VON TORSTEN SCHWANKE
I
Einstmals in alter Zeit, so meldet die Sage der Völker,
Floh aus dem fernen Tyros Elissa, die königliche Jungfrau.
Bruder verriet sie, doch fand sie Gefährten und floh übers Meere,
Lande gewann sie am Strand, wo später Karthago erblühte.
Tyros, die kühneren Männer entsandte zu fernen Gefilden,
Gründeten Utica dort an der Küste des fruchtbaren Landes.
Doch als der König verschied, da war es, dass Pygmalion, jung noch,
Thronen bestieg, den doch Elissa als Schwester begleiten
Sollte als Erbin zugleich. Sie liebte indes schon den Gatten,
Acerbas, Priester des heil’gen Melqart, reich an verborgenem
Gold, das verborgen im Erdreich lag, vor des Königs Begierde.
Doch ward das Raunen der Stadt zur Kunde im Ohr des Tyrannen,
Neidvoll sann er auf Mord, und grausam erschlug er den Priester,
Raubte das Gold und zertrat, was einst war heilig und edel.
Elissa weinte um ihn, doch barg sie den Kummer im Herzen,
Dachte des Fluchts und sprach zu dem Bruder mit listigen Worten:
"Lange zu weilen in Schmerz an den Stätten vergangener Liebe
Ist mir zu schwer, ich begehre, mein Heim nun für immer zu meiden.”
Glaubend den Worten, genehmigt Pygmalion willig ihr Flehen,
Denkend, der Reichtum des Gatten werde mit ihr ihn erreichen.
Doch in der Nacht bestieg sie die Schiffe mit treuen Gefährten,
Nahm sie das Gold und warf es hinab in die tönende Tiefe,
Rief zu Acerbas: "Empfange dies Gut als Opfer der Liebe,
Dass du im Schattenreich ruhst und rächst unser heiliges Unrecht!"
Grauen ergriff die Männer, die glaubten, die Götter erzürnten.
So gehorchten sie ihr und folgten der Fliehenden willig.
Pygmalion rühmte die Rache, und sandte die Boten des Unheils,
Doch durch das Drohen der Seher und Worte der Mutter gebannt ward
Seine Verfolgung. Die Götter versprachen der Fliehenden Segen,
Sage und Ruf des Orakels sprachen von künftiger Größe.
Weit auf den Wogen des Meers, wo Afrika düstere Küste
Dornig und fremd sich erstreckte, gelangte sie endlich
In eine Bucht, wo die wilden Stämme das Fremde willkommen
Hießen mit Handelsgeschick und Warten auf gütige Zeichen.
Klug nun ersann sich Elissa die List, um Land zu gewinnen:
Nur so viel Boden begehrt' sie, als fassbar wär' unter der Haut eines Ochsen.
Doch als der Handel gefasst, da schnitt sie die Haut in die Dünne,
Dehnte sie weit und gewann ein Stück Land, das zur Stätte erwählte.
Byrsa genannt ward der Ort, und bald schon kamen die Männer,
Siedelten sich in der Nähe, verkauften und bauten die Mauern.
Uticas Boten erschienen mit Gaben und freudigem Willen,
Sprachen: "Baue hier Stadt, wo der Zufall dich sicher geleitet!"
Doch als die Erde gegraben ward, fand sich zuerst ein Ochsenschädel:
Zeichen des Reichtums und Mühsals, der künftigen Knechtschaft.
Darum verlegt man den Grund, wo stattdessen ein Ross ward gefunden:
Zeichen des Krieges und Muts, Verheißung der künftigen Macht.
Bald schon wuchs aus der Erde die prächtige Stadt Karthago,
Häuser und Tempel erhoben sich stolz zu den höcheren Göttern.
Handel erblühte, das Volk ward mächtig, von Königen regiert,
Sagen und Mythen umwoben das Schicksal der tapferen Königin.
So ward Karthago gegründet von kluger, edler Elissa,
Welches die Väter erzählten in ehrfurchtsvoller Erinnerung.
Als die Macht der Punier durch ihre Erfolge gewachsen,
Hiarbas, König der Mauren, verlangte in Kühnheit
Elissa zum Weib und forderte zehn der Edlen
Zum feierlichen Gespräch, doch drohte er Kriege
Falls eine Weigerung käme – so sprach er in Härte.
Die Boten, fürchtend, der Königin solch eine Botschaft
Offen zu bringen, bedienten sich kluger Verschleierung:
„Einen Lehrmeister“, so sprachen sie listig, „verlange
Der König der Mauren, der seinen Barbaren und wilden
Völkern ein sittlich geordnetes Leben bereite.
Wer aber wollte der Seinen entfliehn in die Ferne?“
Zürnend rief da die Königin aus: „Ist das eure
Liebe zum Vaterland, wenn ihr dem harten Geschicke
Fliehet und scheuet den Dienst, wo euer Leben
Nötigenfalls für die Heimat zu geben bereit sein
Müsste?“ – Da sahen die Boten sich endlich gezwungen,
Alles zu beichten: „Du selbst, o Königin, bist es,
Die er verlangt, und willst du die Stadt nur retten,
Musst du vollbringen, was du von anderen forderst!“
Tief ergriffen von solchem Betrug und von Gram nun
Rief sie mit Tränen den Namen des toten Gemahls aus,
Acerbas’ Schatten beschwor sie mit flehenden Klagen.
