricht Frau Weisheit,

Verheißt das Glück mir in Elysium,

Wenn für die Wahrheit mein Martyrium

Ich dulde, wie die großen Dulder duld,

Duld wie Odysseus in Athenes Kult,

Wie Hiob dulde, bis der Gott, der wahre,

In seiner Weisheit selbst sich offenbare.

Ja, vor der Weisheit ich mein Haupt verneige

Und beuge meine Knie. Als Marterzeuge

Bezeuge ich noch im Martyrium

Sophia, Göttin von Elysium!



2


Beschlossen ist des Philosophen Tod.

Man breche ruhig seinen Leib wie Brot!

Was soll der Philosoph vorm Tode bangen?

Lang war die Seele in dem Leib gefangen,

Und eingeengt im düsteren Gefängnis

War immer sie in Drangsal und Bedrängnis.

Viel überlegte hin und her der Geist,

Was Sein, was Werden und Vergehen heißt,

Was Erstursache ist und was die Welt.

So drehte sich der Geist in seinem Zelt,

Doch alles was die Philosophen hatten

Erkannt, das waren nur der Weisheit Schatten.

Der Philosoph begehrt nur, daß er seh

Von Schatten nicht verschleiert die Idee,

Die Schönheit selbst, nicht nur im Fleische Lais,

Sie selbst, die Unverschleierte von Sais,

Die unverschleierte, die bloße Wahrheit,

Idee der Schönheit selbst in reiner Klarheit!

Parmenides doch einst in der Vision

Wallfahrte durch die dunkle Nacht zum Thron

Der Göttin Weisheit, die ihn lehrte dort

Das reine Sein, das ist! Der Göttin Wort

Erleuchtete Parmenides in Klarheit,

Er sah das Sein, das sprach: Ich bin die Wahrheit!

Solch eine Reise durch die dunkle Nacht

Des Todes wird nun auch von mir vollbracht,

Die Seele zieht nun aus das Kleid der Schatten

Und scheidet sich vom Fleisch, dem Ehegatten,

Daß Psyche nackend in der Himmelfahrt

Zur Weisheit fährt, die dort sich offenbart!

Der Tod ist Sehnsucht aller Philosophen,

Die Schatten all wie Dirnen oder Zofen

Verachtend als Betörung zu verschmähen,

Um rein die bloße Göttin anzusehen!

Dort wird der Philosoph, erlöst von Schatten,

Sich der Idee der reinen Schönheit gatten,

Die reine Göttin Weisheit, göttlich nackt,

Die große Herrin voll Potenz und Akt,

Wird dort dem Philosophen sich entschleiern

Und in Elysium die Hochzeit feiern!



3


Wenn ich die Schönheit sah, sprach Sokrates,

In Liebe lachend Alkibiades,

Voll Reiz und Anmuthuld Aspasia,

In Wahrheit sah ich doch Urania,

Die schöne Liebe selbst, die in der Mythe

Verklärt von Dichtern wird als Aphrodite.

Pandemos nicht, der Hurer Hure nur,

Ich meine Sie, die göttliche Natur

Der Schönheit selbst, der Liebe höchstes Gut,

Die Ur-Idee, die in den Himmeln ruht!

Was liebte ich des schönen Knaben Lachen,

Was wußte mich die Schöne zu entfachen,

Wenn ich nicht durch die Schönen tiefer seh

Geoffenbart der Schönheit Ur-Idee?

In aller Liebe meiner Seelentriebe

Geheim sich offenbarte Gottheit Liebe!

Was weiß ich von der Liebe, von dem Schönen,

Von den Ideen, die die Menschen krönen?

Wenn Menschen schön und lieb sind, zeigt sich ganz

Geheim darin der schönen Liebe Glanz!

Was ist an Menschen Liebe, die ich seh,

Das ist der Liebe ewige Idee,

Der ich geschaffen bin, die ohne Spott

Mir höchste Göttin ist, Idee in Gott!

So sah ich einst in einer Traumvision

Die wahre Gottheit ruhen in dem Thron,

Den altehrwürdigen, den weisen Greis,

Wie Licht sein Kleid, sein Haupt und Barthaar weiß,

Saß er im Himmel, ihm in Armen sah

Ich seine Lieblingin Urania

Sophia! Da ich sie im Traume seh,

Sprach süß zu mir der Schönheit Ur-Idee:

Weil du mich angeschaut, ich dich erkoren,

Drum ist ein Gottesbild dir angeboren,

Das offenbart dir Weisheit, Schönheit, Liebe!

Der Gottheit Inbild in dem Seelentriebe

Dich liebend führt zu diesen oder jenen

Und kündet dir in allen deinen Schönen

Die wahre Schönheit selbst, Idee im Schatten.

Sophia dich als Philosoph zu gatten

Ist deine ewige Berufung, Sohn!

So aus der Ewigkeit in der Vision

Urania Sophia lächelnd leise

Sprach: Durch die Gottheit einzig wirst du weise!



4


Was ist die Seele als des Leibes Leben?

Der Leib ist wie ein toter Stoff gegeben,

Gebildet aus dem Chaos, nacktes Elend.

Die Lebensseele kommt, den Leib beseelend,

Die Lebensseele kommt herab vom Himmel

In der Materie stoffliches Gewimmel

Von Elementen und Atomen, um

Den Leib zu bauen als ein Heiligtum.

Die Seele will als Herrin darin wohnen,

Sie, die gekommen aus den Lichtäonen,

Die makellose Jungfrau, reine Herrin.

Die leibliche Beschaffenheit ist Närrin,

Ist Magd der Seele, voller Gier der Triebe,

Die Seele aber ist die reine Liebe.

Die Seele lebt im Körper in der Stille.

Die Seele ist Gefühl, Verstand und Wille,

Des Leibes innre Herrin, innres Leben,

Vom Geist als die Lebendige gegeben.

Des Menschen Leben ist die Jungfrau Psyche,

So widersinnig sind nicht Widersprüche,

Daß Psyche werde nun des Menschen Tod.

Nein, bricht des Menschen Fleisch im Tod wie Brot,

So flieht die Jungfrau Psyche aus dem Turm,

Der Leib jedoch sinkt in das Grab zum Wurm,

Er wird verzehrt, wird kotig durch die Made.

Die Jungfrau Psyche aber lebt in Gnade,

Lebendig bleibt Gefühl, Verstand und Wille,

Sie schwebt gen Himmel, in die Himmelsstille,

Ins paradiesisch schöne Griechenland

Des Äthers. Dort in einem Luftgewand

Sie schwebt, im hingehauchten Ätherkleid,

Zur Lust Elysiums, die Psyche-Maid!



5


Im hohen Himmel ist ein Griechenland,

Die Seele suchte es, der Tote fand

Sein Griechenland, daß er glückselig werde

Im Paradiese dieser Himmelserde!

Nicht jede Seele darf im Himmel fluten

Zum Weißen Thron. Die Liebenden, die Guten,

Wahrhaftigen und Weisen wird erlösen

Die schöne Liebe. Aber alle Bösen

Durch ihre eigne Bosheit sich verdammen

Zum Tartaros, zum Schwefelsee der Flammen,

Wo sie herab die Schrecken finstern Pfades

Versinken in die Traurigkeit des Hades,

Wo sie die eigne Bosheit wie ein Pfahl

Im Herzen stets durchbohrt mit grimmer Qual.

Die Seelen, welche mittelmäßig waren,

Halb gut halb böse, Millionen Scharen,

Sie baden in dem Acherusischen See

In Reue ihre Schulden ab, im Weh

Der Buße werden sie von Schuld gepeinigt

Und durch den eignen Tränenstrom gereinigt.

Wenn sie gereinigt sind, so steigen sie

Nur durch der schönen Liebe Sympathie

Zu den Erlösten auf, den wahrhaft Weisen.

Die wahrhaft Weisen in den Sphärenkreisen

Bewohnen Wohnungen von reinem Gold,

Wo voller Huld die Himmelsnymphen hold

Dort zechen mit den Weisen, wo die Zecher

Die Knaben rufen: Schenkt uns voll die Becher,

Wo dort die Weisen übers höchste Gut

Beim Weine disputieren den Disput,

Wo sie dann mit den Himmelsnymphen hold

In Wagen fahren auf dem Pfad von Gold

In das Elysium des Paradieses.

Dort wird das schönste Himmelsmädchen, dieses

Holdselige, glückselige, den Sohn

Der Weisheit führen zu der Weisheit Thron,

Der Weise schaut in offenbarer Schau

Sophia dort, die Göttin, seine Frau!




ZWEITER GESANG



1


Ich, Dion, war im ewigen Äon

Des überhimmlischen Olymp, zu sehen

Die wahre Gottheit in dem weißen Thron.


Ich schaute in der Gottheit die Ideen,

Drei Grazien in Einer Göttin sah

Ich sich vor mir wie nackte Nymphen drehen:


Idee der Schönheit war Urania,

Idee der Weisheit Hagia Sophie,

Idee der Liebe war Agape da.


Ich sah die Grazien der Gottheit, die

Wie drei Personen Einer Göttin waren,

In Seligkeit des Himmels sah ich sie,


Da ich als Psyche unter Geisterscharen

Geflogen bin, vom Flügelpaar verhüllt,

Die Brust und Scham mit Feuerhaaren.


Jungfräulich Psyche wie ein Ebenbild

Der einen Göttin selbst glückselig war,

Ein Kindlein, an der Gottheit Brust gestillt,


Ein Mädchen, nur bekleidet mit dem Haar,

Jungfräulich bei jungfräulichen Gestalten.

Wer sie gesehn, wie sie im Himmel war,


Für eine Göttin hätt er sie gehalten.



2


Die Psyche des Olympos in dem All

Doch speiste leider die verbotne Frucht.

Das war der Psyche tiefer Sündenfall,


Daß sie verlor der Flügel keusche Zucht

Und niedersank in dunkler Schwermut Schwere

Und landete bei Zypern an der Bucht,


Wo Mutter Erde in der dichten Sphäre

Empfing die Psyche mit des Leibes Kleid.

Die Nacktheit war im Himmel Psyches Ehre,


Nun trug sie einen Mantel schwer und weit.

Verborgen in dem schweren Mantel war

Gegangen auf der Erde nun die Maid.


Da trat sie an die Lethe, da sie klar

Noch einmal schaute Gottheit unermessen

Äone um Äone offenbar!


Sie trank die Lethe und hat gleich vergessen

Der Gottheit ewiges Mysterium.

Sie hat von der Granatfrucht ja gegessen


Und war vertrieben aus Elysium.

Sprach Mutter Erde über Psyche dann:

Ich hab in meinem finstern Muttertum


Empfangen einen Knaben, einen Mann!

Ein Mann zu sein ist seines Lebens Sinn,

Ein Gottesmann! Die Mutter sah mich an,



Mich, der ich heute also Dion bin.



3


Die schöpferische Gottheit war mir gnädig,

Daß ich als Menschenkind geboren bin

Und nicht als Tierlein, der Erkenntnis ledig,


Daß ich ein Mensch bin mit Vernunft und Sinn!

Ja, gnädiger war noch die Gottheit mir,

Sie gab mir meines Lebens Vollgewinn,


Daß ich der Schönheit Diener bin, die Zier

Der Schönheit tief verehre und ihr Wesen,

Und daß ich als Vernunft und nicht als Tier


Ein Meister der Erotik bin gewesen

Und liebte sehr die Liebe, nämlich sie

Ist meines Lebens Krankheit und Genesen,


Und mehr noch, daß ich fromme Philosophie

Studiert und staunte die Ideen an,

Und daß ich selbst die mantische Magie


Der Musen lernte und der Musen Wahn

Und durch der Musen göttliche Mania

Geworden wahrlich ein dämonischer Mann,


Als Dichterseher Dolmetsch der Sophia!



4


Die Menschen leben wie in einer Höhle,

Der Öffnung wenden sie den Rücken zu,

Blind und in Finsternis des Menschen Seele


Sagt trotzig: Laß mich mit dem Licht in Ruh,

Ich will nur starren auf die Höhlenwand!

Dort huschen hohle Schatten immerzu,


Der wahren Dinge Schatten, von dem Rand

Der Höhlenöffnung und dem Quell des Lichts

Hinabgespiegelt in das Schattenland.


Die Menschen starren immer in das Nichts

Der Schattenwelt, ins Leere oder Hohle.

Die Worte eines himmlischen Gedichts


Vernehmen sie wie Echo nur. Idole

Verblenden sie, daß sie das Licht nicht sehen

Und nicht erleuchtet werden, sich zum Wohle.


Sie lieben Schatten mehr als die Ideen,

Mehr als die Sonne lieben sie die Nacht,

Mehr als das Wort des Echos leeres Wehen.


Ich habe in der Höhle auch verbracht

Mit anderen Bewohnern lange Zeit

Und lag wie tot in einem dunklen Schacht.


Ich dämmerte in trister Dunkelheit,

Ich sah die Schatten huschen, Paranoia

Befiel mich vor des Todes Ewigkeit –


Als mich herausrief Herrin Metanoia!



5


Ich sah die Jungfrau Metanoia an,

Die Seelenführerin zum Quell des Lichts,

Sie führte den zum Licht bekehrten Mann


Ins lichte Leben aus der Nacht des Nichts,

Sie hielt in ihren Händen sieben Kerzen.

Die Muse wahrhaft göttlichen Gedichts


Mir öffnete die Augen in dem Herzen,

Ich schaute die Natur der wahren Dinge.

Doch mir bereitete die Schauung Schmerzen.


Sie sprach: Durch Schmerzen zu dem Licht durchdringe,

Die Wahrheit wird geboren nur durch Wehen

Der schmerzlichen Geburt. Die Seele schwinge


Sich steigend auf, die Nacht wird widerstehen,

Die Finsternis wird lästern und verspotten,

Die Schattenseher werden dich verschmähen,


Die kalten Schlangen in den finstern Grotten

Begeifern dich mit ihrem Todesgift.

O Seele, will die Weisheit dich vergotten


Und schreiben in dein Buch der Gottheit Schrift,

Bereite du dich auf die Einsamkeit

In der Erleuchtung vor, die Seele trifft


Dort keine Seele, die wie sie geweiht!



6


Ich, Dion, schaute Diotima an,

Ich schaute an das göttergleiche Weib,

Von ihrem Licht erleuchtet ward der Mann,


Ich schaute ihre Seele in dem Leib

Und schaute in den Dingen an das Sein.

Dein Lied der Liebe, Diotima, schreib


Ins Buch des Lebens meiner Seele ein,

Dein Lied der Liebe schläft in allen Dingen,

Dein Wort der Liebe makellos und rein


Will, Muse, ich als dein Rhapsode singen,

Athenes Weisheit will ich singen wie Homeros,

Mich singend zu der Schau der Weisheit schwingen!


O Diotima, in der Kraft des Eros

Seh ich die göttliche Agape schon,

Des Weltalls Harmonie, Musik des Sphäros,


Hör ich schon tönen um Agapes Thron.

O Diotima, denk ich deine Worte

Ergründend bis zu Ende, im Äon


Des Lichtes seh ich an der Himmelspforte

Die Göttin Weisheit strahlen, sie ist da

Die Weisheit deines Worts. Im innern Orte


Des schönen Leibes Diotimas sah

Die Psyche Dions, in der Seelengattin

Bild, schön die göttliche Urania.


Ich sah die drei Personen meiner Göttin!



7


Ich kostete den Dämon der Erotik,

Dämonische Mania, aufzuwecken

Den Wahn, der Musen mantische Poetik,


Die Poesie des Eros! Todes Schrecken

Sind wie des Eros Schrecken! Pein und Lust

Und Feuerpfeile, die im Busen stecken,


Gemischt sind in dem Eros unbewußt.

Und doch ist Eros Mittler, Seelenretter,

Der reißt hinan das Innerste der Brust!


Da die Geliebte aus dem Reich der Götter

Zu stammen scheint, die Göttin meiner Seele,

Die Schönheit selbst (ob spotten auch die Spötter),


Die göttergleiche Schönheit ohne Fehle,

Da bete ich sie an von ganzem Herzen

Und warte auf die himmlischen Befehle.


Und sie befiehlt: Vergeh vor Liebesschmerzen!

Entzünde deiner Liebe Himmelslicht,

Vergehend und hinschmelzend wie die Kerzen!


Wenn du in der Geliebten Angesicht

Erkennst als wie in einem lichten Schatten

Die Gottheit, die zu deiner Seele spricht,


Wirst du verwundet tödlich nicht ermatten,

Wirst du, erweckt vom Lichtglanz einer Frau,

Der Liebe Gottheit dich unendlich gatten,


Glückselig sein in deiner Gottheit Schau!



8


Ich liebte ganz nach Diotimas Wort.

