VON TORSTEN SCHWANKE
ERSTER GESANG
I
Zwischen den Völkern Europas der alten erschienen die Stämme,
die sich in Sprache und Art aufs engste verwandt uns erweisen;
Indogermanen genannt, so fassen wir alle zusammen.
Weithin breiteten sie sich aus in den asiatischen Weiten:
Arier einerseits in den Landen von Indien, Persien,
Phryger sodann und Armenier auch in den Bergen des Ostens.
Fremde Stämme besiegend, zeigten sie stets sich als stärker,
drängten sie fort oder mischten sie ein in das eigene Wesen:
Indiens Völker den Draviden zuvor, die Perser
gegen die Stämme des Orients, Phryger sodann in Kleinasien,
Kelten die Iberer, Ligurer, Etrusker und Pikten,
Griechen und Römer zuletzt, die geboten der Mittelmeerwelt.
Doch nicht alle der Völker, die dieser Geschlechter entsprangen,
spielten die gleiche gewichtige Rolle im Wandel der Zeiten:
Thrakier, Illyrer, Skythen, auch Litauer und Letten
blieben verborgen dem Glanze der großen geschichtlichen Taten.
Andre wiederum traten erst spät in den Kreis der Geschichte,
nicht durch eigene Kraft, doch durch der Zeiten Bewegung:
Kelten, Germanen, Slawen, sie alle gewannen Bedeutung.
Tausend Kräfte gestalten das Schicksal der Völker gemeinsam,
tiefer und weiter sich bildeten Unterschiede aus,
stärker als einstige Blutsverwandtschaft, Kultur und Charakter,
asiatisch geprägt oder europäisch gestaltet.
Nichts vom Wissen um alte Verwandtschaft war ihnen geblieben,
erst im neunzehnten Zeitalter ward es den Menschen enthüllet.
Da erst wandelte sich das Bild von den Völkern der Erde,
denn das Erbe der Indogermanen, es präget die Zeiten,
nicht nur Abendlands reiche Kultur, auch die weite Geographie.
Selbst die Völker des Ostens, die ihren Bestand sich bewahrten,
konnten dem Einfluß Indiens nicht, noch dem Europas entrinnen.
Semiten jedoch, sie hielten sich gleichfalls behauptend daneben,
prägten den Orient tief und wirkten in mächtiger Weise.
Doch die führende Rolle, die einstens dem Islam gegeben,
ist nun lange dahin, vergangen die Zeiten der Stärke.
Andere Völker, sie konnten sich nimmer behaupten daneben,
außer sie suchten den Schutz und Halt von Indogermanen
oder der Stämme der Semiten, die herrschten im Raum.
Basken, Magyaren, Finnen, Georgier, Kopten im Westen,
Türken und Mauren im Osten, im Süden die Singhalesen –
alle in engster Verbindung mit diesen geblieben.
Gerade das innige Einswerden verschiedenster Wesen und Kräfte,
hat erst mächtige Völker geschaffen, die lebensvoll blieben.
Indien zeigt uns noch klar, wie Arier drangen und mischten
mit der uralten Schicht, die ganz aus anderem Stamme.
Ähnlich geschah es gewiss auch bei Hellenen und Slawen,
Kelten, ja Römern, die selbst aus Fremden und Einheim’schen
sich zu einem Geschlecht vermengten, italisch geworden.
Doch wo einst ihre Heimat lag, woher sie einst kamen,
wie sie zerfielen und drangen ins älteste Völkergeflechte,
solches zu deuten bleibt eine der schwierigsten Fragen,
die der forschende Geist sich stellt seit ewigen Zeiten.
Doch wir wollen nun sehen, was heute noch Antwort uns geben.
II
Dass die Geschlechter der Völker, die einst aus Einem entsprangen,
stammten aus gleichem Geschlecht, das beweist die Sprache unwider-
ruflich, denn all ihre Zweige entsprossen aus einer geeinten,
voll ausgebildeten Zunge, die fort sich wandelnd und wachsnd,
gleichwohl stets erkennbar in alter Wurzel geblieben.
Ja, die indogermanische Rede setzt Menschen voraus, die
einst sie sprachen vereint – doch nicht als einheitlich gleichlaut’s
denn kein Volk hat je, nicht einmal in höchster Kulturzeit,
eine Sprache besessen, die ohne Wandel und Wechsel
rein in allen Gebieten genau nach Norm sich ergösse.
Stämme sind es, die Völker zu Gruppen spalten, und ebenso
gilt es für Sprache: Sie teilt sich in viele Dialekte.
So auch müssen wir denken, dass einst in der Urzeit des Menschen
nicht eine starre und feste gemeine Rede bestanden,
sondern dass Reden sich mischten, noch alle verständlich einander,
bis durch Entfernung und Schranken die Einheit brechen begonnen.
Denn sobald keine Brücke mehr trägt von einer zur andern,
sei es durch Raum oder Grenze, durch Sitte oder Gesetzes
starke Gewalt, so beginnt aus Dialekten Sprache zu werden,
die nicht länger ein Zweig mehr ist, sondern eigenes Leben.
So geschah es bei Kelten und Slawen, den Indern, den Römern,
wie bei den Griechen, Germanen und ferner den Wüstenvölkern,
deren Dialekt sich nur durch Schrift und durch Nationen-
bildung noch hielt und nicht völlig zerfiel in getrennte Gebilde.
Denn was Einheit gewährt, ist nicht allein das Erbe
sondern die Macht der Geschichte, die Stämme zu Einem verbindet,
bis der Gedanke sich regt: „Wir sind ein einziges Volk nun!“
Denn die Sprache allein schafft keine geschichtliche Einheit,
sondern das Band des Bewusstseins, gestählt in Kämpfen und Krisen.
Fremde, sie lehren die Menschen, was trennend, was einend bestehet.
Denn die Indogermanen besaßen gewiss keinen Namen,
der ihr gesamtes Geschlecht in Einem Begriffe vereinte;
„Arier“ nannte sich nur die besondere indische Gruppe,
nicht aber galt dieses Wort für alle Völker des Urlands.
Auf diesen Dingen beruht, was schwerlich die Forscher ergründen,
wenn sie die Sprachen der Völker der Indogermanen vergleichen,
wie sie gegliedert und einst im Ursprung verteilt gewesen.
Als man zuerst die Verwandtschaft entdeckte der großen Familien,
schuf man das Bild eines Baums mit Ästen, die weit sich verzweigen:
Einst sei das Urvolk geteilt in Gruppen, zwei nach dem Schleicher,
dann sich gesondert erneut durch viele vermittelnde Stufen,
bis sich die Einzelvölker in Sprachen verschieden entfalteten.
Doch in dem Jahre darauf, als achtzehnhundertzweiundsiebzig,
trat ihm der Schmidt nun entgegen: Nicht sei eine Grenze vorhanden,
sondern es breiten sich stets in Wellen die sprachlichen Formen,
dass sich benachbarte Völker verbänden in Sondergebilden,
wo keine Trennung geschieht, nur Übergänge des Wandels.
Beides hat Geltung behalten: Weder allein darf die eine
Lehre bestehn noch die andre, so lehrt es die lange Debatte.
Dort, wo die Sprache geeint noch lebte im Volk, das sie sprachlich
einig umfasste, da floß die Wandelung stets wie die Wellen.
Neue Erscheinungen keimten zuerst in begrenzten Bezirken,
breiteten weiter sich aus und überdeckten die alten
Grenzen der Sprachgebiete und ließen sie langsam verschwinden.
Kreuzten einander sodann die Wellen aus unterschiedlichem Ursprung,
wuchs die Vermischung der Züge, wie Dialekte sich wandeln.
So ist es stets in den Sprachen gewesen, die Völker umschließen,
Germanen einst und die Deutschen, wie Griechen und ebenso Semiten,
sowie die arabischen Dialekte der heutigen Zeiten.
Daher verändert sich stetig die Ordnung, in der man sie gliedert.
Stets ist die Frage für Forscher, welche Erscheinung die Richtung
gibt für die Ordnung der Sprachen und maßgebend ihre Struktur macht.
Daher auch gehen so weit oft auseinander die Sichtweisen:
Einerseits gründen die Weisen die Gliederung auf das Vergangne,
stellen die Völker der Sprachen gemäß der Geschichte zusammen.
Andererseits wirkt im Volke die neuere Sicht auf die Sprache,
wo durch Gewohnheit, durch Lehnwort, durch Wandel der Zeiten der Klang sich
anders gestaltet, als einst noch die Zeiten der Ahnen ihn prägten.
Doch wenn die Sprache der Alten, die einst die Indogermanen
sprachen, erhalten geblieben durch Zeiten und Wandel der Epochen,
würden in jeder Ära sich neue Gruppierungen bilden.
Jetzt ist das Urwort allein durch Rückschlüsse nur zu erschließen,
Mischung von Altem und Neuem, von Einzelnem und von Gemeinsinn,
so dass in jedem Detail das Bild problematisch verbleibet.
Doch neben Wellen besteht auch weiter die Stammbau-Theorie.
Denn oft zerfallen die Sprachen, wenn Stämme sich los voneinander
lösten, doch blieben noch schwach in Berührung durch räumliche Nähe.
So auch geschah es mit Jenen, den Letten, den Slawen, den Deutschen.
Doch auch geschah es zu Zeiten, dass einzelne Stämme sich trennten,
los sich rissen vom Grund und gingen auf Wanderschaft weiter,
weit entfernt und getrennt durch weite geographische Räume,
so dass sie völlig isoliert zu besonderen Sprachen sich wandten.
Solches geschah vor allem den Arierstämmen der Alten,
dass sie sich trennten vom Ursprung und ihren eigenen Pfad nahmen.
Hier kann man wirklich von Filiation und Stammbäumen sprechen,
denn der sich trennende Stamm hat endgültig das Band durchgeschnitten.
Doch auch geschichtliche Mächte vermögen erneut eine Nähe
später zu schaffen, wenn Völker einander aufs Neue berühren.
Skythen, die einst von Osten her vordrangen tief nach Russland,
wirkten zurück auf die Slawen; und ähnlich die Meder, die Perser
übten auf Armeniens Sprache beständigen Einfluss.
Gleiches geschah mit Germanen, als diese die Letto-Slawen
prägten, wie Türken es taten mit Slawen und Griechen und andern.
Jener Befund nun stimmt mit allgemeinen Dingen zusammen,
die sich ergeben, sobald die Sprachen wir miteinander
wägen und prüfen, vergleichend ihr innerstes Wesen erforschend.
Früh schon trennten sich ab von der übrigen Menge die Arier,
zogen gesonderte Pfade, geschichtlich wie auch in der Sprache,
bildeten Eigenes aus, das scharf von allen sich scheidet.
Klar sind sie unterschieden von sämtlichen anderen Zungen,
hauptsächlich durch den Bestand der Laute, die eigne Gestaltung
tief in den Klang der Vokale, den Fall von a, e und o zu
einem einzigen Laut und grammatische Neuschöpfung reicher.
Gleichwohl haben sie vieles aus ältesten Tagen bewahret,
stärker noch wirkt es, da früh sie dem Forscher bekannt schon geworden.
Also stehn arische Sprachen als scharf umgrenzte Besondere
allen anderen gegenüber, die man als europäische nennt nun.
Dennoch zeigen sich Zeichen der Nähe mit manchem der andern:
Wichtig vor allem erscheint die lautliche Spur eines Klangs hier,
der sich als palatales S zeigt im Arischen heute,
gleichwohl im Letto-Slawischen, Thrakischen und im Armenisch,
während er k bleibt im Griechen, im Keltischen, Germanischen,
auch im Italischen wohl und Illyrisch, so es denn richtig.
Hieraus schließt man die Sprachen in zwei verschiedene Gruppen,
Satem die einen genannt, die anderen Centum geheißen.
Solche Teilung beruht auf Annahm’, dass die Bewahrer
eher dem Ursprunge nahen, die andern den Wandel bezeugen.
Ferner spricht man im Raum von westlichen Indogermanen,
welche das Centum bewahren, und Satem als östliche Schichte.
Zweifelsohne besteht hier enge Berührung der Völker,
doch ist fraglich, ob solche Deutungen wirklich genügen,
weil die Erscheinung des Lauts viel tiefer und dunkler verwoben.
Auch besteh’n noch andere Sprachenverbünde daneben:
Keltisch ähnelt sehr stark dem Italischen, während gemeinsam
dieses auch mit dem Arischen Wurzeln wohl tief noch verbindet.
Ebenso finden sich Spuren von Nähe des Griechischen hier noch.
Doch die germanische Sprache zeigt Spuren der slawischen Nachbarn,
die aus historischer Zeit wohl stammen und nicht aus den Ursprüngen.
Wahrlich, Klarheit gewänne man nur, wenn die Ahnengeheimnis
offen uns läge, die Wanderung, Trennung und Einheit der Stämme.
Doch was die Forschung allein hier leisten kann, ist bescheiden:
Niemals ganz wird das Dunkel der Frühzeit gelichtet erscheinen.
III
Wann zuerst die Indogermanen erschienen, zu forschen,
Gibt ein Zeichen uns kund: In westlichem Mesopotamien
Fand man arische Spuren schon fünfzehnhundert vor Christus,
Auch in Syrien war ihr Erscheinen gesichert bezeugt schon,
Und es deutet viel darauf hin, daß westlicher Iran
Schon seit Jahrhunderten früher die Arier sah sich erheben.
Eben um jene Zeit, so lehren die Hymnen der Veden,
Traten die Arier dort, im westlichen Indien, auf nun.
Lange zuvor jedoch muß sich Volkstum, Sprache, Kultur auch,
Wie auch die Religion, geformt in stetigem Wandel.
Also müssen wir wohl den Bruch mit der Urzeit zurückschieb’n,
Tief in das dritte Jahrtausend hinein zu den Ahnen.
Ähnliche Spuren verweist die Ankunft der Griechen im Süden,
Tief auf dem Balkanfuß, zu ähnlicher Zeit schon bezeugt dort.
Spätestens aber um zweitausend vor Christi Geburt schon
Mußten die alten Griechen das Land der Ägäis betreten.
Thrakische Stämme gewiß, auch Illyrer durchwanderten längst schon
Balkans Rücken und füllten das weite Gebiet mit Kultur auf,
Obwohl die Nordwestgriechen noch thronten in Epirus’ Weiten,
Auch in Makedonien und im südlichen Illyrien.
Mittelitalien gar, so scheint es, sah ähnliche Völker.
Dies bezeugt uns auch die Kultur, die damals bestand noch,
Gehörend dem Ende der Steinzeit, als Kupfer erschien schon.