„Dorthin gehe ich nun, wohin mein Schicksal mich rufet.“
Drei Monde nahm sie sich Zeit für ihr tragisches Ende.
Dann, als hoch aufgetürmt ein lodernder Scheiter
Brannte am Rand der Stadt, da opferte sie mit Gesängen,
Blutige Opfer dem Geist des gefallenen Gatten
Darbietend – als sei’s ein Brauch für die künftige Hochzeit.
Dann aber nahm sie ein Schwert und schritt auf den Scheiter,
Wandte den Blick auf das Volk, das weinend zuschaute,
Sprach mit erstickter Stimme: „Ich gehe nun dorthin,
Wo ihr mich sandtet – hinab zu dem Mann, den ich liebte!“
Jäh in die Brust fuhr das Schwert, und blutend sank sie.
Doch so lang’ Karthago der Römer Macht noch trotzte,
Beteten Bürger die edle Elissa als Göttin.
Stadt ward gegründet zweiundsiebzig Jahre vor Rom noch,
Tüchtig im Kriege, doch innerlich stets von Zwietracht
Heimgesucht, von Unheil und bürgerlichen Verwirrung.
Plagen befielen die Stadt, und gierig nach Hilfe
Opferten Bürger – in schändlichem Ritus – die eigenen
Kinder den Göttern, die sonst um ihr Leben erfleht man.
Blutige Schrecken entweihten der heiligen Tempel Altäre.
II
In der Jahrhundertmitte, der sechsten, da fuhr einst der Führer
Hanno, ein Admiral Karthagos, hinaus auf die See,
Lang die westliche Küste Afrikas reiste der Seefahrtsheld,
Fand einen Vulkan, der tobte, und Gorillas dazu.
Achtzehn schlichte Zeilen berichten von jener Entdeckung,
Eingemeißelt einst hoch in des Tempels geheiligte Wand.
Griechisch verfasst ward die Schrift, doch blieb sie erhalten,
Ältestes Zeugnis, verfasst von punischer Hand.
Vor den Portugiesen, zweitausend Jahre danach,
Gab es keinen Bericht, der so uns Kunde gebracht.
Städte begründete Hanno zuerst an Marokkos Gestaden,
Bald aber trieb ihn der Sturm weiter gen Süden hinab.
Nah bei der Küste von Mauretanien gründete Handel
Hanno, und weiter ging’s, forschend der Küste entlang,
Südwärts, bis Gabun er erreichte, doch Nahrung ging aus ihm,
Rückkehr blieb nur, oder Not war sein Los.
Doch schon Plinius schrieb, Hanno sei weiter gereist noch,
Habe Afrika ganz rund umsegelt gar einst.
Später verehrt' er die Götter Karthagos mit Schriften,
Sprach von den Taten, die er auf Meeren vollbracht.
Griechische Mönche bewahrten den Text in den Zeiten,
Abschrift um Abschrift, und kürzten so manches davon.
Zwei Manuskripte nur blieben, das eine in Heidelberg,
London und Paris hüten das andere noch.
Forscher versuchten die Orte zu deuten, die Hanno beschrieben,
Wo der Vulkan war, sein „Göttergespann“.
Doch nun klärt sich das Bild, und Karten bezeugen die Wege,
Zeigen den Lauf seiner Fahrt, sicher bestimmt.
III
Die Schlacht von Himera, da Syrakus mächtig erblühte,
fand im fünften Jahrhundert statt, als Herrscher Gelon
wuchs in Kraft und Gewalt, als Theron Himera bezwungen.
Karthagos Fürsten, die westliches Sizilien lenkten,
wollten den Herrscher Terillos, den einstigen, wiedereinsetzen.
Hamilkar führte die Heere, gewaltig an Zahl und an Stärke,
rüstete Flotten und Krieger im westlichen Teil der Insel,
zog gen Himera heran und begann, die Stadt zu belagern.
Doch Theron hielt sie mit Macht, und Gelon rüstete eilends.
Selinus’ Griechen, so dachten Karthagos tapfere Krieger,
brächten Entsatz, doch täuschten sie sich in der Hoffnung gewaltig:
Feinde betraten ihr Lager, vom Torhüter eingelassen!
Diodor meldet es so in der Weltgeschichte, der großen,
Herodot aber erzählt von Kämpfen im Innern des Lagers.
Sieg war errungen, und Syrakus stand nun mächtig voran,
siebzig Jahre bestand seine große, gewaltige Herrschaft.
Tempel erbauten die Griechen zur ewigen Ruhmesbewahrung,
ihre Fundamente erblickt man noch heute am Orte,
doch ihr Schmuck ward bewahrt im Palerm’schen Museum.
Andere Tempel erhoben die Sieger, der Göttlichen Ehre:
Athena in Syrakus’ Stadt, noch heut' eine Kirche,
Hera zu Acragas' Ruhm und ein Tempel in Selinus.
Später erzählte die Sage, der Sieg sei errungen an jenem
Tage, da Griechenland litt in Thermopylai’s Engpass
oder bei Salamis’ Wellen des Persers drohendem Ansturm.
IV
In seiner Politik beschreibt der Weise von Stagira,
Aristoteles genannt, aus Makedoniens Reichen,
wie sich die Ordnung von Karthago gestaltet im Staatssinn.
Griechischer Ordnung gemäß, so unterscheidet er kluglich:
Dreierlei Herrschaft besteht - Monarchie, Oligarchie,
welche zu Adel verkehrt, und auch die Demokratie noch.
