JAPANISCHE GÖTTER


VON TORSTEN SCHWANKE


I


Chaos trieb umher,

Schilfknospe sprang aus dem Nichts,

Götter erwachten.


Trennend steigt der Geist,

leichtes steigt hoch, schweres sinkt –

Himmel und Erde.


Vier Paare gebar

das endlose Göttersein,

Wogen und Lüfte.


Brücke schwebt im Licht,

Lanze rührt die wilde Flut,

Insel ward geboren.


Berg als Grundpfeiler,

ringsherum kreist Götterpaar,

Leben erblühet.


Fehler in der Zeit,

Kind aus Schilf dem Meer gegeben,

Wunsch nach neuer Saat.


Worte neu gewählt,

Mann erhebt die erste Stimm’,

Reiche entstehen.


Sonne steigt empor,

Bruder folgt im sanften Glanz,

Nacht weicht hellem Tag.


Feuer stürzt herab,

Mutter sinkt in tiefe Nacht,

Götter klagen laut.


Vater sieht ihr Grab,

stieg hinab und floh entsetzt,

Trennung bleibt für stets.


Tausend müssen geh’n,

doch gebiert der Weltgeist mehr,

Leben strömt hinaus.


Ruhe kehrt nun ein,

Götter thronen in den Höh’n,

Welt ist nun geformt.



II


Feuergott zerfällt,

Blut spritzt über das Land hin,

Götter ersteh’n neu.


Ackerland erwacht,

aus dem Strom von rotem Blut

wächst die reiche Saat.


Ukemotschi naht,

ihre Gabe spendet Kraft,

Erde wird genährt.


Mondgott steigt herab,

hungrig nach der Speise sucht

er die Göttin auf.


Sie neigt sich dem Meer,

Fische gleiten aus dem Mund,

glänzend, schuppenreich.


Wälder sind ihr Ruf,

Federn und Pelz sprießen auf,

Berge geben Preis.


Reis aus flachem Feld,

goldne Ähren, reif und schwer,

Speise für die Welt.


Tische fein gedeckt,

Speisen duften, dargebracht,

doch der Gott verachtet.


Zornig schlägt er zu,

Schwert zerreißt, was Leben gab,

Blut benetzt die Erde.


Himmel hört die Tat,

Sonnengöttin wendet sich,

Licht trennt sich von Nacht.


Doch im Leib der Frau

schläft ein Wunder unbemerkt,

neues Leben keimt.


Pferd und Rind entstehn,

Maulbeerbaum an Augenbraun’,

Hirse, Bohnen sprießen.


Götter staunen tief,

bringen reiche Frucht empor,

Saat wird nun verteilt.


Himmel und die Erd’

trinken gleichermaßen Licht,

Segen breitet sich.


Tempel ragen auf,

Füchse wachen still und treu,

Inari lebt fort.



III


Sosanoo kam

wild zum Himmel geschritten,

Amaterasu bangt.


Er will nicht herrschen,

nur friedlich die Schwester sehn,

sie glaubt ihm doch nicht.


Götter entstehen

aus Perlen und scharfem Stahl,

so schließt sich der Bund.


Felder des Himmels,

Sonne strahlt auf ihre Saat,

Regen flutet sein.


Neid füllt sein Herz nun,

Pferde fressen reife Frucht,

Grenzen verrückt er.


Die gütige Lichtfrau

trägt in Stille den Spott,

doch der Frevel wächst.


Ein heiliges Fohlen,

seiner Haut grob beraubt,

stürzt durch ihr Dach ein.


Erschrocken flieht sie

in die dunkle Felshöhle,

die Welt wird schwarz nun.


Ratlos versammeln

sich Götter am Himmelsstrom,

Licht muss zurückkehrn.


Spiegel wird geformt,

Perlen leuchten an Bäumen,

Tanz hebt sich empor.


Uzume springt hoch,

lacht, stampft und entblößt sich wild,

Götter erzittern.


Gelächter tobt laut,

die Sonne lauscht, staunt und fragt:

"Was erhellt die Welt?"


"Eine, die strahlend

deinen Ruhm überglänzt!"

spricht Uzume klug.


Neugierig schiebt sie

das Tor auf, erblickt ihr Bild,

die Götter greifen.


