GERMANIA


EPOS VON TORSTEN SCHWANKE


ERSTER TEIL

DIE GÖTTER


ERSTER GESANG


Die Germanen sah'n die Welt, als nicht von Gott gemacht,

Sie sah'n sie als geworden, in dunkler Ew'nacht.

Auch Götter wuchsen mit, aus diesem selben Raum,

Nicht Sand war dort, nicht See, nicht Wellen, nicht ein Saum.


Nur Schlund der Klüfte, weder Gras noch Himmelsrund,

Der gähnend Raum verschlang die Zeit, die Ew'ge Stund.

Im Norden wuchs ein düstrer Ort aus Nebel kalt,

Niflheim, Nebelheim, im Süden Flammen, heiß und bald.


In Niflheim lag ein Quell, Hwergelmir sein Gebraus,

Daraus zwölf Ströme schossen und wuchsen aus dem Haus.

Sie erstarrten zu Eis, doch Muspels Funken traf'n,

Das heiße Süd' begann das tote Nord zu schaff'n.


Aus Reif und Funken floß ein Wesen sonder Glanz,

Ymir genannt, der Brauser, in urgewalt'gem Tanz.

Er war der erste Reif-Ries', aus ihm spross alles dann,

In seinem Schlaf wuchs Sohn und Tochter ihm heran.


Im Kreise solcher Riesen entstand dann eine Kuh,

Audumbla, die mit Milch die Wesen gab zur Ruh'.

Sie leckte aus dem Eis ein Mannsbild, stark und schön,

Der Buri war's, die Urkraft ließ in ihm sich sehn.


Der Sohn hieß Bör, und seine Frau ward Bestla fein,

Von ihr und ihm die Götter selbst, so rein und rein.

Odin, Wili und Wê, drei Brüder voller Macht,

Von Riesenblut die Mutter, der Vater stark erwacht.


Die Riesen sah’n sie nicht als Feinde einst in Flut,

Nur rohe Götter waren sie, Natur in alter Glut.

So schlugen Börs drei Söhne Ymir bald in Bann,

Im Blute, das da floss, ertrank der Riesenclan.


Nur Bergelmir entkam mit Weib im kleinen Boot,

Und aus ihm stammt das jüng're Volk, das neu im Tode droht.


Dies ist die Fassung nun der Flut, der großen, schweren,

Die alle Welt verging, kein Leben blieb zum Wehren.

Bei Griechen war sie altbekannt, ein jedes Volk sah's so,

Nur ein Paar, eine Sippe überstand das große Floh.

Im Wort „Sintflut“ lag's, die Flut, die all das Sein verschlang,

Doch Missverstand es machte draus der Sünden Flut-Gesang.


Die Götter griffen an den Leib des Riesen, groß und tot,

Und warfen ihn in leeren Raum und schufen Erd' aus Not.

Das Blut ward Fluss und See, die Knochen starr zu Berg,

Das Fleisch die Erde selbst, so ward die Welt dann stark.

Sein Hirn, das schwebend flog, ward Wolken, weit und fern,

Und aus dem Schädel hob sich auf das Himmelsdach der Stern.

Die vier Winde setzten sie an Ecken dort im Raum,

Die Zwerge Nordri, Sudri, Austri, Westri im Traum.


Der Muspels Feuerfunken nun, sie flogen, hell und schön,

Zu Sternen und erleuchten uns von oben wie ein Föhn.

Und für die Menschen bauten sie, der Asen Rat war stark,

Die Erde rings erhöht, um sie zu schützen vorm Hainmark.

So ward Midgard gebaut, die Mitte galt der Welt,

Von Ymirs Brauen sicher geschützt, dass nichts verfällt.


Die Sonne strahlt und Mond, vom Lichte wohlgesegnet,

Zwei Kinder aus dem Stolz des Vaters auserlegen.

Doch Übertretung war, und so zum Himmel sie gesandt,

Sol lenkt die gold'ne Sonn’, Mani führt den Mond als Wand.

Zwei Hengste zieh'n das Licht, Frühwach und Allgeschwind,

Und Swalin schützt vor Glut, dass Berge heil, das Meer nicht rinnt.


Im Mond sieht Volk Gestalt, im Schatten eine Tracht,

Mal zwei, die tragen Eimer, wie Brunnen frisch gemacht.

Doch auch sah man im späteren Licht des Mondes frei

Den Mann, der frevle Tat beging, zur Strafe nicht vorbei.

So fliehen Mond und Sonne vor Feindes wilden Zähnen,

Zwei Wölfe, riesig groß, die Götterbann sie lächeln.


Wenn Sköll und Hati jagen das Licht, das stets entweicht,

Und packen mit Gewalt, so fällt der Schatten leicht.

Die Völker rufen laut, zu bannen Angst und Graus,

Dass sich das Licht befreit und bricht dem Finsternisstraus.

Doch bald, bei Weltenbrand, da wird das Licht vergehen,

Die Wölfe werden siegen, und Dunkelheit entstehen.


Jedoch nicht nur die beiden Sterne im Gestirn,

Auch Tag und Nacht erscheinen neu in Menscheng‘winn.

Die Nacht, als Tochter Nörwis, Riesenspross und wild,

Schwarz wie Hel, ihr ähnlich, die in der Unterwelt gilt.

Mit Delling, einem Gott, sie ward zum Taggesellen,

Der strahlend wie Asen Ahnen hell in Nächten bellen.

Aus Anars Ehe, einst, erblickte Jörd das Licht,

Die Erde, Tochter Nachtens, die dem Lebendigen spricht.


Zwei Wagen sandt’ der Gott, bespannt mit Pferden stark,

Der Nacht Hrimfaxi, der Reif auf die Wiesen zart,

Skinfaxi leuchtet, Tag mit Glanz das Land begießt,

Und seine Mähne strahlt, dass Licht und Leben sprießt.


Des Sommers milder Glanz, ein Wesen hell und rein,

Der Feind des Winterskinds, das kalt wie Nordwind schreit.

Hräswelgr, ein Adler, frisst die Leichen mit Gebär,

Schlägt Schwingen auf, der Wind weht kalt und wild und leer.


Das Waldvolk leidet tief, vom langen Winter müd‘,

Und sehnt sich warmen Frühling her, das Leben blüht.

So feierten sie laut des Sommers Siegesklang,

Den dunklen Winter siegten aus, wie’s einstens klang.


Kein Kalend‘r, doch Zeichen, die erste Schwalbe nah,

Veilchen im Bach, der ersten Sonne, die da sah,

Die Götter kehrten heim, das Licht auf Erden prang‘,

Dass Frühling, Ostara, das Licht den Sieg erlangt.


Kinder und auch die Alten, feierlich ermannt,

Zogen hinaus, begrüßt des Sonnengotts Gewand.

Noch heute feiern sie in Kämpfen laut und froh,

Den Sommer über Winter, des Siegs im Drachentod.


Des Menschen Schöpfung stammt, wie oft im Glaubensgrund,

Von Göttern, Askr, Embla, erschaffen wohl im Bund.

Die Bäume gaben Leben, Mensch und Weib gebar,

Midgard ward ihnen Wohn, wie’s göttlich ihnen klar.


Die Asen formten Zwerge aus Ymirs Fleisch als Glut,

Die wie Maden dort wuchsen und menschliches tun im Blut.



ZWEITER GESANG


Im Drang, die Mythen in ein Schema zu legen,

Verläuft sich die Mühe in unzähl'gen Wegen.

Die Welten, die Schöpfungen, Reiche an Ort,

Kein einheitlich Bild trägt der Sagen Hort;

Im Wandel durch Zeiten, durch Stämme geweiht,

Nahm jede Bedeutung, je nach alter Zeit.

Nur das Essenzielle ward fest bewahrt,

Und das allein wird hier nun offenbart.


Im Glauben des Nordens, wie auch im Deutschen Land,

Ward das Universum als Baum wohl erkannt,

Ein Riesenbaum, Esche genannt Yggdrasil,

Der furchtbare Träger, so sagt man, er still

Sei Gottes Erschaffer und Hüter zugleich,

Odin auf Wipfeln des kosmischen Reich’.


Die Zweige der Esche, weit streben sie aus,

Zum Himmel hinauf, in das Götterhaus.

Ein Zweig ist Lärad, der Stille verleiht,

Ein Sinnbild des Friedens, das Hoffnung verleiht.

Drei Wurzeln, sie reichen zu Brunnen und Ort,

Zu Nornen, Riesen und Brunnen hinfort,

Zu Niflheim, zu Hel und Hwergelmir’s Grund,

Wo Leben und Sterben sich reihen im Bund.


In ihrem Innern, tief ernst und doch stark,

Liegt das Wissen um Tod, das die Germanen bewahrt.

Ihr tragischer Weltbaum ist stet in Gefahr,

Von Wurm und von Drachen, von Schlange und Schar.

Die Nornen besprengen die Esche mit Müh,

Um ihren Verfall zu verzögern mit Fleiß,

Doch kann dies Verderben, das droht, nicht besiegen,

Wie Asen die Riesen nur zeitlich besiegen.


So droht alles Leben der Endlichkeit Hieb,

Der Baum zeigt Verfall, der tief sich nun schieb'.

Drach’ Nidhöggr nagt in Hel an der Wurzel schwer,

Von Leichen genährt und von Schlangen umher.

Ein Adler am Wipfel, das Eichhorn huscht flink,

Trägt Wort vom Drachen, das in den Ästen blinkt.

Ein andrer Hirsch äst an den Zweigen geschwind,

Sein Geweih Tropfen gibt, die Ströme als Kind,

Heid-Run, die Ziege, nährt sich mit Genuss,

Des Walhallgenossen ewigen Fluss.


Der Baum als Säule, als Weltenlast,

Auch bei den Südstämmen wurzelt fest.

Die Irmin-Säule, der Sachsen Hort,

Zeugt von der Weltesche, stark und fort.


Und wo die Welten verteilet im Raum,

Bleibt’s offen und wandelnd im Traumbild zu schaun:

Niflhel tief liegt, die Sünd’ tragen Pein,

Svartalfaheim, Dunkel- und Elbenheim,

Midgard, der Menschheit’ bleibende Rast,

Asgard, der Götter erhabener Platz.

Und Muspelheim, das des Feuerriesen Land,

Im Süden wohl glühend, am Jötunrand.


Die Hallen Asgards, reich an Glanz und Macht,

Vom Skalden nur besungen, was uns sagend lacht.

Zwölf Götterhäuser zählt man in der Götter Heim,

Doch vieles ist verloren, bleibt nur noch ein Reim.


So steht in Gladsheim Odin stolz und hehr,

Der Richterstühle zwölf, die Walhall nah und leer.

Von Gladsheim heißt es, golden schimmert weit die Wand,

Wo Odin täglich wählt, was kämpft und mutig stand.


Mit Dächern hoch bedeckt von Schilden blank und rein,

Ein Wolf am Tor als Wächter, stolz im Schein.

Und hundert Türen zählt man dort, vier Mal zehn,

Durch die die Einherjar zum Kampf entschlossen gehn.


Die Krieger kämpfen täglich, doch mit heilend’ Mut,

Kein Wunde bleibt und Schmerzen sind von kurzer Glut.

Ein Hahn, der weckt sie, Sährimnir stets bereit,

Das Fleisch im Kessel kocht, gestärkt zur nächsten Zeit.


Vor Walhalls Tor ragt hoch die Esche, Lärads Stamm,

Die Krone reckt sich weit in Welten Raum und Bann.

Die Brücke Bifröst, bunt und flammend stets bereit,

Nur Götter überqueren sie in heilger Zeit.


Am Tor steht Heimdall wach, mit Horn zur treuen Wehr,

Doch einst naht Ragnarok, da hilft kein Schutzes Heer.

Nicht Brücke, noch der Wächter wird den Sturm bestehn,

Asgards Götter fallen, mag’s in Flammen wehn.


Und rings um Walhalls Tor der Hain von Gold und Glanz,

Glaser heißet er, sein Blatt mit rotem Kranz.

Die Götterhallen zählen wir mit Ehrfurcht hier:

Fensalir, Friggs Ruhstatt, weit von Menschen Zier.


Thrudheim des Thors, im Blitz, Bilskirnir ragt,

Mit Zimmern fünf und sechzighundert stark verzagt.

Ydalir Ullrs, Söckwabek der Saga gut,

Walaskialf für Odin, Wacht in hoher Hut.


Thrymheim Skadis Halle, Breidablick Baldur gehört,

Himinbiörg Heimdalls, sein Horn stets ungestört.

Volkwang der Freya, Glitnir mit Gold und Glanz,

Und Noatun von Njörd, Widar’s weiter Kranz.


In Himmelshallen thronen Asen hoch und hehr,

Zu zwölfen zählt man sie, die Götter voller Wehr.

Wir werden sie betrachten, Stück um Stück enthüllt,

Doch auch die Wanen sind mit göttlichem gefüllt.


Die Wanen, nicht wie Asen, sind ein eignes Volk,

Zu ihnen zählen Freya und Freyr, der junge Stolz.

Man forscht und deutet, was ihr Wesen unterscheid’,

Und ahnt, sie stammen aus besonderer Geschmeid’.


Ein Volk wohl an der See, mit Seefahrt reich bedacht,

Die Götter, Wasser, Handel, Fruchtbarkeit entfacht.

Ihr Name wohl von „ven“, was Schönheit uns verheißt,

So blühen Wanen auf in milder, reicher Geist.


Einst führten Krieg die Stämme, Wanen und Asen gar,

Doch bald folgte Frieden nach des Krieges wilder Schar.

Den Wanen ward Njördr, der reiche Gott, gesandt,

Mit Freyr und Freya kam der Bund so festgebannt.


Auch Hönir, Odins Bruder, ward den Wanen da,

Als Geisel erst, dann Freund, und Frieden wurde wahr.



DRITTER GESANG


Um Gottes Wesen zu erfassen, das die Götter schmiedet,

muss man durch Heidentum, das tiefe Wesen, leiten.

Es füllt die Welt mit Luft und Feuer, Wasser, Erd und Himmel,

lässt Götter walten, Göttinnen, oft voller wilden Stimmen.

Ein Trieb nach Religion, ein menschlich Suchen treibt

die Seelen an, die sich in Einsamkeit verleiben.

Verwoben mit Moral, in heil’ger Macht voll Eifer,

sucht Schutz die Menschenseel’ in einem großen Streiter.


Das Herz, es wendet sich an seines Gottes Brust,

und hofft, dass Gott es hört in seiner tiefen Lust.

In Menschengestalt sieht es das Göttliche stets nah,

doch nicht in Schwachheit, Tod, und Müh’ und Not und Qual.

Es malt die Gottheit frei von Schmerz, von Bürde schwer,

als Bild der Erde rein, mit Tugend wunderbar.


Mit welcher Kunst, mit welchem Bild soll solch’ ein Werk gedeihen?

Mit Einbildungskraft, die Kunst als Blüte lässt erscheinen!

Doch jene Kraft ist reizend, birgt jedoch Gefahr,

denn sie will frei vom Zwang, von Regeln sonderbar.

Im Dichtwerk wird die Form entbunden vom Geleise,

die Götter gehn nun frei, von Schönem stets als Gleise.


Die Einbildung erschafft der Götter Bild und Stand:

Der Greis, der Jüngling, Frau’n, die Göttin Hand in Hand.

Der Männerbann und Frauenflug bringt Form und Segen,

und Farben voller Macht umrahmen ihr Bewegen.

So schuf die Einbildung den Gott und seinen Thron,

und Menschens Züge färbten ihn zur Vervollkomm'ung schon.


Götter, frei von Leid und Not, dem menschlichen Gewühl,

entzogen Zeit und Schmerz, voll Schönheit im Gefühl.

Der Gott der Jagd, der Feldarbeit und Kampfes Müh’,

für Sommer, Winter, Tag und Nacht, das Feuer kühl.

Die Fülle wird belebt, und Vielfalt ist der Segen,

es wird ein Reich der Göttlichkeit, für uns ein edler Regen.


Doch weiter geht’s, die Kunst befreit sich weit vom Stand,

die Göttlichkeit wird Spiel, geht frei aus fester Hand.

Wie Helden aus der Sage, Karl und Attila,

verwandeln sie die Götterwelt durch Wort und Tat, o ja!

So wird die Kunst zum Meister, dichtend und gestaltet,

wo sich der Mensch im Mythenkreis der Götter fest verankert.


So sprießt um Götter altehrwürd'ger Schein hervor,

umwuchert von Ranken und Blüten, reckt empor.

Sie schmücken das Bild, doch decken's schier ganz zu,

so dass es die Grenzen verwischt und nimmt ihm Ruh'.

Hier schwindet das Wissen, was wirklich Glauben ist,

wo Poesie beginnt, wo Wahrheit gar zerfließt.

Die Menschen scheiden nicht, was heilig, was erfund’n,

wo echte Lehren enden, wo Dichtung hat gewund'n.


Doch was für'n Dienst bleibt nun für dieses heil'ge Bild,

das ganz die Einbildung mit Fantas' umspült?

Es kränkt nun die Religion in tiefstem Heiligtum,

wo einst es Trost gebracht, verwirrt's jetzt Geist und Ruhm.

Der Glaube sucht Einigkeit, vom Chaos weit entfernt,

wo Wimmelnd Vielerlei die Welt zu arg verherrnt.

Doch statt der Ein’gen Macht, die fest im Glauben steht,

drängt Vielgötterei sich auf, unüberschaut und spät:

Von drei und zwölfen sind die Obergötter hier,

dazu noch Schwächere, halb Götter, die im Zier

auf Erde, Luft und Meer die Reiche bunt durchziehn,

und jeder Stein und Baum gar einen Gott erziehn.


Des Menschen Drang nach Eins verjagt dies wilder Spiel,

das Göttliche in Vielheit schwindet ihm zu viel.

Denn Heil’ges wurde einst von Göttern ja ersehnt,

doch zeigt das Menschenbild im Götterspiel verhöhnt.

Göttliche Unschuld ward erhofft, Tugend und Schlicht,

doch Menschenfehler prangt in ihrem Angesicht:

Vom Hass, vom Zorn, von Eifersucht in wildem Trieb,

bis hin zu Laster, Mord, Verrat in wildem Lieb.

So sieht der Mensch die Götterwelt nun voller Schwach,

und flieht von jenen fort, die nicht ihm Frieden brach.


So möcht' man glauben, dass der Götter Glanz zerfällt,

im Zweifel wenden sich die Blicke weg vom Feld.

Doch auf den Wegen, die das alte Bild erfährt,

sucht Mensch noch Hilf und Lösung, auch wenn die Hoffnung leert.

Die Ein'ge Kraft, die alles Weltgetümmel lenkt,

wird in der Vielheit dennoch gläubig nun geschenkt:

Ein Gott steht fest, erhebt sich über alle Schar,

wie Zeus, wie Odin stark, allein und mächtig wahr.

Er lenkt die Welt und wird nun „Vater“ ernst genannt,

allweise, heilig, gerecht, durch Tugend anerkannt.


Doch bleibt das Volk nicht fort an diesem Glauben treu,

denn viele Götter sind und bleiben nah dabei.

Die Nähe der Kleineren gibt Herzen oft mehr Mut,

dort finden sie Trost, hier währt die Furcht und tut nicht gut.

Beim Saatengott wird um des Feldes Frucht gefleht,

die Liebesgöttin schenkt dem Herzen oft Gebet.

Der höchste Gott bleibt fern und zeigt oft Unverstand,

die Nähe sucht man eher, da wo Klein' zur Hand.


Dies führt uns nun zum zweiten Versuch, den Glauben zu befrein,

Den Götterglauben selbst zu zügeln in seinem eigenen Sein;

Doch weil die Macht des höchsten Gottes keine Weisheit beut,

Nicht Recht, noch heiliges Gebot, das unser Dasein stützt,


Weil selbst des höchsten Wesens Schwächen uns bedrücken,

Weil wir dem Wechsel seiner Launen offen ausgesetzt,

Sucht man den Mangel auszugleichen – wie zuvor ein Ziel

Ersatz für Vielgötterei ein Gott war, ein Gefühl


Nun hin zu einem Weltgesetz, das unbewegt regiert,

Ein Schicksal, das auch Götter schlicht und festlich überwiert.

Denn Zeus erkennt auf seiner Waag das Los für Mensch und Heer,

Und Odin forscht, was Riesen quält, was künftige Gefahr,


Doch dieses strenge Schicksal, dem sie blind verfallen sind,

Ist stets nur kalte Not, der Mensch als Ball des Sturmes Wind.

Die launigen Götter voll der Zwietracht, Lust und Leid,

Lässt das Gefühl uns fliehen, dass dies grausam sei und breit.


Doch fügt sich nicht die Seele warm und schlicht und frohgemut

Dem starren, kalten, fremden Zwang, das unser Wesen flieht.

So sucht man in Gerechtigkeit das Schicksal neu zu sehn,

Als Lohn für Tugend, Strafgericht, für Bosheit und Vergehn.


Man glaubt, dass Glück und Lohn sich treffen auf Erden schon,

Doch dieses Bild zerbricht, wenn Schlechte blüh'n und Gute fall’n.

So nimmt man ach das Fatum bald als Göttin mächtig wahr,

Und Nemesis steigt auf, ein Bild von Zorn und ehern Schar.


Man teilt in drei, was eine Kraft – drei Göttinnen sodann,

Vergangenheit, das Jetzt, die Zukunft als Gesetz für Mann.


Doch diese Mittel der Befreiung bleiben still und leer,

Da Werkzeug und die Form stets fest am Alten halten schwer.

So wenden weise Männer sich von solchem Glauben ab,

Verachten Götterlehren, denn sie sprächen ihnen Hohn und Schmach.


Bekannt ist’s bei den Römern, dass der Glauben schwand dahin,

Und auch die Griechen schon von solchem Wandern früh verging.

Im Norden aber, tief und lang, sah man die Spuren klar,

Von Skepsis und von Zweifel an den Göttern hart und wahr.


Ein Volk kann niemals ganz und gar vom Glauben sich entfernen,

Denn ohne Glauben fehlt ein Halt in Sitt und Recht für lernen.

Ist dieser unhaltbar geworden, stürzt das Volk dahin,

Zerbrochen ohne neuen Glauben, Ziel und rechten Sinn.


Drum wird der Glaube neu entfacht – sollt man den Bund bewahr’n,

Von außen christlich stark gebracht, so Rom den Glauben fand.

Oder im Innern neu geformt – so schritt die Reformation,

Und auch das Konzil zielt fort zur Reinigung, zur Sanktion.


Doch ist der Knoten so verschränkt, dass’s nichts entwirren kann,

Dann trifft das Schicksal tragisch ernst der deutsche Volksverstand.


Auch Götter Germaniens entstammen dem freien Geist,

Doch schufen ihr Bild, das sich der Moral nicht reiht;

Ihr Wandeln entfernt sich von Sitte und Tugend gar,

Das Sittliche lässt sie verfallen ohne Schar.

So drängt sie das Volk, das Gewissen verurteilt sie,

Zum Untergang bringt sie das sittliche Dekret.

Dies ist die Dämmerung der Götter im wahren Sinn,

Ein Opfer, das Zeichen Germanentums höchst’ Gewinn.


Tragisch der Untergang, wenn Unheil die Ordnung bricht,

Wenn Friede der Tugend und Religion zerbricht.


Opfertat Götterdämmerung, hohes Ideal?

Ja wahrlich, ein Zeugnis für Tugend in großer Zahl.


Im Anfang lebten die Götter in heiterer Seligkeit,

harmlos und schuldlos war ihr Tun, wie die Zeit es uns weiht.

Im Hofe spielten sie Spiele, so fröhlich und froh,

im Brettspiel maßen die Götter, was Kraft ihnen bot.

Mit Eifer versuchten sie Werke, mit Händen geweiht,

erbauten die Burgen und Hallen in Goldener Zeit.

Auf Idas freiem Felde schmiedeten sie Gerät,

Essmesser und Zangen, das Gold sie niemals verließ.


Noch keine Gefahr von den Riesen her kam,

doch Schuld fiel allmählich auf Asgards Scham.

Durch Kämpfe und Brüche des Friedens entstand,

was Menschengestalten und Dichtung erfand.

Vertrag brachen sie selbst, das heil'ge Gelöbnis,

und wandten im Umgang oft Lug und Betrug,

mit Menschen und Wesen, die in ihrer Nähe,

vergingen sie oft, wo Laster nicht fehlen.


Goldgier war Ursprung der ersten Verfehlung,

Gullveigs Verführung gab Sündenempfehlung.

Erlag der Verlockung, wurde getötet,

von Wanen kam Krieg, den niemand beschwöret.

So war es das erste Gefecht, das begann,

als Odins Speer in den Feindeszug rann.

Die Asen bedrängt, die Ringwände zersprengt,

doch Frieden man schloss, die Wanen gesenkt.

Götter und Wanen, gemeinsam in Schar,

doch List und Betrug fraßen immerdar.


Als Baldur hinabstieg zu Hel aus der Welt,

die lichte Walhall im Schatten zerfällt.

Verrat und Betrug schlichen sich ein,

verloren die Asen den heiligen Schein.

Jede Schuld mehrte den düsteren Bann,

bis Ragnarökr, das Weltenende begann.

Odin der Grübler fragt rastlos und bang,

nach Antworten, die er der Zukunft entrang.

Doch erst am Ende wird Klarheit uns zuteil,

die letzte Antwort auf die bange Qual.



VIERTER GESANG


Odin, er führt uns durch die Tiefen und die Höhen,

In Geist und Mut, wie sie die Germanen sehen.

Er ist der Fürsten Gott, der Heldenscharen Kraft,

Thor-Donar, ihm entgeg', beschützt die Bauernschaft.


Im Krieg, dem Odin lebt, zerstäubt der Saaten Glück,

Doch Walhall öffnet selbst dem Knecht sein heil'ges Stück,

Der seinem Herrn folgt, fällt im Kampfgetüm erhob'n –

Die Runen Odins deuten Welten, weise Lob!


Als Geist der Dichtung und der Weisheit wird er priesen,

In Sturm und in der Luft, den sanft’sten Lüften fließen.

Wo sich das Rätsel aller Welten je verbarg,

Ist Odins Wollen groß, sein Grübeln niemals zag.


Ein Auge gab er hin für Wissen, tief versenkt,

In Mimirs Brunnen ruhend, wo Weisheit gänzlich hängt.

Er ist die Kraft, die selbst in jedes Rätsel geht,

Und als der „grübelnde Ase“ stets nach Wissen strebt.


Die Runen, das latein'sche Erbe aus kaiserlich Zeit,

Von Kelten einst zu Germanen gebracht in Macht und Geleit,

Nicht Schrift wie heut, nein, Zeichen für Zauber und Bann,

Zu Weissagung und Losung, ein Run'nspruch begann.

In Buchenstäb'chen geritzt, zum Boden geworfen, gelesen,

Jede Rune ein Wort, das Anfangsbuchstaben erlesen.

So ist „Th“ ein Riese, „Thurs“ im alten Wort,

In der Dichtung der Germanen stand Stabreim sofort.


Zum Zauber ward so die Rune geritzt tief und fein,

Dem Weib drohte man mit „Thurs“ und Bannerei ein:

Einen Thurs ritze ich dir und drei Stäbe als Last,“

Doch erst durch Spruch wird der Bann fest und verfasst.

Es gab Sieg-Runen, Liebes- und Bier-Rune klar,

Speer-Runen, Pfeil-, Herd- und Hauszeichen gar;

Auch Schiffs- und Totenrunen, geheim, sie künden,

Den Toten erwecken und Seelen ergründen.


Weise Reden führt Odin im Gespräch und versteht,

Von Göttern, von Welten, von Schicksal und Tod es erspäht;

Die Götterdämmerung ihm unabwendbar war nah,

Doch Hoffnung vernahm er, dass Neues einst geschah.

Von Schönheit getrieben, von Geist tief bewegt,

Hat Odin die Weisheit in Welten gehegt;

Er sendet die Raben, Hugin und Munin genannt,

Den Gedanken, die Erinnerung, stets ihm bekannt.


So spiegelt der Geist sich im Geist, voll Pracht,

Vom Trank der Begeist'rung der Dichtung entfacht.

Bragi, der Sohn, lehrt die Skalden das Lied,

Doch ist es Odins Leidenschaft, die im Reimen verriet.

Die höchste Entzückung, die Schaffensbegier,

Ein Rausch der Gemüter, des Wahnsinns Panier.

Aus Liebe geboren, in Qualen erwacht,

Die unsterbliche Dichtung, zur Ewigkeit gebracht.


Des Zwergs Kwâsirs Blut ward zum Dichtermet brau'n,

Suttungs Tochter, die schön', ließ Odin sich traun.

Drei Tage der Liebe, drei Nächte im Bann,

Er trank all den Met, dann flog er davon, gewandt.

Als Adler nach Walhall trug er’s empor,

Odins Fang“ ward es genannt, ein heiliger Chor.

Sein Trunk für die Lieblinge, für ewige Poesie,

Der Dichter Gabe und Geist – das ist Odin, das Lied!


Nach echt germanischer Sicht ist Dichtung höchste Weisheit,

Sie gibt Antwort auf Fragen, zeigt klar alle Wahrheit,

Der Dichter, ein Meister wie Shakespeare, wie Schiller,

Führt das Innerste Menschengeheimnis zum Willen.

Mit Ahnung der Rätsel von Natur und Geschichte,

Legt er Wahrheit in Schalen, die Schönheit verspricht.


Die Aufgabe Dichtens, wie wir sie erkennen,

Haben Meister gelöst mit tiefen Entzücken.

Denn wahre Schönheit ist wahre Klarheit,

Und echte Dichtung entflammt in Begeisterung stark.

Die Edda, das Bild uns einprägend, zeigt den Rausch,

Der Reiher der Trunkenheit zieht uns hinab.


So wird der Rausch zur Poesie erhoben,

In heil’gem Met das Gemüt neu verwoben,

Durch Liebe gelangt der Gott an das Getränk,

Das Gunnlöd ihm reichte, auf goldenem Bett.

Mit innigster Wonne, der Liebe zugleich,

Gab sie ihm die Kraft und berauschte den Geist.


Doch nicht ohne Weh und nicht ohne Schmerz

Verströmt sich die Kunst, wie der Liebe Herz.

Odin, der Erste der Dichter, erlebt,

Dass Wonne und Weh in die Becher erhebt.

Nach seligen Nächten, für Gunnlöd kommt Leid,

Ihr Leben verzehrend im Grämen gefeit.


Doch in jedem Triumph, den der Dichter erstrebt,

Schwingt leise Erinnerung, die er nie je verschweigt,

An die Maid, die ihm alles zu schenken bereit,

Doch selbst nicht erlöst, sie bleibt voll Leid.

Übel vergolten,“ gesteht Odin später,

Lies Gunnlöd im Gram, sie ward sich entäußert.“


Die Sage von Odin als Dichter-Gestalt,

Erzählt uns die Wahrheit, tiefsinnig und alt.

Liebe und Leid sind vereint im Gedicht,

Und zeigen die Macht, die den Menschen durchbricht.


Doch Odin verkörpert auch Herrschaft und Kraft,

Er führt in die Schlachten, treibt an durch die Nacht.

Zwei Gründe entfesseln den Drang in ihm wild,

Könige hetzt er im Zwist wie im Schild.

Er streut den Samen des Krieges und Zorns,

Bis Völker sich morden im Schlachtenorn.


Wuotan,“ der Wütende, Kriegslust in Flammen,

Erregt jede Seele, entfacht jedes Handeln.

Des Helden Begeisterung spiegelt er wider,

Jene germanische Wildheit, die blieb immer Sieger.

Vom Urwald hervor bis ans Ende der Zeit,

Brennt Wotans Geist in des Kriegers Geleit.


So tobt er noch heute, der Geist von einst,

Vom Germanen erweckt, der den Kampf stets vereint.


Doch kommt ein zweiter Grund, in alter Sitte fest,

Durch Odins Macht, die sich auf Götterglauben setzt.

Als Anführer der Asen braucht er stets die Schlacht,

Der Riesen Heer besiegt, das niemals Frieden macht.

Denn nur die Seelen tapfrer Männer, stark im Tod,

Die nicht im Bette starben, von Krankheit bedroht,

Nur diese zieht Walhalls Macht in seligen Reih'n,

Die Walküren bringen sie dem Wotans Heiligtum ein.

Einherjar kämpfen dann mit Asen Seit’ an Seit’

In hehrem Kampfe, der die Götter stets erfreut.

Jedes Schlachtfeld liefert ihm Verstärkung seiner Wehr,

Und deutscher Geist fand spiegelnd sich in solcher Ehr’.


Nicht friedlich trug der Deutsche stets sein Schwert zur Hand,

Auch Donar und Dietrich brachten Krieg ins Land.

Seit Jahrhunderten kämpft das Volk mit Macht und Wut

Gegen Feindes Heere, im Sturm des Kriegsgeruts,

Gegen Kelten und Romanen, gegen Tatar und Türke,

Ging das Schwert und Hammerschlag im Kriegsgestürke.

Mit bloßem Mut allein wär' schwerlich was gelungen,

Kein deutsches Volk hätte Feindes Heer bezwungen,

Kein Fuss hätt’ jemals Slaven Nacken niedergebeugt,

Und in Europa keiner uns voran getäuscht.


So fehlt es auch den Stämmen nie an kluger Macht,

An Fürsten, die das Schicksal lenkten mit Bedacht,

Groß an Weisheit wie an List, in Frieden und im Krieg,

Stets das rechte Ziel vor Augen und ein Meister im Sieg.

Schon Armin, der Cherusker, des Staatsrats voller Macht,

Stand da mit Arglist groß und tapfer in der Schlacht.

Geiserich dann, der Seefürst, der Vandale kühn,

Lässt von Karthago Raubschiff in den Sturmwind ziehn.

Von Wotan lernte er, was Zwietracht streuen heißt,

Auch in Theoderichs Geist wird Wotans Macht geheißt.


Doch eh’rnen Spuren setzt, wo Götterkraft noch zieht,

Der große Friedrich, dessen Tat den Ruhm beschließt,

Noch ehe Feind mit Plan das Werk des Kampfes wagt,

Verfolgt er mit Staatskunst das Ziel, das ihm behagt.

Denkt an Bismarck, wie sein Werk uns groß erschien,

Das letzte Kriegsjahr schlug, von Wotans Macht verliehn!


Odin, der Gott des Windes, des Wassers und der Fahrt,

Beschwichtigt wilde Wellen, schenkt Schiffern sichre Fahrt.

Verwandelt tritt er auf, von Seemanns Blick verborgen,

Ergibt er segnenen Wind, vertreibt das Dunkel, Sorgen.

Wie Hermes der Kaufleut’ und Frachten Glück bestimmt,

Lenkt Odin Schiff und Kauf, wo's Wetter günstig stimmt.


Doch nicht nur Wind gewährt er, Wunscherfüllung auch,

Als Oski wünscht er Wohltat dem Menschenvolk im Bauch.

Erfüllt die tiefsten Sehnsucht, auch in Deutschlands Land,

Der „Wunsch“ selbst ward gepriesen, als Gabe wohlbekannt.

Mit Hut, mit Mantel, Stab, wie alt’ Legenden sagen,

Bringt Wotan reiche Fülle, Wünsche in der Winde Wagen.


Walvater heißt er stolz im Krieg und großen Siege,

Ein Helm, ein Harnisch schützt, wenn Feind die Rüstung trüge.

Als Tarnkapp‘ sich verhüllend schreckt er das Feindesheer,

In unsichtbarem Wirken fällt Odins wütend Speer.

Grimur, der Drohende, verbirgt im Antlitz Macht,

Er schreitet durch die Welten, sucht Weisheit in der Nacht.


Ein ew'ger Wanderer, der, mit Hut tief in das Aug‘,

Geheimnisvoll die Lande durchläuft im stillen Zug.

Mit grauem Bart, im Mantel, als Fremdling, unerkannt,

Prüft er die Menschlichkeit, und was die Götter band.

Als „Heerschild“, „Siegervater“ im Kampf getreulich treu,

Mit seinem Speer und Helm führt er das Himmelsneu.


Doch prächtig, wenn im Kriege zum Kampf sich Odins Heer

Erhebt mit Schreckenshelm und Schwanenflügel schwer!

Auf Sleipnirs Rücken stürmt er, der gold'ne Helm erglänzt,

Die Feinde fallen, das Schwert den Sieg versenzt.

Mit Gungnir hebt er mächtig im Sturm die Stimme hell:

"Odin hat euch alle," so ruft sein Ruf im Feld!


Da thronet hoch auf Hlidskialf, wo Walhall sich ihm beugt,

Nicht wie ein Erdenkönig, der auf seiner Halle zeugt,

Doch als Spähwart’ blickt er weit, mit Frigg an seiner Seit’,

Die Einherier zu schau’n, die neu’ gefall’n im Streit.


Ein goldner Schemel steht vor seinem Stuhl in Pracht,

Er schaut gen Westen stets, dem Ziel von Asen Macht.

Zur Seite kauern Wölfe, Geri und Freki gar,

Die Odin ehrt und füttert, Sährimnirs Fleisch stets wahr.


Und ob der Speis’ er nicht bedarf, nur Trank den Durst ihm stillt,

Doch Wein wird hier gereicht, so wie es Odin will.

Ein Adler hoch dort schwebet, am Westtor hält er Wacht,

Und Raben auf den Schultern dem Gott das Wort gebracht.


So neigt sich Oswalds Königshuld, zwölf Schmied’ das Gold beschert,

Den Rabenflügeln schimmert’s, und Weisheit sich bewährt.

Wie Luther einst die Worte der Taub’ ins Ohr vernimmt,

So raunen’s nun die Raben, und Weisheit Odin nimmt.


Für Odin stirbt der Krieger, soll nicht im Bette geh’n,

Er ritzt sich mit dem Speer, zum Herrn dann aufzuseh’n.

Die Väter weihen Söhne, der Bluttod ist das Ziel,

Damit ihr Schutz und Segen vom Gotte werde Spiel.


Mit Helden schließt er Bündnis, die sich ihm dienstbar weih’n,

Im Kampfe sie zu führen, dass sie nicht feige sei’n.

Er zeigt dem Mann im Schlapphut den Feind mit einem Stoß,

Speer schleudernd rufet: „Euch holt der wilde Todesgruß!“


Vor Angst erstarrt die Feinde, den Speer er überzieht,

Ein Heer ihm vor dem Kampfe den Feind zu weihen liebt.

Die Wölfe heil’gen Stätten, das Opfer wohlgebracht,

Die Feinde ihm geschlachtet, und Sieg ward ihm gebracht.


Er lehrt die Kampfesweise, des Eberrüssels Macht,

Damit der Keil die Feinde in wilden Schrecken macht.

So siegten er und Schützling, bis Haralds Zeit verrann,

Da Odin selbst zu richten, den Weg zu Ende spann.


Sein Wagenlenker lachte, da Hildetand verging,

Sein treuer Schutz ward Ende, des Todes Schicksal fing.

Und Weisheit, Sieg und Reichtum, die List ihm auch gerühmt,

Verleiht er seinen Treuen, der Ruhm ihm ewig blüht.


Die Wünschelrute, die verborgen Schätze soll enthüllen,

doch auch so manch verborgen Zauberkraft erfüllen,

wird gar der "Wunsch" genannt; im Nibelungenlied

heißt’s, „der Wunsch lag darunder“, in Gold ein Zweiglein zieht.

Die Gabe dieser Rute, den Hort stets zu mehren,

wie Odin’s Ring, der Draupnir, von dem die Tropfen kehren,

aus reichlich Gold und Silber stets in gleicher Zahl,

so dass, was fehlt, er füllt auf in gleichem Widerhall.


So kamen Wunschpfennige, Taler, Wunschbeutel hinzu,

die „Siebenschrittstiefel“ und andere Wünsche im Nu,

die von Wunschgöttern selbst verliehen einst im Reich,

bis ins Märchen gelangten, wie der Knüppel zugleich,

der aus dem Sack schlägt, oder göttlichen Ringes Macht,

der Wünsche schenkt und vom Wunsche allmächtig entfacht.


Der Tod als Pate, auch der Teufel gern im Bunde,

verschenkt als Patengeschenk Heilungskunst zur Stunde,

verlangt doch für der Seele Dienst als Gegenwert

– doch listig umgeht ihn der Mensch, wie’s ihm gehört;

versprochen ward das erste Wesen, das aus dem Bau

flieht über Brückenbretter, doch führt ein Hund zur Schau.

Der Teufel greift ihn zornig, die List macht ihm die Pein,

und er kehrt wie ein Zwerg, entrüstet, klein.


Der große Gott Odin, um Frigg in List bemüht,

erschuf für die Winiler Sieg, den ihnen das Glück verfrüht.

Sie hießen Langobarden, er sah sie im Streite prangen,

und Frigg, die schlau, gab ihnen Name und Rangen.

Der list’ge Wotan, im Bette umkehrend fein,

so gab er den Frauen Haar wie ein Bartschein.

So siegte Frigg, der Sieg ward ihrem Rat beschieden,

und so ward auch das Bündnis mit Gott beschlossen in Frieden.


Diese Sage, die Faust und Teufel im Bund vereint,

im Wandel der Zeit, die das Märchen stets neu meint,

entstand aus altem Wotansgeist, dem Glauben tief verwurzelt,

in Volksdichtung Goethes Faust ist sie nun erheitert und gestürzt.

Der Mantel Fausti, ein alter Mantel Odins schlau,

entrückt ihm Schützlinge durch Lüfte, Land und Au’.

So wurden Mär’ und Sagen im Wechsel stets erneuert,

das Volk hält fest daran, sein alter Geist erfreuet.


Ob Dampf und Eisen, ob Bismarcks Ruhm als Klang,

der Teufelsbund, das Wotanswerk, wird neu bezwungen lang.

Die Eisenbahnsage ward bald geboren neu,

als Teufelsbündnis galt die neue Bahnfahrt scheu,

um den Preis der Seele, so hieß’s, ward das Werk vollbracht,

und den Letzten, der einsteigt, den hätte Teufel ang’lacht.


Der Sage nach im Mantel Odins, Teufels Ross und Macht,

Wird Helden treu gesandt die Heimkehr über Nacht.

So eilt manch Kreuzfahrer, wie Heinrich stolzer Held,

Zurück ins Heimatland, wo Treue ihn erhält.


Das Ross des schwarzen Gottes, gezäumt und aufgetan,

Mahnt manchen großen Krieger, wann ihm das Ende nahn’.

Walhall wird ihm das Ziel, das Totenreich die Spur,

Wo er nach Ruhm und Ehre lebt in Odins Flur.


Im Berge glänzt der Saal von Gold und Waffenschein,

Dort ruht der König selbst, in Walhall groß und rein.

Erst Friedrich, dann Karl, der weiße Bart, wird wacht,

Und kehrt im schweren Drang zurück bei höchster Macht.


Entrückt in tiefem Schlaf bleibt Dietrichs hehre Schar,

Erwacht in spätrer Zeit bei größter Not und Gefahr.

Das Heldenheer, verzaubert, in stiller Totenruh,

Schläft bis zum Endgericht, dem Sturm der Götter zu.


Im Saal als Wirt und König Odin prangt in Macht,

Der Wal-Küren treue Wahl ihm Helden hat gebracht.

Die Tapferen, die fallen, ziehen heim zu ihm,

In Walhalls stolzem Glanz, in Kampf und Schmaus und Glim.


Der Milde schenkt den Bechern nach schwerem Kriegerschlag,

Besänftigt Wunden gleich, Tag für Tag und Tag.

Im Hof der Kampf entbrennt, den Mittag reiten sie,

Zu Odin und dem Trunk, im Heldenbund voll Müh’.


Das Schildmaiden-Gestalt, mit weißem Arm und Zier,

Die Walküren sind es, die füllen stets das Bier.

Für Ehre, Ruhm und Macht die Herzen froh entbrennt,

Bis Ragnarök uns ruft, das ferne Ende nennt.


Doch Odin selbst im Sturm, als Blitz und Pfeilgespann,

Kämpft für die, die ihm treu, stets wehrhaft, stark und mann.

Im Kampfessturm, der Wut, entfacht er heiß den Geist,

Auf weißem Ross zu zieh'n, wo Feindesfurcht vergreist.


In diesen Ehre lebt, des Kriegers reiner Sinn,

Da Hoch und Glanz und Ruhm im Kampf er stets gewinn'.


Odin durch Sturmesbraus die Lande stark durchwehet,

Zur Frühlingszeit, wo's wächst und Frucht die Erde säet.

Anführer er des wilden Heers, des jähen Jagens Spur,

Das durch die zwölf Nächte zieht in düstrer Flur.


Im Walde treibt er’s Spiel, lässt Bäume furchtlos fallen,

Der Sturm, er bricht sie wild, wie Geister dort sich hallen.

Doch segnend ziehen Mächte hernieder in die Gauen,

Lichtgötter kehren heim, in Asgard sie nur tauen.


So ist er Frühlingsgott, er tötet Winters Drache,

Wie Siegfried, speert den Feind von Ross, das Weiss entsache.

Sankt Martin bringt derweil sein Mantel und sein Schwert,

Dass Heil dem Land gedeih, im Kriegssturm er verehrt.


Als Teufel ward er bald im Christentum verbannt,

Doch brüllt das wilde Heer, die Fruchtbarkeit bekannt.

Selbst gabenreiche Jagd das wilde Heer kann sein,

Wer ihm die Hunde hütet, dem schenkt’s ein’n Erntewein.


Doch wehe, wer den Ruf erwidert in der Luft,

Wird fortgerissen bald in wirbelndem Unschlupf,

Zurückgelassen weit und wirr, dem Wege fern,

Das wilde Heer ihn raubt, wo Geister fliegen gern.


Am Himmel zieht er auch auf ew'gen Sternenstraßen,

Im Irmins-Wagen dort der Milchstraß' nicht verlassen.

So ist er Fuhrmann groß, der Himmelsfelder treibt,

Das Zeichen bleibt uns stets, das ewig Fahr’n beschreibt.


Den Wegen am Himmel entsprechen Bahnen auf Erden,

In den Reichen, wo Menschen durch Landschaften schritten und schwerten.

So zog England ein Weg durch die Lande zur Zeit der Angelsachsen,

Eine "Irmingstraße" nach Norden, der Sterne Pracht zu umfassen.

Auch "Vaetlinga-straet" dort, der himmlischen Bahn sich fügend,

Für Völker und Könige hehr, den Frieden stets schmückend.

Wotan geweiht und heiliger Schutz ihnen stets beschert,

Denn der wandernde Gott der Wege selbst herrscht und ehrt.


Die Weisheit Odins, das Werk und das weite Wehen,

Die göttliche Macht, und das Geheimnis im Streben und Sehen,

Lässt sein Hauch die Knospen im Frühling erwachen und öffnen,

Wenn er küssevoll in die Blüten haucht, dass sie duftend sich lüften.

Auch stürzet er Bäume im Sturme, die alten und großen,

Sein Hauch treibt Helden mutig zu Taten und tapferem Stoßen.

Sieg oder Tod, das Wissen er ihnen verleiht,

Dass Walküren sie nach Walhall führen, in herrlicher Zeit.


Die Sänger, wer wies ihnen das Lied und das Harfenhallen?

Wer anders als Odin, der edle Vater der Sagen und Schallen?

Siegvater und Sangvater ist er, der Schlachten lenkt,

Der den Geist lehrt, die Weisheit ihm wendet und schenkt.

Was die Menschheit an Wissen ersinnt und an Wahrheit erstrebt,

Alles ist Odin, der es uns offen und heilig erhebt.

Sein Wissen der Runen, den Lieblingen stumm doch gelehrt,

Trägt köstliche Kunde, von Volk zu Volk sie nährt.


Retter und Rater, der Rabengott und Runenvater,

Hoch ist und hehr, was Odin ist, weise und wehrhaft, gewaltig.

Lobet ihn in Liedern, ehrt ihn, solange ihr lebt,

Denn einst, wenn ihr fallt, kehrt ihr in Asgards Ewigkeit,

Fröhlich zu wohnen in Walhalls Wonne und seliger Zeit.



FÜNFTER GESANG


Des Donners Kraft entspringt der Erde mächt'ger Hand,

Die Mutter Thor gebar, gezeugt im Fruchtlandsand.

Sein Weib ist Sif, und Thrud, die Tochter, reich an Kraft,

Stammt von ihm ab, als schütz'ge Göttin ihm erschafft.

Sifs Sohn aus früher Ehe, Ullr, steht Thors Schild zur Wehr,

Und durch die Riesin Jarnsaxa wird Thor der Söhne mehr:

Magni, Modi – Mut und Stärke –, Spröss' vom Donnersturm,

So webt die Gottheit sich ins Leben wie ein Wirbelwurm.


Der Name Donar, donnernd, trägt Gewitters Macht in sich,

Doch schützt er Saat und Mensch und alles, was vermehrt durch Fleiß.

Das Wetter wirkt auf’s Feld nicht schädlich, sondern gut;

Ein warmer Regen fällt und schüttet Kraft ins Saatgut.

Nicht Blitze, die die Scheunen treffen, Brand entfacht,

Noch Hagel, der die Saat zertrümmert mit kalter Macht.

Das ist das Werk der Riesen, die Thors Feind ihm sind,

Die ihm den Weg versperren, wo Donars Schutz beginnt.


Thors Hammer Mjölnir, kurz im Schaft und steinhart wie Granit,

Er trifft den Fels, zertrümmert ihn, wo Unfrucht heimatgibt.

Die stolzen Steinhäupter der Riesen erzittern,

Wenn seine Blitze scharf und mächtig nieder splittern.

Die Berge fallen bröckelnd von dem Stein zur Saat,

Der Boden wird fruchtbar, auf dem der Pflug dann fährt.

So wirkt der Donnersturm und schließt den Zyklus ein,

Mit seiner Erdenskraft wächst goldenes Korn im Schein.


Der Donnergott, ein Schützer in des Ackers Weiten,

Des Bauern bester Freund in schweren Erntestreiten.

Ein tüchtiger Sinn spricht hier, wenn Donner rollen geht,

Das Volk erkennt den Freund, der stets zur Seite steht.

Er ist des Bauers Gott, nicht Wotans hohes Ziel,

Des Königs Heldentum, für Throne Stolz und Spiel.


Mit rollendem Wagen zieht er durch die Lüfte fort,

Sein Donnerschlag ertönt, sein Segen weht im Hort.

Nie reitet er, stets geht er selbst mit stolzem Gang,

Wohin der Hammer schwingt, erklingt des Hammers Klang.

Zu Urdars Brunnen schreitend, durch die Flüsse weit,

Wo andre Götter reiten, mit ihm der Hammer streit’.


Gespannt vor seinen Wagen, die Ziegen, arm und treu,

Die „Zahnknister“ und „Knirscher“, begleiten stark und scheu.

Die Ziege folgt dem Mensch auf steiler Felsenbahn,

Bis fruchtbar Land und Stein vereint zu Nutz und Wahn.

Wo Hirten sich vereinen mit Äckern fest und gut,

Da wurzelt auch Kultur in fruchtbarer Glut.


Ein Gott der Bräuche wird er und der Menschenzeit,

Sein Hammer heiligt Braut und Schwelle stets im Streit.

Die Grenzen weit gezogen im Hammerwurfs-Gesetz,

Und frohe Trunkenheit am Friedensbecher setzt.

In Felix Dahns Gedicht schwingt Thor sein Streitgerät,

Sein Hammer fliegt hinaus, das Land dem Herrn verwehrt.


So wird die Erde Germanenland durch Macht,

Des Hammers Ruf erfüllt der Menschen Kraft und Pracht.

In Stein und Weg und Mark, der Brücken heil’ger Bann,

Die Grenzen ziehend weit, als wär's ein Gottesplan.

Am Scheiterhaufen weiht des Hammers heil’ger Schein

Den Toten in der Ruh’, im Frieden still und rein.


Donar, der Gott, im Bild des Bauers steht er da,

Das Volk, das ihn verehrt, ihm festlich immer nah.