Jene Karthager jedoch, so urteilt der weise Gelehrte,
scheinen im Adel zu stehn, doch mischen sich Zeichen der Menge.
Besser geordnet als viele sei das karthagische Reich wohl,
ähnlich den Spartanern doch, die in vielem ihm gleichen.
Denn mit den Kretern zugleich und jenen von Sparta verglichen,
zeigen die Sitten sich nah, doch anders als andre der Reiche.
Hervorragend erscheint die Ordnung des Landes vor allen:
Denn das gemeine Volk, es stehet zu dieser Regierung,
nie ist ein Aufstand entbrannt, noch Herrschaft wütete tyrannisch.
Sehet, die Weise Spartas scheint gleich in Karthagos Gesetzen:
Tische gemein zu allen, wie dort die Phiditien waren,
Hundert und Vier sind gleich den Ephoren, die dorten regierten.
Doch wo Sparta dem Los sich bequemt, da wählet Karthago,
nur nach Verdienste gesetzt, dies gilt als bedeutende Ordnung.
Könige haben sie auch und einen Rat der Ältesten,
welche den Alten und Königen Spartas ganz ähnlich erscheinen.
Jedoch nicht stammend stets aus gleichem Geschlechte wie jene,
sondern der Tüchtige wird von edlem Geblüte erkoren,
nicht nach dem Alter allein, und besser erscheint dies Gebaren.
Große Gewalt liegt bei ihnen, üben sie schlecht sie, so schadet's,
wie es in Sparta geschah, als schlechte Regenten regierten.
Mängel der Ordnung sind gleich, ob Adel, Oligarchen
oder auch Volk sich regiert, stets gibt es Verfehlung und Missstand.
Doch die Karthager gewähren dem Volk ein größeres Recht wohl:
Wollen die Alten und Könige nicht vor die Menge das Urteil
tragen, so bleibt es geheim; doch stimmen sie nicht miteinander,
so darf das Volk entscheiden, was ihm von Wichtigkeit scheinet.
Und was die Alten und Könige bringen, das wird auch vernommen,
nicht nur gehört, sondern auch entschieden vom freien Karthager.
Einer, der anders begehrt, kann öffentlich sprechen dagegen.
Nicht ist dies Brauch in Sparta, auch nicht auf Kreta zu finden.
Fünf sind die höchsten der Richter, mit weitreichenden Rechten.
Diese erwählen den Rat, der Hundert geordnet regieret,
länger verbleiben sie dort als andre im Amte, sie herrschen
vor und auch nach ihrer Zeit und zeigen den Zug der Oligarchen.
Da sie jedoch ohne Lohn sind, nicht durch das Los sie gesetzt sind,
tragen sie Züge des Adels, gerichtlich allein zu entscheiden.
Doch weicht die Ordnung von reiner Aristokratie oft ab,
nehmt nur die Wahl der Beamten, welche zugleich auf den Reichtum
achtet, nicht Tugend allein, so neigt man zum Oligarchischen.
Denn die gemeine Meinung hält Reiche für würdige Lenker,
weil nur ein Wohlhabender Muße zum Regieren besitze.
Brauch ist dies also geworden: Mit Reichtum wählet man Könige,
wohl auch die höchsten im Heer, die nicht allein durch Verdienste
stehen am obersten Rang, doch auch durch den Wohlstand gesichert.
Doch ist ein Fehler darin, so spricht der erhabene Weise:
Nicht soll Reichtum allein entscheiden, wer herrscht über andre,
sondern allein die Tugend soll in der Führung bestehen.
Denn was die Mächtigen tun, das folgt das gemeine Gefolge,
wenn nicht Tugend regiert, so wanket der Adel beständig.
Wer sich die Ämter erkauft, wird suchen, den Preis zu erstreiten,
und nicht der Arme allein, der redlich geblieben, begehrt dies.
Also gebühret es, dass nur jene die Herrschaft erlangen,
die auch regieren vermögen zum Wohle des Landes und Volkes.
Seltsam erscheint es zudem, dass einer gar viele der Ämter
führet zugleich; doch solches gilt wohl als gängige Sitte.
Besser ein Mann für ein Amt, so wird es am besten verwaltet.
Oligarchisch erscheint die Regel Karthagos im Wesen,
doch weiß man klug zu entgehen der üblichen Falle der Reichen:
Denn durch Kolonien wächst der Reichtum stets in der Menge.
So bleibt das Reich stabil, indem man Besitz stets vermehret.
Doch ist dies nur ein Glück, was wider den Umsturz bewahret,
nicht durch Gesetz festgesetzt, drum mahnet der weise Gelehrte:
Besser der Weise ergreift die Ordnung mit weiserer Hand schon,
nicht nur durch Zufall gesichert besteht das geregelte Leben.
Denn wenn das Unglück kommt, und viele sich gegen die Herrschaft
stellen mit heftigem Zorn, so fehlt ein gesetzlicher Ausweg.
V
Weit in Libyens Landen, wo Küsten sich golden erstrecken,
lag ein Ort, der einst die Gebiete der Völker begrenzte,
Karthagos Macht im Westen, im Osten die Griechen von Kyrene.
Ebenes Land war die Grenzmark, bar jeder Hügel und Wasser,
weder ein Fluss noch ein Berg, um das Reich der Rivalen zu trennen.
Streit brach aus, denn unklar blieb, wo die Grenze verlaufen,
immer von neuem entbrannt und genährt durch bitteren Zwistmut.