Tajikarao

reißt das schwere Tor hinweg,

Licht flutet hinaus.


Mit Stroh ward gebannt,

dass kein Schatten sie je rief,

Sonne bleibt stets da.


Sosanoo fiel,

wurde gebannt, musste ziehn,

nass, barfüßig fort.


Regen fällt auf ihn,

kein Gott reicht ihm eine Hand,

die Erde bleibt fremd.


Doch die Lichtgöttin

verzeiht schließlich seine Schuld

und entlässt ihn frei.



IV


Verbannt vom Himmel,

stieg Sosanoo herab

auf die Erde nun.


Korea durchstreift,

blieb er dort nicht allzu lang,

zog nach Idzumo.


Am Fluss sah er sie,

Essstäbchen im Strom treibend –

„Hier gibt es Menschen!“


Neugierig ging er,

horchte bald auf lautes Weh,

folgte den Stimmen.


Ein Greis mit Frau saß,

weinend mit der schönen Maid,

die Tochter ihr Leid.


„Sieben sind schon fort,

der Drache nahm sie uns fort,

bald auch die Letzte.“


Acht Köpfe, acht Augen,

wie rote Beeren leuchtend,

das Biest kam stets bald.


Sosanoo sprach:

„Ich will sie erretten euch,

gebt mir zur Frau sie.“


Dankbar gaben sie

die Tochter ihm zur Gemahl’,

wenn er sie rettet.


Acht Bottiche Sake,

acht offene Zimmer baute

Sosanoo klug.


Das Ungeheuer

sah das Spiegelbild darin,

stürzte sich darauf.


Bottich für Bottich,

Sake floss in seine Kehle,

bis er betrunken.


Nun zog er sein Schwert,

hieb acht Köpfe mit Kraft ab,

das Biest fiel leblos.


Im Schweif lag ein Schwert,

strahlend und von hohem Wert,

das Wolkenschwert nun.


Der Schwester gesandt,

ward es ein heiliger Schatz

des Herrschergeschlechts.


Sosanoo blieb,

baut’ ein Haus und dichtete

vom Sieg und vom Glück.


Er fand sein Glück hier,

sein Sohn ward Ahn eines Reichs,

ein Erbe begann.



V


Vom Himmel verbannt,

zieht Sosanoo zur Erde,

Kinder begleiten.


Die Töchter säen,

füllen die Welt mit Samen,

Leben erblühet.


Itakeru zieht,

wandert nach Japan hinfort,

Segensspur folget.


Kiuschiu empfängt,

erste Saatkörner sprießen,

grüne Gärten blüh’n.


Berge in Frische,

Gräser wie Wellen im Wind,

goldene Felder.


Gott mit Ehrennam’,

Wächter der sprießenden Welt,

ruht in Kii-Land.


Sosanoo schaut,

will nicht hinter Kindern steh’n,

schafft mit rauhem Haar.


Kampfer und Sugi,

hoch und stark für Schiff und Haus,

wachsen zum Himmel.


Schätze sind rar hier,

Gold und Silber fehlen sehr,

doch Holz wird Segen.


Schiffe gebaut nun,

holen die fehlenden Gaben,

weiten das Reich aus.


Fruchtbäume reif sind,

achtzig Gaben für Menschen,

Speise der Götter.


Dann zieht er hinauf,

auf den Wolkenberg hinan,

kehrt heim zur Tiefe.



VI


Ookuninuschi, 

Landesherr und kühner Geist, 

achtzig Feinde sah.


Brüder voll Neid sind, 

unterdrücken ihn mit Hass, 

Herz aus kaltem Stein.


Armer Knabe litt, 

Mutter konnte nicht bewahr'n, 

schwere Last er trug.


Prinzessin so schön,

in Inaba war ihr Sitz, 

Freier zog hinaus.


Schwer bepackt und müd' 

folgte fern der junge Held, 

Hoffnung still im Herz.


Dort lag ein armer Hase, 

nackt und voller Schmerz, 

klagend am Wege.


Brüder lachten laut, 

gaben Ratschlag voller List: 

Bade dich im Meer.


Salz zerfraß seinen Leib, 

Wind tat sein Übriges, 

Schmerzen ohne End'.