Drei verschiedene Wege des Wissens jedoch bestätigen
Einstimmig dies: Um zweitausendfünfhundert vor Christus
Fing die Verbreitung der Indogermanen im Weiten
Erst an, und zur Zeit des zweiten Jahrtausends schon
Trat ihr Geschlecht in Kontakt mit den älteren Völkern.
Noch ein Zeichen besteht, das jene Bestimmung bekräftigt:
Alle Sprachen der Söhne der Urzeit gleichen sich innig,
Soweit wir sie je rekonstruieren und deuten vermögen.
Doch ist dies ein zweifelhaft Zeichen, denn Sprachen verändern
Schnell sich in kurzer Zeit, so zeigt es das Germanische,
Wie auch Babylonisch den Laut und die Form oft wandelte.
Doch das Litauische gleich dem Arabischen lehrt uns,
Daß eine Sprache sich kaum durch Jahrtausende ändert.
Sonderentwicklung nun, die Trennung vom Urvolk, begann wohl
Tief im vierten Jahrtausend, zog sich hin bis zur Mitte
Jenes dritten. Einst war klein der Anfang des Volkes,
Doch dann wuchs es sich aus in vielfache Stämme, die dennoch
Stetig in engem Verkehr und regem Austausch verharrten.
Weit schon war ihr Gebiet, und rege war ihr Verstandssinn,
Denn ihr Sprache bezeugt, wie reiche Gedanken sie hegten,
Daß sie im Wort sich schufen ein Werkzeug geistiger Größe,
Wodurch ihre Kraft und ihre Kultur sich erhob hoch
Über die andern Völker der uralten Erde.
Sprache allein jedoch gibt Kunde der einstigen Zeiten,
Denn in den alten Wörtern verbirgt sich der Geist ihrer Ahnen.
Doch die Rekonstruktion des alten Wortschatzes mahnt uns,
Denn was nur wenigen Sprachen erhalten, mag nicht schon
Einst dem Ganzen gehört haben, sondern nur Teilen.
Sicherer aber ist, wenn weit auseinander gestreute
Sprachen ein Wort noch bewahren, aus Ost und West einst geerbt gleich.
Doch auch dies ist nie gewiß, denn durch Kontakt und durch Wandel
Wanderten Wörter oft weit durch Länder und Zeiten.
Viele Fragen bestehen noch, und vieles bleibt dunkel.
Doch was sicher wir wissen, das leuchtet uns auf in den Zeichen,
Die uns Sprache bewahrt aus den ältesten Tagen der Ahnen.
Trotz all dieser Bedenken: Es sind doch viele der Wörter,
Viele der Bilder und Zeichen, die uns die Einheit bezeugen.
Doch – und dies ist der Punkt, wo jegliche Forschung erbleichet –
Fehlet dem Bilde die Spur geschichtlicher Eigenpersönlichkeit;
Alles verschwimmt, die Umrisse bleiben in Nebel gehüllet.
Eben das Eigengeprägte, das uns die Ahnen gesondert
Einst von den Völkern der gleichen Stufe der Bildung und Sitte,
Lässt sich am wenigsten fassen in dieser schattenhaften
Kunde des einstigen Volks, das Herden weidete, zahlreich,
Doch auch den Acker bestellte mit Sähren, Pflügen und Mähen.
Worte wie „Acker“ und „Pflug“ sind vielen Stämmen gemeinet,
Fehlen jedoch bei den Ariern, doch kann dies nimmer beweisen,
Dass sie des Kornes nicht kannten, noch dass es fehlte den Vätern.
Eher ersetzten sie Namen durch neue, so wie sie im Wandel
Einst die Begriffe für Milch und Melken verloren, obgleich sie
Sicherlich einstens besaßen die Gabe, Vieh zu melken.
„Gerste“ bewahrte sich gleichwohl selbst im Arischen Worte,
Wie auch in Indien blieb „al“ für das Mahlen erhalten.
Doch wie Ackerbau war und welche Stufe der Wertung
Er denn besaß im Vergleich mit der Jagd und den Weiden der Herden,
Ob er von Frauen betrieben, von Knechten, in leiblicher Bürde –
Hierzu schweigt uns die Sprache, denn solche Kunde ist flüchtig.
Eher bestimme die Stätte des Wohnens, die Art der Behausung,
Wie auch die kriegerische Gewalt und das Ordnungsgefüge,
Schon in den frühesten Tagen die Unterschiede der Stämme.
Tiere der Weide besaß das Volk, die Rinder und Schafe,
Doch auch das Ross war gemein, sei es in Steppen Asiens
Oder in mittlerem Europa, wo früh es gezähmt ward.
Zeugen sind Namen und Lieder, in denen das Pferd noch lebet,
Wie auch der Sonne Gespann und der goldene Sonnenwagen.
Denn es war nicht nur ein Reittier, sondern am Wagen,
Spannte man es an das Joch, wie auch die Rinder es trugen.
Schweine jedoch und Gänse, sie blieben den Ariern fremdet,
Später erst kamen sie auf, wenn auch die Namen der Tiere
Gleich sind in Indien wie in Europa – ein Zeichen des Wandels.
Hütten erbauten sie schon, und eingezäunte Gehöfte,
Ortschaften wuchsen heran, und Flüsse befuhren sie frei;
Auch das Gewebe des Garns war ihnen wohl schon bekannt.
Metalle kannten sie wenige – Kupfer, doch Eisen und Silber
Blieben der Einheit fremd, denn keine Sprache bewahrt sie
In einem Namen geeint; dies deutet auf Zeiten der Steine,
Als erst Kupfer begann, in Hand und Gebrauch zu gelangen.
Waffen und Hausrat schuf man noch aus Knochen und Steinen,
Pfeil und Bogen gewiss, vielleicht noch Axt und der Speer.
Doch war das Haus wohl geordnet: Der Vater herrschte als Meister,
„Despotes“ ward er genannt, die Familie war patriarchalisch,
Und die Gesellschaft erstand aus Sippen und Bruderschaften.
Waren doch Stämme, die Mutterrecht hielten, geblieben
Weit in der Fremde zurück oder fielen in Nomadenleben,
So wie die arischen Reiter – auch auf Kreta die Dorier
Schufen sich fremde Gesetze in ältester Zeit des Geschlechts.
Schrader ist oft von einseit’ger Sicht nicht freizusprechen,
Festes Ergreifen fehlt ihm zuweilen in seinen Gedanken.
Doch die scharfen Angriffe, die sein Werk oft getroffen,
Sind nicht gerecht; gewiss, er hebt zu sehr die Erfolge,
Überschätzt den Gewinn, den er aus Quellen gezogen.
Doch im Ganzen bestimmt er die Urzeit richtig im Bilde.
Doch es erweist sein Werk zugleich, wie unsicher alles,
Was sich hier fassen lässt, wie wenig festes Gefüge.
Mehr noch krankt die gesamte Forschung an einem Mangel:
Grund fehlte stets, und das Ziel wird voreilig genommen.
Nächstes Gebot ist daher, die ältesten Zeiten zu deuten,
Wie sie den Völkern je einzeln erreichbar erscheinen.
Dies aber ward bislang fast gänzlich liegengelassen,
Selbst bei den Ariern, wo doch das reiche Material fließt,
Schweigen erst recht von den Griechen und gar den Italikern.
Erst wenn das sichre Bild der Einzelvölker gewonnen,
Lässt sich mit Recht ein Rückschluss fassen zur Einheit.
Kretschmer bringt wohl manches von richtiger Art noch,
Doch sein Zweifel führt ihn allzu weit in den Abgrund.
Wenn er behauptet, das Wort für „Joch“ sei nicht mehr als
Ein Begriff, der einst in den Landen Indiens wurzelte,
Sich dann von einem Punkt aus ins weite Europa bewegte,
Gleich wie der Pfeffer einst durch Händler getragen,
Trifft er das Ziel nicht richtig; denn seine sprachlichen Formen
Zeigen, das Wort war einst dem Volk der Einheit bekannt schon.
Darauf allein kommt’s an in der großen Debatte.
Ackerbau, auch der Wald der Indogermanen im Alter,
Wurde von Hoops erforscht mit reichlicher Mühe.
Doch er verfängt sich oft in zu kühnen Annahmen,
Bleibt in der These der alten europäischen Heimat
Haften und sieht die Pfade Asiens leider nicht richtig.
Was sich erkennen lässt, bezeugt, dass das Volk der Inder
Sich auf Kulturstand hielt, der ringsum gleich war verbreitet,
Mitte des dritten Jahrtausends weit durch die Lande.
Auch was sich sonst aus Sitten der Völker schließen ließe,
Wie der erkaufte Bund der Ehe, das raue Entführen,
Blutrache und Opfer der Toten im blutigen Bunde,
Alles erweist, dass nicht ein Volk nur solches besaß hier,
Sondern die weite Welt es in Ähnlichkeit kannte.
Selbst ob das Einheitsvolk einst Leichen verbrannte,
Bleibt ungewiss, da vieles sich wandelte stetig.
Arier legten zuerst die Toten in offener Weite,
Wie es bei iranischen Nomaden Sitte gewesen.
Später dann kamen Begräbnis, Feuerbestattung,
Siegte zuletzt das Feuer bei Griechen, Römern,
Auch bei den Kelten ward es allgemein Brauch noch,
Während die Skythen die Leichen ins Erdreich betteten.
Seit der Bronzezeit wuchs die Feuerbestattung,
Drang durch Europa und nahm sich stets neues Gebiet ein.
Also vielleicht war’s so, dass auch das Volk der Einheit
Diese drei Sitten kannte: das Grab, das Feuer, das Offen.
Wechselnd schwanken die Bilder in gänzlich entgegengesetzten Bahnen,
zeichnen die Urzeit bald in armselig primitivem Gewande,
nomadisch und wild, ohne Kunst und jegliche Ordnung,
bald aber rühmen sie hohe Kultur schon früh den Indogermanen,
deren Geschick sich kaum von der späteren Zeit unterschieden.
Oft ist’s Neigung allein, die Ahnen im Lichte der Ehre
glänzend darzustellen, und solcherart trügt sich die Wahrheit,
wie es geschah so oft auch bei der germanischen Frühzeit.
Unhistorisch auch ist das schwärmende Schätzen der Funde,
die aus Europa man hob und als Zeugnisse preist.
Meint man, Getreidebau mache sogleich schon zum Bauern,
und wer Steine formt und in Bronze kunstvoll gestaltet,
wer Recht kennt, Lieder besingt, müsse ein Volk der Kultur sein?
Doch die Thraker, die rau blieben in ihren Geschicken,
Illyrer nicht minder, und Irans wandernde Stämme,
zeugen davon, dass das Wilde doch immer bestanden.
Wie in späterer Zeit, so auch in der dunklen Vergangenheit
herrschte der Unterschied stark zwischen Stämmen und Völkern,
je nach der Heimat, den Wegen, der Sonderentwicklung.
Denn wo manche in festerer Ordnung siedelnd verharrten,
blieben doch andere wild, nur mühsam Getreide bestellend,
zogen unstet dahin mit der Herde, dem wechselnden Weideland.
Selbst bei Semiten war diese Verschiedenheit deutlich,
doch die Kultur, die sie früh schon geformt und besessen,
kann auf die Urzeit der Indogermanen nicht passen.
Deren Geschichte beginnt aus dunklerem Grunde zu steigen,
primitiv anfangend, nicht wie die Völker des Veda.
Nähe den Skythen und Massageten sind sie zu denken,
nicht den Germanen, wie Tacitus rühmte, noch gar den Indern.
Doch gerade ihr Zug durch fremde Lande, ihr Einbruch
mächtiger Art in Gebiete, die anderen Stämmen gehörten,
zeugt von der Kraft und Weite der Ausbreitung ihres Geschlechtes.
Nicht wie die Römer durch Eroberung fest sich begründend,
nicht wie die Araber, die mit dem Glauben die Länder durchzogen,
sondern wie Horden der Hunnen, der Türken, der wilden Mongolen,
die sich nicht banden an Erdreich, stets zu den Wanderungen drängten.
So auch die Germanen, erst als Söldner geworben,
stiegen sie auf zu den Herren der einstigen Reiche der Römer.
Doch ein Reich zu begründen wie die der Hunnen und Hyksos,
das ist nicht Bild der Indogermanen gewesen.
Weiter zerstreut zog aus der Enge hinaus das Geschlecht,
nicht durch Lust an Eroberung, nicht durch Verlangen nach Reichtum,
sondern durch Not, die drückte das wachsende Volk in der Heimat.
Denn wo der Boden zu karg ist, da drängt es zur Fremde.
So zogen die Kelten, die Sabeller, so auch die Griechen,
so hat sich alles bewegt in der ewigen Weite der Zeiten.
Doch bei den Indogermanen war größer das Maß der Bewegung,
volkreicher die Scharen, die zogen durch wogende Länder.
Daher gleicht sie nicht den kleinen Stämmen der Kelten,
eher den Horden der Hunnen, den Skythen, den wilden Mongolen.
Breiter war ihre Heimat, weit in den nördlichen Landen,
wo der Raum sich dehnt für gewaltige wandernde Stämme.
Nicht in den Bergen der Mitte Europas war ihre Wiege,
denn diese blieben fast leer in uralter, vorzeitlicher Stunde,
fern von den Tälern des Rheins, den Ufern der Alpenseen,
lag sie in weiterem Raum, wo das Volk sich sammeln und mehren konnte.
IV
Auch die Religion der Indogermanen, so weit wir erkennen,
Steht im Einklang mit dem, was zuvor wir ahnend ersahen.
Jede Sippe verehrt ihr Geschlecht und den schützenden Ahnen,
Doch darüber erhebt sich ein Gott, der die Welt überwölbet,
Himmlischer Herrscher, der thronet auf hohem, glänzendem Bogen.
Solche Wesen verehren die Völker, die Sumer und Ägypter,
Die den Gott der Gestirne dem Sonnengott dienstbar gemacht,
Wie auch die Stämme der Semiten, die Mächte des Ostens.
Doch nur dann erhebt sich sein Glanz zum Kult und zur Ehre,
Wenn er Schutzpatron eines Stammes, Regent dieser Erde,
Oder ein Reich in der Macht ihn zum höchsten Gebieter erkoren.
Anders jedoch in den Ländern der alten indischen Ahnen:
Dort, in strahlendem Licht, war Djêus der höchste der Götter,
Zeus in Griechenland, Jupiter, Tius, Tyr und Djâus,
Gott des Regens, der Blitze entsendet, die Feinde zu schlagen,
Schöpfer der Wesen, der Götter, der Menschen, der alles durchdringet.