Schließlich, müde des Kampfes, beschlossen die Führer der Städte,
dass an dem Tage zugleich von jeder der beiden Parteien
Boten zu Fuß aufbrächen, und wo sie sich trafen am Ende,
sollte die Grenzmark sein, dem Zwiste für immer ein Ende.
Karthago sandte zwei Brüder, die eilten mit hastigen Schritten,
während die Griechen, ob Faulheit, ob Schicksal, verzögert sich nahen.
Stürme fegten die Wüste, der Sand schlug peitschend wie Wellen,
füllte die Augen mit Staub und hemmte das hastige Vorwärts.
Als nun die Griechen gewahrten, dass spät sie den Ort erst erreichten,
fanden sie Ausflüchte schnell, um der Niederlage zu wehren.
"List war’s!" schrien sie laut, "ihr seid viel zu früh aufgebrochen!
Niemals erkennen wir an, dass hier unsere Grenze verlaufe!"
Doch als die Brüder bestanden auf Treue zu ihrem Vertrage,
boten die Griechen den Preis, der grausam Leben beendigt:
"Wollt ihr die Grenze bewahren, so müsst ihr hier selbst euch begraben!
Oder wir schreiten voran, soweit uns die Schritte noch tragen."
Ohne zu zögern, geweiht dem Ruhm und dem Heil ihres Landes,
gaben die Brüder ihr Leben, im Sande begraben auf ewig.
Karthago ehrte die Toten, errichtete Altäre zur Weihe,
hoch stand ihr Name in Liedern, im Hause des Volkes gepriesen.
Später noch rühmten die Römer den Ort als Grenze der Reiche,
trennte Provinzen und Throne durch Jahrhunderte weiter.
Später, in kaiserlicher Zeit, noch in Italiens Händen,
ward ein Triumphbogen dort zum Andenken mächtig erhoben.
Zwar fiel er dem Zahn der Zeiten, doch Zeichen sind übrig:
Statuen stehn noch heut und blicken auf karge Ruinen.
VI
Plutarch, der Weise von Chäroneia, verfasste die Werke,
Doppelt geordnete Lebensbeschreibungen, Römer und Griechen
Gleichgestellt, verglich er die Art und das Wesen der Menschen,
Tief in die Zeiten geschaut, mit geschichtlicher Wahrheit gefüllt.
Timoleon schildert er hier, der Schutz für Syrakus suchte,
Bürgerkrieg zu vermeiden und Karthagos Angriff zu trotzen.
Seine glückhafte Schlacht, wie Timaeus, der Chronist, schrieb,
Wird nun berichtet, er selbst sah Timoleon als Knabe.
Lilybaeons Kap ward erreicht von der punischen Flotte,
Siebzigtausend Soldaten an Bord zweihundert Galeeren,
Tausend weitere Schiffe mit Waffen, mit Rossen und Wagen,
Vorrat und Kriegsgerät, als wollten sie gänzlich Sizilien
Plündern und räumen zugleich, nicht stückweise wie einst es gewesen.
Wahrlich, genug war die Macht, um die Insel in Banden zu schlagen,
Selbst wenn ein einig Volk sie verteidigte, frei von Zwist.
Doch als das Heer heranstürmte mit Hamilkar und Hasdrubal,
Eilte die Kunde nach Syrakus, Schrecken ergriff die Gemüter.
Dreitausend Männer nur wagten die Waffen zu fassen,
Aus so vielen Tausenden, die in der Stadt noch verweilten.
Viermal Tausend Soldaten nur dienten für Lohn in dem Heere,
Tausend von ihnen entflohn auf dem Marsch, erschüttert von Ängsten,
Hielten den Feldherrn für toll, denn mit Wenigen zog er zum Kampfe,
Fünftausend zu Fuß und eintausend Reiter um ihn,
Wagen in wilder Verwegenheit Krieg gegen siebzigmal Tausend.
Doch er verzagte nicht, rief seine Getreuen zur Tapferkeit,
Brachte sie eilends zum Cremisus, wo Karthagos Heer stand.
Sommer begann nun zu glühen, das Thargelion endend,
Nahe die Sonnenwende, da zog aus dem Flusse ein Nebel,
Senkte sich düster herab, die Ebene ganz zu verdunkeln,
Nichts war zu sehen, nur Stimmengewirr, ein dröhnendes Murmeln,
Steigend vom Heere herauf zu dem Hügel, wo Griechen nun standen.
Doch als die Sonne emporstieg, der Dunst sich hob in die Lüfte,
Öffnete Klarheit das Feld, und sichtbar ward nun der Feind.
Cremisus glänzte im Lichte, und drüben marschierten die Krieger,
Erst die gewaltigen Wagen, geführt von gewaltigen Rossen,
Hinter ihnen ein Heer, zehntausend mit schimmernden Schilden,
Glänzend gerüstet, in Würde gesetzt, langsamen Schrittes.
Dann die Barbaren in Massen, doch haltlos, drängend, verworren.
Timoleon sah seine Stunde gekommen, gebot seinen Reitern,
Stürzend voran, den Feind in den Fluten des Stromes zu fassen,
Eh sie das Ufer erreicht und die Ordnung geschlossen gefunden.
Dann mit dem Fußeilanten, gemischt aus Sikeliern,
Stellte er fester das Heer, Syrakuser im Mittelpunkt kämpfend,
Selbst mit den Besten vereint, ein Zeichen zur Schlacht zu erteilen.