In Fleiß und Witz und Wut, wie’s Bauern Herz verlangt,

Er tüchtig schmaust und rast, und führt das Feld in Zwang.

Er ist das Urbild treu, des Nordmanns kühnen Geists,

Er handelt, plump und stark, wie es der Brauch verheißt.


Sein Bild ist breit und stark, mit rotem Bart und Haar,

Die Blicke scharf und fest, sein Glanz den Donner klar.

Der Blitz, der Hammer schwingt in seines Armes Macht,

Die Faust der Arbeit ruht in stetiger Bewacht’.

Er weicht nicht, kämpft dem Stein, der Weg dem Pflug gebahnt,

Ein Gott, der Kraft verleiht und jeden Stolz gewahrt.


Ein Bauer und ein Held, der treu das Land beschützt,

In ihm des Volkes Kraft und reiner Geist verspitzt.

Die Glut des Hammers stark, den Gürtel fest gespannt,

Ist Kampfgeist unermüd’, der nie den Sieg verbannt.


Der Bauer, deutsch und stark, er liebt das Fest und Mahl,

Bei Speis und Trank, da wird ihm niemals etwas fahl.


Auch Thor, der Gott, in seinem Wanken grob und rau,

Spiegelt des Bauern Kraft, sein Magen stark und schlau.

Bei Hochzeitsmahl, Geburt, das Fest, zur letzten Ruh,

Schuf einst das Recht Beschränkung, bremste Kraft im Nu.


In Liedern alt, der Edda Schatz, wird’s klar berichtet:

Thor schlief, und Thrym, der Riese wild, den Hammer sichtet,

Verbarg ihn tief, verlangte Freyas Hand zum Brautgeschenk;

Da Thor, verkleidet, bald im Frauentuch sich schwenkt.

Zum Hochzeitsmahl sitzt Thor als Freya still dabei,

Verschlingt acht Lachse roh und einen Ochsenbrei,

Dazu drei Fässer Met – man staunt und starrt ihn an,

Der Riese wundert sich und fragt, wer solches kann!

Wer je ein Mägdlein sah, das so beim Trank versank?“

Loki, der schlaue Knecht, sitzt nah und flüstert bang,

Acht Tage fastete die Braut in tiefem Wahn,

Vor Sehnsucht nach dem Mann, der heut ihr Liebe gab an.“


Der Hammer kam zurück, und Thor erhob ihn gleich,

Mit Lachen in der Brust und Augen kühl und weich,

Zerschmetterte mit Kraft den Riesen und sein Heer,

Verlieh dem deutschen Bauern seine Kraft noch mehr.


So prahlt des Bauers Kraft, sein Zorn und Gutmüt’ auch,

Ein Bär wie Thor, doch edel, hilft im armen Strauch;

Ein Bauer, sanft, verzeiht und gibt, wo andre stehlen,

Der Gott hilft auch den Schwachen, sich in Müh’n zu quälen.


Thors Kampf ward gerühmt mit dem Riesen Hrungnir schwer,

Ein Stelldichein zum Zweikampf, bei Griôtûn versammelt hehr.

Die Riesen bauten Möckurkalfi, aus Lehm wie Leich' und schier,

Neun Rasten hoch, und drei breit unterm Arm, ihm Herz von Tier.

Doch taugt' es kaum, denn als Thor kam nah', bebend schwand die Macht;

Hrungnir jedoch mit Steinherz und Schild, voll steinerner Pracht.

Sein Kopf aus Fels, sein Schild wie ein Berg, und Keul' aus Stein,

Doch kam Thor selbst mit Thialfi, die Zwist war groß und rein.


Thialfi riet dem Riesen klug, den Schild nicht zu heben,

Von unten Thor den Schlag wohl führ', das ließ Hrungnir beben.

Den Schild warf er nieder und setzte sich drauf,

Und Thor begann den Kampf, in Zornes Asenlauf.

Ein Blitz entfacht vom Hammer ward, zur Keul' gen Himmel brach,

Ein Stück fiel zur Erd' und zeugte Wetzsteinfelsen nach.

Das zweite Stück, es fuhr in Thors Stirn mit wütend' Drang,

Doch Thor, im Sturz, des Riesen Schädel splitternd, nieder rang.


Hrungnirs großer Fuß fiel auf Thors Hals, ihm bang,

Thialfi rang vergebens, den Gott zu heben lang.

Asen eilten herbei, doch nicht half Kraft und Mut,

Magni, Thors Sohn, das Knäblein, er tat das Werk gut.

Drei Winter jung, mit Lachen hätt' er den Riesen gefällt,

Thor kehrte heim, doch der Stein saß fest in seiner Welt.

Grôa ward gerufen, die Zauberin von Rat,

Sie sang ihre Lieder, der Stein im Haupte trat.


Dankend bot Thor ihr Kunde: Er brachte von Norden her

Örwandil heim, ihr Sohn, aus Riesenhaft nicht mehr.

Des Sohnes Zeh' erfroren, am Himmelszelt wurd' Stern,

Doch Grôa, im Freudenrausch, vergaß die Lieder gern.

So steckt der Stein noch immer in Thors hartem Haupt,

Darum soll niemand werfen, was er scharf gebraucht.


Uhland sah in Hrungnir den felsigen Wall,

Dem Ackerbau feindlich, hochgehäuft als Riesenfall.

Das Land, der Ort, wo Thor den Kampf entfacht,

Trennt Stein und Boden, worauf der Bauer lacht.

Thialfi ist Menschenkraft, den Berg von unten nah',

Doch Thor, als Wettergott, der schlägt von oben da.

Möckurkalfi der schwache Lehm, für Thialfi kein Feind,

Der Fels nur durch Thor zermalmend wie Erz zu Staub vereint.


Doch der stürzende Riese verschüttet Thor fast,

Wie Bergrutsch die Acker, die Mühe beinah' verprasst.

Durch Magni ward er gerettet, jung und voll Wut,

Des Ackerbaus Hoffnung, voll Asenkraft, voll Mut.

Der Stein im Haupt, wie Pflug das Feld noch stößt,

Doch Grôa, die Saatkraft, sich vergeblich drüber erlöst.

Örwandil, der aufspießend mit Keim und Frucht,

Thors Huld im Winterkorb vor Frost er ist klug bewucht’.


Goldmähn’ das Ross, Thor seinem Sohne gab,

Zum Lohn fürs Land, des Ackers wogendes Grab.

Thor ward im Volke als Herkules verehrt,

Wie Jupiter, Zeus, und Donnern gar gewährt.

Der Donnerstag, Zeus’ Tag, bleibt heut’ sein Ruhm,

Thor, Höllenhund bändigend, fuhr in Hels Reihn zum Ruhm.


Mit Loki und dem treuen Thialfi Thor zog einst hinaus,

Gen Riesenheim zum Walde, wo die Nacht bricht aus;

Im Dunkeln fanden sie die Hütt’ als Schlafgemach,

Als Mitternacht dann kam, ein Beben sie erwach’.


Die Wände schwankten wild, der Anbau schien als Hort;

Und im Frühlicht fanden sie, welch riesig Mann lag dort.

Er schlief und schnarchte laut, das Beben kam daher,

Als er erwachte, sprach er: "Ich bin Skrymir, hört her!"


"Thor, du bist mir bekannt, doch frag ich dich sodann,

Wo hast du meinen Handschuh, Asa, zeig mir an!"

Da griff er nach dem Haus, das sie in Furcht umfing,

Ein Handschuh war’s allein, sein Anbau – kleiner Ring!


Sie reisten weiter nun, zu dritt in Wald und Flur,

Unter einer Eiche lag ihr Nachtquartier zur Ruh’.

Thor zerrte an dem Bündel, das der Riese fest verschnürt,

Doch all sein Kraft und Mühen blieb unberührt.


Mit Hammer schlug er drauf, doch Skrymir schlief wie Stein,

Er wähnte nur im Traum, es fiele ihm ein Hain

Von Eicheln auf das Haupt; und am Morgen trennten sich,

Skrymir gab Rat: Im Schloss verhaltet euch gemüthlich.


Sie kamen bald an Utgards Tor, doch war’s verriegelt fest,

Durch Stäbe schlich sich Thor, dem demütig ward der Test.

Utgardloki, König dort, mit kaltem Gruß sie trifft:

"Was, Asa-Thor, so klein? Dein Ruf ist falsche Schrift!"


Nun hob das Wettrennspiel und Schauern an der Kraft,

Gegen Loki trat Logi, des Hungers wildes Schaft.

Sie schlangen Fleisch und Bein, doch Logi tat noch mehr,

Er fraß das Holz und Trog, ließ nimmer Reste leer.


Thialfi flog im Lauf, doch Hugi überwand,

Und Thor, das Horn zu leeren, hielt’s kaum in der Hand.

Drei Schlücke forderte man, doch war das Horn gefeit,

Kaum senkte Thor den Stand, trotz aller Riesenheit.


Dann trug man ihm die Katz’, die graue, auf zum Test,

Er hob nur einen Fuß, so sehr er auch sich presst.

Zuletzt im Ringen noch, ein altes Weib ihn schlägt,

Elli, das greise Amme, sie stets unerschüttert steht.


Am Morgen, bei der Trennung, die Täuschung deckt er auf,

Ein Blendwerk all die Kraft, ein Zeichen der Götterlauf.

Der Handschuh fest verbunden, der Hammer stieß an Stein,

Und Logi – wilder Brand, des Blitzes flammend Schein.


Das Horn verband zum Meer, die Ebbe war sein Werk,

Die Katz’, die Schlange selbst, die Welt umspannt und stärkt.

Und Elli, stark im Alter, das Unvergängliche lobt,

Das, wie Utgardlokis Reich, am Tod die Treue probt.


So wandert Thor, das Bündnis bleibt er zäh verfall’n,

Vom Feuer und vom Alter stets in Erinnerung hall’n.


Am Ufer greift er rasch den roten Vogelbeer

und schwingt sich an das Land, wie sagten stets sie her:

"Der Vogelbeerstrauch, das ist Thors Rettung klar."

In Geirröds Halle war ein Stuhl nur offenbar;

kaum setzt sich Thor darauf, da schießt er gegen’s Dach.

Doch Thor stemmt Grids Stab auf, verwehrt dem Stuhl den Krach,

drückt ihn zurück zum Grund mit Kraft und reiner Macht,

bis Schreien schallt und Krach die ganze Halle macht.

Die Töchter Geirröds, die, genannt Gialp und Greip,

erwischen's hier - sie heben’s an und brechen’s gleich im Leib.


Im Spiel des Kampfes wirft der Riese Eisenstahl,

doch Thor, mit Handschuh' fest, fängt ihn im Himmelsstrahl.

Geirröd flieht rasch dem Pfeiler zu, doch Thor lässt los,

der Keil durchdringt den Leib und hämmert außen groß

zur Erde nieder, durch des Hauses starke Wand,

womit der Riese fällt, besiegt von Thors Gewalt, gebannt.


Wie Uhland sagt, ist Geirröd Dämon flammend Heiß,

im Sommer gar verheerend, da mit Blitz er kreischt.

Sein Töchterpaar sind jene Ströme, wild und laut,

die Ackerland vernichten, überschwemmen Land und Haut.

Doch Thor, er kam, sie zu befehlen, Sturm und Braus,

sein Hammer nicht bei ihm, das Glüh’n sei nicht sein Haus.

Er kämpft als Gott, mit bloßer Hand und Griff von Stahl,

denn nicht ihm eignen Blitz und Hitz in solcher Zahl.


Da erbleichte der Riese, die Farbe wich ihm sacht,

Als er den Drachen sah in dunkler, finstrer Nacht;

Im Boot die Fluten schäumten, tobten wild umher,

Und Thor, er schwang den Hammer kraftvoll, wuchtig, schwer.


Da sprang der Riese zu ihm, zerschnitt das Angelschnur,

Der Wurm versank im Wasser, bewahrt vor Hammers Spur.

Thor warf ihm noch den Hammer tief ins Wogenmeer,

Man sagt, dass er das Haupt ihm schlug, doch kehrt' er her.


Doch wahrlich,“ raunt die Sage, „lebt die Schlange fort,

In dunklen Meerestiefen, verborgen, ungestört.“

Der letzte Kampf, so deutet’s, naht einst Thors Gewalt,

Wo Riesenfeind und Schlange treffen – heiß und kalt.


Und anders klingt die Sage, im Hymis-Lied gar alt,

Der Meergott Ögir fordert, sein Groll wird nicht verhalt'n,

Dass Thor den Kessel hole, fürs Brauen, wohl zur Feier,

Doch will er seine List, die Frechheit zeig’ als Freier.


Die Asen ratlos stehen, kein Kessel ist bekannt,

Da sagt Tyr zu dem Donnergott, ein Ort ihm wohlbekannt:

Im Osten lieg’t Hymir, der Riese, rau und hart,

Der Kessel tief wie Meilen birgt, der den Becher spart.


Thor und Tyr sie reisen, dem Riesen Haus entlang,

Da trifft Tyr die Großmutter, schrecklich und nicht lang,

Sie hat neunhundert Häupter, des Enkels graut vor ihr,

Doch eine goldene Frau zeigt wirtlich das Quartier.


Und Hymir kehrt zurück, mit Bart wie Waldes Raum,

Der Riese tritt zur Halle, die Wände brechen kaum;

Die Säulen krachen nieder, acht Kessel sind dahin,

Nur einer bleibt ganz heil, der Kessel bleibt Gewinn.


Da sieht Hymir die Gäste, und schwer, sehr widerwillig,

Bereitet Mahl und Speisen, die stieren ihm gar billig.

Zwei Stiere frisst der Donnergott, er gibt sich nicht bescheid,

Muss fischen, um das Mahl zu füllen für heut' erneut.“


Am Morgen zieht er Wale, zwei Stücke, reich die Flut,

Und Thor die Schlange findet, doch stört kein Riesen-Mut.

Der Wurm, er taucht und windet, dem Wasser tief geweiht,

So lebt der Riese weiter, Hymir, mit hartem Streit.


Er lässt Thor nun entscheiden, das Boot soll Thor verknüpfen,

Doch hebt der Gott es schroff samt Fischen ohne Klüften.

In Hymirs düstre Höhle trägt Thor das ganze Schiff,

Dem Riesen wird es bang, er weicht dem Göttergriff.


Dann fordert ihn der Riese, den Kelch ihm zu zerschlagen,

Doch Stein und Säul'n sie brechen nicht, der Kelch mag’s noch ertragen.

Die Riesenfrau, sie flüstert: „Wirf’s an des Riesen Kopf“,

Thor trifft – und jener splittert, der Kelch zerschellt vom Schopf.


Der Riese spricht verzagend: „Nun ist mein Kessel hin,

Die Götterkraft, die siegt, mein Ehr nicht mehr gewinn.“

Nun hebt der Donnergott den Kessel über sich,

Tyr folgt mit tapfrem Schritt, die Asen fürchten nicht.


Doch Thor schaut sich bald um, sieht folgen vielgesichtig

Ein Volk aus östlich’ Höhlen – er schwingt sich tüchtig,

Hebt Mjöllnir an zum Schlag, das Felsgezücht zerspringt,

Hymirs Gefolge flieht, von Thors Hand nieder sinkt.


Die Sage lebt in Märchen, der Riese hässlich, hart,

Doch oft hilft ihm die Mutter, wie’s Rat und List bewahrt;

So ist das alte Lied, wo List dem Helden gut,

Und dunkle Feinde fallen vor Stärke, Mut und Blut.



SECHSTER GESANG


Tyr, der Gott des Krieges, von Odins Geist entfacht,

Ein Abglanz seiner Kraft, die zu den Kämpfen lacht.

Odins Wille führt, in Schlacht und Rausch zugleich,

Erfindet Heerestricks und formt der Krieger Reich.

So wird Tyr Sohn genannt, ein Ausfluss klar und rein,

Von Odins Wesen strömt er, hell im Götterhain.

Mit Tyrs Namen schmückt sich Odin, mutig, kühn,

Hanga-Tyr und Hreida-Tyr soll’n unsrer Sagen blüh’n.


Der Krieg selbst, das Schwert, zeigt Tyr im Glanz und Zorn,

Von Schwertern einst gerufen, wurd’ er göttlich geborn.

Den Quaden, Suevenschaft, bei blankem Stahl geweiht,

Gab Tyr die Macht und Kraft, die Ehre und das Leid.

Das Schwert, so heilig, galt als Gottgeweihter Bann,

Der Cherusker Stolz, der Heruler daran.

Im Zeichen kühner Kraft, das Schwert allein geweiht,

Verlor Tyr seinen Arm und ward so hart erfechtet im Streit.


Tyrs Name glüht im Schein, wie Zeus und Djus-Pater,

Vom Himmelsdach so rein, des Tags Herrscher und Vater.

Ein leuchtend Gott, in alter Sanskritwurzel Klarn,

Gleich Zeus’ Glanz und Licht, ein funkensprühend Garn.

Dem Dienstag gab er Namen, Tys-Tag nennt man’s gern,

Nicht Dienens Tag, nein, tapf’ren Mut erkennt man fern.

Schwaben, Alamannen, priesen ihm zur Ehr’,

In Augsburgs heil’ger Stadt, sein Name klang noch mehr.


Die Rune zeigt sein Zeichen, ein Schwert im klaren Strich,

Das Siegesmal im Stahl, die Klinge hart und schlicht.

In Waffen war’s geritzt, das Zeichen wies den Sieg,

Ein Huldigung für Tyr, im hehren Kampf ein Krieg.

Als “Zeter” man ihn rief, der Kriegsgott eilend kam,

Im Schrei nach Schutz und Wehr, Tyr hielt die Waffen stramm.

So folgten ihm die Alten in dichten Reihen fort,

Das Volk gab ihm die Ehre an jedem heil’gen Ort.


Und als im Christentum Erzengel Michael schritt,

Da schwang er, Tyrs Gestalt, sein Schwert und scharfes Britt.

Den alten Kriegstanz noch, zu seinen Ehren weit,

Bewahrte Michaels Bild im neuen Glaubenskleid.

Doch Tyrs uralter Ruf, im Schwert verewigt wohl,

Erklingt in Siegesmärchen und alter Heldenroll’.

Ein Gott, so wichtig, doch im Fragment allein,

Erzählt man eine Sage von ihm, im Zwielichtschein.


Der böse Loki zeugte mit Riesenweib drei Kind’ –

Hel, Midgards Riesenwurm, und Fenris, Wolfeswind.

Die Götter, wissend bald des Unheils dunkle Saat,

Schlugen die Brut in Ketten – doch Fenris blieb der Pfad.

Tyr fütterte den Wolf, von allen mutig nur,

Ein Gott, der sich dem Feind als einz’ger still ergab.

Doch mächtiger wurd’ Fenris, trotz starker Ketten, fest,

So dass nur Tyr im Opfer ihn letztlich bändigen lässt.


Die Götter schmiedeten bald ein stärker neues Band,

Das noch viel mehr als das erste den Wolf einfangen kann.

Sie reizten ihn dabei, sich jenes Band anzulegen,

Und sprachen von Ruhm, der ihm ewig sei zu eigen.


Der Wolf sah wohl, dass die Fessel war stark und schwer,

Doch hoffte, gewachsen sei seine Kraft noch mehr.

Ohne Gefahr gibt’s keinen Ruhm für mich,“ sprach er,

Und ließ sich erneut binden, fühlte sich stark und hehr.


Doch als sie ihn fesselten, schüttelte er sich bald,

Die Kette flog fort, in Stücken zerfiel sie kalt.

Da bangten die Götter, dass ihn nichts zügeln kann,

Bis Odin zu Skirnir sprach, dem treusten Mann.


Nach Svartalfaheim schickte Odin ihn, um dort

Die Zwerge zu fragen, kundig in Zaubers Wort.

Gleipnir, das Band, schmiedeten jene sodann,

Aus Schall von Katzentritten und aus Frauenbart getan,


Aus Wurzeln der Berge, der Sehnen des Bären,

Der Fische Stimme und Vögelspeichel – so das Begehren.

Das Band, es ist weich, wie Seide nur,“ klangen die Worte,

Und die Asen dankten Skirnir an dieser Orte.


Sie boten dem Wolf das Seidenband als Test,

Doch er sprach klug: „Ist dies Band ohne Zauberrest,

So bringt’s mir kaum Ruhm, wenn ich’s breche sogleich,

Ist es verzaubert, bin ich nicht töricht und weich.“


Die Götter antworten listig und ohne Scham:

Bist du so schwach, dass das Band dich fesseln kann,

Dann lassen wir los, da du uns nicht kannst schaden;

So wirst du frei und ohne Gnaden.“


Doch der Wolf sprach weise: „Sobald gebunden ich bin,

Werd’ ich verachtet, ihr lasst mich nicht, kommt nicht hin.

Doch will ich’s wagen, damit ihr nicht sprecht, ich sei feig;

Doch gebt als Pfand eine Hand, die ihr in meinen Rachen legt.“


Da sahen sich die Asen zögernd an,

Bis Tyr, der Tapfre, mutig vortrat sodann.

Er bot seine Hand dem Untier dar,

Das Band wurde straff und fest, wahrlich wahr.


Der Wolf tobte, das Band jedoch hielt,

Je stärker er wütete, desto mehr es versiegelt.

Die Asen lachten, doch Tyr blieb stumm,

Denn der Wolf biss zu, das Opfer ward stumm.


So war das Untier nun gänzlich gebannt,

Die Götter nahmen das Band in die Hand,

Zogen es fest durch steinernen Grund,

Verschlossen den Felsen tief in der Erdentund.


Ein Schwert wurde ihm fest in den Rachen gestellt,

Sein Maul blieb gesperrt, sein Heulen gellt.

Ein Fluss aus Geifer strömt aus seinem Mund,

So liegt er bis Ragnarök zur Stund’.


Dann endlich bricht die Kette entzwei,

Der Wolf wird rennen, die Welt in Schrei.


Doch schwer ist’s zu deuten, was Sage hier meint,

So viel ist verborgen, was der Geist nicht vereint.

Die Namen und Orte, was jeder Fels soll sein,

Das Spiel der Fantasie fügt es kühnlich hinein.


Der Name „Fenris“ bleibt geheimnisvoll ganz,

Ob tiefes Meer, Sumpf oder feuriger Glanz.

Sechs Dinge schmiedeten das Band, ohne Klarheit darin,

Selbst die Edda scheitert, sie findet keinen Sinn.


Die Frauen bartlos, die Berge wurzellos kalt,

Der Katzentritt schallt leise, Bären haben Kraft im Halt.

Doch können wir sagen, wie Fenriswolf sei?

Das bleibt verborgen, bis Ragnarök sei.


Der ries'ge Wolf, das Ungeheuer, drohend und zerstört,

Er lechzt nach Untergang und schlägt was Recht gehört;

Den Göttervater selbst am Ende er verschlingt,

Wenn nicht das wahre Recht ihm Grenzen zwingt.


Umsonst mit Kraft die Götter ihn bändigen stets,

Er schüttelt jede Kette ab, durchbricht ihr Gehege stets.

Doch gibt’s ein stärkres Band, ein zartes, kaum geseh'n,

Ein seidenweiches Recht, das hart im Widersteh’n.


Der Rechtsbruch fesselt sich, je mehr er widerstrebt,

Ein Netz umschlingt ihn fest, das ohne Schwert erhebt.

Das Band ist unsichtbar, doch stark wie Erz und Stahl,

Es bricht, so lang die Götter treu sein Ideal.


Ein Übermut des Wolfs zeigt ehrliche Gestalt,

Doch plumpe Selbstsucht ihm ins Antlitz ewig prallt.

Durch list’gen Zwang die Götter ihn bezwingen gar,

Doch zahlt die List am Ende, bricht ihr Recht sogar.


So bleibt das Bild des Wolfes ewig uns gewiss,

Der Rechtsbruch friedlos irrt, in alter Sagen Riss.

Vargr, der Räuber-Wolf im Heiligtum allein,

Ist Sinnbild starker Macht, von Recht gebannt zu sein.



SIEBENTER GESANG


Freyr-Frô, ein Gott der Sonne, des Segens und des Lichts,

Herr über Fruchtbarkeit, Kinder und Ehestandspflicht.

Wie seine Schwester Freya aus den Wanen entsprossen,

ward durch Vertrag er zu den Asen verschlossen.

Njördr, sein Vater, der reiche Licht-Gott aus Küstengebieten,

den Wanen geopfert, den Asen als Geisel vermieten.

Die Meeresbuchten, die Häfen voll reichlichem Fisch,

seine Hallen und Heiligtümer, die segensreich frisch.

Der Wind folgt ihm, dem Küstengott voller Macht,

den Seefahrer rufen, wenn der Sturmwind erwacht.


Niördrs Schwester, die Erdmutter Nerthus genannt,

war Freyrs Mutter und ihm seit Urzeit bekannt.

Geschwisterbund ward in Mythen zur Regel gemacht,

doch Menschen hielten die Sitte schon lang nicht mehr in Acht.

Der Gott der Sonne, Freyr, strahlt wärmend und mild,

lenkt Sonne und Regen, dass Ernte sich füllt.

Alf-heim, das Reich der Licht-Alben, sein Licht, sein Schein,

ein goldborstiger Eber, geweihtes Tier, ist sein.

Zum Jul-Fest im Winter, wenn Sonne siegt,

seine Glorie das Jahr neu im Kälte besiegt.


Man weiß nicht genau, ob Freyr dem Schifffahrtsglück galt,

doch auch er fuhr auf Skidbladnir, dem Zauberschiff allgewalt,

das sich wie ein Tuch zusammenschlägt und sachte

durch die Lüfte wie über die Wasser sachte entfacht.

Freyr, der friedliche Gott, gibt Fruchtbarkeit und Ruhm,

man rühmte sein Reich einst in Friedensblum’.

König Frôdi in alter Zeit war sein Sohn,

er brachte Opfer und hielt Freyrs Thron.

Frieden und Segen bewahrten das Land,

und niemand war’s, der ohne Recht einen Schatz an sich band.


Doch auch Frôdi ward zur Habgier verdammt,

so dass seine Mägde unermüdlich gemahlen entflammt.

Fenja und Mensa, von Riesen abstammend,

mahlten in Grottis Zaubermühle, Frieden erzwingend.

Doch bald, aus Zorn und Wut, ein Heer sie ersannen,

das des Frôdi Tod und Schätze errangen.

Der Wiking nahm Grotti und die Mägde mit,

ließ sie Salz mahlen ohne Ruh’ und Tritt.

So sank das Schiff, das Salz floss in den Schlund,

das Meer ward salzig, durch Habgier geschwund’.


Yngwi-Freyr ward er genannt, ein Gott in alter Zeit,

Von Yngling'n stammt er ab, den Norwegern zur Freud'.

Als König dann bedacht, ward Schweden ihm geweiht,

Er brachte Frieden, Glück und Segen weit und breit.

Sein Tod blieb lang verheimlicht, den Schweden täuscht' man gut,

Im Hügelhaus er wohnte, in Grab und voller Glut.

Man schob durchs Fenster Schätze, Gold, Silber, Erz gar viel,

Und sagte: "Er ist noch da, des Landes Glück und Ziel."

Drei Winter folgten so des Friedens heiliges Band,

Bis Frost und Schnee entwichen und Sonne strahlt' ins Land.

Verschwand der Gott im Berg, so wie die Sonne geht,

Im Winter tief verborgen, im Frühling neu ersteht.


Ein anderer Held, gar wundersam ins Land gebracht,

War Skeáf, der Sohn des Meeres, von Göttern selbst erwacht.

Ein Knäblein in den Schätzen, umgeben von dem Stahl,

Im Boot, das führerlos glitt über See zum Strandental.

Dort fand man ihn und staunte, so göttlich seine Art,

Man zog ihn auf, gab ihm den Namen "Skeáf" als wahre Fahrt.

Zum König ward er bald, herrschte weis' und klug,

Und gebot, sein Boot trag' ihn heim ins ferne Land genug.

So ward die Schwanensage einst in Liedern kund,

Ein edler Reiter kam, auf Schwanenflug zur Stund'.


Von Freyrs schönster Sage wird berichtet wohl bekannt,

Skirnirs Fahrt, die nach Riesenheim in unseren Büchern stand.

Auf Odins Hochsitz Freyr erblickt der Maid Gestalt,

Gerda, Gymirs Tochter, schön und leuchtend, frech und kalt.

Da ward in ihm geboren ein Sehnen sonder Ruh,

Doch traurig kehrt' er heim und blieb stumm in seiner Schuh.

Der Vater, tief besorgt, fragt treu den Freund um Rat,

Skirnir geht zu Freyr und spricht: „Was plagt dich, junger Rat?“

Erst abweisend in Worten, doch dringt Skirnir tief,

Bis Freyr gesteht sein Leiden, das ihm die Seele rief:


Im Norden seh' ich wandeln mein teures Maienbild,

Doch keiner will, dass ich mit ihr das Leben stillt.“

So bittet er den Freund, die Maid ihm herzubringen,

Mit oder ohne Willen, er wolle reich ihn ringen.

Das Schwert, das selbst sich schwinget, so bat Skirnir als Lohn,

Und dass das Ross ihn trage zu Gerdas Riesenwohn.

Dann steigt er auf das Ross und spricht zum treuen Tier:

Dunkel liegt der Pfad, doch voller Mut sind wir.

Entweder wir vollenden, oder wir gehen zugrund',

Doch wagend reiten wir, trotz Todes dunklem Grund.“


In Riesenheim nun dringt Skirnir mutig ein,

Von Hunden stark bewacht, die Tore liegen klein.

Den Viehhirten fragt er klug, ob er die Maid wohl sieht,

Doch jener warnt entsetzt vor dem, der solch Wagnis zieht.

Doch Skirnir drängt voran, trotzt Flammen, Wild und Hund,

Bis dass das Tor er öffnet, ihm bebt der Hallen Grund.

Gerda sendet ihn ein, den Gast mit mildem Trunk,

Er spricht: „Ich werbe für Freyr, des Liebes süß Gespann!“

Doch schroff die Maid ihm wehrt und spricht von Beli scharf,

Kein Mann wird je mein Eigen, sei gold'ner Schatz sein Garf!“


Doch Skirnir zeigt das Schwert, die Runen hebt er hoch,

Und droht mit Zauberworten in wildem Anflug noch.

Wählst du nicht Freyr zum Gatten, trifft dich ein Fluch so hart,

Kein Mensch wird je dein Eigen, dein Leben kalt und starrt.

Denn wagtest du zu trotzen, was selbst die Runen künden,

Wirst ohne Licht und Liebe im kargen Leid verschwinden.“

So schwankte Gerda dann, und Freyrs Wunsch ward ihr Los,

Er schickte sie zur Halle, in seines Herzens Schoß.


Zauberrunen schnitzt er in Hölzer mit mächtiger Klinge,

Riesen runzelt er Zeichen, die unheilvollen Gedanken.

Schweigt sie nicht, die Maid, vom grausigen Fluch des Riesen,

drohen Leiden ihr, die alternde Jungfrau allein zu binden:

Sehnen voll Ohnmacht, Ärger und grimmig nagende Unrast.

"Odin zürnt dir, Asenkönig, auch Freyr dich verfluche!

Zornig bist du, unsel'ge Maid – gib nach, eh’ dich beengt

zauberischer Bann; gibst du nach, so lösch’ ich die Runen,

die tief ich schnitt in den Stab, das Grauen abzuschneiden."


Schwach geworden und weichend, gibt die Maid nun nach,

reicht dem Boten den Kühlkelch, gefüllt mit gereiftem Met,

gelobt ihm in neun Nächten, im Walde des stillen Pfades,

Freyrs Liebe zu weihen und sein Brautgemahl zu sein.


Freyr harrt voller Ungeduld und Sehnsucht des Freundes,

rief ihn vor dem Tor, kaum kehrte er heim, ihm entgegen:

Ehe den Sattel du löst und die Füße fest auf Erde setzt,

sprich: Was hast du vollbracht in der kalten Welt der Riesen?”

Skirnir antwortet ihm, der Erfolg erhellt Freyrs Angesicht,

doch seufzend spricht er: „Lang ist die Nacht und länger zwei,

wie soll ich gar drei überdauern im harrenden Sehnen?

Mancher Mond schien nicht so lang wie eine Nacht voll Geduld.”


Doch mancher Zug, den die Sage webt, bleibt unergründet;

viele Reime hier, um des Wohllauts willen gedichtet,

tönen voll Bild und Glanz; so reicht dichterische Kunst

manches bloß zur Zierde der stürmischen Werbung des Sonnengotts,

um die kalte Erde zu werben, die Winterverhüllte.

Skirnir, der Freund, sein Bote, der Frohsinn und Licht bringend,

zerschlägt mit strahlendem Schwert den Frost des Winters,

Gymir fällt, der eisigen Kälte treuer Verbündeter,

doch Gerda, die von Riesen bewacht, trotzt der Sonne.

Ihre Blicke glühen gleich Feuern, von Winter umfangen,

brüllend heulen die Winde, Hunde der eisigen Stürme,

wollen den Gott der Sonne von der Erde fernhalten.

Äpfel der Fruchtbarkeit und ein Ring des Segens bot er,

doch die Maid starrte kalt, wie der Winter sie noch hielt,

hört nicht auf Sonne, nicht auf den Segen des Lenzes,

droht vielmehr mit der Macht des Vaters, des Winterriesen,

den sie mit festem Willen und treuer Wache beschützt.


Da endlich greift er zur letzten Gewalt der Runen,

welche die Erde zwingt, die Werbung des Frühlings zu dulden:

Zornig droht ihr Allvater und der Fluch der Asen,

will sie den heiligen Lauf der Götter nicht ertragen.

Freudlos und ohne Gatten bleibt sie, umhüllt von Frost,

schwer von Leid und ohne Frucht, mit Trauer belastet,

unvermählte Jungfrau, verlöre sie jeden Lebensschein,

außer sie fügt sich dem Ruf des sehnsüchtigen Frühlings,

nimmt den Sonnengott auf in Barri, den stillen Wald,

wo nach neun Nächten das Korn der Knospe erwacht,

und die Saat sich hebt zu grünender Fülle des Frühlings.


Erschlägt Freyr Beli einst mit dem Gehörn des Hirsches,

scheint’s, dass im Hornung, wann Hirsche abwerfen ihr Gehörn,

schon die Macht des Lenzes den Frost des Winters zerbricht,

doch sicher nie im kalten Norden, der Sage Ursprung.

Doch wabernde Flammen umringen Gerda wie Lohe,

und das Reich, in das Skirnir dringend die Wege sucht,

gleicht einem Reich der Nacht, der ruhigen Totenwelt,

wo schlummernd die Erde liegt in umhüllendem Schlaf.

Einst mag wohl Freyr selbst um die Jungfrau gezogen sein,

tötet dann selbst den Bruder der Maid, nicht Skirnir.

Vielleicht ward diese Aussendung des Freundes später gesponnen,

der das Schwert leiht, das heil’ge, und die Braut ihm gewinnt,

schafft so die mannigfaltigen Sagen der treuen Freundschaft.



ACHTER GESANG


Wie Freyr ist auch Baldur, des Lichts ein stolzer Gott,

Mit Sonnenglanz begabt, doch ander’n Sinn er hat.

Nicht Erntesegen bringt er, wie Freyr dem Feld gewährt,

Der Frühling wird zu ihm als Quelle eingekehrt.

Das Licht des jungen Jahrs, das wachs’ und blüh’n beginnt,

Und sterben muss er dann, wann sich das Jahr verrinnt,

Wenn Nächte sich mehren, der Tag zurückeweicht,

Am Sommersonnenwend die Welt ihm finster reicht.

Das Fest des Johannes, die Kirche wählt den Tag,

Des Heilands Künder war er, des Lichts sein frommer Schlag.

Im Sommer solch Feuer auf Gipfeln lodert hell,

Wie Baldurs Totenfeuer dem heiligen Bilde gesell’.

Osterfeuer flammen, wie in alten Zeiten Brauch,

Da stirbt des Winters Frost im lodernden Gebraus.


Die Sehn’sucht nach Licht wuchs in dunkler Waldesnacht,

Im Norden harrte lang die Seele auf den Tag;

Die Baukunst frostig kalt, das Heim ein karges Glück,

Der Sommer bringt das Leben und Lebensfreud’ zurück.

In Fest und Spiel vereint, im Siegesruf geweckt,

Der Gott des Maien treibt den Winterriesen weg.

Der Kampf des hellen Lichts, das bald in Baldur lebt,

Im lichten Frühlingsschein das dunkle Grab ausheben.


Hier findet also er selbst den Spruch, befragt nicht das Gericht,

Im Wege des Vergleichs ergeht’s, kein Urteil weicht der Pflicht.

Die Götter haben ihren Sitz beim Brunnen tief und klar,

Wo Odin selber thront, der Herr des hohen Rach’altar.


In einer schönen Sage wird erzählt vom Friesenrecht,

Zwölf Rechtssprecher treiben dort auf Meer in Booten leicht,

Sie finden weder Land noch Recht im wogenden Geleit,

Das Schiff im Zweifel irrt dahin, und keiner kennt den Weg.


Sie bitten einen Dreizehnten, den Führer, sich zu nah’n,

Der sie zum festen Lande führt und lehrt das Rechtsverfahr’n.

Da sitzt er plötzlich hinten auf, ergreift das Steuer fest,

Geleitet sie durch Wind und Wog’ zum Ufer ohne Rest.


Am Land wirft er die Axt sodann, die auf der Schulter lag,

Ein Quell entspringt, wo sie fällt nieder, ein Wunder ohne Frag.

Da setzt er sich, die Zwölf um ihn, das Recht, er lehrt sie klug,

Als zwölf sie weitergehen dann, der Dreizehnte sich trug.


Der Unbekannte war wohl einst der höchste Gott, Odin,

Doch später ein besonderer Gott, dem Recht ward zugeschrieb’n.

Auf Helgoland die Kunde lebt, dort hiess das Land „Fosites Ort“,

Ein heilger Brunnen sprudelte, man sprach das Wasser fort.


Sankt Wilibrord, der wagte es, die Heiden dort zu tau’n,

Der Zorn des Volks ergriff ihn fast, doch konnte er entlauf’n.

Sankt Liutger brachte Christentum auf heiligen Inselgrund,

Noch heute heisst’s das heilige Land, geweiht in Gottes Bund.


Von Baldurs Tod, in andrer Schrift, sei später wohl erzählt,

Sein Name seltner greifbar hier, in Deutschland wenig zählt.

Viel Ortesnamen, die nach Phol den Baldur wollen rühmen,

Gehen auf Pfahl und Grenze zurück, den Römerhag zu zähmen.


So bleiben uns als Zeugnis nur die alten Zaubersprüche,

Die Worte für Verstauchung gar, in Sagen wie in Büche.


Vol und Wotan fuhren aus, zu Holze war der Weg,

Balders Fohlen lahmte, ein Schmerz sein Füßchen schräg.

Da sang Sinthgunt, die Sonne, die Schwester ihm ein Lied,

Fraue Volla sang darauf, die Schwester, wie man sieht.

Da stimmte auch Wotan an, mit heil’ger Macht und Wort,

Dass Bein zu Beine fände, das Blut am rechten Ort.

Die Glieder sich verbinden, wie von Leim geeint,

Dass Heilung sie durchströme, das schmerzend' Tier vereint.


Daraus sehen wir, dass Volla als Friggs Schwester gilt,

Und Sinthgunt, noch unbekannt, ein Himmelslicht verhüllt.

Vielleicht ein Stern, die Sonne wohl, wie auch Sol genannt,

Im Norden als Asin, im Weiblichen erkannt.



NEUNTER GESANG


Baldur wird einst durch seines Bruders Hand geschlagen,

Hödurs Unschuld, angestiftet von Lokis Plagen.

Ein Wesen halb so asisch, halb Riese, halb Wut,

Die Flamme, die oft schürt, dann verderben tut.


Der Name, dem Sanskrits Leuchten Ursprung gibt,

Mit lux und leukos verbunden, stark verknüpft.

Nicht ein "Beender" sei Loki, schließt man klug,

Doch Feuer, das Menschen nicht missen im Flug.


Er wohltätig, doch tückisch und wild im Streit,

Zwiespältig im Wesen, wie Flammen zur Zeit.

Den Göttern gehörig, wenn's segnet und wärmt,

Doch entbunden, treulos und tückisch verzehrt.


So war Loki listig, der Götter Gefahr,

Und sie plagte die Treue, stets wahr und klar.

Farbauti, des Riesen Sohn, Laufey zur Mutter,

Flüchtling aus Wasserflut, ein Boot sein Gutter.


Oft mit Odin, Hönir, der Lüfte drei,

Wandelnd als Elemente, Luft, Wasser, zwei,

Doch als "Blutsbruder" ward Treue beschworn,

Bis Loki, listig, die Treue verlor'n.


Erst ratend den Göttern, gefährlich doch wahr,

Dann böse geworden, schädlich und klar.

Bis er schlich, wie ein Feuer im Gras verborgen,

Dem Götterlieb Baldur das Leben zu borgen.


Logi, der Feuer-Riese, sein Gegner oft,

Zwei Flammen sich messen, doch Loki ruft.

So schaffen die Mächte das Leben in Blut,

Doch Loki bringt Leidenschaft, wärmt und tut.


Thors Hammer geraubt, das Freyerschiff bot,

Durch List die Zwerge im Dunklen erlot.

So bleibt Loki zwiespältig, Segen und Pein,

In jedem Funken Leben und Tod zugleich fein.


Allein doch arglistig trieb er ein böswilliges Streben,

Hielt ab die Vollendung des Werkes in göttlichem Leben.

Mückengestalt nahm er an, stach den Zwerg, der den Blasebalg zog,

Kurz blieb der Schaft am Hammer, der Thor doch so kräftig verbog.


Zum Bauvertrag riet er den Göttern mit riesischer List,

Und als Gefahr sie bedrohte, er Meister der Tücke ist,

Durch schlauen Plan, den die Asen zwar schuldbewusst gutheißen,

Verschont er sie, indem sie ihm dafür Treue beweisen.

Wie Freya bot Idun die Äpfel, die Jugend erhalten,

Preis gab er den Riesen, ließ so die Götter er altern.


Endlos schlich Loki, das Unheil, durch göttliche Hallen,

List war sein Treiben, Betrug, Rat gefährlich, den Asen zum Fallen,

Vermochte doch zumeist die Riesen als Ziel seiner Tat,

Doch brachte den Göttern auch argen Schaden der Rat.

Baldurs Mord dann beging er, den finsteren Schlag gab er frei,

Dass Götterdämmerung drohe, das schicksalsschwere Geschrei.


Strafe folgte, gefangen und hart in Fesseln gebunden,

War Loki zuletzt, nachdem er Schande und Hohn gefunden,

Als er beim Feste der Meeresgötter in Ögirs Halle

Götter beschimpfte und tadelte, einer nach allen.

Und die Dichtkunst schuf Sagen von Göttern in Sünden verstrickt,

Dass sittliches Streben ihr Ende im Weltenbrand schickt.


Von Sigyn zwei Söhne, doch mit Angurboda gezeugt

Drei Sprösslinge, wild und schrecklich, wie die Dichtung uns bezeugt:

Fenris der Wolf, Midgardschlange, und Hel tief im Schatten,

Kinder des Unheils, die stets das Volk zu fürchten hatten.



ZEHNTER GESANG


Der Fenriswolf, das Meer, das ungezähmte weit,

die Schlangen Midgards Gift voll Furcht und dunklem Neid –

sie zehren stets am Land, sind Zerstörung, endlos dräuend,

des Bruches Macht, und schädlich ihr Wüten, alles scheuend.

Doch Hel, die Tochter Lokis, Herrin kalter Nacht,

hat doppelt ihren Sinn, birgt Wohltat und auch Macht.

Ihr Name „Heljan“, hehlen, des Toten Grab umspannt,

doch ist sie auch die Frucht, die uns im Schoße stand.


Und Jörd, die große Erd' mit warmem heil’gen Leib,

von Römern Isis gleich, im Friggas Stamm das Weib,

als Eh'gemahlin streng und ehrerbietig groß,

die Göttin des Herds, des Lebens, Mutter Schoß.

Und so ward Frigg die Hüterin des Ehebands,

wie Freya, Göttin Liebe, ihr innigst zur Hand.

Wo auch Gerda und Idun verweilen still und leise,

zu dunkler Hel sie gehen im winterlichen Kreise,

auf dass, wenn Licht den Sieg erringt, zum Fruchtbild steigt

und neue Blüte über weite Flächen neigt.


Hel, mit finstrer Macht des Todes Grab gebietend,

doch auch als Nährerin im Keimlicht liebend, bietend.

Schwarz und weiß sie zeigt ihr Reich, auf doppeltes Gestirn,

dunkel im Grab das Schwarz, das weiß den hellen Hirn.

Oft auch von einem edlen Retter sie erlöst,

so schwarz sie nun noch sei, die Maid des Lichts getröst.

In alten Sagen ward dies Bild erneut getragen,

der Seelen die im Purgatorium klagen.


Als Königin der Tiefe, des dunklen Reiches Macht,

für Frevler den Verurteilten das kalte Grab gebracht.

So ward die Göttin Hel zur Hölle letzten Endes,

zu Flüssen kalt, wo Leich und Schuld stets abgewendet.


In düstrem Tode herrscht die Göttin, die Riesin aus der Nacht,

Verschlingt das Leben tief im Schacht, wie Ran, die Wassermacht.

Erst später ward ihr dunkles Bild zur bösen Unholdin,

Wo Jörd und Frigg, in Erdenwelt, der Reinheit Attribute sind.

Elend ihr Saal, und Hunger gar die Schüssel aufgestellt,

Ihr Messer gierig scharf und kalt, ihr Knecht ein träger Held,

Die Magd, sie wandelt schlaff dahin, die Schwelle bricht ins Nichts,

Das Bett, es zeugt von Kummerqual, die Decke droht Verzichts.

Ihr Antlitz halb von Menschenhaut, halb schwarz wie dunkle Nacht,

Ein Schrecken ist ihr Äußeres, das düstre Angst entfacht.


Einst mochten wohl in Hels Reich selbst auch lichte Räume sein,

Wo Seelen friedlich wandelten im blühend Sonnenhain,

Bevor Asgards verheißner Glanz das Heil dorthin verbannt,

Wo Odins Walhall strahlend neu die Seelen fortgewandt.

Und Sagen zeigen Gärten grün in Berg und Seetief ein,

Wo schuldlos nun die Geister sich erfreun im Schein allein;

Für Baldur schmückt sich Hels Palast in festlich trauernd Bild,

Empfängt ihn dort in ihrer Macht, vom Göttertod umhüllt.


Als eine Quelle aller Kraft galt Hel an Erdenstatt,

Wo Jörd als Erd‘ und Mutter war, den Menschen wert und glatt.

Vereint mit Odin zeugte sie Thor, den gewalt'gen Sohn,

Und Widar, der die Schattenwelt durchstreift als mut'ger Lohn.

Ihr neuntes Reich ward ihr bestimmt, des Unterwelt Gestalt,

Durch heil‘gen Schwur, von Odin selbst, ein Reich, das Leben halt’.


Von Isis gleich, der Göttin heilger Eh' und Frieden, 

Für Fruchtbarkeit, für Acker und für Schiffe mild entschieden,

Hat sich so mancher Brauch in Spuren fortgesetzt;

Aventin erzählt, wie eine Frau einst setzte fest:


Eisen schmiedet’ sie den Schwabenkönig einst zu Lehr,

Auch pflügen, säen, ernten wies sie, Flachs und Hanf noch mehr,

Die Weiber ließ sie spinnen, weben, nähen, Brot bereiten,

Mit Schiff und Pflug und Wagen zog sie durch die Gauenbreiten.


In Nivelles sieht man heut den Wagen noch der Frau,

Der heilgen Gertrud, deren Schutz man glaubte fest und genau

Gegen Mäus’ und Fraß, am Stab sie trägt ein solch Bildzeichen;

Sankt Gertruds Minne trinkt man, wie’s Göttern oft dergleichen,


Und zwar aus einem Becher, der ein Schiff symbolisch formt,

Denn sie beschützt auch Schiffer, wie der fromme Glaube normt:

Am Rhein in Bonn zu ihr die Schiffer fleh’n, für gute Fahrt,

Sie bringt den Frühling warm, dass Kälte sacht in Flieh’n sich paart.


Nun wird die Gartenkunst belebt, Gertrud die Erste gar,

So wie Freya sie als Gärtnerin der Frühling nah und klar,

Denn ihr ist gleich das Warten, bis der Winter weicht im Marchen,

Und in der Nacht der Toten weilt sie auch in heilgen Achen,


In ihrem Saal die Seelen ruhn, am ersten Abend frei,

Beim zweiten Michael, und dann im Himmel hoch dabei.

Ein Waldtier sei ihr heil'ger Freund: der Specht von rotem Haupt,

Des Bild mit Krieggott Mars als Martin wird gehegt, geglaubt.


Nicht Odin war der Gatte einst der heilgen Nerthus, nein,

Es ward ihr Bruder Njördr, der musste ferner sein,

Vom Manen-Bund geschieden, Asen hat er Treu’ gelobt,

Denn die Geschwisterheirat ward den Göttern nicht erlaubt.



ELFTER GESANG


Freya, die Göttin stark, ward einst mit Odr vermählt,

Doch als er ging, ihr Herz in Trauertränen verwehlt.

Manch einer denkt, dass Freyr der Liebste ihr sei,

Der bei der Asen Rat sie musste lassen frei.

Doch andere sehen Odr in Odin selbst erwacht,

Der wild und hehr durch Nächte jagt mit Sturmes Macht.

Er wirbt um Frühlingshold, die schöne Jahreszeit,

Bis Sommersonnen Glanz dem Ende ihm geweiht.

Vom Eber hart getroffen, stirbt er dann im Streit,

Als Gott des jungen Jahrs, sein Tod ist nicht weit.

So ähnelt er dem Baldur, des Sohns verwandtem Glanz,

Der auch des Lebens Höhe verliert im Todes Kranz.


Der Sage von Adonis soll dies Bild entstammen,

Von einem Eber fiel auch er in Liebesflammen.

Hackelberend, so heißt ein Jäger groß und kühn,

In Ewigkeit zum Waidwerk verdammt, im Walde grün.

Durch Frevel Wunsch sich ew'ge Jagdfreud' er ersehnt,

Die himmlische Seligkeit sich dafür nicht genehm’t.


Einst ward dann Frigga Odin zur Gemahlin erklärt,

Doch Freya, Frühlingsgöttin, zur Lieb’ ward verklärt.

Nicht zart und weich wie Aphrodite ist sie nur,

Nein, auch der Walküren mutige Fürstin zur Spur.

Sie reitet in die Schlacht, des Volkes Zorn entflammt,

Die Hälfte der Gefall'nen in ihrer Macht entstammt.

Ihr Land ist Folk-Wang, des Volkes Anger geheißen,

Ihr Saal Sessrumnir, Raum, den Starke fleißig leisten.

Freitags wird ihrer gedacht, ihr Tag sei dies genannt,

Als Walküre stolz, Gefion, des Volkes Mahngewand.


Als Jungfrau hieß sie Gefn, die Stromeswelle hehr,

Nach Swithiod gelang sie in reisender Begehr.

Dem König Gylfi, klug, erschien sie mild und gut,

Er gab ihr Land als Lohn, dass es ihr wohl geruht.

Gefn spann das Land zum Sunde, riss los des Festlands Bahn,

In See ward Seeland, Dänemarks Insel dann getan.


Zuletzt ward sie zum Stamm von Skiöldungs Ahnen blüh’n,

Auf Seeland ward sie Mutter, Skiöld zu Ehren kühn.


Frigg, Odins rechte Frau, die Göttin der Ehe war,

Dem Herd und Haus geweiht, als Schutz in treuem Jahr.

Sie lehrt und schützt das Spinnen, trägt Schlüssel am Gewand,

Als Zeichen kluger Führung im Haus ihr fest bekannt.

Mit ernstem Stolz erfüllt sie der Ehe ernste Pflicht,

Doch Odins freie Art bringt Eifersucht ans Licht.