Daher nannten die Römer, die Griechen, die Völker des Ostens,
Ehrfurchtsvoll ihn den Vater, den Herrn des himmlischen Thrones.
Ihm gebührt das Gebet, ihm bringen die Menschen die Opfer,
Da er segnet das Land mit Frucht und nährendem Regen.
Regenzauber bewahrt er, ein heiliger Teil des Kultes,
Wie es überall Brauch ist bei Völkern der ältesten Zeiten.
Später verdrängte in Indien ihn wachsende Scharen der Götter,
Doch in Hellas und Rom behielt er das Zepter des Himmels.
Fest verwoben mit Bergen, mit heiligen Hainen und Städten,
War er nicht nur der Höchste, er wurde der Gott jedes Stammes.
Doch in Norden und Osten, wo Goten und Slawen ihn rühmten,
Blieb er ewig erhaben, das Haupt der göttlichen Mächte,
Denn sein Name verklang nie, auch nicht in fernesten Landen.
Djêus, der Vater, vermählt sich der Mutter, der Erde, im Regen,
Spenderin aller Gaben, die nähren das Leben der Weltzeit.
Weit verbreitet verehret das Feuer man, göttliche Flamme,
Schützerin heimischer Stätten, des Herds und des heiligen Friedens.
Anders erscheint es den Ariern, männlich, vermittelnd im Opfer,
Brück' zwischen Menschen und Göttern, im Brand empor zu den Höhen.
Zweifellos haben noch andre in alter Zeit wir verehret:
Zwillinge göttlichen Ursprungs, die Helfer in Krankheit und Kämpfen,
Schützend zur Seite den Ihren, wie Dioskuren den Griechen,
Aśvins den Indern, auch Mithra mit Varuna einst war.
Donnergott, der den Regen entsendet, in Urzeit gegründet,
Litauer nannten ihn Perkûn, Inder sprachen Pardžanja,
Nordisch als Fjörgyn bewahrt, die Mutter des mächtigen Donners.
Heilige Bäume, Gewässer und Tiere, die steinernen Zeichen,
Ward in der Urzeit verehrt, wie es spätere Völker bewahrten.
Götter besaßen die Stämme, doch viele entsprossen Dämonen,
Sendend Verderben, die Seuche, den Tod und die karge Ernte,
Bannend durch Opfer und Zauber, zur Dienstbarkeit dann gezwungen.
Djêus, das himmlische Licht, umgeben von leuchtenden Wesen,
Sonne, die strahlend erglüht, und der Mond mit silbernem Antlitz,
Dämmerung, golden geziert, und andre Gestalten des Lichtes,
Waren als Mächte verehrt, die das große Gefüge erhalten.
Wenige sind sie geblieben, doch dort, wo sie höher gepriesen,
Traten sie schattenverzehrend hervor, als Herrscher der Götter.
Tempel und Priester gab's nicht, doch rohe, blutige Riten,
Kamen im Glauben hervor, wie der Wilde sie heute noch wahret.
Zauberer kannten die Sprüche, die Worte von mächtigem Wesen,
Spruch, der das Schicksal bekehrt, mit Blut und mit Zeichen beschworen.
Einfach der Mensch in der Urzeit, so schlicht auch sein frommes Erkennen,
Mit der Kultur wuchs die Kunst, die Tempel errichtete, Lehren.
Suchend die Wurzel der Mythen, vergaßen die Forschenden oftmals,
Wie sich der Glaube entfaltet, verwoben mit Brauch und mit Riten.
Kultus, das Herz der Religion, war oft nur ein Schatten,
Blieb in der Forschung zu kurz, die Namen der Götter verglich.
Doch auch das Irren belehret, daß Mythen nicht stets nur Natur sind,
Manches erzählt uns ein Märchen, kein Sinnbild der leuchtenden Himmel.
Ob nun das Wort „Deivo“ in Urzeit wirklich gemeint hat
Gott in der Weite des Seins, das bleibet doch zweifelnd verborgen,
Fehlt es doch manchem Geschlecht, so auch in der Sprache der Hellen,
Ja, bei den Zarathustrischen kehrt sich sein Sinn gar ins Gegenteil.
Möglich, es wies nur hin auf göttliche Wesen bestimmter
Art, die späterhin all die anderen still sich vereinten.
„Bhaga“ jedoch als Spender von Segen, Fülle und Reichtum
Gehört nicht alter Zeit, vielmehr ward es zoroastrisch,
Später entlehnt von den Slawen, ein Wort aus der fremden Kulturwelt.
Vesta, die Göttin Roms, ist nirgend sonst zu bezeugen
Bei den italischen Stämmen, doch folgert nicht Kretschmers Behauptung,
Sie sei allein aus der hellenischen Sprache entlehnt nur,
Denn sie entstammt gewiß uralten Vorstellungen früh schon.
Götter bewahren sich wohl durch himmlische Speisen ihr Leben,
Hüten das Unverwesliche, ewige Jugend bewahrend,
Sonne, ein feuriges Ross, das über den Himmel dahinspringt,
Oder geführt wird gar von Wagen, gezogen von Rossen.
Stürme und Wolken hausen in lüsternen, zottigen Dämonen,
Trotzig und riesengroß, voll wandelnder Launen und Tücke.
Blüht da der Frühling auf, vergeht er bald wieder dem Winter,
Götter erleiden den Tod in wandelnder Zeiten Gesetzheit.
Ewig jedoch entbrennt der Lichtgötter Kampf mit den Dämonen,
Jenen der Finsternis, Dürre und Stürme – im Donner entladend.
Oder die Schätze des Himmels, die regenspendenden Kühe,
Goldene Wolken voll Met, geraubt von dunklen Gestalten,
Werden gesucht von den Helden des Lichts, die in Taten
Kühn sich erringen zurück, was einst von den Feinden geraubt ward.
Solche Geschichten klingen in Epen der Völker gewaltig,
Leben in Liedern der Edda, in Mythen der alten Hellenen,
Selbst in dem troischen Kriege verborgen noch leise zu spüren.
Vater und Sohn, sich nicht kennend, im Kampfe einander erlegen,
Oder der strahlende Jüngling, gefallen zu früh durch Verrat schon,
Solche Geschichten hallen in Sagen der Völker gemeinsam,
Deuten sie Göttergestalten, die später menschlich geworden?
Oder sind es Gedanken, aus Menschengeist selbst nur entsprungen,
Bilder, geschaffen im Geist, vergleichbarer Form sich anpassend?
Schwer nur zu lösen bleibt, was aus alter Gemeinzeit noch strahlt her,
Wo doch den Namen gemeinlich selten sich Funde bezeugen.
Bedeutungen trüben sich, oft nur klingen die Wörter
Ähnlich – und doch liegt fern ihr wahrer Zusammenhang oftmals.
Mythen enthüllen uns klar das Wesen der indischen Stämme,
doch auch sonst erscheint ihr Bild im Gegensatze zu andern,
Semiten zumal, unverkennbar, so sehr sie sich dennoch
unterscheiden: Kelten und Römer, Slawen und Hellenen,
Germanen und Inder mit ihrer Art und Gedanken.
Mächtige Schöpferkraft in kühnem, doch maßvollem Wirken,
Gabe des heiligen Feuers, Enthusiasmus des Geistes –
dies ist das Erbteil, das die Indogermanen verbindet.
Hieraus stammt es, dass ihr Empfinden und Denken wohl selten
tiefer, leidenschaftlicher scheint, doch inniger sicher
und der Natur verpflichtet, als es bei andern Völkern.
Wie ihre Sprachen geformter, reicher an Bildung,
so hat ihr Geist die Kultur, das Leben der Menschen
weitergeführt, ja älteren Völkern die Richtung gewiesen.
Hierin zeigt sich auch ihre Gabe, Fremdes zu nehmen,
neu zu gestalten und weit zu mehren mit eigenem Schaffen.
Nicht durch Schranken getrennt, noch sklavisch kopierend,
sondern erwerbend und frei gestaltend im eigenen Sinne,
haben sie reiche Kultur geschaffen aus fremden Impulsen.
Diese bewegliche Art, die frei in Gedanken sich weitet,
prägt auch stark ihre Religion, die universal sich entfaltet.
Unterschiedliche Wege betraten die Völker der Stämme,
doch es wirkten stets die geschichtlichen Mächte bestimmend.
Am stärksten ward eine Art bei den Ariern sichtbar,
doch in Europas Norden und Süden zeugen von jenen
indogermanischen Zügen die Völker des Westens.
Slawen hingegen in Denken, Fühlen und Wesen
stehen zwischen beiden, wie sie es auch geographisch bezeugen.
Einfach, natürlich blieb ihr Schauen und Fühlen bewahret,
doch oft wuchs es bei den Ariern ins Maßlose, Wilde.
Tief ist der Gegensatz auch in der Selbstbewertung:
Asien beugt sich dem Höheren, dient und huldigt als Knecht ihm,
während Europas Stolz sich beugt nicht, gleichwohl er erhaben.
Ursprung dunkel bleibt uns dies Rätsel des Unterschieds wohl noch,
denn es zeigt sich von frühester Zeit bis heute beständig.
Dennoch spüren wir tief, was Volkstum bedeutet im Wandel.
Wenn wir von Ägyptens Pracht und Semiten fortschreiten,
hin zu den Indern und Persern, dann fühlen wir näher
ihre Gesänge, ihr Dichten, mehr als der Araber Werke.
Obwohl die Schrift der Hebräer mit unser Kultur sich verband,
stehen die Lieder Irans und Indiens uns doch viel näher.
Hier tritt offen zu Tage, was einst der Ursprung gewesen,
doch bleibt das tiefste Geheimnis des Menschen stets unerschlossen.
V
Letztes Problem, doch das schwerste von allen, bleibt uns die Frage:
Wo denn lebte das Volk, das wir nun erkennen ein wenig?
Wo soll Heimat der indogermanischen Stämme zu suchen?
Als zuerst man die Einheit der Sprache gewahrte, da stand noch
Forschung ganz unter dem Bann der uralten Kultur des Orients,
schien es doch klar, daß aus Asien her sie nach Westen gewandert.
Doch allmählich erwies es sich, daß für die Annahm' Beweise
mangelten, und daß das Sanskrit keineswegs älteste Sprache,
sondern oft jüngere Form war, während die Sprachen Europas
ältere Züge bewahrten, des Wortes ursprünglichen Klang noch.
Hinzu kamen Beweise, die zeigten: Europa als Wiege
müsse wohl gelten der Stämme, die einst Indogermanen
hießen. So kehrte sich ganz das Urteil der Forschung:
Kaum noch einer, der glaubte, ihr Ursprung sei Asien selber.
Nunmehr suchte man fast allgemein ihre Heimat in Norden,
mitten Europas, in Deutschland, in Skandinavien gar wohl,
wohin sie spät nur gekommen, so meinte man vordem.
Arier nannte man gar einen östlich entsandten Vorposten.
Vielerlei Wege beschritt man, ihr Urland sicher zu wissen,
doch kein einziger führte zu völlig gesicherten Schlüssen.
Forscher suchten nun gar eine Rasse der Indogermanen,
deren Gestalt und ihr Wesen zu deuten aus Merkmalen alten.
Hoch gewachsen, von blonder Gestalt und mit leuchtenden Augen,
hell an der Haut, so schildert' einst Prokop den Slawen,
ebenso Kelten und Deutsche, ja Griechen und Inder gar selbst schon.
Doch, so frag' ich, was soll es? Denn hell ist die Haut doch auch jenen,
die in Libyen wohnen, auch blonde sind Finnen, die nördlich,
rot und bleich gar die Budiner, so sagt es Herodots Schrift uns.
Basken auch langschädelig sind, und Kreter des alten
Zeitalters ebenso wohl. Was also bedeutet die Ähnlichkeit?
Wie zu folgern daraus, daß Heimat sei dort zu erkennen?
Waren die blonden Gestalten nicht später gar erst eingewandert?
Könnte solch Volk nicht auch in anderen Ländern gelebt haben?
Schädel, die alt sind, beweisen nicht, welche Sprache sie redeten,
gleich wie heut’ nicht das Haar noch die Augen verraten die Zunge.
Denn auf der Annahm’ beruht ja die These der Forscher,
daß jedes Volk ursprünglich sei einheitlich stets nur gewesen,
was jedoch nicht bewiesen, ja kaum wohl zu zeigen je möglich.
So vermag nicht die Lehre vom Leibe uns Antwort zu geben.
Tief durchforscht und geprüft sind Meinungen über die Urstatt,
Schrader bot sie uns dar mit Vergleich und scharfem Verstande.
Nichts ist hier zu erwähnen von all den phantastischen Lehren,
die gar die Eiszeit heranzieh’n, um Volksstämme zu deuten.
Ratzeis Idee, daß das Blonde der Ursprung der Menschen,
gründet auf Trug, und kein sicheres Wissen beweiset dies Märlein.
Schmidt gar wollte die Nähe der Sumerer deuten aus Zahlen,
doch die Idee ward längst in den Wirbeln des Zweifels verloren.
Nur die Frage bleibt stehen: Wo wohnte das Volk in den Tagen,
ehe es wurde geteilt in Nationen, zerstreut in den Ländern?
Was zuvor wohl geschehn, entzieht sich jeglicher Kunde.
Nicht anders verhält es sich doch mit den Zeugnissen alter,
Die aus der Erde gegraben von kundiger Forscher Gelehrsam.
Denn aus den Spuren der ältesten Funde, den Scherben, den Klingen,
Schließen sie forschend darauf, daß immer dieselben Bewohner
Längst schon hausten im Land und nimmer gewichen von Stätten,
Wo ihre Väter zuvor schon siedelten viele Geschlechter.
Weiter noch gehen sie dann, um aus Zeichen der Kultureinheit
Weite Verzweigungen darzulegen und Wege zu deuten,
Wie sich die Stämme bewegt, woher die Indogermanen
Einst gezogen – doch trügt sie allzu oft diese Deutung.
Denn sie bedenken nicht, daß die Funde allein es nicht zeigen,
Welches Geschlecht sie geformt, von welchem Volk sie geschaffen.
Anders ist’s dort, wo Malerei oder Schrift uns bezeugen,
Wer hier lebte zuvor, wie in Ägyptens Gefilden,
Wo Hieroglyphen und Bilder auf Gräbern, auf Wänden
Klar von dem Volke berichten, das einst in diesen Gefilden
Herrschte und wohnte beständig, in langer, gesicherter Ordnung.