Die Schönheit der Geliebten liebt ich sehr,

Den Leib der Lieblingin, den Seelenort.


Ich liebte alle schönen Mädchen, mehr

Und mehr die Schönheit selbst wie eine Frau,

Wie eine Mädchengöttin auf dem Meer


Der Schönheit, die ich schaute in der Schau

Der Seele angeborenen Vision!

Ich schaute meine Seele wie im Tau


Des Lichts der Gottheit, schwebend vor dem Thron

Der Gottheit mit den andern schönen Seelen.

Ich war in Seligkeit der Seelen schon.


Ich tat die schönen Seelen anbefehlen

Der Gottheit, um die Seelen gut mich sorgen,

Die Seelen wie ein guter Hirte zählen,


Die alle sie erwacht am Weltenmorgen,

Wie schöne Nymphen treibend in der See,

Wie Perlen in der Muschel Schoß verborgen!


Wenn ich im Kind die reine Seele seh,

Der Seele angeborne fromme Tugend,

Seh ich der Gottheit Geist in der Idee


Wie eine schöne Göttin reiner Jugend!



9


Ich schaute schließlich selbst die Schönheit an,

Der Gottheit Schönheit, die ich geistig seh

Prophetischer Vision als Gottesmann.


Wie inkarniert die ewige Idee

Der Schönheit selbst erscheint in meiner Schau,

Hinschmelzen möchte ich vor Sehnsuchtsweh!


Sie ist so frisch und unberührt wie Tau,

Wie lichter Tau der Knospe einer Rose,

Wie zarter Hauch die unberührte Frau,


Wie reinen Lichtes Glanz die Makellose,

Wie aufgetaucht in Perfektion und pur

Wie eine Perle in dem Muschelschoße!


Von ewig überirdischer Natur

Erscheint vor mir die makellose Maid

Als jugendliche Blüte in der Flur


Elysiums, dem Hain der Ewigkeit!

Ein Licht um sie, jungfräulich rein wie Schnee,

Ist wie der Segen einer Gnadenzeit,


Der Gnadenzeit, da ich die Schönheit seh,

Erleuchtet durch erotische Mania

Ich schaue aller Schönheit Ur-Idee,


Die Hagia Urania Sophia!



10


Wer je Urania geschaut im Licht

Des Geistes in prophetischer Vision,

Der Gottheit feminines Angesicht,


Sie, bauend überm Meer sich ihren Thron,

Wer je in der Erleuchtung jähen Schau

In Offenbarung schaut als Gottessohn,


Wer je geschaut die gottgezeugte Frau,

Der absoluten Schönheit Perfektion,

Wer je erleuchtet von des Lichtes Tau


Gestanden ist am Meer vor ihrem Thron,

Der wird durch die prophetische Erfahrung

Urania erwählen als ihr Sohn


Und als der Bräutigam der Geisterpaarung,

Der wird der Gottheit Gatte, Gottesmann

Der gottgehauchten Frau der Offenbarung!


Wer so sich bindet an die Herrin an,

Taucht in der Liebe Quelle ungetrübt,

Vergöttlicht wird er götterähnlich dann


Und ist als junger Gott von Gott geliebt!



11


Nun Psyche abgelegt das Leibeskleid,

Schwebt Psyche wie ein Falter auf dem Hauch

Des Ätherlichtes in die Herrlichkeit!


Das Leben ist ein Schatten und ein Rauch,

Das Dasein auf der Erde wird zunichte.

Unsterblich ist die Seele! Aber auch


Muß Rechenschaft sie geben im Gerichte

Des Totenrichters, der die Psyche richtet!

Er schaut sie an in nackter Wahrheit Lichte,


Die nackte Psyche, wie ein Hauch durchlichtet,

Gewogen wird sie auf der Liebe Waage.

Ihr gottgehauchter Körper goldgedichtet


Ist schön wie eine Nymphe aus der Sage.

Die Psyche wurde im Gericht gewogen.

Der Totenrichter sprach: Fürwahr, ich sage,


Wer Wahrheit suchte, der war schon gewogen

Der Wahrheit, war schon in der Wahrheit Reich...

Nun tauche aus kristallnen Meeres Wogen


Und sei glückselig, reinen Nymphen gleich,

Sei im erotischen Mysterium

Der Hochzeit in dem Himmel freudenreich


Und leb als Göttin in Elysium!



12


O Insel der Glückseligkeit! Dein Garten

Ist wie ein Paradies der Himmelswelt,

Da Psyche im gehauchten Kleid, im zarten


Hauch eines Kleides, ruht in ihrem Zelt,

Gebettet ruht sie in dem Brautgemach,

Die Zone ihr Gewand zusammenhält,


Sie ist befriedigt – und verschmachtet, ach!

Gestillt verschmachtend! Schöne Helena!

Als Gottes Eros zu ihr trat und sprach:


Ich bin dein Bräutigam und ich bin da!




DRITTER GESANG



Die Lebensquelle, aller Wesen Schoß,

Bewegungsvoll, das Weltall zu bewegen,

Der Uranfang ist selber anfangslos,

Kein leeres Nichts – ein glühendes Erregen

Das All erschafft, die Harmonie des Sphäros.

Die Schöpferkraft, das ist der Gottheit Eros!


Die Gottheit hauchte Psyche, sie zu legen

Als die Lebendigkeit des Menschenleibes

Ins Innere und Äußere, bewegen

Soll sie den Leib des Mannes und des Weibes,

Sie ist das Leben. Daß sie nicht vergißt,

Die Psyche-Maid, daß sie unsterblich ist!


Drei Kräfte walten in der Psyche Innern:

Die höchste ist die führende Vernunft,

Sich ewig an die Gottheit zu erinnern;

Die niederste ist wie des Tieres Brunft;

Die mittlere ist Mittlerin der Kräfte

Und führt zum Geist hinan die Lebenssäfte.


Die Psyche nun im himmlischen Gefieder

Schwebt durch den Äther über aller Welt.

Sie hört den Sternenchor, die Sphärenlieder,

Die Musen singen in dem Himmelszelt.

Sie schwebt im Hauchgewande durch den Äther

Der Gottheit. Nieder kommt sie aber später.


Was aber machte Psyche mit dem Flügel,

Als sich zu überheben aller Schwere,

Auf zu den Kräften auf des Himmels Hügel,

Den heitern Himmlischen der lichten Sphäre?

Das Göttliche ist Schönheit, Weisheit, Liebe –

Dort Psyche wird gestillt im tiefsten Triebe.


Der Gottheit folgen Myriaden Geister,

Geordnet in der Himmelshierarchie,

Der Gottheit Spiegel, Throne, Mächte, Meister,

Die Fürstentümer alle preisen Sie,

Die Eine Gottheit über allen Göttern,

Die ewig alle Himmlischen vergöttern!


Sie wandeln droben alle zu der Feier,

Ambrosia und Nektar ist ihr Mahl.

Dort Psyche wandelte im Hauch von Schleier,

Der Gottheit Magd, ein Himmelsideal.

Die Flügel rissen fern von aller Schwere

Hinan die Psyche in die höchste Sphäre!


Das überhimmlische Elysium

Hat noch kein Seher und Poet geschaut,

Noch wird dies ewige Mysterium

Den Sterblichen auf Erden anvertraut.

Ich aber schaue selig es in Klarheit

Und will es nennen mit dem Wort der Wahrheit.


Gestaltlos, stofflos, farblos, wahrhaft seiend

Im Höchsten thront das eine Überwesen.

Der Seele Führer, die Vernunft, befreiend

Vom Stoff, hat in der Gottheit Buch gelesen.

Dort schaut sie an die Weisheit und die Kraft

In göttlich-inspirierter Wissenschaft.


Der Seele Führer, der Vernunft, beglückend

War diese selige Vision und Schauung

Des Überwesens. Gottheit bloß erblickend,

Der Seele ward das Heil der Anvertrauung

Und der Vereinigung im Liebesbrennen,

Da folgte auf das Schauen das Erkennen!


Die Seele schaute die Gerechtigkeit,

Die Gutheit und die Schönheit und die Wahrheit,

Die Weisheit und die Allbarmherzigkeit,

Der Liebe Ewigkeit in lichter Klarheit,

Die Seele sah im innerlichsten Triebe

Der Gottheit höchsten, letzten Zug - die Liebe!


Das ist die große Lust der Himmelsfrauen,

Der Gottheit Seelen in dem Himmelszelt,

Die makellose Wahrheit anzuschauen

Im himmlischen Elysium, dem Feld

Des Paradieses, tönend süß von Liedern

Der Seelen mit den rauschenden Gefiedern.


Die Psyche, die der Gottheit Freundin war

Im seligen Elysium voll Gnade,

Wenn sie die Wahrheit sah im Lichte klar,

So wird der makellosen Maid kein Schade.

Doch hier versagt sich mir das Lebensbuch,

Denn dunkel tönt der Gottheit Schicksalsspruch:


Die makellose Psyche soll zur Erde

Und Leben sein für einen Leib vom Staube.

Was sagt von diesem göttlich-ernsten Werde

Der heilig allumfassend wahre Glaube?

Der Philosoph sagt: Leben ist ein Sühnen,

Der Heilige: Ein Himmelreich-Verdienen...


Die Psyche, die vollkommener geruht

Im Überwesen, an der Gottheit Busen,

Wird Philosoph und liebt das Höchste Gut,

Wird Schönheit-Liebender und Freund der Musen.

Der auserwählten Seele Buße, Sühnen,

Das ist, der Liebe nun allein zu dienen.


Die Seele, die verlor die Himmelsflügel,

Die tragisch in das Grab hinabgetrieben

Des Staubes, schaut nicht mehr der Gottheit Spiegel,

Es sei denn, sie vermöchte fromm zu lieben

Die schönen Frauen und die lieben Knaben

Und zu betrachten Weisheit hocherhaben.


Der Philosoph lebt nur der Mnemosyne,

Erinnernd sich der himmlischen Gestalten.

Auf Erden in der Buße und der Sühne,

Betrachtet er nicht das, was Narren halten

Für Wirklichkeit, vielmehr den Geist befreiend

Betrachtet er die Gottheit einzig seiend!


Wer aber schaut allein die Gottheit an

Und hält das Göttliche allein für Wahrheit,

Die Welt nennt das den religiösen Wahn,

Weltweise halten das für eine Narrheit.

Der von der Gottheit Wahnsinn übermeistert,

Ist reiner Tor der Liebe und begeistert!


Den Wahnsinn gibt es ja der Religion,

Den Wahnsinn der ekstatischen Propheten,

Den Musenwahnsinn auch im Musensohn,

Kommt die Begeisterung über den Poeten,

Doch allen Wahnsinns Wahnsinn immer bliebe

Mir Toren treu - der höchste Wahn der Liebe!


Wenn nämlich eine Seele schaut auf Erden

Die Schönheit an in einer schönen Frau,

Erinnert sie sich an das eigne Werden

Und an der Gottheit seligliche Schau,

Urschönheit schaut sie an im schönen Spiegel,

Da regt die Seele wieder ihre Flügel.


Da hebt die Seele rauschend das Gefieder

Und will gen Himmel fliegen zu der Schau

Glückselig-göttlicher Urschönheit wieder,

Die sich gespiegelt in der schönen Frau.

Auf Erden wird die Seele liebeskrank,

Wird seelenkrank, der schönen Frau sei Dank...


Wer dieses Liebeswahnsinns teilhaft wird,

Wer je nach der Urschönheit so gebrannt,

Wer nach der schönen Gottheit Schau gegirrt,

Der wird ein wahrhaft Liebender genannt.

Wer Gottheit schaute in der Schönen Schleier,

Der ist ein wahrer Minner, wahrer Freier.


Ist die Erinnerung ans Paradies

Stark in dem Mann und schaut er eine Frau,

Verzückt ist er von ihrer Anmut süß

Und überwältigt von der Schönheit Schau,

Und übermächtigt von dem Liebreiz girrt

Irrsinnig er und weiß nicht wie ihm wird!


Die göttliche Urschönheit ist zu schauen

In Ewigkeit, der Gottheit Hypostase.

Im Anbeginn, der Schöpfung Morgengrauen,

Die Seele sah in seliger Ekstase

Urschönheit, schön wie eine Überfrau,

Und war berauscht und trunken von der Schau!


Die Seele war vor diesem Überweibe

Urschönheit als der Gottheit Hypostase

So selig, als sie frei war von dem Leibe,

Daß sie in götterähnlicher Ekstase

Vor diesem Ideal getanzt den Tanz,

Anbetend vor dem göttlichreinen Glanz!


Die Schönheit glänzte in des Himmels Auen.

Wenn auf der Erde nun der Seele Augen

Die Schönheit wieder in dem Gleichnis schauen,

So ists der Seele Lust, sie einzusaugen

Mit heißem Durst des Lichtesten der Sinne,

Daß wieder wird das Herz der Schönheit inne.


Der Gottheit Weisheit ist nicht anzuschauen,

Die Seele wird von ihrem Licht geblendet!...

Die Schönheit in der Schönheit schöner Frauen

Wird wie ein Engel in die Welt gesendet,

Die glühendste, liebreizendste Idee,

Daß Psyche so der Gottheit Schönheit seh.


Ist nun ein Weiser heilig von den Weihen

Der uranfänglichen Urschönheit Schau,

So ists ihm wie die Gottheit selbst zu freien,

Sieht er der Gottheit ähnlich eine Frau,

Der Gottheit ähnlich, also eine Göttin,

Des Weisen innerliche Seelengattin!


Wenn er der Gottheit Ähnlichkeit geschaut,

So überfällt vom Himmel ihn ein Schauder!

War schön des Philosophen Seelenbraut,

Voll Reiz beim philosophischen Geplauder,

Ihm ist, er würde eine Göttin sehen,

Da wird ihm bang wie einem Weib in Wehen!


Dann betet er der Schönheit Göttin an,

Die er in der Gestalt des Weibes sah,

Er nennt als Dichter sie im Musenwahn

Aphoditissa und Urania,

Er fleht sie an um seiner Seele Wohl,

Er weiht sich seinem göttlichen Idol.


Das göttliche Idol in Fleisch und Blut

Voll Liebe betet der Verliebte an,

Ihr opfert er sich selbst in Liebesglut

Und kündet sie in dichterischem Wahn

Als seine neue Religion der Liebe,

Der er ein ewig treuer Sklave bliebe.


Und hat der Liebende die Seelenbraut

Betrachtet, nach dem Schauder kommt das Fieber,

Voll Glut hat er die Lichte angeschaut,

Durch seine Glut wird sie noch schöner, lieber,

Er schmilzt in Hitze hin und heißer Glut,

Sie lächelt über ihm, sein Höchstes Gut.


Weil er geöffnet seiner Seele Augen,

Urschönheit in der Schönheit anzuschauen,

Der Schönheit Ausfluß innig einzusaugen,

So wird vom Licht der Schönsten aller Frauen

Der Minner, der in Liebesflammen stand,

Ein Phönix, der aus Feuern auferstand!


Durch seiner Schönen glühendes Begießen

Mit Schönheitsausfluß fließend um die Glieder

Der Phönix-Psyche ihre Federn sprießen,

Dem Minner wächst sein rauschendes Gefieder,

Er hebt zum Fluge in den Himmel an

Als Phönix, Adler, Eule, Sangesschwan!


Wenn seine Schwingen breitet aus der Schwan,

Des Minners Seele wird zum Überwinder,

So schmerzt das wie der Schmerz beim ersten Zahn,

Wenn ihren ersten Zahn bekommen Kinder.

Da fühlt die Seele wehe, wehe Schmerzen,

Doch will der Minner süß von Minne scherzen.


Die Liebesseligkeit im süßen Herzen

Der Minner fühlt sich glücklich wie die Götter,

Zugleich im Herzen wehe Liebesschmerzen,

Schwermütig ist sein Herz wie trübes Wetter.

Die Seele seufzt und schmilzt und singt und girrt,

Die Rose macht die Nachtigall verwirrt.


Die Seele wie in geistiger Verwirrung

Kann nachts nicht schlafen, noch des Tages wachen,

Im Labyrinth der Liebe in Verirrung

Die Menschen über ihren Irrsinn lachen,

Der nüchterne Verstand wird sie verspotten,

Sie aber will Frau Schönheit nur vergotten!


Sie wurde von dem Rosenmunde wund,

Solang sie mußte süße Küsse missen,

Sie fleht zur Ärztin: Mache mich gesund,

Mein Heil sei mir mit Heil von Friedensküssen,

Laß den Rubin der Purpurlippen sein

Mein Heil mit Küssen blutigrot wie Wein!


