von Torsten Schwanke
I
Es sprach der Herr zu Jonas, seinem Sohn,
„Geh' nach Ninive, verkünd' es ohne Schon;
Ihr Unrecht ist groß, ein Ruf voller Leid,
doch Jonas floh schnell, wollte nicht bereit.
Nach Tarsis, so dachte er, fort von dem Herrn,
hinab nach Jafo, sein Ziel war so fern.
Ein Schiff fand er dort, es nahm ihn mit Schwung,
und bezahlte den Fährpreis, voller Drang jung.
Doch der Herr ließ einen Wind über's Meer wehn,
und das Ungewitter ließ die Wogen stehn.
Die Matrosen, sie fürchteten sich sehr,
schrien zu ihren Göttern, um Hilfe im Heer.
Die Ladung ins Wasser, sie warfen sie fort,
um das Schiff leichter zu machen am Ort.
Doch Jonas, er schlief, tief in den Raum,
als der Kapitän kam, sprach: „Weck' auf deinen Traum!
Rufe zu deinem Gott, vielleicht hört er dich,
und uns, in der Not, lässt er nicht im Stich.“
Sie losten und fanden, dass es Jonas war,
und fragten ihn: „Warum geht’s uns so klar?
Was machst du für Gewerbe, wo kommst du her?
Aus welchem Land stammst du, gib uns die Lehre?“
Er sprach: „Ich bin Hebräer, fürchte den Herrn,
der Himmel und Meer schuf, so fern und so fern.“
Die Männer erschraken, wussten er floh,
und sprachen: „Was tun, damit's still werde so?
Das Meer tobt und wütet, immer ungestüm,
was sollen wir machen, wo ist unser Ruhm?“
Jonas sprach: „Werft mich ins Meer, dann wird’s ruh’n,
denn um meinetwillen ist das Ungewitter nun.“
Die Männer, sie ruderten stark gegen die Flut,
doch das Meer war so wild, es tat keinen Gut.
Da riefen sie laut: „Ach, Herr, lass uns nicht sterben,
um des Lebens des Mannes, lass uns nicht verderben.
Unschuldiges Blut, das rechnest du nicht an,
denn du, Herr, tust, was dir gefällt dann und wann.“
Sie nahmen Jonas, warfen ihn in die Nacht,
da wurde das Meer still, und das Ungewitter lacht.
Die Leute fürchteten Gott, brachten Opfer dar,
und gelobten ihm Ehre, so war es wunderbar.
II
Doch der Herr ließ einen großen Fisch entstehen,
der Jonas verschlang, der im Bauch nun verwehen.
Drei Tage und Nächte, das war seine Pein,
im Leibe des Fisches, allein, ganz allein.
Im Bauch des Fisches, da betete er,
zu dem Herrn, seinem Gott, mit klagender Beschwer.
„Ich rief in der Angst, Herr, zu dir empor,
und du hast mir geantwortet, hörtest mein Wort.
Aus des Todes Rachen, ich schrie zu dir laut,
und du hast mich gehört, da war ich so traurig und stout.
In die Tiefe geworfen, mitten ins Meer,
umflossen von Wogen, so hart und so schwer.
Alle deine Wellen, sie brachen über mich,
ich dachte, von dir verstoßen sei ich.
Deinen heiligen Tempel, ich sah ihn nicht mehr,
mein Herz war gefangen, es litt so sehr.
Wasser bis an die Kehle, ich fühlte die Flut,
die Tiefe umringte mich, das Schilf war mein Hut.
Ich sank zu den Gründen, zur Berge tiefer Nacht,
die Riegel der Erde, sie hielten mich sacht.
Doch du, Herr, mein Gott, hast mein Leben befreit,
aus dem Verderben zogst du mich in die Zeit.
Als meine Seele verging, dacht' ich an dich,
und mein Gebet kam zu dir, Herr, heilig und schlicht.
Die sich an das Nichtige klammern, so leer,
verlassen die Gnade, die sie einmal mehr.
Doch ich will mit Dank dir die Opfer darbringen,
meine Gelübde, oh Herr, will ich dir vollbringen.
Hilfe ist bei dem Herrn, das sage ich klar,
und der Herr sprach zum Fisch: „Spuck Jonas jetzt her!“
So wurde er ausgespien ans Land, ganz sogleich,
aus der tiefen Dunkelheit, zurück ins Lichtreich.
III
Und das Wort des Herrn sprach zu Jonas erneut,
„Mach dich auf, geh nach Ninive, sprich, was ich dir gebe heut!
Jonas gehorchte, er ging nach der Stadt,
Ninive, die große, vor Gott gewaltig und matt.
Er predigte dort und sprach in die Runde:
„In vierzig Tagen geht's zu Ende, so hör’ die Kunde!“
Die Leute von Ninive glaubten, sie fasteten,
Groß und Klein zogen den Sack an und baten.
Der König erfuhr von dem Wort, das er hörte,
Steh' auf von seinem Thron, er den Purpur ablegte, so hörte.
In Sack und Asche hüllte er sich nun,
Gab den Befehl aus: „Kein Mensch, kein Tier soll ruhn!
Sie sollen fasten, und mit vollem Herzen
Zu Gott rufen, um von bösen Wegen zu scherzen.
Wer weiß, ob Gott umkehrt von seinem Zorn,
Ob wir nicht verderben, ob uns neues Leben gebor'n?“
Gott sah ihr Tun, wie sie umkehrten voller Mangel,
Es reute ihn das Übel, das angekündigt, nicht die Klage.
IV
Doch Jonas war zornig, sehr verdrossen,
Und bat zum Herrn, als ihm Gedanken entglossen:
„Ach, Herr, darum floh ich nach Tarsis, so recht,
Weil ich wusste, dass du gnädig und barmherzig denkst.
Nimm meine Seele, lass mich lieber tot sein,
Als leben in einer Welt, die mir so schien gemein.“
Der Herr sprach: „Meinst du, dass du zu Recht zürnst?
Jonas ging hinaus und ließ sich im Osten nieder,
Er baute sich eine Hütte, wo er war wieder.
Gott ließ einen Rizinus wachsen in der Glut,
Er gab Schatten für Jonas, das tat ihm gut.
Doch am Morgen kam ein Wurm, der stach zu,
Der Rizinus verdorrte, Jonas fand kein Ruh’.
Als die Sonne brannte und der Ostwind blies,
Wünschte er sich den Tod, wollte leben nicht, das war sein Wunsch, das hieß.
Gott sprach zu Jonas: „Zürnst du zu Recht um den Baum?
Und er sprach: „Ja, zürne ich, das ist mein Traum.
Dich jammert der Rizinus, den du nicht baust,
In einer Nacht er blühte und in einer Nacht erraus!
Und mich sollte nicht jucken Ninive, die Stadt voll
Mit mehr als hundertzwanzigtausend Seelen, doch ich bin nicht toll?
Die wissen nicht, was recht oder links sei,
Dazu auch viele Tiere, schau, oh mein Gott, oh sei frei!“