Anders jedoch ist’s hier: Es waltet der fremde Einfluß,
Südliche Kulte vermischten sich stets mit dem Eigenen, wandelnd
War jede Zeit, und nie bestand das Gewisse. Wir sehen
Nicht ein Volk sich entfalten, doch Kreise von Kulturstufen,
Die sich vermengen, durchdringen, und Völker verschiedenster Herkunft
Tragen sie fort, verwandeln, gestalten erneut das Empfangene.
Was sich aus diesen Befunden erkennen läßt, ist nicht sicher,
Könnte mit gleichem Recht für viele Länder bewiesen,
Sei es für Skandinavien oder die Berge der Alpen,
Italien selbst, wo keiner erkennt an den Scherben und Spangen,
Ob sie den Latinern gehörten, den Umbrern, den stolzen Etruskern.
Bis erst die Schrift uns lehrt mit untrüglicher Kunde,
Was für ein Volk hier herrschte und welche Sprache erscholl.
Nur das Fremde allein, das Griechische, hebt sich noch deutlich,
Doch auch sein Einfluß reicht weit über die griechischen Lande,
Tief in das Innere dringt er, die Halbinsel füllend mit Wissen.
Ohne die Schrift und Zeugnisse alter Berichte verirrte
Leicht sich das Denken im Dunkel vergangener Zeiten und Räume.
Selbst wo die hohe Kultur der mykenischen Hallen erstrahlet,
Selbst dort mischen sich Stämme verschieden, nicht leicht zu erkennen,
Wer hier herrschte und welche Sprachen ertönten im Volke.
Wäre die Keilschrift nicht einst entziffert, wer könnte erahnen,
Welche Völker sich drängten in Sinear und benachbarten Landen?
So bleibt aus diesen Befunden die letzte Gewißheit verborgen,
Und was die Forscher uns geben, ist Möglichkeit, selten Gewißheit.
Nur wo anders gesicherte Kunde das Dasein bekräftigt,
Läßt sich mit Funden belegen, wo Völker einst wirklich gesiedelt.
Fehlt aber solcher Beweis, so bleibt es bei bloßen Vermutungen,
Und was bleibt, sind Gedanken, nicht aber untrügliche Wahrheit.
Auch die entlehnten Begriffe aus ältestem, indogermanischem
Wortschatz haben die Forscher zur Lösung der Frage bemüht sich,
doch ihr Suchen und Deuten ergab kein sicheres Wissen.
Schwer ist das Forschen, denn Völker, gelangten sie anderswohin erst,
haben verloren mit Dingen, die fehlten, die Namen derselben,
manches ersetzten sie später durch neue und fremde Begriffe.
Daher bleibt uns der Wortschatz der Urzeit lückenhaft immer,
und selbst da, wo ein Wort sich erhält, ist die Deutung nicht sicher.
Sieh, so glaubte man einst, daß das Wort für »Buche« in alten
Sprachen – im Deutschen, Latein und im Griechischen – gleich sei erhalten,
ferner im Kurdischen fortbesteht und bei Slawen entlehnt ward.
Daher schloß man, die Heimat der Indogermanen sei jene,
wo die Buche von selbst in den Wäldern wuchs und gedieh einst,
Rußland und Dänemark fielen heraus, da dort erst in später
Bronzezeit Buchen erschienen. Doch siehe, das griechische φηγός
nennt eine Eichenart, und im Kurdischen heißt die Ulme bûz,
so daß unklar verbleibt, welchen Baum das Urvolk benannte.
Auch fehlt Ariern und Griechen das Wort für »Meer«, das in anderen
Zweigen sich hielt, und »Salz« war den Ariern fremd als Begriff noch.
Doch zu sagen, sie hätten das Meer nicht gekannt und das Salz nicht,
schlösse zu voreilig; wohl haben sie später ersetzt es.
Ebenso fand sich kein Wort für den »Löwen« im alten
Sprachschatz; doch lieh man sich später den Namen aus Griechenland oder
fernen semitischen Sprachen, doch was besagt es?
Sicherlich kannten sie Schnee und den Frost, sie unterschieden
Frühling, Sommer und Winter als Zeiten; der Herbst war nicht eigen,
sondern nur später benannt durch Kultur und den Wein- und Obstbau,
der als Gewerbe noch jung war, obgleich schon früh Früchte gesammelt.
Nicht beweist uns die Gerste als Hauptgetreide der Ahnen
viel, denn auch Weizen und Hirse gehörten zum ältesten Acker.
Pferd war bekannt von Frankreich bis fern nach Zentralasien,
ebenso war das Rind im gesamten Gebiet wohl vertrautet.
Baumnamen finden sich gleich bei den Völkern Europas,
doch bei Ariern nur wenige, darunter jedoch die bekannte
Birke. So darf man vermuten, daß Wälder einst ihre Heimat,
doch auch Steppenland östlich des Urals bleibt nicht ausgeschlossen,
denn es gedeihen dort Wälder, auch Birken wachsen dort zahlreich.
Überdies unterschieden sich stark die Lebensverhältnisse,
denn nicht alle lebten seßhaft und bäuerlich, manche
zogen mit Herden nomadisch umher und jagten als Wildfang.
Einwanderung allein von der Donau her konnte geschehen,
doch ist möglich, dass beide Völker verschiedene Pfade
einschlugen: Die Hellenen von Nordwest, über Berge
Bosniens weit oder auch aus Ungarns Tiefebene ziehend,
wie es später die Kelten getan – ein Zeichen mag zeigen,
dass die dorischen Stämme, die jüngeren Griechen, von Norden
kamen, dass dort wie in Makedonien Namen noch klingen,
die aus alter hellenischer Zeit und Sprache entsprangen.
Thraker jedoch von Süden Russlands zogen zur Donau,
weiter dann über den Balkan hinweg, bis später noch immer
nördlich des Stroms thrakische Stämme ihr Dasein erhielten.
Später, mit neuer Gewalt, gelangten die Illyrer
endlich in ihre Sitze, wohl sicher vom Nordwest gekommen.
Ungewiss ist jedoch, zu welcher Gruppe sie zählten,
doch gewänne man, wüsste man dies, Erkenntnis darüber,
wo dereinst ihre Vorfahren saßen, bevor sie sich wandten.
Weiter nach Kleinasien zogen die Thraker, den Pfaden
folgten die Illyrer hinab nach Italien, führten
teils über Land an die Etsch, die Veneter, teils über Meere
bis Apuliens Küste hinab. Und alles bezeuget,
dass auch die Indogermanen, die Latiner, die Stämme
umbrischer Art auf derselben Route gelangten zur Halbinsel.
Hätten sie über Gebirge, aus Ungarns Tiefebene
oder gar aus dem deutschen Oberland Wege gefunden,
so wären sie doch in die fruchtbare Poebene eingezogen,
doch keine Spur von ihnen ist dort, nur die Veneter blieben
nördlich der Etsch, und Umbrer verteilten sich südlich der Mündung.
Erst mit der keltischen Flut kam Wandel in jene Gefilde.
Selbst als die Etrusker den Raum im sechsten Jahrhundert
nahmen, war das Poland leer, nur spärlich gesiedelt,
Zeugnis von frühen Pfahldörfern, einfachster Bronzekultur.
Keine Bedeutung, weder politisch noch kulturell,
hatte das Land in der ältesten Zeit Italiens;
erst durch die Römer gewann es an Kraft, an Beständigkeit.
Unwahrscheinlich erscheint, dass Stämme dorthin gelangten,
dann es verließen, kein einziges Glied der Gemeinschaft
hinterlassend, um felsige Höhen dem fruchtbaren Boden
vorzuziehen, wo niemand sie drängte zur Flucht und Verlassen.
Somit ist es wohl klar, dass indogermanische Völker
Polands Gefilde vor Rom niemals betreten,
dass Ligurer es einst bewohnten, sei’s, oder ein Volkstum,
gänzlich verschwunden, das keine Spur mehr bewahret.
Wahrscheinlicher bleibt, dass Latiner, Umbrer, Sabeller,
drängend von Illyriens Küsten, das adriatische Meer
überquerten, nach Italien zogen, gewiesen von Wellen.
Nichts steht entgegen, denn seit ältester Zeit befahren
Menschen die See, wie Kreta, Zypern und Griechenlands Küsten
zeugen, wie Kelten von Gallien aus nach Britannien zogen,
wie Korsika, Sardinien einst von Iberern besiedelt,
wie Antillen und Inselreiche der Südsee bewohnt sind.
Zeugt doch der Siedlungsraum Italiens klar von Bewegung
ostwärts nach Westen, nicht von Norden hernieder.
Wie jene Völker mit Macht aus der Ferne gekommen, erobernd,
Setzten die Kelten sich einst in geschichtliche Sitze hinein.
Spät erst breiteten sie sich im Westen Europas gewaltig,
Etwa im sechsten Jahrhundert begann ihre mächtige Fahrt.
Damals erblickten die Griechen am westlichsten Rand der Iberer,
Dort an des Guadiana Gestad’, ihr kühnes Geschlecht.
Eben zur gleichen Zeit vertrieben sie Ligurer Völker
Fort von den Küsten des Meers und zogen gen Inselgebiet.
Später, viel später, so drangen sie weiter das Rhônetal nieder,
Stießen ans Mittelmeer vor, trieben Ligurer zurück.
Und in derselben Zeit, dreihundertachtundachtzig,
Zogen sie plündernd hinein in die Länder von Polen empor.
Nördlich der Alpen, am Donaugestad’, an der Drau und der Sau schon
Hatten sie Siedlungen längst, drangen von dort weiter fort.
Zweihundertachtzig erst brachen sie ein in das Land der Balkanen,
Rückten von dort weiter vor, stürmten nach Kleinasien hin.
Vor diesen Wanderungszügen war ihre Heimat vermutlich
Beiderseits Rheines Gebiet, rings in den Tälern verstreut.
Ihnen folgten sodann die Germanen gen Westen und Süden,
Zogen gen Osten hinweg, fuhren zum Schwarzen Meer.
Schon seit dem zweiten Jahrhundert vor Christi Geburt war
Manche germanische Schar östlich gezogen dahin:
Erst die Bastarnen, dann zogen die Goten in fernen Gefilden,
Hinterher folgten Slawen und siedelten langsam sich an.
Jene, mit Litauern gleich, mit den Letten zusammen verwandt noch,
Spät erst traten sie ein in der Geschichte Gefild.
Neuren nannten sie sie, so sprach es Herodot nieder,
Nordwärts der Skythen gesellt, westwärts am Dniestr und Bug.
Dort in den Tälern von Wolhynien saßen sie friedlich,
Gleich den Skythen geprägt, ähnlich in Sitten und Brauch.
Sicher erscheint es, dass sie mit den Stämmen der iranischen Völker
Lange gesessen dort, nah, in nachbarlicher Art.
Nur so mag sich erklären, warum in den Sprachen der Slawen
Wörter aus Persien klingen: bogŭ, das „Gott“ einst hieß.
Dort, wo die mittlere Weichsel den Lauf durch die Lande sich bahnte,
Saßen die Slawen noch einst, selbst in der Römerzeit fest.
Erst im Jahrhundert der fünften nach Christus Geburt brach
Ihre Bewegung hervor, breitete aus sich ihr Volk.
Einst, um tausend vor Christus, die indogermanischen Stämme
Waren verstreut in der Welt, fern voneinander getrennt.
Eines in Asien fest, wo arische Stämme verweilten,
Eines im Balkanland, rings bis Italien weit.
Dritte, die Völker von Kelten, Germanen und Letto-Slawonen,
Hielten Germania fest, Skandinavien groß.
Fern voneinander, getrennt durch weite, verlassene Räume,
Blieben sie lange sich fremd, wussten vom andern nicht mehr.
Erst als iranische Reiter nach Süden und Westen sich drängten,
Phryger nach Armenien zog’n, Kelten gen Weiten hinaus,
Schuf sich ein einheitlich Bild: vom Atlantischen Meere
Bis hin zum Indus erstreckte sich weit ihr gewaltiges Reich.
Dennoch erkannten sie nie mehr die Bande der frühen Verwandtschaft,
Waren sich fremd und feind, standen in Trennung sich gegenüber.
Kaum noch bis heut’ blieb etwas von jener Verbindung erhalten,
Denn die Erinnerung schwand tief in der Zeiten Vergehn.
Doch es besteht die Möglichkeit wohl, das Land der Germanen,
Kelten und Lettoslawen – mit andern Worten der Norden,
Teutons weite Gefilde samt ihren benachbarten Räumen –
sei die Heimat gewesen des indogermanischen Stammes,
von hier aus fächelten einst die Wege der Völkerbewegung.
Hier wohl trennten sie sich in östliche, Satem genannte,
und in die westliche Gruppe, die Centumvölker geheißen.
Jene zogen hinab um das hohe Gebirge Karpaten,
teils nach Asien weit, teils nieder zur Donau, nach Thrakien.
Diese folgten dem Pfad, der in südlichen Weiten sich öffnet,
zogen durch Schlesiens Flur und Mährens sanfte Gefilde,
bis zur mittleren Donau und weiter nach Illyriens Ufern,
Griechenland, ferner zum Römerreich und nach Italien.
Solches scheint zu entsprechen den heute gängigen Lehren,
welche die Forscher der Vorzeit und Anthropologen vertreten.
Doch wer mahnet daran, dass Zeugnisse fehlen aus jener
frühen Epoche, so liegt es allein am Mangel der Kunde,
nicht am Beweis der Nicht-Existenz; denn späte Berichte
reichen nicht aus, zu beweisen, was einst unaufgezeichnet.
Ebensowohl könnt’ man daher Griechenland oder Kleinasien
zum Ursprung setzen der ersten wandernden Stämme.
Gleichermaßen kann es geschehen, dass Kelten und Slawen
fernher einst eingewandert sind in ihre Gefilde.
Diese Annahm’ ist gleich gewichtig und bietet sich an;
dennoch scheinen die Zeichen zu sprechen für östliche Wurzeln.
Auch wird mittlere Wege gesucht: dass südlich von Russland,
nördlich vom Kaspischen Meer in weiten, unendlichen Steppen
ihre Heimat gelegen sei, ist vielfach vertreten.
Auch ich selber vertrat dies einst, da es die Herden
leichter hier weiden, das Land sich eignete wandernden Völkern.
Doch nun zeigt sich die Wahrheit: Erst spät in die Stätten,
welche sie bewohnten, zogen sie ein aus dem Osten.