Ookuninuschi 

sah den Hasen voller Leid, 

half mit weisem Rat.


Sanftes Schilf und Bach, 

Heilung kam mit sanftem Strom, 

Dank dem edlen Mann.


Hase sprach zu ihm: 

"Yakami wird dich erwähl'n, 

Prinz der reinen Hand."


Hof und Brüder starr, 

Yakami sprach nur zu ihm: 

"Du bist mir allein."


Neid entbrannte heiß, 

Brüder wollten Rache nun, 

Falle ward gestellt.


Feuer rollt herab, 

Felsen glühend wie ein Schwein, 

Held ward schwer verletzt.


Mutter eilte schnell, 

rief die Götter um ihr Kind, 

Hilfe ward gesandt.


Muschelbrühe half, 

Milch der Göttinnen gab Kraft, 

Leben kehrte ein.


Doch die Brüder schlau, 

neue List ersannen sie, 

Holz ward ihm zum Grab.


Baum gespalten weit,

Locke ihn in enge Furcht, 

Falle schlug nun zu.


Wieder war er tot, 

Mutter weinte voller Schmerz, 

Götter hörten sie.


Lebensatem kam, 

wieder war er schön und stark, 

doch nicht sicher hier.


Flucht nach Kii-Land, 

Wälder bargen seinen Leib, 

Brüder folgten nach.


Jagd mit Pfeilen scharf, 

Bäume waren seine Flucht, 

Nacht verbarg sein Herz.


Mutter riet ihm nun,

Tief ins Reich von Sosanoo, 

Unterwelt so schwarz.


Dort er traf die Maid, 

Suserihime so hold, 

rettet ihn mit List.


Schlangen um ihn her, 

Zauber schützte seine Haut, 

Nacht verging in Ruh.


Wespen, Gift und Tod, 

alles prallte kraftlos ab, 

Licht des Morgens kam.


Dritte Prüfung dann, 

Pfeil flog fort ins Dornendickicht, 

Feuer lodernd hoch.


Ratte sprach zu ihm:

"Erde hohl, verbirg dich tief!" 

Held verstand den Ruf.


Flammen loderten, 

Luft so heiß, der Tod so nah, 

Ratte brachte Heil.


Pfeil kehrt wohlbehalten 

in des Sosanoos Hand, 

Staunen war so groß.


So begann sein Weg, 

Landesherr in Glanz und Ruhm, 

Hase hielt sein Wort.


Im Prunksaal geführt,

Sohn mit Achtung empfangen,

Freude in der Brust.


Doch nicht ruhend saß,

lausen sollt' er dem Alten,

Vielfüßer im Haar.


Ratlos hob er auf,

Suserihime half ihm,

Beeren und Erde.


Kaute, spie es aus,

Täuschte den strengen Schwiegervater,

Mut ward ihm erkannt.


Schlaf umfing den Herrn,

Haar an Pfosten gebunden,

Listig die Flucht naht.


Tür mit Stein verriegelt,

Fünfhundert wohl kaum hoben,

Rannte in die Nacht.


Frau auf Rücken hoch,

Schwert und Bogen in den Händen,

Koto mitgeführt.


Klang verriet den Lauf,

Donnernd erbebte die Welt,

Haus stürzt in Trümmer.


Sosanoo erwacht,

Balken fesseln ihn noch fest,

Zeit für Flucht gewann.


Grenzfluss weit voraus,

Ruf des Vaters folgt dem Sohn:

„Mutig bist du wahr!“


„Schwert in Hand, zum Krieg,

Brüder jage zur Tiefe,

Japan sei dein Land!"


Rief die Tochter sein,

Machte sie zur ersten Frau,

Bald auch eine mehr.


Eifersucht erwacht,

Zweite Frau verließ das Haus,

Sohn zurückgelassen.


Neues Ziel gesucht,

Nunakawa ihm geweiht,

Lied zur Nacht erklang.


Antwort aus dem Haus,

Hoffnung sang die schöne Maid,

Morgen Hochzeit war.


Eifersucht entbrannt,

Suserihime tobte,

Doch sie blieb zurück.


Idzumo verließ,

Lied des Abschieds sang er laut,

Tränen in den Klang.


Sake reichte sie,

Eifersucht ließ sie nun los,

Schale hing als Mahn.


