CHARLES PÉGUY’S MARIA


NACHGEDICHTET VON TORSTEN SCHWANKE




PARIS SPRICHT ZUR HIMMELSKÖNIGIN



O Königin der Gnad’, du Stern auf dunkler See,

Hier naht das schwere Schiff, gepeitscht von Sturm und Weh.


Hier treiben wir dahin durch Nacht und Nebel grau,

Wir folgen deinem Ruf, dir, Jungfrau, rein und frau.


Hier ruht der Louvre still, hier führt der Weg zum Thron,

Hier wohnt die große Macht, hier steht des Königs Kron’.


Wir haben unser Haupt, ein Mann von hartem Schlag,

Er raucht sein Pfeiflein leis’, er grübelt Nacht und Tag.


Er zweifelt an dem Rat, den Obrigkeit ihm spricht,

Er geht mit raschem Schritt und weicht dem Kampfe nicht.


O Himmelskönigin, du thronst auf weitem Meer,

Erhörst uns, wenn wir fleh’n, die Hände leer und schwer.


Heut’ ist der Tag, wir zieh’n hinaus mit uns’rem Gut,

Der Kran hebt Last um Last, die Ochsen zieh’n mit Mut.


Hätt’ unsre Tugend nur die Bürde stets gelenkt,

Das Schiff ging leicht hinweg, wohin Augustus denkt.


So wie die Mutter eilt dem flinken Eichhorn nach,

So klammert unser Griff sich an den Mast mit Sach’.


Der Feind bricht schnaubend ein durch unsre weite Schlucht,

Wir trotzen ihm mit Stahl, mit Feuer und mit Wucht.


Wir pflügen Saragossas Meeresflut mit Kraft,

Zertrümmern Wrack um Wrack, das tot am Wasser klafft.


Und England sieht uns an mit Spott und kaltem Blick,

Doch trotzen wir dem Sturm, gehorchen nicht dem Strick.


Wir füllen unser Boot mit Reichtum und mit Macht,

Es trägt die beste Fracht, die uns’re Zeit bedacht.


Die Ladung türmt sich hoch, bis an den Rand gedrängt,

Wir setzen stolze Kron’, wo uns der Handel lenkt.


Wir achten nicht den Mais, das Gold nur zählt Gewicht,

Der Weizen bringt den Lohn, dem Armen hilft er nicht.


Und dennoch hält das Meer die Hand des Höchsten fest,

Denn uns’re Schuld ist dein – dein Sohn hat sie gefresst.




PARIS, DAS SCHIFF WIRD GELADEN


Ein Doppel-Lastbehälter, schwer auf beiden Seiten,

Getaucht in Purpur, Gold, durchflutet von Geleiten,

Von Myrrhe duftend, Zimt, und reichem Weizenschein,

Mit Roggen, Geist und Demut, Stolz und Eisenkraut gemein.


So füllten unsre Väter dir den weiten Raum,

Seit tausend Jahren schon trägt dich der Zeiten Traum.

Kein Ruder stemmt so mühsam Last aus alter Zeit,

Kein Bauwerk hält so tief verborgne Herrlichkeit.


Doch fühlen wir Bedauern, schwer und ungelegen,

Wenn Ehrfurcht uns erreicht, wenn Flammen sich erregen,

Dann nimmt der Herrscher’s hin als Beutel voller Flehn.


Und wach erweckt er dann das Schiff mit hohem Banner,

Es segelt stolz dahin, geführt von Severus’ Planer,

Voll Last am Frauenfuß – und doch so schön zu sehn.





PARIS, DIE DOPPELGALERIE



Vom „Point du Jour“ her rauscht der Zedern dunkler Hain,

Die Galeere ruht im Markt von Glanz umflossen,

Die Festung trauert stumm in Diensten unverdrossen,

Verhüllt von Kummer, öffentlich und doch allein.


Achtzig Monarchen fielen, drei Republiken schrein,

Napoleon, Cäsar, Fürst der Russen unverdrossen,

Sie wägten Chancen ab, von Vätern einst genossen,

Am Ruder treu gebückt im wechselvollen Sein.


Wir folgten ihnen nach auf gleicher Eichenbank,

Opferten Nieren, Herz, den Hals dem Joch der Kette,

Gebrochen, blutend, wund, im eisern’ Zwang gefang.


Genietet an das Ruder dulden wir die Wette,

Sträflinge beider Seine-Ufer, Gram und Zank –

Und die Galeere ruht zu Füßen unsrer Stätte.




PARIS UND DIE KRIEGSSCHIFFE



Das Doppel-Schiff, es gleitet stolz entlang der Mauer,

Die Hafenstadt erstrahlt in hundertfachem Licht.

Die Eisenkraft, gewaltig, fest und ohne Gicht,

Verschließt das Rätsel tief im donnernden Gebrauer.


In Liedern priesen einst die Väter seine Dauer,

Sie blühten auf im Tod, ihr Blut ein edles Gicht.

Wenn Bug und Heck zugleich das Schlachtgetöse ficht,

Begrenzt von schwarzer Mündungsfeuer finstrer Schauer.


Doch wir, wir folgen dir, du Riese voller Narben,

Mit ernstem Herz, in dem ein lodernd Feuer brennt,

Mit Neugier, die sich nach den weiten Meeren sehnt.


Soldaten sind wir doch, aus alten Heldenscharen,

Die treu dem Banner dienen, das die Winde kennt,

Wo grüne Ungetüme vor der Kirche starren.




PRÄSENTATION DER BEAUCE VOR NOTRE DAME DE CHARTRES



Stern der See, hier liegt das schwere, dunkle Meer,

Die Wogen rollen tief, der Weizen wächst so schwer,

Der Schaum erhebt sich weiß, die Speicher füllen sich,

Und über allem lastet dieses Joch auf dich.


Hier klingt auf dieser Flur dein Wort so laut und rein,

Die Freunde fern von uns, die Herzen sind allein,

Hier stehn wir mit der Faust, nur diese blieb zurück,

Die Kraft in uns ist voll, doch fehlt uns manches Glück.


Morgenstern, du Königin, so hoch und weit,

Wir kommen, denn es naht die Zeit der Ewigkeit,

Hier stehen wir mit jenen, die in Armut gehn,

Und in den Fluten treibt der Kummer wild und schön.


Ein Schluchzen schleicht umher, zieht übern Horizont,

Nur Dächer fern am Rand, ein Inselreich davon,

Der alte Turm zerfällt, als folgte er dem Ruf,

Die Kirche, breit und schwer, duckt sich vor ihrem Schuft.