Skythen überschritten den Don und stürzten die Kimmerier,
nahmen das Land bis hinab zur strömenden Donau.
Ihnen folgten die Sarmaten, die später gen Westen
zogen bis tief nach Pannonien, Jazygen bildend.
Iranisch war wohl ihr Ursprung, wie Namen verkünden,
doch zeigt Herodots Schrift ein Volk, das stark durchmischt war,
möglicherweise mit jenen, die mongolischer Abstammung.
Weit im Westen berichtet der Weise von sigynnischen Stämmen,
die, so erzählt er, aus Medien stammen, in Böhmens Gefilden
siedeln, doch andere sagten, sie wohnten noch fern im Osten.
So scheint es, dass auch hier ein iranstämmiger Zweig sich
weit verirrt in die Länder westlicher Breiten.
Und noch weiter, zur Zeit, da Kaukasus’ Gipfel erstrahlte,
lebte der Stamm der Alanen, iranischen Ursprungs,
deren Geschlecht sich erhalten hat hoch im Gebirge,
Osseten heißen sie nun und nennen ihr Heimatland „Iron“.
Andere zogen hinweg mit germanischen Stämmen,
flüchtend vor Stürmen der Völker, nach Afrika, Portugal.
Selbst zu Cäsars Geburt schon nannte man sie Aorser,
früher jedoch saßen sie östlich vom Kaspischen Meere.
Immer, so zeigt sich, zogen die iranischen Stämme
vorwärts von Ost nach West, doch nimmer entgegen.
Nordost Irans und die Steppe Turans war ihr Ursprung,
nimmer von Westen gekommen sind sie, zurück gar gereist.
Wären die Arier einst aus Europa gewandert gen Morgen,
hätten sie Wege betreten, die ihre Ahnen verließen.
Wenig erscheint dies wohl glaubhaft, zeigt doch die Forschung,
dass ihre Zeichen und Sprachen nicht nach Europa verweisen.
Doch beweist dies allein noch nicht das Ursprungsgebiet,
denn nicht alle Bewegungen strebten westwärts alleine.
Kelten zog es gen Osten, Phryger und Armeniens Söhne,
slawische Stämme, ja selbst germanische Völker,
zogen hinweg aus dem Land, das sie Heimat geheißen.
Diese Beweise sind jüngst durch Funde gewaltig erhärtet,
Welche die Forschung geprägt mit epochaler Entdeckung.
Späte Berichte, von zweifelhafter Gewähr aus China,
Meldeten einst von dem Wusun-Stamme Zentralasiens,
Welcher in Chroniken häufig seit hundertsechzig und sieben
Vor der Geburt uns’res Herrn erwähnt ward. Fremd an Gestalt sei’n
Diese Barbaren gewesen, so schrieb man, den Völkern des Westens.
Hu, die Bewohner von Iran und Indien, auch von
Turkistan, hätte man zu dem Geschlecht derer gezählt,
Die mit den Augen von bläulicher, grünlicher Färbung,
Rötlichem Bart und mit zottiger, affenartiger Anmut
Fielen ins Auge den Völkern, die sie von außen betrachteten.
Klaproth baute dereinst auf diese Kunde Theorien,
Welche verworfen, verkannt als eine wankende Basis.
Doch mit den neuesten Funden gewannen die Worte an Strahlkraft.
Wusun verwandt sind eng die Völker der Tochârer,
Auch die Yue-tschi, die einst durch das Sakenland streiften,
Sechzehn Jahrzehnte bevor unser Heiland geboren,
Dann in Sogdiana gedrungen und weiter nach Süden
Zogen mit Heeren, vereint mit vielen Stämmen des Ostens.
Unter dem Namen der Indoskythen sind sie bekannt uns.
Doch ein Bruchteil der ihren verblieb in Ostturkestans Weiten,
Nördlich vom Tianschan-Gebirg, in den Tälern verborgen.
Ruinenstätten vergangener Tage gaben nun Kunde,
Daß in den Zeiten des ersten Jahrtausends nach Christus
Hier sich ein Erbe verborgen von Sprachen und Schriften,
Unter den Funden auch Texte, buddhistisch geschrieben
In der Tochârerem Sprache, die nun als indogermanisch
Sicher erkannt wird, obgleich durchmischt mit fremden Elementen.
Flexion und Wortschatz verraten den Grundcharakter,
Denn noch immer erstrahlt das Wesen indogermanischer Wurzeln:
Zahlwörter, Namen, Pronomina, Endungen zeigen
Reine Struktur und verraten die alte Herkunft des Stammes.
Groß schon war das Erstaunen, so weit im Osten zu finden
Völker indogermanischer Zunge, doch noch weit größer
Ward es, da sich erwies, daß diese Sprache des Ostens
Nicht zu den Arierstämmen gehört, die wir dort einst suchten,
Sondern dem westlichen Zweig der Sprache sich zuordnet,
Jener Centumgruppe, die sonst in Europa zu finden.
So nun zerbricht ein gewaltiges Bild der bisherigen Lehre,
Denn es scheint, daß die Völker der Indogermanen noch weiter
Östlich entsprangen, als wir es zuvor wohl geglaubet.
Könnte es sein, daß von nördlichen Strömen Zentralasiens
Einst ein indogermanischer Stamm über die Pässe
Westwärts zog, durch die Pforte von Dsungarien weiter
Bis in das Tal von Tarym, wo später er siedelte?
Doch wohl schwerlich, so fehlt uns doch ein klares Beweismal.
Eher gewinnt nun Gewicht die uralte These der Ahnen,
Welche besagt, daß die ersten Indogermanen aus Asien
Kamen, so wie auch später die Reitervölker des Nordens:
Hunnen, Mongolen und Türken, die alle aus Höhen
Jenes zentralen Gefildes einst aufbrachen zur Eroberung.
Manche der Bräuche der Arier stimmen mit jenen
Mongolischer Stämme erstaunlich genau wohl zusammen.
Könnte es sein, daß die Völker der Centumgruppe gemeinsam
Mit einem Teil der Satemvölker westwärts gedrungen,
Durch die kaspische Steppe hinab zur Balkanhalbinsel,
Dort sich in Schichten gemengt und langsam verbreiteten?
Andere Stämme der Satemgruppe jedoch nach Iran
Zogen hinab, und von dort nach Indien weiter,
Wie es die Völker der Skythen bezeugen, die ebenfalls folgten,
In dieselb’ Richtung des Pfades, den einst ihre Ahnen gewandert.
Blieb uns ein Bruchteil der Centumstämme zurück im Osten,
Und die Tochârer sind nun das letzte erhaltene Zeichen.
Noch ist dies eine gewagte, ungesicherte These,
Doch wir hoffen darauf, daß künftige Forschungen weiter
Licht in das Dunkel der alten Bewegung der Völker
Bringen und uns die Geheimnisse jener Zeiten erschließen.
Ob wir dereinst das endgültige Rätsel der Heimat der Völker,
Die indogermanisch genannt, und den Pfad ihrer Reisen ergründen,
Bleibet noch fern; doch darf nun hoffen die forschende Lehre,
Daß sie bedeutend bald voranschreiten werde im Wissen.
Eine Vermutung zum Schluss sei genannt, die vielleicht ein Erleuchten
Bieten vermag, nicht für jene uralte Stätte der Ahnen,
Aber für einen der Zweige, den Zug eines Stammes der Söhne.
Einstmals erkannten wir Siedlungen, alt aus der neolithischen
Zeit und beginnender Kupferzeit, etwa zweitausend
Fünfhundert Jahre vor Christus, im Land an Dnjestr und Dnjepr,
Östlich der Karpatengefilde gelegen, sie trugen
Eigenen Schmuck und verbrannten die Toten zu Asche.
Spiralornamente geschmückt mit gezeichneten Tieren
Fanden sich dort, mit Menschenfiguren zwischen den Bildern.
Deutlich erblickte man hier die Verbindung der Ägäis,
Wie sie hin strahlte gen Donau, zu thrakischen Stämmen,
Weiter hinaus wohl gar in fernere Länder Europas.
Wahrlich, so sei es gestattet zu schließen: Kannten die Ahnen
Schon die Verbrennung der Leichen, und ward sie verbreitet durch Völker
Indogermanischer Art, dann ist es gewisslich zu denken,
Daß in den Siedlungen hier nicht das Urvolk ruhte, jedoch wohl
Einen der Stämme wir sehen, der lange verweilte im Lande.
Jäh brach diese Kultur zu Beginn der Kupferzeit nieder,
Fand keine Fortsetzung mehr in den östlichen Landen.
Daraus muss schließen der Geist, daß ein Zug aus dem Lande geschritten.
Was sie vertrieb und wohin ihr Pfad sie getragen,
Bleibet verborgen dem Forscher, die Zeichen erzählen es nicht mehr.
Keine Entdeckung vermag ihre Spuren weiter zu führen;
Denn was im Reich der Ägäis erblühte zur gleichen
Zeit, war nicht Fortgang von ihnen, vielmehr ein verwandtes Geschehen.
Täuschend erscheint die Idee, es handle sich hier um die Ahnen
Griechischer Stämme, wie einst von Sterns vermutet in Forschheit.
Eher wohl werden die Thraker bedacht, deren spätere Wander
Tief in die Halbinsel Balkans hinab sich bewegte.
Denn was in Gräbern von Thrakien lag, es ähnelt den Spuren
Ostkarpatischer Art – doch bleibt die Zukunft der Lehre,
Neues zu bringen und klarer die Rätsel zu lichten.
ZWEITER GESANG
I
Rauh erhebt sich das Zagros-Gebirg aus der Tigrisebene,
Formt dort am östlichen Rand ein gewaltiges Hochland der Weite,
Dessen Erstreckung vom Berge Ninives östlich gelegen
Bis zu den Höhen des Indus sich reckt, dreihundert an Meilen.
Südlich begrenzt ihn des Persischen Meerbus mächtige Wogen,
Nordwest wölbt es sich über zum armenisch-kleinasiatischen Hochland.
Armeniens Berge verlaufen nach Osten, sie türmen sich mächtig
Südlich des Kaspischen Meers zu ragenden Höhen empor nun.
Östlich erstreckt sich das Hochland Iran, begrenzt von Gebirgen,
Die fast parallel sich zieh’n und zum Hindukuš führen die Höhen.
Dort schließt weiter im Osten das Pamirhochland sich an nun,
Randberge rahmen sodann das gewaltige Hochland Zentralasiens.
Nördlich jedoch fällt Iran zur weiten und flachen Ebene,
Die sich von Asien weit nach Europas Grenzen erstrecket,
Steppen bedecken das Land, doch an Irans äußeren Rändern,
Dort, wo Kaspisches Meer und Aralsee Wüsten gestalten,
Bleibt nichts als Sand und leere, verdorrte, dürrende Öde.
Viele Ströme entspringen dem hohen Gebirg und ergießen
Wasser hinab in die Täler, doch viele versickern im Sande.
Arios, Margos, Polytimetos schwinden im Trocknen,
Oxos und Jaxartes jedoch erreichen die Meere,
Gleichwohl nähren sie nur die Oasen entlang ihrer Ströme.
Östlich vor Irans Rand erhebt sich die weite Indusebene,
Fruchtbar, belebt, von lachenden Feldern und Wasser durchzogen.
Mitten in Irans Kern erstreckt sich die leere Salzwüste,
Fast unbewohnbar, und reicht bis zum Meeresufer im Südost.
Westlich erhebt sich Persis Gebirg’, des Mediens Hochland,
Nordwärts zum Paropanisos und zu Chorasans Weiten.
Nur ein schmaler Streifen am Rand des Kaspischen Wassers
Lässt hier die Länder verbinden, die sonst getrennt sich erstrecken.
II
Schon haben wir deutlich gesehn, dass arische Stämme und Götter
Fünfzehnhundert vor Christi Geburt bei Mitani erschienen,
Dort im Nordwesten des mächt’gen Reichs von Mesopotamien,
Weit nach Syrien hin, und dass sie wohl Jahre zuvor schon,
Ein, gar zwei Jahrhunderte, kühn in die Lande gedrungen,
Dort sich Dynastien errichteten, Herrscher erhoben.
Auch bei den Kossäern, die einst aus dem Zagrosgebirge
Sinear betraten, erkennt man arische Zeichen,
Siehe den Namen des Gottes, Šuriaš, ähnlich dem Sûrya,
Sanskrits Name der Sonne, von gleichem klangvollen Ursprung.
Ebenso weilte zur gleichen Zeit der östliche Zweig schon,
Später als Inder bekannt, im Lande der sieben gewalt’gen
Ströme: Indus, der Fünf des Punjab und der reißende Kabul.
Hindukusch barg dort die Grenze der mächtigen Iranier,
Doch im Gebiet von Kabul saßen die Völker der Inder,
Gandhârer vor allem, doch auch weiter nach Osten
Breiteten Inder sich aus, bis Jamunâ und Ganges
Obere Läufe umfasst von der frühen Besiedlung.
Dort entstanden die Hymnen, heilig und voller Erhabenheit,
Die uns erhalten im Veda, Sammlung göttlicher Dichtung.
Datieren lässt sie sich kaum, doch nach allen Beweisen
Dürften die ältesten Hymnen kaum jünger als fünfzehnhundert
Jahre vor Christi Geburt in der Sprache erklungen.
Daher folgt es erneut, dass Arier früh schon erschienen,
Lange bevor sie die Länder besaßen, um Zweitausend,
Oder nur wenig danach, in fernen geschichtlichen Zeiten.
In der Geschichte jedoch sind Inder und Iranier, Brüder
Einst, nun getrennt in zwei große Stämme gesondert.
Beide zerfielen in kleine Gruppen und schieden
Scharf sich in Sprache, Kultur, in Religion und im Denken.
Wichtig war hier der Laut: Denn das „s“ vor und zwischen den Vokalen
Ward im Iranischen „h“, ein Merkmal deutlicher Trennung.
Namen, die einst in Mitani erklangen, in Syrien ebenso,
Kannten den Wandel noch nicht, und Šuriaš blieb unverändert,
Obwohl die Zeichen der Iranier teils sich erkennen.
Artas Name erscheint, doch nicht wie im Indischen rta.
Also scheint es, dass erst in späterer Zeit sich vollzog dies.
Ohnehin ist gewiss, dass nicht nur durch Wohnsitz alleine
Trennung geschah, doch vielmehr durch Wandel der Sitten und Lehren,
Unterschied der Kultur und Gedanken, der Geisterrichtung,
Die den Iraner nach Westen lenkt’, den Inder nach Osten.