Als er den Schild nun erhob, ein Ruf aus seinem Munde ertönte,
Klingend als göttliches Wort, ein Donner des Mutes und Feuers,
Sodass die Kämpfer entbrannten und flehten: „Führe uns vorwärts!“
Rasch gab er Befehl, die Reiter umflossen die feindlichen Scharen,
Fielen von seitwärts her ein, die Flanken des Heeres zu brechen.
Dann, als die Reihen geschlossen, mit Mann an Mann, Schild an Schilde,
Tönte die Trompete laut, und stürmend brach er hervor.
Fest und entschlossen empfingen sie ihn und hielten entgegen,
Stählten die Brust mit Erz, mit Eisen die mächtigen Helme,
Deckten den Leib mit Schilden, gewaltig, breit wie ein Turme,
Stemmten der Speere Stoß, die griechische Wucht abwehrend.
Doch als blinkende Schwerter entschieden des Kampfes Geschicke,
Wo nicht minder die Kunst als stürmende Kraft sich bewähret,
Brach von ragenden Höhen herab ein donnerndes Unwetter:
Blitze durchzuckten die Luft, es bebte das hallende Felsmass,
Niederstürzte der Sturm von dunklen, drohenden Wolken,
Wirbelnd in jähem Orkan mit prasselndem Regen und Hagel.
Rückwärts geschleudert ward er den Griechen, umrauschte die Rücken,
Doch in das Antlitz fiel er den Feinden, blendete grell sie,
Tränkte mit Strömen von Wasser die Rüstungen, dämpfte den Atem.
Donnergepolter, das Brausen des Windes, das Prasseln der Tropfen
Dröhnten umher, dass bebend die Krieger die Rufe der Führer
Nicht mehr hörten und wirr in tobendem Chaos zerfielen.
Auch der schlammige Grund ward Hindernis schwer den Karthagern,
Schwer schon belastet mit Rüstzeug, nun aber beschwert noch
Mehr von durchnässten Gewändern, die saugend um Brust und um Hüften
Schlaff und lastend sich hingen und lähmten den mutigen Schwingen.
Leicht nun wurden sie niedergeworfen von rüstigen Griechen,
Die, einmal stürzend, nimmermehr wieder erhoben die Feinde,
Fest umklammert vom Schlamm, der nagend den Körper umschloss.
Auch der strömende Fluss, der Cremisus, schwoll in den Regen,
Riss durch wankenden Grund mit reisender Flut die Gestürzten.
Hügel und Senken ertranken in strudelnden Wassermassen,
Füllten sich randlos mit Fluten und trieben die Feinde ins Elend.
Rings vom Wetter bedrängt und rings von Schwertern zerschmettert,
Sanken die Reihen, da vierhundert Mann in den ersten
Gliedern fielen, das Heeresgefüge mit Schrecken erfüllend.
Bald begann die Flucht, ein wildes, panisches Stürzen,
Durch die Ebene flohen sie fliehend dem Tod, doch vergebens:
Griechische Schwerter erreichten die Schwachen, hieben sie nieder,
Andre versanken im Fluss, von schäumender Strömung ergriffen,
Stießen auf Flüchtende, rissen sie mit in tobende Wellen.
Andre, die steilen Höhen erklimmen wollend im Dunkel,
Stürzten im Anprall der Feinde, zerhackt von den Waffen der Leichten.
Zehntausend Leichen bedeckten das Feld nach der Schlachtzeit,
Dreitausend darunter, so heißt es, waren Karthager,
Bürger von hohem Stand und edelster Ahnen und Namen,
Heimat teuer und wert, ein Schmerz für die trauernde Stadt nun,
Nie zuvor war so viele gefallen aus Karthagos Reihen,
Das, wenn Kriege es führte, mit Söldnerheeren sie führte.
Afrikas Söhne, Spanier, rasche Numider im Sattel
Trugen die Last des Verlusts, doch selten die Söhne der Heimat.
Leicht war’s den Griechen zu schauen den Wert der gefallenen Krieger,
Denn als sie Beute nun sammelten, achteten kaum sie auf Eisen,
Silber und Gold lagen reichlich verstreut auf dem Schlachtfeld.
Jenseits des Flusses eroberten sie das feindliche Lager,
Wagen und Wehr erlangten sie dort in unzähligen Zahlen.
Viele Gefangene heimlich entrissen und weiterverkauft schon
Waren von gierigen Händen, doch fünftausend in Fesseln
Wurden gesichert und sollten der Heimat als Gabe gehören.
Zweihundert Streitwagen fielen den Siegern als Beute.
Timoleons Zelt war herrlich geschmückt mit erbeuteten Schätzen,
Glänzendem Helmschmuck, blinkenden Waffen und rüstigen Schilden,
Tausende Harnische, kunstvoll geziert, in schimmerndem Glanze,
Zehntausend Schilde voll goldener Zierrat gestapelt.
Da der Sieger so wenige waren, doch viele die Toten,
Drei lange Tage verstrichen, bis ragte der Siegesbaum aufrecht.
Boten entsandte Timoleon nun mit funkelnden Waffen,
Zeugnis bringend von Glanz und Triumph der herrlichen Tatzeit,
Dass Korinth ein Vorbild sei allen griechischen Städten,
Nicht mit dem Blut der Brüder geschmücket in dunkler Erinnerung,
Nicht mit geplündertem Gut aus eigner Heimat geschändet,
Sondern von Feinden geraubt, den fremden Barbaren entrissen,
Zeugend von Tapferkeit, Mut und gerechtem gerechten Entschluss.