Und so, von dir gerufen, segeln wir dahin,

Hier treiben Räder fort, in weitem Kreis und Sinn,

So rund wie hohe Türm, so stolz, so opulent,

Wie Burgen auf dem Schiff, das uns sein Schicksal nennt.


Zweitausend Jahre Werk erschufen dieses Land,

Ein Tank, der ewig neu, dem künftgen Alter stand,

Tausend Jahre Gnade floß aus heilgem Quell,

Doch Ruh allein der Seel sei ihre letzte Stell.


Du siehst uns auf dem Weg, er staubt und sticht im Zahn,

Der Wind durchstreift das Feld, er reißt uns an den Kahn,

Die Straße ist so schmal, die uns zum Tore führt,

Und alle Winde weh’n, doch keiner uns berührt.


Wir schreiten ohne Hast, mit leeren Händen bloß,

Kein Wort, kein Bild, kein Dreck, kein Eile, kein Verstoß,

Und stets in Gleichgewicht, in rastlosem Verein,

Die Erde treibt uns fort, wir treiben mit hinein.


Wir schreiten fort, wir sind der Erde Fußvolk nun,

Ein Schritt folgt jedem Schritt, wir können nichts mehr tun,

Doch zwanzig Könige und zwanzig Jahrhunderte

Sind nichts als Staub und Luft in unserm wandernden Bett.


Und ihre Hüte trug die Feder stolz und schwer,

Die Diener folgten blind, als ob’s ein Wissen wär,

Doch wisse, wie es ist, zu wandern ohne Ruh,

Den letzten Schritt zu tun, den keiner tun wollt‘ du.


Geboren wurden wir an Loires hellem Strand,

Wo Sand und Ruhm sich mischt, umsäumt von weichem Rand,

Der Strom, der golden fließt, erhebt sich sanft und sacht,

Und küsst den Mantel dein in Majestät und Pracht.


Wir sind am Ufer groß geworden, fern und tief,

In Orleans, das alt, das fest in Steinen schlief,

Die Loire flutet breit, doch trübe, schwer und müd,

Umspült den Hügel still, den niemand je entflieht.


Geboren sind wir dort, wo Beauce die Platte streckt,

Wir kannten Hof und Feld, das Pflügen und das Heckt,

Das Dorf, das eng umschließt, den Spaten und die Gruft,

Die Stadt, die einsam ruft, das Tor, das offen ruft.


Geboren sind wir dort, und seit der Jugendzeit

Bereuten wir, zu sehn, wie tief die Schwermut schreit,

Der Himmel brennt in Rot, der Abend fällt so sacht,

Und birgt in dunklem Blau, was uns verzweifelt macht.


Hier setzt sich fest das Recht, es weicht und wankt doch nicht,

So hart wie Gleichgewicht, so streng wie ein Gericht,

Es öffnet eine Bahn, gebaut aus sturmem Stein,

Geschlossen, doch zugleich will’s einladend stets sein.


Ein Mann von dort, wo fruchtbar ist des Ackers Grund,

Er weiß, dass nichts vergeht, was je in Erde stund,

Ein Hafen, eine Hand, ein Pfeil, der ewig fliegt,

Dein Stern, der uns regiert, wohin die Reise liegt.


Die Pilger ziehn herauf, David, nun bist du dran,

Dies ist das schlimmste Ohr, das je vernehmen kann,

Doch ob der Himmel spricht mit Ruhm und Majestät,

Es bleibt das Juwel in deiner Krone spät.


Ein Mann hat hier gewollt, dass man ihn nicht vergisst,

Vom Staub bis zu dem Kreuz, das hoch gen Himmel ist,

Er stand noch über Heiligkeit und Königsstand,

Der Pfeil, den niemand bricht, war fester als Verstand.


Dies ist der Weizen, der niemals kann vergehn,

Nicht in Septemberglut, nicht in Dezemberwehn,

Er bleibt, er keimt, er lebt, er stirbt doch nimmermehr,

Er ist dein Knecht, dein Wort, dein Zeugnis stark und hehr.


Der Stamm, das Korn, das sich in Sommerhitze wehrt,

Das nichts vom Schimmel weiß, den Winter weich verzehrt,

Es kennt das Transitland, das jenen Tod verheißt,

Doch wo der Morgen lebt, da bleibt es unversehrt.


Der Stein, der makellos in Ewigkeit hier ruht,

Das höchste Wort, das je ein Mensch gesprochen tut,

Die klare Ratio, die keinen Zweifel kennt,

Und das Gebet, das sich zum Himmel aufwärts rennt.


Es war nicht dieser Tag, als alle Toten starb’n,

Es blieb ein einzig Licht, ein einz’ges, das erwarb,

Ein Bild, das ewig lebt, das sich nicht ändern kann,

Die Zeit, die niemals geht, die niemals stürzen kann.


Wir kommen her zu dir aus fernem Paris heut,

Verließen unser Werk, die Sorgen und das Leid,

Die Semantik, den Bau, das Wissen und den Plan,

Die Kinder, arm und schlank, die Häuser, grau und lahm.


Und andre werden gehn aus weitem Beauvais Land,

Drei Tage Weg und Not in fremdem, rauem Sand,

Und andre kommen her aus Cambresis und weit,

Ihr Ruf erhebt sich hoch durch die Unendlichkeit.


Wir kommen her zu dir aus fernem Pariser Grund,

Hier schufen wir Gesetze, und unser Wort war bunt,

Doch all die Zeit verrann in Laternen flackernd Licht,

Die Freiheit ward uns Gold, und Gold ward uns zur Pflicht.


Wir kommen her zu dir von Notre Dames Gestalt,

Wo in dem Herzen lebt die Stadt, so stolz, so alt,

Sie trägt ihr königlich Gewand aus fester Hand,

Und ihre Seele ruht in unerschütternd Stand.


Wie du bestellst ein Meer aus Ähren weit und breit,

Dort um ein Meer von Köpfen, Saat der Traurigkeit.

Die Ernte reift heran, der Dank ergeht bei Nacht,

Wenn über deiner Schwelle still der Abend wacht.


Wir kommen her zu dir vom edlen Hurepoix,

Das ist ein erster Gruß aus guter, alter Treu.

Die Höfe, wohl geordnet, rings in Reih' gestellt,

Doch oft von Holz verhüllt, das über Felder fällt.