Wer da der Gottheit Diener ist und Knecht,

Der wird der Gottheit Diener auch auf Erden

Besonnen wandeln, weise und gerecht,

Er will zuletzt der Gottheit ähnlich werden,

Der Gottheit gleich in schöner Liebe handeln,

Der Gottheit Bild, ein Gott auf Erden wandeln!


Wer je der Gottheit in dem Himmelreich

Ergeben war als Sklave und als Freund,

Der macht die Lieblingin der Gottheit gleich,

Wenn er die Vielgeliebte schaut, so meint

Er anzuschaun in ihrem Augenlicht

Der Gottheit feminines Angesicht!


Wenn er die Gottheit seine Mutter nennt,

Die Liebste preist er Herrin hocherhaben,

Wenn er die Gottheit in dem Herrn erkennt,

Nennt seinen Gott er den geliebten Knaben.

Sie ist Frau Schönheit aus der Gottheit Meer,

Das Ebenbild der Gottesliebe er.


Wer in der Vielgeliebten Sankt Marias

Symbol erkennt, wird lieben sie als Dame.

Wer im geliebten Knaben den Messias

Als Kind erkennt (gepriesen sei sein Name)

Der wird den Liebling nennen ohne Spott:

Der Gottheit Liebling – seinen kleinen Gott!




VIERTER GESANG



1


Frau Welt voll Harmonie ist eine Einheit,

Ein schöner Körper, voll der schönen Seele.

Weltseele voller Harmonie und Reinheit


Ist makellose Jungfrau ohne Fehle,

Die nur der Seher schaut in der Vision,

Wenn ihn erreichen göttliche Befehle.


Weltseele in des Kosmos Zentrum schon

Ich sah, ein Herz wie ein zentrales Feuer,

Voll Liebe in des Organismus Thron.


Der Menschheit Pilgerschaft, ihr Abenteuer

Zum Ziel der menschlichen Vollkommenheit

Geführt wird von der Jungfrau in dem Schleier,


Der Seele des Humanen, Psyche-Maid,

Der Seele aller Seelen, der Idee,

Der alle Menschenseelen sind geweiht.


Die Seele des Humanen, die ich seh,

Ist voller Freundschaft, voller Sympathie,

Voll Mitleid bei der Menschenseelen Weh.


Weil voller Sympathie die Seele, die

In allen Seelen einwohnt, ist, darum

Sind Menschen sich sympathisch. Ja, weil sie


Zentrales Feuer in dem Heiligtum

Der Schöpfung ist, ein Herz voll Liebesglut,

Drum ist erotisches Mysterium


Die Schöpfung und die Menschheit. Jeder tut

Sein Werk, des Teiles Arbeit an dem Ganzen,

Bis Eins in Allem ist, das Höchste Gut.


So auch im All die schönen Engel tanzen

Und walten auf den Sternen, auf der Sonne,

Wie Sieger siegreich mit den Strahlenlanzen.


So ist der All-Leib eines Sehers Wonne,

So schön wie immer kann ein Gleichnis sein,

Das ausgeflossen aus des Urbilds Bronne.


Bemängelst du die Mängel weise? Nein,

Das Gleichnis nie ist schön wie die Idee.

Im Abbild innen lebt das Inbild rein.


Glückselig bin ich, wenn ich geistig seh

Ideen durch die stoffliche Gemeinheit

Durchschimmern strahlend wie der erste Schnee,


In geistiger Jungfräulichkeit und Reinheit.

Dann fühle ich und ahne und erkenne

Die makellose, absolute Einheit.


Weltseele, mir erlaube, daß ich nenne

Dich Schöpferin der Welt, des Kosmos-Leibes,

Mitschöpferin des Schöpfers dich bekenne,


Die strahlend in der Herrlichkeit des Weibes

Des Herrn das Leben in den Kosmos strahlt.

Dein Licht vom Licht, im dunklen Kosmos bleib es


Die Heimat meiner Seele. All ist kalt,

Weltseele, ohne dein zentrales Feuer,

Das Glut dir auf die lichten Wangen malt.


Weltseele, reine Jungfrau in dem Schleier,

Gezeugte als Geschöpf von Gottes Geist,

Du Harmonie in der astralen Leier,


Dein Dasein Gottes Geist als Schöpfer preist,

Den wir in deiner Jungfraunschönheit schauen,

Den Geist, der Vater uns und Mutter heißt.


Erkennend ist der Vater zu verstehen,

Als Mutter aber ist er die Erkannte,

Geist, Mutterschoß der ewigen Ideen.


Als ich den Geist der Gottheit Ausfluß nannte,

Da schaute ich im Geist des Lebens Quelle!

Die Quelle allen Lebens ich bekannte:


Ist in ihr weder Dunkelheit noch Helle,

Ist in ihr nicht ein Was und Wo und Wie.

Als ich betrachtete in meiner Zelle


Die Einheit, göttliche Ur-Einheit, die

Ur-Gottheit, bloß von allen Bildern, bloß

Von allen Gottesnamen – pries ich Sie,


Geborgen in der Gottheit Mutterschoß!



2


Das Gute ist das Schöne, wahre Schöne,

Urgutheit ist die Gottheit und darum

Urschönheit ist die Gottheit, daß ich stöhne


Vor göttlicher Urschönheit Heiligtum!

Enthusiastisch kann ich nur verehren

Der Schönheit heiliges Mysterium!


Begeisterung entspringt aus dem Begehren

Und Wonne aus der seliglichen Schau

Der Himmlischen, die auftaucht aus den Sphären,


Aus dem kristallnen Meer die Himmelsfrau!

Weltseele glüht in ihren Augensternen

Und Eros in der Elemente Bau!


Urschönheit seh erscheinen aus den Fernen

Ich als die immanente Form in Stoffen.

Ich seh sie nahen sich und sich entfernen.


Ist Glück ihr Nahsein und ihr Fernsein Hoffen.

Sie, die allein mir bleibt, Idee und Liebe,

Von ihrem Feuerwein bin ich besoffen!


Ich schaue mit dem Sinn im Seelentriebe

Die göttliche Idee der Schönheit an!

Dem Seligen, was sonst als Schönheit bliebe


Zu schauen an dem trunknen Gottesmann?

Kunstschönheit und die Schönheit der Natur

Schlägt mich in der Urschönheit Zauberbann!


Des Künstlers Kunst ist adlig, heilig, pur,

Wenn er nicht nachahmt nur die Wirklichkeit,

Das Elend armer Erdenkreatur,


Wenn er vielmehr ist der Idee geweiht

Und bildet die Idee im Spiegelbild

Der Kunst, die Göttin Muse benedeit!


Schön ist der Leib der Welt, ist anmutmild,

Von Gottes Wetter schwanger die Natur,

Die Sterne im astralischen Gefild


Die Throne sind der hohen Engel nur,

Die Gottheit ist im Firmament zu schauen!

Vorzüglich aber die Urschönheit pur


Ist anzuschauen in den schönen Frauen,

Den Schönen, welche tauchen aus dem Blut

Des Liebenden, sich liebend zu vertrauen!


Wer dieser Frauenschönheit hohes Gut

Als stolzer Mann verachtet und verschmäht,

Der wird nicht liebevoll, der wird nicht gut.


Ihr Weisen, wenn ihr Sinnlichschönes seht,

Den Spiegel seht der schönen Sinnenwelt,

Urschönheit schattengleich vorübergeht,


Wenn ihr Frau Venus seht im Himmelszelt,

Befällt euch Weise wunderbar ein Ahnen,

Ihr seid in lauter Glanz hineingestellt,


Urschönheit euch umkreist auf Sternenbahnen,

Urschönheit schaut euch an aus einer Frau!

Dann will euch all die Herrlichkeit ermahnen,


Der Schönheit Quelle voller Geistestau,

Des Wunderbaren wunderbare Bronne,

Zu schauen an in visionärer Schau!


Die Frau ist Mond, Urschönheit ist die Sonne,

Urschönheit Licht, Frau Welt ihr Spiegelbild.

Enthusiasmus für der Wonnen Wonne


Wühlt auf das Blut wie Liebesflammen wild –

Doch himmlisch lächelt hold das Ideal

Der Gottesschönheit weiblich sanft und mild!


Den Liebenden in freier Gnadenwahl

Erwählt die Schönheit. Eros ihn durchwaltet.

Idee der Schönheit im Ideensaal


Schaut göttlich lächelnd, sie, die nie veraltet.

Ihm, der begnadet ist von Eros‘ Gnade,

Ihm hat sie sich als Inbild eingestaltet.


Sein Auge in dem Licht der Schönheit bade,

Wo schließlich er die höchste Schönheit schaut!

Er eilt zu ihr auf schmalem Gnadenpfade,


Eilt durch die Perlenpforte enggebaut,

Und schaut Urschönheit, Quelle allen Seins!

Der Gottheit Schönheit wird er angetraut,


Als Gottgeliebter mit der Gottheit eins!...



3


Aus ewiglicher Übersinnlichkeit

Ist Psyche (nach des weisen Orpheus Lehre)

Hinabgestiegen in des Leibes Kleid.


O Mensch, in dieser dunklen trüben Sphäre

Der materiellen Welt dich nicht verliere

Und nicht versumpfe in der dumpfen Schwere


Und leb nicht unvernünftig wie die Tiere

Und nicht wie fauler Moderkot vergammle!

Mensch, immer im Gebete konzentriere


Die Seele, in dem Seelenfunken sammle

Die innre Schönheit. Heiterer Gebärde

Dein Lob der göttlichen Urschönheit stammle!


Hinangezogen über Mutter Erde

Von Gottesliebe, deiner Herrscherin,

Ein Geist der seliglichen Schauung werde!


Des Menschen Seele, eingeboren in

Weltseele, sie ist makellose Einheit,

Dreifaltig aber ihrer Kräfte Sinn:


Geistseele schaut der Schönheit Licht in Reinheit,

Seelseele aber ist die Mittlerin,

Leibseele lockt zur irdischen Gemeinheit.


Ein Geist zu sein sei ganz dein Lebenssinn,

Vernunft zu sein im Bild der Allvernunft,

Hinanzusteigen in die Geistwelt, in


Der Schönheit Reich, geläutert von der Brunft

Der niedern Triebe, fleischlich und gemein.

Ins Himmelreich der Seele Wiederkunft


Sollst du erringen, Schönheit schauen rein,

In geistigen Äonen süßes Licht,

Ins Himmelreich der Liebe gehen ein


Und leben vor der Gottheit Angesicht,

Die Gottheit lieben in dem Himmelszelt,

Die Bürgerrecht im Himmel dir verspricht,


Daß du, sonst Heimatloser in der Welt,

Verbannt sonst in der Erdenwelt der Sünde,

Im Himmel bist der Gottheit zugesellt!


Im Himmel in dem Grund der Gottheit gründe

Und leb ein Leben schöner als ein Geist:

Als Geist im Ätherleib von Liebe künde!


Dein Geist die ewigschöne Liebe preist,

Die Jungfrau, Mutter-Braut, uralt an Tagen,

Die Gottheit, die ins Paradies dich reißt!


Der Liebe Göttin, wie die Dichter sagen,

Erhob sich aus dem Schaum des Meers am Felsen.

Der Liebe darfst du dich zu nahen wagen –


Dich mit der Gottheit-Lieblingin verschmelzen!...




FÜNFTER GESANG



1


Das Universum ist die Hierarchie

Der Wesenheiten. An der Spitze steht

Die Eine Gottheit allen Seins, die Sie


Allein ist absolute Majestät,

Die Einzig-Seiende, die Ich-bin-da!

Vom Hauche Ihres Mundes ausgeweht


Die Himmelskönigin Urania

Ist Geistperson, der Engel Königin,

Die Platon als Idee der Schönheit sah.


Weltseele ist sie, haucht die Seele in

Das Leben, daß die Jungfrau Psyche lebt

Als Seele von Weltseele, deren Sinn


Ist in Weltseele heimlich eingewebt,

Weltseele aber auch, ein Gottesbild,

Als die Idee der Psyche innen schwebt.


Auch Seele von Weltseele gnadenmild

Lebendig webt in aller Kreatur,

In allem, was da Odem hat, im Wild


Und in dem Grün lebendiger Natur.

Die Seele der Natur erschafft den Leib

Der Welt, Materie als Grundstoff nur.


Die Psyche, Gottes auserwähltes Weib,

Des Kosmos Zentrum ist, des Weltalls Mitte.

In Psyche ist ein doppelter Verbleib,


Von oben strömt in sie die Geistessitte

Und ist die Führerin der Seelentriebe,

Von unten lenkt der Weltstoff ihre Schritte,


Sie ist des Geistes und des Körpers Liebe.



2


Die Seele ist zur Gottheit aufgerufen,

Zu werden Lichtglanz in der Gottheit Licht,

Zu steigen auf der Himmelstreppe Stufen,


Zu kontemplieren ist der Seele Pflicht

Und Vorrecht vor der ganzen Kreatur,

Zu schauen an der Gottheit Angesicht.


Der Seele Ziel, die göttliche Natur

Zu lieben, zu erkennen, ist im Kern

Der Seele angelegt. Die Seele nur,


Die nicht mehr stirbt, kann schauen an den Herrn.

Wenn Gott der Seele schenkte dieses Ziel,

Der Seele gab zur Führerin den Stern


Betrachtenden Gebets, dann müssen viel

Geschaffne Menschen dieses Ziel erreichen.

Denn schon das Tier in seinem Liebesspiel


Wird stillen seinen Trieb bei seinesgleichen

Und jeder Same wird erblühn als Blüte.

So wird die Seele in den Himmelreichen


Den Liebestrieb zur Gottheit im Gemüte

Befriedigen und wird zur Schönheit werden,

Sich zur Idee der Seele wandeln. Güte


Und Glaube, Liebe, Hoffnung sind auf Erden

Und das betrachtende Gebet gegeben,

So wird der Seele nach des Tods Beschwerden


Unsterblichkeit der Seele, ewiges Leben!



3


O Muse, singe mir die schöne Liebe,

Die liebte Platon, liebte Sokrates,

Der sah die Schönheit in dem Seelentriebe


Des reinen Knaben Alkibiades!

Sing Freundschaft auch, die holde Philia,

Die Jesus Jüngern schenkt, Empedokles


Zur Seele aller Welt gemacht, die da

Das Innerste der Welt zusammenhält!

Du singe auch die Minne, denn ich sah


Die junge Beatrice glanzerhellt

Vorm Meisterwerk, dem Tempel von Florenz,

Neun Jahre alt, die Schönste in der Welt!


O Muse, sing der Liebe Transzendenz,

Die oft will Licht von ihrem Lichte legen

Auf Kreaturen in der Immanenz.


So kann den Mann die schöne Frau erregen,

Sie scheint das feminine Angesicht

Der Gottheit selbst zu sein, der Schönheit Segen.


Die Frau ist Glanz vom Glanz der Gottheit, Licht

Vom Licht der schönen Liebe. Solche Liebe

Zu solcher Frau ist mehr als ein Gedicht,


Anbetung ists im innern Seelentriebe

Der Ewigen, der Schönen Liebe, die

Durchschimmert durch der Kreaturen Trübe


Und zieht den Minner durch die Sympathie

Ans Herz der Gottheit selbst, den Quell des Schönen.

Drum liebe du der Gottheit Liebe, sie


Soll Freundschaft stiften, Herz und Herz versöhnen,

Dann wirst du nicht mehr vor der Frauen Spott

Verwundet an der Liebessehnsucht stöhnen,


Denn deine wahre Liebe ist dein Gott!



4


Der Philosoph auch stehe in dem Glauben

Und messe immer die geliebten Weisen

An Gottes Offenbarung. Nie erlauben


Die Worte Gottes, die die Weisen speisen,

Sterngötter zu befragen und Magie,

Das hat die wahre Kirche abzuweisen.


Die wahre Mutter Religion, die sie

Geoffenbart ist, ist die Religion,

Die sich an Jesus Christus bindet, die


Im Glauben an den eingebornen Sohn

An jene Gottheit glaubt, die Liebe ist!

In jeder andern Religion ist schon


Die Spur der Wahrheit auch, die Weisheit mißt

Ja allen Völkern zu die Spur der Wahrheit.

Drum lerne von den Religionen, Christ,


Was ist in ihnen Saat der Offenbarheit

Und ihnen Reichtum auch von Gott gegeben.

Allein in Christus ist die ganze Klarheit.


So Christus gab den Weisen auch das Streben

Und gab den Griechen auch die Sehnsucht ein,

Den Logos zu erkennen, das All-Leben


Der einen Gottheit, die als einig Ein

Die Erstursache ist und die Idee

Der Liebe und das absolute Sein.


Denn Sokrates empfing, wie ich es seh,

Die Weisheit Gottes auch als Offenbarheit.