Göttin neu gefreit,

Söhne, Töchter edler Art,

Landesgötter wurd'n.


Land zum Glanz gebaut,

Doch er wusste keinen Rat,

Zweifel in der Brust.


Winzling kam vom Meer,

Bohnenschote war sein Boot,

Hilfe bot er an.


Heilkraft lehrt er bald,

Wahrsagkunst den Menschen gab,

Land ward wohl bestell’t.


Doch er sprach zuletzt:

„Nicht vollendet ist das Werk!"

Sprang ins Hirsefeld.


Wolken trugen ihn,

Fern in sel'ger Inselwelt,

Frühling ewiglich.


Ookuninuschi,

Einsam und mit Seelenschmerz,

Rief um Rat empor.


Glanz erhellt das Meer,

Omiwa, der große Geist,

Steigt empor zu ihm.


„Ohne mich kein Werk,

Tempel sei mein Ruheort,

Dann bleib' ich bei dir."


Berg Mimoro rief,

Tempel ward aus Stein gebaut,

Geist zog dort hinein.


Leben wuchs daraus,

Land erblühte weit und schön,

Doch die Zeit verging.


Herrschaft endete,

Götter waren ihm noch nah,

Ewig blieb sein Werk.



VII


Ookuninuschi,

wohl bedacht, die Welt zu schmücken,

hielt sie für geordnet.


Doch der Himmel sah,

wie die Erde wild erbraust,

Unruh' allenthalben.


Pflanzen flüstern laut,

Geister summen durch die Luft,

Nacht glimmt voller Glanz.


"Es muss anders sein!"

Sprach der Himmelsgeist voll Grimm,

Amaterasu nickt.


Rat im Himmel schallt,

Sendet einen Herrscher aus,

Ordnung sei gebracht.


Oschihomi geht,

tritt die Brücke in den Sturm,

doch er kehrt zurück.


"Sende einen andern!"

Er bat bang den hohen Rat,

Sein Herz floh zurück.


Nun Ninigi selbst,

hoch erzogen und bedacht,

sollt' die Erde führen.


Doch zuerst soll sein

Weg von andern geebnet,

Amenohohi steigt.


Nieder auf die Welt,

sah er, wie das Leben ruft,

bald vergaß er sich.


Drei Jahr' kam kein Wort,

also sendet Himmel aus

seinen eignen Sohn.


Doch auch dieser fiel,

liebte irdischen Genuss,

und vergaß sein Ziel.


Jetzt ward auserkoren

Amewakahiko stark,

Gabe: Bogen, Pfeil.


Schoss die Feinde fort,

doch sein Herz ward bald betört,

er vergaß sein Ziel.


Freund der Erd' er ward,

heiratete Göttermaid,

acht Jahr' schwand sein Ruf.


Fasan kam herab,

zu erkunden seinen Sinn,

Hirse lenkte ihn.


Also kam die Henn'

und rief laut: "Warum kein Wort?"

Doch er hörte nicht.


Böse Zung' sprach laut:

"Töte diesen frechen Vogel!"

Pfeil traf mittenherz.


Doch der Pfeil entfloh,

hoch hinauf ins Himmelslicht,

am Götterfuß lag.


"Ob er treu noch ist?"

Sprach die hohe Sonnengottheit,

warf den Pfeil zurück.


Wenn er schuldig sei,

solle ihn der Pfeil nun treffen,

schlief er, ward er tot.


Laut die Witwe schrie,

ihr Weh hallte hoch hinauf,

in den Himmelsraum.


Vater trug den Sohn,

hob ihn auf mit Sturmeskraft,

baute Trauerhaus.


Ajischiki kam,

glich dem Toten bis aufs Haar,

Frau und Kind umfing.


"Haltet mich für ihn?!"

Rief er zornig und zerbrach

Haus aus Schmerz und Wut.


Nun ward Futsunuschi

zur Erde herab gesandt,

Ordnung herzustellen.


Donnergott rief laut:

"Bin ich schwächer etwa noch?

Ich will selber geh'n!"


Himmelsrat will schlicht,

schickt nun beide in das Land,

Japan harrt darauf.


Schwert in Erde tief,

Treue schwuren sie den Göttern,

brachten ihre Ehr'.