Viel öfter noch durch Täler, sanft und tief geschwung‘n,

Wo Yves und Bievre fließt, aus Quellen kühn entsprung‘n,

Wo Forscher sich ergehn, in Wissenschaft vertieft,

Und herrlich Schlösser stehn, umrankt von Pracht und Gift.


Von edlem Vermandois wird man zu dir noch zieh‘n,

Wo Täler von Birken und Weiden schattig blüh‘n.

Von Burgen, Kerkern her, von Picard’s grünen Auen,

Von Vendôms weichem Land, das stets dem Blick gefallen.


Doch immer bleibt’s Paris, ob größer oder klein,

Das Land des guten Weins, der Ähren goldnem Schein,

Die Heimat stolzer Trauben, von Feldern reich umschloss‘n,

Des Ginsters, Moors und Heid‘, in endloser Genoss‘n.


Wir kamen her von weit, aus fernen Palaiseau,

Von Orsay’s Vorstadtstraßen durch Gometz-le-Château.

Saint Clair, ist’s nicht ein Schloss? Wohl nur ein Dörflein klein,

Versteckt an einer Straß‘, in einem stillen Hain.


Wir stiegen stetig auf, dem Berg entgegen ganz,

Auf gleicher Höh‘ mit Gometz, am Rand des weiten Lands.

Saint Clair, ist’s eine Stadt? Ein Dorf auf hohem Plan,

Das, wer vorüberzieht, gar leicht verkennen kann.


Wir gingen durch Limours, entlang des Waldes Saum,

Wir trafen Gendarmen, von Ehrfurcht fast ein Traum.

Sie musterten uns streng mit einem wachsamen Blick,

Die Posten an den Wegen, sie wichen nie zurück.


In Dourdan ruhten wir, die Stadt bot sich uns dar,

Ein alter, reicher Fleck, gepriesen immerdar.

Stolz schritten wir entlang, als sei’n wir selbst ein Prinz,

Die Mauern hoch und stark, als wäre’n sie ein Kranz.


Ein Freund nahm uns hinein, gastfrei war sein Gemüt,

Wir ruhten in dem Bett, das sonst sein Sohn behüt‘.

Zwanzig Jahre zogen vorbei wie eine Nacht,

Und Mutterhände gaben uns Brot mit milder Macht.


Wir sprachen feierlich, mit Ehrfurcht und mit Acht,

Euer Gnaden genannt, von Zeit und Ruhm bedacht.

Vierhundert Jahr und mehr, das Haus in Treu bestand,

Die Laken weiß und rein, aus Stoff, den niemand fand.


Als Pilger traten wir die weite Reise an,

Durch hundert Vogteien, auf Wegen unbekannt.

Wir trugen unser Leben als leichter Wandersmann,

Und ließen, wo wir schritten, nur stille Spuren dann.


Die Lampe flackerte, ihr Licht im Wasser sprang,

Im Garten saßen wir, wo Schatten sanft verlang.

Er blickte über’s Gitter, der Obstgarten war still,

Das erste Zimmer dort, von Frieden war es voll.


Der Garten lag versteckt im Bogen reifer Saat,

Rechts säumte eine Hecke die steinige Wand parat.

Mit Zweigen fein geschmückt und einem sanften Tor,

Ein Bild, das fest sich einprägt, ein Erbe von zuvor.


Bei Morgengrauen auf, wir trennten uns sodann,

Ein Abschied, wohl bedacht, den niemand je verbann.

Der Himmel klar und blau, der Tag versprach nur Glück,

Und doch, was noch geschah, erzählt die Zeit zurück.


Wir stärkten uns mit Fleisch, das köstlich uns erschien,

Ein Pilger isst mit Maß, doch soll er trinken kühn.

Er hält sich stets bereit, am Tische seinen Platz,

Und muss nicht rechnen nach, er lebt aus vollem Schatz.


Der Tag begann, die Sonn‘ stieg hoch zum Firmament,

Wir schritten stetig fort, ein Weg, der uns erkennt.

Saint Mesmer lag vor uns, wir gingen rasch hindurch,

Wie zwei Apostel stark, auf Gottes heil’ger Spur.


Vorbei an Longroy’s Burg, das Ziel war fast erreicht,

Die Wege ebneten sich, die Welt erschien so leicht.

Doch hier, wo alles schlicht, verbirgt sich manches schwer,

Ein offenes Geheimnis, das schrecklich wog so sehr.


Hier ist es nun, der Kranz, das Bündel, das uns flicht,

Die Mühle, die uns mahlt, das Korn, das nie zerbricht.

Der Hagel tobt, das Feuer bleicht, wir opfern still,

Und über allem wacht der Horizont, der will.


Vor Gott stehn wir nun da, in Demut tief versenkt,

Kein Ort verbirgt uns mehr, kein Mantel, der uns lenkt.

Kein Raum und keine Zeit, kein List, kein Klagen mehr,

Nur deines Blickes Glanz, so heilig und so schwer.


Du Königin der Macht, von Majestät erfüllt,

Wir wagen kaum, vor dir zu geh’n, so arg gezielt.

Doch schreiten wir einher mit jenem alten Chor,

Der ewig wandelt fort, in ewig gleichem Tor.


Hier ist der Richtertisch, wo das Gesetz besteht,

Kein Zweifel, keine List, kein Wort, das untergeht.

Hier ist das Maß erfüllt, kein Platz für List und Spiel,

Es bleibt nur der Befehl, am Ende unser Ziel.


Doch fern am Horizont, in sanftem Licht getaucht,

Schwebt etwas, das uns ruft, in seltsam milder Pracht.

Kein Baum, kein Turm es ist, kein Schloss, das hier erwacht,

Ein ferner letzter Hof, ein Pfeil in dunkler Nacht.


Hier endet unser Gang, das Ziel ist fest bestimmt,

Die Straße führt nicht fort, der letzte Schritt verschwimmt.

Nun ruhen wir in dir, in Frieden unverstellt,

Im Schatten jener Mauern, dem Gasthaus dieser Welt.


Wir werden müd' einst sein, wenn wir uns freuen sehr,

Sitzend am Fenster still, von Mühen kraftlos schwer.

Der Körper ist zerstört, das Wesen ausgehaucht,

Die Augen müde fast, ihr Blick wie Nebel raucht.


Die Stirn in Falten tief, die Brauen hochgezogen,

Ein Winkel, der sich fand, vom Licht kaum noch betrogen.

Wir steigen nur hinauf und sinken in die Tiefe,

Sind Rekruten zugleich, in stummer Augenriefe.


Hier ist die Achse fest, hier steht die große Blume,

Hier ist die harte Bahn, hier wächst des Seins Resüme.