Die Weisheit sprach zu Sokrates: Versteh


Die Liebe in der Liebe, höchste Klarheit

Aufstrahlt in Aphrodite Urania,

Der Gottheit schöner Liebe in der Wahrheit,


Der Allerhöchsten Sapientia.



5


Nun wende dich von deines Körpers Schmerzen

Und von dem Erdenalltag voller Sorgen

Der innern Seele zu, dem Herz im Herzen,


Der Seele deiner Seele, die verborgen

Im Innern ruht, von Wenigen beachtet.

Dort geht dir auf der Liebe Stern am Morgen,


Dort glüht die Sehnsucht, die dir heimlich schmachtet,

Der Liebe Schönheit und Glückseligkeit,

Die stets der weise Mann als Braut betrachtet


Und kontempliert Frau Schönheit, Gott geweiht,

Urania Sophia seiner Seele!

Die Gottes-Kraft und Weisheit benedeit


Lebt ewig! Sie zur Führerin dir wähle

Ins Paradies als deine Liebe Frau,

Allkönigin im Schmucke der Juwele


Jerusalems! Der weiblich-schöne Bau

Des Himmelreiches ist der Gnadenthron

Der Herrlichkeit des Herrn. Zu Gottes Schau


Begleiten dich die Liebe und Passion

Und die Erkenntnis und die weise Wahrheit.

Du wirst, der Gottheit vielgeliebter Sohn,


Frau Weisheit in der Menschheit Offenbarheit

Erkennen und betrachten, Licht vom Licht,

Und schauen an im Heiligen Antlitz Klarheit


Der Liebe – Gottes Mutterangesicht!




ZWEITER TEIL


Mein Name ist Liebe.

Daß ich unter euch bin, ist aus Liebe,

Weil mich die Große Liebe sendet.

Ich bitte euch um das gleiche: Liebe.

Nur so, durch die Liebe, werdet ihr

Das Angesicht der Größten Liebe schauen.

Öffnet eure Herzen der Liebe!“

(Maria)



ERSTER GESANG



1


Ich singe das erotische Empfinden,

Was alle Menschen kennen, will ich künden.

Die Seele will das Schöne ja umfangen

Und tugendsam zur Ur-Idee gelangen

Der Schönheit, die der Mann im Gleichnis schaut

Erotisch angeschauter schöner Braut.

Die nach der Himmelsschönheit sich nicht sehnen

Und nicht erinnern mystisch sich an jenen

Ur-Reiz, die sich hinab zur Erde neigen,

Die wollen Dauer doch in Schönheit zeugen,

Geschlechtlich in der Schönheit voller Schauer

Das Schöne, in dem Kind die eigne Dauer.

Wer aber zeugen will in Häßlichkeit

Und strebt nicht nach der Schönheit Ewigkeit

Und wer da triebhaft zeugt und animalisch

Und selber häßlich ist und infernalisch,

Der hat die Schönheit stets umsonst umworben,

Von Schönheit abgefallen und verdorben.

Urschönheit aber liebt der wahre Freier,

Urschönheit in der Erdenschönheit Schleier.

Die Vielgeliebte ist das Spiegelglas

Der göttlichen Natur der Schönheit, Maß

Und Form ist das Gesetz der Schönheit nur,

So schuf der Schöpfer ja auch die Natur,

Indem er die Urschönheit sah enorm,

Das goldne Maß, die reine Zahl, die Form.

Natur entspringt dem Guten und dem Schönen.

Wenn weise Minner aber lustvoll stöhnen,

So schauen sie im Abbild die Idee,

Urschönheit in den Frauen je und je,

Erinnern sich ans Schönheitsideal

Der Ewigkeit in dem Ideensaal.

Wer nun die Erdenschönheit liebt allein,

Ist seine Seele tugendsam und rein,

Ist er der Fleischeslüste Überwinder,

Im Schönen zeugt die Schönheit seiner Kinder.

Wer aber mehr als nur das Schöne liebt,

Wer will, daß Gott ihm Himmelsleben gibt,

Der liebt das Ewigseiende allein,

Urschönheit, aber auch den Widerschein

In Erdenschönheit wird er immer ehren,

Das Gleichnis will die Ur-Idee ihn lehren.

Die Erdenschönheit ist Geschöpf und Spiel,

Urschönheit ist die Schöpferin, das Ziel.



2


Den Eros will ich singen, ohne Spott

Ihn Volk und Weise nennen einen Gott

Und Platon nennt Gott Eros hocherhaben

Aufseher der geliebten schönen Knaben

Und nennt Gott Eros in dem Himmelsthron

Der schönen Mutter Aphrodite Sohn.

Sprich, Muse, wer ist Aphrodite? Ja,

Ich mein die Himmlische, Urania,

Die Göttin, nicht geborn von Mutterschoß,

Die Göttin, die gezeugt von Uranos?

Pandemos stiftet auf der Erde Ehen,

Ist als die Erdenliebe anzusehen.

Die Himmlische jedoch, Urania,

Sie stammt von Uranos, dem Ich-bin-da,

Dem Vater, der ist reiner Gott und Geist.

Was aber stammt vom Geist, das wird gepreist

Als makellose geistgezeugte Seele.

Und das ist Aphrodite ohne Fehle,

Die nicht geboren ist vom Mutterschoß,

Die Seele Gottes, Göttin makellos.

Die allergöttlichste Allseele steigt

Ganz heilig aus dem Geist, vom Geist gezeugt,

Die Ungetrübte aus dem Ungetrübten,

Die Allgeliebte aus dem Allgeliebten,

Die makellose Göttin ohne Spott

Strömt aus dem Vater in dem Himmel, Gott!

Urania bleibt immer in dem Himmel,

Steigt nicht hinab ins irdische Getümmel,

Zu rein die heilige Urania,

Zu mischen sich mit der Materia.

Urania folgt einzig Uranos,

Dem Vater in dem Himmel makellos.

Zuneigung fühlt sie und entbrennt in Liebe

Zu Gott, in reiner Liebe ohne Trübe,

Und zeugt mit Gott den großen Mittler Eros!

Urania mit Eros, mit dem Heros,

Schaut immer an des Vaters reinen Glanz.

Die Mutter schuf den Liebling als Substanz

Und Wesenheit aus ihrer Wirkungskraft.

Und Eros, göttlich voller Leidenschaft,

Ist nun die Sehnsucht, ist nun das Verlangen,

Der Schönheit Gottes einzig anzuhangen.

Der Sehnsuchtsvolle und das Sehnsuchtsziel

Vereinen sich in Eros‘ Liebesspiel.

Der Sehnsucht Auge ist der Mittler Eros,

Der schenkt den Liebenden als Herr und Heros,

Daß er, der Eros‘ Allgewalt vertraut,

Sein Sehnsuchtsziel, die Gottesschönheit schaut!



3


Substanz ist Eros, reine Wesenheit

Von reiner Wesenheit in Ewigkeit.

Allseele ist Urania erlesen,

Ein allerhöchstes makelloses Wesen,

Gezeugt vom Ewigseienden, vom Geist,

Der Vater in dem Himmel sei gepreist.

Urania schaut immer an den Vater

Im Uranos, den Gott-Geist, Wunderrater,

Sie schaut ihn an, daß sie an ihm sich labe,

Sie schaut mit Leidenschaft der Ganzhingabe!

Allseele schaute an ihr höchstes Gut,

In dieser Schau die Seele selig ruht,

Ergötzend sich an solcher schönen Schau!

Ja, so zu schauen ist der Himmelsfrau

Urania nicht Beiwerk, sie schaut an

Und steht vollkommen in der Liebe Bann,

Gespannt hinwendend sich zu jenem Schönen,

Die Lust will Ewigkeit, will ewig stöhnen!

In dieser Leidenschaftlichkeit der Schau

Und Liebesganzhingabe jener Frau

Urania und durch des Vaters Neigen

Ward Eros. Geist tat in der Schönheit zeugen.

Aus jener Kraft des Schauens aufs Geschaute

Und weil die Schauende der Schau vertraute

Und aus der Ganzhingabe Leidenschaft

Und aus dem Liebesbann und seiner Kraft

Und aus des Gottes Lust entströmte Eros.

Ein sattes Auge gleichsam ist der Heros,

Der sich genügen läßt an Gottes Schau!

In Transzendenz ist jene Himmelsfrau

Urania, in reiner Transzendenz

Die Himmlische, doch in der Immanenz

Ist Aphrodite dieses Kosmos Seele,

Pandemos Aphrodite ohne Fehle

Ist Königin des Kosmos und der Erde,

Die Liebe in dem Wandel dieses Werde.

Pandemos Aphrodite zeugt den Eros

Der Erde, all der jungen Menschen Heros,

Der führt sie zu dem Göttlichen hinan,

Wie Liebe zieht hinan den jungen Mann,

Das schöne Mädchen und den reinen Knaben,

An allerhöchster Schönheit sich zu laben.

Die Liebenden, voll Seele in dem Blut,

Hinan zieht Eros zu dem höchsten Gut,

Der Eros ist ein Mittler ohne Spott

Und zieht die Liebenden hinan zu Gott!



ZWEITER GESANG



1


Betrachten wollen wir des Kosmos Glanz,

Betrachten dann des reinen Geistes Tanz

Und dann mit einem gläubigen Vertrauen

Das schöne Licht des Ewigvaters schauen!

Wohlan denn, schauen wir den Künstler an,

Die Kunst lebt selber im geschickten Mann,

Wenn einer schaffen will ein Marmorbild

Der Charis oder eine Muse mild,

So ist die Schönheit in dem Maß enorm,

Als Stoff gestaltet wurde von der Form.

Denn Schönheit ist der Ordnung lichter Glanz.

Das Ideal der Schönheit rein und ganz

Ist aber nicht im Stoff, im Marmorstein,

Der Künstler gießt die Form dem Stoffe ein,

Gestaltend nach der Form der kluge Mann,

Der Form die Stofflichkeit ist untertan.

Der Künstler spricht: Die Schönheit, die ich seh,

Ist in sich selbst vollkommene Idee,

Ihr Gleichnis oder Abbild ist zu schauen

Im Licht der Schönheit aller schönen Frauen,

Der schönen Frauen Schönheit insgesamt,

Das ist das Ideal, das mich entflammt!

Und die Idee der Schönheit oder Form

Ist schöner als der Stein und ist enorm,

Unendlich rein, ist Schönheit anzuschauen

Im Geist, die schöner ist als schöne Frauen,

Sie ist der Schönheit göttliche Natur,

Die schöner als der Reiz der Kreatur.

Beim Eleusinischen Mysterium

Sah Phidias vorm Tempelheiligtum

Dem Meeresschaum entsteigen nackend Phryne,

Die schöne nackende Hetäre, kühne

Verführerin, die schön wie in der Mythe

Die schaumgeborne Göttin Aphrodite.

Doch Phryne Schönheit nicht allein besaß,

Auch andre Schöne schaute Phidias,

Liebreizend war auch die Hetäre Lais,

Erotisch war auch die Hetäre Thais.

Die Schönheit all von Lais, Thais, Phryne

Erhöhte durch sein Ideal der kühne

Bildhauer Phidias, daß Phidias

Das Ideal sah wie im Spiegelglas

In der Ideen himmlischem Gefild.

So schuf sein Geist der Aphrodite Bild,

Daß ihre Schönheit alle Welt versöhne,

Idee der Schönheit, ideale Schöne!



2


Wie schön die Schönheit ist in der Natur,

Gedankenloser, weiser Kreatur.

Wir sehen überall des Schöpfers Hand,

Den Stoff geordnet durch des Herrn Verstand,

Wir preisen Schönheit ohne Unterlaß,

Wenn wir erblicken Form im goldnen Maß.

Wer gab die Schönheit denn der Helena

Von Sparta, welche Paris selig sah,

So sagt Homeros in des Epos Mythe,

Daß Helena so schön wie Aphrodite,

So herrlich und so glorios an Schöne!

Und alle Frauen, die mit Lustgestöhne

Die Freier angebetet im Gemüte,

Daß sie so herrlich sind wie Aphrodite,

All ihrer Schönheit Liebreiz so enorm,

Wer gab den Frauen ihre schöne Form?

Und nicht nur Schönheit in den Leidenschaften

Geschaut wird, Schönheit auch in Wissenschaften

Geschaut wird, Schönheit wird geschaut in Kunst,

So geistig rein wie früh der Morgendunst.

So also sieht man Schönheit ohne Fehle

Mit geistiger Erkenntnis in der Seele.

Wohl lieblich ist ein schönes Angesicht,

Doch schöner ist das schöne Seelenlicht.

Das sag ich einem, der die Schönheit schaut

Allein im Reiz der äußerlichen Braut,

In der Erotik Reiz der schönen Jugend.

Schau, schön ist Weisheit in der Seele, Tugend,

Verlockt der Körper dich nicht zum Gestöhn,

So ist doch eine gute Seele schön,

Die fromm und weise hegt im Seelentriebe

Die Güte und die Freundlichkeit der Liebe.

Doch kannst du diese Schönheit nicht erschauen,

Der Seelenschönheit nicht dein Herz vertrauen,

Bis du erkannt die Schönheit deiner Seele,

Die Weisheit und die Güte ohne Fehle.

Denn wäre innen deine Seele häßlich,

So wäre dir die Seelenschönheit gräßlich,

Verachten würdest du die fromme Tugend,

Wenn sie nicht wär im Fleische süßer Jugend.

Drum meine weisheitsfrommen Reime tönen

Den Narren nimmer, nur den Seelenschönen!



3


Wie schön ist doch die Seele in dem Leib,

Wie schön die Tugend ist im frommen Weib!

Wie schön ist, reine Schönheit ohne Fehle,

Die Schönheit doch, die Schönheit guter Seele!

Wie schön (die Flamme tanzt mir auf dem Schädel),

Wie schön ist eine Seele, welche edel!

Wenn schon die Form der Schönheit herrlich ist,

Die Stoffen ihre Formung zubemisst,

Wie schön die Form der Formen selber erst!

Mein Geist, ob du nun in den Himmel fährst?

Die Schönheit anzuschauen, darfst du hoffen,

Die reine Schönheit, unbefleckt von Stoffen,

Die der Ästhet die Ideale preist,

Die unbefleckt ist und ist reiner Geist!

Was schön an edlen Seelen wird genannt,

An schönen Göttern in dem Himmelsland,

Was man an Göttern ihre Schönheit preist,

Ist nicht der Leib, das ist der reine Geist.

Den Leib der Götter beten an die Spötter

Im Marmor, doch die Macht der Himmelsgötter

Ist ihre Reinheit, Gutheit, ist der Geist!

Ja, welchen Gott auch deine Seele preist,

Die reinen Engel im Ideenland

Und Throne Gottes über den Verstand

Sind geistig mächtig, sie sind geistig rein!

Der Götter Schönheit muß im Geiste sein,

Weil sie bedürftig nicht des Fleisches Buße,

Weil sie unendlich in der Weisheit Muße

Sind immer selig, reinen Schauens voll,

Sind nicht wie aufgewühlte Meere toll,

Sind rein und geistig und sind immerzu

In weiser Muße und in Seelenruh,

Und nicht wie irdisch Lebende hienieden

Sind aufgewühlt, die Götter sind im Frieden,

Die Gottessöhne alle mit Vertrauen

Und Gottestöchter als die Überfrauen

Nicht wie die Sterblichen in Torheit handeln,

Nein, geistig rein sie in der Muße wandeln,

Genießen reiner Seligkeiten Fülle,

Genießen Gottes Schönheit in der Stille.



4


Die Ewigseligen im Himmelreich

Sind glorreich, Göttinnen und Göttern gleich,

Ganz Geist und Licht, wie Flamme über Flamme.

Die Wahrheit ist der Ewiglichen Amme,

Urmutter Wahrheit, lauter, pur und rein,

Den Ewigseienden gibt sie das Sein.

Sie sind dort alle geistig reines Licht,

Sie schauen alle Gottes Angesicht,

Sie sind wie Licht vom Licht, wie Glanz vom Glanze,

Besondres Teil ein Jedes und das Ganze,

Ein Jedes Teil, das Große und das Kleine,

Zugleich ist Alles und ist auch das Eine.

Auch rein ist ihre himmlische Bewegung,

Denn der Beweger selbst wirkt jede Regung.

Und regen sie sich geistig fort und fort,

So ist das Wesen selbst sein eigner Ort,

Da Ort und Wesen geistiges Substrat,

Der Engel geht und also geht das Rad.

Sie schauen an die Unerschöpflichkeit

Der Gottesschönheit ohne Müdigkeit,

Die Himmelsschönheit wird sie nicht ermüden,

Sie schauen Schönheit an mit Seelenfrieden,

Mit unerschöpflich-geistigem Genuß,

Der Schönheit Liebreiz nie wirkt Überdruß,

Die Schönheit wird die Seligen erfüllen,

Die Gottesschönheit wird die Götter stillen.