Doch aus derselben Wurzel entwuchsen sie beide gemeinsam,
Ehe die Einzelvölker, die später entstanden, sich formten.
Arier war dieses Volk, in dem schon deutlicher prägte
Sitt’ und Gestalt sich als bei den indogermanischen Völkern.
Aus dem, was Indern und Iraniern beiden gemein ist,
Lässt sich ein reicher Beweis für vergangene Zeiten gewinnen,
Da wir nun Namen von Göttern und Menschen in alten
Landen Mitanis und Syriens klar bezeugen.
Was nun den Weg betrifft, den Arier einst beschritten,
Scheint kein Zweifel zu sein, woher ihre Stämme gezogen.
Oftmals ward es gesagt, sie seien aus Europa gekommen,
Heimat der Indogermanen, und hätten dann über
Pässe des Kaukasus ziehend, Medien und gar Mesopotamien
Überschritten und zogen von dort weiter nach Osten.
Doch dies kann nicht bestehen: Denn armenische Lande,
Hochland des Nordens, sind nicht von Arierstämmen bewohnt.
Stattdessen wissen wir wohl, dass arische Meder erschienen,
Von Irans Hochland her sich über die Berge verbreitend,
Eingedrungen in Stämme der Vorzeit, von Assyrern
Aufgezeichnet im neunten Jahrhundert und später verfolgt.
Gleichwohl strebten die Perser nach Westen und weiter die Kurden,
Die, von den Griechen so genannt, sich im Zagrosgebirge
Ausbreiteten und bald das Land dominierten.
Wäre es, dass Arier über den Kaukasus kamen,
Müssten die Inder auf irrendem Pfade nach Süden gewandert,
Über das weite Armenien, fern ihrer Heimat gezogen.
Doch dem ist nicht so! Die Richtung der iranischen Völker,
Immer von Osten nach Westen, stets in der gleichen Bewegung.
Schon die Ältesten zogen von Osten gen westliche Reiche.
Folglich beginnt ihre Reise im fernen, erhabenen Hochland,
Dort, wo das Pamirplateau sich hebt zu ragenden Gipfeln,
Wo sich Gebirge verzweigen, Sogdien und Hindukusch schufen,
Tianschan aufstrebte, Himalaja ragte mit Zinnen,
Kashmirs Höhen sich wanden und reißende Ströme entsprangen.
Jaxartes und Oxus, der Etymander im Süden,
Indus gewaltig mit all seinen Nebenflüssen vereint sich,
Lenken den Lauf und die Bahnen der wandernden Stämme in Zeiten.
So war’s, dass Inder nach Süden sich wandten, zum Punjab,
Zogen hinab in das Kabul-Tal und gründeten Reiche.
Andere blieben zurück, in Baktrien oder Sogdien,
Auch in Arachosien, wo Afghanistans Berge sich türmen.
Wiederum andere schritten auf steiniger Straße nach Westen,
Folgten den Landbrücken, Chorasân bot ihnen den Pfad dar,
Bis sie im Westen sich niederließen in weiten Gefilden.
Nomaden jedoch, sie zogen hinaus in die Steppe,
Weit in das öde Turan, wo kaspische Lüfte verwehten.
Über den Kaukasus führen Hommel und Hirt die Arier einwärts,
Wähnend, sie wanderten dort in die Lande der Inder und Perser.
Prazek hingegen, obgleich sein Werk nicht ganz zu genügen
Scheinet, behauptet: Die Westiranier kamen von Norden,
Kamen vom Kaukasus her, doch die östlichen Stämme, die andern,
Zogen durch Turkestan und Bactriens östliche Weiten.
Daß die Kurden nicht jene, die Karducher einst man benannte,
Nicht Gordyener genannt, nicht Qardû in älteren Schriften,
Sondern als Kyrtier nur bei Griechen und Römern erscheinen,
Haben die Forscher enthüllt, die mit scharfen Blicken es prüften.
Alles nun stimmt mit dem Bild, das sich aus den Zeichen ergießt, die
Uns von den Stämmen der Arier bleiben aus ältester Einheit.
Bergiges Land war ihr Sitz, und sie kannten die kraftvollen Rosse,
Nutzen sie Reitern zur Lust und den Wagen zum Kampf und zum Fahren.
Ackerbau trieben sie schon und hielten die Rinder in Herden,
Jene, die führten das Volk aus der Wildnis zur Ordnung der Felder.
Steppen und öde Gefilde, die flachen, endlosen Ebenen
Taugen zum Leben für sie nicht, alles dies blieb ihnen fremde.
Doch das Höchste der Zeichen: In Bergen erblühte die Pflanze,
Deren gepreßter Saft die Geister des Menschen berauschet,
Soma genannt von den Sängern, der göttliche Trank ihrer Väter,
Neben dem Meth, das die Ahnen kannten in uralten Zeiten,
Honiggegorene Lust, die süß in den Bechern sich schäumte.
Hoch war geachtet der Soma im Brauch und im heiligen Dienste,
Tranken die Edlen ihn noch zur Zeit der vedischen Hymnen,
Deren Gesänge uns leuchten aus uralter, heiliger Ferne.
Auch die Iranier kannten den Trank, so lehret das Awesta,
Später verschwand er, doch blieb er im Kult als geheiligtes Zeichen.
Denn wo die Völker nun hausten, dort wuchs nicht mehr diese Pflanze.
Auf den Gipfeln der Berge gewann man den köstlichen Nektar,
Speziell auf Hara berezaiti, den heiligen Höhen,
Dort, wo die Lichtgötter wohnen in strahlendem, himmlischem Glanze.
Handel verband die Gebirge mit Ländern im östlichen Tale,
Zwischen dem Strom des Pendschâb und Ganges, dem fruchtbaren Flusse.
Noch ist die Pflanze verborgen, kein Forscher hat sie gefunden,
Doch die beschriebenen Zeichen verweisen nach westlichen Höhen,
Himalajas gewaltige Zinnen, die Berge Baktriens mahnen.
So bleibt wahr wohl die Kunde, daß hier die Arier wohnten,
Daß sie aus diesen Gefilden ihr wanderndes Volk einst entsandten.
Ihre Bewegung durch Lande glich jener der Indoskythen,
Gleich auch den Völkern der Türken, die später die Steppen durchzogen.
III
Als die Arier einst in den Landen erschienen, von welchen
Später ihr mächtiges Volk sich weit in die Weiten verbreitete,
Waren sie noch in der Kunst des Lebens bescheidene Kinder.
Fehlten doch Worte für Acker und Saat in den Sprachen der Ahnen,
Wenig bekannt war das Korn und das Mahlen, doch sicherlich hatten
Sie eine Weise gefunden, die Ähren des Feldes zu nutzen.
Fleisch und die Milch waren Nahrung, das Vieh ihr größter Besitzstand,
Zogen umher mit den Herden, wie heut noch die Beduinen,
Fanden die Weiden des Landes und lebten in wandernden Stämmen.
Pferde gehörten zum Schatz, sie wurden geritten, gezogen,
Rasten mit donnerndem Huf in den Kampf auf donnernden Wagen.
Helden der Stämme, die Führer der Krieger, die Häuptlinge selber,
Fuhren mit mutigem Blick auf Streitrössern in blutige Schlachten.
Schnell wie der Sturm auf den Ebenen rollte der Wagen der Krieger,
Rennspiele lobte der Sang in den Hymnen der Inder und Perser.
Hart war der Kampf um die Lande, und wo sie auf Fremdvölker trafen,
Raubten sie, mordeten, schlugen, versklavten mit mächtiger Faust sie.
Fremde Gebiete benannten sie „nichtarisch“, mieden sie völlig,
Sprachen von Feinden, von dunkler Haut und von gottlosen Horden,
Schmähten sie namenlos, rechtlos, kultlos, und kannten kein Mitleid.
Später ward aus diesen Sklaven die niedrigste Kaste der Diener,
Knechte, die stets unterjocht und verachtet den Herren gehorchten.
Dâsa hießen die Feinde, in alten Gesängen besungen,
Iranisch dâha genannt, auch dânu im Awesta klang es.
Einst aber wandelte sich das Bild in den Landen des Ostens,
Nicht mehr die Herkunft allein, sondern Sitte und Lebensart schieden
Bauern von wilden Nomaden, den Dahern der Steppen des Nordens.
Viele von jenen, die zügellos hausten in windigen Weiten,
Sprachen in Worten des Irans, von Vätern vererbt durch die Zeiten.
Stämme der Saken und Massageten, die nördlich am Flusse
Jaxartes lebten, besaßen vielleicht eine andere Sprache.
Doch was die Griechen als Skythen bezeichneten, waren Iraner,
Selbst die Sauromaten, die später nach Westen gezogen,
Trugen das Erbe des Stammes und blieben dem Blute verwandt noch.
Perser nannten sie Saken, und alle erhielten den Namen,
Nicht als Geschlecht, doch als Zeichen der Wildnis und ihrer Kulturform.
Tûrân war später der Name der weiten und windigen Steppe,
Tûra, ein Volk, das im Liede der Priester nicht selten erwähnt ward,
„Turische Räuber“ genannt und gefürchtet als Feinde der Bauern.
Doch in den Sprüchen des Sehers erscheint ein Tûra als Gläub’ger,
Frjâna hieß er, und mit ihm bekannte sich manches Geschlecht noch.
Selbst in den Sagen Irans blieb Tûrân als Feindbild der Arier,
Zeugte vom alten Gefecht zwischen Licht und den finsteren Mächten.
Herrscher von Tûrân, ein wilder, barbarischer König,
Tûra Franrasjan genannt, bei Firdusi als Afrâsiâb,
Spross des Tûr, des Eponyms, der gegen die Helden
Irâns in ewigem Kampfe gerüstet stand, bis zuletzt ihn
Hart überwältigt das Schicksal und niederstreckt in dem Tode.
Seltsam bleibt es indes, dass Darius ihn nicht erwähnte,
Ebenso Griechen, die stets von den Skythen und Saken nur redeten.
Doch das uralte Awesta, es lehrt uns: Tief in den Zeiten
Lebte der Name Tûrân, nicht fremd war er ostiranischem Brauche.
Nicht als ein Volksstamm anders geartet ward er bezeichnet,
Sondern als Nomaden, verwandt den iranischen Völkern,
Wandernd im Norden des Reichs und als Dâha später benannt.
Doch mit den Türken, die erst im sechsten Jahrhundert erschienen,
Hat dieser Name nichts, so gar nichts je zu bedeuten.
Auch gab es Nomaden sonst in der Wüste des Landes,
In den Gebirgen der Ränder – Sagartier nannte sie Herodot,
Reiter, die mit dem Lasso die Feinde fingen im Kampfe,
Niederstachen den Feind mit blitzendem Dolche sodann.
Persisch war ihre Sprache, ihr Name blieb uns erhalten,
In den Annalen der Perser als Stämme des Reiches erwähnt.
Dâha hieß man sie oft, doch war dies nicht Name der Rasse,
Nicht ihrer Sprache gar, nur war’s der Lebensweise Bezeichnung.
Griechen nannten sie Δάαι, bekannt seit Alexanders Zeiten,
Latein bewahrte das h, das klang in Dahae noch nach.
Stephanos Byzantius schrieb: „Skythisches Volk sie, Nomaden.“
Auch als Δάσαι bekannt, ein Hauch von älterer Sprache
Liegt in der Form mit s, wie Indiens Weisen sie kannten.
Tûra ward oft im heiligen Awesta tief verehret:
Fromme Seelen der Tûra, der Sairima, Dâha genannt.
Helden nannte das Buch: Franrasjan, des Tûrô Erbe,
Aredžanhat und Frârâzi, fromm in den alten Gesängen.
Iranische Namen sie trugen: Spargapises der Eine,
Sohn von Tomyris einst, so Herodot’s alte Berichte.
Massageten wie Alanen – bezeugt in Schriften der Alten,
Herodot sprach von den Skythen, die Saken riefen die Perser.
Darius’ Inschriften zeugten von Haumavarka,
Saken mit spitzer Haube, den Stämmen jenseits des Meeres.
Doch nicht getrennte Völker, wie manch einer deuten wollte,
Gleichen die Bilder den Worten, die Wahrheit ward so erkannt.
So berichtet die Kunde von Stämmen, die wandelnd im Reiche
Lange bestanden und doch im Wandel der Zeiten vergingen.
Gegensätzlich gestaltet die Erde das Volk und die Räuber,
Nordwärts Irans, wo die Stämme der Steppen die Saaten bedrohen.
Tausende Jahre vergehn, doch wandelt die Ordnung sich wenig,
Mächte, die ewig sich ringen, im unversöhnlichen Streite.
Nie wird Frieden geschlossen, kein Sieg ist dauernd errungen,
Immer von Neuem entbrennt der Kampf um Saatland und Weiden.
So ward, uralter Mythos, der Zwist der lichten und dunklen
Götter gewoben ins Lied von Iran und Turan, das erschallte,
Seit der Geschichte Beginn durch Länder und Völker getragen.
Untrennbar verbunden sind beide in Sagen und Lehren.
Doch zeigt selber der Name der Feind’ aus indischer Vorzeit,
Dass sich wandelte tief das Leben der arischen Stämme.
Länger verweilen die einen in Sitte der ältesten Väter,
Bleiben Nomaden, kulturfern, versunken in rauher Barbarei.
Sogar die skolotischen Stämme, die mächtigsten Skythen,
Die sich dem Acker vertrauten, den Pflug in die Steppe gedrungen,
Waren, so schildert Herodot weise, noch roh und zurück,
Tiefer gesunken als je die Beduinen des Südens.
Bräuche der östlichen Stämme, die rohe, grausame Sitten
Hielten in Ehren, verhießen kein Wachstum der hohen Kultur.
Frei war die Frau, und Massageten gestatteten völlig
Liebesgemeinschaft, ungebunden durch heilige Bande.
Greise erschlugen sie gar und verzehrten ihr sterbendes Leben,
Opferten Leichen den Hunden, den Geiern auf öden Gefilden.
Diese Gewohnheit, gesichert durch Lehren der zoroastrischen Priester,
Ward zum Gesetz, doch fand sich auch weit in den Landen des Indus
Bräuchlich der Totenverzicht, das Werfen ins heilige Wasser.
Schaurig erscheinen die Bilder, die Hunde bewachen die Brücken,
Wo die Seele des Toten durch dämmrige Schattenland schreitet,
Hunde des Totengottes, die Söhne der göttlichen Hündin,
Wachend und drohend – ein Bild der Barbarei, überwunden.
Doch es bestimmte die Heimat das Los und die Art ihrer Menschen.