Friggs Halle hieß Fensal, in Sumpf und Meer wohl voll,

Ihr Vater Fiörgyn, Erd’ und Wasser, stark und stolz.

Noch heute lebt sie fort im Glauben hoher Treu’,

Des Volkes Sternbild „Friggs Rocken“ nennt sie neu.


Die Bayern nennen sie Frau Bercht mit hellem Licht,

In weißem Linnen schreitet sie im Winter dicht,

Zur Lichtmess prüft sie stets der Spinnarbeit’ Gesicht:

Die Fleiß’ge lobt sie mild, die Faule fürchtet’s Gericht.


Bei Nacht tritt sie ans Bett, ein Messer führt sie sacht,

schneidet den Leib mit krummer Klinge auf bei Nacht.

Den unversponnenen Flachs, den Kehricht drängt sie ein,

statt Nadel Pflugschar hält, statt Zwirn die Kette fein.

Doch schützt sich jene Maid, die von den Kuchen speist,

die fetten, die zu Ehren jener Göttin meist.

So gleitet scharfes Stahl, kann keinen Schaden tun,

die Schuld ist abgegolten, die Göttin darf nun ruhn.


Im Gaufest Fastnacht ist die Sitte wohlbekannt,

die Berchtfrau zieht im Glanz von Haus zu Haus durchs Land,

und Wotan folgt ihr nach, entstellt und kaum zu sehn,

im weißen Kleid die Frau, man nennt sie Beraht schön.

Von jedem Haus ein Trank, ein Krapfen oder Speis’,

zum "Zampern" wird es dann, so nennt’s der Brauch, der weiß.

Denn "Zimbertstag" ist’s wohl, die Göttin nimmt Gedeih,

manch heiliges Geschenk, sie bringt des Jahres Mai.


Die Berchtfrau leuchtet hell, das Haus segnet ihr Licht,

sie zieht als Ahnfrau ein, doch sieht das Volk sie nicht.

In Schlössern wandelt sie, ihr Kleid in Weiß gemacht,

umgibt Fürsten und Volk und warnt in dunkler Nacht.

Wo Schlimmes sich ereign’t, erscheint sie oftmals auch,

ihr weißes Kleid dann schwarz, wie schwelend tief im Rauch.

Ein Anklang ist darin an Hel, die Totenfrau,

die Hüterin der Welt und ihren Schutz und Bau.


So spricht die Sage heut von ihrer Allmacht gern,

dass selbst dem weisen Odin sie trotzt als Götterstern.

Vertraut ist ihre List, die Weisheit schließt sie ein,

Odin selbst kann sie narr’n, trotz Runen, Wissen rein.

Denn was auch er ersinnt, die Klugheit macht sie stolz,

die List der holden Frigg, der ew’gen Frauenholz.


Einst überlistet Frigg, die Göttin, ihren Mann,

In einem Spiel um Sieg, der einem Volk gewann.

Sie schlich sich an als Frea und stahl ihm den Beschluss,

Dass Langobarden stolz den Sieg erringen muss.


Ein andermal ging’s so, da rief ein Wettstreit her:

Zwei Knaben, Agnar, Geirröd, die Söhne stolz und hehr,

Fischend, verschlug der Sturm ihr Boot zur fernen Küst’;

Ein Bauernpaar nahm sich der Jungen an mit Frist.


Der Bauer schult’ den jüngsten, Geirröd war sein Ziel,

Die Bäuerin gab Agnar Lehr, gab Kraft und Spiel.

Doch Bauer und sein Weib, sie waren Götter klar,

In Menschengestalt, die Frigg und Odin war'n.


Nach Jahren gab das Paar den Söhnen Schiff und Mut,

Zum Vaterland, zur Heimat wies sie froher Glut.

Doch einsam sprach der Bauer Geirröd leise zu:

Im Ohr ihm raunte Rat, und starker Wind half nun.


Da kam das Schiff ans Land, Geirröd sprang rasch hinab,

Er stieß das Boot zurück, ließ’s in die Wellen ab.

Fahr hin,“ rief er, „zum bösen Geisterreich hinaus!“

So war’s des Bauers Plan, sein finsteres Geschenk daraus.


Das Boot verschwand im Meer, der Sturm nahm’s schnell hinweg,

Und Geirröd trat zum Schloss, nahm seines Vaters Weg.

Der König war verstorben, Geirröd stand zur Wahl,

Er übernahm das Reich, gewann sich Ruhm und Zahl.


Einst saß nun Odin dort mit Freya, seiner Frau,

Auf Hlidskialfs Thron und sah hinab mit scharfer Schau.

Da lachte Odin laut: „Sieh, Frigg, deinen Agnar dort!

In dunkler Höhl‘ mit Riesenmaid – wie tief sein Wort!


Doch sieh, mein Zögling Geirröd sitzt als König stolz im Land,

Mit goldner Krone, stark und weise, Herr im Land.“

Da sprach die Frigg darauf: „Ein Neidling ist er nur,

Der Gäste quält und furchtsam spart am Willkommschwur.“


Das ist die größte Lüge!“ sprach der Gott sodann,

Und sie beschlossen Wettstreit, beide, Frau und Mann.

Doch heimlich sandte Frigg ihr Maidlein Fulla aus,

Zu warnen Geirröd vor dem Magier voll Graus.


Der Magier, sagte sie, sei leicht an dies erkannt,

Kein Hund wag’ sich an ihn, das sei sein Zeichenband.

Geirröd, so heißt es zwar, sei kein geiziger Wirt,

Doch hielt er jeden Mann fern, der nicht zu ihm gehörte.


Der Wanderer kam, trug Mantel blau, genannt Grimnir,

Gab keinen Rat, blieb stumm, das Herz im Stolz so finster.

Geirröd befahl die Folter, dass Grimnir Rede fand,

Und setzte ihn in Flammen, hielt ihn starr gebannt.


Acht Nächte saß der Mann, in Flammen rings umhüllt,

Da nahte Agnar, jung, mit einem Horn gefüllt,

Gab ihm zu trinken, sprach: „Der König tut dir leid,

Er peinigt Unschuld, das ist nicht königliches Geleit.“


Da, als das Feuergriff den Mantel nahm empor,

Begann der Wanderer, enthüllte Wissenstor.

Er lobte Agnar reich, der ihm das Herz gewährt,

Zählte seine Namen, nannte sich Odin, unversehrt.


Geirröd, bestürzt, sprang auf, doch glitt das Schwert ihm aus,

Er stolperte, fiel schwer, und starb in tiefem Graus.

Da nahm nun Agnar Platz auf Thron und Reich und Macht,

Der Bruder, einst verrat’n, herrscht nun in Odin’s Nacht.


Der Wettstreit dieser Götter trieb sich weiter fort,

Zum Schwank, zum tiefen Fall, um Bier als neuen Hort.



ZWÖLFTER GESANG


Die Götter herrschen nicht, nicht Odin gar allein,

Die Weltenmacht steht über Göttersein und Schein,

Das Schicksal formt die Welt, der Götter wie der Riesen,

Und Menschen sind ihm gleich, vom Wollen nur verschlissen.


Unwissend bleibt auch Odin, in Weisheit nur beschränkt,

Er sucht das Wissen weit, das keiner ihm nur schenkt,

Durch Grübeln, Runenflug, durch Riesenrat und Zwerge,

Erforscht er, was er kann – ein Wissen stets im Berge.


Die Nornen selbst, sie sprechen, doch formen nichts im Grund,

Sie spinnen Fäden bloß, das Werk geht stumm und rund,

Nicht willenlos, jedoch gezwungen, wirkt ihr Segen,

Das Schicksalsrad dreht fort und folgt den alten Wegen.


So nahen sie den Weisen, den Zauberkund'gen gleich,

Sie wissen, wie es kommt, doch ändern sie das Reich

Der Zukunft nicht im Kern – sie deuten, was sich füget,

Was klar im Knoten liegt und das Geschick verflüget.


Und so ist's festgemacht, das Walten über allem,

Das Richten obliegt mehr als Odin selbst dem Fall'n;

So mag er vieles lenken, doch nie die Welt entscheiden,

Die Götterdämmerung steht fest, mag keiner weichen.


Und dennoch schließt dies Bild in sich auch Widerspruch,

Die Göttersage lebt im Volke, wie ein Buch

Der Gelehrsamkeit sich irrt, die Mythen unverbunden

Verwoben weiter frei, durch Ahn und Sagenstunden.


Man spricht zu Odin noch, so hofft man auf sein Wohl,

Denn Gunst und Ungewissheit, sie wechseln hier die Roll’.

Sein Wille bleibt begrenzt, im Rahmen fest gebunden,

Und doch sind Menschen ihn zu preisen sehr verbunden.


So stehn die Nornen da, im Netz des Schicksals weit,

Doch schenken sie auch Glück, den Menschen mit Geleit,

Zur Wiege legen sie, was schön, was Kraft verleiht,

Und spinnen manches Band, das Zukunft uns verzeiht.


Und dreifach ist ihr Rat, doch eine meist in Zorn,

Die dritte mischt das Gut mit Übel wie im Dorn;

Doch birgt die letzte Hoffnung sich in der Schwester Labe,

Die lindert schlimmen Rat und wirkt noch leichte Gabe.


Im Nornagests Mär' ward ein Wiegenspruch gesponnen,

Drei Nornen kamen nah' ihm, die erste Heil begann,

Die zweite auch, doch sprach die jüngste voller Wonnen:

Er lebt nicht länger als der Span, der brennt hier, dann."

Die älteste Norne löschte rasch des Feuers Glanz,

Verhüllt den Span und sprach: „Gib acht auf seinen Glanz.

Erst, wann des Lebens müde er will des Lebens enden,

Dann mag er, Span entzündend, sein Dasein wenden.“


Dreihundert Jahr der Wand’rer lebte, stark und kühn,

In seiner Harfe schlummert’ der Span, der nie verglühn.

Doch als der letzte Tag kam und Mut ihm war zuteil,

Ergriff den Span er ruhig und schaut’ ins Flammenheil.

Die Flamme sank dahin, sein Atem löschte aus,

Er war des Lebens müde, zog aus des Todes Haus.


Im Märchen, das von Dornens Schlaf gar schön erzählt,

Ward dreizehn Feen als Patinnen bestellt.

Doch zwölf nur Tafel prangt in Gold auf Königs Ruf,

Die dreizehnte war grimmig, weil Silber sie traf nun.

Die Feen gaben Wünsche – Schönheit, Tugend und gesund –

Da kam die dreizehnte: „Ihr Glück verwehr’ ich bunt.

Im fünfzehnten Jahr sticht eine Spindel sie zur Not,

Und mit dem Stiche fällt das Mädchen hin und tot.“


Doch sprach die letzte Fee, die ihren Wunsch noch hielt:

Nur Schlaf dem Tode gleich sei ihr dabei zuteil,

Und dass ein kühner Prinz, durch Dorn hindurch sich windend,

Mit einem Kuss sie wecke, der sanft und sinnend.“


Die älteste Norne, Urd, thront mächtig und bekannt,

Ihr Brunnen tief an einer Wurzel hier benannt;

Wo Weltesche wurzelt, die Welt hinab sie streckt,

Hinab zu Menschen, wo Midgard sich wohl versteckt.


Die Götter finden sich dort ein, Gericht zu halten,

Nach einer Überlieferung, wie's Sagen walten;

Doch Asgard bleibt für das Thing wohl Ort und Sitz,

Wie es uns mancher Glaubensweiser in Szene setzt.


Urd bedeutet Schicksal, das alte Wort der Macht,

Die Wurd, im Hochdeutsch „Schicksal“ schon gedacht.

Im Angelsächsisch Zaubergeschick genannt,

In Macbeth als weird-sisters gar bekannt.


Südgermanen schätzten Urd in großer Ehr,

Ohne Schwester, allein in alten Sagen schwer;

Im Süden schmolz das Bild mit römischer Gestalt,

Den drei Feinen, die Sagenwelt dort umgemalt.


An vielen Orten, oft bei einem Quell daheim,

Sagen und Märchen von Fräulein zart und fein.

Drei Schwestern oft am Brunnen gefunden sind,

Im deutschen Land noch lebend, im Sagenwind.


Verschieden die Schwestern, mal schwarz, mal weiß wie Schnee,

Die dritte halb dazwischen, doch böse oft im Weh;

Ein Ort mit Namen „Hel“ wird ihnen zugewiesen,

Dort sollen sie hausen, als Strafe stets beschieden.


Zu den Horten führt das Fadenwerk der Nornen,

In Bergen tief verborgen, aus alter Zeit erkornen;

Ein Hahn kräht in ihren Höhlen, wie auch in Helens Saal,

Ein Hund und Drachen wachen stets dort in finstrer Qual.


In einem Schatz, der nicht stirbt, dort tief in der Erde blüht,

So mancher Sehnsuchtstraum im Dunkeln Ruhm ersieht.

Nur ein Auserwählter mag ihn je sehen hell,

Der zum Glück geboren, am Tag, zur rechten Stell'.


Durch Schrecken soll er dringen, mutig ohne Zittern,

So hebt sich der Schatz, wenn die Sterne richtig schlittern;

Erlöst wird auch die Jungfrau, im Fluch erstarrt,

Befreit durch heldenmüt'gen Kuss, vom Helden gar.


Der Sinn ist stets derselbe, wie bei Dornrösleins Schein,

Der Schatz, er lebt, ist ewig, tot kann er nicht sein.

Es sind der Erde Kräfte, die das Korn uns schaffen,

Mit Segen reich beschenkt, von hoher Gnade Waffen.

Vom Tod der Sommerwärme wird gebunden und versteckt,

Im Schoss der tiefen Erde liegt das Leben unentdeckt.

Nicht jeder gier'ge Jäger wird zum Hort gelangen,

Nur der, der Mut und Fleiß und Himmels Gunst empfangen.


Gewiss, nicht jede Sage folgt dem einen Ziel,

Die Fantasie formt frei das bunte, reiche Spiel.

Im Mittelalter dann wird Christlichs drauf gewoben,

Die „drei Schwestern“ nun als Klosterstifterinnen erhoben.

Dass ihre Burg versank samt ihnen selbst im Grund,

Erwartend dort Erlösung in der Erde Schlund.

Gebete für sie fließen, Messen werden dargebracht,

Bis ihre Seele Frieden findet in der Grabesnacht.


Die drei Nornen haben gar den Tugendnamen,

Die Christen hoch verehren: Fides, Spes und Caritas kamen.



DREIZEHNTER GESANG


Die Walküren, Schildmaidens, von Odin auserlesen,

Sind Kriegers Töchter, Helden einst gewesen.

Sie tragen jene, die in Schlachten fall'n,

Zu Walhall hin, in sel'ge Heldenhall'n.


Durch Wolken braust der Rosse stürmisch' Lauf,

Weckt Tote auf und hebt sie stolz hinauf.

In gold'nen Hallen füllen sie den Wein,

Met für die Götter, Helden in Reih'n.


Freyas Geleit, der holden Krieger Schar,

Sie schenkt den Kelch, so treu wie wunderbar.

Ob sechs, ob dreizehn, stark und mild zugleich,

Weben Schlachtgewebe, finster, kalt und bleich.


Das Schwert als Schiffchen, Pfeil und Kamm gezückt,

Zerreißen Tuch, ins Rossenhaar gebückt.

Für Odins Wille tragen sie den Strauß,

Doch widersprechen auch, keck und voraus.


Ihr Leben ist Kampf, das Volk nennt sie schön,

Wohl Heldenherzen, die zum Himmel steh’n.

Mutvolle Frauen, wie einst auf der Erde,

Teilten Kampf und Tod in heldenwerter Würde.


Die Saga spricht von Treue, Heldentum,

Von Walküren, die bewahren Volksrum.

In Schwäne wandeln sie sich in der Nacht,

Im Schwanenkleid durch Lüfte braust die Macht.


Die Rosse Wolken, Windes Tochter wild,

Odin gehorchen, der sie rüstig will.

Tau träuft aus Mähnen, segnet Land und Flur,

Mist nennt man die, die Winde bringt zur Spur.


Der Schwanenhemden Sagen zart und rein,

Ergreifst du’s Kleid, wird sie dein eigen sein.

So zwingt der Held Brunhildes starken Arm,

Entzieht die Flucht dem Schwanenschwingenkarm.


Und Wieland fasst der Königstöchter drei,

Doch Sehnsucht trägt die Mägd' hinweg vom Mai.

Siegweiber, die durch Kühnheit kämpfen fort,

Bis Helden schau’n ihr wankend’ Sterbelort.


So tragen viele stolz den Sieg in ihrem Namen,

Sig-run und Sig-lind, wie Sig-ridh als Ahnen, die kamen.

Doch auch als Wünschel-Weiber sind sie oft bekannt,

Wilde Frauen“ im Wald, vom Mittelalter benannt.

Meer-Mädchen und Nixen, die im Wasser verweil’n,

Verwandeln sich oft in Schwäne und Fisch mit Schuppengebein.

Zu Melusine schmiegt sich des Staufenbergers Traum,

Die Menschenliebe endet meist schnell wie ein leerer Raum.

Nach einer Weile ziehen sie zurück in die Ferne,

Einmal wöchentlich schweben sie als Geistergestirne.

Doch wagt es der Mensch, sie in Freiheit zu seh’n,

Entschwindet die Nixe, das Glück bleibt niemals besteh’n.

So bricht der Mann das Gelübde in Misstrauens Wahn,

Gleich Lohengrin’s Weib erweist er sich der Liebe nicht an.

Manchmal erscheint als Freundschaft ihr überirdisch Wesen,

Und hilft durch Zauberwort zu Glück wie sonst gewesen.

Im Kampf, in Not und Siegen schwebt der Engel herbei,

Schönheit, Kraft und Glück bringen Walküren herbei.

Wie nordische Fülgias sie um die Helden kreisen,

Ein Leben lang schützend, bis sie zum Tod sie weisen.


Während die Namen der Walküren stets neu sich erheben,

Bleibt doch der Name der Hilde beständig und lebt im Weben.

"Hild" heißt Kampf, und so heißt "Hilde zu wecken" ein Zeichen,

Kampfgeist zu rufen, um Schlachten erneut zu erreichen.

Freyas Geist zeigt sich in ihr, die erste, die kriegerisch führt,

Die Liebenden stürzen in Kriege, wo Rache sie stets verführt.


Högni verfolgt Hedni, der Hilde, die Tochter, entführt,

Mit Waffengeklirr und Männern, die Ruhm ihnen fortan gebührt.

Zum Sühneband bietet die Maid dem Vater ihr Kleinod an,

Doch Högni verwehrt es, das Schwert Dainsleif schimmert sodann.

Ein Schwert, das nach Blut dürstet, entzieht sich dem Scheidenband nie,

Nur Dunkel der Nacht bringt das Ende des Schlachtgetümmels herbei.


In mondhellen Nächten weckt Hilde die Toten sodann,

Sie strömen zum Kampfe, bis Tagesanbruch ward getan.

Der Hahn ruft und hält sie, die Lanzen ruh’n in der Luft,

Doch kämpfend sie wiederkehren bis Götterdämmerung ruft.


Von alten Geschichten nun künden die Frauen der Sagen,

Von Rache erfüllt, die in Herzen so grimmig getragen.

Von Väter und Brüder Blutrache, ein eiserner Bann,

Gebannt in den Zeiten, bis Feind und Gefährte verrann.

Verwandelt die Frau, die einst göttliche Rache verkörpert,

Als mächtigste Walküre, die durch Wogen der Mythen da schlendert.


Da brach aus Odins Zorn auf Sigrdrifa los,

er nahm ihr Walkürkraft und gab der Ehe Schoß.

Doch Brünhild schwor bei allem Leid und Schicksalsbann,

sie nehme keinen je, der Furcht zu tragen kann.

Schlief sie nun tief mit Odins Dorn im Hauptesbein,

umringt von wilder Glut, der Furcht allein gemein,

durch die nur jener schreitet, der den Mut erfand,

den Schlaf zu brechen und den Tod zu widerstand.

Es ist der Totenbrand, der Höllenfeuerkreis,

der Hel’ zugeschrieben, die Brünhild selber heißt.

Der Held muss in die Unterwelt, der Mut entbrennt,

nur dieser Kuss die schlafende Brünhilde kennt.


So wandert tief zur Heldensag’ der Götter Müh,

erst Odin, Freyr, dann Sigurd – sie im Flammenblüh.

Als alte Mär senkt sie sich nieder, still und leis,

und schmückt das Dornröschen, das Märlein ohne Fleiß,

von jenem, der die Furcht erst in der Liebe fand,

mit Heldenmut die Braut vom Schlafesschloss entwand.

Im dunklen Zwergenreich schläft Schneeweiß auch im Bann,

bis Frühlingssonnenstrahl das Dunkle lösen kann.


Der Heldengeist, er lebt auch in der Frauen Brust,

der Römer wusste wohl von Kimbernfrauen Lust.

Erlebt im Kampf das Weib als starken Schicksalsteil,

drum Tacitus vom Schwert zur Traugabe so eil’,

gab Roß und Schild, den Mann zu jeder Stund’ bewahr’,

dass Weib und Mann ein Schicksal leben offenbar.

Das Weib als Kriegesgenossin sollt’ sein ihm dort,

teilend den Ruhm im Kampf und Frieden an dem Ort.


So lebt der Waffengott mit dem der Eh’ entstammt,

und gibt den Männern Mut, der sich an Frauen flammt.

Veleda stieg als Seherin zum Kriegesrat,

im Widerstand zu Rom, Brukterers weites Blatt,

auf hoher Warte hell, ihr Losungswort gab Mut,

zu führen das Gefecht, das Römer selbst verglut’.



VIERZEHNTER GESANG


Von Göttern und Göttinnen, die uns einst bekannt,

Nur Spuren blieben uns – verstreut im weiten Land.

Nicht reicht es aus, ein Bild, lebendig gar, zu geben,

Doch klagt das Herz, dass so viel Großes uns genommen.


Von Heimdall spricht man wohl, der Wächter mächtig steht,

Ein Sohn des Odin selbst, und fest die Brücke geht,

Die Bifrost Regenbogen, die Asgard schützt vor Feind,

Den Riesen, wenn sie stürmen, wo Gold und Glanz vereint.


Das Horn, das Giallarhorn, ertönt in Not und Streit,

Wenn Sturm naht und die Kräfte toben wild und weit.

Als Rigr wandert er, der Menschen Ahnherr stark,

Von Stand zu Stand, vom Knecht bis hin zum freien Mark.


Iring wird er genannt, die Milchstraß’ trägt den Namen,

Der Göttlichkeit als Zeichen, die Sterne selbst umrahmen.

Ein Gott des Himmels licht, der Luft und Äther rein,

Sein Ross, das Gold der Spitzen, das Feuer unsrer Sonn’.


Auch Hödur, der Baldur fiel, unschuldig doch geweiht,

Erschien als Bild der Rache, doch stark in seiner Zeit.

Hermôdr und Widar, des Lichtes Freund und Held,

Im Dunkel und im Leuchten ihr starkes Band bestellt.


Und Wali, wiederkehrend im Wintersonnenlauf,

Rächt Baldur, wenn das Licht am Himmelsrand geht auf.

So siegt das neue Licht in kalter, stiller Nacht,

Die finstre Erd’ verlassend, und Sieg und Leben lacht.


Die winterliche Rinda liegt, erstarrt und kalt und leer,

Seit Baldurs Tod, dem Himmelssohn, bleibt Erde freudenleer.

Vergebens sucht der Göttervater Odin ihren Sinn,

Vergebens kämpft er tapfer auch gegen des Winters Schinn.

Umsonst sind ihm des Sommers Gaben, goldenes Geleit,

Und umsonst zeigt er Lust und Spiel, das Sommer stets verleiht.

Die Erde, die der Liebe widersteht und ohne Lust,

Verweist den freien dreimal nur, im Zorn und ohne Brunst.

Es scheitern alle Mächte, die des Winters Macht vertreiben,

Und Odin droht, sie sei verflucht, solang sie still bleibt bleiben.


Er bittet Rinda, starr und kalt, um Frühling, neues Leben,

Mit Wasser, das den Tau bespricht, und will ihr Hilfe geben.

So zwingt er sie, dem Wunsch des starken Siegers nun zu folgen,

Und als den neuen Frühling bringt sie Walis Leben golden.

Der Junge rächet Baldurs Fall, dem Wintergott zum Trotz;

Des Lichtes Schein besiegt den Tod und Hödurs kalten Trotz.

So ward aus Baldurs Todesschlaf ein Weltenkreis und Bild,

Die Götterdämmerung allein nimmt Baldur weg und mild.


Im Monat Liosberi dann – des Lichts so klare Zeit,

An Lichtmess und an Valentin, da regt sich Lieb und Freud.

Im Glauben wählen Menschen, halb im Scherz und halb als Pflicht,

Ein Liebespaar für's neue Jahr, des Frühlings Angesicht.

So ward der heilige Valentin als Gott der Liebe dann,

Und stand für Ali, Bui, Wohl, für Wali selbst sodann,

Der Gott des Glücks und Wohlstands war, ein frühlingsheller Strahl,

Und schickte wie Apollon Pfeile tief ins Weltenall.


Ullr, der Wintergott genannt, hüllt sich in Schnee und Frost,

Ein Jagdgott auf des Wildes Spur, was Winter ihm erbost.

In Pelzen warm, ein Meister mit dem Bogen und dem Schuh,

Verfolgt er durch das weiße Land die Beute immerzu.

Der Eibental sein Heim, ein Grund aus starkem Eibenholz,

Aus jenen Bäumen die man braucht, für Pfeil und Bogen stolz.

Als Wintergott zieht Ullr nun auf Knochen über Eis,

Ein Schild, so heißt’s, sein Winterweg, das Schiff des kalten Kreis.


Widar, der stille As, bleibt stumm auch uns, ganz unbeschwert,

Er rächt den Vater Odin einst und ist des Lebens Wert.

Mit starker Kraft er neu erwacht, den Fenriswolf erlegt,

So grünt erneut die Erde, wenn er das Ende schlägt.

Und mit ihm kehrt das Leben heim, des Frühlings Lichtgestalt,

Das Eidars Land erneut befreit von kaltem Winters Spalt.

Ein Neubeginn in Widars Macht, der Welten neues Band,

So grünt das Gras und Sträucher blühn im weiten Eiders Land.


Die winterliche Rinda liegt, erstarrt und kalt und leer, 

Seit Baldurs Tod, dem Himmelssohn, bleibt Erde freudenleer.

Vergebens sucht der Göttervater Odin ihren Sinn, 

Vergebens kämpft er tapfer auch gegen des Winters Schinn.

Umsonst sind ihm des Sommers Gaben, goldenes Geleit, 

Und umsonst zeigt er Lust und Spiel, das Sommer stets verleiht.

Die Erde, die der Liebe widersteht und ohne Lust, 

Verweist den freien dreimal nur, im Zorn und ohne Brunst. 

Es scheitern alle Mächte, die des Winters Macht vertreiben, 

Und Odin droht, sie sei verflucht, solang sie still bleibt bleiben. 

Er bittet Rinda, starr und kalt, um Frühling, neues Leben, 

Mit Wasser, das den Tau bespricht, und will ihr Hilfe geben. 

So zwingt er sie, dem Wunsch des starken Siegers nun zu folgen,

Und als den neuen Frühling bringt sie Walis Leben golden. 

Der Junge rächet Baldurs Fall, dem Wintergott zum Trotz; 

Des Lichtes Schein besiegt den Tod und Hödurs kalten Trotz. 

So ward aus Baldurs Todesschlaf ein Weltenkreis und Bild, 

Die Götterdämmerung allein nimmt Baldur weg und mild. 

Im Monat Liosberi dann – des Lichts so klare Zeit, 

An Lichtmess und an Valentin, da regt sich Lieb und Freud. 

Im Glauben wählen Menschen, halb im Scherz und halb als Pflicht, 

Ein Liebespaar für's neue Jahr, des Frühlings Angesicht. 

So ward der heilige Valentin als Gott der Liebe dann, 

Und stand für Ali, Bui, Wohl, für Wali selbst sodann, 

Der Gott des Glücks und Wohlstands war, ein frühlingsheller Strahl, 

Und schickte wie Apollon Pfeile tief ins Weltenall. 


Ullr, der Wintergott genannt, hüllt sich in Schnee und Frost, 

Ein Jagdgott auf des Wildes Spur, was Winter ihm erbost. 

In Pelzen warm, ein Meister mit dem Bogen und dem Schuh,

Verfolgt er durch das weiße Land die Beute immerzu. 

Der Eibental sein Heim, ein Grund aus starkem Eibenholz, 

Aus jenen Bäumen die man braucht, für Pfeil und Bogen stolz. 

Als Wintergott zieht Ullr nun auf Knochen über Eis, 

Ein Schild, so heißt’s, sein Winterweg, das Schiff des kalten Kreis.


Widar, der stille As, bleibt stumm auch uns, ganz unbeschwert, 

Er rächt den Vater Odin einst und ist des Lebens Wert. 

Mit starker Kraft er neu erwacht, den Fenriswolf erlegt, 

So grünt erneut die Erde, wenn er das Ende schlägt. 

Und mit ihm kehrt das Leben heim, des Frühlings Lichtgestalt,

Das Eidars Land erneut befreit von kaltem Winters Spalt. 

Ein Neubeginn in Widars Macht, der Welten neues Band, 

So grünt das Gras und Sträucher blühn im weiten Eiders Land.


Dass einst der Fenriswolf wird fallen durch seine Hand,

Prophezeien die Weisen im göttlichen Land.

Er wird den kalten Kiefern des Wolfs die Kraft nehmen,“

So spricht die Weissagung, klar, ohne das Rätsel-Geträme.

Denn Vidar, der stille Rächer in finstrer Not,

Götter setzen ihr Vertrauen auf ihn im Tod.

Er wohnt zurückgezogen in stiller, tiefer Öde,

Bis ihn der Ruf ereilt, in hoher Väter Entblöde.


Wir sahen auch Odin, Herr der Dichtung und Weise,

Seine Gabe lebt fort in Bragi, gewandte Reise

Zu Worten führt den Sohn, der ihm als Dichter lebt.

In Worten und Liedern, wie der Skalde erbebt.

Der Bragr-Kunst zu eigen, die seinen Namen trägt,

Wird Bragi gefeiert, wenn das Wort sich bewegt.

Seine Gattin, Idun, bewahrt der Äpfel Kraft,

Die Götter, alternd, laben, zum ewigen Schaft.


Doch irrt, wer meint, dass durch die Äpfel Dichtung lebt,

Es ist das Lebensfeuer, das mit dem Frühling bebt.

Denn Frühling schürt die Kraft, die im Herbst vergehen muss,

Im neuen Jahr erwacht in des Lichtes Kuss.

Bis zum Götterschicksal währt dieser Wechsel stumm,

Dann erst endet der Frühling und die Welt verstummt.


So wird erzählt, Idun wie Gerda einst geweiht,

Die Erde sich erneuert, wenn Frühling sie befreit.

Alsdann ziehen drei Asen auf weiter, wilder Flur:

Odin, Loki und Hönir, in Wandreratur.

Sie fanden Rinder, schlachteten, machten Feuer klar,

Doch Fleisch gar wurde nicht, was den Asen seltsam war.

Da sahen sie ein Wesen hoch im Eichenbaum,

Ein Adler sprach zu ihnen in gar mächtigem Traum:


Lasst mir Anteil an dem Fleisch, ich will’s euch garen,

Sonst soll euer Mahl stets kalt und ungenießbar wahren.“

Die Asen willigten ein, der Adler hernieder flog,

Nahm die besten Stücke, der Zorn in Loki zog.

Er schlug mit einer Stange den Vogel, der entwich,

Doch Loki hing am andern Ende, verzweifelt, erblich.

So schwebt’ er über Felsen, fiel, doch konnt' er nicht frei,

Er bat um Erlösung, dass das Leiden sei vorbei.


Der Adler sprach, Iduns Äpfel verlang’ ich dir ab,

Willst du befreit sein, so bring ihr goldenes Grab.

Loki, in höchster Not, versprach die düstre Tat,

Kehrte zurück zu Asgard, dem goldenen Rat.

Bald sprach er zu Idun von Äpfeln schöner Art,

In Midgard hätt' er einen Garten, verborgen, bewahrt.

Idun, im Glauben, folgt ihm hinaus in den Wald,

Doch Thiassi im Adlerkleid hat sie sich alsbald.


Die Götter aber litten, Iduns Glanz war fort,

Das Haar ward bleich, der Leib ihm altert' hart.

Sie kamen wohl zusammen, suchten Rat in Not,

Zu forschen, was zuletzt von Iduns Spur noch bot.


Man fand als letzte Spur: Sie ging mit Loki fort,

Verließ mit ihm Asgard, da, von ihrem Ort.

Sie packten Loki schnell, den Arg’ in starker Hand,

Brachten ihn vor Gericht, wo Urteil straff' er fand.


Da schwor Loki voll Angst, er holte Idun zurück,

Er wollte sie suchen, in Jötunheims Geschick;

Falls Freya ihm das Falkengewand noch leih'n könnt,

So würd' er gen Norden flieg’n, von Angst bedrängt.


Im Falkenhemd geschlüpft, flog Loki schnell hinfort,

Zu Riesenheim im Norden, in Thiassis sturmumtost'n Ort.

Thiassi war auf See, Idun allein daheim,

Da ergriff Loki rasch die Göttergabe fein.


In Nuss verwandelt sie, im Klauenfesten Griff,

Mit ihren Äpfeln glitt er davon, gleich einem Schiff.

Doch als Thiassi kam, Iduns Fehlen spürte schnell,

Sich in Adlerfedern hüllend, flog er scharf und grell.


Die Götter starrten aus Asgards hohem Saum,

Nach Norden sehnten Blicke, zum sehnsuchtsvollen Traum.

Da sahen sie den Falken, die Nuss im Klauenpaar,

Verfolgt vom Adler, wild, wie aus den Wolken klar.


Sie stürzten von den Zinnen, das Tor hinaus und her,

Streu'n Späne trock’ner Hobel am Wall da kreuz und quer.

Da kam der Falke eilig, hinab zum Hof geschwankt,

Und hinter Asgards Mauer, da ward er sanft getrankt.


Mit Flammen schlugen Späne den Sturmadler voll Wut,

Er konnte nicht mehr gleiten, sein Flügelschlag er ruht.

Er fiel zur Erde nieder, die Götter schlugen zu,

Und Thiassi starb, im Flammenflug verglühte er in Ruh'.


Als Buß’, Skadi, Tochter, ward Njördr als Braut vertraut,

Doch ward ihr Bund entzweifelt, schlecht an einem Ort gebaut.

Das Meer fand Njördrs Ruh’, Skadi die Berge klar,

Doch Zwist und Unmut wuchs, so blieb der Bund nicht wahr.


Skadi zog zurück ins frostige Heim nach Thrym,

Wo sie mit Pfeil und Bogen jagt auf leisen Schlimm.

Der Sage tief verborgen, sehnt Skadi’s Quelle sacht,

Zurück ins hohe Land, wo ewig Schnee erwacht.


Idun, die Sommergrüne, ist hier, die Tochter rein,

Vom I-waldi, der innen waltet im Erdenschrein;

Die Zwerge schaffen drinnen im tiefen dunklen Grund,

Mit Blumen, Gras und Saaten, schmückend den Erdenrund.

Auch Sifs goldenes Haar formten sie kunstvoll aus,

Der goldene Schmuck des Korns, des Jahres Feldes Haus.

Im Herbst sank Idun nieder vom Weltenbaum zur Ruh',

Dem sterbenden Laub zur Seite, das welk am Boden fuhr.

Nah Hels düstrer Halle liegt nun der Blattschmuck schwer,

Die Götter sanden Schnee, als schützend Winterheer.


Doch Heimdall bringt den Regen, und Loki sendet Glut,

Jedoch kein Zauber haucht ihr neues Leben und Mut.

Der Frühling kehrt wohl wieder, Idun zu neuem Licht,

Wann beider Sinn sich ändert, die Schwere widerbricht.

Bald aber wird ihr Sinken, das Tor zur Dunkelheit,

Von Dämmerung gezeichnet, den Göttern Abgescheit.

So wie auch Baldurs Schicksal, das schmerzvoll uns bedroht,

Verloren bleibt die Götterwelt bis zur Weltesnot.


Und Odin fordert Rat, im dunklen Nachtgestein,

Nun sucht und findet Wahrheit, die Botschaft soll nun sein.“

Sie suchen, finden nichts, in Furcht getränkt ihr Gang;

Doch Odin, der Furchtlose, nimmt Ross und setzt entlang

Zum düstren Reich von Hel, der Wala stummer Sinn,

Weckt ihren Todesschlaf und hört das ferne Fährnis hin.


Von andern Göttern wissen wir kaum von Wesen viel,

Nur dass im Jahreskreislauf ihr Bild den Zeiten fiel.

So sei der Spurke, Göttin, dem Februar geweiht,

Als „Sporkel“ heißt der Monat, mit Schnee und Regen breit.

Die Nordmännern hingegen, der Februar als Gôi,

Zu jenem Weib benannt ward, das Land und Bau beschert uns treu.


So schritt vom Stamm des Riesen, Fornjotr als sein Hort,

Der Frost dem Snar zur Seite, durch Nord und Kälte fort.


Die Edda nur den Zwerg Austri kennt, des Nordens Kind,

Doch feierte der Süden das Frühlingsfest so lind.

Dreimal im Morgen tanzt die Sonne froh und licht,

Ein Freudentanz des Sieges, der Winter weicht, erbricht.


"Osterspiel" heißt Freude, das Herz von Liebe schlägt,

Drum Liebesdicht‘ im Minnesang den Ostertag bewegt.

Und Oster-Fladen bäckt man, als Brot zu dieser Zeit,

Zur Speis‘ und Opfergabe voll alter Frömmigkeit.


Ein Widder schmückt man, golden, als heiliges Gericht,

Mit bunten Bändern prächtig, im österlichen Licht.

Das Opfermesser „Sahs“ genannt, im Brauch gehegt,

Zu manchem Fest die Glut noch in den Tälern schlägt.


Auch Eier färbt man rot, ein Zeichen blitzgewalt,

Des Donnergottes Farbe, das Wetter nicht mehr kalt.

Die Göttin Ostara, die Häsin ehrt ihr Brauch,

Da Fruchtbarkeit ihr Wesen, das Leben neu und auch.


Im Norden lodert Feuer, das Winterriesen schlingt,

Verbrannt der alte Winter, vom Frühling klar besiegt.

Ein Judas brennt zuweilen, der Ersatz für das Herz,

Des Pelzriesen von Schnee, der Flammenfall als Scherz.


Der Pfarrer sprach zu Ostern, ein Märlein lustig froh,

Vom Kanzelpult hernieder, das Volk es wollte so.

Noch klang ihr Osterlachen, das einst der Brauch gebot,

Ein heidnisches Erinnern, wo Freude früh erklot.


Doch Sif, des Donners Gattin, die Sommersonn‘ ersinnt,

Verehrt als Ackerhüterin, wo Sippe ihren Sinn.

Doch Loki schor das Haar ihr, der Täuschung hinterlist,

Mit goldnen Garben haften, die Schwarzelb’ eilig twist.


Frau Waud, die auch als Göttin des Erntesegens hält,

Ist Friggs der Hof und Flur, des Ackerlands Gestell.

Der Name spricht den Segensklang für Bauern treu und fein,

Sie schützet Ackerbündel, will Haus und Flur allein.


Fulla, die Friggs Gefährtin, mit gülden Band geschmückt,

Vertraut der Herrin Schätze, ihr Schmuck vom Glanz beglückt.


Die Sonne, Frau Sunna, ward als Göttin erkannt,

Nicht nur, dass man sie bei Weltschöpfung benannt,

Zum Tageslicht als Himmelsglanz erklärt,

Auch volkstümlich und in Ehren verehrt.


Göttinnen wurzelten tief im Volksgefühl,

Doch andre Namen klangen künstlich, kühl;

In der Edda dort erscheinen sie versteckt,

Von den Skalden oft gekünstelt, glatt erschreckt.


Gnâ, Friggs Botin, ward geschildert kühn,

Ihr Ross, das Wasser, Luft und Boden zieht hin;

Fragten Wanen, die sie brausen sah’n:

Was fliegt, was fährt, was weht durch Lüfte Bahn?“


Ich fahre nicht,“ spricht sie, „ich lenke bloß

Auf Hôf-wharpnir, dem Hamskerpir entfloss.“

Hnoss, Tochter Freyas, Schmuck voll Zier und Pracht,

War Schönheit, die im Namen Glanz entfacht.


Gersemi, Schmuck und Kleinod, wurde auch genannt,

Siöfn die Herzen zur Zärtlichkeit verbrannt;

Lofn, der liebend Paare zu ein’n verstand,

Wara, die Eide hört, sie prüft das Band.


Syn, die den Toren schließt vor roher Hand,

Und Hlîn als Friggs Schutzmacht stets im Land.

Snotra, die kluge, bedacht in ihrem Tun,

Göttergestalten, gebildet aus Vernunft und Ruhm.


Wo Wortkunst und Glaube sich streifen und biegen,

Haben Dichter der Skalden die Götter zum Spiel gewogen,

Die Grenze zur Religion ward in Künstlichkeit verwunden,

Die Schöpfung im Liede, nicht im Glauben gefunden.


Die zwölf Asen zu zählen, fällt wahrlich schwer,

Doch Odin und Thor stehen fest und hehr,

Baldur, Tyr, Bragi und Forseti dabei,

Hermodur, Widar, sie machen die Zahl vielleicht frei.


Freyr und Niördr zählen wir nicht mit,

Denn als Wanen bleibt ihnen andrer Tritt;

Hönir bei jenen Wanen verweilt,

Loki ins Widersacherlager teilt.




ZWEITER TEIL

GUDRUN


ERSTER GESANG


Es war an Nordseeufern, wo die Sage spielt,

Ein Sturm den Friesen nah' und furchtbar widerhallt.

Nicht Nordalbingens Stamm, nein, Sturmi sei bedacht,

Wenn Donner grollt und wilde Wellen toben sacht.


Hettel, erwachsen nun, der König jung und klug,

Erwuchs in Wates Hut, der ihm die Pflichten trug;

Im Hegelingenland, das ihm zu Diensten war,

Da saß er auf dem Thron, mit Macht und Schätzen gar.


So achtzig Burgen zählend und wohl mehr dazu,

Dient man ihm mit Ehr’, bewahrt ihm Macht und Ruh'.

Hettel war verwaist, es drückte ihn die Not,

Ein Weib verlangte ihn, der Einsamkeit Gebot.


Ein Frau’ nennst du von Adel, edel, klug und rein,

Die würdig sei, im Thron mein weiblich Bild zu sein?“

Da sprach Morung zu ihm: „O Herr, ich weiß dir Rat!

Hilde, ein Königskind, das große Schönheit hat.


Hagen, der alte König, ihr Vater, nennt sich so,

Ein edles Haus, wohl wert, geziemend und getreu!“

Da sandte Hettel Boten ins Däneland sogleich,

Zu Horand, dem Neffen, der edel war und reich.


Am siebenten Morgen kam Horand treulich an,

Mit Frute, Dänens Held, der stark und tapfer sann.

Zum Neffen Hettel sprach: „Hilde soll mir dienen,

Zu Hagens Tochter send’ ich Grüße, reine Mienen.“


Es reitet niemand dort! Nur Wate könnte’s sein,

Wer sonst wagt’s, Hagen selbst zu trotzen und sein Pein?

Wollt Wate Bote sein, so führt’ uns Glück dahin,

Oder uns schlüg’ der Tod mit seinem herben Sinn.“


Zu Sturmi sendet schnell! Ich weiß, dass Wate gern,

Wenn ich’s befehle, zieht ins feindlich‘ Land so fern.“

Irold, der Friese, eilte nach Sturmi unverzagt,

Er fand den Wate bald und seinen Dienst ihm sagt.


Zur Burg zog Wate nun, da ward der König froh,

Er lief ihm rasch entgegen und sprach voll Dank und Ruh’:

Willkommen sei dir, Freund, du treuer, tapf’rer Mann,

Schon lang vermiss’ ich dich, wie oft ich deiner sann.“


Ich rufe dich daher, mein teurer Freund, mein Gut,

In Hagens Land, mein Bote, bedarf ich deiner Mut.“

Was dir zur Ehr’ gebührt, das tu’ ich, o gewiss,

Der Dienst soll mich zu deinem Ziel begleiten, bis.“


Mein Herz und Rat mir sagt, dass Hagens Tochter schön

Und würdig sei, mein Weib im Reiche zu besteh’n.

Sie hüten treu die Maid, mein Trachten reizt das Los,

Drum brechen wir nach Irland, dem ir’schen Hagens Schloss.“


Da rüstet’ sich die Fahrt, die Schiffe lagen tief,

Von Holz und Eisen stark, in Gold das Rud’r verklieft.

Und bald ging’s über Meer mit stolzem Ross und Mann,

Die Helden wurden schnell zu Wates Ruf getan.


"Wie’s ergehe," sprach Wate, "halte Sorgen aus dem Geist,

Dass dir der Mut stets frisch und stark im Innern kreist.

Behüte unser Erbe, dass das junge Volk besteh’,

An Zucht soll's von mir selbst gewiss nicht fehlen je."


Frute sah im Schiff die Kammern, voll von Gut und Gold,

Von edlem Gestein und Dingen, reich und ungezollt.

Nichts fehlte dort, denn Hettel gab, was man begehrte,

Und dreissig gab Frute, wo einer nur begehrte.


"Sorge nicht!" rief Horand. "Siehst uns nahen, dann wirst du

Ein schön Frau’n schaun, das dir Freude gibt im Nu."

Hettel hört’s mit Wohlgefallen, küsste sie zum Abschied dann,

Doch bedrückt war ihm das Herz, gedachte ihrer Müh’n und Bann.


Da schwamm des Hegelingen Tross zum Ufer Irlands weit,

Hagens Burg sah ihrer wohl, voll Staunen und bereit.

Leut’ eilten herbei, fragten, woher das Volk hier käme,

So stolz gekleidet, über das Meer sie nun wohl nähme.


Nur sechzig Mann entstiegen da, gekleidet bürgerlich,

Frute war ihr Meister wohl, sein Kleid bewies es sich.

Wate sandte Boten aus zu Hagen, bat um Schutz,

Der König sandte Frieden ihm und geleit’s mit einem Gruß.


Der König sprach zu Gästen dann, wenn Mangel sie bedrück,

So mögen sie am Hof sich laben mit Trank und Stuck.

Nach Frutes Rat verschlossen sie den Kram und gingen bald

Zum Königsschloss, die Alten stolz, die grauen Locken kalt.


Der König ging zu ihnen hin, die Königin erhob,

Da Hagen führte Wate her, dem jeder Lacher tob’.

Zum Tisch ließ er die Gäste geh’n, Wein schenkt’ er herrlich aus,

Und frohe Reden klangen laut im weiten Königshaus.


Und hat er Burg und Land daheim? Und Weib und Kind,

Die ihm daheim zur Freude stets zu Herzen sind?“


Sicherlich hat er Weib und Kind in seiner Heimat,“

So sprach da einer, „und für Ehre wagt er’s hart.

Er ist ein kühner Mann, der Leben und das Gut

Nicht scheut zu setzen, wenn’s um seine Ehre ruht.“


Da zogen die Recken von dannen zum König hin:

Ihr sollt oft wiederkehren, bringt das nicht aus dem Sinn,“

So bat Frau Hilde sie, „bei uns zu weilen gern;

Das macht euch keine Schand’ und wär‘ uns Frauen schön.“


Vor König‘ fanden mannigfache Spiele Raum:

Die einen trugen dies, die andern das im Saum.

Die Burgleut brachten Schilde und Waffen hergeschafft;

Mit Schwertern focht man da und schoss mit Speerschaft,

Auch Steine warf man weit, so rauh war Kampfes Sinn;

Da wandt‘ sich Hagen drauf zu Wate, alt und kühn.


Saht ihr in eurem Land je solche Kämpf’ und Kraft,

Wie uns’re Iren führen mit wilder Leidenschaft?“

Verächtlich sprach da Wate: „Solch‘ Kämpfe sah ich nie;

Lehr mich’s, und ich bin gern zu lernen, das versprech‘ ich dir!“


Reicht mir das Schwert,“ so rief der wilde Hagen keck,

Ich will mit dem Alten fechten, das ist mein Zweck.

Vier Hiebe lehr ich ihn, dass er mir danken soll,

Und bald erkennt er wohl, wer fechten lernen soll!“


Wate war’s wohlgefällig: „Nur erst dein Frieden sprich,

Dass du mich nicht gefährd’st, es schütz’ mein Leben mich!

Sollt ich gar Wunden tragen, das schämte mich zu sehr,

So sie mir schlügen vor den Frauen gar mit Wehr.“


Da staunte man sehr, wie Wate kämpfen kann,

Und Hagen bald erkannte, dass er traf den Mann,

Den Alten Meister, fast war’s seiner Ehre Not,

Denn noch erschien ihm selbst als stärkster hier der Tod.


Nun lassen wir’s doch sein,“ sprach Wate dann zuletzt,

Vier Hiebe hab ich schon, die mich sehr gut versetzt.“

Hätt‘ ich, Alter, dich eher wohl erkannt,

Hätt‘ ich mein Schwert nicht selbst zum Kampfe hergespannt!“


Es war am Abend spät, da ihre List gelang,

Da sang von Dänemark Horand mit süßem Klang.

Mit solcher Stimme sang er, dass jedermann gefiel,

Und selbst die Vöglein schwiegen still, vernahmen Spiel.

Der König horchte gern, sein Herz in Freude lag,

Auch Frute fand Gefallen an Horands Meisterschlag.

Die alte Königin vernahm das süße Lied

Oben im Frauengemach, dass aus dem Fenster schied.


Was ist das für ein Klang?“ so sprach die schöne Maid.

Kein Lied ward mir so schön, dass mir solch‘ Wohl verleiht.“

Und unten in dem Saal die Helden Hagens sprach’n:

Ein Kranker würde lauschen, könnt‘ er den Klang empfang’n.“


Ich wollte,“ sprach der König, „dass ich dies selber kann!“

Da sang erneut Horand, der Meister, wie kein Mann

Je solche Weise wohl zuvor vernommen hat,

Und keiner ahnte, woher er dieses Wissen hat.


Da schlich der listige Sänger verstohlen fort von hinnen,

Wie er gekommen war, nun zog er leis’ von dannen hinnen.

Es war nun für die Gäste Zeit, zur Herberg’ zu geh’n,

Und in des Tages Licht bald alle Heimwärts zu seh’n.


Da sprach Horand zum alten Wate: "Herr, sei dir bekannt,

Hilde ist dem Herrn in Minne zugetan, wie uns bekannt."

Sie schmiedeten sogleich den Plan, die Jungfrau zu entführ’n,

Und heimlich rüsteten sie sich zur baldigen Rückkehrführ’n.

Die, die verborgen im Schiffe waren, hörten’s nicht ungern,

Wie bald gen Heimat Hegels Recken wollten steuern fern.


Am vierten Morgen ritten sie in stattlich neuer Tracht

Zum Königsschloss, mit Ross und Gewand prächtig bedacht.

Zum Abschied wollten sie den König um Erlaubnis bitten,

Dass er entließ die Gäste, die nun heimwärts schritten.


"Was flieht ihr mein Land so bald?" sprach Hagen mit Verdruß,

"Ich hoffte doch, dass euch hier wohl gefallen muss.

Und nun wollt ihr eilig das gastlich Land verlassen,

Da ich nur auf euer Wohl bedacht, mit allen Sinnen passend."


"Der Herr der Hegelingen schickt Mahnung zur Rückkehr schnell,

Daheim erwarten uns die Freunde voller Sehnsucht hell."

So sprach der alte Wate, den Blick in Weite gewandt,

"Wir müssen uns beeilen, zurück ins Heimatland."


"Es tut mir leid, euch zu entbehren," sprach Hagen mild,

"Drum nehm’t von mir Gold, Gewand, Ross und alles was stillt

Eure Gabe zu vergelten, mit Ehre wohl bedacht,

Denn Gastfreundschaft sei stets mit Edelmuts Macht."