Hier herrscht die Einigkeit, hier herrscht die wahre Macht,

Und Tränen schwer und tief, o Königin der Nacht!


Hier ist die Nacktheit rein, der Rest ist bloße Hülle.

Hier ist das Kleid allein, sonst nichts als leere Fülle.

Hier ist die Reinheit klar, der Rest ist bloßer Schmutz.

Hier ist die Armut echt, der Rest ist Tand und Trutz.


Dies ist die Kraft allein, der Rest ist schwach und morsch.

Dies ist die klare Kante, der Rest nur krumm und forsch.

Dies ist der wahre Adel, der Rest ist leerer Tand.

Dies ist die wahre Größe, der Rest vergeht im Sand.


Dies ist der Glaube rein, der nicht durch Meineid bricht.

Dies sind die Einzigen, die weichen niemals nicht.

Dies ist der eine Punkt, den zu erkennen lohnt,

Hier sind die Worte nur, die ewig unzerstört.


Hier ist das Denkmal hoch, der Rest ist bloßer Tand.

Hier ist die Liebe tief, das wahre Unterpfand.

Hier unser Haupt geneigt, in Frieden unverloren,

Hier keine Schärfe mehr, kein Wort ist je erfroren.


Hier ist der Eid noch rein, der Rest ist falscher Schwur.

Hier liegt die Maut bereit für unsre letzte Spur.

Der Lohn ist ausgezahlt, die Grenzen sind gesichert.

Hier lebt die Wahrheit fort, der Rest wird nur vernichtet.


Hier ist der Himmel weit, der Rest vergeht in Staub,

Und vor Gericht besteht, was wahre Worte taub.

Hier in den Himmeln hoch vollendet sich das Sein,

Hier ruht das letzte Blatt, die Rippe schmal und klein.


Wir sind vernagelt hier auf diesem alten Stuhl,

Und lauschen nicht dem Lärm, dem Tosen, voller Schwul.

Die Stimmen dringen nicht, das Treiben bleibt uns fern,

Die kind'sche Ausgelass'neit, verloren, ohne Stern.


Nicht Träger eilen hin zum Markt am lichten Tag,

Nicht falsche Wut und Glanz, den man vereid'gen mag.

Wir schauen nur und sinn'n, und schweigend, tief versunken,

Von Pfeilen rein umarmt, vom Schicksal nicht betrunken.


Wir fühlen keinen Schmerz, kein Stechen unsrer Glieder,

Kein Hunger, Durst, kein Leid, kein Knie, das zittert nieder.

Nicht Opfer quält uns hier, nicht Starre unsre Haut,

Nicht unser letzter Gang, nicht unser Herz, das taut.


Verloren liegt der Raum in einem alten Haus,

Wir sinken nicht hinab zur Mittagsstunde aus.

Wir hören nichts, wir sehn nicht mehr die Stadt am Fuß,

Der Altar hoch erhöht, der letzte alte Gruß.


Und wenn die Sonne strahlt und wenn der Morgen lacht,

Dann wachen wir erneut, von Lust zum Licht gebracht.

Im Schatten jenes Doms, der uns das Leben wiegt,

Glücklich und doch gehemmt, von Schicksal tief bekriegt.


Wir treten still heran, um für den Jungen nun

Ein schlichtes Wort zu flehn, den Tod in Staub zu tun.

Er starb wie ein Narr, in diesem dunklen Jahr,

Fast dieser Tage noch, da Jesus' Geburt war.


O Jungfrau, blicke mild, er war nicht schlimm und böse,

Er trug nur einen Riss, in seiner jungen Blöße.

Doch kam der Tod zu ihm, wir folgten seiner Spur,

Er trat durch jenes Loch, ein Tor zur kalten Flur.


Geboren war er dort, wo wir den Weg betraten,

Sein Leben nahm den Lauf, als wir die Straß' durchschraten.

Er verdient jeden Tag, den wir im Licht verlieren,

Doch er war das, was du gewollt hast zu regieren.


O Tod, besiegt bereits in eines Grabes Hallen,

Er folgte unsern Spuren, doch sah die Schatten fallen.

Ein leises Zucken nur, ein Herzschlag voller Bangen,

Er ließ den Tod hinein, den wir so lang umfangen.


Hier nun in deinem Reich, o Jungfrau, sieh ihn an,

Du bist die Königin, die ihn empfangen kann.

Er war ein reiner Geist, in deiner Hut geborgen,

Nimm ihn in deinen Schoß, er ist nicht zu verborgen.


Du, die du Herzen kennst und alle Lasten trägst,

Du weißt, was Leben ist und was die Seele prägt.

Du siehst, was Schicksal spinnt, du löst der Sorgen Band,

Du lenkst mit sanfter Hand das Tor ins bessre Land.


So bitte nun für uns, in Stunden, die noch bleiben,

Wir sind die größten Toren, in Schwäche stets zu treiben.

Vielleicht nicht rein genug, nicht sicher noch am Ziel,

Doch, Jungfrau, denk an uns, wenn einst der Vorhang fiel.


Wenn wir die Masken warf'n, die Klingen abgelegt,

Wenn unser letzter Gang zum stillen Ende trägt,

Dann sieh uns gnädig an, dann sieh auf uns herab,

Dann denk an unsern Weg und unser dunkles Grab.


Wenn wir zurück in kalte Erde sinken ein,

So war es Adams erstem Los bereits gemein.

O Königin von Saint-Cheron, von Arnoulds Ruhm,

Bedenke, einsam ist des Menschen letzter Boom.


Wenn wir uns legen in des Grabes schmalen Grund,

Und letzte Messe, Absolution naht zur Stund’,

Gedenke du, o Königin der ew’gen Zeit,

Des langen Wegs durch Beauces karge Einsamkeit.


Wenn wir nur noch aus dürft’ger Tüte speisen bloß,

Das Seil uns drückt, der letzte Schauer geht erbost,

Wenn wir das Letzte uns vom Leibe schaben sacht,

Erbarme dich, o Herrin, unser in der Nacht.


Wir flehn um nichts, nur um den letzten stillen Ort,

Im Fegefeuer nah bei dir, dem heil’gen Hort,

Damit wir trauern dürfen um das dunkle Los,

Und dich bewundern, strahlend, aus der Ferne groß!





GEBETE IN DER KATHEDRALE VON CHARTRES


DAS GEBET DES WOHNSITZES


O Königin! Nun steh ich hier nach langem Gang,

Der Rückweg ist noch fern, der Pfad so schmal und lang.