Doch Göttinnen und Götter, Gottes Throne,

Die Himmlischen, Äone um Äone

Die Schönheit über dem kristallnen Meer

Des Himmelslichtes anschaun immer mehr

Und mehr und mehr anstaunen Gottes Schöne,

Daß Gottes Schönheit alle Götter kröne

Mit Schau der Weisheit in der Offenbarheit!

Die Hagia Sophia ist in Wahrheit

Die allerhöchste Schönheit, Gottes Licht,

Die Schönheit sie von Gottes Angesicht,

Sie schafft das Seiende und ist das Sein,

Die Hagia Sophia pur und rein

Ursprünglich göttlich ist, die fern des Spottes

Der Götter Gottheit ist, die Schönheit Gottes!



5


Was Schönheit ist in der Natur und Kunst,

Ist Schönheit einzig von Sophias Gunst.

Die Weisheit ordnet geistig alles Schöne,

Der Dichter Lied, der Nachtigallen Töne.

Des Künstlers Weisheit nur nach Weisheit schafft,

Doch braucht der Künstler auch des Lebens Kraft,

Die Weisheit der Natur, die ihm sein Leben

Als Künstler und als Mensch zuerst gegeben.

So preis ich also Weisheit der Natur,

Sie ist die Form in aller Kreatur,

Sophia der geschöpflichen Natur

Einprägt den Stempel und der Schönheit Spur.

Was sagt ihr also? Ist die Schöpfung schön,

Das All, der Nachtigallen Lustgestöhn,

Ist die Natur denn von sich selber herrlich?

So sagt ihr wohl. Mir aber scheint das närrlich,

Denn die Natur geformt wird von der Form,

Die Form gestaltet Chaosstoff enorm.

Doch sagt ihr, diese Form ist rein und pur

Sie selber, eure Göttin, die Natur.

Ja, woher hat Natur denn ihre Form,

Ist nicht ein Urbild überaus enorm

Im Geist? Ist nicht die Weisheit der Natur

Beiwohnerin des reinen Geistes pur?

Woher hat dieser Geist die Weisheit nun?

Die Weisheit aller Weisheit, sie muß ruhn

Im Geiste ewig, ja der Gottesgeist

Wird selbst als Gottesweisheit hochgepreist.

Der Geist ist Weisheit. Seher in Mania,

So schaust du schon die Hagia Sophia,

Von Gottes Geist gezeugt und nicht geschaffen,

Athene, Tochter Zeus‘, mit allen Waffen

Des Vaters Haupt entstiegen unbefleckt,

Ist Hagia Sophia ganz perfekt!

Da Hagia Sophia ist der Geist,

Man Hagia Sophia göttlich preist!

Sie ist die Ewige, das reine Sein,

Sophia Gottes, Hauch des Einig-Ein!



6


Die Gottheit ist die Erste Schönheit, ja,

Die höchste Schönheit ist als Ganzes da,

Ganz schön als Ganzes, einer Schönheit Heil

Und nicht nur schön an einem kleinen Teil

Und anderm Teile nicht, und auch nicht häßlich,

Wie das Ungöttlich-Böse ist so gräßlich.

Doch wenn die Gottheit nicht so herrlich wäre

Und voller Lieblichkeit und höchster Ehre,

Wo käme dann in allem diesem Werde

Die Schönheit her, die Lieblichkeit der Erde?

Die Erste Schönheit aber als Gestalt

Und Schau den frommen Geistern mannigfalt

Ist herrlich, überselig anzuschauen,

Ist schöner als die Knaben und die Frauen!

Der Schöpfer, der geschaffen hat die Welt

In sieben Tagen, wie man uns erzählt,

Am siebten Tage sprach mit gutem Mut:

Schau, diese Welt ist schön geschaffen, gut,

Sehr gut geschaffen wurden Mann und Frau!

Gott sah die Schönheit der Idee als Schau,

Das Muster dieser Welt vor aller Zeit,

Die Welt im Morgenglanz der Herrlichkeit.

Hör, Mensch, der du voll Liebeskummer bist,

Der schöne Mensch, der deine Liebe ist,

Ist Gegenstand dir der Bewunderung,

Weil du in liebender Begeisterung

Sein Urbild schaust, die ewige Idee.

Erhebe dich von deiner Liebe Weh

Und schaue in dem Jenseits ohne Spott

Des schönen Menschen Ur-Idee in Gott.

Die meisten Minner wollen das nicht wissen,

Sie wollen Knabe nur und Mädchen küssen,

Sie schauen nicht in Frau und Knabe mild

Das Ideal, der Gottheit Ebenbild.

Du Minner aber, der du solches weißt,

Den Menschen, den du liebst mit trunknem Geist,

Dem hilf mit deiner Liebe, schon auf Erden

Dem Gottesebenbilde gleich zu werden.

So wird die Liebe mehr als Leidenschaft,

Wird die Geliebte heilig-musterhaft.

Weil aber der geliebte Mensch ein Bild

Der Schönheit Gottes ist so gnadenmild,

Drum ist der Mensch so schön, den du so liebst,

Dem du als Abbild deine Liebe gibst.

Drum schmähe du die Welt und Menschheit nicht,

Denn sie ist schön, ein Licht von Gottes Licht.

Es sei denn, du empfändest leisen Tadel,

Daß schöner ist der Gottesschönheit Adel!



7


Zwölf Götter des Olympos in Äonen

Und Selige und Genien-Dämonen,

Sie ziehen zu der Schau der Himmelswelt,

Die allen über Maßen wohlgefällt.

Die Himmelswelt erscheint mit einem Worte

Aus dem geheimen ortelosen Orte,

Geht über Göttern auf und guten Geistern,

Mit Lichtglanz alle Wesen zu begeistern.

Die Erdenmenschen aber, fern der Wonne

Der Schau der Gottheit, schauen nicht die Sonne,

Sie schaun nicht Gottes lichtes Angesicht,

Zu leuchtend und zu blendend ist das Licht.

Die Seligen ertragen jene Welt

Und schauen Lichtglanz in dem Himmelszelt.

Unselige verwirrt sind aber, trübe

Verlorne, schaun nicht Gottes schöne Liebe.

Die Seligen doch schaun nicht alle Gleiches,

So schaun die Heiligen des Himmelreiches

In trunkener und seliger Ekstase

Von Gott, was sie geliebt, die Hypostase.

Der schaut die heilige Gerechtigkeit,

Der schaut die Keuschheit, der die Heiligkeit,

Der Weisheit, jener Wahrheit ohne Trübe,

Der schaut die Schönheit, der die Gottesliebe.

Doch über allen, daß sie alles kröne,

Die Herrlichkeit des Herrn, die Gottesschöne

Schwebt über allen Göttern in dem Tanz,

Die Ideale tanzen dort im Glanz,

Frau Gottesschönheit kommt, die pure, reine,

Vollkommne Herrin Schönheit, Ewig-Eine,

Die glänzt im Himmelreich in aller Fülle!

Die Seligen in Muße und in Stille

Erfüllen sich mit ihrem Nektartrank,

Ein jeder Seliger verzückt versank

In der Beschauung jener Gottesschöne,

Daß er verseufzend stöhne Liebestöne

Frau Gottesschönheit, sie allein zu minnen!

Nein, außen ist sie nicht, ja, sie ist innen,

Frau Gottesschönheit innerlich begeistert

Und inspirierte Minner übermeistert,

Frau Gottesschönheit schaun sie ohne Spott,

Sie schauen in dem eignen Busen Gott!



DRITTER GESANG



1


Gott Eros will ich feiern, Gott der Götter

Und Gott der Menschen, aber nicht der Spötter!

Der Dichter Orpheus, selbst ein Minne-Heros,

Pries den Beherrscher aller Götter, Eros!

Die Götter oder Engel sind voll Liebe

Zu Gottes Schöpfung mit dem reinen Triebe.

Der Älteste der Götter voller Macht

Ist Eros. Denn zu Anbeginn wie Nacht

War Chaos nur, Urmutter formungslos,

Gott Eros wohnte ein in ihrem Schoß,

Uralter Gott, vollkommner Herr, allweise.

Das Chaos, Mutter aller Weltenkreise,

Ist ungeformte Welt im Wogenschwall,

Geformte Welt der Kosmos ist, das All.

Urheber ist von allem aber Gott.

Der Engelsgeist geschaffen ist von Gott,

Weltseele, Herrin in dem Himmelszelt,

Geschaffen ist und auch der Leib der Welt.

Gott schuf des Engelsgeistes Ursubstanz,

Des Engelsgeistes Wesenheit voll Glanz,

Im Augenblick der Schöpfung ohne Form,

Sein innrer Liebestrieb jedoch enorm

Hinwendet sich zum schöpferischen Gott,

Sich wendend aber zu dem Schöpfergott

Erleuchtet wird die Englische Substanz

Von Gottes Schönheit, Herrlichkeit voll Glanz,

Und so entflammt vom Lichtglanz, dem enormen,

Der Engelsgeist empfängt die Zahl der Formen.

Des Engelsgeistes Liebestrieb zu Gott

Ist die Geburt des Eros ohne Spott,

Des Engelsgeistes Liebestrieb voll Kraft

Ist Macht des Eros, Gottes Leidenschaft,

Und die Gestaltung ewiger Ideen

Als Eros in Vollendung anzusehen.

Die Ausgestaltung aller der Ideen

Ist als der schöne Kosmos anzusehen.

Nun Eros liebevoll den Engelsgeist

Mit Leidenschaft zum schönen Kosmos reißt,

So wurde Kosmos aus der Chaosnacht

Allein durch Eros‘ große Schöpfermacht.

Der Eros reißt zur höchsten Schönheit hin,

Daß Chaos Schönheit wird, das ist sein Sinn.

Materia aus innerm Liebesdrang

Weltseele anfleht liebevoll und bang:

Weltseele, komm, Materia zu formen!

Materia, der Leib, empfing die Formen,

Weltseele formte die Materia.

Gott Eros innerlich im Chaos da

Das Chaos umgestaltet wie ein Töpfer

In schönen Kosmos. Eros ist der Schöpfer.



2


Gott Eros segnet, führt des Menschen Blut

Durch Liebe zu dem allerhöchsten Gut.

Gott Eros ist zur Schönheit reine Liebe.

Ist Seelenschönheit Harmonie der Triebe

Der Seele oder Harmonie der Tugend,

Ist Körperschönheit Liebreiz süßer Jugend,

Ist Harmonie der Farben und Figuren,

Ist Schönheit der Musik, der reinen, puren,

Die Harmonie von Rhythmus und von Ton,

Idee der Schönheit ist (ich seh sie schon)

Die Harmonie in Seele, Ton und Form.

Die Seelenschönheit, überaus enorm,

Erkennbar ist allein im reinen Geist,

Doch Ton und Form der Sinn des Menschen preist,

In schöne Form das Auge sich verlor,

Am schönen Schall entzückte sich das Ohr.

So Schönheit wird durch Aug und Ohr gepreist,

Genossen wird die Schönheit durch den Geist.

Die Liebe ist Begierde, zu genießen

Der reinen Schönheit lichtes Überfließen.

Die Menschenliebe ist die Lust und Liebe

Zur Menschenschönheit, ist die Menschenliebe

Zu Harmonie und Ebenmaß und Tugend

Und Seelenanmut in des Leibes Jugend.

Antike sprach und Kirche ohne Spott,

Gott ist die Liebe und die Liebe Gott!

Denn Tugendstreben und Begier nach Ruhm,

Sie quellen aus der Liebe Heiligtum.

Die Liebe ekelt sich vor dem Gemeinen

Und vor der Häßlichkeit und dem Unreinen.

Der Minner wendet sich Erhabnem zu,

Im Geiste sucht er seine Seelenruh,

Daß die Geliebte, ach, nach der er schmachtet,

Den lieben Minner nimmerdar verachtet.

Alkestis‘ Liebe, todbereit, war edel,

Und Orpheus‘ Liebe, todbereit, war edel.

Leitsterne aber sind das Aug, das Ohr,

Die heben zu dem schönen Geist empor.

Das Maß der Liebe aber rein entspricht

Dem Maß der Schönheit, Gottes reinem Licht.

Doch sag mir nicht, du liebst allein den Leib!

Ist Blume, Schatten, Hauch doch nur das Weib,

Der wahre Minner aber liebend preist

Die wahre Schönheit in des Weibes Geist!

Inbrünstig lieben wollen wir die Seele,

Der letzte Odem der erwürgten Kehle

Bekennt: Wo Geist und Leib sind rein und schön,

Die Frau ist würdig, daß der Herr sie krön!



3


Die Drei ist Gott, so sagt Pythagoras,

Vergil und Orpheus sagen eben das.

Dreifaltig ist die Gottheit Anbeginn,

Urheben allen Sein ist Gott (Ich bin),

Gott zieht die Welt an, Gott sei hochgepreist,

Und Gott vollendet alles in dem Geist.

Schon Orpheus sang zu seinem Saitenspiel:

Urheber, Mitte und des Kosmos Ziel

Ist Zeus und Zeus ist gut, gerecht und schön,

Sang Orpheus zu der Harfe Lobgetön.

Gott ist als Güte alle Welt erschaffend,

Gott ist als Schönheit alles an sich raffend

Und ist Gerechtigkeit in Weltvollendung.

Die Schönheit also ist der Güte Sendung,

Die Güte sendet Schönheit in die Zeit,

Die Schönheit selbst führt zur Gerechtigkeit,

Der Güte Gnade ist der Schönheit Sendung,

Die wirkt Gerechtigkeit der Weltvollendung.

Die Gottesschönheit stiftet reine Liebe,

Die Liebe nun im reinen Seelentriebe

Begehrt allein die Schönheit nur, die reine,

Der reinen Schönheit Heiligtum, das eine.

Gott liebt die Welt mit schöpferischer Liebe

Und zieht den Kosmos an mit Licht und Trübe,

In der Vereinigung der Welt mit Gott

Vollendet wird der Kosmos ohne Spott.

Gott zieht die Welt an mit der Liebe Gottes,

Der Kosmos strebt zur reinen Schönheit Gottes.

Aus reiner Schönheit lichtem Lebenstriebe

Entspringt die heilig makellose Liebe

Und endet in glückseligem Genießen

Der Schönheit, ihrem lichten Überfließen.

Sankt Dionysios der Weise schrieb:

Die Liebe liebt die Liebe schön und lieb!

Die Liebe ist ein Kreislauf immerdar,

Ein Zyklus Gottes. Liebe offenbar

Ist Schönheit, die erstreben alle Wesen.

Wer je die reine Schönheit auserlesen

Genießend schaute (barfuß ohne Schuhe),

Der hat erlangt die wahre Seelenruhe,

Genuß der Gottesschönheit spendet Frieden.

Gottsucher suchen Schönheit wir hienieden,

Weil Gott entflammt Begier zum Gottesbild

Und unsrer Liebe heiße Inbrunst stillt!



4


Die Güte ist zentraler Mittelpunkt,

Umher die Schönheit strahlt voll Pracht und prunkt!

Gott ist das Zentrum von vier Kreisen da:

Geist, Seele, die Natur, Materia.

Das Zentrum ist ein unteilbarer Punkt.

Aus diesem Punkt die reine Schönheit funkt!

Die Kreise gehen all aus Gott heraus,

Umkreisen Gottes Punkt in Saus und Braus

Und drängen sehnsuchtsvoll zu Gott zurück,

Voll Leidenschaft zu dem Vereinungsglück!

Gott aber, Gott ist allen Kreisen inne,

Zentrales Feuer ist die Gottesminne.

Die Gutheit aller Dinge ist der Eine,

Das höchste Gut, der gute Gott, der reine,

Die Schönheit aber ist sein lichter Glanz,

Die Schönheit tanzt ums Zentrum ihren Tanz.

Der Lichtglanz Gottes ist in den vier Kreisen

Nach wahrem Weisheitswort der wahrhaft Weisen,

Nach deren Rat ich meine Hymne singe,

Der Lichtglanz ist die Urform aller Dinge.

Der Lichtglanz ist im Engelsgeist Idee,

Die Himmels-Aphrodite, die ich seh,

Der Lichtglanz in der Seele, in den Seelen

Ist der Begriff, daran soll es nicht fehlen,

Der Lichtglanz ist in der Natur der Keim,

Der Urstoff, Energie und Chaos-Schleim,

Der Lichtglanz ist in der Materia

Die Urform, formend die Materia.

Vier Arten sind des schönen Strahlenglanzes,

Die Schönheit in den Kreisen ihres Tanzes.

Gott ist der Ursprung dieses Schönheitslichtes,

Der Gloria des Gottes-Angesichtes.