So verkündeten Tafeln, dass Griechen aus sklavischem Joche
Frei durch Timoleon wurden, und dankend die Helden des Sieges
Diese Gaben den Göttern geweiht zu ewiger Ehre.
VII
Hannibal, Feldherr von Karthago, der größte der Krieger,
War in der Welt wohlbekannt durch Siege und kühnste Taten.
Als nun der römische Staat in blutigem Kriege gefangen,
Stürmte der Feldherr entschlossen mit Heeresmacht gegen den Feind an.
Mächtig begann sein Zug durch gallische Lande zu streifen,
Bis er den Alpen sich nahte, des steilen Gebirges Gefahren.
Hoch nun ragten die Gipfel in schwindelerregender Ferne,
Schnee bedeckte die Höhn, die Winde durchbrausten die Klüfte.
Frost und die klirrende Kälte umfingen das zitternde Lager,
Menschen wie Tiere versanken in eisigen Nächten der Schwäche.
Droben im Hochland verharrten des Berges schreckliche Horden,
Allobroger sie genannt, doch wilde und kriegerische Söhne.
Lauerten sie in den Höhen, das Heer des Karthagers zu schlagen,
Hätten sie klug sich verborgen, so wäre der Feind wohl gefallen.
Doch sie enthüllten zu früh ihr grausames, tückisches Ränken,
Heftige Schlachten entbrannten, doch gleich war der Blutzoll beider.
Hannibal ahnte den Trug, und lag nun bedächtig im Lager,
Sandte die mutigen Späher, das feindliche Feld zu erkunden.
Bald ward die List ihm enthüllt: bei Tage bewachten die Krieger
Hoch in den Gipfeln den Pfad, doch nachts zogen heim sie zum Dorfe.
Rasch nun ersann er den Plan und ließ in der Dunkelheit lodern
Feuer, die täuschten den Feind, als wäre das Heer noch in Lagern.
Leichte Bewaffnete führte der Feldherr sodann in die Felsen,
Nahm dort die Höhen in Nacht und wartete still auf den Morgen.
Sonne erhob sich, da sahen die Stämme verwundert die Stätte,
Hannibal stand nun droben und herrschte von mächtiger Warte.
Rasch nun stürmten die Feinde herab auf die engsten der Pfade,
Wollten das römische Heer in mühsamen Wegen vernichten.
Doch schon war Hannibal klug, mit weiser Entschlossenheit handelnd,
Führte die Krieger behende zum Siege durch klirrende Alpen.
Frühe beim ersten Licht, da brach das Lager in Hast auf,
Weiter zog das Heer, die Reihen marschierten geschlossen.
Oben auf hoher Kluft, wo stets die Wachen sich fanden,
Staunten die Stämme nicht schlecht: denn über den Häuptern erschienen
Karthagos Krieger schon dort und hielten das Felsmassiv inne,
Während zugleich der Tross auf steilem Pfade hinüber-
Zog. Dies Anblick schreckte die Männer, sie standen erstarrt da;
Doch alsbald kehrte Mut zurück, als sie sah’n, wie der Gegner
Selbst in der Wildnis rang mit tückischem steilem Gelände.
Bald aus der Höhe herab, von vielen Felswänden springend,
Stürzten sie nieder zugleich, und ringsum tobte das Kämpfen.
Schwer war der Schaden am Zug, doch mehr noch fielen die Tiere,
Pferde und Maultierlast sank tief in die grausamen Abgründe.
Schmal war der Pfad und rau, gesäumt von donnernden Klüften,
Schnell ward die Ordnung zerstört, es stockte der Marsch in Verwirrung.
Pferde gerieten in Panik, bäumten sich auf und zerstoben,
Schlugen mit Hufen um sich, mit Angst erfüllt und mit Wahnsinn,
Stürzten die Lasten hinab, wo steile Felsen es forderten.
Hannibal sah’s von der Höh’, bedacht in klugem Erwägen,
Wusste: Geht die Bagage verloren, dann scheitert das Ganze.
Drum mit den Kämpfern, die einst das Lager des Feindes genommen,
Eilte er schnell hinab, um den Vordertrupp zu erretten.
Wuchtig vom Gipfel herab stieß hart auf schreiende Feinde
Jene gestählte Schar und schlug die Stämme in Flucht fort.
Viele der Feinde fielen, doch viele auch seine Gefährten,
Denn nun tobte der Kampf an steiler Klippe von beiden
Seiten, das Chaos wuchs, ein Sturm der Stimmen und Schreie.
Doch als endlich besiegt die Stämme verzagt sich verloren,
Drang mit Mühe der Zug durch schmale Pässe hinüber.
Hannibal sammelte nun, so viel er konnte, die Seinen,
Stürmte mit mächtigem Schlag zur Stadt, die den Feind barg.
Leer fand er Häuser und Hof, denn plündernd irrten die Krieger
Weit in das Tal, so fiel sie ihm kampflos in seine Gewalt nun.
Dörfer umher und Weiler wurden im Sturme genommen,
Reicher Beute gewann er: Getreide, Vieh und die Pferde,
Maultiere samt dem Tross, die Feinde führten als Beute.
Drei Tage nährte dies Gut das müde, hungernde Heer nun,
Doch mehr noch war ihm Gewinn: die Stämme ringsum in Furcht nun
Wagten nicht länger, die Karther in Pässen zu stellen.