Täler und Fluren des Ostens, die breiten, fruchtbaren Lande,
Schufen die Bauern aus Hirten, gefesselt an Pflug und Gehöfte.
Heilig war ihnen das Rind, ihr Leben, die Quelle der Nahrung,
Weit über Herrscher und Krieger geschätzt, die auf Rossen sich maßen.
Doch sang Dichtung und Mythos vom edlen, unzähmbaren Pferde,
Gaben es Göttern zum Wagen, die mächtigen Rossegespanne.
Asvins, die Retter in Not, in strahlender Hast durch die Lüfte,
Lenkten den Wagen aus lichtem Gestirn auf die irdischen Fluren.
So ward das Rind zum Gefährten des Menschen, geheiligt im Glauben,
Gab ihm die Milch und das Fleisch, bewachte das Heim und die Felder,
Hielt ihn gebunden ans Haus, an die Flur und die wachsenden Saaten.
Götter erschienen in Stieren und Kühen, der Urin des Rindes
Reinigte Seelen, geheiligt durch Dienste im frommen Gesetz.
Zoroaster befahl es: Der fromme Bauer allein
Steht dem Räuber der Steppe entgegen, bewahrt sich in Frömmigkeit.
Hoch ist die Heiligkeit jener, die heute die Kühe verehren.
Locker, doch stark war die Ordnung der arischen Siedlergemeinden,
Dörfer, verbunden durch Blut, verwoben in engere Bünde.
Gaue erhoben sich groß, doch stets war die Freiheit ihr Eigen,
Bis neue Zeiten die Völker in mächtige Reiche verbanden.
Häuptlinge stehen an Spitzen, doch ihre Gewalt ist begrenzet,
Kriegerisch herrscht ein Adel, der tapfer das Schwert zu gebrauchen.
Ob sich zu Zeiten ein mächtiges Königtum hat wohl gebildet,
Kriegen und Zügen zum Ruhm – das lässt sich nimmer erkennen.
Stets war bleibende Ordnung den seßhaften Ariern fremde,
Anders als Stämme, die fern in den Steppen des Ostens umherziehn:
Skoloten, die Saken zugleich und die mutigen Massageten.
Einheit und Ursprung der Arier, ihre Gedanken und Sitten,
Zeigen uns Veda und Avesta klar in den Namen der Götter,
Mythen, heiligen Worten, den Riten und alten Begriffen.
Forscher erschlossen das Wissen, im Dunkel der Zeiten verborgen:
Roth hat zuerst es erfasst in den Blättern der alten Gelehrten,
Kuhn und Weber sodann, auch Müller mit scharfem Verstande.
Viele beschrieben die Zeiten, das Leben der Inder im Alter:
Zimmer erhellte das Bild, Ludwig die heiligen Hymnen,
Oldenberg forschte zum Veda, das Werk der Hillebrandt deutet
Mythen, im Lichte des Mondes betrachtet, der nächtliche Führer.
Viele Gelehrte befassten sich tief mit dem alten Gedichte.
Auch für Iran ward geforscht, doch Spiegel blieb unzulänglich,
Geiger verband mit Geschick die Kunde des Awestas,
Ohne die Frage zu lösen, wie alt und wie echt es erscheine.
Nöldeke zeichnete prächtig das Epos der iranischen Ahnen.
Bühler und Kuhn vereinten das Wissen zu tieferen Einsicht,
Doch noch harrt der Geschichte ein Werk von gewaltiger Größe:
Forschen und ordnen den Stoff, das Ganze zur Einheit gestalten,
Jenes verknüpfen mit diesem und so das Vergangene deuten.
Hier muss skizzierend genügen, was einst schon gesagt ich in Schriften,
Tiefer verstand ich den Veda, doch bleibt mir vieles verborgen.
Nicht ist die Größe der Arier allein in der Seßhaftigkeit,
Noch in der Weite des Landes, das sie mit Schritten durchmaßen.
Nicht wie die Horden des Ostens, die Mongolen, die wilden Bantus,
Waren sie blinde Verbreiter, zerstreut in den Zeiten des Wandels.
Ihre Bedeutung liegt höher: Es wuchs aus dem Innersten eigen,
Freigeformt und entfaltet, kein fremder Einfluss gestaltend,
Eigen und selbstständig ward ihr Volkstum für immer gegründet.
Manche vermuten Verbindungen, Anregung aus Babylon,
Doch fehlt jede Bezeugung, kein stützender Grund ward gefunden.
Mag wohl die Güter des Landes ein ferner Händler gebracht haben,
Doch bleibt verborgen, ob solches die Arier je tieflich ergriffen.
Nicht drang die Schrift nach Osten, kein Stempel von Sinear’s Siegeln,
Nicht sind die Götter der Arier in babylonischer Prägung.
Vielmehr war’s frei und gegründet, gewachsen aus eigenem Geiste,
Schon um zweitausend vor Zeiten begann ihre innere Bildung.
Anders die Griechen: Sie traten ins Licht des Ägäischen Meeres,
Nahmen die fremden Gedanken und mischten sie ein mit den eignen.
Darum so anders geformt ist das Denken der Völker der Arier,
Tief sich abhebend vom Stamme des einstigen Urgeschlechts.
Oldenberg deutete mit Forscherblick Varuna, Mitra,
Samt den Âditjas als leuchtendes Bild von den Himmelskörpern,
Mond und Sonne zugleich, mit den fünf Planeten verbunden,
Sah darin Einflüsse fern aus Babylon niedergeworfen,
Gleich Ahura Mazda und seinen erhabenen Dienern,
Jenen sechs Ameša spenta – doch ohne Mithras Gestalt dort.
Später bewies er erneut und vertrat seine kühne Behauptung.
Doch ich folge dem nicht, denn es scheint mir anders zu liegen:
Rein abstrakte Gebilde sind Mazda samt seinen Gefährten,
Nicht aus den Wurzeln entsprossen, die Indiens Âditjas formen.
Nirgends binden sie sich an die Bahn der himmlischen Sterne,
Noch kann Varuna selbst als ein Mondgott richtig gedeutet.
Falsch ist die Hypothese, da sie aus Irrtum entstammte,
Weithin geglaubt, doch doch aus missverstandener Lehre geboren,
Falsch das Bild von Babylon, falsch auch das Walten der Sterne.
Dass der Drachen Aži dahâka in Babylon hauste,
Als ein König in Menschengestalt, mit schrecklichen Schultern,
Wo nach der sumerischen Art ihm Schlangen entwuchsen,
Nährend von Hirn der Menschen – ein späteres Bild von den Reichen,
Die auf Iran und Indien mit ihrer Macht sich ergossen.
Doch beweist das nichts für die Zeiten der Arier selber:
Denn als Indra den Drachen erschlug, als Trita ihn niederschmetterte,
War er kein Erdengeborner, kein Wesen aus Fleisch und Gebeine,
Sondern ein Bild des Chaos, das göttliche Ordnung bedrohte.
Oft schon suchte man hier nach Spuren von wahren Geschehnissen,
Doch vergeblich – denn Mär ist nicht Kunde vergangener Tage.
Sieben in großer Zahl, ob die Ršis, Ströme, Âditjas,
Sind nicht allein Babylon eigen – sie wurzeln in Menschen.
IV
Wie bei jeglichem Volk, das zur geistigen Höhe gelangte,
Zeigt sich das Walten des Geists vor allem im Heiligen Wesen.
Denn die Religion ist die mächtigste Kraft allen Lebens,
Wo sich ein jeglicher Wandel im Denken und Fühlen verdichtet.
Neuer Gedanken Gebilde gebären sich stets im Religiösen,
Jede Empfindung sucht dort ihre lebendige Formung.
Darum erkennen wir leicht aus der Heiligtümer Entwicklung
Besser als sonst ein Gebiet das geistige Wachsen der Völker.
Nicht nur lehrt die Kunde uns Götter weit mehr denn zuvor war,
Auch das Pantheon selbst gewann an Gestalten an Zahl zu.
Wilde, umherziehende Stämme, sie kennen nur Wenige:
Siehe, die tapferen Massageten verehren alleine
Nur die leuchtende Sonne und opfern ihr edelste Rosse.
Doch schon weiter gereift ist das Volk der skolotischen Skythen:
Tabiti ehrt es als Göttin des Herdes, als mächtige Königin.
Papaios folget als Herrscher des Himmels und Ahne der Fürsten,
Erdgöttin Api besteht, und Argimpasa die Hohe,
Welche der himmlischen Aphrodite gleicht in Gestalt wohl.
Herakles und Apoll gleichet das göttliche Doppel,
Und ein furchtbarer Gott des Krieges thront auf dem eisernen Schwerte,
Stehend auf Bündeln aus Reisig, und ihm zu Ehren,
Opfert das Volk, ja von hundert Gefangenen stirbt stets der eine.
Deren gemischtes Blut mit Wein wird vergossen auf Reisig.
Thagimasadas, dem Herrscher der wogenden Fluten,
Singen sie Lieder, und ebenso kennen sie Geister und Zauber.
Doch mit der Seßhaftigkeit wächst mächtiger stets das Verlangen,
Hin zu den göttlichen Mächten, sie gnädig zu stimmen mit Bitten,
Schutz zu erflehen vor drohenden Mächten, die feindlich gesinnet.
Siehe, die Ägypter taten es gleich und ebenso Semiten,
Gleich den Hellenen auch, die den gleichen Pfad nun beschritten.
Sie alle verehrten in Tiergestalt ihre Dämonen,
Rinder und Rosse, ja auch als Schlangen erschienen die Götter.
Doch unterscheidet sich hier die arische Glaubensgestalt stark:
Dort in Ägypten, in Asien fest ist die Gottheit gebunden,
Wirkt nur an heiliger Stätte, an ihrem Ort fest verwurzelt.
Nicht so die arischen Götter, sie schreiten durch Himmel und Erde,
Kommen herbei, wenn man ruft, und helfen, wann immer sie wollen.
Nie ist an Örtlichkeit je die Macht des Göttlichen haftend,
Vielmehr ist allumfassend das Wirken, das Göttliche walten.
Dies auch erklärt, weshalb keine Ehrerbietung dem Baume
Ward je zuteil, wie es einst die Ägypter und Syrer vollzogen.
Fest in der Wurzel stehend vermag er sich nicht zu bewegen,
Daher fehlt ihm die göttliche Kraft, die frei sich entfaltet.
Doch nicht so die Tiere: Sie gleiten hinweg durch die Weiten,
Dennoch sind sie nur Zeichen der Götter, nicht selbst ihre Wesen.
Siehe, Indra erscheint nicht als Stier, noch Asvins als Rosse,
Sondern im himmlischen Reich sie wohnen, doch ähneln sie jenen.
Nie ward das Tier als Gott selbst verehrt in den arischen Reichen,
Wie es bei Syrern geschah oder gar in Ägyptens Gefilden.
Tief von Bedeutung ist’s, daß unter den Ariern frühe
Priester sich bildeten, die, berufen zum heil’gen Amte,
Mächtig der Sprüche Gewalt und der heiligen Riten,
Götter zu zwingen verstand und Geister zu bannen vermochte.
Aus den Zauberern wuchs ihr Stand, aus jenen, die wussten,
Welche Beschwörung gilt, um Mächte sich dienstbar zu machen.
Nie hat sich dieser Charakter verloren, stets war ihr Mittel
Zauberspruch (Mantra) und Ritus, mit wachsendem Prunk vollzogen,
Den nur sie kannten, geweiht, und keiner vermochte,
Ohne sie Götter zu rufen, kein Opfer erlangte Erhörung.
Lohnreich war ihr Beruf, gesichert war ihr Bestehen;
Niemals duldeten sie, dass andre die Weihen erteilten.
Jegliches Werk, das Frucht und Segen dem Menschen versprach,
Musste ihr Wort und Gebet, ihr heiliger Segen begleiten.
Also geschah’s, daß ihre Gewalt von allen geachtet,
Selbst ein Stand sie wurden, erhaben und frei in der Ordnung,
Gleich dem Adel der Krieger, die ohne sie nichts vollbrachten.
Wachsend blieb ihr Wissen, vertiefend formte die Lehre
Klassenzweige heraus, doch zwei sind ältester Herkunft:
Feuerzünder zuerst (Atharvan, der Flamme Hüter),
Der in heiliger Glut das Opferfeuer entzündet,
Böse vertreibend zugleich und Götter hernieder rufend.
Doch in Westiran ward zum Namen der Magier er selbst,
Wie der Kohen bei Israels Stamm dem Lewiten wich.
Daneben steht der Rufer (Hôtar), der Gabe spendet,
Betend die Namen der Götter mit freiem Gesange erhebend.
Mehr als Zauberer waren sie nun, denn Führer des Geistes
Ward ihr Stand und formte das Bild der göttlichen Mächte,
Gab den Namen und Zeichen den Wesen, schuf die Pantheons
Und gestaltete so der Götter Bild und Bedeutung.
Nicht in Bruch mit der Lehre geschah dies, sondern im Wandel,
Tief und stetig, mit jedem Lied und jedem Hymnus.
Aus dem Volk kam die Wurzel, doch sie war es, die wuchs,
War es, die breitete Äste, die reifend Früchte darbot,
Bis die großen Religionen erwuchsen aus ihrem Schoße,
Zoroasters Lehre und Indiens heilige Wege.
Doch nicht nur göttlicher Dienst lag hegend in ihrer Hand:
Ärzte waren sie auch, sie kannten den Lauf der Gestirne,
Folgten des Mondes Bahn und wussten den rechten Kalender.
Doch das Größte blieb: das Opfer, Gebet und Hymnus,
Götter zu zwingen, Dämonen zu bändigen wußten.
Zwei nur ragten heraus aus all den verehrten Gewalten,
Die im Ritus entsprossen: Agni, das göttliche Feuer,
Und der Opfertrank, der heilige, rauschende Soma.
Feuer ward stets entzündet, reibend aus heiliger Wurzel,
Stets von neuem geboren, und stets doch blieb es dasselbe,
Lodernd aufsteigend gen Himmel, läuternd im glühenden Opfer.
Soma gleich ihm: der Trank, der in glühender Wonne
Menschlichen Geist erhellt, ihn hebt zu göttlicher Schauung,
Mut ihm verleiht und himmlische Weisheit erblühen lässt.
Auch die Götter vollbrachten die herrlichsten Taten des Lebens,
nur mit Hilfe des Rauschs, im Taumel berauschender Kräfte.
Allen voran war Indra, der mächtige Schlächter des Drachen,
denn er trank vom Soma und wurde gestählt für die Kämpfe.