Ookuninuschi,

Herrscher über Japans Land,

hört den Ruf zum Thron.


"Soll ich widersprechen?

Doch der Himmel will es so!"

Sein Herz wird schwer.


Sein Sohn sprach: "Ich geh'

Hinter Hecken in das Meer,

lasst mich für immer."


Nun gab er sein Reich,

Lanze ward als Gabe dargereicht,

Er zog sich zurück.


Der Himmel belohnt,

Palast hoch in Wolken schuf,

Ruhm bleibt für ihn hier.



VIII


Goldne Göttin spricht:

Steig hinab auf Erdenpfade,

trage meine Gaben!


Sieh im klaren Glas:

Blickst du in den Spiegel, sieh

mich in deinem Blick.


Perlen lichten Glanz,

Schwert aus Drachenhauch geformt,

Gaben reiner Kraft.


Ninigi tritt an,

folgt dem Weg des Himmelsstroms,

schreitet wolkenhoch.


Rote Augen glühn,

Riese steht auf Himmelsbrück',

Muth verlässt den Held.


Uzume lacht sacht,

schwingt die Hüften, tanzt und lacht,

Riese weicht zurück.


"Fürchtet mich nicht, Herr!

Ich bin Saruta, der treu,

Helfer auf dem Pfad."


Ninigi folgt Rat,

landet auf der Erde sanft,

herrscht mit weisem Blick.


Mädchen blüht am Meer,

schöne Blüte, Ninigi

begehrt ihre Hand.


Vater spricht so weise:

"Zwei sind meine holden Maid,

nimm sie beide an."


Doch die Hässlich' wies

Ninigi mit scharfen Wort,

Fluch verhallt nicht leicht.


"Blüten sind so kurz,

Leben fliehet, wie sie blühn,

Menschen sterben bald."


Lieb' ward ihm geschenkt,

Eifersucht verwirrte Herz,\nFlammen lodern hoch.


Konohana sprach:

"Rein ist meine Seele stets,

Feuer zeugt davon."


Kinder lachten hell,

Mutter trat aus Flammen klar,

Ehre ward ihr Teil.


Doch ihr Herz war kalt,

Ninigi war ihr verdammt,

Zweifel trennt das Band.


Jahre gingen fort,

Ninigi, der Erdengott,

kehrte himmelwärts.


Söhne waren da,

Hohodemi ward Herrscher,

Stern des Lebens strahlt.



IX


Sonne strahlt herab,

Ninigi steigt hernieder,

Reich in neuen Händen.


Brüder teilen Land,

Meer und Jagd, zwei Welten gleich,

Schicksal lenkt den Pfad.


Angel in den Tiefen,

Haken fort, der Sturm erhebt,

Hass wächst zwischen zwei.


Gütig zieht er fort,

Meeresflut trägt ihn hinab,

Fischpalast erwacht.


Tochter schöpft ihr Nass,

Spiegelbild im Brunnen klar,

Furcht und Liebe sprühn.


Meeresgott erkennt

Gottes Urenkel im Glanz,

Willkommen im Haus.


Fische nahn herbei,

Krankes Maul gibt preis den Schatz,

Haken längst vergraben.


Drei Jahr' unterm Meer,

Herz sehnt nach den fernen Höhn,

Abschied bricht herein.


Drache trägt ihn fort,

Steine von der Ebbe flut’n,

Macht kehrt heim zurück.


Bruder tobt und klagt,

Haken ist ihm nicht genug,

Meer ertränkt den Stolz.


Wellen steigen hoch,

Flucht auf Baum und Hügel fort,

Bitte tönt empor.


Stein der Ebbe sinkt,

Bruder tanzt mit Farb' und Spott,

Friede kehrt nun ein.


Wächter, Gaukelvolk,

Hundemenschen, stets zur Wacht,

Erben alter Zeit.


Hohodemi ging,

doch ein Wunder blieb zurück,

noch ungeschehen.


Seine Gemahlin,

Toyotamahime, sprach:

„Ich komme zu dir.“


In stürmischer Nacht,

wenn unser Sohn geboren,

steige ich empor.


„Baue mir ein Haus,

dicht am Strande will ich sein,

wenn die Wogen rufen.“


Hohodemi baute,

mit unendlicher Sorgfalt,

ein Dach aus Federn.