"Herr, wir bitten nur um eine einzige Ehr’,

Daß du, mit der Königin, unsres Vorrats Ware begehr’.

Eure Augen sollen schauen, was wir mit uns tragen,

Nur dies erbitten wir, es mit Stolz euch zu sagen."


Die Hegelinge ritten zurück an der Küste Band,

Und luden all’ Kaufgut und Vorrat mit Kraft an Land.

Die Schiffe leichter, schnell und bereit zur Rückkehr,

Und Frute von Dänemark blieb klug und weise sehr.


Am Morgen da kam Hagen mit Frau’n und Recken herbei,

Das Kramgut ward enthüllt, und Wunder offen dabei.

Doch schnell und geschickt trennte Wate die Jungfrau,

Hilde schritt auf’s Schiff, mit den Jungfrauen genau.


Die Helden an Bord, und Segel straff gehisst,

Des Königs Mannen wurden von Bord ins Nass geschmiss’

Die alte Königin weinte, um ihr Kind so hold,

Hagen griff zum Speer, in grimmiger Wut und Zorn so kalt.


"Bringt mir die Speere!" schrie er, wild und fest,

"Keiner soll leben, der hier an Land noch festsitz’ als Gast."

Doch Morung rief lachend: "Kommt her, wenn ihr’s begehrt,

Doch in den Fluten ruh’n kühl, wer sich uns verehrt."


Da entkamen die Schiffe, das Meer wurde weit,

Die Hegelingen entflohen, das Ufer still von Streit.

Wate sprang zuletzt, dem Brünne-Klang zu Ehren,

Hagen blieb wütend, konnte sie nicht bekehren.


Zu Waleis liefen sie dann, erschöpft und nass ans Land,

Die Helden suchten Schutz im freundlich warmen Sand.

Und bald kam Hettel, dem König entgegen,

Um die Freude über Rettung sogleich zu belegen.


"Ich bangte um euch," sprach er mit freudigem Gesicht,

"Es schien, als wär’ bei Hagen euer freier Schritt nicht licht."

"Doch nicht so kam es," Wate antwortete froh,

"Doch Hagen bleibt ein Held, sein Volk ist kühn und roh."


Die schönste Frau auf Erden, Hild', sie ward gebracht,

Frute sprach und führte sie zum König sacht.

Da kamen Ortlands Irold und Morung von Fries’ Land,

Nahmen das Mädchen sacht und führten sie zur Hand.


Mit höf’schem Gruß kam Hettel ihr entgegen,

Umschlang sie sanft, den Kuss auf Wangen legen.

Das Ingesind’ sich niederließ zur Ruh’

Am Seidenzelt des Fürstenpaares zu.


Da sank der Abend, Horand schaut’ aufs Meer,

Ein Segel blinkt und schimmert fern und hehr,

Mit Kreuz und Bilden drauf gewirkt so fein;

Da ruft Morung: „Erweck den König dein!


Hag’ns Zeichen trägt das stolze Segel heut,

Sein Gruß wird klingen rau und unbedeut’.“

Da scharten sich die Recken kampfbereit,

Wehrt euch, ihr Mannen, hoch ist heut’ der Streit!


Wer nie gewann, soll morgen Gold mir tragen,“

So sprach der König, „ohne Lohn und Waage,

Ein tapfrer Kampf mit jenen Iren heut,

Sei ewig, Männer, euer hohes Freud’.“


Hag’ns Schiff stieß fest aufs Sandgestad’ hinan,

Schon schwirrten Speere auf des Gegners Mann.

Auf Land und Sand, da brandet wilder Kampf,

Doch Hild’ erbebt, als Hagens Zorn ans Land dampft.


Er watet flugs, die Pfeile schwirrn wie Schnee,

Nun dringt ans Ufer, Mannen, auf, o weh!“

Schon färbt das Blut die Wellen feurig rot,

Der junge Hettel bangt in heißer Not.


Doch Hagens Hieb durchbricht die Heldenfront,

Der Speer fällt schnell, der Kampf schreit wild und prompt.

Da Hettel stand, da stand auch Hagen wild,

Und beide Seiten hatten Kriegsvolk mild.


Dann trafen Wate und der alte Held,

Wer wich von ihnen, sicher Heil behält.

Hagens Speer schlug grimmig auf Wates Schild,

Blut rann ihm nieder, glühend, heiß und wild.


Doch Wate zürnt, sein Schwert schlägt Funken frech,

Ein wilder Sturm entfacht sich, voller G’rech.

Da rief Hilde Hettel an mit Not:

Bring’ meinen Vater aus der blut’gen Flut!“


Da schritt der König ein und bot ihm Rast,

Um deiner Ehre willen, nicht zur Hast!“

Wer mahnt mich so zum Frieden?“ sprach er laut,

Ich bin es, Hettel, der die Jungfrau traut.“


So sandtest du nicht frevelhaft zum Ziel?

So großen Ehren ward dein Bote viel,

Durch List gewann er meine Tochter mein,

Und um des Friedens willen mag’s nun sein.“


Da sprach Hettel und bot ihm edlen Gruß,

Und Frieden klang durch Kampf und Schlacht und Bus’.

Da rief man’s aus, und Frauen lobten sehr;

Schön Hilde sprach: „Oh, wär’ ich nur so hehr,


Dem Vater nah zu gehn, nach all dem Leid,

So schwer, dass Schmerz ihn sicher fast zerstreut.

Doch nahm Frute sie und führte vor,

Wo Hagen sie willkommen grüßt’ im Tor.


Er sprach: „Du Tochter, komm, willkommen mir,

Dein Weg führt nun zu Frieden und zu Zier.“

Da blieb die Jungfrau nicht am blut’gen Feld,

Die Toten ruh’n, in Frieden ward bestellt.


Zu Hettels Halle zog der Gast sodann,

Und reich der Landen, die er sehen kann.

Er sprach in Freude, Hettels Hof war prächt’,

Kein reicheres Los wär’ für mein Kind gerecht.


Dort wurde Hettel Vater bald und bald,

Ein Knabe Ortwein, stark und kühn, so alt;

Die Tochter, Gudrun, zog die Dänen stolz,

Und Fürsten warben um ihr hehres Holz.



ZWEITER GESANG


Im Land der stolzen Normann’, ein Mär von Schönheit klang,

Dass Hettels Tochter Gudrun die Schönste sei im Land.

Jung Hartmut, Sohn des Königs Ludwig, wollt’ sie gern,

Sein Herz entflammte schnell zur Jungfrau, mild und fern;

Gerlind, die Mutter, riet ihm, Minne zu entfachen,

Doch Ludwig sprach: „Ihr kennt Gudruns Antlitz nur vom Sagen.


Und wär sie schön wie keine Frau auf dieser Welt,

So wohnt sie doch zu fern, Gefahr uns widerfällt;

Zu viele Boten könnten auf dem Weg verderben,

Will man durch Ferne sie uns als Braut erwerben."

Doch Hartmut sprach: „Kein Weg ist je zu weit für einen Mann,

Der König ist und eine Frau als Gut erringen kann.


Ich will, dass Boten senden wir an Hettel’s Hof,

Dass Briefe werben um Gudruns Lieb als edlen Lohn."

Lasst schreiben, was den Preis der Braut noch schöner macht,“

Rief klug Gerlind, „Ich geb’ Gewand und Gold zur Macht."

Doch wisst ihr denn nicht, wer Hilde ist, Gudruns Mama?

Sie kam aus Irlands Küsten, stolz und ohne Scheu."


Da sprach der König Ludwig mit finstrer Mienen,

Die Hegelinge könnten uns gar übel entgegenschienen.“

Doch Hartmut rief: „Brächt’ ich ein Heer zu Wasser und zu Land,

Ich täte alles freudig, hätt’ ich Gudrun an der Hand.“

Da wählte Hartmut Männer, sechzig Mann für sein Gesuch,

Mit feinem Kleid und Speis’ und gutem Schwung im Zug.


So ritten sie gen Hettel in langer Tag und Nacht,

Die Herren reich und stolz, in Glanz und edler Pracht.

Zur Königsburg gelangten sie, ritt stolz die Schar,

Und Hettel hörte Hartmuts Werbung da fürwahr.

Ihr guten Boten,“ sprach der König, voll Verdruss,

Ihr seid mir nicht willkommen, nehmt dies Botschaft als Beschluss."


Wie könnt’ Gudrun für Hartmut je empfinden Minne?“

So sprach Frau Hilde stolz mit klugem Sinnen:

In hundert Burgen Karadiens herrscht meine Sippe weit;

Ein Bund mit euch wär unsrer Ahnen Schand’ und Leid."

Den Boten war dies leid und in Scham und auch in Not

Zogen sie heimwärts nach Ludwigs Rat und Gebot.


Da fragte Hartmut schnell: „Habt ihr Gudrun geseh’n,

Ist sie so schön und hold, wie all die Mär’n gesteh’n?“

Wer sie einmal schaut, dem bleibt die Seel’ entfacht,“

Sprach da der Graf mit einem Glanz in seiner Macht.

So will ich sie gewinnen,“ sprach Hartmut kühn,

Und Herwig von Seeland auch strebte Gudrun zu erblühn.


Er war Hettels Nachbar, sandte Boten voller Lust,

Doch Hettel gab ihm spöttisch Stolz und keine Gunst.

Da rief Herwig kühn: „Mit Schwert will ich um Gudrun werben,

Sollt’ auch euer Stolz am Kampfe schier verderben.“

Dreitausend Männer zog er bald in offnen Streit,

Hettels Degen sahen diese Drohung ohne Leid.


In kühlem Morgenlicht lag Herwig vor der Burg,

Das Volk noch tief in Schlaf, er stürmt’ in vollem Schwung.

Der Wächter schrie herab: „Wacht auf und eilt herbei!

Fremde Helme funkeln, nah an der Burg herbei."

Da stürmte Hettel vor mit hundert starken Mannen,

In Schild und Waffen schlagend auf die stürmend’ Scharen.


Blutige Wunden schlugen sie in hartem Spiel,

Gudrun sah’s von den Mauern mit Bang und Wohlgefall’;

Herwig schien ihr edel, wacker, kühn und stolz,

Doch litt ihr Herz zugleich, in blutigem Tumult.

Herwig und Hettel kämpften, ein jeder wild entbrannt,

Bis Feuerfunken stoben von Schild und Helm durch Land.


Gudrun, die schöne Frau, rief nun in kluger Füg’,

Haltet ein, ich will euch fragen in des Ruhmes Sied’!

Haltet den Kampf und lasst mich reden aus dem Saal,

Dass Friede sei und Ruh’ für eine kurze Zahl.“

So kam Herwig heran mit hundert seiner Mannen,

Im Saal traf er Gudrun inmitten ihrer Frauen.


Da sprach er mild und zögernd, von Lieb’ und treuer Treu’:

Man sprach mir wohl, ich sei dir als gering zu sehn,

Doch oft erfreut ein Mann auch Frauen in Armutsschrein,

Mit Minne und Verstand ist keiner allzu klein.“

Gudrun antwortet ihm, von Herzensglut bewegt:

Kein Mann ist hold mir so, wie du’s bist, fest und schlicht."


Wenn meine Sippe will, so folg’ ich gern zu dir,

Mein Herz ist dein, kein Maidens Herz ist dir so nah wie mir.“


Er sah ihr in die Augen, von Liebe ganz durchdrungen,

und sie, die treu ihm war, hat's Herz ihm laut gesungen.


Da fragt der König Hettel, nach Hegelinges Rat,

ob Herwig, junger Held, sie wähle als sein Saat.


"Kein Besser’n könnt’ ich finden," sprach sie, still und wahr,

so ward die schöne Gudrun des Herwig's treuer Paar.


In Freude wie in Leid, blieb er ihr treu ergeben,

durch sie erlebte er das höchste Glück im Leben.


Da kam der Fürst von Morland, Siegfried, kühn und wild,

und rüstet seine Schiffe, das Seemannsschwert im Bild.


Mit Männern stark an Zahl zieht er in Herwigs Land,

zum Raub, in Maienzeit, führt er die wilde Hand.


Von Abakie und Alzahe kam das stolze Heer,

das bald im Staub erlitt, was einst stolz und hehr.


Brennend, raubend brach der Feind in Herwigs Land herein,

da zog der Fürst entgegen, voll Mut, mit Herzen rein.


Doch Grimm und Schlacht entbrannt, der Feind fiel dicht herbei,

der tapfre Herwig floh, da Not ihn traf so frei.


Er schickte Boten schnell zu Hegelingen hin,

der Hilf' erfleh’nd, doch schon vernahm Gudrun den Sinn.


"Verloren," klagt’ sie laut, "ist Ruhm und Ehr und Land,

mein Herwig leidet Not, ich hilf ihm aus der Hand."


Zum König Hettel lief sie, in Trauer, ganz ergriffen,

und rief: "Ach Vater, hilf, dass meine Tränen riefen!


Gib deinen Recken Marsch, lenk ihre Kraft zu ihm,

dass Herwigs Reich gedeihe und Leid vergehe ihm!"


Da sprach der König Hettel: "Zu Hilfe zieh’ ich aus,

ich rufe Wate her, den Helden stark und graus."


Mit seiner Mannen Schar zieht Hettel in das Feld,

Hilde und Gudrun weinten, in Liebe schmerzerhellt.


Der dritte Morgen naht, da kommt Wate mit ihm,

Horand führt viertausend ins Feld zum Kriegsgetrieb.


Morung, der Frau zu Ehren, zieht zweitausend nun,

mit Ortwein über See, für Schwester Gudrun nun.


Indessen Herwig litt und hoffte Rettung bald,

die Feinde standen dicht vor seiner Warte halt.


Doch nun, die Hegelinge stürmten wie Sturm herein,

das Siegesglück gewandt sich zu Herwigs heilgem Schein.


Die Friedebrecher flohen zur Nacht in Angst und Not,

in Festen bargen sie sich vor Morgenrot.


Ein Fluss deckt eine Flanke, doch Schritt für Schritt sie wichen,

Hettel und Siegfried kämpften, dass Schilde niederbrachen.


Zu fliehn wagte Siegfried kaum, blieb fest in Mauern stehn,

umschlossen bald vom Meer, war Retten nicht zu sehn.


Wate sperrt See und Tor, die Recken schließen ein,

und voller Angst und Not sie harren auf das Sein.


Indessen kamen Späher zu Normannen heran,

zu Ludwig, Hartmut brachten sie die Nachricht an.


Da sammeln sich Normannen, zehn tausend Krieger stark,

die Hegelingen sind fern, so ist das Ziel klar und mark.


Gerlind, die Rache sann für Hettels stolze Tat,

schickt Gold und Silber aus, um Krieger im Rat.


"Gudrun wär mir das Liebste," sprach Hartmut voller Lust,

"in Kassianes Burg sei mein und ihres Herz’ Brust."


So rüstet sich das Heer und fährt zum Hegeland,

es liegt schon vor Anker, das Land ist nah und brand.


Die Boten nahen nun, der Werbung hartes Wort,

doch Gudrun sprach: "Nie soll ich weichen vom Erkor’nen Ort!"


"Herwig ist mein Geliebter, ihm bin ich treu verwehrt,

kein andrer soll mir nah’n, sein Lieb ist mir beschert."


Die Boten eilen fort, Hartmut hofft dennoch wohl,

doch Gudruns Herz ist treu, das bleibt der Welt zum Zoll.


"Euch ist abgesagt!" so rief ein Mann mit Macht,

"Die Maid ist schon verlobt, ihr Liebster gibt ihr Wacht.

Von Herzen liebt sie ihn, so lasst den Kelch uns leeren,

Verweigert ihr den Wein, so wird Blut euch bescheren."


Da riefen in Zorn Ludwigs wie Hartmuts Scharen,

Von fern sah man die Banner wild am Himmel fahren.

"Grimme Gäste kommen," sprach Hilde tief im Leid,

"Zu meiner liebsten Tochter, das bringt mir Herzeleid."

Doch die wackeren Wächter, die Land und Stadt bewahren,

Trösteten die Königin und sprachen ohne Zagen:

"Mag auch Hartmuts Heerschar hier etwas uns verwehren,

Wir vergelten’s ihnen mit Wunden, scharf und schwer."


Die Königin rief: "Die Tore schließt sogleich!"

Doch die Männer standen bereit, mit Banner und Zeichen reich.

Vor den Burgmauern draußen, im freigelegten Raum,

Wollten sie kämpfen, die Feinde dort stellen im Saum.

Mit blanken Schwertern, tausend vor dem Tor bereit,

Hartmut naht mit Speerreitern, entsteigt dem Ross, voll Streit.

Kaum hebt die Schlacht an, so nahte auch Ludwig's Schar,

Seine Banner fliegen, die Krieger zahlreich gar.

Dreitausend folgten ihm, stolz standen sie zur Wehr,

Die Hegelingen kämpften, doch Normannen wurden mehr.

Ob Wurfgeschoss, ob Pfeile, wie viele auch fielen,

Der Sturm bricht nicht ab, sie dringen herein in Reihen.

Bis die treuen Wächter, geschwächt und blutig rot,

Den Toren erliegen, von Feindeshand im Tod.

Hartmut und Ludwig nun im Tor triumphieren,

Hettels Haus wird ihr Platz, die Fahnen sie dort hissen."


Hartmut sprach zu Gudrun, mit Stolz und herber Not:

"Edle Jungfrau, sprich, wie geht’s dir in der Not?

Du hast mich verschmäht, doch wenn ich mich nicht wehre,

Müsst’ ich uns alle hängen, statt mit dir fort zu kehren."


Gudrun weint und klagt: "O Vater, hättest du’s gesehn!

Dein Kind wird entführt, welch Schmach, welch arge Pein!

Königsblut, mein Erbe, wird im Staub hier verdreht."

Die Stadt verbrannt, die Burg in Trümmern liegt, zerweht.

Zweiundsechzig Frauen nebst Gudrun raubt das Heer,

Hildefurt schaut’s mit Kummer, Herzschmerz wie ein Meer.


Doch Hilde schickt in Eile die Boten in das Land,

Zu König Hettel reiten sie, auf eiligem Gewand.

"Schnell", mahnt sie, "meldet ihm Leid und meiner Not,

Allein steh ich zurück, der Feind zog voll in Brot.

Ludwig, der reiche, fährt in stolzer Macht nun heim,

An tausend unser Mannen bleichen tot und allein."


Die Boten reiten schnell, bis Horand sie erblickt,

Zu Hettel geht’s, dem König, mit alter Treu geschickt.

"Willkommen, tapfre Herren, was bringt die Botschaft hier?

Wie steht’s um Hilde? Sagt, warum kamt ihr zu mir?"


Da sprachen die Boten, wahrheitsgetreu und treu:

"Hilde sendet uns, die Burg in Feindesstreu,

Die Stadt verbrannt, Gudrun mit uns entführt,

An tausend Krieger tot, kein Friede ward beschwört.

Das taten Hartmut und Ludwig, Normannen aus der Flur,

Der Schaden, o Herr, ist groß, das Land liegt nicht in Spur."


Da sprach der alte Wate: "Hört auf, nun zu klagen,

Der Schaden sei gesühnt in fröhlicherem Schlagen.

Wir wollen bald ziehen, in Ludwig’s Lande toben,

Hartmuts Haus treffen wir, ein Rachewerk von oben.

Zum Fürsten von Morland soll Frieden jetzt gehen,

Dann folgt uns Normannland, wir befreien Gudrun schön."


Der kühne Herwig sprach: "Das ist der beste Rat,

Schnell Frieden nun beschwören, mit Gutem und mit Tat.

Mir schmerzt das Herz um Gudrun, so lasst uns eilen fort,

Die Normannen finden wir, und nehmen wieder ihren Ort."


So kamen sie zur Sühne, Feinde nun als Freund,

König Hettel eilte auf See, sein Herz erneut.

Er wendet das Schiffschnabel nach Normannenland,

Zu retten Gudrun, greift er kühn und entschwand.


Drei Tage brauchte Hartmut, das Raubgut wohl zu laden,

Was Hettels Burg umfasste, nahm er ohne Zagen.

Dann rauschten Segel laut, die Wellen brausten wild,

Die Kiele glitten hin, gen Wülpensand es schwillt.

Ein wilder, breiter Werder, dort senkten sie den Kiel,

Die Anker in das Meer, am Sand ruht ihr Gefiel.

Sieben Tage soll hier Rast nun gepflegt,

Nur wenig Angst vor Feind, der Küste neigt sich schlägt.

Zelte sind aufgeschlagen, für Frauen, Mann und Ross,

Die Entführten voller Herzeleid, sitzen am Uferspross.


Lagerfeuer flackern, als der Schiffsmeister fern sah

Segel voller Kraft und gleitend, hell und klar.

"Sagt den Königen an, ein Feind naht sich dem Land."

Hartmut steht bereit, den Schild zur Hand gespannt.

Ludwig rief zur Schar: "Ein Kinderspiel war's bis hier,

Jetzt zeigt uns der Feind, Heldenmut zur Zier!"


"Euch ist abgesagt!" so rief ein Mann mit Macht, 

"Die Maid ist schon verlobt, ihr Liebster gibt ihr Wacht. 

Von Herzen liebt sie ihn, so lasst den Kelch uns leeren, 

Verweigert ihr den Wein, so wird Blut euch bescheren." 


Da riefen in Zorn Ludwigs wie Hartmuts Scharen, 

Von fern sah man die Banner wild am Himmel fahren. 

"Grimme Gäste kommen," sprach Hilde tief im Leid, 

"Zu meiner liebsten Tochter, das bringt mir Herzeleid." 


Doch die wackeren Wächter, die Land und Stadt bewahren,

Trösteten die Königin und sprachen ohne Zagen: 

"Mag auch Hartmuts Heerschar hier etwas uns verwehren, 

Wir vergelten’s ihnen mit Wunden, scharf und schwer." 


Die Königin rief: "Die Tore schließt sogleich!" 

Doch die Männer standen bereit, mit Banner und Zeichen reich.

Vor den Burgmauern draußen, im freigelegten Raum, 

Wollten sie kämpfen, die Feinde dort stellen im Saum. 

Mit blanken Schwertern, tausend vor dem Tor bereit, 

Hartmut naht mit Speerreitern, entsteigt dem Ross, voll Streit.


Kaum hebt die Schlacht an, so nahte auch Ludwig's Schar, 

Seine Banner fliegen, die Krieger zahlreich gar. 

Dreitausend folgten ihm, stolz standen sie zur Wehr, 

Die Hegelingen kämpften, doch Normannen wurden mehr. 

Ob Wurfgeschoss, ob Pfeile, wie viele auch fielen, 

Der Sturm bricht nicht ab, sie dringen herein in Reihen. 

Bis die treuen Wächter, geschwächt und blutig rot, 

Den Toren erliegen, von Feindeshand im Tod. 


Hartmut und Ludwig nun im Tor triumphieren, 

Hettels Haus wird ihr Platz, die Fahnen sie dort hissen. 

Hartmut sprach zu Gudrun, mit Stolz und herber Not: 

"Edle Jungfrau, sprich, wie geht’s dir in der Not? 

Du hast mich verschmäht, doch wenn ich mich nicht wehre,

Müsst’ ich uns alle hängen, statt mit dir fort zu kehren." 


Gudrun weint und klagt: "O Vater, hättest du’s gesehn! 

Dein Kind wird entführt, welch Schmach, welch arge Pein!

Königsblut, mein Erbe, wird im Staub hier verdreht." 

Die Stadt verbrannt, die Burg in Trümmern liegt, zerweht.


Zweiundsechzig Frauen nebst Gudrun raubt das Heer, 

Hildefurt schaut’s mit Kummer, Herzschmerz wie ein Meer. 

Doch Hilde schickt in Eile die Boten in das Land, 

Zu König Hettel reiten sie, auf eiligem Gewand. 


"Schnell", mahnt sie, "meldet ihm Leid und meiner Not, 

Allein steh ich zurück, der Feind zog voll in Brot. 

Ludwig, der reiche, fährt in stolzer Macht nun heim, 

An tausend unser Mannen bleichen tot und allein." 


Die Boten reiten schnell, bis Horand sie erblickt, 

Zu Hettel geht’s, dem König, mit alter Treu geschickt.

"Willkommen, tapfre Herren, was bringt die Botschaft hier? 

Wie steht’s um Hilde? Sagt, warum kamt ihr zu mir?" 


Da sprachen die Boten, wahrheitsgetreu und treu: 

"Hilde sendet uns, die Burg in Feindesstreu, 

Die Stadt verbrannt, Gudrun mit uns entführt, 

An tausend Krieger tot, kein Friede ward beschwört. 

Das taten Hartmut und Ludwig, Normannen aus der Flur, 

Der Schaden, o Herr, ist groß, das Land liegt nicht in Spur." 


Da sprach der alte Wate: "Hört auf, nun zu klagen, 

Der Schaden sei gesühnt in fröhlicherem Schlagen. 

Wir wollen bald ziehen, in Ludwig’s Lande toben, 

Hartmuts Haus treffen wir, ein Rachewerk von oben. 

Zum Fürsten von Morland soll Frieden jetzt gehen, 

Dann folgt uns Normannland, wir befreien Gudrun schön." 


Der kühne Herwig sprach: "Das ist der beste Rat, 

Schnell Frieden nun beschwören, mit Gutem und mit Tat. 

Mir schmerzt das Herz um Gudrun, so lasst uns eilen fort, 

Die Normannen finden wir, und nehmen wieder ihren Ort." 


So kamen sie zur Sühne, Feinde nun als Freund, 

König Hettel eilte auf See, sein Herz erneut. 

Er wendet den Schiffsschnabel nach Normannenland, 

Zu retten Gudrun, greift er kühn und entschwand. 


Drei Tage brauchte Hartmut, das Raubgut wohl zu laden, 

Was Hettels Burg umfasste, nahm er ohne Zagen. 

Dann rauschten Segel laut, die Wellen brausten wild, 

Die Kiele glitten hin, gen Wülpensand es schwillt. 


Ein wilder, breiter Werder, dort senkten sie den Kiel, 

Die Anker in das Meer, am Sand ruht ihr Gefiel. 

Sieben Tage soll hier Rast nun gepflegt, 

Nur wenig Angst vor Feind, der Küste neigt sich schlägt. 


Zelte sind aufgeschlagen, für Frauen, Mann und Ross, 

Die Entführten voller Herzeleid, sitzen am Uferspross. 

Lagerfeuer flackern, als der Schiffsmeister fern sah 

Segel voller Kraft und gleitend, hell und klar. 

"Sagt den Königen an, ein Feind naht sich dem Land." 

Hartmut steht bereit, den Schild zur Hand gespannt. 

Ludwig rief zur Schar: "Ein Kinderspiel war's bis hier, 

Jetzt zeigt uns der Feind, Heldenmut zur Zier!"


Die Schiffe landen nah; die Speere fliegen dicht,

Vom Bord zum Ufer geht das tödliche Gericht.

Die Hegelinge schwer erringen festen Grund,

Wate, der Kühne, tobt und schlägt in heißem Rund.


Da springt ihm Ludwig zu, mit scharfem Speer in der Hand,

Vom Schild die Splitter fliegen über'n heißen Sand.

Nun nahen Sturmgesellen ans brand’gefechte Ufer,

Ihr Meister schlägt den Ludwig bis ans Helmgezufer.


Hätte der König nicht ein Hemd von Seide fein,

Das auch den Kopf bedeckt in blitzend‘m Abalien-Schein,

So wär der Hieb sein Tod gewesen, mutig wahr!

Doch ringt er weiter auf dem Schlachtfeld, stumm und starr.


Hartmut schlägt wild nach Irold, von fern hallt Hieb auf Hieb,

Von Stahl, von Schildechöre, dass Blut die Flut durchgieb’.

Da springt in Flut von Seeland Herwig, bis zur Brust,

Die Normannen speeren, doch trotzt er ohne Lust.


Der Held watet festen Tritts ans Ufer durch die Wogen,

Und mit scharfen Streichen lässt er die Feinde bogen.

Das Schlachtgetümmel brennt, ein Freund tritt Freund nieder,

Bis Hettels tapfre Schar den blut'gen Strand erwirbt wieder.


Ortwein und Morung wandern das Feld umher,

Mit fester Hand und Mut, der Freunde Speere leer.

Doch Ortwein trotzt und schreitet mit frohem Herzen fort,

Bis Gudrun und die Frauen klagten am traur'gen Ort.


Je dunkler wurde Nacht, je mehr verlor Hettel den Sieg,

Die Normannen nahmen voran den bösen Krieg.

Ludwig und Hettel trafen sich, der König sank zur Erde,

Ein Todesschlag durch Ludwigs Hand ihm Ende werde.


Wate hört und tobt im Zorn wie ein wilder Eber,

Ins Feindesheer schlägt er sich, sein Zorn ist schärfer, lieber.

Auch Ortwein, Horand wollen den Tod rächen,

Da dämmert Nacht, und ein Däne will Horand erstechen.


Den Sänger niederlegt Horand im Streite flink,

Doch siehe, sein Neffe war’s, von ihm fiel der Blutesschink.

Herwig ruft klagend aus: „Dies wird zur Mörderflucht,

Freund und Feind wir schinden, die Nacht nimmt uns die Sicht.“


Die Hegelinge lagern sich dicht beim Feindeshorst,

Wo Zeltfeuer der Helme Licht ziert wie scharfer Forst.

Doch Ludwig plant klug, das Heer in Schlummer tunken:

Legt euch auf Schilde, lärmend, dass Feind uns für versunken.“


Da schlich das Feindesheer, während die Hegelinge ruhen,

Und Ludwig floh mit Fraun, dass sie nicht Buße tuen.

Bei Tag erwachen sie, und finden Feind entschwunden,

Auf Pferd und Fuß drängen sie, um neuen Kampf gefunden.


Doch Wate’s Horn erschallt, und in weiter Ferne,

Die Normannen längst entflohn und kehren sich im Sterne.

Frute spricht: „Was hilft’s, so fern die See sie trägt,

Dreissig Meilen Wind sie schon davon uns schlägt.“


Da trugen sie ihre Wunden, betteten die Erschlagnen,

Bestatteten die Toten, wie Schicksal sie getroffen.

Von Trauer voll, so ritt Wate ins Hegelingenland,

Mit keiner Hoffnung mehr auf Huld der Königin Stand.


Da fragt Frau Hilde bang und voll von Leid entzwei,

Wo bleibt mein König, sag, ist er dem Tode frei?“

Und Wate tritt herein, das Ingesind ihm schweigt,

Euer König, eure Freunde,“ sprach er, „sind geneigt.“


Alt und jung erschrocken, Hilde klagt in Not:

Mit Hettel schwand mir Ruhm, verloren unser Boot!

Gudrun, mein liebes Kind, seh ich wohl niemals mehr!“


Frau,“ sprach da Wate, „lass das wilde Klagen ruh’n;

Mit all den toten Rufen kehrt kein Leben zu dir nun.

Sind einmal neue Helden erst in unserm Land,

Dann rächen wir uns hart an Ludwig, an Hartmut’s Hand.“


Dürft’ ich dies noch erleben!“ sprach die Trauernde schwer,

Was immer mein ist, gäb ich hin, als wär es nichts mehr,

Dass Rache mir und auch das Wiedersehen käme,

Mit meiner Tochter, die ich zärtlich je vernehme.“


Das kann nur dann gescheh’n, wenn uns’re Knaben stark,

Des Vaters Mut erwacht, das Schwert wird hart wie Mark;

Denn jetzo sind wir kaum genug für einen Kriegszug hier,

Die meisten fielen tot im Kampf und liegen ferne schier.“


Bald trieb der Wind die Normann’ zur Heimat, stark und gut;

Als Ludwig seine Burg erblickt, spricht er in freud’gem Mut:

Siehst du die Burg, o Frau? Dort soll dir Freude blüh’n.

Wirst du uns hold, so werden reich die Lande dir verglüh’n.“


Die edle Maid, viel traurig, sprach: „Wer kann mir hold sein?

Bin ich, verlassen, doch selbst von allem Glück allein.“

Lass ab von deinem Leid und wähle Hartmut, stolz und stark,

Erbiete dir all das Gut, das in uns’rer Macht liegt, blank und klar.“


Eh’ ich Hartmut nehme, leg’ ich lieber tot mich nieder;

Nicht ziemt’s, dass Hettel’s Tochter wirbt um deine Söhne wieder.“


Hartmut sandte Boten vor, zu Gerlind froh zu künden:

Bereite dich zum Empfang und lasse Feiern finden!“

Die froh’ste Kunde war’s für Gerlind, was sie je vernommen,

Mit ihrem ganzen Hofgesind war sie entgegenkommen.


Die Schiffe legen an, die Normann’ blick’n fröhlich auf das Land,

Nur Gudrun steht in Trauer tief mit Frauen Hand in Hand.

Hartmut führt sie an der Hand, doch ungern fasst sie sein;

Gezwungen folget sie dem Dienst, er ließ ihr keine Wahl.


Hartmuts Schwester Ortrun kam mit holdem Gruß heran,

Sie küsst mit weinenden Augen die Maid, die leidvoll stand.

Auch Gerlind naht mit Kuss, doch Gudrun spricht entrüstet,

Was kommst du mir so nah? Ich will dich nicht geküsst.“


Wann wird die Fremde,“ sprach Gerlind, „zu Hartmuts Weib erhoben?

Sie muss sich’s wohl gefallen lass’n, Hartmut mag’s wohl geloben.“

Gudrun vernahm die Rede, antwortet hart und klar:

Frau Gerlind, wär’s für Euch nicht schmerz, würd’ man Euch zwingen gar,


Zu dienen dem, der Eure Liebsten schlug und Feinde stieß?“

Doch Gerlind spricht zu Hartmut, voll Zorn: „Ich will sie lehren dies.

Sie ist ein unerfahr’nes Kind, in meiner Zucht soll sie’s nun wagen,

Dann legt sie ab die Hoffart, die sie stolz mag tragen.“


Tu, wie du willst,“ sprach er, „doch halte sie mir gut,

Damit ihr Stolz in Zucht bleibt, wie es dir sanft gebührt.

So übergab Hartmut die schöne Gudrun ihrer Mutter,

Und schwer war’s für die Maid, was Gerlind stets mutternd flüsterte.


Gerlind, die schlimme „Valandine“ nahm kein Erbarmen an,

Sie sprach: „Willst du nicht Freude seh’n, dann wirst du Leid erlang’n.

Mein Frauengemach sollst du erhitzen, Brände schür’n,

Das Herdfeuer hüten, bis die Flammen züngeln gar und kühl’n.“


Was Ihr befehlt, kann ich tun, doch selten hob ich Brände,

Mit solcher weißen Hand, gebor’n aus hoher Hände.“

So tu nun, was nicht Königinnen ziemt, dies Werk,

So endet deine Hoffart hier, in Glut und Feuer, hart und stark.“


Zürnend ging Gerlind zur Halle, sprach dort mit Zorn und List:

Hettels Kind verschmähte dich, Hartmut, das ist ihr Geist!

Eher als diese Schmach zu seh’n, wär’ es besser, nie sie mehr zu sehen.“

Hartmut sprach milde: „Halt’ sie wohl in deiner Hut,


Ich dank es dir; ich weiß, dass ich ihr Leid gebracht,

Dass sie der Minne fremd ist und oft nur Kummer lacht.“


Nun stand im Dienst Gudrun mit ihrer Fraue Schar,

vier Jahre wohl und ein halb dazu – so schwer und gar,

bis Hartmut kehrte heim von seiner Kriegsfahrt breit;

da ward die Hegelingentochter ihm gebracht im Kleid.


Schön Jungfrau, wie bestandest du die Zeit allein?"

Zu deiner Schmach und Schande musst ich dienen rein.“

Was, Gerlind? Ich befahl sie dir zur Huld und Güt’,

damit die Last des Kummers ihrem Herzen riet.“


Wie könnt ich anders Hettel's Tochter fördern bloß?“

Die Wölfin sprach mit Stolz und doch die Worte groß:

Ob ich befehlt, ob ich verboten, was sie spricht,

war stets von deinem Haus und dir kein Lob, nur Licht.“


Und sie hat recht; wir machten Gudrun vaterlos,

mein Vater schlug den ihren tot, das Leid ist groß.

Dass sie ein Wort schon kränkt, das soll mir nicht vergehen.“

Gerlind gab Antwort: „Gut, sie soll noch besser stehen.“


Und Hartmut ahnt’ es nicht, wie schlimm’s den Armen ging;

Gudrun voll Pflicht und Willen diente wie ein Ding,

im fremden Land, wie Magd, für sieben Jahre gar,

bis Hartmut ohne Krone stand am neuen Jahr.


Sein Rat ihm gab den Rat: „Die Maid zur Gattin nimm,

auf dass du hier als König herrschst, – sei’s Gerlind schlimm!“

Da kam er an die Kemenat’, dort fand er sie,

und sprach, die Hand gefasst: „Edle Königstochter lieb,


versieh mich mit der Treue und der Königin Kron’,

dir dienen meine Recken und mir ist’s ein Lohn.“

Zu solchem Mut bin ich von Herzen nicht gesellt,

die böse Gerlind quält mich sehr; das Herz mir fehlt.“


Ach, das mir leid; was meine Mutter dir getan,

soll Freude dich vergessen lehren, schau mich an.

Zu beider Ehre mag dies Fühl’n sich neu erheben.“

So mag ich nicht auf dich als Retter mein Vertrauen geben.“


Bedenk’, Gudrun, dies Land und Volk, sie sind mein Reich,

und kann hier tun, was mir gefällt, denn ich bin reich.

Was wär’ dir dann für Sorg’, wärst du gezwungen nur?“

Mich ficht nicht an, dass Hagens Enkel dich wohl gar verführ’,


und Buhle werde gar.“ Sie sprach es fest und stolz,

doch Hartmut, sprach’s erneut und bat erneut den Zoll:

So, Jungfrau, wenn’s dir nur gefällt, die Krone nimm!“

Wie kann ich dich gewinn’n! Dein Wort steht nimmer gut im Sinn.“


Wie kann ich lieben dich, die mir nur hat geraubt,

mein Leid, das du mir machtest, schlägt mich nur, und laut

schreit's aus, wie Ludwig mir den Vater totgeschlagen.

Ach, wär’ ich Mann, mein Schwert würd’ ihm Vergeltung sagen.“


Hartmut liess Ortrun kommen, die mit sanftem Sinn

zur stolzen Maid sprach, sie zu wenden von Beginn:

Ich will dir dienen stets, du königliche Maid,

dass dich kein Kummer plagt, dass Leid und Last verwaist.“


Hab Dank, Ortrun, dass du mein Krön’n für Freude hältst,

doch meinen Gram entbehren, ach, das fehl’ mir selbst.“

So sprach sie ernst zu Hartmut, der die Worte hört:

Für Herwig von Seeland bin ich als Frau verscherzt.“


So oft sie’s sprach, bis Hartmut ärgerlich er war:

Gelt’ ich denn nichts für dich? Für Herwig ist’s dir klar,

dass Ehre seines Weibes höchste Ehr’ sein soll?

Du strafst mich wahrlich sehr, dies ist zu grob, o voll!“


Da sprach die Wölfin Gerlind, dass sie starrsinnig sei:

So wird sie weiter dienen, als Magd, und keiner Ruh’ geweiht.“

Was ich an Dienst und Hand kann fleissig geben dir,

tu ich bereit, mein Unglück führt mich hierher, nicht mein Zier.“


Zum Strande sollst du täglich alle Wäsche bringen,

für mich und mein Gesind, und mit Bedacht und Zwingen

sei eifrig stets und darfst nicht müßig stehen hier."

Da sprach Gudrun mit Stolz: „O Königin, das lehre mir,


wie ich mit königlichen Händen solches tu.

Ich such’ hier keine Wonn’, drum mir das Leid nur ruht.“

Da nahm ein Weib die Wäsche, trug sie an den Strand,

wohin Gudrun als Maid nun waschend sich befand.


Die Hegelingenfrauen standen ihr zur Seite,

ihr Adel und ihr Leid bedrückt, dass sie sie leide.

Und eine Hildburg aus dem Land von Irland treu,

sprach: „Frau Gerlind, ich wasch’ mit ihr, da’s doch mein Freu’."


Dies wird dir wehe tun,“ so sprach sie streng und klar,

der Winter weht im Schnee und hart ist die Gefahr.“

Doch Hildburg harrt’ des Abends, der Gudrun dann tröst’.

Gemeinsam klagten sie das Leid, das sie erlöst’.


Frau Hilde zu Hegelingen, sie grübelt stumm und leise,

Wie sie die Tochter wohl zurückerlangt im Kreise.

Sieben große Schiffe ließ sie bauen und stärken,

Lang und stabil, und für das Meer vollwertige Werke.


Zur Julzeit schickt sie Boten durch Länder und die Gauen,

Um Rache zu versammeln, die auf ihr Wort vertrauen.

Da grüßt sie Herwig fröhlich: „Bote, willkommen sehr!

Kein anderer als ich ersehnt solch edle Wehr.“


Herr Horand sagt: „Ich steh’ bereit mit meinem Bande.“

Und Ortwein trifft man froh beim Falkenstoß im Lande.

Heil!“ ruft er aus, „von Hilde, meiner Mutter, Boten nah’n;

Ihr Heerfahrt ist uns teuer, das wird heut’ getan.“


Er lässt die Falken fliegen und spricht zu den Gesellen:

Mit zwanzigtausend Recken zieh’n wir an die Wellen.

Die Schwester zu befreien aus Normannenland Gefilde,

Wohlan, auch wenn der Heimkehr hoff’ uns keiner bilde.“


Es scharten sich zusammen aus allen nahen Lagen,

Die tapfersten der Recken, sechzigtausend stark geschlagen.

Frau Hilde ohne Freude begrüßt das große Heer,

Und reiche Gaben teilt sie als Dankgeschenk umher.


Die Kiele fest versammelt, die Herzoge gedrungen,

Und erst, als alles Nöt’ge für den Zug errungen,

Entsendet sie die Krieger, mit Ringen gut versehn,

Und spricht zu Wate mild: „Ihr sollt zu Dänemark stehn!


Mein Lohn gilt jedem Streiche, im Sturme hart getroffen,

Für Horand traget Banner, bleibt stets im Glauben offen.“

Da ziehen Waisen manchen, die Väter fielen hier,

Auf Wülpensand erschlagen, nun trieb sie Rachegier.


Bald sieht Wate von weitem das Küstenland erwachsen,

Ein Berg, der sich aus Meeresflut erhebt in starkem Wachsen.

Da lässt er seine Schiffe zum Anker grundnah stehn,

Und auf das Land die Recken dem Ufer bald entgehn.


Im Walde lagern, Irold steigt auf hohen Baum empor,

Er blickt und ruft herab: „Seht, Freunde, hoch empor

Sieben stolze Hallen und dazwischen Königshaus,

Normannens Land, so segne unser Racheschmaus.“


Da gibt Wate Befehl: „Nun traget aus die Waffen!

Das Schild, den Helm geschnüret, lasst alle Rosse schaffen.

Bald sprengen die Mähren hin und her am Strand,

Von Seefahrt müd, doch kühl das Wasser sie entsandt.


Ortwein und Herwig streiten als Späher sich nach vorn,

Ob Frauen noch am Leben, des Königs Tochterborn.

Und warnend wenden sie zum Heer die ernsten Blicke:

Gefangen oder tot, so stehet uns im Rücken.“


Gelobend reichen alle die Hände ihren Fürsten,

Dass sie zurück nicht kehrten, dem Rufe laut zu dürsten.


Am Seestrand nach der langen Winters Nacht,

Stand Gudrun, Hildburg bei ihr, zur Arbeit aufgebracht.

Ein Schwan erschien im Wasser, wild und voller Leid,

Ach, Vogel, wieso treibst du in kaltem Meer so weit?“


Der Schwan sprach: „Dir bringt Freude, elendes Kind, bald nah,

Ein Bote bin gesandt dir, ein Licht in dunkler Schar.“


So sage mir, lebt Hilde, die Mutter, welche leidet,

Und Ortwein, Herwig, auch sie, ob niemand sie bestreitet?“


Hilde lebt wohl; und auch Herwig mit Ortwein jung

Fuhren heut über Wellen, im Schiffe fest und jung.


Auch Horand kommt mit Kriegern aus Dänemark zu Hand,

Das Banner Hildes tragend vor Hartmuts feste Wand.“


Lebt Wate wohl im Sturme? So klag’ ich wohl nicht mehr.

Und führte Frute Fahnen, dann wär’ die Freude schwer.“


Dir kommt ins Land ein Freund, von Sturmes Wate treu,

Im Schiff ihn sah ich steuern, Frute nah dabei.

Bessern Freund im Urlog findest nimmer du,

Mit starkem Steuer schützend, hält er fester Ruh.“


Des Schwanes Flügel rauschten, er musste bald dahin,

Die Frauen fragten sorgend, ob Schutz für sie noch blieb.

In ihre Freude drang die bange Frage ein,

Wo wohl die Helden blieben, die Hegelingen rein.


Die Frauen wuschen müde die weißen Tücher klar,

Sprachen von ihren Helden, schauten aus so bang.

Der Tag versank, sie kehrten zur Burg zurück ins Haus,

Von übler Gerlind kamen Scheltworte heraus:


Wie kam es euch in Sinn, so nachlässig zu sein?

Die seidnen weißen Kleider bleicht nun schneller ein!

Sonst wird’s euch bald gereichen zu tiefem, trübem Leid,

Seid ihr nicht eifriger, ist euch bald Elend geweiht.“


Hildburg darauf erwidert: „Frau, wir tun was wir vermögen,

Eure Zucht ist hart, der Frost durchdringt uns Hüften und Högen.

Wehten milde Lüfte draußen, wüschten wir mit Fleiß,

Doch so kalt zu waschen, bringt uns keinerlei Preis.“


Mit Zorn sprach Gerlind: „Mag das Wetter toben,

Ihr wascht früh und spät, und müßt früh hinausgezogen.

Die Feste kommen nah, es naht der Gäste Schar,

Sind die Kleider nicht rein, erleidet ihr bittere Gefahr.“


Zur Kammer kehrten die Mädchen, legten nass ihr Kleid,

Hatten auf harter Bank ein Lager, kalt und weit.

Wenig schliefen sie, erwartend den Morgen klar,

Im Schnee erschien die Welt, und Sorge kam dann gar.


Gudrun sprach zu Hildburg: „Geh zu Gerlind bald,

Fleh um ein Paar Schuhe, sonst trifft uns Todeskalt.

Sonst erfrieren wir hier draußen im bitteren Eis,

Schutz am Fuß, das braucht es, wenn heut’ das Leben uns leis.“


Die Frauen gingen sacht zu des Königs Schlafgemach,

Wo Gerlind schlief am Bett des Königs nah und wach.

Leise traten sie hin, nicht wagend ein Wort,

Gudrun mit leisem Flehen erweckte sie vor Ort:


Warum zaudert ihr? Geht an die Arbeit nun!

Was kümmert mich euer Leid, des Frostes Wüten nun!

Schuhe sollt ihr nicht haben, tut euch sanft oder hart,

Geht an die Arbeit weiter, fleißig ohne Gnad’ und Wart!“


Mit Tränen gingen die Armen an die Brandung hin,

Das nasse Kleid im Winde wehend, leicht und dünn.

Blickten sehnsuchtsvoll hinaus, Hildens Heldenschar zu sehn,

Da kamen auf den Wellen zwei Männer ernst und schön.


Dort nahen zwei,“ sprach Hildburg, „dein Herold, wohl gesandt.“

Rat mir, liebe Freundin, vor Schande eil’n wir fort.

Oder laß uns sie treffen, eh’ uns hier trifft der Tod;

Lieber bliebe ich Magd für alle Ewigkeit im Brot.“


Sie wandten sich zurück und liefen eilend fort,

Doch Ortwein und Herwig sahen sie an diesem Ort.

Sprangen auf den Strand herab, riefen ihnen zu:

Warum flieht ihr, Schönen? Bleibt hier und bleibt in Ruh’!


Guten Morgen bot Herwig den Heimatlosen dar,

Eine Freude, die selten ihnen ward gewahr.

Sagt mir, wem gehören die weißen Kleider zart?

Für wen wascht ihr sie? Der euch so schön missachtend spart?“


Traurig sprach Gudrun: „Die Herren der seidnen Pracht,

Haben schönere Mägde, als wir je gedacht.

Fragt, was ihr wollt, doch ein Auge sieht von der Zinne her,

Wird’s uns schlimm ergehen, das fürchten wir zu sehr.“


Ortwein sprach dann leise, Hoffnung im Herzen klar:

Für Antwort schenken wir euch vier goldne Ringe gar.“


Behaltet eure Ringe! Lohn soll euch entgehen,

fragt nur nach, was ihr wollt, wir werden nicht verwehen."

sprach da Gudrun, mit stolzem, festem Mute,

"Doch nennt den Herrn, der hier herrscht über die Route.


Wem dient dies Land, die Burg, die hier uns umfangen?

Ist’s ein Mann mit Ehre, lässt er uns wohl verlangen.

Doch wie ich sehe, kleidet er euch nicht fein,

dies mag ihm wohl zum Lob kein rechter Diener sein."


Hartmut ist der eine, der Land und Burg besitzt,

der andre, Ludwig, stets auf Ehre ausgesetzt.

Und beide wohnen hoch in ihrem hehren Reich,

wo Held’ in Scharen dienen, für Fürsten stets gleich.


"Wir möchten sie sehen," sprach Ortwein so kühn,

"Verratet, wo wir wohl diese Herren erspäh’n.

Wir sind ausgesandt, des Königs Diener treu,

sie zu suchen im Land, oh helft uns dabei."


"Dort in jener Burg! Bei Tagesanbruch zuletzt

sah ich sie schlafend noch, das Schwert in der Letzt,

mit vierzighundert Mannen, ob sie ausgeritten,

das weiss ich nicht, ob sie noch hier umschritten."


Herwig betrachtete die Sprecherin stumm;

er fand sie so edel, schön und zart, wie kaum.

Im Herzen aufseufzt' er, sie mahnt' ihm sehr

an eine, die ihm stets im Traume wär.


Ortwein begann wiederum zu fragen laut:

"Hörtet ihr von fremden Frauen, hergebracht in Traut?

Wir hörten, sie leiden hier in tiefem Gram,

und wir suchen sie, die’s in grossem Jammer kam."


"Die, die ihr suchet, hab ich in Leid gesehen,"

sprach sie da traurig, ohne abzusehen.

"Schau hin, Ortwein," sprach da Herwig in Hast,

"Lebt Gudrun, so muss sie sein, so wie sie erfasst."


"Auch ich kannte einen," sprach Gudrun dazu,

"dem du gleichst in Gestalt und Treue im Nu.

Herwig von Seeland war er geheissen einst;

Lebte er noch, er uns alle Fesseln sprengt."


"Schau meine Hand, ob du dies Gold erkennst?

Mit diesem Ring ward ich Gudrun vermählt in aller Gunst;

bist du Herwigs Braut, so sei gewiss,

dass ich dich führe von dieser Stätte gewiss."


In Freude lachte sie: "Den Ring kenn ich gut,

einst mein war er, als ich sass voll Mut.

Schau dies hier, das gab mir mein Liebster allein,

in meines Vaters Saal, da saß ich froh und rein."


Da sah er auf ihren Finger und erkannte das Gold,

dass es einst nur einer Königin als Zier ergollt.

"Heil mir! Nach langem Leid erblick ich nun,

was mein Herz erfreut, dich, mein liebes Gudrun."


Er umschloss sie zärtlich, küsste sie oft und klar,

auch die heimatlose Hildburg, ganz wunderbar.

"Besser konnt uns die Fahrt nicht glücklicher gelingen,

nun lasst uns eilen, Ortwein, zu den Jungfrauen bringen."


Ortwein entgegnet: "Nicht mir wäre wohl so recht,

ich liess’ hundert Schwestern sterben ohne Recht,

ehe ich die in fremden Land in Heimlichkeit ließ,

die man mit Sturm genommen, oh wie mir das miss!"