Opfer ist er den Göttern, das höchste, das köstlichste Opfer,
weil er ihnen verleiht die Kraft zum Streit mit den Feinden.
Feuer und Somatrank sind die Gaben, die höchsten der Himmel,
Menschen gespendet zum Heil, doch selber den Göttern so wertvoll.
Dämonen hielten sie einst in dunkler Verborgenheit heimlich,
listig entrissen die Götter sie oder erstritten im Kampfe,
oder der Adler entriss mit rasendem Fluge die Schätze.
Doch in der Welt verkehrt sich das einstige göttliche Walten:
Opferspeise bedürfen die Himmlischen, Agni beruft sie,
Menschen reichen den Trank, den göttlichen, unentbehrlich.
So ward Soma ein Gott, der mächtigste unter den Seinen,
freundlich dem Freund, doch schrecklich dem Feind, der Spender von Leben,
Heil und Freude, von ewiger Kraft und göttlicher Einsicht.
Dennoch gründet sich so ein seltsamer Wechsel der Ordnung:
Götter sind nicht nur Herren, sie brauchen der Sterblichen Gaben.
Wahrheit, die zaghaft sich regt, doch später sich weit ausbreitet,
wichtig dem Volk, das wuchs und sein Götterbild wandelnd erschuf.
Neben den alten Göttern erheben sich andere Mächte,
Walten in Menschen Geschick und formen die heiligen Ordnungen.
Mitra und Varuna stehen für Recht und Sitte der Völker,
Mitra, der Herr des Vertrags, der bindet die Menschen und Staaten,
Varuna, Wächter des Schwurs, den keiner zu brechen vermag.
Eng sind beide verknüpft, in Hymnen als Einheit gepriesen,
Mitra-Varuna herrschen als eins in vedischer Weihe.
Zoroasters Lehre vergaß den Namen des einen,
Doch in den Zeiten zuvor war Varuna göttliche Macht.
Ahura Mazda erhebt sich an Mithras mächtige Seite,
Herr der Weisheit genannt, im Iran als Ahura gepriesen.
Asura war er genannt, ein Wort, das später verkehrte,
Feindliche Dämonen umschloss und finstere Mächte.
Einst aber schmückte es Götter, Varuna selbst und den Mitra,
Jene, die Âditjas sind, die Sieben, erhaben und strahlend.
Doch nicht bloß geistige Wesen, auch Mächte der Schöpfung sie waren,
Mitra in leuchtender Sonne, der Lichtglanz heiligt sein Wesen.
Varuna aber im Wasser, das ihn umhüllt und umflutet,
Schwüre empfängt er im Strom, wie Styx es den Göttern gebietet.
Meeresgott ward er dann, doch einst der allsehende Richter,
Himmelsthronend, gerecht, kein Lug entgeht seinem Auge.
Mit Mitra lenkt er den Wagen, die Sonne ist sein Auge,
Mitra gebietet dem Tag, doch Varuna herrscht in der Nacht.
Er ist der Hüter der Ordnung, der Schwur und Verträge bewahret,
Hält die Geschicke der Welt, die Wesen im ewigen Kreise.
„Luft in den Wäldern geordnet, die Eile den Rossen geschenket,
Milch in die Kühe gefüllt, in Wasser das lebende Feuer,
Sonne am Himmel gesetzt, auf Bergen schimmert der Soma.“
Solcherart König der Götter, der Indra selbst widerstreitet,
Herrscher der Weisheit und Macht, des göttlichen Urrechts Bewahrer.
Daevas und Asuren, zwei Mächte in ewigem Ringen,
Asura, „Herr“ seiner Art, sein Name spricht von Gewalt.
Indra, der stürmische Krieger, Blitz und Donner gebietend,
Varuna, göttliche Ordnung, die heilig waltet in allem.
Doch nicht als reine Idee, als Wesen tritt sie uns nahe,
Mächtig verknüpft mit der Welt, in Widersprüchen gefangen.
Zoroaster erfasste die Reinheit in Mazda allein.
Jene Gewalten entstanden im Streit der Stämme und Völker,
Daevas mit Asuren vereint in hymnenbesungenen Zeiten.
Doch ihre Wege getrennt: für Indiens späte Religionen
Ward Varuna zum Herrn des Meeres, von Indra geschieden.
Zoroaster verwarf die Daevas, machte sie finstere Dämonen,
Indien stieß die Asuren hinab in die Tiefe der Hölle.
Doch nicht waren sie alt und verdrängt, wie mancher es dachte,
Jünger noch sind sie als Indra, gehören der späten Erkenntnis.
Denn in der Wurzel der Zeiten reicht Indra zurück in die Ahnen,
Mitra und Varuna sind die Götter der neuen Idee.
Mit ihnen tritt ein spekulatives Moment in die Götter,
Das sich später entfaltet in zahllosen göttlichen Wesen,
Deren Wurzeln hinauf in die uralten Zeiten hinaufreichen.
Sieh, so war Puramdhi, die Göttin der himmlischen Fülle,
Wie im Awestischen Parendi, der Schätze Bewahrerin, galt.
Wer es erforschen will, schaue in Hillebrandts Werke,
Siehe die Schriften von Darmesteter, Ormazd und Ahriman,
Und von Oldenberg mehr zur Religion der Veden geschrieben.
Pischel verweigert dem Varuna gänzlich das Meeresgebiet,
Meillet bewies, dass Mitra der heilige Wächter des Bundes,
Jener geheimnisvoll zwingenden Macht der Verträge, sei.
Varuna ist nun der Gott, der den Eid und den Schwur überwachet,
Lüders erklärte es einst in der Akademie Rede.
Auch in diesen Gestalten erhebt sich das Denken zur Ordnung,
Die über allem Getobe der wilden Dämonen erstrahlet,
Die in beständiger Gleichheit und ewigen Regeln sich zeiget.
Ordnung, das arische Arta, das Rta der alten Inder,
Wird durch Mitra und Varuna stetig geschaffen, erhalten.
Ahura Mazda regiert es gemäß der Lehre Zarathustras.
Glauben an rituelle Kraft und die Macht der Gebete
Schuf sich ein ewiges Bild von der stets unerschütterten Ordnung.
Weit über Zauber hinaus geht sie und hebt ihn zuletzt auf,
Denn an die Stelle des Willkürtriebs tritt nun die Regel,
Welche der Mensch nur erkennt und sich ihr dann unterzuordnen
Wagt, um sein Leben zu meistern, die Kräfte der Welt zu bewegen.
So erhebt sich der Sinn für die heilige Ordnung des Kosmos,
Reicht von den Menschen hinauf zu den Göttern, die sich ihr beugen,
Wider sie kämpfen die Dämonen, doch unterliegen sie stets,
Denn nur in Trug und in Täuschung besteht ihr elendes Wesen.
Worte, Gedanken, Werke in Güte sind ihre Gegner,
Deren Bedeutung im Veda und Awesta gleich hoch steht.
Kult und Gesetz sind vereint, und der rituelle Gehorsam
Trägt schon das sittliche Sein in sich, das sich weiter entfaltet.
Arta ist Ordnung, vergleichbar der Ma'at Ägyptens,
Oder der Themis, der strengen, die Griechen für Recht und Gesetz gilt.
Und der Verstorbene, ja, sein Geist, der ihn einst durchwehete,
Wandelt als Schattengestalt, als gespenstisches Wesen umher,
Schreckt oder segnet die Nachkommen je nach Verehrung.
Wandelnde Toten gibt es schon in den Zeiten der Ahnen.
Bestattung oder Verbrennen, beides war ihnen bekannt,
Doch in den Veden wird einzig das heil'ge Feuer gepriesen.
Zoroastrier nannten den Turm, wo die Leichen vergehen,
Dakhma, ein Zeichen, dass einst auch das Feuer für sie heilig war.
Tief in den Reichen des Todes, da herrscht der gerechte Jama,
Sohn des Vivasvant, den seine Hunde begleiten und führen,
Wenn sich das Leben erfüllt und der Sterbende scheidet von hinnen.
Aber die Väter vermögen von hier aus Kindern zu segnen,
Rufen sie diese herbei, doch bleiben sie fremde Erscheinung,
Deren Berührung der Lebende meidet in scheuerem Schauder.
Jama, der Herr der Toten, war selbst der erste der Sterblichen,
Erster war er als Mensch und nach priesterlicher Lehre
Erster, der opfernd das Heil den kommenden Zeiten bereitete.
Schwester Jamî gebar ihm die Menschen, die Erde zu füllen.
Einstmals herrschte er mächtig auf Erden als König der Reiche,
Friedlich war jene Zeit, ohne Wandel, Entbehrung und Kämpfe,
So dass die Sage von goldenen Tagen der Vorzeit erzählt.
Seltsam erscheint der Widerspruch dennoch: Mensch war der Erste,
Vater besaß er, Vivasvant war es, der ihn einst zeugte.
Menschen gebären nur Menschen, und stets gehört jedem Namen
Auch der Name des Vaters – dies ist der ewige Brauch.
Jama, der Sohn des Vivasvant, lebt auch in des Awesta
Alten Versen als Jima, der Sohn des erhabenen Vîvanhant.
Schwester Jimî erscheint in der Sage als Jimek der Alten,
Und aus dem Jima ward Džemšîd, König von Irans Reichen.
Irrtum war es, in diesen Gestalten Götter zu suchen,
Sonne und Mond gar – Oldenberg deutete richtig ihr Wesen.
Arachosien barg in den Gräbern die Toten mit Ehren,
Perser bedeckten mit Wachs die Leichen, so schildert Herodot,
Cicero spricht davon, ebenso alt ist der Brauch der Skythen,
Die ihre Könige so in Felsigen Gräbern bestatteten.
V
»Wein ist den Persern gar lieb«, so spricht der Herodot weise,
»Trunken beraten sie stets die gewichtigsten Dinge des Staates,
Nüchtern am Morgen erwägen sie dann noch einmal das Urteil.«
Ähnliches wird von den Germanen gesagt und den Ahnen,
Die aus indogermanischem Geist das Erbe bewahrten.
Doch bei den Ariern wuchs dies alles zu heiliger Höhe,
Ward zu dem Somakult, der prägte die Glaubensgebäude,
Nah verwandt mit dem Dionysosdienst der Hellenen,
Doch in sich selbst ganz anders geformt und verschieden.
Jener verkörpert den Geist des Weins als göttliche Kraft nur,
Soma jedoch ist selbst die Gottheit, lebendig im Tranke,
Den die Menschen gepreßt aus der Pflanze, in welchem er wohnet,
So wie Agni im Feuer der Flamme verborgen sich zeigt.
Wieder und wieder ersteht er, mächtig entflammt er die Seelen,
Doch ist er dennoch vom Opfer der Menschen stets abhängig.
Dies ist die Art jener Religion, die in Weiten
Arier Denken und Glauben durchwaltet von tiefster Erkenntnis.
Schon bei den Ahnen bestand nicht jene Kluft zwischen Wesen,
Welche die Sumerer kannten, Ägypter, Semiten, die Götter
Fern von den Menschen gestellt, in himmlischer Ferne entrückt.
Enger stand hier die Verbindung, die Arier trieben sie weiter,
Götter sind Menschen, erhoben in mächtiger Kraft nur;
So erdachten die Griechen sich Zeus, so Nordens Germanen
Sahen in Odin nicht Wesen, das Menschen unähnlich gewesen.
Aber den Ariern ward das göttliche Tun nur verständlich,
Wenn es gemeinsam mit Menschen geschah, in wechselseitigem Wirken.
So ward der Glaube zum Denken, zur forschenden Spekulation,
Welche die Rätsel der Welt ergründet und Formen erschafft.
Tragend die Kraft der Phantasie, das Erbteil der Ahnen,
Schuf sich die Religion, erschloß sich die Tiefen der Weisheit.
Hier steht Indien, dort das Land der Iranier trennend
Teilet sich Geist und Glauben in völlig entgegengesetzte
Richtungen, aus der einstigen Einheit gewachsen.
Mystische Schau in sich selbst und tiefste Versenkung
Prägten die Inder, die Welt erschien ihnen als Nichts nur,
Eitles Gebilde des Scheins, im Innern allein die Erlösung.
Iran aber schaute das Leben, das Handeln, die Pflichten,
Ethische Mächte ersetztem die Götter der Ahnen mit Würde.
Dienend der Wahrheit und Tat, in heiliger Schöpfung des Wirkens
Stand er dem Leben zu, das Indiens Weise verneinten.
Nicht nur die Lehre des großen Zoroaster, das Wort des
mächtigen Darius bezeugt uns den tiefen, unendlichen Gegensatz,
sondern genauso der Sufis erhabener Pantheismus:
Stets ist er positiv, das Leben bejaht er mit Freude,
Welt und Geschick umarmt er, die Einheit mit göttlichem Schöpfer
bleibt ihm das höchste Ideal, das Ziel all seines Strebens.
Indien aber verneint die Welt und das Leben, sein Trachten
sucht nur das Ende des Seins, das Leiden und Dasein ihm Qual ist.
Darum lebte der Perser Geschichte voll mächtiger Wirkung,
prägte die Zeiten, bewegte die Welt mit schaffender Kraftkraft,
während Indien, nach innen gekehrt, sich niemals erhob hat,
weder zum Staat, zur Tat, noch zur wirklichen politischen Ordnung.
Gleich indes bleibt beiderer Sinn für das hohe Gedanken-
reiche der Welt: denn beide verachten das Einzelgeschehen,
und so schufen sie nicht eine große geschichtliche Dichtung.
Doch wie entfaltet sich all dieser Zwiespalt und schuf er
letztlich die Trennung? – Gewiß ist, daß er sie vollendete,
wenn wir auch nicht sein erstes Erwachen genau mehr erkennen.
Sieh nur: Bei Indiens Völkern gebieten im alten Veda
mächtig die Devas, an ihrer Spitze der herrschende Indra,
Mitra wie Varuna streben umsonst nach höchstem Vorrecht.
Asuras selbst erscheinen bereits als Feinde, von Indra
tief überwunden, und später versanken sie gänzlich zu Dämonen.
Anders in Persien: Ahura ward dort zum erhabenen Gotte,
Mithra, sein lichtvoller Helfer, stand hoch an der göttlichen Seite,
während die Daevas, als Teufel verflucht, in das Dunkel gestoßen,
Indra mitsamt Nasatya, verdammt zu den niederen Geistern.
Zoroaster vollendete dies, doch lange zuvor schon
hatte der Wandel begonnen, wenn wir auch sein Werden nicht schauen.