Hier ist die letzte Zuflucht, offen für die Hand,

Die Gärten, wo sich Seelen fügen ohne Band.


Hier stehn die festen Pfeiler, Bögen streben auf,

Vergessen sind die Zeiten, gestern, morgen, Lauf.

Vergessen ist das Rechnen, Eitelkeit entflieht,

Und Weisheit, mehr als Sünde, lenkt nun unser Lied.


Hier ist der Teil der Erde, wo sich alles schlicht,

Wo Abschied und Verfall nicht scheiden von der Pflicht.

Wo jede Trennung leise sich im Nichts verliert,

Die Ecke dieser Welt, wo alles sich regiert.


Hier ist das alte Herz, das einst in Aufruhr stand,

Hier ist der alte Kopf, die Rede wohlbekannt.

Hier sind die steifen Arme, starr von harter Pflicht,

Hier ist das junge Kind, von Schönheit hell umlicht.


Hier ist der Teil der Erde, wo man alles kennt,

Wo Tränenquellen fließen, die kein Wind verweht.

Hier sind die Müden stumm, verarmt von ihrem Stand,

Die Ecke dieser Welt, wo alles wohlbekannt.


Hier ist der Ort der Erde, wo sich alles fügt,

Nach Reisen voller Schmerzen, die das Herz betrübt.

Hier ist der Teil der Erde, wo nichts mehr besteht,

Nach aller Last, die uns der harte Weg beschert.


Hier ist der Raum der Erde, wo das Alter ruht,

Wo Rückkehr sich vereint mit erster Lebensglut.

Hier fällt das Laub der Zeit, doch Frucht wächst neu daraus,

Die Zweige sammeln sich zum festlichen Applaus.


Hier ist der Ort der Stille, wo das Schweigen wächst,

Wo Schatten alles dämpfen, Lust und Angst verhext.

Hier ist der Anfang dessen, was kein Ende sieht,

Hier, wo die Seele lebt, wenn sie sich selbst verließ.


Hier ist der Punkt, wo alle Weltversuchung schwindet,

Wo sie beginnt, sich neu zu kehren und verschwindet.

Denn was hier lohnet, ist Verzicht auf eigne Kraft,

Und Blindheit in dem Raum, den Ewigkeit erschafft.


Hier ist der Bittsteller, hier steht er allein,

Und was ihm bleibt, ist nichts als schlichte Ruh zu sein.

Was sich von selbst enthüllt, ist endlos ohne Macht,

Doch hier ist Großes da, das ewig sich entfacht.


Hier ist kein Aufstand mehr, hier gibt es kein Verlangen,

Hier wird der Wille schwach, kein Aufbegehren bangen.

Hier wird das Licht verlöscht, doch Dunkel bleibt nicht fort,

Denn alles ist ein Gruß, ein ew'ger Wiederort.


Woanders herrscht das Jagen, hier ist nur Verzicht,

Woanders ist Bewegung, hier die feste Sicht.

Was anderswo ein Haufen, hier ist es gezähmt,

Woanders ist Begehr, hier wird es sanft erlähmt.


Woanders ist der Streit, hier fällt er tief ins Nichts,

Hier ist der Fall des Starken, hier die Kraft des Lichts.

Was anderswo ersehnt, hier ist es schon vergehn,

Woanders blüht Gewalt, hier wird sie nicht bestehn.


Woanders tobt ein Krieg, hier ruht die sanfte Zeit,

Woanders stürmt der Feind, hier ist das Herz befreit.

Was anderswo zerbricht, hier fügt es sich erneut,

Woanders fällt ein Wort, hier ist das Wort gebeugt.


Woanders herrscht die Last, hier ist es sanft und rein,

Woanders zwingt das Leben, hier lässt es uns allein.

Woanders sucht man Glück, hier ruht es sanft und mild,

Woanders wächst die Angst, hier wird sie sanft gestillt.


Woanders ist das Herz verkauft an Lust und Macht,

Hier ist es still und fromm, bewahrt in dunkler Nacht.

Woanders ist das Los geprägt von Zank und Gier,

Hier ist es nur Gebet, die Seele ganz in ihr.


Wir wuschen uns von all dem Gram der Zeiten,

O Stern der See, du Licht der Dunkelheiten.

Wir wuschen uns mit deinem sanften Strahl,

O Stern des Schiffs, du Hort im Sturm, o Mahl!


Wir wuschen unser Herz von alter Last,

Vom Fluch der Welt, der uns verloren hast.

Hier stehn wir nun, o Königin der Zeit,

Leichter als Wasser, rein und unbefreit.


Wir haben fern der Heimat uns verirrt,

Doch keinen Trost mehr in der Erde spürt.

O Königin der Engel, führ' uns fort,

Zurück ins erste Dorf, zum ersten Ort.


Wir suchten Worte, doch sie schwanden still,

Wir fanden nichts, was unser Herz mehr will.

Wir haben keinen Tempel, nur dein Heil,

Kein Wissen mehr, nur dich als unser Teil.


Wir brachen auf und schifften uns hinweg,

Kein Anker hielt uns, nur das letzte Glück.

Wir kehren heim, die Zeit ist nun vergangen,

O Leitstern, führ uns heim mit sanftem Bangen.


Wo andernorts ist Krieg, ist hier schon Kapitulieren,

Wo Aufruhr tobt, sind Schönheit, Ohren, die regieren.


Wo sonst marschiert das Heer durch Stau und lange Züge,

Da herrschen Anstand, Ruhm, des Namens reine Flüge.


Wo andernorts ein Sturz, ist hier ein sanftes Biegen,

Ein stiller Winkel, fern von jähem Unterliegen.


Wo Tiefe klafft, ist hier Gehorsam schlecht befolgt,

Wo große Räte tagen, wird ein Ohr gewogt.


Wo andernorts man coacht, ist Ruhestatt gegeben,

Hier schweigt das Licht des Tags, das Früh und Abend leben.


Der Morgen nimmt sich mit, was einst der Zeiten war,

Die Nacht gehört dem Tod, der ewig währt und klar.


Der Tag erscheint erhöht, ein feierliches Streben,

Der Sohn gereift zum Mann, durch Stürme und durch Leben.


Das Alter kehrt zurück in seines Ursprungs Pfade,

Der Sohn bewahrt das Erbe, Kraft und Liebestat.


Hier wird das Dasein schlicht, ein Kinderspiel gemacht,

Selbst Greis und Bart umspielt des Windes leise Macht.