Leicht und doch wärmend,

herrlich glänzend im Winde,

doch es blieb unfertig.


Regen und Stürme,

brachten sie an seine Tür,

ihre Zeit war nah.


Er bat sie zu ruhn,

bis das Dach vollendet sei,

doch sie wollte nicht.


„Lass mich nun allein,

wage nicht, mich anzusehen,

bis ich dich rufe!“


Doch er war schwach und

lauschte in dunkler Stunde

ihrem schweren Keuchen.


Er sah sie winden,

nicht als Mensch, sondern als Drachen,

auf dem kalten Grund.


Furcht ließ ihn weichen,

doch als sie ihn rief, erkannte

sie seinen Verrat.


Zornig schwor sie sich,

niemals kehre sie zurück,

keine Brücke blieb.


Sie nahm ihren Sohn,

legte ihn am Strande nieder,

gab ihm einen Namen:


„Prinz vom Dach aus Federn,

unvollendet, wie dein Los,

wie mein Herz es ist.“


Dann ging sie fortwärts,

tauchte hinab ins Meerreich,

für immer verloren.


Hohodemi klagte:

„Die Ente kehrt heim,

doch die Liebste bleibt fortan

hinter blauen Fluten.“


Sehnsucht fraß ihn auf,

doch auch sie litt in der Tiefe,

schickte ihre Schwester.


Tamayori kam,

zog das Kind an ihrer Brust,

brachte ihm ein Lied.


Lied von fernem Schmerz,

von der Liebe, die noch lebt,

auch jenseits des Meers.


Doch ein alter Fluch

lag auf Ninigi’s Erben,

schwer auf ihrer Zeit.


Keiner von ihnen

sollte in reichem Alter

seine Augen schließen.


Hohodemi starb,

fünfhundert Jahre zogen

über seinen Leib.


Sein Sohn folgte ihm,

doch er liebte die, die einst

ihn in Armen hielt.


Tamayori nahm

ihn zum Mann, gebar ihm Söhne,

deren jüngster stieg.


Aus diesem Blut kam

der erste Herrscher Japans,

wie die Sagen singen.



X


Fern im Ostmeer liegt,

wo keiner den Pfad kennt, sacht

Horaisan verborgen.


Bäume ragen hoch,

auf Fusan, dem Gipfel stolz,

über Fluten weit.


Sterbliche erspäh’n,

doch der Baum vergeht im Dunst,

unerreichbar Traum.


Ew’ger Frühling blüht,

sanfte Lüfte, Himmelsglanz,

Zeit verliert die Spur.


Tod betritt nicht hier,

keine Pein, kein Weh, nur Licht,

Frieden, reine Lust.


Schwalben zieh’n dorthin,

Wildgans bringt ein Reisigbündel,

opfert an den Strand.


Seefahrt sucht vergeb’s,

Japan scheint ein Gleichnis nur,

Fujisan nicht wahr.


Jofuku entfloh,

bösem Herrscher, dunkler Zeit,

fand das ew’ge Land.


Lebte dort in Glück,

kehrte nie zum Thron zurück,

kostete das Heil.


Wasobiowe,

fischernd auf den Fluten weit,

fand den Sturm gewaltig.


Drei Tage, drei Nächt’

trieb sein Boot auf wilder See,

fern der Heimat fort.


Ohne Heimat blieb,

doch der Wind trug Düfte sacht,

Küste nahte bald.


Jofuku erschien,

sprach von jenem Land der Lust,

wies den Weg des Lichts.


Tausend Jahre floh’n,

doch der Alte sehnt’ sich fort,

suchte Sterblichkeit.


Tod war ihm verwehrt,

Fluten trugen seinen Leib,

unvergänglich fort.


Vogel groß und stark,

Storch, der ihn hinfort trug, weit

über Meere blau.


Reiche sah er viel,

Riesen lachten seiner Weis’,

stolz und wissend mehr.


Endlich Heimat nah,

Japan lag im Morgenglanz,

Herz ward froh und leicht.


Alte Kunde lebt,

Wasobiowe reitet fort,

Storch im Himmelslicht.



XI


Siebter Mondmonat,

Sterne sehnen sich, getrennt,

einmal nur vereint.