Herwig aber sprach: "Wird man uns bald erkennen,

führt man die Frauen weit, dass sie uns nicht trennen."

Doch Ortwein widersprach: "Kein Knecht bleibt hier,

da Gudrun meine Schwester ist, steh’ ich in Ehren ihr."


So sprangen die Degen ins Boot zurück;

Gudrun rief Herwig nach: "Ach mir zum Geschick,

was lässt du mir hier zum Trost zurück,

wenn die Allerärmste nun ich bin mit der Zeit im Blick?"


"Nicht elend bist du," sprach Herwig dabei,

"Zur ersten du wirst mit Königinnen treu.

Schweige von uns, noch vor dem Morgen das Sonnenlicht

steht hier sechzigtausend der Recken Pflicht."


Schnell stiessen sie ab, über Wellen sie flogen,

mit schwerem Scheiden, Frauen sah’n ihnen nachgezogen.


Da sprach Gudrun mit List und ward klug,

"Zu Gerlind lass ich meine Hände nicht mehr voll Fug.

Niemals wasch ich ihre Kleider mir voll Mut,

denn zwei Könige küssten mich mit hehrer Glut."


Dann lass’ ich meinen Zorn! Hätt’ tausend Schleier ich verlorn,

verzichtet' ich darauf und wünschte keinen Zorneskorn.


Sogleich begaben sich viel Mann zu Hartmut hin und sprachen:

Herr, Botenlohn ist wohlverdient, mag Glück dich heut durchwachen!

Hild’ sendet ihre Tochter, die, dir Dienst und Treue zu erweisen,

in deine Kemenate mag – wenn dir’s genehm mag heißen.“


Du lügst,“ so sprach der Herr, „wär wahr dein Wort und fest,

ich gäb dir Burgen, Länd’ und Ringe, die mein Reich umfasst.“


Da rief ein andrer, schnell: „Herr, teil mir die Hälfte gern,

ich hört’ es auch: Die Jungfrau sagt’, sie lieb’ dich, und wär’ gern

als Königin dein Weib und hätt’ für deines Reiches Macht

gar viele Ehr’ und Ruhm erdacht.“ Da Hartmut auf erwacht,

vom Sitz aufsprang der junge Mann, in Huld von Lust getragen,

er meinte, dass der Gott der Wünsch’ ihm Treue wollt’ zusagen.


Da ging er schnell zu Gudrun hin, und sah sie bleich und schön,

im Hemde, nass vom Schnee, und weint’, da sie ihn sollte sehn.

Er wollt’ sie gleich umfassen, da rief sie: „Nein, das nicht!

Die Leut’ würd’ es dir schelten, mich, die Arme, so zu huldigen in Sicht;

du bist ein reicher König, ich nur arme Magd,

das ziemt dir nicht, mich hier zu fassen in solch’ Trauerg’wand.


Doch steh’ ich vor dir reich gekleidet, würdevoll,

die Krone auf dem Haupt, dann ist’s uns beiden wohl.“

Zurücktrat er, voll Achtung, ließ das junge Fräulein stehn,

und sprach: „Willst du mich minnen, dir wird es wohl ergehn;

dann sollst du über mein Geschick, mein Reich und meine Freund’

zu herrschen haben, Jungfrau, wie’s deinem Sinne scheint.“


So will ich nun gebieten, und es sei mein erster Befehl,

dass mir ein Bad bereitet wird, bevor mir Ruhe wähl’;

zum Zweiten sei, dass meine Frauen, die in Dienst hier stehn,

man bringe mir herbei und sie bei mir lass’ gehn.“


Das tu’ ich gern,“ sprach Hartmut, „und rief die Frauen her,

die aus Gerlindens Diensten kamen, nackt und schlecht und schwer

gedrückt von Arbeit, schlecht gekleidet, mit verwirrtem Haar,

dass jeder sah: Die Unholdin war in Hassens Schar.


Sieh’ doch,“ sprach Gudrun da, „was dir deine Magd’ erlangen –

kommt dir daran nicht Ehre, Herr, die Knechte so zu hangen?“

Sie sollen alsogleich die besten Kleider tragen,“

sprach Hartmut, gab Befehl, ließ wohlgewebtes Garn ertragen.


Da wurden Bäder rasch gerüstet, Frauen eingeleit’;

von Wein und Speis’ war ihrer dann die Herrin mild bereit,

sie schenkte ihnen besten Trunk, saß mit den Frauen dort

in Stille, königlich, in diesem fremden Ort.


Ludwig trat zum Fenster, mit Hartmut Hand in Hand,

Von dort sie sah’n das Heer vor sich im weiten Land.

"Ein Banner weiß ich seh’ mit gold’nem Wappen klar,"

Sprach Hartmut, "Frau Hild’ sendet uns das zum Schar.


Daneben flattert Blau, wie Wolkenhimmel rein,

Mit Lilien drauf, es stammt vom Herwig, Sohn vom Rhein.

Er sinnt auf seine Schmach, will Rache hart sich holen.

Das dritte Banner dort, rot-weiß wie Blut und Kohlen,


Das führt Ortwein, der Junge, dem wir Vater nahmen;

Nicht Freundschaft hat er her für uns herangeschworen.

Auf, Männer, jetzt zur Wehr, die Gäste sind nun nah,

Lasst sie vorm Tore steh’n, gebt ihnen, was geschah!"


Da stürzten Burgleut’ auf, aus Schlaf und tiefem Ruhm,

Viertausend rüstig waren, in Waffen ohne Ruh.

Gerlind rief: "Hartmut, halt! Lass’ Leben nicht vergehn!

Zieht ihr zum Kampfe aus, könnt' leicht ihr untergehn."


"Mutter, zurück in Ruh’, denn Rat ist nicht dein Feld.

Die Frauen lehr’ geschmückt, mit Seide, Gold und Geld."

"Gut rat’ ich doch," sprach sie, "von Fenstern lasst uns schießen.

Die Stein’ trag’ ich zum Fall, sie sollen uns genießen."


"Hinfort!" sprach Hartmut drauf, "zurück jetzt, sei gewandt.

Eh’ ich mich schließe ein, kämpf’ ich mit starker Hand!"


Nun schallt das Horn zum Sturm, Wate rief dreimal laut,

So dass die Wellen wogten, die Luft vor Zorn ergraut.

Dann ordnet’ er sein Heer, hieß Horand Hildes Zeichen

Zu schwingen, stumm und still, kein Huf ließ’s Laut errechnen.


Gudrun stand hoch und sah, wie stattlich ritt die Schar,

Gegen Hartmut voran, so dicht und stark sie war.

Mit Glanz und Helmgezück, der Normann‘ stürmt heraus,

Gegen Ortwein führt’ er gleich das wack’re Ross hinaus.


Mit Speeren sie sich stoß’n, Funken sprühn aus Stahl,

Die Rosse taumeln schwer, vom Zorn zum nächsten Mal.

Kein Mann wich, Schwerter blitzten, hoch ward die Schlacht erhoben,

Von beiden Seiten drang das Blut aus frischen Wunden.


Hartmut, er lacht da kalt, Horand vor Zorn entbrennt,

Er kämpft sich Bahn zu ihm, den Sänger gar nicht trennt.

Die Schwerte biegen sich, doch Blut rinnt wie ein Bach,

Die Feind‘ sind stark umringt, dass Keiner Einhalt mach’.


Herwig drängt mit Macht, ihm widersteht kein Mut,

"Wer kämpft da wackerlich?" fragt’ er und stampft im Blut.

"Ich bin’s, der König hier, von Normandie mein Land.

Ich treffe gern den Feind, der stolz vor mir bestand!"


"Herwig von Seeland hier, du raubtest meine Braut!

So kämpfe nun mit mir, auf dass mein Herz laut schaut."

Da rennen sie sich an, die Scharen seitlich stehen,

Herwig trifft hart, doch bald muss Ludwig kühn bestehen.


Der Alte schlägt ihn schwer, dass fast sein Mut vergeht,

Doch Herwigs Mannen stehen und reichen ihm Gelehn.

Er springt zurück in Zorn, den Blick zur Zinn’ empor,

"Ob Gudrun sah mein Fall? Das schämt mich in dem Tor."


Da hebt er’s Banner hoch und stürmt mit freiem Mut,

Der Streit wird heiß und grimm, dass Ludwigs Hals verglüht,

Ein Schlag trifft ihn zur Seit’, das Leben ihm entweicht,

So nimmt ihm Herwig fort, was Leben ihm erreicht.


Nun kehren sie zurück, das Banner führt die Schar,

Der Burghüter lässt es zieh’n, sein Trauern klingt so klar.

Hartmut weiß nichts von dem, was um ihn war geschehn,

Er ruft: "Zur Burg zurück, auf dass wir’s bald verstehn!"


Mit Schlägen schwer erkämpften sie den Rückzug hart,

doch Wate sammelte sein Volk in starker Schar.

Er drang mit Sturm bis an das Burgtor ungestüm,

Hartmut den Eingang haltend vor dem steten Grim.


Steine stürzten nieder auf des Alten Haupt,

doch wich er nicht und hielt, von Mut und Stolz umlaubt.

Da rief Hartmut: „Vergelten soll das alte Leid!

Fliehen wir nicht, sei's nun, dass uns der Tod befreit.


Kein Meer ist nah, kein Schoss der Erde für uns auf;

kein Weg, der uns vor unsren Feinden nimmt den Lauf.

Genossen, ab vom Ross! Das Schwert herauf, ins Feld!"

Sie sprangen ab, wie Hartmut’s Befehl befiehlt.


Vorwärts! Hartmut rief: „Den Alten stell ich mich,

und wenn das Glück es gibt, so weiche er vor mir nicht!"

Mit blanken Klingen stürmten sie zum Tor heran,

Hartmut vor Wate tretend, das ihm Ruhm gewann.


Oben auf der Burg Ortrun die Schlacht gewahrt,

sie eilt zu Gudruns Saal mit Herz in größter Fahrt.

Die Hände ringend sank sie Gudrun zu den Füß’,

und flehte: „Gedenke, wie dein Herz einst litt.


Nun liegt mein Vater tot, auch viele, die ihm hold,

und Hartmut, mein Bruder, steht vor Wates Stolz im Sold.

Dein Freund war ich im Schloss, als niemand andrer half,

nur ich stand dir beiseit’, wenn Schmerz dein Herz verwarf.“


Gudrun sprach mild: „Das ist mir, Ortrun, wohl bekannt,

doch weiß ich selbst nicht, wie die Waffen zugewandt.

Wär’ ich ein Mann, ich trennt’ euch, ließ nicht Tod gescheh’n,

und dir den Bruder ließ; doch Waffen mir nicht stehn."


Doch Ortruns Bitten rührten, bis Gudrun schließlich trat

ans Fenster und ein Zeichen mit der weißen Hand tat.

Ist keiner von Hegelingen nah und hilfsbereit?"

Herwig trat vor, fragt' freundlich: „Was ist dein Geleit?"


Willst du mir dienen, Herwig, zürne nicht mir gar;

hier bitten schöne Frauen, trenn Hartmut und Wate gar.“

Das will ich gern, Vielholde," sprach Herwig mild gesinnt,

er rief den Freunden: „Haltet das Banner Hartmuts Bind’!"


Wate, treuer Freund," rief er mit klarem Klang,

gönne, dass ich hier trenne euren Kampfs Gesang."

Doch Wate, zornentbrannt, fuhr ihm entgegen laut:

Warum, Herr Herwig, nennst du Frauenrat mir traut?


Ich kenne keinen Frieden mit des Feindes Schar,

der stets mir Schaden tat und frevelte Jahr für Jahr."

Da sprang Herwig dazwischen, endete das Blut,

doch Wate schlug ihm mächtig, sank Herwig vor ihm gut.


Die Seeländer gesellten sich zum Herrn voll Kraft,

und Hartmut ward gefangen durch der Seelands Macht.

Da tobte Wate wild, brach Bahn durch Burgentür,

und Steine flogen nieder dicht, doch brach er für und für.


Der Riegel brach, die Mauern barsten auf und bloß,

und Horand trug Frau Hildes Banner stolz und groß.

Durch alle Burg sie strömten in die Räume gar,

und plünderten und drangen in der Mauern Schar.


Wate rief: „Wo sind die Knechte mit den Säcken schwer?

Die Schätze sind mein Recht und finden muss ich mehr."

Doch Irold sprach: „Vater, was taten diese Jungs?

Die Schuld ihrer Eltern ist nicht ihr junger Drang."


Wate antwortet kühl: „Was sollen sie mir hier,

die Jungen, die nur wachsen zu des Vaters Gier?

Ihr Blut wird fließen, eh ich sie verschone gern,

der Sachsen junge Brut sei mir stets fern."


Blut füllte jedes Zimmer, Ortrun lief zurück,

sie flehte zu Gudrun: „Gib mir ein wenig Glück.

Ohne dich, das weiß ich, werde ich hier nicht lang,

nur du bist mein Schutz, bevor ich sterbe bang."


Gudrun sprach sanft: „So will ich dir den Frieden nah’n;

tritt ein mit deinen Frauen, lass uns Treu' bewahr’n."

Mit Mägden dreiunddreißig, sechszig Degen stolz

trat Ortrun in Gudruns Saal in bittrer Wut und Stolz.


Auch Gerlind kam, die Siegerin um Gnade fleh’nd,

doch Gudrun sprach verächtlich und ihr Herz verschränk’:

Du, die mir nie geneigt, Gnade? Niemals, nein!

Des alten Wates Rache soll dein Ende sein."


Wate sah sie nahen, zornig trat er ihr vor,

er packte Gerlind hart und zog sie aus dem Tor.

Nie wird, Herrin, Gudrun je wieder Kleider dir wies’n,“

und vor der Burg lag Gerlind tot im Feld, verries’n.


Wo ist nun noch von Gerlinds Sippe eine Seele hier?

Zeige sie, Gudrun, keine ist zu hoch für’s Haupt mir hier.

Doch sprach die junge Königin, in Tränen weich:

Lass jene leben, die bat um Frieden im Bereich.

Ortrun und ihrem Hause soll kein Leid geschehen mehr.“


Da folgte Wate gern, ließ ruhn das kriegerische Heer.

Blutüberströmt kam Herwig, die Brüder an der Seit’,

Zum König Ludwigs Saale, von tapferer Schlacht bereit.

Gudrun empfing ihn liebend, sein Schwert legte er ab,

Und schüttet seine Rüstung in des Schildes Stahl hinab.

So stand er, eisenfarben, bei seiner schönen Braut,

Um die er, kampfgestählt, in harter Walstatt oft getraut.


Nun tagten die Sieger, die Burg war nun bezwungen klar;

Türme und Hallen brennen wir“, sprach Wate, „alles gar.“

Doch Frute sprach: „Die Toten schafft hinaus ins freie Land,

Und wascht das Blut von Wänden, die Burg ist fest und stand.

Die Frauen und Gefang’nen sind gut hier aufgehoben,

Denn Hartmuts Land mit Heerfahrt zu bezwingen, ist uns loben.“


Da setzten sie Horand an Gudruns Seite treu zum Schwert,

Er schützte all die Feste, bis der Bannerzug heimwärts kehrt.

Und durch Hartmuts Reich, Frau Hildes Zeichen führte kühn,

Bis sie am Meeresstrand die heimwärts wartenden Schiffe sahen glühn.

Hartmut, mit fünfhundert Mann gefangener in Not,

Erfuhr nun, wie’s Gudrun einst erging im schwersten Boot.

Mit Beute reich beladen, an Gold und Stein und Ross,

Kehrten die Helden heimwärts; doch kostete es Verlust.


Die Winde standen günstig, die Schiffe segelten sacht,

Und Frau Hilde wartete mit der Siegesbotschaft Macht:

Lebt meine Tochter wohl? Sind auch ihre Frauen hier?“


König Herwig bringt sie Euch, Ortrun folgt in Gefängnis ihr.“


Als die Schiffe landeten, klang Jubel laut und rein,

Mit Hörnerschall und Flöten klang die Freude hell und fein.

Frau Hilde ritt mit edlem Gefolg dem Strand entgegen,

Gudrun erkannte sie von fern und kam ihr dort entgegen.

Nun weiß ich kaum,“ sprach Hilde gramvoll dort im Sand,

Wen ich als Kind empfangen soll, mir fremd ist fast die Hand!

Doch seid mir alle willkommen hier in meinen Hallen!“


Hier ist die Tochter Euch,“ sprach Irold und ließ Gudrun fallen

In die Arme der Mutter, sie küssten sich in Leid und Glück,

Vergessen war das Elend, vergessen Schmerz zurück.

Dann grüßte Frau Hilde die Recken mit froher Macht:

Willkommen, Wate, dem ich kein’ Krone schenken mag mit Bedacht.“


Für Euch, Frau Königin, diene ich bis ans Ende gern.“

Sie küsste ihn vor Freude und küsste Ortwein und Herwig fern.


Nun grüßt auch, vielliebe Mutter, diese Jungfrau hier,

Die mir in Not beigestanden hat in Ehren wie ein Zier.“


Ich küsse niemand, den ich fremd’ hier nenn’ im Reich;

Wer ist sie?“ — „Ortrun, vom Normannenlande gleich!“


Nie küss’ ich die! Besser geziemt ihr Tod,

Mir brachte ihre Sippe nur Leid und bittere Not.“


Ach Mutter, sie tat nichts, das Euch solch Schmerz gebar,

Vergesst, Ihr sollt sie lieben, nicht Hass, der hart und starr.“


Da küsste Hilde Ortrun und hieß ihr Volk willkommen.

Frute führte Hildburg vor, und Gudrun sprach dann fromm:

Vielgeliebte Mutter, Hildburg verdient unsren Dank,

Die hat mit großer Treue mir stets die Not verrankt!“


Das hört’ ich oft, sie duldete in Treue Leid und Schmach;

Nie werd’ ich fröhlich, bis ich sie lohn’, solang ich’s vermag.“


Fünf Tage rasteten die Helden in des Königs Stadt,

Sie pflegten alle Wunden, nur Hartmut’s Bande blieben hart.

Doch Gudrun fleht um Frieden, und Frauen beten still

Bei Königin Hilde, dass sie dem Gram entkommen will.


Liebe Tochter, lass ab,“ antwortet Hilde dann,

Durch Hartmuts Tat erlitt ich Leid und Schmach sodann;

In Ketten büsst er alles, die Schuld und seinen Frevel gar.“


Mit sechzig Jungfraun bat Gudrun, kniet vor ihr klar,

Und weinten so lange, bis Hilde nachgab nun:

Ihr sollt nicht weinen mehr, er darf zur Halle ziehen,

Doch eidet er, nicht fliehn.“


Heimlich ließ Gudrun den Gefang’nen Bäder füllen,

Gab ihm Gewänder neu, die seine Wunden stillen.

Dann ging’s zum Königssaal; er trat vor Frauen stolz,

Mit Sorgen noch im Blick, doch edel, ohne Groll.

Sie sahen gern ihn stehn in all der Herrlichkeit,

Vergessen bald den Hass, empfanden ihm Geleit.


Herwig, der drängte heim in sein ererbtes Reich,

Doch Frau Hilde sprach: "Nicht fort! Der Wunsch ist töricht, bleich.

Mein Kind, es sei mir doch nur eben erst gegeben,

Ich kann es nicht sogleich erneut verlieren sehen!

Nein, Herr Herwig, so eilt nicht fort, ich bitte dich!

Viel gabst du mir schon; tu’ dies auch noch für mich.

Lasst uns das Fest erheben, da alle Gäste nah,

Dass eure Hochzeit hier mit Ehre werde wahr."


"Die Frauen daheim, die uns erwarten bang und schwer,

Seh’n ihre Lieben gern und wünschen sie sich her."


"Gewährt mir Ehr’ und Freude, Herwig, edler Mann,

Dass meine Tochter hier die Krönung tragen kann."


Unwillig gab er nach, doch bat sie unentwegt,

Bis er sich fügte mild und ihrem Wunsch erpflegt.

Da ward Frau Hilde froh und voller Heiterkeit,

Früh, spät, beschäftigt sehr, zu ordnen alles weit.

Hundert Frauen trugen nun Gewänder reich und schön,

Auch Normannen erhielten Kleider wohlgetönt.

Da ward die Krönung prachtvoll Gudrun auserkoren,

Herwigs Königin, und sie empfing die goldnen Toren.

Beim Mahl, in Kemenate der Halle fest erleucht’t,

Sass Gudrun unter Frauen und rief Ortwein, erfreut.

Sie nahm ihm fest die Hand, zog ihn beiseite dann:

"O Bruder, höre wohl und folg’ mir, lieber Mann!

Willst du Freud’ und Wonne spüren wie der Wind,

So sieh zu, dass dir Ortruns Herz sich zu dir find’."


"Wie, Schwester? Zwischen Hartmut und mir ist wenig Band;

Wir Hegelinge schlugen doch Ludwigs starke Hand.

Würde sie daran denken in meiner Gegenwart,

So fände wohl oft Trauer in ihrem Blick sich hart."


"Verdien’s dir so, dass sie’s vergisst in Treue dir,

Mein Rat ist ehrlich gut; du lebst dann glücklich hier."


"Sie ist schön, und gern gewinn’ ich sie zum Weibe,"

Sprach Ortwein dann und erzählte es den Seinen, bleibe.

Die Mutter sprach dagegen, bis Herwig kam heran;

Er riet’s und sprach voll Mutes, dass es wohl gethan.

Frute sprach: "So nimm sie, sie bringt dir gute Recken,

Und mit dem Hass der Zeiten werden wir uns decken.

Denn Hartmut wollen wir mit Hildburg sanft vereinen,

Dass auch die Freundschaft hier im Herzen bleibt, bei beiden."


"Als Hartmuts Frau sei sie, in reicher Burgen Band,"

Sprach Herwig und führte aus des Fürsten Land.

Gudrun sprach leise dann zu Hildburg voller Lust:

"Vielgetreue, willst du mein Lohn in deinem Brust,

So trage Königskron’ der Normandie, fürwahr."


"Es fällte mir doch schwer, dass ich dies auch erfahr’,"

Erwiderte Hildburg: "Ein Mann, der mir noch fremd,

Wie soll ich mich verbinden mit ihm, als wär’s gewendet?

Ich fürchte oft den Zorn in vieler, vieler Tagen."


"Das wirst du nicht! Ich will es Hartmut selber sagen:

Was ist ihm lieb, gefangen sein in unsrer Macht

Oder heimkehren mit Krone und dir als seine Fracht?"


Da brachte Frute Hartmut zur Kemenate ein,

Wo Gudrun sass im Kreise der Frauen rings am Rhein.

Wie er eintrat, stand jede Maid in Ehrfurcht auf,

Keiner war es zu gering, und Hartmut trug den Lauf.

"Setz dich, Hartmut, bei meine Freundin treu und wahr,

Die mit mir wusch für dich und deine Helden gar,"

Sprach Gudrun. "Wir bieten dir ein Weib und reines Land,

Vergessen sei der Streit, es lebe neu das Band."


"Wen wollt ihr mir gewähren? Ein Weib mir nicht beliebt,

Das mir und meinem Volk gar tiefe Schande gibt.

Lieber sterb’ ich hier, als solch ein Schmachband mein."


"Ortrun wird meines Bruders Frau, so sollst du fein

Die edle Tochter Hildburg, Königstochter gut,

Als Weib dir nehmen, wie’s keinem besser tut."


"So sei’s, und bind’ den Bund, ich nehm’ Hildburg zu eigen,

Der Hass wird stillen sich und unsern Weg uns zeigen."


"Dann sei’s vollbracht; dein Reich ist dir zurückgegeben,"

Sprach Gudrun, und Wate trat mit steter Hand daneben:

"Wer könnte besser’s sühnen, ehe Ortrun und Hartmut,

Frau Hilde knien zu Füßen, in Frieden und in Mut?

Gewährt sie’s ihnen, so sei alles wohlgestellt."


"Sie zürnt nicht mehr, so sei dein Herz entstellt,"

Antwortete Gudrun, "es ist ihr gänzlich recht,

Vertrau’ mir nur, sie gibt ihr Einverständnis echt."


Da ward dann Ortrun Herrn Ortwein, wie’s bestimmt,

Und Hildburg Herrn Hartmut, wie jeder Herz empfind’t.


"Nun will ich," sprach Frau Hilde, "dass Frieden sei,

Dass Hass vergangen sei und alte Feindschafft frei."



DRITTER TEIL

DIETRICH VON BERN



ERSTER GESANG


In Bern da saß der König Dietmar hoch geehrt,

Vom Geschlecht der Amalungen, göttergleich begehrt.

Seine Gattin, Odilia, die klügste, die es gab,

Ihr Sohn, der junge Dietrich, ward zum Mann, ein starkes Grab.


Ein Antlitz klar und freundlich, von adlergrauem Glanz,

Im Haar ein golden Schimmer, wie gehämmert, stolz im Kranz.

Der Bart blieb ihm versagt, selbst als er altert' sacht,

Schmal in des Leibes Mitte, doch breit von Schultermacht.


Seine Hüften wuchsen fest, und doch, so stark er war,

Er kannte selbst nicht ganz die Macht, die ihm eigen gar.

Froh war er und gesellig, voll Freigiebigkeit,

Doch fachte Zorn ein Feuer aus seines Mundes weit.


In Venedi lebte Herzog Reginbald da stolz,

Ein Wolfinger im Blute, der tapfere Adelsbolz.

Hildebrand war sein Erster, von Wunderaugen hell,

Mit lockigem Blondhaar, das wie Späne kraus und schnell.


So treu wie tapfer war er, ein Rat bei jeder Not,

Und standhaft in der Freundschaft, die nie ihn trug zum Tod.

Zum Vater sprach er: „Wie soll ich Ruhm im Hause sehen?

Ich will zu Dietmar fahren, um Dienstergeben stehen.“


Der König von Bern nahm ihn freundlich in die Hall,

Gab ihm den kleinen Dietrich zur Pflege ohne Fall.

Zwölf Winter schritten leise, bis Dietrich wuchs heran,

Zum Schwert ergrifft er Mut und zog als stolzer Mann.


Zusammen wuchsen beide in tiefer Liebe treu,

Hielt bis zum Tod die Freundschaft, die keiner je entweiht.


Da nahm er einen Ast, der glühte rot und heiß,

Schritt mutig auf sie zu, das Herz von Furcht befreit.

Es tobte ein Kampf, in glüh’nder Hitze und im Kreis,

Hilde griff an und hielt den Hals des Helden fest,

Dass ihm kein Stoß gelang, trotz all der wilden Hast.

Sie rangen hart und wild, im kriegerischen Test,

Hildebrand sank, und Hilde drückt’ ihn nieder schnell,

Sie wollte ihn binden, in des Siegers Stell’.

Herr Dietrich“, schrie er, „ach, zur Hilfe komm herbei,

Noch nie war ich so nah des Todes bangen Schrei!“

Da schlug Dietrich Grim das Haupt mit Schwerteshieb,

Stürmt’ her und trennte Hilde’s Leib in zweifach Glied.

Doch sie, verzaubert, heilte gleich den Schnitt,

Die Hälften fügten sich, voll Zaubers Macht und Schritt.

Dietrich schwang das Schwert ein zweites Mal im Takt,

Doch auch da geschah’s, die Hälften fügten sich mit Macht.

Hildebrand sprach: „Tritt mit den Füßen kühn und fest

Zwischen Haupt und Fuß, das ist der Weisheit Test.

Dann wirst du sie besiegen, die so stark sich wehrt.“

Zum dritten Mal geschah, dass er sie stark beschwert,

Mit Füßen trennte er die Stücke, hart und fest,

Da war die Hex’ besiegt, der Kampf war jetzt ein Rest.

Dann nahmen sie vom Schatz, was Pferde tragen konnten,

Auch Hildegrim, den Helm, den Alfrich einst genannt,

Der Dietrich ward ein Schutz in manchem Kampfverband.


Im Wald ein Gehöft, dort war der Stute Land,

Die Rosse edel, stark, in Farben grau und blond.

Ein Sohn des Stutas, grimm im Herzen und bekannt,

Wie Heime hieß er, wild wie eine Schlange prompt,

Stark war sein Herz und stolz, der Ehre hingewandt.

Er diente keinem Herrn, das war sein Streben wahr.

Mit breiten Schultern, kurz und stark, ein Blick so klar,

In Kraft die Lust, zu reiten und das Schwert zu führen,

Sein Schwert war Blutgang, Rispa hieß sein Hengst,

Ein Ross so grau, und groß im Kampfe wert und fest.


Der Vater war verachtet, ihn zog’s vom Hause weg,

Nach Bern zur Dietrichs Hof, der Ruhm sein wahres Ziel.

Des Todes bin ich würdig, oder höher noch,“

Sprach Heime stolz und sprang auf Rispa mutvoll los.

In Bern zur Königsburg, da bat er einem Knecht,

Wach über Ross und Speer, bis ich die Halle sprech’.“

Dann trat er ein und grüßte König hoch und hehr,

Von fern bin ich gekommen, Dietrich, dich zu sehn,

Hast du den Mut und Kraft, mir im Kampf zu widerstehn,

Dann komm’ heraus zum Zweikampf, auf dem freien Feld,

Und wer der Sieger ist, dem folg’ des andern Held.“


Da ward Dietrich ergrimmt, der Zorn ihm im Gesicht,

Noch nie ein Mann gewagt, ihn zu dem Kampf gefordert.

Er sprang empor, geschmückt mit Schild und Helm das Licht,

Die Ritter folgten ihm, und Hildebrand, sein Schwert,

Sein Schild war blutrot, drauf ein Löw’ in Gold verziert,

In Hand den starken Speer, das Schwert am Gurt gegürtet.

Schon stand Heime bereit, die Speere fuhren ein,

Zweimal die Helden fielen, doch blieb der Sieg verwehrt.

Ein dritter Stoß, so stark, dass Dietrichs Ross erlitt,

Und Heime, leicht verwundet, doch dem Sieg noch fit.


Nun stiegen sie vom Ross, mit Schwertern in der Hand,

Ein wilder Schlagabtausch, der lange Zeit Bestand.

Doch schließlich Blutgang brach, in Hildes Helm fest,

Nun war er waffenlos und gab sich ihm bewusst.

Dietrich, ein Held im Herzen, ließ den Sieg besteh’n,

Er nahm ihn zu Gefährten, der nun in Treue stand.


Auf Heimweg sprach er stolz: „Dein Ross, ein schwaches Tier,

Wie reitest du darauf, o Herr, so groß und stark?

Ich weiß ein edles Pferd im Hof meines Vaters hier,

Kaum biegst du dessen Rücken, eh’ dein Arm erliegt,

Ich setz’ mein Haupt zum Pfand, das Tier sei dir vergnügt.“


Ein Ross, das edel ist, bringst du mir, wirst hoch belohnt,“

sprach Dietrich voller Eifer, entließ ihn dann davon.

So zog nun Heime heimwärts, zur väterlichen Stätte,

fand dort den Hengst, drei Winter jung und stark, der Falka hieß,

ein Riese unter Pferden, von fahlem Glanz umsponnen.

Er führte ihn nach Bern und übergab ihn Dietrich,

der fürstlich ihm gedankt und reich ihn wohl entlohnte.


Als Wielands Sohn Wittig zwölf Winter zählte schon,

da zog’s ihn nicht zu Hammer, Zange oder Hohn.

Ein Roß, ein Schwert, die Waffen eines tapfern Manns,

das war’s, was ihn verlangte, das Streben und der Glanz.

Den Fürsten Dietrich rühmte er, und wollt’ ihm gleich sich messen:

Fäll’ ich, so reiche ich mein Schwert und bin ihm treu verbunden,

doch siegreich bin vielleicht auch ich und mach mir Ruhm zu eigen!“


Wieland schmiedete sodann ihm Harnisch, Helm und Schilde,

ein Eisen glanzverziert, hart, mit schlanker Schlange wild,

die züngelt Gift, das treu ihm scheint als Zeichen seines Strebens.

Das Schild war weiß bemalt, und darauf Zange, Hammer

in Rot, die Zier des Vaters schmiedend Herz als Ehre,

doch oben leuchteten drei Karfunkelsteine hehr,

ein Zeichen seiner Mutter hohen Ahnen Standes.

Dazu gab Wieland Mimung, das Schwert und Ross Schimming,

dessen Sattel glänzte wie vom Bein des Elefanten,

drauf Natternbildnis stolz geätzt als Schmuck des Siegers.


Die Mutter schenkte ihm drei Mark aus Gold und ihren Ring.

Dann küsste Wittig Vater, Mutter und sprach frei zum Abschied.

Er sprang auf in den Sattel, Steigbügel ihm entfloh.

Da lachte Wieland laut und bot ihm letzte Weisung,

zeigte ihm die Wege, die sein Ross gut tragen würde.

Ein weiser Rat ward ihm, die Straßen ihm bezeichnet,

dann schieden sie, Vater und Sohn, mit Wohl und Segen.


Durch langen Ritt gelangt Wittig ans Ufer bald,

ein breiter Strom vor ihm, doch die Furt fand er nicht.

Er legte all die Rüstung nieder in eine Erdgrube,

so dass im Fluss ihm nicht geraubt die Wehr nun werde.

Er watete hinaus, dann schwamm er auf und nieder.

Da kamen drei daher, zu Ross wohlgeritten,

es waren Hildebrand, Heime und Jarl Hornbogi

aus Winland, Freund von Dietrichs mächtigem Hofe.


Ein Zwerg vielleicht im Wasser, der sich noch vor uns scheut.

Den wollen wir packen, als Lohn ihm hohes Gold.“

Doch Wittig hörte all das und rief ihm dann entgegen:

Gönnt mir den Frieden nun, lasst mich ans Ufer steigen,

dann seht ihr, ob ich niedr’ger als ihr euch vor mir beug.“

Sie ließen ihm das Recht, und er sprang ans Land sodann,

neun Schritte tat er weit, so groß war seine Kraft.


Als Hildebrand nach seinem Namen ihn befragt,

Sprach jener: „Lasst mich rüsten, was ihr klagt!

Ich lege schnell die Waffen an und Kleid,

Dann fraget, was ihr wollt, ich bin bereit.“

So sprang er auf das Ross und ritt heran,

Bekannt zu machen, wer er sei und wann.

Er sei, so sprach er, ausgesandt zum Streit,

Bis Dietrichs Stärke werde ihm erneut.

Bevor ich heimwärts zieh', muss klar uns sein,

Wer stärker ist im Kampf und steht allein.“


Als Hildebrand nun sah, wie stark und groß

Wittig da war, da kam ihm Furcht und Los:

Wird Dietrich siegen, oder gar verlorn?

Wie schützt er seinen Herrn in solchem Zorn?

Er lobt Wittigs Mut und bot ihm Freundschaft an,

Doch nannte er sich Boltram wohlgetan.

Mit einem Schwur, in Treue fest geeint,

So ritt’n sie fort, als Brüder auserweint.


Zum Fluss hin trabten sie, der Hildebrand wohl kennt,

Die Furt ihm sicher, keine Zeit verschenkt.

Bald kamen sie zur Wegscheid’, stumm und leer,

Da sprach Hildebrand ernst und sagte her:

Es führen Wege nach Bern, zwei wohlbekannt,

Der eine kurz, der andre lang, verbannt.

Doch kürzer wär der Gang, wenngleich ein Fluss

Uns fordert, eine Brücke über’n Schluss.

Ein Kastell liegt dort, ein Raubnest schwer gefeit,

Zwölf Männer halt’n es stets für Kampf bereit.

Der Gramaleif ist deren Anführer, kühn,

Verlangt Zoll und Ross und lässt uns zieh’n.“


Da sprach nun Wittig laut: „Den kurzen Pfad,

Den reiten wir, so wie ich es nun riet tat.“

Schon kam'n sie an des Waldes finstres Band,

Dort lag das Kastell, wohl bekannt im Land.

Da bat Wittig seine Freunde sacht:

Wartet hier, ich schau, ob uns das Glück lacht.“

Er ritt voraus und hielt sein stolzes Ross,

Ob er die Brücke frei passier'n nun muss.


Doch oben, auf dem Turm, da sah'n die Schar,

Die zwölf gar wilden Räuber, wie er war.

Da sprach Gramaleif, der Führer stolz und hehr:

Ein Mann kommt an, sein Schild, den will ich sehr.

Ihr teilt die restlich Rüstung, wie es passt,

Und jeder nehme, was ihm wohl behast.“

So teilten sie die Beut' in eigner List,

Doch für den Neunten blieb nur wenig Frist;

Da sprach er frech: „Ich will die rechte Hand!“

Der Zehnte wollt’ den Fuß aus starkem Band.

Der Elfte forderte das Haupt als Preis,

Doch Studfus rief: „Ihr haltet viel zu heiß!


Der Mann soll leben, das befehl' ich euch,

Lasst ihm den linken Fuß und Arm zugleich!“

Die drei nun ritten auf Wittig voll Mut,

Sie forderten die Waffen, Pferd und Gut,

Und Hand und Fuß, als wäre dies ihr Recht.

Doch Wittig sprach: „Das fordert ihr nicht echt,

Ruft euren Anführer her, wenn ihr's begehrt!“

Als Gramaleif dies hörte, waffenbeschwert,

Ritt er mit allen Brüdern auf ihn los,

Auf steinern Brücke, stark und stolz und groß.


Da hieß Wittig sie willkommen dort im Feld,

Doch Gramaleif sprach: „Falsch ist, was du hältst!

Dein Gut ist schon geteilt und Hand und Bein,

Den Schild verlang ich, der soll mein nun sein.“

Und jeder sprach, was ihm nun ward zum Teil,

Doch Wittig weigert sich bei diesem Spiel.

Er fordert Frieden, doch ihm ward versagt,

Mit Zorn Studfus nun rasch sein Schwert erfragt.


Lasst uns, ihr Narren,“ rief Studfus mit Hohn,

Ein Mann steht gegen uns, das ist der Lohn?

Zieht eure Schwerter, nehmt ihm all sein Gut,

Und obenauf sein Leben, wie sich's tut!“

Er schlug nach Wittigs Helm mit frechem Schwung,

Doch Mimungs Klinge zerschnitt ihn jung.

Ein Schlag, so stark, dass Studfus ganz zerfiel,

Zur linken Achsel ging's, ein letztes Spiel.

Nun drangen sie auf Wittig in dem Zorn,

Gramaleif selbst, von aller Kraft ergorn,

Hieb wuchtig auf den Helm, der stand im Glanz,

Doch Wittigs Schwert traf sein Herz ganz.


Unterdessen sah Hildebrand den Streit,

Er sprach zu seinen Freunden, kampfbereit:

Lasst uns reiten und ihm stehen bei,

Es braucht nun unsre Kraft, es ist kein Spiel dabei.“


Noch riet da Heime klug: „Lasst warten, wie es steht,

Und siegt er nicht, so niemand weiter geht,

Uns Unbekannten retten wär unschlau.“

Doch Hildebrand, voll Mut, rief ohne Bau:

Das wär uns Schmach, wenn wir ihn ließen ziehn,

In Not und Gefahr, wie Brüder wollen dien.“

Und Hornbogi sprach: „Zur Brüderschaft,

Ritten sie hin und hielten gute Wacht.“


Da kämpft’ Wittig gegen Gramaleifs Macht,

Doch Mimung, sein Schwert, war für ihn gemacht.

Mit einem Hieb, der blitzte stark und schnell,

Zerschlug er Gramaleifs Helm und Leib zur Stell’.

Die Räuber floh’n in wildem, schrecklichem Lauf,

Ein jeder sich in sichere Deckung schauf’.


Da sprach Hildebrand, der das Nahen sah:

Lasst uns reiten, es kommt, wie es ihm geschah.

Wittig steht gegen sie, die Menge flieht,

Lasst uns kämpfen, Brüder, im rechten Lied!“

Doch Heime zögerte und blieb zurück,

Mit argem Misstrauen und falschem Blick:

Wenn er unterliegt, so reiten wir fort,

Kein Unbekannter hält uns hier am Ort.“

Doch Hildebrand rief: „Das ist wohl Schand,

Lasst uns reiten und helfen ihm zur Hand.“


Mit Hornbogis Worten, treu und fest,

Trieben sie die Pferde, das sei der Rest.

Zum Kampfplatz zogen sie in starker Schar,

Bereit, wenn Wittig in Gefahr doch war.

Da sah Wittig die Freunde auf sich nahn,

Sein Herz, es loderte, stolz und frei fortan.

Nun, befreit von Gramaleifs böser Macht,

Stand er als Sieger, voll Glanz und Pracht.


Und so zogen sie weiter gen Stadt Bern,

Wittig geehrt als der Held, kühn und gern.

Die Brücke, einst gefährlich, war nun frei,

Kein Räuber bedrohte mehr ihre Reih’.

Hildebrand sprach: „So zieh’n wir ohne Not,

Und loben die Götter für Rettung und Brot.“


Nun führte der Weg sie in Frieden und Ruh,

Gen Heimat zurück, und der Kampf lag nun zu.

Ein jeder trug stolz seine Waffen zur Hand,

Als Brüder geeint, durch Treue verband.


Wie sie zur Brücke kamen, da lag schon Blut im Sand,

Wittig erschlug die Räuber mit mächtiger Hand.

Nur fünf entkamen, mit Sigstaf rannten sie fort,

die andern, die toten, blieben zurück an dem Ort.

Sieggekrönt ritten die Helden zur Burg hinauf,

nahmen Wein, Speis und Kleinod, hielten drin Schlaf.

Mitternacht nahte, da stand Hildebrand still,

tauschte das Schwert und legte sein eigen hin.

Im Morgengrauen sprach er zu Wittig dann:

Ich bin Hildebrand, Dietrichs vertrauter Mann.

Doch Treue schwör ich dir jetzt in dieser Stund,

so, dass die Brüder im Bund auch bleiben gesund.

Heime und Hornbogi sollen die Burg bewachen,

mit dir will ich reiten, neues Glück zu machen.

Vertraut als Freunde das Schloss euch fest,

doch willst du es allein, so zieh dein Schwert zum Test.“

Da sprach Wittig mit fester Stimme, voll von Groll:

Viel Leid brachte die Brücke durch Zoll und Zoll.

Das Kastell schützte die Zollherren dort,

ich will, dass der Friede nun zieht durch diesen Ort!“

Hornbogi sprach: „Wer die Burg mit Schwert erjagt,

hat auch das Recht, sie nach eigenem Recht gefragt.“

Da schleuderte Wittig den Feuerbrand schnell,

bis alles lodernd fiel und im Aschebäll.

Die Recken ritten dann weiter am Fluss entlang,

wo schon eine neue Brücke gespannt im Gang.


Doch Sigstaf war entkommen mit seinem Räubertrupp,

sie brachen die Brücke hinter sich ab im Lauf und Flug.

Als Wittig sah, dass der Übergang ihm verbaut,

trieb er Schimming mit Sporen über den Fluss, und schaut:

Der Hengst sprang weit, als würd’ er von Pfeilen getrieben,

vom einen Felsen bis zum andren hinüber blieben.

Hildebrands Ross sprang ebenso hoch hinaus,

doch fiel’s in den Fluss und schwamm von selbst hinaus.

Hornbogi kam als erster aus Wasser und Flut,

während Heimes Hengst Rispa sprang kühn und gut.

So trafen sie alle am andren Ufer sich,

und Wittig schwang sein Schwert, das Räuberblut vergieß’.

Heime hielt sich fern, wollt’ Wittig nicht helfen noch,

doch Hornbogi sprang vor, gab ihm Rettung und Brauch.

Als Hildebrand nahte, war’n die Feinde schon tot,

erschlagen vom Helden, in heisser Not.


Dann ritten sie weiter, bis Bern die Stadt vor ihnen lag,

Dietrich sah sie kommen, vom Tische auf ertrag.

Wittig zog den Handschuh, von Silber hell und fein,

reichte ihn Dietrich und forderte zum Kampfe ihn:

Gleich alt sind wir, und ich will nun sehen mit Mut,

ob du der Held bist, der Ruhm fand Land und Gut.“

Dietrich sprach darauf mit hochgezogener Stirn:

Frieden herrsche im Lande meines Vaters hier!

Kein Fremder soll mir den Zweikampf bieten,

wo ich als Herr im Frieden gern wöllt’ gebieten.“

Doch warnte Hildebrand, sagte mit starkem Wort:

Herr, du weisst nicht, wer dies ist hier vor deinem Tor!“

Ein Mann von Dietrichs Seite schrie Schmähung laut,

Hildebrand schlug ihm auf’s Ohr, dass er taumelte laut.

Sei vorsichtig, Herr,“ sprach er, „mit deinem Zorn!

Wittig ist ein Held, geboren in edlem Horn.“


Dietrich ließ die Waffen rasch bringen für den Streit,

er zog seine Rüstung und sprengte, kampfbereit,

auf seinem Hengst Falka vor Bern hinaus,

dort fand er Wittig, wie Helden zum Kampfe aus.

Heime bot ihm einen Kelch voll Weines an,

Trink, Herr, und sieg‘, wie oft in jeder Schlacht getan!“

Dietrich nahm den Kelch und trank mit Kraft,

auch Wittig wurde Wein gereicht zur Schlacht.

Doch er sagte stolz: „Bring ihn Dietrich erst dar,

und bitte, dass er mir zu trinken geb‘ wahr.“

Dietrich, erzürnt, verweigerte den Wein,

doch Hildebrand sprach: „Dies wird dir zum Kampfe Schein.


Da kehrte Hildebrand mit dem Kelch zurück,

reichte ihn Wittig mit kämpferischem Blick.

Wittig trank den Wein und sprach mit Dank,

streifte vom Finger den goldenen Ring sodann:

Hildebrand, du warst mir ein Freund in Not,

hab Dank für deine Treue, die mir Leben bot.“

Nun rief Wittig laut: „Dietrich, bist du bereit?

Komm, stell dich mir zum Kampf, es ist nun Zeit!“


Sie stießen die Sporen in ihrer Hengste Flanke,

riten aufeinander los in zornigem Gedränge.

Dietrichs Speer rutschte an Wittigs Schild vorbei,

doch Wittigs Speer brach an Dietrichs Schild entzwei.

Unverwundet ritten sie vorüber ein Stück,

dann rief Wittig laut mit herausforderndem Blick:

Wende dein Ross, und reit erneut auf mich,

verlier deinen Speer, oder wirf mich zu Boden für dich!“

Dietrich wandte sein Ross und griff erneut an,

sein Speer stieß auf Wittigs Brust, ein gefährlicher Plan.

Doch Wittig hieb ihm den Speerschaft entzwei,

gleichzeitig schnitt er vom eignen Schild den Rand dabei.

Unversehrt rasten sie wieder aneinander vorbei,

dann sprangen sie ab und standen im Schwertkampf frei.


Mit mächtigem Hieb traf Wittig Dietrichs Helm,

doch Hildegrim, das Schwert, brach in Stücke schnell.

O Vater Wieland,“ sprach Wittig zornig und laut,

dein Schwert versagt mir hier, das bringt uns beid’ Schmach.“

Dietrich hob Nagelring, schwang’s mit starker Hand,

und wollt’ Wittig’s Leben beenden im Kampfgewand.

Da trat Hildebrand dazwischen, den Kampf zu beenden,

sprach: „Herr, gib Frieden, nimm ihn auf in deinen Händen.

Ein kühnerer Held wird selten dir treu im Kampf,

er allein nahm die Burg, die dir mit Heer kaum gelang.

Ehre ihm gebührt, und sein Dienst wird dir wert,

nimm ihn zum Genossen, so stärkt er dein Schwert.“


Dietrich hörte die Worte von Hildebrand wohl,

und sprach, sein Blick glühend: „Ich gebe dir Wort.

Er soll mir beistehen, so wir uns wieder treffen,

und kämpft er mit mir, das Glück soll uns beleben.“

Wittig war dankbar und neigte sein Haupt,

da trat er an Dietrich, der ihm nun vertraut.

So erlaube, Herr Dietrich, mir treu zu dienen,

im Kampf und im Frieden, wir werden uns verdienen.

Sein Name sei mir Ehre, gemeinsam stehn wir fest,

du bist der König hier, der uns den Ruhm bescher’t.“


Die Worte hallten laut, ein Gelöbnis stand,

als Helden sich vereinten, mit festem, starkem Band.

Der Friedensschwur vollbracht, wuchs das Vertrauen,

so blickten sie in die Augen, das Schicksal zu hauen.

Dietrich forderte jetzt die Kämpfer, auf, sich zu rüsten,

die Stimmen hallten, bei Tisch, wie sie den Sieg genüssen.

Eingehüllt in die Freude und Siege, die sie fanden,

erklingt der Klang der Becher, ihre Taten mit Schanden.

Sie sprachen von Ruhm, von Heldentaten klar,

die Geschichten von Kämpfen, sie blühten, sie waren wahr.


In dieser Nacht, sie feierten bis der Morgen nahte,

der Mut der Krieger, die Ehre wurde nicht schade.

Ein Hoch auf die Freundschaft, die nie brechen kann,

die Helden vereint, niemand wagte den Wahn.

So lebten sie weiter in Ruhm und in Frieden,

ein festes Band, das nichts je würde beschieden.

Hildebrand und Wittig, sie reiten zur Tat,

unter Dietrichs Banner, stets bereit für das Schwert.


"Es bleibt, wie ich gesagt," sprach Dietrich, "heute soll

Er vor Bern am Galgen hangen, ohne Groll."

"Das tu nicht, Herr, er stammt aus königlichem Stand,

Nimm ihn ehrenvoll auf, ehre deinen Mann."

Grimmig sprach Dietrich: "Dein Dienst, er bringt kein Wohl,

Geh weg von hier, wo du stehst, sonst haue ich dich toll.

Zuerst in Stücke und dann ihn – so lass es sein!"

Hildebrand sprach: "Ich sehe, du verstehst es nicht,

Meinen Beistand willst du nicht, so sei es, wie du spricht.

Halte die Treue, die ich dir, Wittig, geschworen,

Nimm Mimung zurück, dein Schwert sei dir erkoren.

Kämpfe mutig, Gott helfe dir, ich kann dir nicht mehr."

Freudig nahm der Waffenlose das Schwert, küsst es sehr:

"Vergib, Vater Wieland, was ich sprach zuvor!"

Und nun stritten sie wieder, Wittig schlug wie ein Tor,

Mit jedem Hieb ein Stück von Dietrichs Rüstung fiel,

Doch Dietrich wehrte sich, ohne nennenswertes Ziel,

Er konnte Wittig nicht verletzen, schützte nur sich,

Aus fünf Wunden blutete er, rief seinen Meister, nicht ewiglich:

"Hildebrand, komm her und scheide unsern Streit,

Ich schaffe es allein nicht, fühl' mich nicht bereit."

Trotzig kam der Meister: "Als ich euch scheiden wollt',

Nimmst du meinen Rat nicht an, so scheide selbst mit Gewalt."


König Dietmar sah nun, sein Sohn würde verlieren,

Nahm seinen roten Schild, trat ein, um zu dirnen.

"Was willst du tun, König?" fragte Wittig mit List,

"Wenn du mir hier Gewalt antust, ist's nicht wie ein Held, das wirst du wissen."

"Ich bitte dich, oh Held, schone meines Sohnes Glanz,

Beende diesen Streit, ich gebe dir den Kranz,

Eine Burg im Land, Vermählung – Ehre dir,

Doch ich will nicht, dass er erleidet Unrecht hier."

Der König ging zurück, erneut begann der Kampf,

Tapfer wehrte sich der Berner, doch Wittig war kein Dampf.

Zuletzt zerschlug er Hildegrims Helm, von links nach rechts,

Dietrichs Scheitellocken flogen, so schnell, ganz schlecht.


Da sprang Hildebrand auf, trat ein, sprach: "Nun halt!

Wittig, gib Dietrich Frieden, um der Brüderschaft Gestalt,

Reitet man durch diese Welt, ein Gleicher findet nicht."

Wittig sprach: "Obwohl er’s nicht verdient, so sei es, schlicht."