Einen Tag rastete dann das Heer, erholte die Kräfte,
Drei Tage folgte der Zug auf sicherem, friedlichem Wege.
Doch am vierten erneut, da lauerte schreckliche Tücke:
Stämme vereinten sich nun, um finstre Ränke zu spinnen...
Hannibal zog nun weiter ins Land der Gebirgigen Stämme,
Viele und zahlreich zwar, doch ohne gewaltige Städte.
Offene Feindschaft sah er nicht drohend entgegen den Seinen,
Doch war ein tückisches Netz mit List ihm klug ausgeleget.
Beinahe fiel er zum Opfer der Kunst, die selber er meisterte.
Freundlich nahmen sie ihn mit Kränzen und grünen Zweigen,
Zeichen des Friedens, wie Griechen den Stab der Herolde.
Doch er argwöhnte den Feind und forschte mit scharfem Verstande,
Was wohl ihr Wille, ihr Ziel, ihr Wort und ihr Wirken bedeute.
Jene versicherten ihn: „Wir sah’n, wie du Städte bezwangest,
Sah’n den Untergang all jener, die Waffen ergriffen.
Weise gemacht durch das Leid der andern, geloben wir Freundschaft,
Lieber als schrecklich zu spüren, was deine Gewalt vermag.“
Geisel boten sie dar, um Treue und Friedenswillen
Redlich zu zeigen, und boten Führer und Nahrung.
Hannibal zögerte lange, misstraute den Worten,
Wollte jedoch nicht erzwingen, dass sie sich feindlich erklärten.
Täuschung ward ihm zu List: Er nahm ihr Angebot an sich,
Tat, als traute er ihnen, um Spaltung der Stämme zu mindern.
Gaben brachten sie ihm: Viel Rinder, Geisel, Geleitmann.
Diesem vertraute er bald und ließ sich führen von ihnen.
Zwei lange Tage geleiteten sie ihn mit Worten,
Hielten sich treu an den Pfad, doch führte er steile Gefahren.
Hannibal ahnte Verrat und blieb in strenger Ordnung,
Nicht wie im sicheren Land zerstreut und sorglos marschierend.
Vorne das Reiterheer, mit mächtigen Elefanten,
Selber am Ende der Schar, den Feind stets wachsam erwartend.
Doch nun zeigten die Feinde sich gänzlich in feindlicher Absicht,
Sammelten scharenweise sich hoch auf felsigen Pfaden,
Ließen rollende Steine herab und Pfeile mit Bögen,
Sprangen aus Felsen hervor mit Speeren und wuchtigen Keulen.
Plötzlich versank das Heer in chaotischem Ringen der Hänge,
Wo der Pfad sich verengte, und rückwärts drohende Wände.
Wäre nicht Hannibal klug, umsichtig und stets wohlbereitet,
Ging sein Heer dort zugrund’, vernichtet im feindlichen Hinterhalt.
Doch mit Bedacht hatte er sein Heer geordnet in Reihen,
Stellte das Fußvolk stark am Ende der marschenden Säule,
Schirmte die Mitte und hielt den Angriff der Feinde zurück.
Dennoch verloren die Seinen Gefährte, Reiter und Rinder.
Blut strömte nieder den Pfad, die Felsen hallten von Schreien.
Unaufhaltsam rollten Gesteine, niederschlagend die Krieger.
Hannibal fand sich getrennt von Rossen, Maultier und Troßzug,
Hielt mit der Hälfte der Männer auf kahlem Felsen die Stellung,
Schirmte die Seinen so lang, bis endlich nach nächtlichem Kampfe
Mühvoll der Ausweg gelang durch finstre steinige Enge.
Erst als Tageslicht kam, vereinten sich endlich die Scharen.
Tief schon im Tale marschierten sie weiter gen Gipfel,
Mühsam und doch ohne weiteren feindlichen Angriff.
Hie und da versuchten die Stämme in kleinen Gruppen
Hinter den letzten der Seinen sich schwach zu vergreifen.
Doch Hannibals Elefanten verschreckten die wilden Barbaren,
Schrecken gebar ihre Form, ihr stampfender Gang und ihr Brüllen.
Am neunten Tage der Reise erklomm das Heer nun den Gipfel,
Hannibal selber befahl, ein Lager zu schlagen am Wege.
Hart war der Aufstieg gewesen, durch wilde, verworrene Pfade,
Oftmals auf trügerischem Steig, betrogen von Führern,
Oder in Tälern verirrt, die lockend den Eingang geboten,
Doch ins Verderben geführt und nicht zu den ferngelegten Zielen.
Zwei lange Tage verweilte das Heer auf ragender Höhe,
Dämpfte die Qualen des Marschs und sammelte wieder die Kräfte.
Viele der Rosse, die flohen in Angst, auch störrische Maultier’
Kamen von selbst zurück, gefolgt der Spur ihrer Herren.
Packtiere, die tief im Schutt der Felsen gestürzt waren,
Fanden den Weg durch die Spuren der Scharen zurück in das Lager.
Doch nun drohte der Frost, denn bald versanken die Plejaden,
Schneeflocken fielen und hüllten die Gipfel ringsum in Weißglanz.
Schwer lastete Furcht auf den Männern, vom Leiden gezeichnet,
Fürchtend, was noch bevorstand, verzweifelnd am kommenden Winter.