Himmelsfluss fließt sacht,

zwischen ihnen weltenweit,

ewige Trennung.


Tanabata webt,

Tochter des Himmelsgeists,

fleißig und allein.


Doch ihr Herz entbrennt,

Inkai, reicher Sternengott,

wird ihr angetraut.


Reichtum lullt sie ein,

Webstuhl schweigt, Felder ruhen,

Frohsinn hält sie fest.


Zorn des Himmelsgeists,

Fluss nun trennt die Liebenden,

Strafe ist gefällt.


Nur ein Tag im Jahr,

Brücke fliegt durch Himmelsnacht,

Herzen schlagen laut.


Doch wenn Regen fällt,

Himmelsfluss wird wild und breit,

bleibt die Brücke fort.


Tränen fließen leis’,

doch das Land ist dankbar dann,

Reis wächst prall und reich.


Mädchen flehen bang,

auf ein Los wie Tanabatas,

auf Glück, das nicht flieht.


Jahr für Jahr vergeht,

doch die Liebe bleibt bestehen,

ewig hofft ihr Blick.



XII


Glück durchdringt das Land,

sieben Götter wandeln hier,

Segen stets zur Hand.


Tempel und Bilder,

in Palästen wie in Hütten,

Glanz in dunkler Zeit.


Zauberhaft beladen,

Schätze treiben mit dem Wind,

Glück träumt in der Nacht.


Ein Seckel stets voll,

Korallen weisen den Schatz,

Schlüssel brechen Schloss.


Nelken heilen Schmerz,

Edelsteine wie das Meer,

Hut macht unsichtbar.


Fischer ruft Yebizu,

Sein Fang füttert viele Mägen,

Segensreicher Rat.


Daikoku sitzt stolz,

Hammer schwingt er voller Kraft,

Reis trägt er stets nah.


Ratten ihm ergeben,

Stechpalmen in scharfer Hand,

Oni weichen fort.


Hotei, dick und froh,

Kindern schenkt er Spiel und Glanz,

Einen Sack voller Gold.


Fächer in der Hand,

Frohsinn fließt aus seinem Blick,

Segen überall.


Schädel hoch, 

ein Blick voll Glanz,

Langes Leben schenkt.


Trank den Sake leer,

Prophezeit des Kaisers Glück,

Sternenglanz erhellt.


Fukurokuju,

Weisheit alter Zeiten führt,

Hirsch folgt seinem Pfad.


Heilig weißer Blick,

Eins mit Himmel und mit Erd',

Segen ohne End'.


Weite breitet sich,

Himmel trifft das dunkle Meer,

Sturmwind ruft zum Tanz.


Schiffe zieh’n hinaus,

Segel spannen ihre Kraft,

Wellen drohen wild.


Donner grollt von fern,

Blitze schneiden durch die Nacht,

Regen peitscht das Deck.


Männer schreien laut,

Kämpfen gegen schwarze Flut,

Ruder brechen schnell.


Doch ein Licht erwacht,

Fern im Nebel bricht ein Strahl,

Hoffnung flammt empor.


Ein verlor’nes Land

hinter grauen Felsen ruht,

still und unberührt.


Müde sind die Knie,

Salz brennt tief in ihren Wunden,

doch der Schritt geht vor.


Berge hoch und kühn,

Wälder flüstern sanft im Wind,

ein Versprechen klingt.


Schwer der Kampf der Zeit,

doch wer weitergeht, gewinnt –

so singt das Meerlied.



XIII


In Yamato einst,

ein Mann mit Schwert doch ohne

wahre Kunst des Stahls.


Tag für Tag fleht er,

Götter um Geduld bittend,

Sein Herz voll Sehnsucht.


Heil'ger Sakaki,

zweiggeschmückt, weiß wie die Rein',

ein Gott erschien ihm.


Marischiten sprach:

„Dein Gebet ward nun erhört,

ich lehre das Schwert.“


Demuth im Herzen,

der Krieger sank zu Boden,

Licht in seinem Blick.


Ein Zweig für den Gott,

ein Zweig für den Schüler nun,

tanzend durch die Luft.


Schläge, Parade,

fließend wie die Wasser fließt,

so lernt er die Kunst.