So legten sie die Hände, wurden Genossen dann,

Dietrich und Wittig, im Kampfe, stark und hehr wie ein Mann.


Als Dietrich heil ward, ritt er allein hinaus,

Kein Mensch außer Wittig wusste, was er tat im Schmaus.

"Ob ich dir unterlag, mein Ruhm soll nicht entweichen,

Ich kehr' nicht zurück, bis Heldentaten erreichen."

Sieben Tage ritt er, in unbekannten Landen,

Bis er an einen Wald kam, wo Kämpfe ihn verbanden.

Dort hörte er das Wort von einer Witwe, klang es hell,

Mit neun Töchtern lebte sie, und Ecke war der Held,

Der keinen Mann im Lande je besiegte, stark und stolz,

Sein Bruder hieß Fasold, auch er war braun und voll.


Ecke jagte dort im Wald, mit Rüstung, schick und fein,

Begegnete er einem Mann, wollte er’s allein.

Dietrich dachte: "Ecke, lass mich heute in Ruh',

Die Wunden brennen sehr, ich wende mich, du."

Doch verirrte er sich bald, und Ecke rief heran,

"Wer reitet so stolz? Wer ist das, der hier vor mir kann?"

Dietrich nannte sich Heime, Eckes Antwort klang kühl,

"Deine Stimme verrät, du bist Dietrich, mein Ziel.

Kämpfen wir nun, gewinnst du Ehre mehr,

Als du einst verloren hast, bring' mir das Blut her."


"Wie kämpfen in der Nacht, da sieht keiner den andern?

Ich will es nicht, ich wende mich, will nicht mich mit dir verschanden."

Doch Ecke reizte ihn weiter, lobte sein Schwert,

"Alfrich, der Zwerg, hat es geschmiedet, stark und wert.

Es glänzt wie Gold, eine Schlange läuft, oh seht,

Wenn du es abnimmst, dann steht dir die Welt belegt."

"Nun sollst du mich nicht länger fordern," sprach Dietrich,

"Wenn der Tag kommt, nehmen wir uns, wie stark ich vermag, nicht gleich."


Höre mein Wort, es sprach der Ecke so keck und fest:

Zwölf Pfund von Gold in meinem Gürtel ruh’n hier im Nest.

Gewinnst du’s heut, wenn du mir Mann entgegenstehst!

Mein Herz brennt wild im Kampf, und nicht im bloßen Fest.


Willst du nicht kämpfen um Gold noch Waffenschmuck,

So kämpfe für die Königstöchter und ihr Glück!

Für ihre Mutter, der ich Ehre schaffe hier,

Drum sei gewillt, steh tapfer nun vor mir!“


Da sprang herab der Dietrich von dem Ross geschwind,

Nicht Gold, nicht Waffenglanz; doch für der Königinnen Wind

Der Anmut kämpf ich mit dir, wenn’s sein muss!“ sprach er laut,

Zog seinen Nagelring, in Stein er Funken haut’.


Zum Baum band er sein Ross, trat dann mit Zorn heran,

Das Kies empor flog rings, ihm Funken Bahn gewann.

Auch Ecke zog sein Schwert, schlug’s kraftvoll in das Gestein,

Da sprüht’ der Stahl im Feuerschein wie helle Pein.


Im Funkenglanz fanden sie sich zum harten Streit,

So heftig, dass der Lärm wie Donner tat sich weit.

Funken flogen wild, die Hiebe hallten schwer,

Und doch blieb jeder unverletzt – es wogte mehr.


Mit aller Kraft fuhr Ecke hin zu Dietrichs Kopf,

Er fiel, da preschte Ecke mit ihm fort im groben Hopf,

Umspannte Dietrich fest und sprach mit scharfer Zung:

Ergeb dich mir samt Ross, und lass den Waffendrang!


Gebunden führ’ ich dich den Königstöchtern vor.“

Eher sterb’ ich hier, als Spott trag’ ich empor!“

Rief Dietrich zornentbrannt, sich los aus festem Griff,

Umschlang den Nacken Eckes nun und rang so riff.


Wild rollten sie herum, bis Dietrichs Ross gar nah

Mit Huf und Hieb auf Eckes Rücken schlug herab;

Da hob sich Dietrich rasch, griff fest sein Schwert und scharf,

Schlug Ecke Haupt ab und wappnet’ sich in dessen Schlaf.


Er stieg aufs Ross, zog fort, im Morgengrauen licht,

Sah er der Königinnen Burg im feuchten Licht,

Dorthin ritt er nun schnell. Am Turm stand schon die Frau,

Sie schmückte sich zum Feste, erblickte ihn genau.


Doch als sie sah, ein fremder Mann trug Eckes Kleid,

Erkannte sie die Kunde wohl und floh in Hast und Leid.

Die Burgmänner griffen rasch zu ihren Schwertern auf,

Da Dietrich schnell den Rückzug nahm und floh dem Strauß.


Durch Wald und Feld zog Dietrich nun in tiefer Ruh,

Er schlug den Fürsten, ritt zurück in fester Schuh’.

Da kam ihm Fasold, großer Mann, im Wald entgegen,

Und dacht’, er sei der Bruder, drum er sprach voll Segen:


Bist du’s, o Ecke, Bruder?“ – „Ein anderer Mann ich bin.“

Ein Hund bist du, ein Mörder; du nahmst ihn hin

Im Schlaf, wohl nie im Kampf erlag er dir!“

Du lügst, ich gab ihm nur im Zweikampf Ehr und Zier.“


Zog Fasold da sein Schwert, und zornig traf der Hieb,

Dass Dietrich’s Helm vom Stoß am Boden niederstieg.

Doch fasste Dietrich ihn, holt’ rasch sich aus der Not,

Fasold vergaß Gelübde nicht, doch floh er tot.


So endete der Zweikampf mit Schwur und Eiden fest,

Dietrich gewann des Ruhms, und beide Mann für’s Fest.


Nun saß in Bern der Dietrich auf dem hohen Thron,

Da kam der Heime vor ihn, trug Goldschal’ voll bis oben, schon.

Da sprach der Dietrich, zog den Nagelring hervor:

"Sieh, Heime, dies’ Schwert ist dein, für Treu und Dienst als Lohn dir Tor.

Keinem gäb’ ich's lieber als dir zum treuen Handgespan!"

Dankend nahm es Heime, doch Wittig, der entrann

Aus seiner Ruh’, er rief: "O Nagelring, dein Los,

Daß du nun trägst den Namen eines feigen Handgenoss’!

Lieber wärest du Schwert von einem edlen Mann;

Heime, den feigen Trottel, achte ich nicht, seit ich allein gewann,

Da Sigstaf mir entgegen trat mit seiner Räuberschaar.

Heime saß hochgerüstet, doch half mir nicht einmal."


"Schlecht ist, wer Freund und Helfer in der Not verlässt,"

Sprach da Dietrich streng, und wies ihm schnell den Rest.

"Fort, Heime, geh, ich will dich nicht mehr sehn!"

Mit Zorn erfüllt, ging Heime weg, sich neu zu drehn.

Er nahm sein Ross und Waffen, ritt nordwärts in das Land,

Zum Falstrwald, wo Ingram raubte mit schwerer Hand.

Dort bot er seine Kraft und ward sogleich empfangen,

Fortan zog er auf Raub und Würgerfahrten prangen.


In Schonen lebte Biterolf, ein Edler, stark und hehr,

Und seine Frau hieß Oda, von Sachsen war ihr Ehr’.

Ein Sohn, der Dietleib, faul und wenig fein,

Lag stets im Rauch und Dreck, dem Kochen nur im Reim.

Ritterkunst? Nie wünscht’ er’s zu erlernen,

Die Eltern schauten düster auf ihn aus schweren Sternen.

Wohl sah er Schwert und Ross, doch rührte nichts sich dran,

Ihm waren edle Kleider ein Hohn, dem schönen Mann.


Nun ladet Biterolf mit Oda zur Gasterei,

Dietleib hört's, wirft Asche fort, die Koches-Mühe vorbei.

Zu Mutter trat er stolz und sagt: "Ich will mit euch!"

Doch sie nennt ihn Toren, weist ab im stummen Reich.

Dann tritt er zu dem Vater: "Rüst’ mir Ross und Schwert!"

"Im Kochhause, nicht bei uns, bringt es die Ehre wert."

Doch trotzig blieb der Sohn und ritt auf eigenem Ross,

Er griff sich aus der Armut des Bauern, was man ihm gab und los.


Der Vater sah ihn traurig, schlecht gerüstet stehn,

Gab ihm zuletzt die Waffen und ließ ihn doch mitgehn.

Im Fest war Dietleib würdig, im Glanz und Anstand rein,

Drei Tage saß er strahlend, kein Tadelschein fiel sein.

Zurück mit Vater ritt er, durch Falstrwald’s finstre Höh’n,

Wo Ingram mit den Räubern kam Dietleib nah zu seh’n.


Er rät dem Vater mutig, zu kämpfen Hand in Hand,

Rücken an Rücken steh’n sie fest und wehren sich mit Stand.

Die Räuber fallen einer nach dem andern schnell,

Doch Heime flieht zur Seite, ins Dunkel in der Stell’.

Zurück kam er nach Bern, versöhnt mit Dietrich bald,

Und Dietleib zog gen Süden, zu neuen Taten alsobald.


Im Sachsenlande schlug er sich mutig durch die Bahn,

Erfrug nach Dietrichs Weg und zog ihm rasch voran.

In Romaburg bei Ermenrich’s prangendem Gelag,

Verbringt er seine Künste, doch nicht in Prunk und Tag.

Für Diener richtete er ein Fest auf eigene Hand,

Bis Gold und Gut dahinschwand und arm zurück er stand.


Er schritt hinaus und setzte Heim's Ross und Waffen ein Pfand,

Gegen zehn Mark, bald Wittigs, zwanzig Marken im Land.

Und als am siebenten Tag ihm alles Gelb versiegte,

Verpfändete auch Dietrichs Pferd er, das ihn einst besiegte,

Mit Waffen und dem Heerkleid, dreißig Mark gab man ihm.

Da lud er Recken ein, die durch das Land so schier verzieh'n,

Die Diener, Sänger, Spieler, die Künste kannten viel,

Und dreitausend saßen bei seinem gastlich’ Spiel.


Zwei Tage währte das Fest, und als der Schluss dann kam,

Gab er Isung, dem Spielmann, was ihm von Herzen nahm:

Goldringe seiner Mutter, dazu ein Kleid, gesäumt

Mit Purpur, das ihm leuchtend auf hoher Tafel träumt.

Der Berner wollt’ nun heim, rief Dietleib: „Freund, nun sprich,

Wo sind Ross und Waffen? Gib uns unsern Preis zurück für mich.“


Herr“, antwortet Dietleib, „noch ist die Zeche offen,

Die ich mit meinen Knechten hier hab’ drauf gehoffen.“

Wie viel mag das wohl sein?“ sprach Dietrich guten Muts,

Dreißig Mark zuerst, mein Anteil, das sei’s, sei gut.

Doch sechszig mehr sind’s noch, die du bezahlen musst,

Denn dafür steh’n als Pfänder Hengst und Waffe in unserer Brust.“


So schritt Dietrich zum König, sprach ihm ohne Gram:

Herr, zahle für die Zeche, die meine Mannen nahmen.“

Wie viel ist es?“ sprach jener; „So frag‘ den Knecht sogleich.“

Dietleib antwortet listig: „Herr, klein ist dies Reich:

Dreißig Mark mein’s Eigen, magst du ruhig lassen;

Doch sechzig mehr, die musst du lösen – Pfand steht’s bei dem Waffen.“


Der König darauf sprach: „In neun Tagen Geld verzehrt?

Seid ihr denn Helden oder Narren wohl verehrt?“

Doch Dietleib lächelt sanft: „Wo ich mit Herren speise,

Ward mir geboten Speis und Trank vor großer Weise.“


Nun sprach der König an, dass man Speisen herbei bringt,

Dietleib aß wie drei Männer, trank, so der Becher klingt;

Der König und die Mannen schauten in Staunen groß,

Der Krieger trank das Maß, das trug ein Diener bloß.


Doch Walther von Wasgenstein, der Schwestersohn voll Zorn,

sprach: „Kannst du sonst noch etwas als trinken, was verlorn’?“

Steinwerfen wohl und Schaftschuss, das will ich gern probieren,“

Rief Dietleib fest entschlossen und ließ sich’s nicht verbieten.


Dann sei’s, wir wollen kämpfen, werfen Stein und Schaft!

Gewinnst du, dann befiehlst du mir, so sei's geschafft.

Doch liegst du, endet’s hier, kein Gold wird dir gelohnt!“

Sie gingen, Mann für Mann, das Spiel ward nicht geschont.


Auf freiem Platz dann Walther den schweren Stein erhob,

Den er weit vorwärts schleudert, so dass es stark erprobt.

Doch Dietleib warf ihn weiter, ein Fuß ging er hinan,

Und nochmals mehr, da gab sich Walther besiegt und rann.


Dann griffen sie zur Stange, die schweren Bannerstang’,

Walther warf über Hallendach, es fiel mit Krachen bang.

Doch Dietleib fasst’ den Schaft, warf ihn mit mut’ger Kraft,

Sprang durch die Halle gleich, fing ihn, das Herz erschlafft.


Da rief der König laut: „Du Degen, edler Herr,

Will’s Haupt von Freund erlösen, wenn's dir willkommen wär’.“

Was brauch’ ich Haupt und Ehre von deinem Blutsfreund gar?

Er mag’s behalten ruhig, ich gib’s ihm wie's mal war.“


Doch löse deine Treue, mein Meister’s Ross und Schwert,

Der König dankt ihm hoch und Gold noch ihm gewährt.


Ich reit' an deiner Seit’ und tret' die Rosen nieder!“

Sprach Wittig laut und flog im raschen Ritt gleich wieder

mit Dietrich los; so zogen sie alsbald zur Fahrt.

Zum Waldesdunkel kamen sie nach langer Art.

Schon lag vor ihnen nun ein Anger grün und klar,

ein Rosengarten prangte, der ganz umhegten war

mit rotem Seidenfaden, Goldborten und Gestein,

und süßer Rosenduft zog weit durch Tal und Hain.


Das muss der Garten sein, den Hildebrand uns wies,“

sprach Dietrich froh, „des Duftes werd' ich nimmer mies,

wenn mich nur Laurin ließe!“ Doch Wittig, voller Zorn,

zertrat die Rosen wild, zerriss der Zäune Born,

zerschlug den Goldglanz rings und setzten sich ins Gras,

sie harrten, was nun käme, in stiller Ruh' und Maß.


Bald kam ein kleiner Recke auf Schecken durch das Tal,

der Zwerg Laurin, von Glanz und Macht mit hoher Zahl.

Ein goldumwund’ner Speer, der leuchtend in der Hand,

und Kraft, die zwölf ihm gab, trug seinen Zauberrand.

Der Wappenrock aus Seide, die Brünne stark und hart,

von Drachenblut gestärkt, von Gold war Helm bewahrt.

Die Krone hoch auf diesem mit edlem Glanz bestand,

mit Zaubervöglein, die im Schein gesangreich stand’n.


Herr hilf!“ rief Wittig bang, „das ist ein Lichtenkind!“

Ich fürcht' es, recht mit Zorn; wohl bringt es uns geschwind

den Hass, der ihm gebührt,“ sprach Dietrich, grüßt' ihn an,

doch Laurin rief mit Groll, erfasst' sie Mann für Mann:


Wer hieß euch Narren hier, mein Angerfeld zu schaun?

Was schert euch meine Rosen, die ihr wagt zu traun?

Den rechten Fuß, die linke Hand büsst jeder heut’!“

Kleiner, lass deinen Zorn, der sich vergebens freut.

Fürstliches Gut und Gold sei dir zum Buße gar,

doch Rosen wachsen neu zur nächsten Maienjahr.“


Ich hab’ mehr Goldes Wert als eurer Schätze Fülle,

ein Fürst wie ihr mich auch verachtet in der Hülle!

Kampf wollt’ ihr mir wohl ansagen und statt zum Garten gehn,

da magt ihr bei mir kämpfen und keinen Frieden sehn.“


Hör, wie uns dieser Zwerg gar höhnisch Worte gibt!“

sprach Wittig wild und sprang, als ob er ihn betrieb,

zu fassen an den Füßen, zu schleudern an den Stein.

Doch Dietrich mahnte leis, sprach: „Klug soll jeder sein;

den Zorn bewahr’ bis Not, nicht schüre ihn zu bald,

wir stehn vor einem Zwerg, doch ist er stark im Wald.“


Laurin da höhnte laut: „So kämmt heran zum Streit,

dass jeder sehn, wer wohl hier Trutz und Zorn ausbreit’!“

Wittig ritt Laurin an, doch dieser stach ihn rasch,

warf ihn zu Boden tief, auf Klee im Rosenhasch.

Dietrich sprang schnell hinzu und hob das Schwert empor:

Nichts da, du kleines Wunder, das sei dir mein Schwur.

Mein Speerbruder ist er, verletz' ihn nicht, mein Held,

denn meiner Schande wär dies Wort im Bernerfeld.“


Bist du der Berner? Wohl, so komm’ auch du herbei

und gib mir Hand und Fuß!“ So lacht' er kühn und frei.

Nun sprang auf Falka Dietrich, doch Hildebrand erschien,

kam mit Dietleib und Wolfhart in eilendem Bemühn.


Hör, Dietrich,“ rief er laut, „nimm ab dein Schwert zum Mann,

besteh ihn doch zu Fuß, dass er sich nicht entrann!“

Dietrich folgt dem Rat: „Nun komm’, räch deinen Drang,

für deine Rosen sei dein Hieb und Faustegang!“


Kaum hört’ es Laurin, kehrt’ er rasch ins Feld zurück,

Das Schwert, es fiel zur Erd’, er unterlief geschwind ein Stück,

Umgriff Dietrichs Knie, dass beide schwer im Klee nun lagen,

Zerbrich ihm den Gürtel!“ ließ Hildebrand mit Macht ansagen.


Nun zürnt’ Dietrich, mit Feuer glühte ihm der Atem schon,

Er griff zum Gürtel, hob den Zwerg und stieß ihn auf den Boden,

Der Gürtel riss, und schnell griff Hildebrand zur Beute hin,

Laurin verlor nun all’ die Kraft und sank im Kampfgesinn.


Da schrie der Kleine laut, das Echo scholl im Tal und Feld:

Schenk’ mir das Leben! Herr, ich diene dir mit Gut und Geld!“

Doch Dietrich, rasend, hob das Schwert, den Zwerg zu töten.

Hilf mir, Dietleib,“ fleht Laurin dann, von Furcht durchböten,


Denk an deine Schwester! Sie gehört zu mir allein!“

Dietleib bat sogleich, doch Dietrich wollte ohne Gnad’ nur sein.

Da sprang Dietleib aufs Ross, ergriff den Zwerg im wilden Lauf,

Entführt’ ihn rasch ins Dickicht, in des hohlen Baumes Schlauch.


Bring’ mir mein Ross, Herr Hildebrand!“ so rief Dietrich mit Kraft,

Und folgte dem Entflohn, auf seiner Rache Leidenschaft.

Hildebrand, Wolfhart, Wittig eilten schnell ihm hinterher,

Doch Dietleib barg den Zwerg und ritt dann mutig zu ihm quer.


Gib mir den Zwerg!“ so bat er, aber Dietrich schoss den Speer,

Und beide stürzten ab vom Ross, das Schwert gezückt zur Wehr,

Sie schlugen zu und trafen hart, Schild fiel aus Dietrichs Hand,

Nun muss’ das Schwert ihm Waffe, Schild, zugleich und Schutzgewand.


Wolfhart, Wittig,“ sprach Hildebrand, „haltet Dietleib fein,

Und steckt ihm das Schwert in die Scheid’ — ich zwing’ mein Herrn allein.“

Dietleib ward nun bezwungen, Dietrich’s Zorn ward leis’ gestillt,

Im Frieden Laurin aufgenommen, wie Hildebrand es willt.


Dietleib holt Laurin hervor und fragt nach seiner Schwester sacht,

Kunhild ist Zwerge-Königin,“ so hat Laurin’s Wort gefacht,

Ich fand sie einst beim Tanze, ungesehen kam ich her,

Ergriff sie schnell bei ihrer Hand und warf sie hoch zur Wehr.


Helkappe deckt’ ihr Antlitz zu, ich schwang sie auf mein Ross,

Ritt heim mit ihr zum Berge, so geschah’s ganz ohn’ Verdruss.

Nun fehlt ihr nichts, kein Armut plagt sie, bald die Hochzeit prangt,

Ich will ihr Herr sein, sie mein Weib, ganz ohne Zwang.“


Lass mich sie sehen,“ sprach Dietleib nun im harten Ton,

So will ich dich zum Manne ihr’n, dass recht in treuem Lohn.“

Hildebrand sprach zu Dietrich leis’, und Laurin ward Gesell,

Doch Wittig sah’s mit argem Blick, ihm ward das Herz nicht hell.


Kommt nun in meinen Berg hinein, ich will euch zeigen all’

Die Schätze, Wunder, die ich pfleg’ in gold’ner Silberhall’!“

Die Helden schauten Hildebrand an, fragten seinen Rat,

Aus Furcht nicht gehen“, sprach der Greis, „das ziemt uns nicht als Tat.“


Lasst uns die Wunder schauen,“ sprach Dietrich kühn im Wort,

Doch Wittig, grimm im Herzen, sprach: „Er führt uns nur zum Mord.“

Da rief Hildebrand Laurin: „So bauen wir auf dein Ehr’,

Führ uns und zeig’, was Wunder du in deinem Berg begehrst.“


Verlasst euch drauf,“ sprach Laurin fein, „mein Wort sei treu und fest,“

Zum Berg führte er sie dann hin, wo Schatten Vögel lässt,

Da unter grünen Linden stand ein Platz, schön anzuseh’n,

Wo bunte Blumen blühten, auf der Wiese sanft und schön.


So herrlich ist dies Bild,“ sprach Wolfhart, „Freuden ohne Zahl!“

Noch nicht des Tages Ende lobt,“ mahnte Hildebrand zumal.

Kehrten wir um,“ sprach Wittig hart, „sind Zwerge voller List,“

Das hörte Laurin, lacht’ und sprach: „Froh sollt ihr sein, gewiss!“


Hier tanzen Elben froh und leicht, in Kränzen bunt und fein,

Bald sollt ihr mit uns schwelgen, in dem Paradies hier sein.“

Er führte sie sodann zum Tor aus Gold, und drin zu sehn

Zwölf Jungfern klein und artig, die zu Ehren festlich stehn.


Das Tor schlug zu, kein Ausgang da, verborgen war der Pfad,

Da sprach dann Wittig: „Seht, wie uns Laurin gefangen hat!“

Doch Laurin lächelte und sprach: „Habt keine Furcht im Sinn,

Euch wird kein Leid geschehen hier, kein Schmerz in diesem Ring.“


Von Gold und edlen Steinen glänzt die finstre Nacht,

Der Zwergkönig führt die Gäste in den Saal mit Macht;

Auf goldnen Bänken setzen sie sich nieder,

Und Wein und Met wird kredenzt, immer wieder.


Ein Schauspiel bot sich dar, voll Glanz und Pracht,

In feinen Kleidern Zwerge, die den Saal gemacht,

Die einen warfen Speere, andere Steine gar,

Ein Tanz begann und Lieder klangen wunderbar.


"Die Freude ist mein Teil, dies ist ein froher Ort,"

Sprach Dietrich, voller Lust an diesem Zwergenort.

Da kam Kunhild, umringt von Zwergen, hehr und fein,

Mit einer Krone funkelnd, trat sie zu ihnen ein.


Sie grüßte hold und legte ihre Arme sacht

Um Dietleib und weinte still in der Zwergenpracht.

"Vielteure Schwester, sag, was dir so weh,

Warum bist du so traurig, was treibt dich ins Weh?"


"Ich lebe hier in Wohlstand, an Ehren reich,

Doch fehlt das Herz mir hier, und mein Sinn ist weich;

Zwerg und Zwergin dienen mir gern und viel,

Doch mein Sehnen nach Menschen bleibt mein höchstes Ziel."


"Sei still, mein Schwesterlein, ich hol’ dich hier heraus,

Wenn es auch mein Leben kostet in diesem Zwergenhaus."

So kehrte sie zurück in ihre Kammer still,

Laurin lud die Gäste zum Mahl, so war sein Will’.


Sie legten Waffen ab, in Festesglanz gekleidet,

Laurin beschenkt sie reich und hat sie herzlich geleitet.

Ein Saal, voll Prunk und Glanz, mit Speisen reich gedeckt,

Silberne Schüsseln funkelnd, die Kannen blank versteckt.


Da traten neue Freuden und Spiele nun hervor,

Während sie tranken munter, wie nie zuvor.

Doch Laurin ging zur Kammer, sprach Kunhild an voll Zorn,

Und klagte ihr sein Leid, dass er wurd’ so verlor’n.


Da sprach sie sanft: "Willst Ehre, dann bitte leis’ nur um Frieden,

Doch schone sie am Leben, soll‘n sie dich niemals betrüben."

Er schwur und steckte an den goldnen Reif an Hand,

Da wuchs ihm Kraft, zwölf Männer Wert, nun er fand.


So rief er Dietleib rasch und sprach in Freundeswort:

"Nimm Abstand von den Freunden, bleib in diesem Ort.

Denn teil’ ich meinen Schatz, sei mein Teil dir gewährt."

Doch Dietleib sprach entrüstet, voll Kraft und voll Beschwert:


"Eh’ lass’ ich hier mein Leben, nie das geschieht!"

Da sprang der Zwerg zur Türe, schloss sie, dass keiner entflieht.

Im Saal erschien Laurin mit Trunk und Tränke dann,

Und füllte ihnen Becher, und sorgte, dass man trank.


Ein Zauber mischte heimlich der Zwerg in edlen Wein,

Und bald, vom Schlaf ergriffen, sanken sie hin allein.

Laurin schloss sie im Kerker fest und streng gebannt,

Doch Dietrich brach die Fesseln mit feuriger Hand.


Kunhild schlich bald zum Kerker, schob den Riegel sacht,

Dietleib sprang hervor, wie erwacht zur Schlacht.

"Wo liegen meine Freunde? Sag mir, Schwester mein!"

"Gefangen sind sie, tief in dunklem Stein."


"Schaff’ mir die Waffen schnell, dass ich sie befrei’,

Und kämpf’ um ihre Freiheit in diesem tiefen Gehege."

Sie gab ihm einen Ring, von Gold und voller Glanz,

Da sah er all die Zwerge in reichem Kranz.


Er schlich zum Saal, nahm Helm und Schwert zur Hand,

Kunhild stand ihm bei, sprach ihren Segen klar und gewandt.

Mit Mut zog Dietleib los zum finstren Kerker hin,

Dort warf er seinen Freunden die Waffen schnell dorthin.


Das hörte Laurin bald und blies ins Horn mit Macht,

Die Zwerge griffen nach Brünne, Helm und Schwert der Schlacht,

Es liefen viele herbei, dreitausend Mann und mehr,

Bereit, für ihren Herrn zu kämpfen, kampfbereit und schwer.


Keiner von meinen Gästen bleibt lebend heut zurück,“

sprach Laurin voller Zorn und zog mit festem Blick

an ihrer Spitze hin, vor Kerkerwände kalt.

Doch Dietleib hob sein Schwert, ergriff in wildem Halt

die Zwerge rings um sich und schlug sie reihenweise,

erschlug die vielen klein, doch Laurin voller Kreise

lief ihm entgegen zornig und schlug ihm Wunden tief,

die Zwerge fielen ein, von hinten scharf und schief.

Vergeblich rang Dietleib, die Zwerge drängten ihn,

und schnell verschloss der Kerker sein finsteres Ruin.


Da legten Hildebrand und Dietrich Waffen an,

und schritten kampfbereit dem harten Lärm voran.

Ich höre Klingenlärm, doch Feind erkenn' ich nicht,“

sprach Dietrich in den Sturm, voll Wut, voll Todespflicht.

Nimm hier Laurins Gürtel,“ so riet ihm Hildebrand,

umgürte dich damit, dann siehst du, wer entbrannt.“

So tat's der Berner Held und sah die Zwerge steh'n,

wie sie dem Dietleib drohend rings umhergedrehn.

Da sprang er zu ihm hin, mit scharfem blanken Schwert,

Zurück, o Freunde!“ rief er, „ihr seht das Zwergenheer.“


Herr,“ flehte Hildebrand, „ein Ring, an Laurins Hand,

verleiht ihm seine Macht, die keiner überwand;

zerschlage ihm die Hand, nimm mir den Ring sodann.“

Dietrich trat vor die Tür, und Laurin stürmte an.

In Wunden schlug er ihn, doch heißer wuchs der Zorn,

bis Dietrich, blind vor Glut, zerschlug mit Wut und Born

den Finger samt dem Ring. Da sprang der Zwerg zurück,

Dietrich ergriff den Ring, gab Hildebrand das Stück.

Er steckte es sich an und sah die Zwerge scharen,

im Kreise standen sie, mit finsterm, hartem Fahren.


Ein Zwerglein, voller Angst, rief laut ins Horn hinein,

fünf Riesen folgten ihm, voll Macht und harten Stein.

Mit langen Stangen schlug’n sie nach den Helden drauf,

so eilten Dietleib, Dietrich nun kampfbereit herauf.

Die Riesen kommen schnell, euch helfen will ich, Freund!“

so Hildebrand, der stark an Dietleibs Seite dräunt.


Im Kerker sprach da Wittig: „Was steh’n wir müßig still?

Lasst uns ins Kampfgetümmel, wir gehn, wie jeder will.“

Ich hör das Schlachtgetös,“ so Wolfhart, „fort nun rasch,

wo Lärm und Klingen hallt, ziehn wir mit Kraft und Basch.“

Sie legten Helm und Schild, stürmten dem Lärm entgegen,

da rief sie Kunhild an, die Frauenstimme regen:

Helden, nehmt den Goldring, dann seht ihr, wer euch droht,“

sie legten ihn sich an, und schauten rot und tot

die Schar der vielen Zwerge. So brachen sie sich Bahn

mit Schwerthieb durch die Reihen und kamen wacker an.


Die Riesen flohen bald, den Helden ward’s zu viel;

ein jeder stürmte vor und schlug mit wilder Spiel

die Wunden tief und fest in ihre langen Leiber,

bis sie zu Boden sanken wie hart zerschlagne Treiber.

Da flohen all die Zwerge in dunkle Winkel flugs,

doch mutig blieb der Rest, trotz Laurins Schmerzenszug.

Als jener aber sah, wie hart die Helden fochten,

fiel Laurin vor sie hin, gab sich dem Held in Schlachten:

Lass Gnade walten, Herr, gib uns den Frieden heut,“

doch Dietrich sprach im Zorn: „Eidbruch hat dich gebeut,

du und dein Volk, ihr müsst nun euer Leben lassen.“


Das hörte Kunhild laut, ließ ihren Stolz erfassen:

Edler Herr Dietrich, hör mich an, der Frauen Ehr,

geb Laurin und sein Volk, verschone sie, mein Herr!“

Und Dietrich weigerte sich. „Man rühmt dich milde, gut,

nun zeig die Güt in dir, die sich bei dir so ruht!“

Tu, wie die Jungfrau spricht,“ riet Hildebrand ihm sanft,

nimm Laurin mit gefangen, lass ihn als Deinen Stand,

doch sei sein Volk dir treu und seine Schätze dein.“

Auch Dietleib bat um Gnad, wollt für die Feinde ein.


So sei es, wie du wünschst, o Jungfrau,“ sprach er mild,

und Wolfhart, Wittig, laut, verließ den Streit im Bild:

Den Frieden gab ich ihnen,“ sprach Dietrich, „zieht euch heim.“


Nun rüsteten sie sich, zu scheiden aus dem Land,

Der hohe Berg ward bald des Zwerges neue Hand.

Dem Dietrich treu zu dienen, schwur er seinen Eid,

Mit Gold und Kleinod ward die Fracht der Pferde breit.


Auch Kunhild hob man auf ein edles Ross sodann,

Und Laurin zog mit ihnen, in der Mitte Bahn.

Nach Bern gelangten sie und blieben wohl geruht,

Vierzehn der Tage lang, so ward es ihr vergut.


Da sprach die Kunhild: "Dietrich, lass dir Laurin sein,

Er gab mir untertan, was hohl im Berg gemein;

Lass ihn das nun entgelten, wie es recht und gut!"

Das schwur der Dietrich ihr und fasste neuen Mut.


Doch als sie scheiden wollte, schrie der Laurin laut,

So sehr aus Weh und Schmerz, dass Kunhild auch vertraut

Der Trauer sich und weinte still in ihrem Sinn.

Da griff Dietleib zur Schwester, nahm sie sanft dahin.


Er führte sie zu Burg und brachte sie in Schutz,

Bald fand sie einen Mann, voll Adel, Ruhm und Trutz.

Dem alten Ilsung aber ward der Laurin gleich,

Und Dietrich schwur ihm Freundschaft, fest und voller Reich.


Die Treue hielt Bestand, es schwand kein Eid, kein Wort,

So lebten sie in Frieden, treu an einem Ort.



ZWEITER GESANG


Als Dietmar starb, bestieg sein Sohn den Königs-Thron,

Dietrich von Bern, bekannt für Heldenmut und Lohn.

Einst saß er mit Gefährten froh im hohen Saal,

Da trat ein Fremder ein, gewandt von schlankem Strahl.


Sein Kleid war schlicht, sein Schwert unscheinbar, wie sein Stand,

Ein breiter Hut verbarg sein Antlitz und Gewand.

Er trat zum Königsthron mit zarter Höflichkeit

Und sprach: „Mein Name Wildeber, ich biete Treu’ und Streit.“


Dem König wohlgefiel des Fremden sanfte Art,

Er sprach: „Sei uns willkommen, Freund, wenn niemand's hart.

Doch ist’s an meinen Mannen, ob du uns gefällst;

Nimmst du in Freundschaft Platz, so weilst du hier als Held.“


Da rief Wittig: „Kein Wort von Tadel hört mein Ohr!

Was dir genehm, mein König, das steh’ auch mir bevor.“

So wurde Wildeber ein Freund des tapf’ren Herrn,

Man wies ihm Platz und Speis’ in Dietrichs hohem Bern.


Eh’ er sich niederließ, ging er zum Brunnen hin,

Hob seinen Rock, um sich zu waschen, mit Gewinn.

Da glänzte Gold am Arm, ein Reif, von hohem Wert,

Und Wittig staunte stumm, von Adel spricht solch Erb’.


Alsbald im neuen Kleid, vom König ihm gereicht,

Sah man ihn herrlich schön, wie’s keinem je gegleicht.

Die Männer lobten ihn, und Wittig ward sein Freund,

So fest, dass keiner gern vom andern war getrennt.


Zu dieser Zeit kam Amalung, der junge Sohn,

Von Hornbogs Grafenhaus, als Diener für den Thron.

Und bald auch Herbrand, weithin in der Welt bekannt,

Durch Sitte, Sprachen, Künste des fernen Morgenlands.


Dietrich entsandte ihn, ihm Botschaft treu zu bringen,

Damit der Fürst, geeint, im Kampfe kann erringen.

Zur selben Zeit kam Brief aus Attilas mächt’gem Reich,

Er bat um Dietrichs Hilfe, Freundschaft war sein Zeichen.


Denn Oserich, im Alter hart und geldgierig nun,

Tat Böses seinem Volk, ließ niemand je in Ruh’n.

Im Krieg das Land verlassend, zwang er furchtbar Schätze,

Daheim war’s nicht geringer, stets trieb er Knecht und Kette.


So schrieb der König Attila: „Dietrich, komm geschwind,

Nimm meines Landes Streit als Zeichen, dass wir sind

Gefährten in der Not. Dein Ehrensinn mag’s wagen,

Hilf mir im Kampf, der uns das Leben droht zu tragen!“


Da ritt der Berner rasch mit fünfhundert Getreuen,

Mit seinem ganzen Heer, das Ruhm und Sieg kann streuen.

Zusammen brachen Fürsten dann ins Wilkinenland,

Ein Heer von Oserich kam ihnen wohl bekannt.


Es folgte bald der Kampf, der mörderisch entbrannte,

Die Schwerter klirrten laut, die Männer war’n entflammte.

Hildebrand trug das Banner stolz voran ins Feld,

Er schlug zu beiden Seiten, ein Löwe in der Welt.


Dietrichs Männer folgten, im Sturm, vereint, als Glanz,

Kein Feind hielt ihrer Stärke stand, kein Blick dem Tanz.

Doch war Wittig zu weit, allein vor seinem Heer,

Da traf ihn Widolfs Stange, er sank zu Boden schwer.


Heime, sein Freund, sah’s wohl, entriss ihm schnell das Schwert,

Nahm Mimung, lief davon, des Feindes Ruf erhört.

Die Wilkinen erlangten Mut, sie drangen vor,

Doch Dietrich rief: „Amalung, zeigt Hiebe, wie zuvor!“


Die Reih’n geschlossen brach der Sturm ins Feindes Heer,

So floh Oserich bald, die Flucht war seine Ehr’.

Doch Hertnit kam heran, der Brudersohn des Königs,

Zu spät, auch er besiegt, kein Kampf ihm mehr verhieß.


Gefangen nahm er Wittig, der ohnmächtig noch lag,

Gefesselt in den Kerker brachte man ihn dann ins Grab.

Dietrich kehrte heim, voll Gram um Wittigs Schicksal schwer,

Doch Wildeber sprach: „Ich kehre nicht zurück, nicht eher!


Sei mir erlaubt, auf Kundschaft zu gehen, ob er lebt,

Im Leben oder Tod sein Los mir Antwort gibt.“

So zog er fort, ein Spielmann Isung ihm zur Seite,

Der Dietrich sandte aus mit List auf langen Meilen.


Wildeber nahm den Balg, den eines Bären Haut,

Er hüllte sich hinein, von Isung zugetraut.

Geführt am Strick, kam er in Oserichs Gebiet,

Das Listenspiel begann, verborgen blieb sein Lied.


König Oserich empfing den Spielmann freundlich hehr:

Was spielst du, dass man preist dich über alle sehr?“

Da sprach der Spielmann klug: „Was man hier hat vernommen,

Wird selten schöner sein als das, was ich gesungen!“


Er griff zur Harfe, die der König ihm gereicht,

Und spielte Melodien, dass niemand je sie gleicht.

So wunderbar erklang der Saiten reiner Klang,

Dass selbst die Lüfte schwiegen, verzaubert vom Gesang.


Da tanzte Weisleu, sein gezähmter Bärenfreund,

Auf Hinterfüßen leicht, wie's keinem je erscheint.

Das Volk war staunend ob des seltenen Spiels,

Und keiner wagte näher – des Bären Warnung schließt’s.


Herr König,“ sprach der Spielmann, „halt’ dich von ihm zurück,

Denn wer ihn reizen mag, der zieht gewiss kein Glück.

Doch mich allein verschont er, sein Zorn berührt mich nicht,

Denn treue Bande knüpften wir im Lebenslicht.“


Der König lachte laut: „Dein Bär, so klug geschult,

Was kann er noch, mein Freund? Zeig mir, was er sonst tut.“

Herr König, weit gereist, hab ich die Welt gesehn,

Doch keinen Fund gemacht, der schöner war zu sehn.“


Da bat der König ihn: „Gestatte mir ein Spiel!

Zeig, wie dein Bär besteht im rauen Jagdziel.“

Isung willigte ein, doch warnte: „Sei bedacht,

Ein Spiel mag bald verderben, wird’s ohne Maß gemacht.“


Am Morgen brach das Volk hinaus auf weites Feld,

Der König mit Gefolge und Dienern wohlbestellt.

Er ließ die Hunde hetzen, sechzig in der Zahl,

Doch Weisleu riss sie nieder – ein wahrer Bärenschal.


Zorn stieg im König auf, er zog sein scharfes Schwert,

Und hieb auf Weisleu ein, der dennoch unversehrt.

Da griff der Bär zurück, entriß dem Spielmanns Hand

Das blanke Schwert und traf den König unverwandt.


Das Haupt des Königs fiel, sein Leben war dahin,

Auch seine Riesen starben, trotz ihrer Eisen hin.

Das Volk, vor Furcht ergriffen, floh von Ort und Land,

Man fürchtete den Bären – ein Unhold sei bekannt.


Doch Wildeber, der Held, verbarg sich in der Haut,

Befreite seinen Freund, der selbst die Bande braut.

Zu zweit besiegten sie, wer ihnen Widerstand,

Und brachen durch die Menge ins freie Heunenland.


Die Kunde ward erzählt in Dietrichs weitem Saal,

Von Attila bewundert, geschmückt mit Lobesstrahl.

So pries die Welt den Mut des kühnen Spielmanns treu,

Und Wildebers Tat klang nach wie ein heller Reu.


Wittig, betrübt, dass Mimung ihm geraubt erschienen,

Sprach voller Zorn: "Das Schwert, es soll mir wieder dienen!

Find’ ich den Dieb, der meine Klinge wagt zu tragen,

Verlier’ ich wohl mein Leben, doch muss ich sie erjagen!"

Da sprach der König: "Suche nicht in fernen Kreisen,

Der Dieb ist Heime selbst, der tat dich zu verpreisen.

Als du im Staub gefallen, nahm er Mimung fort,

Ein Genosse unsrer Schar, und führt’ es an den Ort."


Zur selben Zeit erreicht aus Rom ein Ruf die Runde:

Ermenrich ruft Dietrich auf zum Dienst im Grunde.

Rimstein, sein Lehnsmann, weigert sich, den Zins zu zahlen,

Drum soll der König helfen, ihn im Streit zu strafen.

Mit fünfhundert Mann zieht Dietrich bald ins Feld,

Mit all den Schilden, treu zum Kampf bestellt.

Doch Wittig sprach zu Heime: "Gib mir mein Schwert zurück!"

Und trotz des Drängens hielt er’s aus mit sturem Blick.

Erst nach viel Bitten ließ er Heime das Schwert verbleiben,

Trug Nagelring stattdessen, um den Feind zu treiben.


Durch Rimsteins Land zog Feuer wütend, Schwert und Brand,

Bis sie Gerimsheim fanden, fest das Burgband stand.

Die Heere lagerten und setzten Sturm auf Sturm,

Doch unerschütterlich blieb fest der Mauerturm.

Des Nachts ritt Rimstein aus mit sechs, die bei ihm standen,

Zum Spähen durch die Nacht, auf heimlich stillen Banden.

Doch Wittig trat hervor, sein Zorn nicht zu verhehlen,

Und Rimstein selbst sah bald, er wird sein Schicksal wählen.

Im Kampf zerspalt’ er Helm und Haupt des stolzen Manns,

Die andern flohen fort, bestürzt durch Todesglanz.


Im Lager wurde Wittig mit Triumph empfangen,

Dietrich und Heime sah’n ihn stolz nach vorne drangen.

Heime sprach höhnisch: "Seht, was hat der Held verbracht?

Ein alter Mann war’s doch, was gibt ihm solche Macht?"

Zornig sprang Wittig auf, entriss ihm Mimungs Klinge,

War Nagelring zu Füßen und rief mit heißen Ringen:

"Nicht länger dulde ich die Schmach, die Heime spricht!

Er stahl mein Schwert im Staub; das war männlich nicht!

Nicht ehe leg’ ich Mimung in die Scheide zurück,

Bis er durch Heimes Haupt fährt mit Vergeltungsglück!"


Dietrich beschwichtigte: "Heime, bring’ ihn nicht in Not!

Versöhne Wittig jetzt, sonst eilt er in den Tod."

Und durch den Eid, den Heime gab als Waffenbruder,

Erlangt’ Wittig sein Schwert, doch blieb der Zorn kein Wunder.


Wittig, betrübt, dass Mimung ihm geraubt erschienen,

Sprach voller Zorn: "Das Schwert, es soll mir wieder dienen!

Find’ ich den Dieb, der meine Klinge wagt zu tragen,

Verlier’ ich wohl mein Leben, doch muss ich sie erjagen!"

Da sprach der König: "Suche nicht in fernen Kreisen,

Der Dieb ist Heime selbst, der tat dich zu verpreisen.

Als du im Staub gefallen, nahm er Mimung fort,

Ein Genosse unsrer Schar, und führt’ es an den Ort."


Zur selben Zeit erreicht aus Rom ein Ruf die Runde:

Ermenrich ruft Dietrich auf zum Dienst im Grunde.

Rimstein, sein Lehnsmann, weigert sich, den Zins zu zahlen,

Drum soll der König helfen, ihn im Streit zu strafen.

Mit fünfhundert Mann zieht Dietrich bald ins Feld,

Mit all den Schilden, treu zum Kampf bestellt.

Doch Wittig sprach zu Heime: "Gib mir mein Schwert zurück!"

Und trotz des Drängens hielt er’s aus mit sturem Blick.

Erst nach viel Bitten ließ er Heime das Schwert verbleiben,

Trug Nagelring stattdessen, um den Feind zu treiben.


Durch Rimsteins Land zog Feuer wütend, Schwert und Brand,

Bis sie Gerimsheim fanden, fest das Burgband stand.

Die Heere lagerten und setzten Sturm auf Sturm,

Doch unerschütterlich blieb fest der Mauerturm.

Des Nachts ritt Rimstein aus mit sechs, die bei ihm standen,

Zum Spähen durch die Nacht, auf heimlich stillen Banden.

Doch Wittig trat hervor, sein Zorn nicht zu verhehlen,

Und Rimstein selbst sah bald, er wird sein Schicksal wählen.

Im Kampf zerspalt’ er Helm und Haupt des stolzen Manns,

Die andern flohen fort, bestürzt durch Todesglanz.


Im Lager wurde Wittig mit Triumph empfangen,

Dietrich und Heime sah’n ihn stolz nach vorne drangen.

Heime sprach höhnisch: "Seht, was hat der Held verbracht?

Ein alter Mann war’s doch, was gibt ihm solche Macht?"

Zornig sprang Wittig auf, entriss ihm Mimungs Klinge,

War Nagelring zu Füßen und rief mit heißen Ringen:

"Nicht länger dulde ich die Schmach, die Heime spricht!

Er stahl mein Schwert im Staub; das war männlich nicht!

Nicht ehe leg’ ich Mimung in die Scheide zurück,

Bis er durch Heimes Haupt fährt mit Vergeltungsglück!"


Dietrich beschwichtigte: "Heime, bring’ ihn nicht in Not!

Versöhne Wittig jetzt, sonst eilt er in den Tod."

Und durch den Eid, den Heime gab als Waffenbruder,

Erlangt’ Wittig sein Schwert, doch blieb der Zorn kein Wunder.


Falls du möchtest, dass weitere Szenen übertragen werden oder eine andere Feinabstimmung gewünscht ist, lass es mich wissen!


Da rief Ermenrich aus, als Wittigs Tat erfuhr:

"Zum Sturm auf diese Mauern, bringt die Feinde zur Spur!

Rimstein liegt tot, nun lasst uns diese Stadt bezwingen,

Ihr seid mein starkes Schwert, sollt Sieg und Ruhm mir bringen!"

Die Eingeschlossenen, ohne Führer, ohn’ Gewalt,

Erkannten ihre Not und gaben sich alsbald.

Ermenrich nahm die Stadt mit Gnade für die Seinen,

Gewährte Schutz dem Volk vor allzu großen Peinen.

Doch eignete die Mauern und den Sitz er sich,

Setzte Walther als Vogt, der treu war sicherlich.

Die Heere zogen dann, ein jeder zu den Seinen,

Die Schlacht war nun vorüber, und Frieden herrscht im Reinen.


Herdegen lebte dort mit Isolde, seiner Frau,

Sie hatten drei der Söhne, stark wie Eichenbau.

Der älteste war Herburt, ein Held von klarem Geist,

Dann Herdegen, der zweite, ein Krieger, der nicht weicht.

Der jüngste hieß Tristram, ihm fehlte oft die Kraft,

Doch schlummert in der Schwäche oft ein stark’ Geschafft.

Ihr Lehrer war Wigbald, der sie im Kampf erprobte,

Er zeigte ihnen Waffen, doch Tristram oft verstummte.

Die Brüder sprachen einst: "Du bist für dies nicht wert,

Such dir ein and’res Werk, hier wird nichts mehr gelehrt!"

Doch Tristram sprach voll Trotz: "Ich will es euch beweisen,

Lasst uns mit echten Schwertern diesen Streit erweisen!"


Sie zogen in den Hof, Wigbald gab scharfe Klingen,

Ermahnte sie zum Maß, um keinen Hass zu bringen.

Doch Herdegen, voll Stolz, sprach: "Nichts wird mir geschehn!"

Tristram schlug zornig aus, ließ keine Warnung stehn.

Ein Stich, so voller Wucht, traf Herdegens Gebein,

Er fiel zu Boden tot, und Tristram blieb allein.


Tristram, der Held, entwarf den Schild und griff zum Schwert,

Verließ das Land, das ihn einst hielt, und ritt weit fort.

Er kam nach Brandinaborg, in Eisen Dienste trat,

Der Herzog nahm ihn freudig auf, des Helden Tat.

Doch als der Vater hörte, was geschehen war,

Erfasste Zorn sein Herz, so stark und offenbar:


"Zwei Söhne sind nun fort, zugleich aus meinem Haus,

Und du, mein Erstgeborner, trugst daran nur aus.

Du hättest, Herburt, all den Frevel abgewandt,

Doch deine Schwäche, Sohn, hat alles so verbrannt!

Das Unheil, das geschah, nur du sollst büßen jetzt,

Ein Mann, der nichts vermag, sei nimmermehr geschätzt."


Von Zorn erfüllt und schwer bedrückt von Vaters Wort,

Bestieg er rasch sein Ross und ritt von dannen fort.

Nach Bern zum Oheim Dietrich zog er ohne Rast,

Er suchte Trost und klagte all die bittren Last.

Der König nahm ihn freundlich auf, mit Herz und Hand,

Bald zeigte Herburt Kraft im Spiel und Kampfverband.


Zu jener Zeit, da Dietrich keine Gattin fand,

Sandt' er Boten aus ins weite, ferne Land,

Zu suchen, wer an Schönheit wohl die Erste sei;

Sie sprachen alle: "Hilde glänzt wie Sonnenschein!

In Bertangaland lebt sie, König Artus’ Kind,

Und allen, die sie sah'n, blieb sie im Herzen blind.


Doch streng bewacht ist sie, kein Mann darf sie erspähn,

Es sei denn, wenn zur Kirche sie bereit, zu gehn."

Da wandte Dietrich sich an Herburt: "Hilf mir nun,

Für Hilde werben, Oheim’s Pflicht hast du zu tun."

Und Herburt sprach: "Ich will es wagen, für dich ziehn!"

So ritt er aus, mit edlen Männern, vierundzwanzig kühn.


Bei Artus’ Hof erschien er nun und trug vor ihn,

Des Oheims Werbung sprach er aus, mit Herz und Sinn.

Doch Artus sprach: "Warum kommt Dietrich nicht allein,

Um selbst zu werben um die Tochter? Soll das sein?

Hier sieht kein Mann die Königstochter außer dann,

Wenn sie zur Kirche schreitet, fern von jedem Mann."


So blieb Herburt bei Hof und fand bald großes Glück,

Sein höf'scher Sinn gewann ihm aller Augen Blick.

Zum Schänken ward er bald erhoben, diente fein,

Des Königs Mundschänk war er, schenkend edlen Wein.

Als Hilde einst zur Kirche ging, erblickt' er sie,

Denn nah am Wege stand er still, voll Phantasie.


Sie schritt mit zwölf Grafen, zu jeder Seite sechs,

Die hielten ihren Gürtel fest, mit stolzem Zweck.

Hinter ihr zwölf Mönche, sie trugen Mantels Saum,

Gefolgt von Edlen, Schwertern, Helmen – ein Alptraum.

Zwei Vögel trug sie, deren Flügel Schatten warf,

Ein Schleier um ihr Haupt verhüllt' das Antlitz scharf.


Im Kirchensitz verharrte sie, mit Buch zur Hand,

Die Augen fest gesenkt, dem Beten zugewandt.