Früh, als der Morgen erwachte, da zog die zermürbte
Schar durch die schneeigen Pfade, den Tod in verhärmten Gesichtern.
Hannibal sah ihr Verzagen und suchte, die Herzen zu heben.
Ritt in die Höhe, wo freier der Blick sich öffnete weit hin
Über das Tal des Po, nach Süden, zu römischen Landen.
„Seht nur, ihr Männer,“ so rief er, „dort unten liegt Italien!
Nicht mehr müsst ihr nun steigen, die schlimmste Mühsal ist endigt.
Dort, wo die Ebene ruft, empfangen uns willig die Gallier,
Kämpft nur noch wenige Schlachten, dann haltet Rom in den Händen!“
Dann, als die Dämmerung wich, befahl er, das Lager zu brechen,
Lenkte den Marsch in den Hang hinab, durch tückische Steige.
Kaum noch zeigte sich Feind, nur raubende Streuner erschienen,
Doch war der Weg in die Tiefen weit schlimmer als jener hinauf war.
Schmal war der steinige Pfad, hinab in wirbelndem Abgrund,
Tückisch der Schnee, dass Ross und Reiter ins Nichts stürzten,
Stolperte einer, so riss er die Nächsten mit sich in den Abgrund.
Schlimmer noch, da sie ein stürzender Hang nun plötzlich erreichten,
Wo durch Bergrutsch der Weg in gähnender Tiefe verschwunden.
Dort nun stockte das Heer, entmutigt, zum Rückzug bereit schon.
Hannibal, hinten verweilend, vernahm nun das haltende Zögern,
Drängte nach vorne und sah mit eigenen Augen die Klippe.
Hannibal sann, dem unwegsamen Pfade zu weichen mit Umweg,
Doch ein fallender Schnee versperrte den Pfad und das Weiter-
Schreiten war unmöglich; gezwungen, ließ er die Hoffnung.
Länger zwar hätt’ der Umweg gedauert, doch schien es geboten,
Wollt’ er vorwärts gelangen auf unbezwungenen Hängen.
Seltsam war diese Lage, fast schien sie des Schicksals ein Spielwerk:
Neu war der Schnee, der gefallen, doch ruhte der alte darunter,
Hart und gefroren; so gab das weiche Gewölk unter Schritten,
Doch als tiefer sie drangen zum eisigen Grunde, da fanden
Weder die Tiere noch Menschen mehr Halt auf der spiegelnden Fläche.
Tückisch entglitt nun jeglicher Tritt auf dem rutschigen Eise,
Gleich als schritte man aus durch Schlammes glitschige Pfützen.
Schlimmer noch war’s für die Männer, denn fiel einer nieder, so glitt er
Länger hinab, je mehr er sich stemmte mit Händen und Knien,
Nichts half Klamm’rn und Greifen, die Schräge war allzu gewaltig.
Doch auch so kam keiner voran, denn das frische Geflocke
Gab nur trügerisch Halt auf dem älteren Grunde der Eismass’,
Bis es zertreten zerfloss und der blanken Fläche nichts deckte.
Glitschig und nass ward unter den Tritten die schimmernde Eises-
Fläche, auf welcher kein Halt, kein Baum, keine Wurzel zu fassen.
Stürzend und rutschend rollte man abwärts, hilflos im Falle.
Schwerer erging es den Tieren: Sie brachen durch tiefere Schichten,
Wälzten sich schwer mit Last und erstarrten auf frostigem Grunde.
Mulis versanken, strampelten wild und brachen mit Hufen
Tiefer ins Eis, bis schließlich die zähen Schichten sie hielten,
Fest wie im Schraubstock; wütend sie schlugen und waren gefangen.
Hannibal gab den Versuch auf, Umwege weiter zu suchen.
Fegte den schneeigen Grat und ließ das Lager dort aufschlagen.
Tagelang ward nun geschaufelt, mit Mühen der Pfad ausgehauen.
Endlich, am Tage des dritten, war Bahn für das Maultier bereitet,
Pferde geführt und unten gelagert, fern von der Kälte.
Numider schickte er aus, um weiter den Weg zu bereiten,
Endlich am vierten Tag, mit Müh’, die Elefanten gezogen,
Hungrig und schwach, doch endlich hinab zu sonnigen Hängen.
Steiler der Abstieg; es galt, den Felsen zu spalten mit Feuer.
Bäume gefällt, sie türmten das Holz und schürten die Flammen,
Wehten die Winde, so loderte glühend der Brand an den Felsen.
Sauerer Wein ward gegossen auf brennende, rötliche Spalten,
Plötzlich zerbarst das Gestein, sie schlugen mit Hämmern und Hacken,
Schufen den schmalen, gewundenen Pfad, dass Tiere hinunter-
Schritten und selbst die gewaltigen Elefanten hinabkamen.
Oben war’s öd und leer, wo der Schnee den Sommer durch hauset,
Doch halbwegs abwärts sprossten die grünen Matten der Fluren,
Wälder durchzogen von Bächen, ein menschenwürdiges Landstück.
Vier Tage lag das Heer am Fels in frostiger Öde,
Fast verhungert das Vieh, denn keine Weide war oben,
Tiefere Täler jedoch versprachen Fülle und Nahrung.
Endlich scharten sie sich um Hannibal, zogen hinunter,
Drei Tage noch, dann kamen sie nieder zum lieblichen Flachland,
Wo sie verweilten und Rast nach Mühsal und Kälte genossen.