Gott aber ist die makellose Güte,

Die Schönheit Gottes ist wie Aphrodite,

Ist Gottes lichter Glanz, die Welt durchdringend,

Der Engelsgeist ist Macht der Schönheit, zwingend,

Allseele, alle Seelen sind voll Schöne,

Natur ist schön und voller Sphärentöne,

Materia des Körpers oder Leibes

Ist schön wie süße Schönheit eines Weibes.

Wer diese Herrlichkeit der Schönheit schaut,

Betrachtet sie im Geist wie eine Braut,

Der liebt in allen Kreisen ohne Spott

Urschönheit der Urgottheit oder Gott!



5


Ah, das Verlangen eines Liebenden

Und von der Liebe Umgetriebenen,

Es sucht ja nicht den Körper jener Frau,

Vorm Körper aber schaut er eine Schau

Und sieht die Schönheit Gottes geistbeflügelt,

Die der Geliebten Körper widerspiegelt.

Dem Lichtglanz Gottes Spiegel ist der Leib,

Der Gottesschönheit Spiegel ist das Weib.

Gott ist Gewürz und strömt durch alle Luft

Der süßen Liebe wunderschönen Duft

Und Gottes Duft als wie mit Falterschwinge

Umschwebt wie eine Aura alle Dinge.

Wir kennen das Gewürz nicht, doch uns ruft

Betörend süß der Gottesliebe Duft.

Und darum ist der Minner oder Freier

Ehrfürchtig wie in Gottesdienstes Feier

Vor der Geliebten, ehrfurchtsvoll verehrend,

Weil er ist Gottes Liebe nur begehrend,

Die Schönheit Gottes schaut der Minnefreier

In jenem schönen Weibe wie im Schleier.

Denn die Geliebte ist ein Gottesbild,

Das feminine Antlitz Gottes mild,

Die Frau als Gottes Spiegel voller Licht

Ist Gottes mütterliches Angesicht.

Den Minner zwingt, schaut er die schöne Sie,

Anbetend Gottes Schönheit in die Knie!

Die Frau ist Licht vom Licht des Glanzes Gottes,

Frau Schönheit Spiegelbild der Schönheit Gottes,

Die Frau ist Schönheit von der Schönheit, ist

Der Glanz, der von der Schönheit Gottes fließt.

Und darum wünscht der wahre Minnefreier,

Zu heben solcher Gottesschönheit Schleier

Und mit dem schönen Gottesbild auf Erden

Als Seele mit der Seele eins zu werden,

Daß die Geliebte, seine Seelengattin,

Ihm Gottes Liebe schenkt als Liebesgöttin,

Daß die Geliebte den Geliebten (spottet,

Ihr Narren!) durch Vereinigung vergottet!



6


Liebt! Göttlich ist die Liebe! Bittersüß

Ist Liebe, ist ein Höllen-Paradies!

Denn der Geliebte stirbt sich selber ab

Und wählt die Vielgeliebte sich zum Grab

Und lebt erneut in der Geliebten auf,

Das ist der wahren Liebe Lebenslauf.

Ist große Liebe aber unerwidert,

Wird der Geliebte in den Tod erniedert

Und doch verwehrt ist dem zu Tod Betrübten

Die Auferstehung in der Vielgeliebten.

Wo Liebe aber wechselseitig ist,

Eins lebt im andern, wenn sich Liebe küsst.

Ganz selbstvergessen ich besitz mich nur

In der geliebten Gotteskreatur.

Doch geben wir einander, Glück um Glück,

In Ganzhingabe unser Selbst zurück.

Ich stehe der Geliebten wahrhaft näher

Als meinem Ich. Ich sehe wie ein Seher

Mein Selbst in ihr durch süßer Liebe Zwang,

Von ihr nur ich mein Selbst zurückempfang.

Mein Ich gefesselt mit des Todes Banden,

In der Geliebten ist es auferstanden.

Es ist ein Tod allein, sich selber sterben,

Doch doppelt Glück, sich wieder zu erwerben

Von der Geliebten, woher immerzu

Zweifaltig strömt mir zu mein Ich, ihr Du.

Doch jene Frau ist eine Mörderin,

Die mich getötet, dass nun tot ich bin,

Gemordet von der Mörderin mit Schmerzen,

Die lässt mich aber nicht in ihrem Herzen

Von meinem Tode wieder auferstehen.

Als Mörderin ist solche anzusehen!

Doch wahre Liebe stiftet Harmonie

Und Einigkeit und Seelensympathie,

Es ist ein Gleichklang in den Seelenwesen,

Ein Sternenschicksal hat sie auserlesen.

Und dieser Gleichklang, den ich bei dir fühle,

Die Seelenharmonie, du Frau, du Kühle,

Die muß dich zwingen mit Notwendigkeit,

Mich auch zu lieben, reiner Lust geweiht.

Denn meine Seele geb ich ganz dir hin,

Sie ist dein Eigentum, ich, der ich bin,

So liebe deiner Seele Eigentum,

Mein Herz, der schönen Liebe Heiligtum!

Dein Bild, Geliebte, wunderschöne Frau,

Dein schönes Bild in meiner Seele schau,

Selbstliebe also ist geboten dir:

Du lieb dich selbst! Du lieb dich selbst – in mir!



7


Der Liebende die Schönheit sucht, die süße,

Daß er die Schönheit voller Lust genieße.

Die Schönheit ist ein Lichtglanz, der dem Mann

Durch eine Frau zur Liebe zieht hinan.

Anziehend ist der Schönheit lichter Glanz,

Anziehender Magnet der Liebe ganz.

Des Weibes Körperschönheit aber nur

Ist nichts als schöne Farbe und Figur,

Da Farben der Geliebten mannigfalt,

Verlockend die figürliche Gestalt.

Die Seelenschönheit, Psyche reiner Jugend,

Charakter ist und Geist in frommer Tugend.

Die Körperschönheit ist wie Licht geflossen

Ins Auge, wird durchs Auge nur genossen.

Die Seelenschönheit, des Charakters Achtung,

Genießt man nur in geistiger Betrachtung.

Der Seelenschönheit Adel hochgepreist

Genießt in der Betrachtung Lust der Geist.

Der Geist, der Seele anschaut, unerniedrigt

Der Seelenschönheit Schau den Geist befriedigt.

Genießt der Weise Schönheit einer Frau,

Genuß befriedigt ihn, der Schönheit Schau.

Die schöne Frau lauscht aber hingerissen

Des Weisen Wort in geistigen Ergüssen.

Genussreich voller Lust genießt die Frau

Des Weisen schönen Geist und Gottesschau.

Der schöne Körper solchen schönen Weibes

Und Attraktivität und Reiz des Leibes

Wird um die Seelenschönheit reich vermehrt

Durch Geistesschönheit, die der Weise lehrt.

Die seelenschöne Frau gebenedeit

Befruchtet wird von Geistes Fruchtbarkeit,

Und so empfangen solche schönen Damen

Durchs Muschelohr vom Geist des Wortes Samen.

Im Umgang mit dem Weisen ohne Tadel

Erlangt Frau Schönheit reinen Seelenadel.

Wer, ach, allein ist geistig-seelisch schön,

Der schaut mit heimlich seufzendem Gestöhn

Die Schönheit an des schönen Frauenleibes,

Die Körperreize solchen schönen Weibes.

Er weidet seine Augen, Sinn der Sinne,

Und wird voll Lust der Körperschönheit inne.

Der süße Schönheitsaustausch dieser beiden,

An Weisheit und Erotik sich zu weiden,

Ist selig. Lehren ist und Lernen ist

Wie eine Liebe, die sich geistig küsst,

Ist beides ehrbar, beides eine Tugend,

Der Weisheit Alter und der Schönheit Jugend.

Annehmlich ists dem Weisen, der sich setzt,

An weiblicher Erotik sich ergötzt

Und sich ergötzt an seiner Weisheit Wissen,

Und sinnvoll ist des Weisen Geistesküssen

Der Schönen, von des Weisen Geist geführt,

Da so die schöne Frau noch schöner wird!



8


Der Eros alldurchdringend, Geist der Geister,

Er ist der wahre Schöpfer, Herr und Meister.

Gott leitet Engel, Engel leiten Seelen,

Die Seelen leiten Körper. So erwählen

Die Hohen zum Objekte ihrer Liebe

Die Niedrigen, zur Neigung ihrer Triebe,

Das Höhere zum Niederen sich neigt,

So sich die Neigung ihrer Liebe zeigt.

Der Leib verbindet gern sich mit der Seele,

Auch lässet er nicht gern von ihr. Der Seele

Erscheint die Seligkeit der Himmelsengel,

Das Glück der reinen Geister ohne Mängel.

Die Engel lieben Gottes Herrlichkeit,

Die Schönheit Gottes allgebenedeit.

Das Niedere das Hohe liebt mit Streben,

Zum Hohen liebevoll sich zu erheben.

Das Gleiche aber ist dem Gleichen günstig.

So Turteltauben gurren, rucken brünstig,

Der Schwan die Schwanin liebt ins hohe Alter,

Die Hochzeitstänze tanzen paarweis Falter.

Fürsorglich neigt das Hohe sich herab,

Das Niedre windet sich hinan am Stab,

Das Gleiche wechselseitig mitteilsam

Liebt freundlich sich wie Braut und Bräutigam.

So Dionysios Areopagita.

Die Liebe preist (die Göttin Aphrodita),

Sie bildet und erhöht die ganze Welt.

Verlangt nach eignem Ruhm der Tugendheld

Und der Vollkommenheit der Seelentriebe.

Selbstliebe solcherweise auch ist Liebe.

Vollkommene Vollkommenheit ist Gottes,

Die angeschaut wird von den Geistern Gottes,

Vollkommenheit der Gottestranszendenz

Erkennt die göttliche Intelligenz,

Aus der Erkenntnis in der ewgen Stille

Entspringt der starke Heils- und Liebeswille,

Die Lust, als Zeugungskraft hervorzutreten.

Der Drang der Liebe, sagen Exegeten,

Und Wollust zur Vermehrung, Leidenschaft

Des Ewigen, ist Gottes Schöpferkraft.

Die Liebe ließ nicht zu, dass Gott der Herr

Allein blieb mit erotischem Begehr,

Gott schuf die Welt dem liebenden Begehren,

Gab allen diesen Trieb, sich zu vermehren.

Ist Magnetismus, Sympathie in allen,

Erotik, wechselseitig Wohlgefallen.

Die Einheit aller Teile ist die Liebe,

Die Harmonie der vielen Lebenstriebe.

Der Haß ist hässlich und vernichtet alles,

Doch Aphrodites Gürtel bindet alles!



9


Gott Eros ist ein Meister aller Kunst,

Der Künste Meister schufen aus der Brunst,

Geist überwindet Sinnlichkeit, die sie

Das Triebwerk ist dem heiligen Genie.

Sind keiner Künste Künstler ohne Liebe

Zur Wahrheit-Schönheit in dem Seelentriebe.

Des Philosophen Liebe zu dem Knaben

Ist Philosophenliebe hocherhaben

Zur reinen Schönheit in Gestalt der Jugend

Und zu des Seelenfunkens frommer Tugend.

Wär nicht der Philosoph erhabner Buhle,

Gäbs keine Weisheitslehre, keine Schule.

Vollkommenheit der Kunst erscheint allein,

Wenn liebt der Schaffende das Thema rein.

Die Liebe ist das Thema selbst der Kunst,

Der Künstler ist durchschauert von der Brunst.

Der Künste Ziel, die Liebe zu erregen,

Erreicht die Kunst nur durch der Liebe Segen.

Wer die Musik erschaffen will, muß sie

Erst lieben, all der Töne Harmonie.

Sternforscher, die erforschen die Gestirne,

Erforschen geistig mit der Denkerstirne

Der Sterne Harmonie und Sympathie,

Astrale Sympathie und Harmonie,

Einflüsse und Beziehungen der Sterne.

Propheten reden in die Gottesferne

Den Sündern in die schuldbefleckten Triebe

Von Liebe, Gottesliebe, Nächstenliebe.

Die Priester lehren, wie man Liebe übt,

Wie man den Herrn und die Geschöpfe liebt.

Die Dichter singen liebevoll die Musen,

Sie inspiriert der Vielgeliebten Busen,

Sie singen Frauenminne hocherhaben

Und fromme Liebe zu den reinen Knaben.

Gott Eros, sagte Orpheus, ist Erfinder,

Der große Vater reiner Gotteskinder,

Erzkünstler ist Gott Eros unbefleckt,

Als Schöpfergott des Kosmos Architekt,

Gott Eros rein in Orpheus’ Seele steht

Als Allgesang und als der Erzpoet.

Erzkünstler ist Gott Eros, fruchtbar reich,

Der fruchtbar breitet aus das Himmelreich,

Den Erdkreis und den Weltenozean

Nach seiner innern Schönheit weisen Plan,

Er, der die eigene Vollkommenheit

Ausbreiten will in Brunst und Fruchtbarkeit.

Erzkünstler Eros liebt sein Werk, das All,

Des Weltalls Trieb ist Eros’ Überschwall!



10


Der Eros führt die Seele in den Himmel,

Zu Engeln in das selige Gewimmel,

Zu Engelskindern, seligreinen Knaben,

Zu frommen Büßerinnen hocherhaben.

O Menschen, betet all die Liebe an!

Der Liebe opfere der Gottesmann!

Ihr möget alle euch der Liebe weihen,

Der Göttlichen und nicht der Sündig-Freien!

Der Eros leitet zu dem Hochzeitsmahl,

Zu Lebensfrucht und Wein im Himmelssaal,

Zu Nektar und Ambrosia und Manna,

Zu Christi Blut und Körper, Hosianna!

Die Liebe weist dann in der ewgen Wonne

Den Seligen um die zentrale Sonne

Den Sitz an in den schönen Liebesstrahlen,

Die Zonen ordnen all sich in Spiralen.

Dann schenkt die Liebe ewigen Genuß,

Genussvoll-lustvoll bräutlich-süßen Kuß!

Ja, Amen! Ohne Liebe keinem tut

Das Paradies sich auf voll Liebesglut!

Wer Gott geliebt in seligem Begeisten,

Gefällt dem wahrhaft lieben Gott am meisten.

Ich sage euch mein seufzendes Geständnis:

Auf Erden ist unmöglich die Erkenntnis

Geheimnisvoller Gottheit ganz vollendet.

Wer aber höchste Glut der Liebe spendet,

Wer edel war, in Liebe nur zu wallen,

Ist Gottes Liebling, Gottes Wohlgefallen.

Ins Paradies führt nicht Erkenntnis ein,

Des Paradieses Öffnerin allein

Ist Liebe, Liebe zum Mysterium!

Beim paradiesischen Symposium

Sitzordnung ist geordnet nach der Liebe,

Dem Maß der Liebe in dem tiefsten Triebe.

Die Qualität der Gottheit, die du ehrtest,

Die Hypostase, die du rein begehrtest,

Wird nach des Liebesfeuers Reinigung

Dir eins in göttlicher Vereinigung!

Geweiht der Himmelskönigin Maria,

Anbeter du der Hagia Sophia,

Sophia ist Genossin, Ehegattin

In Ewigkeit, des Mannes Liebesgöttin,

Sophia wirst du in den Paradiesen

Als Liebesgöttin hochzeitlich genießen!




VIERTER GESANG



1


Vom Leib zur Seele, Engel und zu Gott

Die Himmelsleiter steige ohne Spott.

Der Leib empfängt Bewegung ohne Fehle

Allein von der Beweglichkeit der Seele,

Die schreitet selbstbewegt in dem Verstand

Umher von Gegenstand zu Gegenstand,

Die selbstbewegte Seele in der Zeit.

Der Engel steht im Punkt der Ewigkeit.

Vor der Bewegung muß die Ruhe sein,

Ist über Psyche drum der Engel rein.

Die Seele schaut nicht in Totalität,

Untrügliche Erkenntnis fehlt ihr, seht,

So überm zweifelhaften Denken steht

Der stille Geist der Engelsmajestät.

Die Seele muß vom Engelsgeist empfangen

Vernunft, die sie empfängt mit zagem Bangen.

Doch überm Engel voll der Liebesglut

Das Urprinzip des Alls, das Höchste Gut,

Das Eine ist, die makellose Einheit.

Der Engel ist bei aller seiner Reinheit

Nicht Einig-Ein, der Engelsgeist ist Dreiheit:

Der Denker des Gedankens er in Freiheit,

Ist der Gedanke selbst und ist das Denken,

Sich denkend in Ideen sich zu senken,

So trägt der Engelsgeist in sich das Viele,

Die Vielfalt der Ideen zu dem Ziele,

Zum Ursprung und zum Ziele, in die reine

All-Einheit, das ist Gott, Gott ist das Eine.

Das Eine ist ein schöner Gottesname.