Ein jeder wird hier neu, ein Schüler in den Jahren,

Die alten Lampen leuchten, künden von den Waren.


Nur hier wird alles eins, wird Helfer und Genosse,

Hier schmiegt sich selbst das Tor, das einst der Teufel schloss.


Der Reichsapfel, er kreist in kluger Wissenschaft,

Und Wasser trägt zur Mühle, spendet sanfte Kraft.


Wo andernorts die Träne, blüht hier des Frühlings Glanz,

Wo andernorts Entlassung, herrscht ein Sonnenkranz.


Wo andern Pflug zu schwer, da sprießt hier Saat und Segen,

Wo andern Altern droht, ist Alter still erlegen.


Wo andernorts der Kampf, ist hier der Halt geboren,

Wo andern Müdigkeit, wird süßer Fleiß erkoren.


Die Regel andernorts ist Druck und Stress und Pflicht,

Hier wird verzichtet, ja, Erlösung zeigt ihr Licht.


Wo andernorts die Strafe, ist hier die Rebellion,

Wo andernorts ein Zwang, ist Glück und Tradition.


Das Glück ist hier gebaut, wo andernorts Befehle,

Wo andern Einsparung, ist hier ein ernstes Fehlen.


Wo andern Krümmung ist, da blüht ein fromm Gebet,

Wo andern Lasten drücken, trägt Gold das sanfte Beet.


Was andernorts Gewalt, ist hier ein schlichtes Sein,

Was andern Rinde ist, hier Saft und reiner Wein.


Wo andern Orts der Umbruch, trifft hier des Glückes Stunde,

Wo andern Mangel wütet, herrscht hier des Segens Kunde.


Wo andern sich verteidigt, ist hier der stille Frieden,

Wo andernorts Vergessen, wird hier Verbanntes wieder.


Was andern Pfand, ist hier ein Ehrenwort und Schwur,

Was andern Burg und Festung, öffnet hier die Tür.


Wo andernorts Gehorsam, schmückt hier ein Kranz die Ernte,

Wo andern Wachsamkeit, ist Heu und sanfte Wärme.


Was andern Treibhaus ist, wächst hier in freier Erde,

Wo andern Elend wohnt, wird hier ein Schritt zum Werte.


Was andern Schwert und Schlag, ist hier ein sanftes Walten,

Wo andern sich verhärtet, bleibt hier das Ruhen Alten.


Was andern flüchtig scheint, wird hier zur stillen Ruh,

Was andern rastlos jagt, wird hier ein stilles Du.


Was andern Kraftakt bleibt, ist hier ein leichtes Streben,

Was andern Mühsal bringt, trägt hier den süßen Segen.


Wo andernorts die Last, wird hier der Bund erneuert,

Wo andern sich verzehrt, wird hier das Sein gefeiert.


Wo andern Sparsamkeit, ist hier ein freier Fluss,

Wo andern Wucher wütet, wird hier gelöst der Schluss.


Was andern ist Kontrolle, gibt hier sich sanft und leise,

Wo andern Qual, da ruht man hier auf sanfter Reise.


Was andern Groll und Streit, ist hier ein Fluss der Klarheit,

Wo andern Kampf, hier fließt das Wasser still in Wahrheit.


O Königin, hier schwebt die Seele hoch hinan,

Ein junger Kämpfer eilt, ein Streiter himmelan.


Wo andern klettert auf die Straßen müder Glanz,

O Königin, dein Hof strahlt weit in hellem Tanz.


O Morgenstern, du Licht des allerletzten Tags,

Wo andern Tische deckt, dort führst du neue Fracht.


Wo andern Pfade laufen, steht hier ein fester Bau,

Im stillen Tempel ruht, was ewig bleiben tau.


Und selbst im Angesicht des Todes leuchtet Leben,

Hier wird, was andern raubt, zu ewigem Vergeben.





BITTE FRAGT SIE


Wir fordern nicht, dass stets das Korn zur Mühle geht,

Doch jedes Ohr die Stimme tief im Herzen hört.

Wir fordern nicht, dass eine Seele ewig steht,

Und ruht in Blumen, friedlich, ungestört.


Wir fordern nicht, dass Trauben stets zu Wein gepresst,

Nie auf den Giebeln wild empor sich rankend ziehn,

Die junge Biene, die den Morgentau verlässt,

Verlangt nicht, dass die Höhl' ihr bleibt zum Rastplatz grün.


Wir fordern nicht, dass eine Rose stets erblüht,

Dass mit der Blüte stets ihr reifer Duft vergeht,

Wir fordern nicht, dass eine Quelle ewig sprüht,

Und dass ihr Wasser stets in frischer Reinheit steht.


Wir fordern nicht, dass eine Seite nie verweht,

Dass Worte ewig unvergänglich niedergeschrieben,

Und dass ein Satz, der einst in Wiens Gassen steht,

Für immer bleibt in eines Volkes tiefstem Lieben.


Wir fordern nicht, dass krumme Stäbe grad' sich ziehn,

Dass in Naturens Buch die Zeit sie neu belebt,

Dass schwere Wurzeln, jungem Triebe dienend grün,

Die Rinde spalten, doch ihr niemals nachgegeben.


Wir fordern nicht, dass ein zerbroch'ner Ast erblüht,

Dass Gnade niederschreibt ein Buch von grünen Blättern,

Und nicht, dass Stürme, die ein junger Frühling sieht,

Den Baum nicht treffen, wenn die Blitze furchtbar wettern.


Wir fordern nicht, dass kahle Zweige stets gedeihn,

Und sich mit frischem Laub zum jungen Licht bekennen,

Dass schwere Säfte ihren Weg zu Gipfeln weihn,

Und Zeiten, die noch unberührt vom Alter brennen.


Wir fordern nicht, dass jede Welle ruhig bleibt,

Und dass ein Meister stets das klare Bild erschafft,

Ein Knecht, vom Unglück tief gebeugt, der Elend schreibt,

Nie aus dem schweren Joch sich selbst zum Lichte rafft.


Wir fordern nicht, dass uns ein Tisch in reichem Glanz,

Im August dieses Jahres noch zum Mahle dient,

Wir fordern nicht, dass dort in heil’ger Eleganz

Ein Priester betet, und der Richter nicht versöhnt.


Wir fragen nicht, ob eine Seele sich verirrt,

Ob sie den Pfad des Glückes jemals wieder sieht,

O Königin, die Ehr' sei unser höchster Schild,

Doch Mitleid soll uns nicht in fremde Hände ziehn.