Da ließ Herburt geschickt zwei Mäuse, golden fein,

Auf Hilde los – ihr Blick war kurz auf ihn allein.

Ein zweites Mal gelang die List, sie schaute ihn,

Er lächelte, sie wich erschrocken aus, voll Sinn.


Vertraut schickt’ Hilde heimlich eine Dienerin,

Zu fragen, wer er sei und was er hier beginn'.

Da sprach Herburt: "Ein Blutsfreund Dietrichs bin ich nur,

Was ich jedoch begehr’, weiß Hilde, keine Spur."

Und bald darauf, zur Kirche schrittend, sprach sie dann:

"Was suchst du hier, so sag es mir, doch sprich es an!"


Er klagte nun, ein halbes Jahr sei er hier bloß,

Das Wort, das er zu sagen habe, mache groß.

Ein Mönch kam dazwischen, Herburt schob ihn beiseit',

Zog an dem Bart und schüttelt’ ihn – im Zorn bereit:

"Ich lehr’ dich, Mönch, mich niemals wieder anzurühr’n,

Die Haare samt der Haut, die werd’ ich dir entführ’n!"


So nahm das Spiel an Artus’ Hof sein eig’nes Ziel,

Herburt gewann an Rang, an Ruhm, an Dienstesviel.

Doch Hilde sprach: "Warum für Dietrich werbst du nur?

Du selbst gefällst mir mehr, trotz königlicher Spur."

Da sprach Herburt: "Ich bin nur Bote, schlicht und wahr,

Doch will'st du mich, so steh’ ich treu und ewig da."


Nicht Dietrich, nur dich will ich!“ sprach Hilde zu ihm,

Sie legten die Hände und schwuren, mit festem Bemüh'n,


Dass nichts sie je trennen, nur der Tod allein.

Nach Tagen sprach Herburt: „Wir müssen entfliehen, heimlich und fein,


Bevor König Artus erfährt, was uns verband.“

Sie ritt ihm willig nach, im Mantel, verborgen im fremden Land.


Im Morgengrauen flohen sie, Wald wurde ihr Hort,

Die Wächter jedoch sahn sie und meldeten's am Königsort.


Der König befahl: „Hermann, hol' mir sein Haupt,

Bis dahin komm nicht zurück, dass keiner enttaucht!“


Mit dreissig Degen, geharnischt, mit Knechten in Zahl,

Verfolgte Hermann die Spur im dämmernden Tal.


Herburt erblickte sie und sprach: „Was für ein Spiel!

Artus sendet uns Diener, meint, uns fehlt ihm zuviel.“


Doch Hilde warnte: „Sie suchen dein Leben allein!“

Herburt sprach: „So sei’s, ich werde nicht fliehen, ich bin nicht gemein!“


Sie stiegen vom Ross, banden es an, ruhten sodann,

Doch bald erschien die Schar und rückte voran.


Herburt trat ihnen entgegen mit stolzem Gruß,

Doch Hermann sprach zornig: „Dein Leben sei nun der Schluss!


Doch sage, was ward aus Hilde, du Dieb?“

Mein Weib!“ rief Herburt, das Schwert, es blieb


Nicht stumm; in zwei brach er Hermanns Speer,

Dann schlug er den Helm entzwei und traf ihn schwer.


Den zweiten fällte er, durchbohrte den Dritten sogleich,

Bis die Feinde entflohen, viele tot im Bereich.


Hilde verband ihm die Wunden, die Waffen zerbrachen,

Sie ritten von dannen, den Weg in friedlichere Sachen.


Ein König nahm sie auf, und Herburt ward Herzog dann,

Sein Name, erleuchtet, noch durch ferne Taten brann’.


In Romaburg saß Ermenrich, der mächt’ge Herr,

Dem dienten viele Fürsten, sein Ruhm reichte weit und mehr.


Sibich war sein Berater, ein kluger Mann,

Doch Unheil in seinem Herzen seinen Lauf gewann.


Des Königs Lust fiel auf Odilia, Sibichs Frau,

Von Tugend rein, von Schönheit voller Strahl wie Morgentau.


Er sandte Sibich fort, in königlichem Gericht,

Daheim blieb Odilia, und Schande trug das Licht.


Der König brach ihren Willen, sie weinte laut,

Und als ihr Mann heimkehrte, klagte sie ihm, was geschaut.


Da sprach Sibich finster: „Sei still, mein Weib,

Was geschehen, ist geschehen, ich trage mein Leid.


Der treue Sibich war ich, doch sei’s abgetan,

Nun bin ich ungetreu, und Rache wird getan.“


Sein Herz wurde hart, voll List und Gier,

Er diente scheinbar treu, doch plante Verrat stets hier.


Er riet dem König: „Sende Friedrich, deinen Sohn,

Nach Wilkinenland, dort fordre Gold als Königslohn.“


Friedrich ritt aus, doch traf ihn Verrat,

Ein Freund Sibichs, der Burggraf, fiel ihn mit tödlichem Rat.


Heimlich hatte Sibich dies übel geplant,

Der König glaubte, Oserich habe dies gebannt.


Noch eh’ die Kunde vom Tode sich trüb verließ,

Riet Sibich erneut: „Sende Reginbald übers Meer ins Verlies.“


Ein morsches Schiff gab er ihm zur Fahrt,

Es sank mit Mann und Sohn, wie Sibich es starrt.


Ermenrich klagte, doch folgte dem Rat,

Sein gier’ger Sinn blieb blind für den Verrat.


Harlung, des Königs Bruder, war nun tot,

Auf Fritilaburg lebte Witwe Bolfriana in ihrer Not.


Dietrich bat für Wittig um ihre Hand,

Und Ermenrich sprach: „Dies gibt Treue mir als Pfand.“


Wittig ward Graf, und auch Heime trat ein,

Sie dienten dem König und suchten in ihm den Schein.


Doch die Harlungen, Fritila und Imbreke genannt,

Waren verwaist und lebten in Breisach, sicher gebannt.


Ihr Schatz und ihr Land reizten Sibichs Gier,

Er weckte in Ermenrich Neid und Hass dafür.


Die Harlungen sind Verräter!“ sprach Sibich laut,

Ermenrich schwur, dass er ihnen den Frieden raubt.


Hängt sie so hoch, wie nie Menschen gehangen,

Ihr Leben soll enden, in Schrecken gefangen!“


Die Harlungen hörten vom König den Schwur,

Sie wussten: Der Tod naht, verfolgt uns auf weiter Spur.


Ihr Pfleger Ekkehart, getreu bis ins Grab,

Stand fest zu den Waisen, selbst als Unheil sie traf.


Doch Ermenrich sandte in wütendem Zorn,

Seine Knechte und Ritter, auf Rache geschworn’.


Die Burg wurde belagert, ihr Schutz war zu klein,

Gefangen nahm man die Brüder, riss sie vom Heim.


Sie führten sie fort, vor des Königs Gericht,

Doch Gnade und Recht fand sich vor ihm nicht.


Hängt sie!“ gebot er, „so hoch wie nie ein Kind,

Dass jeder sehe, wie treue Dienste hier enden geschwind.“


An einer Esche, uralt und groß,

Hing man die Brüder, die Sippe zerbrach sich bloß.


Ekkehart weinte, das Land war verzagt,

Denn solche Grausamkeit tief in die Seele nagt.


Doch auch Sibichs List sollte Rache erwachen,

Sein Betrug trug Früchte, doch brachte Verderben und Rachen.


Denn Dietrich von Bern, der mächtige Held,

Hörte von diesen Taten und zog ins Feld.


Ermenrichs Reich, einst so stark und weit,

Erlag dem Zorn, dem Rachegeist.


Dietrich schlug ihn, vertrieb ihn vom Thron,

Auch Sibich fiel, in der Rache Lohn.


Die Sage berichtet von Frevel und Schmerz,

Doch mahnt sie zugleich zu Gnade im Herz.


Wehe! So rief Ekkehart: „Ehe dies geschieht,

Muss erst so mancher Helm zerbersten durch das Schwert,

Und Haupt für Haupt wird fallen, wenn mein Zorn belehrt!“


Dein stolzes Wort,“ so sprach man, „nützt uns nicht im Streit.

Hoch hänge ich sie lieber, dass die Furcht gedeiht.“


Das sollst du nicht, solange ich noch stehen kann!“

So rief der Held, sprang auf sein Ross und ritt heran,

Nach Breisach, dass der Eile selbst der Wind nicht glich,

Zum Rheine stieß er vor, sein Ross folgte ihm dicht.


Hinüber durch den Strom, das Wasser war sein Pfad,

Die Harlunge, vom Zinne blickend, sahn die Tat.

Dort schwimmt,“ sprach Fritila, „ein Mann durch wilden Fluss,

Es ist Ekkehart selbst! Wie drängt ihn wohl der Gruß?

Er wartet nicht auf Fähre, Botschaft treibt ihn fort.

Imbreke, wir hinab! Vielleicht erhellt sein Wort.“


Wie Ekkehart ans Ufer trat, begrüßten sie,

Und fragten, was geschehen, warum in solcher Müh.

In großer Not,“ so sprach er, „komm ich her zu euch,

Ermenrich rückt mit Heer, zu töten euch zugleich.

Flieht schnell und rettet euch, eh’ alles geht zugrund’!“

Doch antworteten sie: „Wir bleiben fest und bunt.

Was soll’n wir fürchten jetzt, wo Blut die Fehde kühlt?

Versöhnung kommt, sobald der Oheim Zorn verhüllt.“


Doch Ekkehart erzählte, was im Königssaal,

Gesprochen ward an Plänen; tödlich war die Wahl.

Die Harlunge, unbeugsam, zogen Brücken ein,

Bereit, mit Festungsmauern Feinden Trotz zu sein.


Der König kam mit Heere, ritt bis vor den Wall,

Schoss seinen Speer hinüber, tobend wie ein Fall.

Da trat Fritila vor: „Herr, sprich, wessen Schuld

Verlangt nach unsrem Leben? Ist dies des Rechtes Huld?“


Kein Wort,“ so sprach Ermenrich, „schuldet ihr mir heut.

Am höchsten Baum häng’ ich euch, nichts bleibt verschont,

Das Leben ist verwirkt, die Stunde schlägt euch Tod!“

So stürmten sie die Mauern, grausam war die Not.


Doch Feste hielt sich lange, trotz dem wilden Brand,

Da ließ Sibich Feuer fliegen, grausam angefacht.

Die Burg entflammte schnell, ein Schlund aus Tod und Glut,

Doch Harlunges Stolz brach nicht, auch nicht die wackren Mut’.


So fochten sie wie Löwen, sechzig treu anzahl,

Bis viermal hundert Feinde lagen tot im Tal.

Doch Überzahl besiegte schließlich Harlungs Heer,

Die tapfern Brüder fielen, gehängt der Ruhm so schwer.


Ekkehart kehrte heim, sah Breisach ausgebrannt,

Die Herren tot, das Land besetzt, wie Pein entbrannt.

Er zog von dannen, ritt nach Bern zu Dietrich hin,

Und klagte laut die Märe, was gescheh’n darin.


So sammelten die Heere sich zum Rachezug,

Ermenrich zu stellen, Rachsucht trieb die Wut.

Doch listig war der Feind, Sibich entfloh dem Schwert,

Mit König Ermenrich, das Schlachtfeld blieb versehrt.


Sahst du es nicht, sprach Sibich, wie Dietrich sich erhebt,

Als wäre Macht und Würde ihm gleich, wie dir gegeben?


Hochmütig ist der Mann!“, so rief Ermenrich erbost.

Er stellt sich mir und meinem Reich in törichtem Trotz!

Blaset die Hörner, auf nach Bern, zum Hängen mit ihm!

Dann wird sich zeigen, wer von uns der Mächtigste ist!“


Wunschgott helfe Dietrich!“ so sprach der Heime mit Zorn.

Verblendung treibt dich, König, zum Fall des eignen Bluts.

Einer um den andern fällt durch dein blutiges Werk,

Doch die größte Schuld trägt Sibich, der tückische Hund.“


Wohl wahr“, so sprach da Wittig, „es wird dein größter Fluch,

Und ewig wird die Welt von dieser Schmach noch künden.“

Und Wittig schritt davon, hin zu Dietrichs stolzer Burg,

Die Mitternacht erreicht' er, verlangte Einlass sogleich.


Ermenrich naht mit Heerscharen, bei Morgenrot bist du tot!

Fliehe, Herr Dietrich, rasch, sonst trifft dich der Feind mit Gewalt!“

Dietrich berief die Seinen, zur Halle kamen sie bald,

Wo Wittigs Botschaft klang und großer Unmut erwuchs.


Nun wählet, Freunde! Bleiben und kämpfen bis zum Fall?

Oder reiten wir fort und retten Leben und Schar?

Bern, die geliebte Stadt, die geben wir preis für heut',

Doch unser Leben bleibt, für neue Schlachten bereit.“


Hildebrand sprach: „Nun hilft kein Zögern, Flucht ist das Ziel!

Wer treu dem Herrn ergeben, rüste sein Ross zur Fahrt!

Auf, nach Heunenland, wo Attilas Schutz uns gewiss.“

Da sprangen sie empor, gerüstet zur schweren Flucht.


Rossewiehern klang, Waffen und Rüstung erdröhnten,

Weinend und klagend stimmten die Frauen Lebewohl an.

Als Heime stürmte herein, mit Eile die Botschaft bracht':

Ermenrich naht mit Scharen, flieht, ehe er euch erreicht!“


Hildebrand nahm das Banner, den goldnen Löwen zur Hand,

Folget mir nach, ich weise den Weg zur rettenden Flucht!“

Dietrich trug seinen Bruder, den jungen Diether empor,

Und ritt auf Falkas Rücken der Stadt entschlossen hinaus.


Nordwärts ging ihr Weg, zum Heunenland führte die Fahrt,

Doch plündernd zogen sie noch durch Ermenrichs eigenes Reich.

Als sie Attilas Grenze nahten, empfing er sie froh,

Und Dietrich fand dort Rast nach der schweren, leidvollen Flucht.



DRITTER GESANG


Dem König Attila ward Kunde nun gebracht,

Dass Waldemar mit Dietrich ins Heunenreich erwacht.

Von Wilkinenlands König, mit seinem Sohn bereit,

Verbrannte er die Dörfer und schürte Hass und Leid.


König Dietrich von Bern auf Susas hohem Turm,

Erblickte Rauch und Feuer, vernahm den Kriegslärm sturm.

Er eilte zu Attila: „Herr, steh auf und schau!

Waldemar zerstört das Land, dein Volk trägt großes Grau.“


Da Attila erhob sich, ließ blasen Horn und Heer,

Doch Waldemar war flüchtig und zog nach Osten her.

Doch Attilas Vergeltung schlug wie ein Donner ein,

Er plünderte die Städte und sammelte das Sein.


Im Wilkinenland traf man sich kampfbereit,

Die Banner wehten hoch, es tobte Feindesstreit.

Dietrich und Waldemars Sohn im Zweikampf rau und wild,

Bis Blut aus neun und fünf der Wunden Erde füllt.


Gefangen nahm der Berner den Russenkönigssohn,

Doch Attilas Geschrei verklang im Fluchtenton.

Amalungen, bei mir!“, rief Dietrich voller Mut,

Und kämpfte mit den Goten, sein Herz in Feuersglut.


Attila floh mit Verlust ins Heunenreich zurück,

Doch Waldemar, er drängte, nahm Burg und das Geschick.

Umringt war Dietrichs Schar, verödete Mauern kalt,

Doch brach er aus im Angriff, der List das Ziel entfällt.


Ein Kundschafter, Ulfrad, wurde zur Rettung schnell,

Durch Waldemars Heer ritt er, so mutig wie ein Held.

Ein Brand in Feindeszelt, des Königs Seide brannt,

Die Flamme ließ ihn fliehen, durch Schatten unbekannt.


Attila und Rüdiger zogen im Eil’ zurück,

Zersprengten Waldemars Heer, gewannen wieder Glück.

Im Heunenland war Frieden, die Schar vereint erneut,

Und Dietrich, schwerverwundet, zu Susa sich gefreut.


Helche bat um Gnade für Dietrichs königlich’ Blut,

Doch Attila blieb stur, in ihm nur Zornesglut.

Wird heil der Feind, so flieht er“, sprach er im Hochmut, schwer,

Mein Kerker ist der Lohn, der König weicht nicht mehr.“


Doch Helches Treue stritt, für Dietrichs Lebensrecht,

Das Haupt als Pfand gesetzt, dem Wort der Ehre echt.

Attilas Zorn erwuchs, ein Sturm in Heunenland,

Doch Helches bittre Treue hielt fest in starker Hand.


Allzu eifrig bemühst du dich für meine Feind’,

Drum nimm das Pfand zurück, das töricht dir erscheint.

Doch wisse dies: Entflieht Dietrich, ist’s mein Gewinn,

Dann ford’re ich zurück, was ich hier schuldig bin.“


Der König zog hinweg, es kam, wie sie gewollt,

Die Königin befahl, dass man den Sohn, der grollt,

Waldemars Kind, in einen Turm behaglich führte,

Wo sie ihm Heilung bot und selbst sein Los berührte.


Die besten Speisen trug sie ihm mit eigner Hand,

Bereitete ihm Bäder, die sein Leid verbannt,

Und schenkte ihm Juwelen, reich, von großem Wert;

Doch einen Dienst erwies ihm, der ihn nicht belehrt.


Zu Dietrich sandte sie ein Weib von wenig Wissen,

Die schlecht die Wunden heilte, die nicht schnell verflissen.

So blieb er leidend liegen, mit Verdruß gequält,

Denn was er hofft’ an Hilfe, war ihm ganz verhehlt.


Als Waldemars Sohn gesund, da sprach er frohgemut:

Der Berner liegt verletzt, doch mir ist alles gut!

Ich reit’ nun heim, kein Mensch wird mich daran hindern,

Denn Attila ist fern, und keiner kann mich mindern.“


Helche vernahm dies Wort, sie eilte zu ihm hin:

Wie lohnst du so, dass ich dir half mit frohem Sinn?

Mein Haupt gab ich zum Pfand, dass du das Heil erlangst,

Doch kümmert’s dich wohl kaum, ob ich dafür nun bang.“


Dietrich sprach: „O Königin, so mächtig und geehrt,

Dein Gatte wird dich schonen, wenn’s ihn nicht beschwert.

Doch bleib ich hier, so töten will er mich mit Hohn;

Drum flieh ich, was ich kann, und rette meinen Lohn.“


Er rüstet sich, nahm Attilas bestes Ross zur Hand,

Und Helche folgte flehend, den Schmerz in ihr gebannt:

Bleib, Dietrich, und ich will dich mit Attila versöhnen;

Entfliehst du, wird mein Haupt dem Hohne sich gewöhnen!“


Doch Dietrich achtete nicht mehr auf ihr Geheul,

Er ritt mit hartem Sinn davon, trotz aller Eul’.

Da zerriss Helche klagend ihr königlich Gewand

Und suchte den Verwund’ten, der sie nicht gleich erkannte.


Dietrich, getreuer Held, nun hilf in meiner Not!

Mein Blutsfreund ist entflohen, mir droht ein sichres Tod.

Kehrt Attila zurück, so werd’ ich hingegeben;

Nur du kannst helfen mir und retten mir das Leben!“


Dietrich, in seiner Wut, sprach scharf und ungeniert:

Recht geschieht dir, dass er flieht, du hast dich selbst verirrt!

Ihn hast du pfleglich geheilt, doch mich dem Schmerz gelassen,

Bei einer Magd, die wenig tat und kaum mein Leid erfasst.“


Weh mir!“ so klagt’ sie laut, „warum nicht dich geheilt?

Du bist der tapf’re Held, der stets die Welt enteilt.

Nun muss ich mein Haupt lassen, für ihn als Preis,

Mein Tod wird Attilas Verlangen sein als Speis’.“


Dietrich, vom Jammer weich, befahl mit stolzem Mute:

Bringt mir mein Schwert herbei, und lasset strömen Blut!

Ich will ihn stellen, Waldemars Sohn, zum Streit gerüstet,

Und zeigen, dass kein Feind hier auf Erbarmen stützet.“


Er sprang hinauf und ritt mit fließendem Blut hinaus,

Und suchte seinen Feind, trotz Schmerzen, ohne Graus.

Das Ende? Kampf und Klage, doch dies sei hier erzählt,

Wie Dietrich schließlich siegte und Ehre stets erhält.


Mit seinen sechs Getreuen ritt Dietrich stolz hinein,

Zur Königsburg, wo Königin empfängt den Schein,

Dass Waldemars verlorner Sohn sei heimgekehrt,

In freudigem Entgegen ihr Herz sich sacht empört.

Da trat der Berner kühn und warf ihr, ohne Wort,

Das Haupt des Feinds zu Füßen, entstammt dem Todesort.

Die Königin sank nieder, von Wehmut tief bewegt,

Und klagte, dass ihr Tun so viel der Freunde schlägt.

Doch Dietrich schritt zur Burg, wo seine Wunden lagen,

Vergrub sich wie zuvor in seinen stillen Tagen.


Attilas Heer zerbrach, die Flucht war ihre Bahn,

Und Hildebrand trat vor, sprach seinen Herrn sodann:

Es freut mich, dich zu sehn, o Dietrich, wohl am Leben,

Doch mehr, wenn bald im Kampf dir neuer Mut gegeben.

Oft priesest du den Hunnen als Helden stark und kühn,

Nun schien er mir der Feigste, der je ward noch gesehn!

Denn als die Goten stürmten und froh die Waffen sangen,

Da floh der Hund und riss sein Volk mit sich von dannen.

Mir stach ein Wilkinen-Graf, ein Bruder Waldemars,

Vom Rosse, doch Rüdiger schützte mich vor dem Grabes-Harz."


Da rief ihm Dietrich zu: „Schweig, Meister, halt dein Wort!

Die Fahrt war schlecht, die Wunden heilt die Zeit mir fort.

Doch will ich bald, genesen, im neuen Heereslauf

Erproben, wer dann flieht: Waldemar oder wir drauf.“


Dietrichs Rache und Waldemars Fall

Nach sechs Monden genas der Held und rief zur Wehr,

Ein mächtiges Gefolg' entflammte, stark wie nie zuvor.

Von Attilas Geschwadern zog Dietrich bald sich fort,

Mit Goten nur allein, zog kühn zum Schlachtentod.

Im wilden Feindesheer ritt er von Zorn beseelt,

Bis vor des Königs Banner, das hoch zur Erde fällt:

Des Trägers Hand zerschlug er, die mit dem Banner sank,

Ein zweiter Hieb dem König den Todesruf erkrank.

Die Russen flohen rasch und brachen bald entzwei,

Gehauen von den Goten wie Gras vom Schnitter frei.


Ein König Isung rief zur Schlacht in Wilkinland,

Die Feinde zu vertreiben, die raubend brannten Land.

Mit ihm zog Fasold stark, Dietleib, der Däne groß,

Ein Heer von tapfren Männern, das Siegerpreis erhofft’.

Doch Hertnits Weib, die Wale, beschwor mit Zauberhand

Ein Heer aus wilden Tieren, Drachen aus ödem Land.

Die Tiere tobten grausam durch Isungs Heerschar wild,

Die Söhne Isungs fielen, das Land ward tot und still.


Fasold, vom Kampf zerschlagen, fiel unter Hertnits Speer,

Dietleib, der Däne, sah dies Leid und stürmte her:

Dem König stieß er tapfer den Speer durch Schild und Brust,

Doch fiel ihm ein Drache, voll von Wut und Heldenlust.

Im Todeskampf erstach er das Tier mit letzter Kraft,

Doch beide sanken nieder, vom Schicksal hart geschafft.


Die Wilkinen gewannen, ihr König schwer verletzt,

Und Ostacia verschied, ihr Zauber bald zuletzt.

Hertnit genas und war in neuen Taten groß,

Das Reich jedoch war blutig, verwüstet und verdross’.



VIERTER GESANG


Seit zwanzig Jahren lebt nun Dietrich fern der Heimat,

Im Heunenland, wo Helches Schutz ihm Trost ward stets bereit.

Sein Bruder Diether wuchs heran, ein edler, stolzer Held,

Mit Attilas zwei Söhnen fest in Freundschaft treu gesellt.

Erp und Ortwin, so nennt das Lied die beiden Knaben,

Die Heldenruhm sich schufen, stark und klug in ihren Gaben.


Einst trat Dietrich in Helches Hall', sie saß bei ihrem Kreis,

Erhob sich schnell, begrüßte ihn mit Wort und edlem Fleiß.

Den goldnen Becher füllte Wein, den reichte sie sodann:

Willkommen, Freund, setz' dich zu mir, und trink, du edler Mann!

Von wo kommst du? Sag, was du begehrst, hast du ein neues Wort?

Berichte, wenn dir Neues kam, von fernem Ort."


Frau Königin, ich bring’ kein Mär, doch liegt mir schwerer Schmerz.

Seit zwanzig Jahren flieht mein Fuß mein Land, mein treues Herz.

Ich denke, wie ich Schutz hier fand, als ich mein Reich verlor,

Und klage heut vor dir, o Frau, mein Leid dir mit Bedacht empor."


Da sprach die Königin, bewegt von seinem tiefen Gram:

Wahrlich, Dietrich, große Not du uns zu Ohren nahmst.

Wenn du dein Reich zurückerstrebst, sei Hilfe dir gewiss.

Tausend Degen will ich rüsten, dir für dieses Miss.

Und auch Attila, mein König, will ich um Beistand bitten,

Auf dass dein Leid ein Ende find’ nach all den Jahren, schnitten."


Zu Attila geleitet sie den klagenden Gefährten.

Der König grüßt mit Wein im Becher, fragend nach Beschwerden.

Da sprach Helche: „Herr, gedenke, wie oft Dietrich dir diente,

In Schlachten, wo er Sieg dir brachte, treu wie eine Binde.

Zwanzig Jahre lebt er hier, nun will er heimwärts zieh’n.

Gewähre ihm dein starkes Heer, auf dass er siege kühn."


Warum“, sprach Attila, „kommt Dietrich nicht selbst herbei?

Soll ich ihm Hilfe ungebeten geben, stolz und frei?“

Nicht Stolz“, sprach Helche, „hält ihn fern; er glaubte, dass mein Wort

Mehr Gnade fände bei dir, Herr, an deinem hohen Ort.

Ich gab ihm tausend Mann zum Heer, nun sprich, was du ihm gibst,

Auf dass der Freund, der dir gedient, in Frieden weiterlebst.“


Wohl wahr“, rief Attila sodann, „Dietrich half oft und viel.

Zweitausend Heunen schick’ ich ihm, mit Rüdiger zum Ziel.“

Da dankte Dietrich froh bewegt und sprach: „Mein Leben sei

Gewidmet euch, der großen Gunst und eurer Freundschaft treu!“


Im Winter ward gerüstet nun, geschmiedet Helm und Schwert,

Gefärbt die Schilde, Sättel prunkten, jeder war belehrt.

Im Frühling zog das große Heer nach Susa, straff gestellt,

Mit Attilas und Helches Söhnen, prächtig aus der Welt.


Die Knaben flehten ihre Mutter, mitzufahren kühner,

Doch Tränen warnen, mahnen mild: „Bleibt hier, ihr seid zu junger.“

Doch Dietrich sprach, und seine Wort’ gewannen endlich Macht:

Ich bürge für ihr sichres Heim, wenn Gott uns Sieg gebracht.“


Die Helden zogen stark hinaus, mit Scharen wohlgeziert,

Der Löwe funkelte aus Gold, die Brünnen gut verziert.

Da sprach Helche: „Seid tapfer nun, bewährt euch in der Schlacht,

Auf dass, wenn ihr zurückkehrt, man euch Männer nennt mit Macht!“


So brach das Heer gen Süden auf, der Bannerträger schritt,

Rüdiger zog, und Diether auch, mit Attilas Geschritt’.

In Raben sollte sich entscheiden, wer das Land erlangt,

Und Dietrich, kühn, vor seinem Feind, nicht Furcht, nur Ehre bangt.


Ermenrich liess den Männern Kleider und Rosse als Botenlohn geben und sprach: "Reitet zurück! Nun ich weiss, dass sie kommen, fürcht’ ich mich wenig vor den Heunen."


Er sandte aber Boten über sein Reich und liess jeden waffenfähigen Mann zum Kampfe rufen; nach drei Tagen und Nächten war in Romaburg ein Heer zusammengeschart von siebzehntausend Reitern, darunter auch Wittig mit seinen Kriegern; die trugen schwarze Hornbögen und Plattenbrünnen. Sibich führte sechstausend Reiter, mit ihnen ritt Ermenrich selber; Herzog Reinald hatte fünftausend, und sechstausend folgten Wittig.


Da sprach Ermenrich laut: „Es müssen Dietrich sterben,

Auch Diether, hört, Wittig! Lasst die Heunen verderben,

Doch keiner von Attilas Söhnen soll entfliehn!“

Gern streit’ ich mit den Heunen,“ so sprach Wittig kühn,

Doch niemals führ’ ich gegen Dietrich das Schwert.

Dem Helden bleib’ ich treu, sei sein Los auch beschwert.“


So zogen sie nordwärts, und bei Raben sie fanden

Dietrich und sein Heer, das am Flussufer stand.

Südwärts vom Strome lag Ermenrichs Zelt,

Mit einem Heer, das gegen Dietrich bestellt.


Hildebrand schlich bei Nacht an des Flusses Rand

Und traf auf Reinald, der gleiches Ziel dort fand.

Als alte Freunde begrüßten sie sich froh,

Der Mond stieg auf, und sie sah’n ringsum das Heerroh.


Sibich führt das Banner, des Feinds größter Held,“

Sprach Reinald, „sein Anblick das Herz uns vergällt.“

Gegen ihn reiten wir Goten,“ sprach Hildebrand fest,

Und hoffen, dass ihn unser Zorn nicht verlässt!“


Doch Wittig,“ sprach Reinald, „zieht gegen die Heunen,

Und schwört, ihr Blut mit scharfen Schwertern zu reinigen.“

Rüdiger führt die Heunen,“ sprach Hildebrand da,

Den stell’ ich mich, so gut es möglich mir war.“


So küssten sie sich und ritten eiligst zurück,

Doch fünf von Sibichs Spähern störten ihr Glück.

Den ersten schlug Hildebrand nieder mit Macht,

Die andern entflohen in eiliger Nacht.


Als Sibich dies hörte, rüstete er zum Streite,

Doch Reinald kehrte zurück, hielt ihn davon zur Seite:

Willst du den Alten überfallen im Ritt?

Dann sei bereit, dass mein Horn dich in Stücke tritt!“


So wich Sibich zurück, Hildebrand blieb verschont,

Und Dietrich erfuhr, was des Feindes Heer lohnt.

Mit Hörnerklang riefen sie zum Morgengefecht,

Es zogen die Heere, zum Streite gerecht.


Sibichs Banner, aus Seide in Schwarz, Grün und Gold,

Klang weithin, mit Schellen behangen, stolz und hold.

Doch Dietrich voran, sein Löwenbanner entrollt,

Hieb Feinde und Rosse mit gewaltigem Groll.


Der Kampf tobte wild, das Blut floss wie ein Strom,

Die Goten rangen um Heimat und Ruhm.

Da fiel Wildeber unter Walthers Hand,

Doch auch Walther sank tot in das blutige Land.


Sibich, vor Schrecken, ergriff nun die Flucht,

Dietrich folgte ihm nach mit tödlicher Wucht.

Wittig, voll Zorn, suchte Nudung im Streit,

Mit einem Hieb fiel das Banner – das war sein Geleit.


Ein Schlag traf Nudung am Hals, sein Leben erlosch,

Haupt und Leib fielen nieder vom rosse.

So endete der Kampf mit großem Verlust,

Und Sieger und Besiegte fanden Frieden und Frust.


Seht Wittich, wie er Nudung erschlägt mit Macht!

Auf, gegen ihn!“, ruft Ortwin, laut entfacht.

Mit Helferich sprengt er, Schwerter erhoben,

Gegen Wittich und Runge, im Kampfe verschoben.


Ortwin und Helferich stürzen, tot zur Erd’,

Ehe noch Diether und Erp zur Rettung gekehrt.

Diether schlägt auf Runges Helm mit Kraft,

Spaltet Schädel und Helm, Runge stürzt entwafft.


Doch währenddessen Erp mit Geschrei heran,

Schwingt das Schwert auf Wittich, drängt als Mann.

Doch Wittich, zornig, Mimung hebt er empor,

Fällt Erp, den Knaben, zur Erde – grimm das Ohr.


Diether erbleicht vor Leid und wütendem Zorn,

Zu spät, um zu retten, den Freund, der verlor’n.

Mit Grimm schlägt er Wittich, will’s nicht lassen,

Doch Wittich spricht Worte, die ihn erfassen:


Reite hinweg, Jung-Diether, um deines Bruders Ruhm,

Kein Leid sollst du tragen, weiche dem Sturm.

Reite hinweg, schlage dich mit andern Mannen!“

Doch Diether ruft: „Du hast meine Brüder zu Flammen.


Die Rache heische ich! Du oder ich allein,

Einer muss heute des Lebens ledig sein!“

Er schlägt auf Wittich, doch der Helm hält stand,

Das Schwert springt ab, trifft das Ross in der Hand.


Schimming verliert sein Leben, das Haupt fällt herab,

Wittich springt ab, entzieht sich dem Grab.

Wahrlich“, ruft er, „nun muss ich tun, was ich nicht mag,

Oder verlieren mein Leben am heutigen Tag.“


Mit beiden Händen hebt er Mimung, den Stahl,

Spaltet Diether von Achsel bis Gürtel, fahl.

Als der Jüngling tot daliegt, bricht Wittich in Schmerz,

Weh, dass ich tötete dich – ein verwundetes Herz!“


Doch der Kampf tobt weiter, er greift sich das Ross,

Stürmt ins Getümmel, als wäre er bloß.

Reinald mit Blut bedeckt sieht den Streit,

Die Amalungen wanken, es dräut neues Leid.


Mutig reitet Reinald, speert Ulfrad ins Herz,

Das Banner sinkt nieder, sein Leben ist Schmerz.

Doch Rüdiger hebt es, führt vorwärts den Zug,

Haut Bannerträger und Gegner, dass alles er lug.


Die Amalungen fliehen, Sibich voran,

Ihre Fahne gefallen, verloren der Bann.

Doch Dietrich kehrt um, auf den Tod ausgericht’,

Will rächend den Bruder, den Feind im Gericht.


Ein Bote eilt nach Dietrich, ruft ihm zu:

Kehr’ um, o Herr, verlass die Flucht im Nu!

Ermordet liegen Nudung und Helferich,

Attilas Söhne, und Diether, dein Bruder, nicht?


Das alles hat Wittich getan in der Schlacht,

Kehr’ um und räche sie mit deiner Macht!“

Wehe mir!“, ruft Dietrich, „sterben will ich,

Oder meine Gefall’nen rächen fürchterlich.“


Er wendet Falka, drückt Sporen ins Tier,

Reitet voran, voll Zorn, mit flammendem Gier.

Das Feuer des Hasses fliegt aus seinem Mund,

Die Kämpfer erbleichen, erstarren zur Stund’.


Wittich sieht den Zornigen nahen und flieht,

Längs dem Strom, wo der Weg ihn sicher schied.

Doch Dietrich ruft ihm: „Bleib stehen, feiger Mann!

Ich räche den Bruder – fliehe nicht, wenn du’s kann!“


Wittich, der hört es, doch reitet noch mehr,

Dietrich verfolgt ihn mit zornigem Speer.

Zeig’ deinen Mut! Schande ist Flucht vor mir,

Der Bruder des Toten spricht Urteil hier!“


Wittich ruft halb zurück mit bitterem Wort:

Nur in Not erschlug ich deinen Bruder dort.

Wahrlich, mein Leben wollte ich retten allein,

Mit Gold und Silber will ich dir Sühne sein!“


Dabei treibt er sein Ross, es rennt wie der Wind,

Flüstert: „Hafer und Heu, dies sei dir gewinn’.

Rette mich diesmal, ich fleh’ dich an,

Hilf mir entkommen, o treuer Schimmel, spann!“


Doch Dietrich treibt Falka, der Sporn stößt blutig,

Bis an die brausende See, wo Flucht wird mutig.

Wittich springt in die Wellen, todesentschlossen,

Dietrich, der folgt, den Speer fest geschlossen.


Ein Sprung nur entfernt, er wirft ihn gezielt,

Doch Wittich versinkt, vom Wasser umspült.

Eine Minne, Wachhild, die Ahne im Grund,

Ergreift ihn und rettet den Flüchtenden rund.


Dietrich reitet ins Meer, bis die Flut ihn zwingt,

Sein Sattel ertränkt, und das Wasser ihn ringt.

Er kehrt zurück, wartet am Strand mit Geduld,

Doch Wittich bleibt fort, und das Meer trägt die Schuld.


Zurück auf das Walfeld kehrt er betrübt,

Wo die Toten liegen, das Schlachtfeld getrübt.

Helches Söhne, weiß in den Brünnen steif,

Die Helme hart, doch schützten sie nicht das Leib.


Dietrich küsst ihre Wunden, im Schmerz er sich beißt,

Ach, wär’ ich tot, und ihr hättet den Preis!

Diether, mein Bruder, starr und kalt liegst du hier,

Doch rächen konnt’ ich nicht einmal für dich, mein Zier!“


Er erhebt sich schwer, versammelt sein Heer,

Markgraf Rüdiger naht, spricht voller Begehr:

Fahre heim mit deinem Volk, o mein Held,

Dieses Land sei dir fern, das dich nicht hält.“


Doch Dietrich spricht: „Nie kehr’ ich zurück,

Denn Helche versprach ich das größte Glück:

Ihre Söhne lebend zu bringen ins Land,

Doch nun zerstört ist der Bund, den ich fand.“


Da riefen die Männer, ob edel, ob schlicht:

Ziehe mit uns, denn dein Kummer bricht!

Wir sprechen bei Helche und Attila dir,

Dass dein Herz sich löse von Schuld und Gier.“


Rüdiger sprach: „Zu oft fällt in der Schlacht,

Ein edler Held, vom Tod übermacht’.

Doch folgst du nicht uns, dann folgen wir dir,

Zieh gegen Ermenrich, hol dein Reich zu dir!“


Doch Dietrich, gezeichnet vom Kampf und Verlust,

Wollte nicht setzen Heunens Heer der Frust.

Er zog mit zurück ins Heunenland still,

Wo das Schicksal ihn führte, wie Helches Will’.


In Susa verborgen, in Hütte gering,

Warteten Dietrich und Hildebrand im Ding.

Rüdiger selbst trug die Kunde schwer,

Ins Königshaus, wo Schmerz brach her.


Die Rosse der Jungherren, blutig vom Streit,

Trabten zurück, voll Tod und Leid.

Helche sah sie und ahnte geschwind,

Dass grausam gefallen ihr eigen Kind.


Heil dir, o König Attila, edel und weise,“

So grüßte der Markgraf mit schweren Preise.

Willkommen, getreuer Rüdiger, mein,

Lebt Dietrich, gewannen die Heunen Gewinn?“


Dietrich lebt, und der Sieg war uns hold,

Doch teuer erkauft mit Blut und Sold.

Eure Söhne liegen zu Raben im Feld,

Gefallen, wie Helden, doch Tod sie befällt.“


Helche brach aus in Klage und Wut,

Verfluchte den Berner mit triefendem Blut.

Wer von den Helden fiel neben den Meinen?“,

Fragt Attila dumpf, sein Blick will weinen.


Herr, mancher Degen, tapfer, treu im Streit,

Besonders Jung-Diether, der stets bereit,

Der Helferich und Herzog, stark und weise,

Wildeber, auch viele, die fielen im Geleise.

Und Rüdiger, der nun erzählte dann,

Wie die Knaben fielen, Hand an Hand,

Von Wittigs Flucht und wie die See den Racheakt,

Dietrichs Zorn in ihren Tiefen verjagt.


Und wieder sprach der König voll Bedacht:

Nun ist’s geschehen wie so oft in der Nacht,

Die, zum Tode bestimmt, müssen fallen dann,

Wo ist Dietrich, der tapfere Mann?“


Dietrich und Hildebrand, still in der Hut,

Die Waffen abgelegt, in der Trauer Flut.

Der Verlust der Jung-Herren bedrückt ihn sehr,

Darum tritt er nicht vor dein Antlitz mehr.“


Attila sandte zwei Boten, voll Eifer und Takt,

Doch sie kamen zurück, mit keinem neuen Akt.

Zu groß sei des Dietrichs Schmerz, er kann nicht geh'n,

Weil sein Herz vor Kummer kann nicht bestehen.


Da erhob sich Helche, die Königin fein,

Vor Jammer und Schmerz, sprach in Trauer rein:

Weh mir, dass ich dem treuen Mann fluchen muss,

Doch gehe ich zu ihm, in der Not ohne Schluss.“


Sie ging zu der Hütte, wo Dietrich saß,

Und sprach: „Willkommen, König, in meinem Palast.

Sag mir, fochten meine Söhne im Kampf so stark,

Hielten sie tapfer die Wacht bis zum letzten Mark?“


Wahrlich, Frau, das taten sie, treu bis zum Ende,

Doch der Tod nahm sie, in des Schicksals Wende.“

Und Helche trat zu ihm, legte Arm um den Hals,

Küsste ihn, und sprach: „Komm mit mir, ohne Schalls,

Zu Attila, der König sei froh, sei willkommen,

Wie du es warst, als die Zeiten noch flogen.“


Da folgte Dietrich ihr mit stillem Schritt,

Trat vor den König, kniete nieder im Glitt.

Räche nun dein Leid an mir, treuer Herr,

Denn der Kummer zerbrach mich fast, wie der Erdboden schwer.“


Doch Attila küsste ihn, ließ ihn sitzen dann,

Neben sich auf dem Hochsitz, der Freund von Beginn an.

Und ihre Freundschaft war stark, wie früher, voll Mut,

Kein Rachegefühl trübte den treuen Bund.


Zwei Jahre darauf, Helche in Siechtum verfiel,

Sie sah ihren Tod, fühlte des Schicksals Ziel.

Sie ließ Dietrich und Hildebrand rufen zu ihr,

Treue Freunde, nun endet der Weg hier.“


Dietrich, du treuer Begleiter im Leben,

Viel Gutes sei dir von uns gegeben.

Nun wird der Tod uns trennen, die Stunde ist nah,

Doch empfange zuvor, was ich dir vermag.

Herrad, die edle Jungfrau, mein Geschenk,

Sie sei dein Weib, dir in Treue geschenkt.“


Und sie überreichte in einer goldenen Tasse,

Zehn Mark und ein Purpurgewand in der Masse.

Dietrich nahm die Gaben mit schwerem Gemüt,

Gute Königin, weh dir, dass dein Leben verglüht.“


Weinend verließ er die Stätte des Leids,

Hildebrand reichte der Königin Goldring im Geleit.

Freunde, lass uns scheiden, im Trauern so still,

Ein Wiedersehen, das hoffen wir, wenn es sein will.“


König Attila, nun müssen wir fort,

Nicht lange wirst du bleiben ohne Frau dort.

Wähle nicht aus dem Nibelungen-Land,

Es bringt nur Verderben in dein Königreich, wie du fand.“


Da wandte sie sich, und die Seele entglitt,

Attila weinte, und ganz Heunenland litt.

Alle lobten ihre Güte und Milderkeit,

Die weise Königin, die nun im Tod verweilt.


Herrad aber, Tochter des Königs von Nantwin,

Wurde Dietrichs Frau, nahm des Schicksals Sinn.



FÜNFTER GESANG


Im Heunenland, wo Attilas Wille gebot,

Um Krimhilds Hand warb er, vom Gram schwer bedroht.

Rüdiger sandt’ er, mit fünfhundert Mann,

Nach Worms hin, wo dieser die Reise begann.


Helche, die Königin, ist uns genommen,

Attila leidet, das Volk ist beklommen.

Darum soll Krimhild nun zur Krone gelangen,

Dass wir durch sie neuen Frieden empfangen.“


Die Burgunden gaben dem Wunsch ihr Gehör,

Doch Hagen sprach abwehrend: „Was kommt dann nachher?

Nimmt sie den Heunen, so kommt großes Leid,

Und sie wird uns treffen mit grausamer Zeit.“


Zürnend sprach Giselher: „Ihre Ehre ist Pflicht,

Und wer sie beschmutzt, der fürchtet mein Licht.“

Die Schwester zu bitten, sprachen sie bald,

Auch Ute warb, doch Krimhild blieb kalt.


So schickten sie Rüdiger zu ihr ins Gemach:

Frau, nach Schmerz folgt die Liebe“, sprach er sacht.

Über Länder und Kronen wirst du gebieten,

Und Helches Gefolge wird dich ehren und hüten.“


Sie ließ sich besinnen bis zum Morgenlicht,

Giselher bat weiter, dass Leid sie zerbricht.

Erneut stand Rüdiger vor ihr mit der Bitte,

Doch sie sprach „Nein!“ trotz höflicher Sitte.


Er bot ihr im Stillen, was sie sich ersehnt,

Für Wormser Verrat sollte Rache gestehen.

Er schwor ihr mit allen Mannen Treue gar,

Dass sie in ihm einen Beschützer sah.


Vier Tage und Nächte bereitete sie sich vor,

Mit Mägden und Knechten, wie es der Brauch verlor.

Was vom Nibelungengold ihr noch war geblieben,

Wollt’ sie verschenken, den Knechten zum Lieben.


Doch Hagen verwehrte es mit starker Hand,

Rüdiger tröstet: „Mehr schenkt Attilas Land.

Was du bedarfst, wirst du reichlich empfangen,

Das Gold in der Heimat lass unangegangen.“


Nur zwölf der Schreine voll Schmuck und Gold

Durfte Krimhild mitnehmen, wie es ihr gefiel.

Hundert Mägde in prächtigem Gewande,

Mit Eckewart führten sie durchs Lande.


Giselher und Gernot begleiteten sie,

Bis zur Donau, wo er sprach wie nie:

Bist du je in Gefahr, dann sende nach mir,

Ich reite zu Diensten durch Länder zu dir.“


Die Reise ins Heunenland begann nun sogleich,

Boten voran, mit Worten treu und reich.

Rüdiger schützte den Zug mit Macht,

Gegen Wegelagerer hielt er Wacht.


In Bechelaren, am Donauort,

Sah Krimhild die Zelte und Rastplatz dort.

Gotelind, des Markgrafen liebes Weib,

Ritt ihr entgegen mit stattlichem Leib.


Auch Dietlind, die Tochter, empfing sie hold,

Mit zwölf Armringen aus Krimhilds Gold.

Nach Rüdigers Burg zog der Zug hinein,

Die Tore öffneten sich groß und rein.


Drei Tage ruhten sie an Attilas Burg,

In Zeissenmauer, fest an Fels und Turg.

Dann nach Tuln, wo die Erde bebte vor Staub,

Denn Attila naht, mit königlichem Raub.


Vor Attila zogen die Völker in Pracht,

Von vielen Gestalten, wie bunt ihre Tracht:

Griechen und Russen, die Polen zugleich,

Petschenegen, Wlachen – das Heer war reich.


Vierundzwanzig Fürsten ritten ihm voran,

Die Krimhild zu schauen, zog alle in Bann.

Mit Speeren und Fahnen empfing man die Frau,

Der Empfang war stattlich, der Gruß fest und genau.


Ramund von Wlachenland mit siebenhundert Mann,

Hornboge, Gibeke, die alle kamen heran.

Hawart von Dänemark, der falsche nie war,

Iring und Irnfried mit tapferer Schar.


Blödel, des Königs Bruder, zog mit Macht,

Dreitausend Heunen hielt er zur Schlacht.

Zuletzt kam Attila, mit Dietrich von Bern,

Ihr Anblick allein ließ die Fürsten sich gern.


Im prunkenden Zelt saß Attila bei ihr,

Ihre weiße Hand lag in seiner Zier.

Turniere und Spiele erfüllten das Feld,

Bis der Abend kam und der Kampf gestellt.


Nach Wien zog der Zug, zur Hochzeit bereit,

Siebzehn Tage lang war Pracht und Geleit.

Niemand litt Mangel, kein Gut blieb versagt,

Was einer verschenkte, ward reichlich gewagt.


Werbel und Swemmelin, Attilas Spielleut’,

Gewannen tausend Mark in großer Freud’.

Dann brach der König zur Königsburg auf,

Mit Krimhild an seiner Seite, im festlichen Lauf.


Im Heunenland fand sie nun ihr Haus,

Helches Gemahlinnen dienten ihr aus.

Herrat, Dietrichs Weib, lehrt’ sie den Brauch,

Der Frauen und Höfe, wie’s war seit jeher auch.


Ihr Silber und Gold, was sie einst gebracht,

Gab sie den Heunen mit großzüg’ger Macht.

Attilas Lehnsmänner, die Fürsten ringsum,

Erkannten Krimhild als mächtig und fromm.


Bis ins siebente Jahr lebten sie in Ehr’,

Ein Sohn ward geboren, Ortlieb sein Begehr.

Nie sah man eine Frau, die milder regiert“,

Das Land von ihrer Güte sich stets ziert’.


Doch bald gedachte sie des alten Leids,

Der Mord an Siegfried war noch immer ihr Geleit.

Könnt’ ich Hagen nur hierher bringen,

Dann würd’ er für sein Werk noch sühnen müssen.“


Sie sprach zu Attila, voll List und Witz:

Lade meine Brüder zum heiligen Sitz.

Zur Sonnenwend soll’n sie Gäste hier sein,

Damit ich ihnen nahe kann sein.“


Heimlich sprach da Krimhild mit den Boten, leis:

Reichtum sei euch beschieden, wenn ihr handelt weis’.

Verhehlt, dass ich in Trübsal hier je hab’ gewallt,

und sagt, die Heunen meinten, ich sei ohne Halt.


Am Rheine Freunde fänden sich, sie sollen kommen,

auf dass die Botschaft wohl an Glaubhaftigkeit gewonnen.

Sagt Gernot, dass ich ihm in Treuen sei geneigt,

er führe unsre Besten her, wie es sich geziemt.


Auch Giselhern ermahnt, zu denken meiner Treu’,

dass ich durch ihn kein Leid erlitt in meiner Reih’.

Von Tronje Hagen lasst ihn führen unsern Zug;

den Weg, den kennt er wohl, seit Kindheit schon genug.“


Die Spielleut’ zogen fort, mit Würde und Bedacht,

in Bechelaren rastend, wie es der Brauch gemacht.

Sie grüßten Rüdigers Geschlecht, wie es gebührend war,

und brachten Gruß nach Worms in zwölf verfloss’nen Jahr’n.


Attilas Spielleute nah’n,“ so rief da Hagen schnell,

er fragte sie, wie’s stünd’ im Heunenreich zur Stell’.

Nie sah man frohere Heunen, nie stand das Reich so stolz,“

sprach Werbel, der die Kunde bracht’, voll treuer Hold’.


Das Gastgebot verkündet er König Gunther da,

in sieben Tagen Antwort zu geben, war die Wahl.

Die Boten grüßten Ute, dann gingen sie zur Ruh,

während Gunther mit Rat die Freunde zieht herzu.


Alle berieten ihm, die Reise zu begehen,

doch Hagen warnte nur und sprach: „Das sollt’ nicht geschehen!

Die Feindschaft ruft ihr selbst herbei, gedenkt der Tat,

die wir einst dort begangen, dass keiner sie verrat’!“


Doch Gunther sprach: „Sie küsste mich zum Abschied mild,

verzieh mir meinen Zorn; mag sein, nur dir, oh Hagen, grollt Krimhild.

Wollt ihr doch reisen, mit Ehren und Wehr gezogen,

so führet tausend Recken, die mir sind gut gewogen!“


Mit diesem Rat beschlossen sie, gen Attila zu zieh’n,

doch Hagen hielt die Boten, dass sie nicht eilend flieh’n.

Die Pläne schmiedend listig, damit die Feinde blind,

sich keine Rache rüsten, wenn sie gen Osten sind.