Die von der höchsten Ursach als ein Same

Dem Weltall mitgeteilte Einheit geht

Durch alles: Eine Engelsmajestät,

Der Mensch ist eine Seele und ein Leib,

Und eine Urmaterie. Geist betreib

Gestaltung kunstvoll, voller Überlegung,

Die Seele treibe Leben und Bewegung,

Formloser Urmateria Entfaltung

Aus Stoff kommt ohne Leben und Gestaltung,

Der Körper ist allein in Raum und Zeit,

Die Seele ist in Zeit und Ewigkeit,

Der Engel ist in Ewigkeit, und du,

O Gott, in Über-Ewigkeit und Ruh,

Der über Ewigkeiten ruhst alleine,

Die Erstursache und das Einig-Eine!



2


O Schönheit! Schaue an den schönen Leib,

Den schönen Körper schau, das schöne Weib,

Der schöne Körper ist begrenzt im Raum,

Hinfällig-zeitlich wie der Meeresschaum.

Die schöne Seele schau, die in der Zeit

Beweglich ist, daheim in Ewigkeit,

Die schöne Seele, siehe, ist nicht traumlos,

Die Wanderin der Welten, sie ist raumlos.

Den Engel schau, die Vielzahl der Ideen

Im Engel fern von Raum und Zeit zu sehen.

Betrachte dann, du Odem im Schamott,

Die Herrlichkeit des Herrn, den lieben Gott!

Gott über allem, über Raum und Zeit,

Gott ist von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Schau an die schöne Form des Körpers da,

Zieh ab vom Körper die Materia

Und ziehe ab die Schranke in dem Raum,

Du schaust die schöne Seele wie im Traum.

Zieh von der schönen Seele ab das Kleid

Raumlosen Daseins im Vergehn der Zeit,

So findest du den schönen Engelsgeist,

Der Schönheit Engel deine Harfe preist.

Dem Engel nimm die Vielheit der Ideen,

Im Geist die Eine Gottheit anzusehen,

Die Gottesschönheit schaue an, die reine,

Urgottheit der Urschönheit, Gott, das Eine!

Willst du die reine Gottesschönheit schauen,

Urschönheit, Quell der Schönheit schöner Frauen?

Dem Geiste nimm die Vielheit der Ideen,

Besinne dich, die Einheit anzusehen,

Die absolute Einfachheit allein,

Und du wirst Gottes gegenwärtig sein,

Denn über den Ideen mannigfalt

Schwebt Gottes einzig-einige Gestalt.

Die Gottesschönheit ist ein lichter Glanz.

Schau an die Sonne, tanzend ihren Tanz,

Ihr Licht gebrochen von Materia,

Dir offenbart die Körperschönheit da.

Doch Licht, nicht von Materia gebrochen,

Ist Seelenschönheit, preisend ausgesprochen,

Frau Psyche in der Sonne Strahlenkleid,

Die raumlos wandelt herrlich durch die Zeit.

Doch ohne Raum und Zeit ist anzusehen

Der Engel in dem Reiche der Ideen.

Doch über dem Ideenreich in Reinheit

Du schaust die Gottesschönheit der All-Einheit,

Die Eine Gloria der Gottesschöne!

Aus dieser Schönheit ausfließt alles Schöne.

Des Engels Schönheit ist der Gottheit Spiegel,

Des Engels Schatten Psyche mit dem Flügel,

Der Seele Spiegel ist der Körperschatten.

Du sollst allein dich der Urschönheit gatten!



3


Kein Frauenkörper ist vollendet schön,

Bald reizen Reize dich zum Lustgestöhn,

Bald siehst du Unmaß an dem Weibe grässlich,

Dir scheinen alle Frauen herrlich-häßlich,

Gemischt aus Schönheit und aus Hässlichkeit,

Heut blühend, welkend im Vergehn der Zeit.

Des Weibes Körperschönheit nie allein

Ist absolute Schönheit strahlend rein.

Willst du die Schönheit eines Körpers messen

Am Maß der reinen Schönheit, unvergessen

Du schweben überm Frauenkörper seh

Das reine Maß der Schönheit der Idee!

Der Gott der Schönheit durch den Mittler Engel

Und seine Geistesschönheit ohne Mängel

Und durch der Seele Mittlertum dem Weib

Schafft aus Materia den schönen Leib.

Schau an den Frauenkörper, außen schön,

Die Reize reizen dich zum Lustgestöhn,

Denk dir des Körpers Inneres und grässlich

Erscheint dir leibliche Verwesung hässlich.

Was liebst du dann so überaus enorm?

Ein wenig Oberfläche, Farbe, Form?

Schau, jene Frau reißt hin dich zur Ekstase,

Ganz reizend ist sie, bis auf ihre Nase,

Schau, jenes Weib erweckt die Leidenschaft

Enorm, doch ihre Brüste sind erschlafft.

Betrachte alle Weiber, fein und grob,

Kein Weibchen findet je dein volles Lob.

Doch sollst du in dem Schönsein schöner Frauen

Die reine Frauenschönheit selber schauen,

In allen Schönen schaue je und je

Der Frauenschönheit ewige Idee,

Aus allen schönen Frauen bilde, schau,

Der Schönheit Urbild dir, der Frauen Frau,

Ur-Weiblichkeit, der Frauenschönheit Maß,

Schau Gottesschönheit in dem Spiegelglas

Des Ewigweiblichen, der Überfrau,

Dein Ideal, die Frau der Frauen schau!

Vergleichst du ihrer Schönheit schöne Frauen,

Wirst keine du ihr gleich an Schönheit schauen.

Ur-Weiblichkeit, lehrt Hagia Sophia,

Nur liebe, Unsre Liebe Frau Maria!



4


Die Seele liebe, Schönheit guter Seele,

Das ist der reine Lichtglanz ohne Fehle,

Nicht wie der Sonnenkörper offenbar,

Geheimnisvoller Lichtglanz unsichtbar,

Der Seele Schönheit und des Glanzes Klarheit,

Das ist der Seele innerliche Wahrheit.

So Platon betete ein Bittgebet:

O Gott, du allerhöchste Majestät,

Gib, Gott, dass meine Seele werde schön,

Sei mir nichts anderes als Weisheit schön!

Die Seelenschönheit, Weisheit oder Wahrheit,

Wird euch von Gott geschenkt in Offenbarheit.

Die Wahrheit über Gott die Weisheit heißt,

Sie wird als Wahrheit über Gott gepreist.

Die Wahrheit über die Natur und Kraft

Des schönen Kosmos ist die Wissenschaft.

Die Wahrheit von dem Menschen Einsicht heißt,

Vernunft und Klugheit meine Harfe preist.

Der Seelenschönheit makellose Jugend

Ist sittlich und ist geistig reine Tugend.

Der Seelenschönheit sittlich-schöne Jugend

Verwirklichung der kardinalen Tugend

Von Keuschheit, Starkmut und Gerechtigkeit

Vom frommen Dichter werde benedeit.

Steig von der Tugend, die da sittlich ist,

Zur Tugend, die da geistig ist, o Christ.

Die Tugend, die da geistig ist, ist Wahrheit

Von Gott, das ist der Weisheit Offenbarheit.

Frau Weisheit, Wissenschaft und Einsicht spiegeln

Die Eine Wahrheit mit den sieben Siegeln.

Das Eine Licht der Wahrheit ohne Fehle,

Das ist die wahre Gloria der Seele,

Die wahre Seelenschönheit ist in Klarheit

Ein makelloses Spiegelbild der Wahrheit.

Vielfältig sind der Weisheit Lehren, alle

Frau Weisheit lehrt in der Ideenhalle,

Die Lehren fließen Welle über Welle

Gesamt nur aus der Einen Weisheit Quelle.

Die Mannigfaltigkeit der Menschenwahrheit

Stammt von der Einen Wahrheit Offenbarheit,

Der Wahrheit, die Person geworden ist

In Jesus Christus. So bekennt der Christ.



4


Die Gloria der einig-einen Weisheit,

Sie ist der Engel Schönheit. Sanfter Leisheit

Im Licht der Engel leis vorüberwandelt

An einer Seele, welche schön gehandelt.

Die ewige, die zeitlos-schöne Weisheit

Singt Allgesang in heimlich-süßer Leisheit.

Sie offenbart sich, sie ist anzusehen

In schöner Vielheit ewiger Ideen,

Den ewigen Ideen in Äonen,

Die allesamt dem Engel innewohnen.

Vielfältig bunt ist wie der Iris Bogen

Der einen Weisheit Schönheitslicht gezogen

Durch jene Idealwelt der Ideen,

Um heim zur Quelle alles Lichts zu gehen,

Dem Urquell der Ideen ideal,

Dem einig-einen Ursprung ohne Zahl,

Dem Urgrund in der absoluten Einheit,

Der Quelle alles Schönheitslichts in Reinheit.

Dies ist allein unendliche All-Einheit

Der Schönheit in der makellosen Reinheit,

Ist unentstellt durch die Materia

Wie eines Körpers Schattenschönheit da,

Ist unentstellt durch Flucht der Zeitlichkeit

Wie Seelenschönheit in dem Schattenkleid,

Ist unentstellt von Vielheit, wie sie kreist

In dem Ideenkreis im Engelsgeist,

Unkörperlich und zeitlos, ohne Zahl,

Die Eine Schönheit, absolut, total,

Die Eine Gottesschönheit unbefleckt,

Die Eine Schönheit, ewig und perfekt!

Die absolute Schönheit fordert Liebe

Unendlich und vom tiefsten Lebenstriebe,

Von ganzem Herzen, ganzer Seele und

Mit ganzer Kraft. O sei von Liebe wund,

Entbrenne du mit tödlichem Gestöhne

Der tiefsten Leidenschaft zur Gottesschöne!

Die Kreaturen liebe maßvoll, Frommer,

Geweiht der keuschen Jungfrau in dem Sommer,

Der Jungfrau Liebesglut geweiht im Winter,

Lieb heilig und mit Maß die Menschenkinder!

Unmäßig-maßlos und im Übermaß

Die Gottesschönheiit liebe! Glaub mir das.



6


Ich will nicht Gott nur über alles lieben,

Ich will allein die Gottesschönheit lieben!

Wenn wir den Körper und die Seelentriebe,

Den schönen Engel lieben reiner Liebe,

Dann lieben wir in ihnen ohne Spott

Die Liebe aller Liebe, lieben Gott!

In Körpern lieben wir den Gottesschatten,

Begehren nur, dem Urlicht uns zu gatten,

In Seelen lieben wir das Nachbild Gottes,

Allseele feiern wir nur fern des Spottes,

Im Engel lieben wir das Ebenbild

Der Gottesschönheit sanft, demütig, mild.

Die Gottheit ist zutiefst in allen Dingen,

Durch alle Dinge wir zur Gottheit dringen,

Um schließlich alle Dinge nach Belieben

Der Weisheit in dem einen Gott zu lieben.

Wir werden einmal Gott die Einheit schauen!

Dann in der Gottheit werden alle Frauen

Und alle Kinder mit den Engelsschwingen

Und alle Schönheit von den schönen Dingen

Wir schauen, lieben alles nur in Gott

Und lieben in dem Großen-Ganzen Gott!

Wer sich auf Erden Gott ganz hingegeben,

Der wird nach diesem irdisch-eitlen Leben

In Ewigkeit von Gott sich selbst empfangen

In Demut und in süßem Liebesbangen,

Der Mensch in Gottes Ewigkeit

Kehrt zur Idea allgebenedeit,

Des Menschen göttlich-menschliche Idee

Empfängt ihn innig nach des Todes Weh

Mit ihrer Liebeskunst und Inbrunst zart,

Idee, durch die der Mensch geschaffen ward.

Ja, neugeschaffen, neugeboren scheint

Der Mensch und der Idee intim vereint!

Der wahre Mensch, den nirgendwo ich seh,

Der wahre Mensch ist eins mit der Idee.

Auf Erden aber all die sündig-bösen

Unmenschen sich von der Idea lösen.

Die schöne Gottesliebe, unser Glück,

Sie führt die Frommen zur Idee zurück.

Auf Erden in der Eitelkeit entstellt,

Der Mensch von Gott wird in der Himmelswelt

Zu der Idee zurückgeführt, vereint

Der ewigen Idee, die Göttin scheint

Ein Spiegel Gottes makellos und rein.

Der Mensch wird der Idee vereinigt sein.

So haben, wie den Menschen es beliebt,

In Gottesliebe wir uns selbst geliebt.




FÜNFTER GESANG



1


Die Eros-Liebe ist die höchste Blüte

Des Individuums. Der Liebe Güte,

Des Menschen Würde setzt du absolut,

In ihm ist die Vernunft als hohes Gut,

Die Form vernünftigen Bewusstseins innen.

Erfahrungen des Lebens zu besinnen

Der Denker deutet, die Vernunft als Form

Bezieht es auf die ideale Norm.

Bestimmt den Menschen nicht das Leben nur,

Auch die Vernunft der Wahrheit heilig-pur.

Wer sich nach diesem Ideale richtet,

Der kann vollkommen werden, geist-belichtet

Unendliche Vollkommenheiten treiben

Aus sich hervor und doch ganz menschlich bleiben.

Der Mensch gewiß ist doch der Schöpfung Krone,

Vergleichbar kein Geschöpf dem Menschensohne.

Ja, überm Menschen leuchtet nur in Klarheit

Die Herrin selbst, die absolute Wahrheit.

Die Wahrheit jeder Mensch erkennen kann,

Verwirklichen die Wahrheit Weib und Mann,

Der individuelle Intellekt

Erleuchtet durch den Glauben unbefleckt,

Durch Wissenschaft und künstlerisches Streben,

Er ist Organ und trägt in sich das Leben

Des Einzelnen, der Menschheit und der Welt.

Die ganze einige Person enthält

Von Mensch und Menschheit und der Welt die Einheit

In des persönlichen Bewusstseins Reinheit.

Des Menschen große Schöpfertätigkeit

Abbildet und gestaltet weit und breit

Die Einheit Himmel-Erde-Menschensohn.

Die absolute Wahrheit in dem Thron

Als die totale Einheit allem Sein,

Sie senkt sich in den Geist des Menschen ein,

In das Bewusstsein ein von Anbeginn,

Die Ewigkeit wohnt in des Menschen Sinn.

Der Mensch verwirklicht nun von einer Klarheit

Zur andern Klarheit absolute Wahrheit.

Der Mensch ein Teil der Mutter All-Natur,

Doch nicht ein Teil des Großen-Ganzen nur,

Der Mensch, der Glaube, Weisheit, Kunst enthält,

Ist Seele der Natur und Geist der Welt,

Er ist realisierende Potenz

Der Einheit, über ihm in Transzendenz

Die absolute Einheit nur im Akt,

Der Gottheit Existenz, von Bildern nackt.



2


Erkenntnis nicht der Wahrheit nur allein

Schafft Heil, der Mensch soll in der Wahrheit sein.

Der Mensch kann Spiegel sein dem Großen-Ganzen,

Organ des Seins, den Tanz des Lebens tanzen.

Doch leider ist der Mensch nicht in der Wahrheit,

Der Wahrheit Mensch ist leider eine Rarheit.

Der Mensch behauptet sich im Egoismus,

Der Wahrheit sich verwehrt der Egoismus.

Der Anti-Egoismus öffnet für die Wahrheit,

Das ist der Liebe ideale Klarheit!

In Liebe opfert sich der Egoist,

Bekennt, dass er im Andern selig ist.

Nein, das ist nicht des Egoismus Tadel,

Zu glauben an der Menschenwürde Adel,

Der Egoismus aber adelt nur

Das eigne Ich, die sündige Natur,

Die andern Menschen sind nach seiner Lehre

Nur Sklaven seines Ichs, nur periphere

Unmenschen, aber alles ist sein Ich,

Die andern sind ein Nichts. Nur Gottes Ich

Ist Eins und Alles, Menschen sind vollkommen,

Wenn andre Menschen zu dem Menschen kommen.

Der Einzelne ist ein bestimmtes Bild

Der absoluten Einheit, fromm und mild

Die andern Menschen sind ihm eine Mehrung.

Nur Egoismus ist wie Sinnentleerung.

Nur der Erotik Wahn und Fanatismus

Tilgt mit der Wurzel aus den Egoismus!

Die Liebe anerkennt nur immerzu

Den absoluten Wert des lieben Du.

Der Mensch verwirklicht liebend die Potenz,

Sich überwindend in die Evidenz

Des Anderen hinüberzubestreben,

Nicht mehr im Ich, vielmehr im Du zu leben.

Die Liebe, die die Ich-Sucht überwindet,

Muß auf konkrete Liebe sein gegründet

In alldurchdringender Erotik Kraft

Und der Besessenheit der Leidenschaft!