Nun ein Meister selbst,

doch ohne Glauben an ihn,

bleibt das Schwert nur leer.


Marischitens Kraft

führt die Klinge zum Ruhm hin,

betend folgt ihm nach.


So in Ehren hoch,

bleibt sein Name im Volk wach,

ewig wie der Stahl.



XIV


Ojin herrscht im Land,

Hatschiman wird Gott genannt,

Korea lauscht still.


Mädchen schläft im Feld,

Gott erblickt sie von oben,

steigt herab zu ihr.


Ehe göttlich winkt,

Mädchen freut sich tief im Herz,

Ehre leuchtet hell.


Doch kein Kind erscheint,

roter Stein liegt statt des Sohns,

Schicksal webt geheim.


Armer Mann fand ihn,

legt den Stein in seine Hand,

freut sich am Glanze.


Trägt den Schatz davon,

zieht mit Essensgabe fort,

Kuh bepackt mit Fracht.


Kronprinz eilt herbei,

Wut entflammt bei seinem Blick,

Kuh scheint ihm verrat.


Mann verteidigt sich,

reicht dem Prinzen roten Stein,

Frieden wird gewahrt.


Stein wird Göttin schön,

Amanohiboko staunt,

Liebe blüht herauf.


Zärtlich ist sie ihm,

Speisen seltsam, wunderbar,

Gaumen kostet Glück.


Doch der Hochmut wächst,

Worte klingen hart und kalt,

Göttin weint im Schmerz.


Sie verlässt sein Haus,

kehrt zu ihrem Vater heim,

Osaka empfängt.


Prinz voll Zorn ihr nach,

Götter halten ihn zurück,

Reise findet End.


Tajima wird Hort,

Zauber-Schätze glänzen hell,

Volk verehrt ihn bald.


Schöne Prinzessin,

achtzig Götter begehren,

doch ihr Herz bleibt fern.


Brüder nahen sich,

Herbst und Frühling Seite an,

bitten um ihr Hand.


Herbstgott wirbt zuerst,

doch sie weist ihn stumm zurück,

Herz bleibt kalt und starr.


Frühling hofft auf Glück,

Wette fordert Herbstgott laut,

Reiswein sei sein Preis.


Mutter hilft dem Sohn,

Fujiblüten webt sie ein,

Blütenpracht erwacht.


Prinzessin erblickt,

Frühling in den Blüten stolz,

Freude sprießt empor.


Bruder tobt vor Zorn,

Wette will er nicht mehr zahln,

Mutter spricht den Fluch.


Blätter welken fort,

Herbstgott wird zum Sterben schwach,

acht Jahr Dunkelheit.


Flehen rührt ihr Herz,

Segen kehrt am Ende ein,

Herbstgott lebt erneut.



XV


König am Meere,

mächtig, stolz auf drei Töchter,

eine am schönsten.


Doch sein Herz verführt,

er begehrt, was nicht sein soll,

Tochter bangt und fleht.


Götter hören sie,

geben ihr ein zottig Kleid,

Vater wütet sehr.


Zauberin, ruft er,

schickt den Tod, doch sie entflieht,

Nacht birgt ihre Furcht.


Küste, karges Land,

keine Seele weit und breit,

nur der Wind seufzt leis.


Einsamer Kahn dort,

fessellos im Dunkel treibt,

sie ergreift die Flucht.


Hund an ihrer Seit’,

Segel bläht sich im Wind auf,

Meer verschlingt die Spur.


Felsige Küste,

grüne Insel lockt sie an,

sie betritt das Land.


Hunger nagt an ihr,

doch der Hund bringt reiche Kost,

treu an ihrer Seit’.


Doch sie klagt erneut,

Mensch ist grausam, Tier zeigt Treu,

Tränen netzen Stein.


Hund hebt seinen Blick,

golden leuchtet sein Antlitz,

er ist ein junger Gott.


Liebend nimmt er sie,

schützt, erhebt, macht sie zur Frau,

Glück blüht in der Nacht.


Kinder wachsen stark,

bauen Boote, jagen wild,

formen ihre Welt.


Bär und Gott vereint,

lenken Brüder durch das Land,

Ehre bleibt bewahrt.


Bis zum heutigen Tag

leben sie mit stolzem Herz,

Jäger, fromm und frei.