So zogen sie vom Rheine, ein stolzes Heer von Mannen,

mit Brüdern, Volker, Dankwart, die kühn im Kampfe standen.

Die Heunenboten eilten, mit Gold beladen reich,

und brachten Gruß und Kunde von Gunthers stolzem Reich.


Krimhild, voll Hoffen, fragte, wer käme von dem Rhein,

und ob wohl Hagen selbst sei unter jenen sein.

Ja, er mit deinen Brüdern, und Volker ist dabei.“

Da sprach die Königin: „Das macht mir Herz so frei!


Denn Hagen kommt, das freut mich sehr, mit seinem Mute,

doch Volker sollt’ ich missen wohl in meinem Lande Gute.“

So rüstete sie Saale und Hof zum hohen Feste,

um zu empfangen würdig die Burgundengäste.


Ein fremder Mann bin ich und bin in Not geraten,

Nimm meinen Lohn, mein Freund, und bring mich zu den Saaten.“

Da sprang der kühne Hagen hurtig auf das Boot,

Doch sprach der Fährmann schroff: „Dies ist des Landes Not:


Mein Herren haben Feinde, Fremden sei’s verwehrt,

In unser Land zu dringen, mag’s Gold auch gut bewährt.“

So nimm dies Gold in Freundschaft und fahre Ross und Mann,

Tausend zählen sie, die ich dir binden kann.“


Nimmer!“ rief der Fährmann, ergriff das breite Ruder,

Und schlug auf Hagen ein, mit einem Zorne, roher,

Dass Hagen strauchelnd fiel, doch griff er bald sein Schwert,

Zerschlug des Gegners Haupt, das in die Fluten fährt.


Das Schiff geriet ins Treiben, der Rhein trieb’s in die Strömung,

Hagen zog so stark das Ruder, brach’s mit Überwölbung,

Befestigte den Rest mit einem Schildesband,

Und landete darauf am Walde, nah dem Sand.


Dort traf er Gunther wieder, der fragte mit Bedacht:

Wo ist der Fährmann hingekommen, der uns gebracht?“

Ich fand bei einer Weide dies Schiff und nahm es bloß,

Ein Fährmann zeigte sich nicht mehr im Flussend Schoß.“


Die Rosse schwammen festgebunden durch den Strom,

Das Schiff war groß genug für Fünfhundert Mann zum Lohn.

Mit vielen Rudern stieß man ein, und viele Hände zogen,

Der Schiffsmeister war Hagen, sein Geist blieb unverbogen.


Da kam ihm in den Sinn, was einst die Wasserfrau

Gehüllt in düstre Worte dem Kaplan zeigte auf.

Er stieß den Pfaffen nieder, hinaus in Flusses Grund,

Doch sprach Giselher zornig: „Was nützt dir dieser Fund?


Was tat er dir, zu sterben? Was treibt dich, so zu sein?“

Der Pfaffe schwamm zum Ufer, und Hagen sah das ein:

Die Worte jener Wasserfrau sind wahr und schwer zu fassen,

Wir werden sterben,“ dachte er, „kein Los kann uns verlassen.“


Nachdem die Flut sie alle sicher überbracht,

Zerschlug er ohne Zögern das Boot in finstrer Nacht.

Die Mannen schauten fragend, was trieb ihn wohl zur Tat?

Er sprach zu Dankwart ernst: „Dass niemand fliehe in Rat.


Wer zagend will entfliehen, muss hier im Rhein vergeh’n,

Der Tod sei all den Schwachen, die nimmer zu uns steh’n.“

Nun wehret euch!“ so rief er, „Burgund sieht uns nicht mehr,

Die Frauen wiesen’s aus, das Leben wird uns schwer.“


Da kam Krimhild geschritten stolz in jenen Saal,

Als Hagen sie erblickte, fester band er Stahl.

Auch Volker rüstete sich, sicher vor Gefahr,

Und Krimhild sprach zu Hagen, der dort wachsam war:


Willkommen sei dir Hagen, den ich freundlich seh!

Bringst du mir Siegfrieds Hort, den ich so sehr begehr?“

Ich bringe dir den Feind, doch meine Brünne bleibt,

Kein Schild leg’ ich hier ab, wo Tod und Trug sich treibt.“


Komm, Schwester, setz dich her, zu uns, zu Giselher,“

So sprach der König Gunther, mit Stimme ruhig, schwer.

Sie ging und küsste ihn, den Bruder treu und hold,

Dann setzte sie sich nieder, ihr Herz so kalt wie Gold.


Was weinst du, teure Schwester?“ fragt Giselher sodann,

Ich weine um den Helden, den Siegfried, meinen Mann.“

Lass ruhn ihn und sein Leid,“ sprach Hagen herb und starr,

Dir ist nun Attilas Treu so lieb wie Siegfried war.“


Da stand die stolze Frau und schritt hinaus im Zorn,

König Dietrich trat herein, in seiner Hand ein Horn.

Er rief die Nibelungen: „Kommt mit mir ins Geleit,

Attilas Saal euch ladet, zum Mahl in Ehrbarkeit.“


Hagen und Dietrich schritten Schulter an Schulter ein,

In jedem Hofe standen Frauen, Männer, klein.

Wer ist der stolze Recke, den Dietrich da umfasst?“

Von Tronje ist er Hagen, ein Mann, den kaum erfasst.“


So sprach man von ihm viel, in finsterm, leisem Ton,

Denn Hagens Ruf war düster: „Ein Sohn der Elben schon!“

Nun saßen sie beim Mahl, die Fürsten Seite an Seit’,

In Frieden wachte Hagen, Volkers Fidel erklang weit.


Am Morgen sprach Dietrich zu Hagen mit Bedacht:

Hüt’ dich im Land der Heunen, Krimhild gedenkt bei Nacht

Des Helden aus Burgund, der tot von deiner Hand.

Sei wachsam, edler Krieger, in diesem fremden Land.“


Behalte deinen Gruß, mein Kommen ist dein Ende,

Weil Hagen Siegfried schlug, entgeltet ihr’s, oh Fremde.


Ich war ja ein Knabe, als das Geschick geschah,

Ich habe nichts verschuldet und kein Verbrechen nah!“


Doch war’s dein Bruder, der die Tat vollbracht,

Und das genügt – so wehrt euch, weichet meiner Macht!“


Da sprang Dankwart auf, zog zornig blank das Schwert,

Mit einem jähen Hieb ward Blödels Haupt zerstört.


Die Heunen, aufgebracht, sie stürzten wild heran,

Die Tische flogen fort, ein blut’ger Kampf begann.


Wer kein Schwert zur Hand, der schwang den schweren Stuhl,

Grimmig war der Streit, die Wut war heiß wie Kohlenkühl.


Als Blödels Sturz bekannt, rüstet’ sich in der Stadt

Ein Heer von Heunen auf – zweitausend waren es satt.


Den Knechten in der Herberg’ half keine Tapferkeit,

Erschlagen wurden alle in blut’ger Heunenzeit.


Dankwart allein noch stand: „Nun weicht mir aus dem Weg,

Ihr Heunen, lasst mich ziehn, vom Kampfe müd, vom Schlag bewegt!“


Er sprang ins Freie, streitend wie ein wilder Eber,

Durchs Speerehagel kämpfend, ward sein Schritt nur immer zäher.


Vor Attilas Saal, blutüberflossen sein Gewand,

Da schrie er laut zu Hagen mit dem Schwert in seiner Hand:


Zu lange sitzt ihr, Bruder, beim Mahl in stiller Ruh,

Die Knechte, sie sind tot, und schuld daran ist Blödel nur.“


Und ihn? Was schert’s uns wenig,“ sprach Hagen unverzagt,

Doch Bruder, bist du’s rot vom eignen Blute, was dich plagt?“


Heil kam ich davon,“ erwidert’ Dankwart schnell,

Nun hüt’ ich dir die Tür, hier draußen steht kein Rebell!“


Mit solchem Ruf begann die mörd’ge Schlacht erneut,

Hagens Zorn, er tobte, des Feindes Blut er scheut.


Krimhild fleht zu Dietrich: „Hilf, oh Berner, hilf mir fliehen,

Denn Hagens Schwert, es wird den Tod mir bald verleihen!“


Ich will’s versuchen,“ sprach er, mächtig war sein Schrei,

Die Burg erbebte stark, das Echo klang wie Blei.


Gunther rief: „Was treibt euch, Herr Dietrich, edler Mann?

Ich bin zu jeder Sühne, die ihr verlangt, getan!“


Mir ist nichts widerfahren, doch lasst mich aus dem Raum,

Mit Mannen und mit Freunden, folgt mir, der Weg ist kaum.“


So schritt der edle Berner mit Attila hinaus,

Gefolgt von seinen Freunden, dem Amalungengeschaus.


Markgraf Rüdiger bat um Frieden für sein Gefolg,

Giselher sprach milde: „Geht, eure Treue ist nicht solch.“


Doch als der Kampf aufs Neue brach wie ein tobend Meer,

War Volkers Fiedelbogen getränkt vom blut’gen Heer.


Nie sah ich einen Spielmann so herrlich fiedeln und streiten,“

Rief Gunther laut zu Hagen, der dem Kampf nicht will entgleiten.


Und als kein Heune mehr im Saal das Leben hielt,

Warf Volker’s Spott die Furcht in Attilas zornig Bild.


Bringt mir mein Schwert,“ rief Iring, „Hagen soll mich bestehn,

Doch eh’ ich zu ihm trete, will ich mein Schicksal sehn!“


So rang die Schlacht im Blute, bis keiner Heune stand,

Und Hagens Rache ward erfüllt durch seine Hand.


Er zog den Speer hervor, den Schild zur Deckung breit,

Und stürmte in den Saal, bereit zum heißen Streit.

Auf Hagen ging er los; doch Speere flogen schnell,

Die Schäfte splitternd, trafen sie das Holzgesell'.


Bald zogen Schwerter sie, und laut erklang der Schlag,

Der Hall von Burg und Saal erfüllte den ganzen Tag.

Doch Hagen blieb verschont; drum ließ Iring ihn steh’n

Und stürmte auf den Fiedler los, der ihn kühn geseh’n.


Mit starkem Schlag zur Wehr hielt Volker kühn ihn auf,

Doch wandte Iring sich und nahm den nächsten Lauf.

Er rannte Gunther an; doch weder Sieg noch Wund'

Erkannte man – gleich stark, blieb ungeschlagen der Bund.


So wandte er sich ab und stürmte Gernot an,

Der ihn fast niederwarf, als er ein Sprung gewann.

Doch Iring kehrt zurück, erschlägt mit schnellem Schlag

Der Burgunden edle vier an diesem blut’gen Tag.


"Das sollst du mir entgelten!" sprach Giselher, der jung,

Und hieb so scharf auf ihn, dass Iring tot sich dung.

Doch bald erstand er neu, denn unverwundet war

Und sprang behend hinaus, zurück zu seiner Schar.


Dort traf er Hagen an, dem Helm er Wunden schlug,

Bis Hagens Schwert ihn traf, mit solcher Kraft genug,

Dass Iring rückwärts lief, den Schild vor seinem Haupt,

Die Stufen abwärts rennend, bis ihn sein Schicksal raubt.


"Rot quillt des Blutes Fluss aus Hagens Helm hervor,

Dank dir, o kühner Iring!" sprach Krimhild stolz empor.

"Dank mäßig ihm!" rief Hagen. "Kehrt er noch einmal her,

Dann nenn’ ich ihn erst kühn – und würdig noch viel mehr."


Der Däne nahm erneut den Schild und einen Speer,

Und stürmte voller Wut auf Hagen nochmals her.

Doch Hagen, kühn, lief ihm die Stiege schon hinan,

Und funkenstiebend schlug der Kampf erneut heran.


Durch Helm und Schild hindurch traf Iring bald ein Hieb,

Er hob den Schild hinauf, das Leben doch ihm blieb.

Da griff sich Hagen schnell den Speer, der vor ihm lag,

Und warf ihn auf Iring, so endete der Tag.


Der Speer blieb in dem Haupt des kühnen Helden steck’n,

Und eh die Freunde ihn vom Helm befreien möcht’n,

Da brach der Speer entzwei – und Iring sank dahin.

Um ihn erhob Krimhild ein klagend Trauerlied.


Irnfried, der Thüring, trat heran mit seiner Schar,

Und Hawart folgte ihm, dem Tod in wilder Schar.

Ein unbändig Gefecht entbrannte um den Saal,

Wo Irnfried starb vor Volkers wütendem Gewaltstrahl.


Mit Hagen kämpfte Hawart, bis er stürzt’ zu Grund,

Er fiel durch Hagens Hand, so kam auch er zur Stund'.

Die Dänen sah’n die Herrn vor ihrem Blick vergehn,

Da drangen sie heran, den Saal gestürmt zu sehn.


"Lasst sie herein," sprach Volker, "der Tod harrt ihrer hier."

Die Heunen drangen ein – doch keiner wich zur Tür.

Es ward ein blut'ger Strauß, kein Feind blieb noch am Leben,

Die Stille kehrte ein, und Tod herrscht’ rings daneben.


Da saßen sie im Blut, die Helden ohne Rast,

Und Volker stand voran, der Schwert zum Kampf gefasst.

Ob noch ein Feind sie suchte, blieb seine Frage stehn,

Der Tod allein blieb hier, des Helden Kraft zu sehn.


Zürnend ballte Rüdiger die Faust und schlug den Schmäher nieder,

Krimhild begann: "Nun, Markgraf, mahn’ ich dich des Schwurs,

Den du mir gabst, da du für Attilas Hand geworben.

Welch Wort war’s, Rüdiger, das du zu halten schwurst?"


"Ich schwur, mein Leben und meine Ehre dir zu weihen,

In deinem Dienst zu stehen – doch nicht mein heil'ger Bund.

Wie könnt’ ich gegen die Nibelungen kämpfen,

Die ich als Freunde lud in meines Hauses Schutz?"


"Gedenke deines Eides!" rief Krimhild streng zur Mahnung,

"Dass du bereit, mein Leid und meinen Schmerz zu rächen."

Der Markgraf wandte sich und sprach zum König leise:

"Nimm alles, was du gabst; ich zieh’ von dannen, frei.


Doch diesen Kampf, Herr König, lass mir zu entfliehen."

Attila sprach: "Was nützt mir dein Besitz? Dein Schwert

Begehr’ ich, dass es Rache sucht an meinem Feinde.

Ein König wirst du sein, so du mir dienst im Streit."


"Treue gebiet’ ich," rief die Königin voll Zorn.

"Mein Vasall bist du – nun kämpfe für mein Recht!"

"So will ich sterben," seufzte Rüdiger in Trauer.

"Mein Weib, mein Kind, befehl’ ich euch zu Gnad."


Mit schwerem Herzen rüstet’ sich der Held zum Streite,

Er griff zum Schild und trat entschlossen in den Saal.

"Nun wehrt euch, Nibelungen!" sprach er laut und bitter,

"Einst war’n wir Freunde, doch des Schwures bin ich frei."


Gunther erhob die Hand: "Das verhüte Gott, Herr Markgraf!"

"Ich muss, ich darf nicht rasten, Krimhild will’s."

"Steh ab!" mahnte Gernot, "du warst ein milder Wirt."

"Am Rhein seid ihr geborgen, doch ich liege tot."


Giselher flehte: "Willst du die eig’ne Tochter,

Zur Witwe machen, Rüdiger, denk nach!"

"Mögest du entkommen!" rief der Markgraf traurig,

"Doch Gott erbarm’, wir müssen kämpfen nun."


Hagen sprach: "Verweile, wir wollen erst noch reden,

Was nützt dein Kampf? Was will der Tod uns bringen?

Der Schild, den Gotelind mir gab, liegt nun in Trümmern;

Gib mir den deinen, ich hab’ kein’n andern mehr."


"So nimm ihn, Hagen!" Rüdigers Wort klang schwer und leise,

"Und trag ihn heim an den Rhein." Es war die letzte Gabe,

Die je der edle Markgraf gab in dieser Welt.

Tränen glänzten in den Augen derer, die’s gesehen.


"Dir gleich lebt keiner!" sprach mit Ehrfurcht Hagen,

"Drum soll mein Schwert dich nicht befehden mehr."

Volker sprach: "Auch Frieden will ich dir gewähren,

Denn Rüdigers Treue hat ihn wohl verdient."


Doch als er trat zum Streit, da wandte sich das Schicksal;

Gernot schlug ihn nieder, er fiel in stolzem Kampf.

Rüdigers Fall ließ viele Herzen bitter klagen,

Und Gernot folgte ihm, getreu in Ruhmesglanz.


Volker sprach entschlossen: „Keiner bringt ihn euch entgegen.

Holt ihn aus dem Saal – das würd’ dem Dienst entsprechen!“


Wolfhart rief erbost: „Fiedelmann, reiz’ uns nicht zu sehr!

Wagt’ ich es, wär’ es euch bald um Leib und Leben schwer.

Doch Dietrich hat’s verboten, das Streiten ist verwehrt!“


Volker spottet: „Feige ist, wer nichts wagt und sich beschwert.“

Wolfhart droht zurück: „Deinen Übermut, den werd’ ich brechen!“

Volker lacht: „Versuch’s, ich will den Glanz deines Helms beflecken!“


Schon wollte Wolfhart gegen Volker anstürmen,

Doch hielt Hildebrand ihn fest, um Streit zu verhindern.

Lass ihn los, Meister!“ rief der Spielmann kampfesmutig,

Ich schlag ihn, dass sein Maul verstummt, ein Schlag genügt ihm blutig!“


Hei, wie die Amalungen vor Wut die Stiegen sprangen,

Wolfhart voran, die Freunde dicht hinter ihm gefangen.

Hildebrand ließ den Neffen nicht allein, er zog ihn mit,

Er stieß vor der Tür auf Hagen – und das Gefecht begann im Schritt.


Schwerter klirrten, Funken flogen wild durch den Saal,

Wolfhart schlug auf Volkers Helm – der Fiedler wich nicht einmal.

Ein Hieb, ein Schlag, ein Gegentreffer folgte wie im Traum,

Bis Wolfwein beide trennte und sie hielt im Kampfraum.


Hildebrand focht wie im Zorn, als wär’ er außer Sinnen,

Und Siegstab, Dietrichs Neffe, ließ Helme krachend zerspringen.

Da Volker sah’s, von Zorn erfüllt, traf Siegstab todgeweiht –

Der junge Held sank hin, der Kampf ward furchtbar und verzeiht.


Weh um meinen Herrn!“ rief Hildebrand, das Herz von Wut erfasst,

Spielmann, du sollst sterben!“ sprach er grimmig ohne Rast.

Volker hielt ihm stand, doch der Alte war zu mächtig,

Sein Schild zersprang, der Spielmann fiel – sein Ende ward so prächtig.


Hagen sah den Fall und sprach mit Zorn und tiefem Schmerz:

Meinen besten Kampfgenossen nahmst du mir, ein schweres Herz!“

Doch rückte er den Schild empor und schritt nun fechtend vor,

Bis Dankwart fiel und Wolfhart kämpfte dreimal durch das Tor.


Giselher rief ihn an, ein Kampf entstand in letzter Kraft,

Wolfhart fiel verwundet, Giselher war ebenfalls geschafft.

Die beiden Helden sanken tot, die Halle ward so still,

Nur Hagen und Hildebrand verblieben, Tod war allzu will.


Trauer nicht um mich,“ sprach Wolfhart, sterbend zu dem Oheim,

Ich fiel durch eines Königs Hand – ruhmreich, das soll mein Ruhm sein!

Doch hüte dich vor Hagen, er bringt dir großes Leid.“


Schon trat Hagen vor, Balmung schwang er voller Streit,

Durch Hildebrands Panzer fuhr die Klinge rasch und schwer,

Der Alte fühlte Wundenschmerz, entrann, fast ohne Wehr.


Mit Blut bedeckt kam er zu Dietrich, König stark und weise:

Was geschah dir, Hildebrand? Du blutest, sag es leise!“

Hagen tat mir das, doch mit dem Leben kam ich frei,

Rüdiger liegt tot – Gernot war’s, das ist nicht einerlei.“


Dietrich fasste seine Waffen, schritt mit Zorn zur Halle,

Er fand Hagen und Gunther dort, lehnend an der Mauerwalle.

Warum habt ihr, Gäste, so viele von uns erschlagen?

War Rüdigers Opfer nicht genug? Was wollt ihr noch erfragen?“


Sie kamen gerüstet, verlangten den Toten zurück,“

So sprach Hagen, „doch wir gaben nichts, das war ihr Missgeschick.“

Gebt euch gefangen!“ forderte Dietrich nun mit Macht,

Ich biete euch Schutz, bis ihr sicher heimgebracht.“


Doch Hagen lachte bitter: „Die Nibelungen beugen sich nie!

Wir stehen bewaffnet, frei und trotzen eurer Tyrannei.“

Dietrich kämpfte schwer, der Kampf war blutig, rau und wild,

Bis Gunther fiel und Hagen sich wehrte mit festem Schild.


Am Ende stand nur Hildebrand, der alte Meister, schwer verwundet,

Doch Dietrichs Trauer war so groß, das Leid blieb ungebunden.


So endet die Sage der Nibelungen, voller Grauen,

Ein Lied von Helden, die in Ehre sterben, auf die wir bauen.


Da hob den Schild empor mit Macht der Berner Held,

Hagen sprang entgegen, griff ihn, stark und kühn im Feld.

Die Stufen nieder stürmten sie, das Schwert hat laut geklungen,

Gewaltig ward gestritten, bis Dietrich ihn bezwungen.


Er schlug ihm eine Wunde, tief und breit im Streit,

Und schmolz sein Panzer gar durch Feuerhauch voll Leid.

"Nicht will ich ihn erschlagen," sprach Dietrich in Gedanken,

"Als Geisel will ich ihn, dem Zorn der Frau zu danken."


Er ließ den Schild hinab, umschlang den Helden wild,

Nahm Hagen mit Gewalt, der trotzend sich nicht stillt.

In Banden zog er ihn zur Königin herbei,

Da sprach Krimhild voll Freude: "Dein Dienst ist mir nicht frei!"


"Du sollst ihn doch verschonen, o Königin der Ehren,"

So bat der Berner flehentlich, "lass Milde dich belehren!"

Doch Krimhild ließ ihn fesseln, in ein Verlies gebracht,

Und Dietrich schritt betrübt dahin in stiller Nacht.


Da kam in Zorn Gunther, zum Kampfe er entbrannt,

Er suchte Dietrich eilends, das Schwert erhoben in der Hand.

Die Mauern hallten wider von Schwerterschlägen laut,

Doch Dietrich war der Stärk're, schlug ihn nieder voller Wut.


Auch ihn nahm er in Bande, führte ihn sogleich

Zur Königin, die rief: "Willkommen sei dein Reich!"

Doch Gunther sprach mit Groll: "Dein Gruß ist Hohn, nicht wahr?

Als Schwester sollst du handeln, nicht als Rachepaar."


"O Königin," so Dietrich, "die Helden hier in Haft,

Sie harren deines Mitleids und deiner hohen Kraft."

Mit feuchten Augen wandte sich der Berner still,

Doch Krimhild sehnte Rache, die keine Gnade will.


Sie sprach zu Hagen rasch: "Gib mir den Schatz heraus,

Dann magst du leben und kehren in dein Burgundhaus!"

Doch Hagen wusste wohl, dass sie den Tod ihm gönnt,

So sprach er stolz: "Solang ein Bruder lebt, sei dir's vergönnt!"


Da ließ sie Gunthers Haupt vom Körper schlagen nieder,

Und brachte es zu Hagen, an den Haaren trug sie's wieder.

"Nun ist dein Werk vollendet," sprach Hagen voller Hohn,

"Den Schatz kennt nur noch Gott und ich, dir bleibt der leere Thron."


"Wenn doch nicht deinen Schatz, so will ich Siegfrieds Schwert,

Das letzte Gut, das Zeuge war von meines Mannes Wert."

Da zog sie Balmung kühn und schlug ihm ab das Haupt,

Und Dietrich sah es von ferne, sein Herz von Gram durchtaut.


"Weh, Jammer und Verderben! Von eines Weibes Hand

Fiel der kühnste Recke, der je zum Kampfe stand!"

Hildebrand, voll Zorn, sprang auf mit wildem Mut,

Und schlug die Königin mit einem Hieb in Blut.


Attila klagte bitter, Dietrich weinte sehr,

Der Heldenfall betrauerte ein jeder um sie her.

So endete in Trauer das Fest am Königshof,

Mit Tod und Blut gezeichnet – der Nibelungen Ruf.



SECHSTER GESANG


Tot liegen all’ die Freunde, erschlagen ist das Heer“,

sprach Dietrich: "Ach, Hildebrand, hier bleib’ ich nicht mehr.

Zu lang war uns die Heimat ein fernes, leeres Land;

im Heunenreich verweilen? Es kostet nur Verstand.


Ich will für mein Reich kämpfen, im Streit den Tod erfahr’n,

statt hier in stiller Altersschwachheit dahinzufahr’n.

Drum heimwärts soll’n wir reiten, zurück ins eig’ne Reich,

was hält uns länger hier, wo uns’rer Männer Leich’?


Da sprach der treue Hildebrand: "Herr, du hast Recht!

Ich hörte Botschaft jüngst, sie sei verlässlich echt:

In Bern regiert ein Herzog, Hadubrand heißt sein Nam’,

der nie mich Vater nannte, obgleich er kam aus Sam’.


Geboren ward er damals, als wir die Stadt verließen,

und seither blieb der Stamm mir nur in dunklen Flüssen."

So planten sie die Reise, und schweigsam zogen aus,

denn Attilas gefallen war das Heer, und kein Verlaus’


konnt’ ihre Fahrt begleiten, kein Kämpfer blieb zurück,

die Männer all dahin, das war kein Königsstück.

"Mag Attila auch zürnen, mag’s ihm gefallen oder nicht,

wir fahren", schloss der König, "und niemand weiß, was bricht."


Zu Herrad trat er: "Frau, ich zieh ins eig’ne Land,

das Reich zurückzugewinnen, mit Schwert in meiner Hand.

Folgst du mir in die Ferne, in Leid und in Gefahr?"

Sie sprach: "Wohin du gehst, da folg’ ich, treu und wahr."


"Hab’ Dank, geliebte Herrad, für deines Herzens Mut!

Drum rüste dich zur Reise, die Nacht wird unser Gut."

Sie nahm, was Helche schenkte, doch vieles blieb zurück,

und doch trug sie auch Kleinod, Gold und so manches Stück.


Der Dienerinnen Tränen ergossen sich beim Scheiden,

und selten unter Frauen ward Abschied so von beiden.

Am Abend Hildebrand gesattelt hatte drei Rosse,

ein viertes trug die Schätze, den Reichtum aus der Flosse.


Dietrich hob Herrad auf, zum Sattel sprach: "Hinweg,

Hildebrand, führ uns sicher, zur Burg sei dein Geheg’.

Ich selbst will Attila das letzte Lebewohl

im Königsbau entrichten, mein Herz bleibt dennoch hohl."


Er trat ins Schlafgemach, wo Attila lag still,

die Wächter ihn einließen, denn er war Freund und will.

Zum Lager schritt er leise, der König schlief nicht fest,

und Dietrich sprach: "Ich ziehe gen Amalungen-West.


Mein Reich will ich erringen, den Tod veracht’ ich nicht,

die Heimat ruft mich mächtig, wie dunkles Morgenlicht."

Attila sprach: "Mein Freund, kein Heer dir jetzt bleibt treu;

drum weile noch bei mir, ich rüst’ ein Neues neu.


Doch Dietrich dankte, sprach: "Zu viel der Heunen starben,

ich will kein Blut mehr fordern, ihr Leiden nicht verwahr’n.

Nur Hildebrand und Herrad begleiten mich hinaus;

mein Dank bleibt dir in Ehren, doch zieht es mich nach Haus."


Attila, tief betrübt, begleitete ihn zum Tor,

und küssten sich beim Scheiden, ihr Freundschaft schwur empor.

Dann stieg er auf Falka, sein Ross von edlem Stamm,

und Herrad ritt ihm nach, der Treue heilger Bann.


Die Straßen westwärts wandten, sie zogen neunmal Nacht,

die Dörfer mieden sie, nur Wald gab Ruh’ gebracht.

Doch blieb ihr Zug nicht still, ein Graf vernahm die Kunde,

Else hieß er, der junge, und sann auf Rachewunde.


Sein Herz war voller Hass für Elsung, jenen Mann,

den Dietrichs Sippe schlug, einst hart im Blute dran.

Auf Waldweg suchte Else mit Männern ihren Pfad,

sie spürten bald die Reise, und Dietrichs Schritt verrat’.


Doch Hildebrand erspähte im Staube blinkend Licht,

er rief: "Herr, Waffenscheine, die reiten uns in Sicht!"

"Wer wagt sich uns zu nahen?" sprach Dietrich, Helm gelüftet,

"Ich will des Feindes Namen, der hier sich rachsücht’ rüstet."


"Es könnte Else sein, der Graf mit junger Hand,

ein feindlich Herz mag schlagen für längst vergangnes Land."

"Steigen wir ab, oh Freund, und nehmen wir den Streit!

Wer wagt, uns jetzt zu stellen, der fällt in uns’rer Zeit."


So band der König sicher den Helm und zog das Schwert,

auch Herrad ward gehoben, geschützt durch Liebe wert.

Nun harrten sie im Walde, die Feinde stürmten an,

und Dietrich sprach zum Schicksal: "Das sei der letzte Bann."


Noch stets ein Held, o Meister Hildebrand, bist du,“

Sprach Dietrich lächelnd, „kühn wie früher stets im Nu.

Wer dich im Streit zur Seite hat, der darf sich freuen,

Denn deinem Mut kann kaum ein Feind der Welt verzeuen!“

Zu Herrad, die in Tränen stand, mit bangem Sinn,

Sprach er: „Bleib tapfer, weine nicht, bis wir gefallen sind.

Doch fürchte nicht – so schlimm wird uns die Stunde nicht,

Des Schicksals Schlag wird unsren Mut gewiss nicht bricht.“


Da kam mit Waffen nun Graf Else und sein Heer,

Amalung, sein Neffe, ritt voran und schrie daher:

Gebt uns die Frau, so lasst ihr euer Leben stehn!“

Doch Hildebrand sprach drohend: „Das soll nie geschehn!

Sie zog mit Dietrich, floh aus Attilas weitem Land,

Nicht, dass ein Räuber wie du sie heimlich überwand!“


Ein Feind rief höhnisch: „Alter Mann, wie keck du sprichst!“

Darauf zürnt’ Dietrich: „Höre wohl, was du vergisst:

Wer alt und weise ist, verdient der Jugend Ehr’,

Verspotte nicht das Alter – sonst kommt Schande her!“

Amalung schrie: „Gebt auf, ihr Alten, jetzt und hier,

Sonst reiß ich selbst den Bart dir von dem Antlitz schier!“

Hildebrand sprach: „Berührst du meinen Bart mit Hand,

So hau ich sie dir ab, noch eh du’s recht erkannt!


Doch sagt, wer führt euch an, wer ist der eures Zugs?“

Ein Mann rief: „Alter, kennst du nicht Else, uns’ren Fürst?

Wie wagst du’s, Narr, nach solchem Herrn zu fragen heut?

Wir stehen nicht für Worte, sondern für den Streit!“

Er hieb mit seinem Schwert auf Hildebrands Helm ein,

Doch Hildegrim bewahrte ihn vor allem Pein.

Der Alte hob den Arm, ein tödlich’ Schwertesblatt,

Und spaltete den Feind, dass er kein Leben hat.


Auch Dietrich zog sein Eckesax mit fester Hand,

Zerschlug dem ersten Reiter Arm und Brust mit Band.

Der zweite fiel durch Dietrichs Schlag in blutig’ Not,

Auch Else starb, vom Ross gestürzt, verwundet, tot.

Doch Kampfeswillen hatten die Feinde noch genug,

Die Helden fochten weiter mit stets unermüdetem Zug.

Dietrich besiegte sieben mit gewalt’gem Schlag,

Hildebrand gar neun, so endete der Tag.


Amalung trat heran, der Alte stellt’ ihn blind,

Ein Hieb, und schon fiel Amalung verletzt geschwind.

Ergib dich,“ rief Hildebrand, „wenn du Leben willst,

Sonst wirst du liegen hier, von Blut und Schmerz gestillt.“

Amalung sprach: „Zwar schändlich ist’s, von dir bezwungen,

Doch strecke ich die Waffen heut mit Untertönen.“


Dietrich lacht’ hell und fragte klug nach Grund des Streits,

Da sprach Amalung: „Es war der Blutrache Geleit.

Der Langbart Elsung war der Ursach’ unser Plan,

Doch nun ergib mich dir, ich flehe Gnade an.“

Der König sprach: „So nenne mir, was du verstehst,

Von Reichen hinter Bergen, wo dein Wissen geht.“

Amalung sprach: „Ermenrich liegt krank und bleich,

Sein Rat war schlecht, sein Ende nahte sicherlich gleich.“


Hildebrand lachte laut, auch Dietrich stimmte ein,

Sie dankten Amalung und ließen ihn allein.

Dann zog das Paar des Weges weiter durch den Wald,

Ein König stark und weise, mit des Meisters Halt.


Der ist ein großer Held! Erhaben und doch mild,

Doch grimmig gegen Feind’, die seiner Macht nicht gilt.


Weißt du noch neue Mär?“ – „Man sagt, in Romaburg,

Ermenrich sei tot, gefallen durch des Schicksals Fluch.“


Nun kamen sie zur Burg, die hing am steilen Hang.

Hildebrand sprach zum Knecht, der eilend zu ihm drang:


Nimm diesen Goldring hier und bring die Botschaft hin,

Dass dein Jungherr heraustret’, wo ich draußen bin.


Er kommt zu Fuß wohl leichter, als’s der Vater schafft.“

Der Knecht lief fort, voll Eifer, ganz von Pflicht erfasst:


Ein Mann, gewappnet schwer, mit langem weißen Bart,

Er steht vor unsrer Burg und hat mich ausgesandt.


Er bat, dass du heraustret’, und gab mir dies zum Lohn:

Den goldnen Fingerring, als Zeichen seiner Frohn.“


Der junge Konrad ging sogleich zum Tor hinaus,

Da stand der alte Held und sprach mit ernstem Gruß:


Wie ist dein Name, Sohn, und welchem Stamm gehörst?“

Ich bin Konrad, mein Vater ist Herzog Ludwig, hörst?


Und du, wer bist du, Alter, der so gewappnet steht?“

Ich bin Hildebrand, der Meister, wenn’s dir nicht entgeht.“


Oh Meister Hildebrand!“ rief Konrad froh erstaunt,

Du glücklichster der Helden, dein Name ward bekannt!


Ich bin vom selben Stamm, ein Wölfing, wie auch du.

Komm mit zu meinem Vater, wir reichen dir die Ruh!“


Ich kann nicht bleiben jetzt; doch sag, was hört man hier?“

In Romaburg, man spricht, ist tot der König, schier.


Und Sibich, falscher Hund, hat sich die Krone gerafft.

Doch du, von welchem Ort kommst du, mit welcher Kraft?“


Vielleicht hast du es schon gehört, Graf Else fiel,

Und Dietrich kehrte heim, des Amals Ruhm ist Ziel.“


Jaria!“ rief Konrad, „mein Vater sendet Bot’,

Dass Dietrich wieder kehr’ und Bern entreiß’ dem Tod.


Denn Sibich soll nicht herrschen, auch nicht eine Stadt!

Eher stirbt jede Amalung, eh’ man dies gesatt’.


Komm in die Burg, oh Meister, und ruhe aus bei uns!“

Ich muss zurück zum Wald; dort harrt des Königs Gunst.“


Bleib kurz, bis ich dem Vater diese Botschaft bring’!“

So rannte Konrad fort, die Worte schnell empfing:


Mein Vater, Dietrich kam! Und Hildebrand mit ihm;

Sie warten vor der Burg, dein Gruß ist ihr Begeh’n.“


Da stand der Herzog auf, begrüßte jenen Greis:

Sei mir willkommen, Meister, mein Haus sei dir ein Preis!


Doch wo ist Dietrich jetzt?“ – „Im Wald, er weilt allein.“

Da rief der Herzog laut, das Ross sei ihm bereit.


Und als er sich erhob, mit Wagen, voll beladen

Mit Wein und besten Speisen, fuhr er durch die Straßen.


Im Walde fanden sie den König nah dem Brand,

Auf Steinen saß er still, mit Flammen in der Hand.


Die beiden stiegen ab und küssten Dietrichs Hand:

Sei willkommen, teurer Herr, im weiten Amal-Land!


Wir dienen dir, oh König, mit unserm Schwert und Blut,

Was du auch willst befehlen, wir tun’s in deiner Hut.“


Der König griff die Hand, sie setzten sich sodann,

Er sprach von seinen Fahrten, was Dietrich einst gewann.


Und Ludwig bat ihn sehr: „Kehr heim zur Burg mit uns!“

Doch Dietrich sprach: „Noch nicht; ich halte erst mein Schwur.


Im Walde will ich weilen, bis ich Bern erspäh’;

In keines Hauses Ruh will ich, bis dies gescheh’.“


Hildebrand, der Meister, zog gen Bern sodann;

Doch Dietrich blieb zurück, des Waldes treuer Mann.


Dreißig Winter lebt' ich fern der Heimat Land,

Im Kampf stets unbesiegt, mein Herz blieb unverwandt.

Nie fesselte mich Kett', noch ward ich je ein Knecht,

Auch dir werd’ ich entflieh’n und wehren deinem Recht.

Ein Feigling nur verweigert dir den heißersehnten Streit,

Der Speerwurf soll entscheiden, wem der Sieg sich neigt.


Da flogen scharfe Speere, die die Schilde trafen,

Die Helden sprangen ab, die Schwerter rasselnd gaffen.

Mit grimmig hartem Schlag sie auf die Schilde trafen,

Die krachten, splitternd brach die Lind’ in vielen Waffen.

Ihr Blut floss auf die Erde, roter Schaum im Staub,

Bis Hildebrands gewalt’ger Hieb das Schenkelfleisch entlaubt.

Die Brünne barst, die Wund’ am Bein ward tief und weit,

Hadubrand, kampfmüd’, sprach: "Das Schwert geb’ ich im Leid.

Ich kann dir nicht mehr wehren, Wotan wirkt in dir,

Nimm hin mein Schwert, ich liege hier besiegt vor dir."


Doch Hildebrand, mit Schild den Hieb geschickt gewandt,

Bot seine Rechte dar, ergriff des Schwertes Rand.

Da stahl sich Hadubrand mit List heran zur Hand,

Doch Hildebrand, gewandt, den Schild im Sturme spannt.

"Ein Weib hat dir gelehrt den Schlag," rief er voll Zorn,

Und stürmte vor, er warf den Jüngling auf den Born.

Mit Schwert zur Brust gedrückt, befahl er laut und wild:

"Dein Name sei genannt, bist du ein Wölfingskind?

So mögest du dein Leben dir erhalten heut’!"

Da sprach Hadubrand zögernd, voll Angst und auch voll Freud’:

"Hadubrand heiß’ ich, Frau Ute ist mir Mutter,

Mein Vater Hildebrand, des Wölfings Ruhmbegleiter."


Da rief der Graubart laut: "Ich bin dein Vater, Sohn!"

Den Helm er ihm entnahm und küsst’ ihn voller Hohn.

Vor Freude sprang der Sohn, doch Schmerz war ihm gemischt,

"O Vater, meine Hiebe, die Wunden, die ich sticht’!

Dreifach auf meinem Kopf, sie wollt’ ich haben heut’,

Statt dass dein Leib sie trage in des Kampfes Leid."


Doch Hildebrand entgegnet: "Die Wunden heilen bald,

Wohl uns, dass hier zusammen wir im Lebenswald."

Die Hengste bestiegen sie, es war noch früher Tag,

Zu Frau Ute ritten sie, der Burg ward froher Schlag.


Im Saale Ute fragt: "Mein Sohn, wer schlug die Wund’?

Und wer ist dieser Recke, der reitet dir zur Stund’?"

Da sprach Hadubrand stolz: "Er schlug mich fast zum Tod,

Doch ist er nicht gefangen, ihm gilt mein Mutterlob:

Freu’ dich, es ist Hildebrand, des Wölfings Meister treu,

Ihn grüß’, wie er es wert ist, sei ihm der Willkomm neu!"


Da freudig Frau Ute den Becher füllt mit Wein,

Reicht Hildebrand den Trunk, mit Tränen ihm allein.

Der trinkt, zieht aus den Fingerring und wirft ihn still

Zurück ins leere Glas, dass sie erkennen will.

Sie eilt, mit Arm umschlungen, den Grauen zu umfassen,

Mit Lachen und mit Weinen in Liebe kaum zu lassen.


Die Wunden wurden heil, und Tag ward Nacht zum Fest,

Vater und Sohn geeint, das Schicksal ließ den Rest.

Von Burg zu Burg, von Lied zu Lied, des Ruhmes Ruf erklang,

Vom Amalungenland der Sieg zu Dietrich sang.


Mitten im Kampfe kam ein frisches Römerheer,

Siebentausend Mann, es drängte von der Wehr

Der Amalungen Rücken; Dietrich schritt zur Tat,

Und Hadubrand mit ihm, der schnellen Streiter Rat.


Mutvoll ritt Dietrich hin, in Feindes wilde Schar,

Hildebrand voran, mit Löwenbanner klar;

Männer wie Rosse fielen, nichts hielt sie zurück,

Hadubrand indes sprengte, voll Kampflust und Glück.


Sibich sah sich gestellt; im ersten wüsten Schlag

Hieb Hadubrand die Hand dem Bannerträger ab,

Das Banner sank entzwei; nun stürmte Sibich los,

Im Zweikampf grimm und stark, der beider Kräfte kost’.


Lange hielt der Streit; am Ende sank er hin,

Sibich war gefallen, besiegelt war der Sinn.

Die Amalungen riefen laut mit Siegesklang,

Die Römer warfen Waffen hin, ein Führerzwang.


Nicht trauerten sie lang, um Sibichs jähen Tod,

Das Heer gab sich geschlagen in Dietrichs große Not.

Der König ritt zum Feld und sprach mit Lobgewalt

Zu Hadubrand, dem Tapfern, der treu ihm stets verhallt’.


Mit Heeren wohl vereint zog er nach Rom empor,

Wo Städte und auch Burgen ihm öffneten das Tor.

In Königshalle saß er bald auf hohem Thron,

Hildebrand die Krone setzte ihm zum Lohn.


Ermenrichs Vasallen huldigten ihm bald,

Die einen aus der Liebe, die andern aus Gewalt.

Dietrich führte Frieden mit Weisheit, stark und mild,

Und ließ in Rom ein Bad errichten, voller Bild.


Von Metall geschaffen, stand er stolz auf Falkas Rücken,

Schild in linker Hand, mit Speer zum Kampf beglücken.

Das Bild ward in Romaburg an Mauern stolz gestellt,

Ein anderes ließ er in Bern von Erz bestellt.


Auf einem hohen Turme stand er, Schwert zur Etsch,

Eckesax erhoben, als wäre er im Gefecht.

Sein Ruhm durch alle Reiche erklang wie ein Gesang,

Von Macht und milder Weisheit, sein Name ewig klang.


Hadubrand empfing Bern, ein weites Land dazu,

Hildebrand wich nicht von Dietrichs treuer Ruh’.

Doch kam des Alters Last; den Alten griff ein Schmerz,

Der König saß am Lager, mit sorgenvoller Herz.


Nun kommt der Tod, mein Herr,“ sprach Hildebrand mit Ruh’,

Lass Hadubrand genießen der Freundschaft vollen Schuh.

Meine Waffen gib ihm, trag’ sie vor dir fort,

In Tagen, wo dein Banner des Schutzes sich gebot.“


Da starb der treue Mann, der König weinte laut,

Und sang in alten Liedern, wie stark des Alten Haut.

Zweihundert Winter zählte Hildebrand sein Leben,

Ein Held, dem Ruhm und Treue den höchsten Glanz gegeben.


Hadubrand folgte nach, des Vaters Amt ergriff,

Und Frau Herrad, die Königin, verließ der Krankheit Griff.

Mit Milde war sie Herrin, mit Gaben und Verstand,

Doch starb sie früh und hinterließ ein leeres Land.


So endet Heimes Taten, der Wald ihn lang verschlang,

Mit Speer und wilder Bande ritt er, raubend, bang.

Sibich zu schädigen, brannte er Hof und Haus,

Doch als Sibich fiel, rief Reue ihn heraus.


In Mönchskutte gehüllt, suchte er Gottes Gnade,

Sein Schwert legte nieder, von Übeltaten lade.

Die Mönche, goldverlockt, nahmen ihn auf ins Heim,

Doch fürchteten insgeheim den Krieger mit dem Keim.


Ein Riese nahm den Hof, die Mönche wussten Rat,

Und Ludwig, Heime selbst, bot seine starke Tat.

Nagelring, das Schwert, das Heldenhelm zerbrach,

Holten sie herbei, der Kampf ward Heimes Fach.


Sechs Wochen pflegten sie Rispa, den treuen Hengst,

Dann zog er in den Kampf, wo Heime Stärke glänzt.


Der Abt sandte Botschaft und zum Kampfplatz ein Geleit,

Ein Eiland ward bestimmt für Heimes tapfre Streit.

Die Mönche rüsteten ein Schiff und ruderten sodann,

Rispa und Heime schritten zu Gottes Schutz heran.


Sie liessen ihn allein, zu reiten auf die Flur,

Wo Aspilian ihm nahte auf Elefanten nur.

Was,“ rief der Riese, „Menschlein, willst du streiten heut’?

Kehre um, bevor dich Torheit in den Tod verbeut!“


Hör, du Riese,“ sprach Heime, „sei so gross du auch bist,

Ich zwinge dich, zu blicken, wo mein Haupt erhoben ist!“

Rispa trieb er an die Sporen, der Speer fuhr hart herbei,

Doch Aspilian blieb unverletzt, der Schaft brach entzwei.


Sein Stachel flog nach Heime, doch der beugte sich tief,

Die Riesenstange flog vorbei, das Erdreich sie rief.

Nie ward die Stange wieder gefunden, so schlug sie ein,

Doch Heime zog sein Schwert, sein Mut blieb eisern, rein.


Aspilian sprang vom Elefanten herab sogleich,

Mit Schwert schlug er nach Heime, doch dieser wich dem Streich.

Schnell hieb er dem Riesen die Hand ab oberhalb,

Ein zweiter Schlag zerschlug ihm die Hüfte, erbarmungslos und kalt.


Der Riese, nun wehrlos, wollte Heime erdrücken,

Doch sprang der Held ihm wendig entgegen, ohne zu bücken.

Der plumpe Leib fiel nieder, Heime unverletzt,

Stand zwischen Riesenbeinen, der Tod ihm nichts gehetzt.


Die Glieder schlug er, eins nach dem andern, klein und klein,

Die Mönche auf dem Schiff hörten das donnernde Gebein.

Doch als der Riese fiel, sangen sie Te Deum laut,

Stiegen auf die Insel, wo Heime sich verhaut.


Am Tor des Klosters empfing der Abt ihn mit dem Chor,

Führte ihn zur Kirche, erhob ihn feierlich empor.

Heime ward in Ehren zurück zum Mönch gemacht,

Und lebte still im Glauben nach seines Gottes Macht.


Doch Dietrich, König, hörte vom Riesen und vom Streit,

Er ahnte, dass nur Heime solch Hiebe je bereit.

Vergeblich fragte er, wo Heime nun verweil’,

So zog er mit Gefolge zum Kloster, schritt im Eil’.


Der Abt ihm ehrfurchtsvoll entgegenschritt am Tor,

Dietrich sprach: „Ein Mönch namens Heime sei hier wohl zuvor?“

Kein Bruder trägt dies’n Namen,“ der Abt bescheiden sprach,

Da schritt ein alter Mönch daher, in Kutte, wie es brach.


Heime,“ rief Dietrich, „Freund, wir sah’n viel Schnee verwehn,

Seit wir uns trennten; lass mich dich nun wiedersehn!“

Doch der Bruder sprach bescheiden, verleugnet’ seinen Namen,

Bis Dietrich ihn erweckte mit Heldentatenahmen.


Heime lachte froh und warf die Kutte ab,

Er griff nach seinen Waffen und ritt aus dem Grab

Der Stille, zog mit Dietrich nach Romaburg hinaus,

Wo er lebte hoch in Ehren im König Dietrichs Haus.


In Bergen tief verborgen haust’ ein Riese alt,

Sein Schatz aus Gold erfüllte reich den finstern Wald.

Den Königszins verweigernd, schlief er träge fort,

Kaum jemand kannte näheres von seinem Hort.

Da sprach der kühne Heime: "Ich will ihn dort erspäh’n,

Den Zins für unsern König soll er mir gesteh’n!"

Dem König dünkt’ es gut, und Heime zog allein,

Hinein ins wilde Gebirg, zu jenem düstern Schrein.


Im Walde fand er bald die Höhle, kalt und groß,

Darin ein Riese schlummernd, riesig, regungslos.

Des Bartes graue Fluten bedeckten sein Gesicht,

Noch niemals sah ein Mensch solch furchterregend Licht.

Da rief der Heime trotzig: "Erheb dich, wehr dich, Mann!

Ich bin’s, der mit dir kämpfen will – so fang schon an!"

Der Riese sprach im Lachen: "Du bist ein kühner Held,

Doch lieg’ ich lieber ruhig hier, was hält mich deine Welt?"


"Steh’ auf, du Tölpel, sonst erschlag ich dich im Schlaf!"

Da stand der Riese auf, sein Haar wie Flammen traf.

Er schwang den mächt’gen Knüppel, traf Heime voller Wucht,

Und Heime stürzte tot, der Tod war ihm gebracht.

Die Kunde eilte rasch zum König Dietrich hin,

Er sprach mit grimmem Schwur: "Ich räche ihn, ich bin

Nicht König, wenn der Frevel bleibt ungestraft und still!"

Er sattelt’ sein Gefolg und ritt mit festem Will.


Am Ort des Kampfs erblickt’ er bald die Höhle weit,

Da rief er in die Finsternis: "Riese, mach dich bereit!"

Der Riese kam hervor, die Stange in der Hand,

Ein Zweikampf ward begehrt, es bebte Stein und Land.

Der Riese schlug mit Macht, doch Dietrich wich geschickt,

Das Erdreich spaltend fuhr der Knüppel, kaum erblickt.

Da zog der König rasch sein Schwert und hieb sodann

Dem Riesen beide Hände ab, der fiel und starb daran.


Fortan bestritt kein Riese mehr den Weg des Herrn,

Kein Kämpfer, der ihn fordern konnt’, war Dietrich fern.

Nun ritt er auf zur Jagd, nur Hund und Habicht mit,

Auf Blanka, seinem Ross, das selbst den Sturm bestritt.

Die Wege öde, wild, durch Wald und Fels gekrönt,

Doch Dietrich fürchtet nichts, kein Feind hat ihn verhöhnt.


Einst sprang er schnell empor, als man ihn rief: "Ein Hirsch,

So groß und schön wie keiner, eilt durch Busch und Birsch!"

Die Diener liefen fort, den Hengst zu holen bald,

Doch Dietrich sah ein Ross, rabenschwarz, stolz und kalt.

Er schwang sich auf den Rücken, jagt’ den Hirsch davon,

Kein Diener hielt den Rappen, den so wild er klon.

Er merkte bald mit Schrecken, das Tier war nicht von hier,

Es war ein Wesen fremder Art, voll finstrer Gier.


"Zu Wotan reit’ ich!" rief er noch zurück voll Macht,

"Dorthin, wo Götter walten, bin ich heut’ gebracht!"

Der Rappe flog davon, kein Mensch hat je geseh’n,

Wohin des Königs Reise ging, kein Ort war mehr zu steh’n.

Die Sage spricht: Im wilden Heer reit’ Dietrich nun,

Mit Wotan an der Seite, fern von Erden-Tun.