Wir gaben nie dem Pfad des süßen Glücks Geleit,

Und keine Liebe wurde je durch uns gekauft,

Wir gaben Treue, gaben ihr Beständigkeit,

Und hielten fest, was uns kein falscher Blick geraubt.


Herrscherin des Meeres, trägst du Stolz in dir,

Regierst die Häfen, trägst den Ruhm mit starken Händen,

Wir fordern nichts in diesem Wandel hier von dir,

Nur Treue, fester als der Tod – in allen Enden!




BITTE UM VERTRAUEN


Wir fordern nicht, dass dieses schöne Blatt allein

Schon strahlend glänzt im hohen Kabinettenschein.


Wir fordern nicht, dass eine Falte, tief versteckt,

Sich jemals aus des schweren Joches Griff bedeckt.


O Herrin du der Kunst, der klugen Harmonie,

O Spiegel, der Gerechtigkeit stets wohl gedieh,


Du weißt es wohl, o große Notre Dame, so rein,

Was wahres Sinnen ist und stilles Warten sein.


Du Herrin aller Bahn, des Pfads, der wiederkehrt,

O Tempel du der Weisheit, die das Recht verehrt,


Du kennst allein, o Vorsicht, tief und eisenschwer,

Was Recht bedeutet, was das Schwanken umso mehr.


Als es die Stunde war, an Kreuzung still zu ruhn,

Da wählten wir mit Reue, doch wir mussten tun.


Als es die Stunde war, wo Doppelzauber webt,

Da schauten wir zum Schlüssel, wo der Bogen lebt.


Du musst nur wissen, Herrin tiefster Dunkelheit,

Ein Weg führt stets empor, der andre ins Geleit.


Du weißt es wohl, wir wählten nicht nach Lust und Drang,

Wie einer Zeder wächst, ein Kästchen schmal und bang.


Und nicht, weil unser Wille schwach und ungeklärt,

Und nicht aus Pflicht, weil uns die Wahl nicht recht beschert,


Doch mit dem Zirkel fest und zitternd in der Hand,

Denn Elend führt uns stets zurück ins eigne Land.


Und ach, er trieb uns fort ins Rad der tiefsten Not,

Die härter schneidet noch als Angst und Hungers Brot.


Wir lernten, taub zu sein, wo Schmerz und Wahnsinn spricht,

Wir nahmen Leid und Last und trugen es als Pflicht.


Für dieses alte Spiel, das einst uns Trost versprach,

Für jene Kraft, die Glück und Hoffnung niederbrach,


O Regina, lass uns nur die Ehre sein,

Die letzte Liebe halt allein in ihrem Schein.




BITTE MELDEN


Wir herrschten einst in Reichen, so weit und voller Pracht,

O Königin der Könige, die über alles wacht.

Wir ruhten einst im Stroh, auf Stoppeln hart gebettet,

Du Krone der Verstoßnen, der Armen, die gekettet.


Uns fesselt nicht der Glanz von Butlern und von Prunk,

O Königin des Wandels, der Umkehr und des Schwungs.

Wir schätzen nicht die Macht, die Turbulenzen bringt,

O Königin der Giebel, wo Hochmut sich verschlingt.


Wir führten heiße Kriege mit brennender Gewalt

Vor Gott, dem Herrn der Heere, dem alles unterfällt.

Wir nahmen fremde Lande, wir herrschten stolz und weit,

Wir rangen nach dem Ruhme, nach Glanz und Herrlichkeit.


Doch fanden wir nicht Trost in Armut oder Pein,

O Königin des Friedens, der Waffenferne sein.

Wir kannten nicht den Schmerz, der Tränenhandel schuf,

O Königin des Leides, der Sieben, deren Ruf.


Wir wogen große Reiche, Provinzen voller Macht,

O Königin der Richter, der Ordnung und der Wacht.

Wir sahen viele Fürsten, Laternen hell erstrahlt,

O Königin der Künste, die jede Gabe malt.


Doch liebten wir nicht viel die Bürden der Behörden,

Nicht für das Amt, den Thron, das Rechnen und das Börden.

Wir fanden nicht Gefallen an Tafeln und an Bord,

Wir atmeten vielmehr in unsrer Heimat fort.


Wir hatten hohe Gaben, die auf uns niederkamen,

O Schlüssel unsrer Ehre, die ewig soll erahnen.

Wir zogen voller Groll durch niedere Gestade,

O Königin der Wahrheit, des Zeugnisses und Pfade.


Wir hegten keinen Wunsch nach Ruhm und dunklem Glanz,

Herrin der Weisheit, schweigend, verborgen wie ein Tanz.

Wir liebten nicht das Silber, nicht Schmuck noch Edelstein,

O Zarte, die allein ein ewig Glück verleiht.


Wir sahen viel, o Herrin der Armut und der Not,

Wir hassten neue Blicke, die schänden unser Lot.

Wir taten viel, o Tempel der Reinheit, stark und klar,

Wir fürchteten Gefahren, die neu und bitter war'n.


Wir sündigten so oft, O Zuflucht für die Armen,

Wir führlten keine Angst vor Reue oder Erbarmen.

Wir suchten stets nach Weisheit, doch fanden wir sie nicht,

O Wunder der Geduld, das unser Herz zerbricht.


Wir lernten viel in Schulen, in Kirchen, dunklen Hallen,

Doch wissen wir nur eins: nach deinem Wort zu wallen.

Wir fehlten in den Taten, in Sprache und in Werken,

Wir fanden nur die Wahrheit in unsrem Herz zu stärken.


Wir sind die stummen Krieger, die durch die Zeiten ziehn,

Doch falteten wir nie die Hände, um zu fliehn.

Wir banden uns an Balken, an Kirch und heilgen Ort,

Wir wuchsen tief im Innern und trugen unser Wort.


Wir bitten nicht um Reichtum, nicht um vergänglich Gut,

Wir flehen um dein Erbarmen, das heilt und Wunder tut.

Wir bauen nicht auf Sand, nicht auf ein Truggebäude,

Wir stehen fest in dir, du unsere ewge Freude.


Wir wissen nichts von Schrift, von dem, was uns gelehrt,

Wir wissen nichts von dem, was weise Männer währt.

Wir wissen nur, was du in Ewigkeit bestimmt,

Wir wissen nur, was deine heilge Ordnung nimmt.


Wir nahmen uns zu viel, weit mehr als uns gebührt,

Wir suchen nur Gehorsam, wo deine Macht regiert.

Wir wollen nur verweilen, wo deine Stimme spricht,

O Spiegel alter Zeiten, der durch das Dunkel bricht.