Konkrete und bestimmte Liebe freiend,

Die Liebe, objektiv ein Dasein seiend,

Verschieden von dem Ich muß sein das Du,

Dann sucht man in der Ganzhingabe Ruh,

In Austausch, Wechselwirkung, Kommunion.

In Geistes-Ebenbürtigkeit Union

Der zwei verschiednen Ichs, die eins, verschieden,

Nur dieser Liebes-Einheit ist beschieden

Des neuen Menschen Schöpfung, Kommunion

Als Kreation vollkommener Person,

Den absoluten Menschen oder kühn

Ich sag: Der Gottheit Abbild androgyn.



3


Die Liebe in des Hohenliedes Paarung,

Die Liebe der Johannes-Offenbarung,

Beweist, Erotik voller Lebenstriebe

Intimer Spiegel ist der Gottesliebe.

Der falsche Spiritualismus hebt

Den Eros auf, hier nicht die Liebe lebt.

Nein, Eros-Liebe will Gleichartigkeit,

Will Wechselwirkung und Verschiedenheit,

Ergänzender Verschiedenheiten Einheit,

Den Wesensaustausch will der Liebe Reinheit.

Im falschen Mystizismus schläft das Ich,

Das Ich versinkt in Schlaf unwesentlich

In der vollkommenen Indifferenz

Des numinosen Nichts der Transzendenz.

Vollendet ist der Liebe Transzendenz,

Doch ist kein Freier da in Evidenz.

Der Minner löst sich als Person ins Nichts

Unwesentlichen Gottesangesichts.

Doch lebt der Freier wieder auf, sein Ich

Steht einsam, spricht nicht mehr: Ich liebe dich!

Verloren seiner Liebe das Objekt,

Er kehrt zum Egoismus um befleckt.

Der Egoismus herrscht in Eitelkeit,

Das Ich sinkt in des Alltags Nichtigkeit.

Die wahre Mystik aber hat erkannt,

Der wahren Liebe wahrer Gegenstand

Ist nicht vollkommene Indifferenz,

Der Liebe Transzendenz und Immanenz

Erscheint der wahren Mystik im Gebet

Lebendig und persönlich und konkret,

Das Göttlichweibliche erscheint als die

Erotische Madonna voll Magie,

Dann liebt der Minner sehr den Reiz Marias

Als Gattin des erotischen Messias.



4


Die Liebe zwingt, dem vielgeliebten Du

Den absoluten Wert zu sprechen zu,

Wo doch der Egoismus nur dem Ich

Gibt absolute Würde sündiglich.

Des Menschen Lebenszentrum wird durch Liebe

Verlegt in eines Andern Seelentriebe.

Der Eros trägt in sich die Möglichkeit

Der Liebe, die auf Gegenseitigkeit

Beruht und auf Vereinung geistig-keusch,

Die zwei Personen werden dann Ein Fleisch.

So Liebe ist das brennende Verlangen,

Das möchte zur Vereinigung gelangen,

Will zur vollständigen Vereinigung,

Zur innern Einheit mit Begeisterung.

O Poesie, der Lust Begeisterung,

O Traum von ewiger Vereinigung!

Ach, Alltagsprosa schaler Wirklichkeit,

Da nur annähern sich in dieser Zeit

Zwei Menschen, ach, die Minner und die Damen,

Sie bleiben fremd sich in des Alltags Rahmen.

Ist die Geliebte in der Wirklichkeit,

Sie ist prosaisch in des Alltags Kleid

Nicht von dem gleichen absoluten Wert,

Wie da der Minner sie im Traum begehrt,

Als Traumfrau seiner Liebespoesie,

Da war das Bild der reinen Schönheit sie!

Dann plötzlich oder auch allmählich schwand

Das Traumbild der Verliebtheit aus dem Land.

Die wahre Liebe, Einklang, Reim auf Reim,

Sie existiert im Dasein nur im Keim,

Herrscht nicht in Wirklichkeit, doch seh ich schon

Der Liebe Macht im goldenen Äon

Der Zukunft, seh sie in Begeisterung.

Der Liebe Pflicht ist die Vereinigung

Von zwei begrenzten Menschen in der Zeit,

Zu schaffen geistig die Persönlichkeit

Der idealischen Person, die gleich

Erfüllt mit ewgem Leben, Gottes Reich,

Nicht Mann und Weib ist, sondern Menschenwesen,

Wo Männlichkeit und Weiblichkeit erlesen

Die idealische Persönlichkeit

Erschaffen durch der Liebe Einigkeit.



5


Tatsache ist die Liebe, wie man spricht,

Aufgabe ist sie aber, Geistespflicht.

Es überwältigt Liebe in der Nähe,

Man will Vereinigung und gar die Ehe

Und endet in dem Tierreich animalisch,

Wenn nicht gar in der Zanksucht infernalisch.

Die Liebe wie die Fee Morgana flieht,

Wenn immer sie den Ehegatten sieht.

Die Liebe ist die Gabe Gottes nur,

Ist ein Geschenk, ist Gnade der Natur.

Doch soll der Mensch zu dieser Himmelslust

Verhalten sich vernünftig und bewusst,

Die Gabe der Natur, der Liebe Spiel,

Der Mensch im Geiste führe sie zum Ziel.

Die Liebe, das sie werde die perfekte,

Verbleibe nicht im Dunkel der Affekte

Und nicht im animalischsten der Triebe,

Sie werde reiner Geist und reine Liebe.

Der Liebe Sinn, das ist nicht ihr Erleben,

Nicht zum Genuß die Liebe ist gegeben,

Das schöpferische Tun der Liebe merke,

Der Liebe Sinn, das sind der Liebe Werke.

Nicht sollst du die Geliebte absolut

Empfinden, herrlich wie das Höchste Gut,

Das Ideal dient nicht nur dem Gefühl,

Es führe dich zu deinem Lebensziel,

Zu der Vereinigung, dass aufersteht

Die Über-Individualität,

Die übermenschliche Persönlichkeit.

Dem Menschenziel die Liebe sei geweiht.

Der Liebende in Liebe sieht im Strahl

Die Herrlichkeit des Herrn als Ideal,

Er gibt der Liebsten beinah Gottes Ehre,

Er sieht sie in der idealen Sphäre,

Daß die Geliebte werde, was er schaut,

Die eigene Idee, die Himmelsbraut.

Der Mensch soll werden, was er ist, ein Mensch,

Aus männlich und aus weiblich ganz ein Mensch.

Der Minner schaut in seiner Liebe Schau

Die ideale und vollkommne Frau,

Die mystische Geliebte, Seelengattin,

Vollkommenheit als eine Menschengöttin!



6


Der Liebende, er idealisisiert,

Die Liebste sich in lauter Glanz verliert,

Wie andre Menschen nicht die Liebste schauen,

Der Minner nennt sie Schönste aller Frauen

Und Heilige an Tugend und an Sitte,

Ja, er schaut Gott in ihres Herzens Mitte.

Auch dieses Liebeslicht verschwindet bald,

Verwelkt die angebetete Gestalt.

Und doch, der Minner sah in der Vision

Die Wahrheit, nicht nur Trug und Illusion.

Der Mensch ist mehr als stofflich nur ein Leib,

Nicht nur Materia von Mann und Weib,

Die menschliche Natur des Ideellen

Den Menschen wird dem Höchsten Gut gesellen.

Denn nicht Materia nur mild und wild

Der Mensch ist, sondern Gottes Ebenbild,

Der Mensch trägt Gottes Bild in Seelensinnen,

Den absoluten Inhalt birgt er innen.

Vernunft erkennt in ihrer Theorie

Das Ebenbild, doch nur die Liebe, sie,

Das Ideal des Ebenbildes schaut

Leibhaftig an, intim im Geist vertraut.

Nur im erotischen Mysterium

Erscheint das ideale Menschentum.

Um dieses Abbild wieder herzustellen,

Um die Verkörperung der ideellen

Idee des Menschen wirklich zu erwirken,

Drum Liebe wirkt in irdischen Bezirken.

Der Ursprung der Idee im Unbewussten

Erhöht wird von dem Geist in dem bewussten

Genie der Liebe. Die Empfänglichkeit

In Demut passiv-sanfter Weiblichkeit

Ergänzt wird durch des Mannes Geisteswirken,

Bewusstsein in den geistigen Bezirken.

Notwendig ist die Tat des Glaubens, Tugend,

Der schöpferischen Liebe süße Jugend

Im Menschen zu verwirklichen, die Schau

Soll wirklich werden: Göttin wird die Frau!

Geschieden ist die Menschheit in dem Leib,

Geteilt die Menschheit ist in Mann und Weib,

Die Menschheit sich vereinige zur Einheit,

Des androgynen Menschenwesens Reinheit.

Die Göttin-Frau erschaut der Liebe Schau,

Zur wahren Göttin werden soll die Frau.

Dem Ritter Puschkins war die Frau sein Gott,

Enttäuscht war von dem Weibe Don Quichotte.

Das ist der Minneritter Testament:

Der Mann das Ideal der Frau erkennt.



7


Die Ehe ohne wahren Sinn der Liebe

Ist nichtig und versinkt in dumpfer Trübe.

Ganzwerdung der Person ist Sinn der Liebe,

Der Sinn des edelsten der Seelentriebe

Ist Schaffung einer supernaturalen

Persönlichkeit, erfüllt von Gottes Strahlen.

Die Lustgefühle sind ein Anreiz nur,

Zu wandeln geistig auf der Liebe Spur.

Ein jedes Mal, wenn in die Menschenherzen

Der Liebe Funke fällt von Sternenkerzen,

Dann wartet seufzend all die Kreatur

Und ächzend die geschaffene Natur

Auf jene Offenbarungsherrlichkeit

Der Kinder Gottes allgebenedeit.

Doch ohne Geist erlöschen diese Funken

Der Liebe, in des Alltags Pfuhl ertrunken.

Die Liebe gibt den absoluten Wert

Dem Du, den Wert dem Ich auch nicht verwehrt.

Der absolute Wert der Vielgeliebten

Ist unvereinbar mit dem Tod. Betrübten

Verliebten ist kein Pfad zu dem Versöhnen

Mit bitterm Tod der vielgeliebten Schönen.

Unsterblichkeit der Seele, Seele nackt

Vom Todesleib, ach, die Idee abstrakt

Kann nimmer einen wahren Minner trösten.

Er will ja nicht den Geist nur, den erlösten,

Unsterblichen, den engelgleichen, lieben,

Die ganze Frau mit allen Lebenstrieben

Will lieben er unsterblich, Seele keusch,

In himmlischer Verklärung auch das Fleisch!

Das Fleisch als das Objekt der Liebe soll

Verherrlicht werden und des Geistes voll.

Allein die Liebe will in Ewigkeit

Nicht für die Seele nur Unsterblichkeit,

Die wahre große Liebe hegt ein keusches

Verlangen: Auferstehung auch des Fleisches!

Die leeren Männer, wie die eitlen Damen,

Sportsmänner, Kartenspieler, Satans Samen,

Sind der Unsterblichkeit nicht wert! Und auch

Der Genius mit der Begeistrung Hauch

Geschaffen ist für die bestimmte Zeit,

Selbst Goethe singt nicht fort in Ewigkeit.

Doch Liebe mit dem unbedingten Triebe

Zur Ewigkeit, die wahre große Liebe,

Läßt nicht den lieben Leib im Staub verwehen,

Denn die geliebte Frau wird auferstehen,

In Leib und Seele in Unsterblichkeit

Geliebte sein in alle Ewigkeit!



8


Die Liebe ist wie eine Turteltaube,

Der Taubenaugen Schauen ist der Glaube.

In Wirklichkeit ist doch die Vielgeliebte

Bedingt nur würdig, von der Zeit getrübte

Begehrte Schönheit, nur in Jugend mild.

Der Glaube aber schaut das Ebenbild,

Das unsichtbare Gottesbild im Innern.

An die Vision sollst stets du dich erinnern,

In dir bewahren deinen Glauben rein,

Die Frau muß unbedingt voll Würde sein,

Die Schönheit, die du sahst in Liebesglut,

Ist unbedingte Würde absolut.

Ihr absoluter Wert ist ohne Spott

Begründet in dem einen schönen Gott.

Vergötterst du die Vielgeliebte, Christ?

Ihr Reiz allein in Gott begründet ist,

Denn jene Schönheit, die ich liebend seh,

Ist in der Gottheit göttliche Idee.

Ich aber bin Idee der Gottheit auch,

Mein Selbst ist auch ein Hauch von Gottes Hauch.

So glaube an den einen schönen Gott

Und an die vielgeliebte Frau in Gott

Und an dein Selbst, von Gott gebenedeit.

Das ist die gläubige Dreifaltigkeit

Der Liebe in des wahren Glaubens Reinheit

Ans einig Ein, die göttliche Drei-Einheit.

Empfange du der Gottesliebe Gnade,

Anbetend in der Gottesliebe bade

Und laß dir von der Gottesgnade mild

Dein Selbst dir bilden als ein Ebenbild.

Dann schaust du auch in der Geliebten, wild

Entflammt von Liebe, Gottes Ebenbild,

Der idealen Liebe Ideal

In der All-Einheit reinem Sphärensaal,

Und nicht nur das vergänglich-schöne Weib,

In Raum und Zeit gekerkert in den Leib.

Im Liebespathos scheint das Ideal

Der Schönheit auf dem geistigen Gemahl,

Auf der Geliebten mit dem Rosenkranz

Liegt ausgegossen Glanz von Gottes Glanz!

Du schaust die ideale Schönheit, sie,

Die Frau, vor allem in der Phantasie,

Die Herrin schwebt als Geist im Empyreum

Und singt Magnificat und singt Tedeum

Und scheint Madonna in dem Ätherdom.

Auf Erden scheint sie nichts als ein Phantom,

Die Seele in des Lichtleibs Transparenz

Ist Wirklichkeit im Reich der Transzendenz.

So die Idee der Frau in schönster Reinheit

Ist Offenbarung göttlicher All-Einheit,

Die Liebe Frau, die Schöne, deine Wonne,

Ist lichter Sonnenstrahl der Gottessonne!

So wird dir die Geliebte zu Maria,

Zur Inkarnation der Hagia Sophia!



9


Für Gott ist alles, was nicht Gott ist, Braut,

Gott sich der ewigen All-Einheit traut.

Die Einheit, weiblich-passiv, Nichts und Leere,

Gott schaut sie an, als ob sie göttlich wäre.

Sie, die des Universums Ur-Exempel,

Empfängt von Gott der Gottesliebe Stempel.

Gott schaut nicht Leere, sondern schaut perfekt

Der Gottesliebe reines Lustobjekt,

Das Ideal und das Objekt der Liebe,

Den unbefleckten Spiegel ohne Trübe,

Vollkommnes Ideal des Weltalls sie!

Lebt die konkrete Frau in Harmonie

Mit dieser ewigweiblichen Idee,

Mit Gott ich diese Frau vereinigt seh,

In Sanftmut und in Demut süß und mild

Vereinigt sich mit Gott sein Ebenbild.

So, Liebender, so liebst du doppelt gleich,

Das Ideal in dem Ideenreich

Liebst du und liebst auch das konkrete Weib

In Raum und Zeit mit Seele und mit Leib.

Die Liebe steigt zum Ideal hinan,

Anbetend schaut zur Frau hinauf der Mann,

Die Liebe steigt zur Stofflichkeit hinab,

Der Mann neigt sich zum Weib, geweiht dem Grab.

Pandemos und Urania, die Mythe

Das Doppelantlitz preist der Aphrodite.

O, Gottes Partnerin ist unbeschreiblich,

Ist Gottes Göttin, sie ist ewigweiblich,

Erscheine sie dem Manne fromm und still,

Der sich durch sie mit Gott vereinen will!

Das Ewigweibliche ist passiv nicht

Untätig in dem Geist, das Licht vom Licht

Verwirklicht sich im Kosmos, in der Welt,

Die Welt im Innersten zusammenhält,

Die Welt als Geist führt zum Vollendungsziel,

Vereinigung mit Gott, der Liebe Spiel!

In Eros-Liebe nun verwirklicht schon

Die Ewigweibliche im Menschensohn

Sich selbst und ihre eigne Ewigkeit,

Das ist der Grund für jene Seligkeit,

Schaut an der Freier die Geliebte süß,

In Ahnung ist er schon im Paradies!

Hier ist der Ort für die Vergötterung

Der Vielgeliebten in Begeisterung

Des Eros, denn es liebt der Brautgemahl

Das Ewigweibliche, sein Ideal,

Das Ideal der vielgeliebten Frau,

Die Göttin liebt der Mann in trunkner Schau!

Der wahre Minner freit zur Seelengattin

Die ewig-feminine Herrin-Göttin!


DEVI