Ist es erlaubt, dass jener, der nichts besitzt, begehrt?

Und wenn er um dich fleht, gibst du ihm, was er währt?

Ist es verboten, dass die verborgne Rose blüht?

Und wenn das Eigentum vergeht, bleibt, was er sieht?


Darf ein Bettler ein Testament verfassen?

Kann er sein Heim, sein Stroh und Stoppeln hinterlassen?

Darf ein König auf sein Reich verzichten, wenn er will?

Und wenn der Dauphin schwört, ist's ein Versprechen still?


Wenn jeder, der in Hast und Eile sich verliert,

Ein Konto führen kann, das seine Schuld regiert,

Wenn Übertragung gilt und niemand sie verbietet,

Dann fragen wir um nichts und bleiben unbestritten.


Wenn Schuldner sprechen dürfen, die nichts mehr erlangen,

Wenn sie das fordern dürfen, was sie niemals fangen,

Dann wollen wir nicht feilschen um Preise und Gewinn,

Wir wissen, dass am Ende nur deine Gnaden sind.


Wir kannten deine Gnade, die du im Krieg verliehest,

Wir danken dir für Kummer, den du mit Mitleid siehest.

Wir danken dir für Freude, durch Schmerzen tief erfahren,

Wir danken dir für Not, für Segen und Gefahren.


Wir gingen durch die Felder, durch Staub und steile Pfade,

Wir spürten tiefen Schmerz, die Last in unsrer Wade.

Doch bitten wir um nichts, du wachsame Herrin mild,

Wir tragen unser Kreuz, wie du es uns enthüllt.


Wir kannten deine Last, die Weisheit uns bereitet,

O Wunder der Geduld, die stets die Zeit begleitet.

O bitte, segne uns, du Wunder der Gerechtigkeit,

Wir danken für dein Glück, das durch das Dunkel schreit.


Vier junge Köpfe flehten um deine reine Gunst,

Um Anmut, um dein Licht, das in die Seelen dunst.

Und um die Krone rein, gewebt aus blankem Weizen,

Zu ernten diese Frucht, wenn deine Engel geizen.





BITTE UM EHRERBIETUNG


So viele Freunde wandten sich von diesem Herzen ab,

Sei du nicht der Liebe und Treue müde, sag!

Zu stehlen, wie auch zu leben in Bewegung,

Verlieren soll dein Herz nicht die Entschlossenheit.


So viele Schicksalsschläge und das Elend der Zeit,

Kennzeichne nicht den Tag als schwach und weit!

So viel Böses, Brutalität und Grausamkeit,

Der Glaube an das Gute sei nicht dir verwehrt, im Geleit.


So viele falsche Worte und Geheimnisse zu viel,

Lass nicht entweichen den Glauben, die Weisheit, das Ziel.

So viele Opfer, stark in der Treue des Kampfes,

Im blutroten Herz das Leben bleibt, ein Faltenschluss, ein Sturz.


Doch heute, wenn auch der Tod uns begleitet,

Habe er das Siegel des Schließens gezeigt.

Und wenn wir entdecken, was verbargen das Wort,

Ob er sich selbst zu einem Schreiber erhoben dort.


Ob er den Anwalt in Händen des Doppels führt,

Und gesetzt die Initialen mit einem Ziel verwehrt,

Setz die Worte als ein Zeugnis des letzten Zwecks,

Und drück den Siegel in den Schluss, wie es sich legt.


Ob ein Vertrag in Klauseln der Bände verfasst,

Geschnitten der Artikel und Zahlen des Rast,

Eingeritzt in den Stein, das letzte Gedicht,

Ein Rektor, ein Richter – der Rest ist die Pflicht.


Wir artikulieren den Text ohne Gefahr,

Kein Zögern, kein Fliehen, die Bedeutung bleibt klar.

Kein Umkehren, kein Sturz aus der Ordnung des Seins,

Ein neuer Code für die Strafen und das Recht, das beweint.


Die Schwelle der Wüste nicht mehr wird trocken,

Vertrauen sei fest, dass du treu wirst im Socken.

Keiner wird in dieser Zitadelle verweilen,

Wer das Wort, das Wort des Hasses beiseite stellen will.


Keiner wird den Tempel des Gedächtnisses betreten,

Der das Vergessen und Erinnern in Schlägen besessen.

Wertschätzung, Schicksal, die Reue vollendet,

Das Strahlen der Reue die Sonne verbrennt.


Niemand wird unter das Herz tief vergraben,

Der dein Verhalten kennt, das Leben verwoben.

Nicht in den Raum der Stille verloren,

Wie die Stimme, die im Chor erstorben.


Gib du die Null in dieser einsamen Zeit,

Wo du nicht die Dienerin der Leere bereit.

Keiner wird als das Nächste so kommen,

Die letzte Stunde wird nicht mehr beklommen.


Keiner tritt durch des Palastes Tor,

Wo die Marmorsteine und der Glanz ist im Flor.

Keiner wird in Fülle leben in der Nähe,

Wer als dein Sohn und Magd sich dann zähle.


Und niemand wird in dieser Liebe wohnen,

Wer in der Ruhe den Herzschlag zogen.

Um der Liebe willen, die rein und voll Trauer,

Von der Bitterkeit und der Sorgen hohe Mauer.


Niemand wird an der Schwelle des Geheimnisses stehn,

Für die Liebe, die reif ist, die Trauer wird zugeh’n.

Und die Tränen in Massen sich niederzwingen,

Für die Flut, die am ältesten Schaum wird klingen.


So viele Trauben schwer und an Wänden gebunden,

Die Sicherheit so eingeengt, nicht gefunden.

Und so wie der Bogen sich bricht und zerreißt,

In der schweren Last der Liebe, die bald verweist.


Niemand lebt in der Gewissheit des Wortes,

Mit Erinnerungen, die den Schmerz der Morde.

Keiner geht weiter in der Stille der Sorgen,

Die Zukunft verhüllt, bis der Morgen sich borgen.


Und niemand tritt über des Grabes Schwelle,

Für die ewige Anbetung und der Toten Huldigung helle.

Wo der Fuß sich verliert bei jedem Schritt,

Der Wind in den Wellen der Erinnerung, die nichts mehr entzündet.


Dies ist das Bild, das die heiligen Knie bricht,

Ein Blatt, das unter den Füßen nicht spricht.

Der Traum der Welt bleibt entglitten,

Weil du in ihr nicht mehr die Liebe geschnitten.