KLEINE ILIAS


VON TORSTEN SCHWANKE



ERSTER GESANG


In dieser Geschichte von antiker Größe und Tragik, 

die sich wie ein episches Gedicht über das Schicksal 

der Menschheit spannt, entfaltet sich das große Drama 

des Trojanischen Krieges, das von den Göttern selbst 

ins Leben gerufen wird. Zeus, der allmächtige Herrscher 

des Himmels, berät sich mit Themis, der Göttin 

der göttlichen Ordnung, und schmiedet den Plan 

für den Krieg, der die Welt in Aufruhr versetzen wird. 

Der Krieg, so entschließt er, wird durch das Handeln 

der Götter selbst entfacht, insbesondere durch Eris, 

die Göttin der Zwietracht. Auf einem Fest zu Ehren 

der Hochzeit des Peleus, bei dem die himmlischen Mächte

versammelt sind, stiftet Eris Unheil, indem sie 

einen Streit um die schönste Göttin entfacht: 

Athene, Hera und Aphrodite geraten in einen Wettstreit 

um den goldenen Apfel, der ihnen von Eris 

zugeworfen wird, mit der Aufschrift: Für die Schönste.


Mit Weisheit und Kälte ergreift Zeus die Gelegenheit 

und befiehlt Hermes, die drei Göttinnen zum Berg Ida 

zu führen, wo ein sterblicher Prinz, Alexandros, 

sie richten soll. Als der Prinz vor ihnen steht, 

wird er von Aphrodite, der Göttin der Liebe 

und Schönheit, verführt, indem sie ihm das Versprechen 

einer schönen Frau – Helena, die Königin von Sparta – gibt. 

So wählt Alexandros Aphrodite als Siegerin des Streites 

und ermutigt durch das Versprechen, mit Helena 

vereint zu sein, beginnt er, Schiffe zu bauen. 

Doch schon bald wird er von einem düsteren Vorzeichen

eingeholt: Der Seher Helenos prophezeit ihm 

den Verlauf seines Lebens, der im Unheil enden wird.


Aphrodite ruft den kriegerischen Aeneas zu sich 

und fordert ihn auf, mit Alexandros in den Krieg zu ziehen.

Kassandra, die Prophetin mit der tragischen Gabe, 

die Zukunft zu sehen, verkündet das Unheil, 

das den trojanischen Prinzen und das Schicksal 

der Stadt Ilion erwartet. Der Beginn der Reise 

nach Sparta markiert das Schicksal von Alexandros, 

als er in Lakedaimonien von den Brüdern Kastor 

und Polydeukes, den berühmten Dioskuren, 

als Gast empfangen wird. Schließlich gelangt er 

zu Menelaos, dem Ehemann Helenas, und lässt sich 

während eines Festes von ihm mit Geschenken ehren. 

Doch es ist das heimliche Ziel von Alexandros, 

sich der Geliebten seines Gastgebers zu bemächtigen, 

was zu einer Kette von Ereignissen führt, die 

das Schicksal aller entscheidend beeinflussen wird.


Menelaos, als er von dem Verrat erfährt, segelt 

nach Kreta, um die geplante Reise fortzusetzen, 

während Helena in seiner Abwesenheit 

sich mit Alexandros in einer heimlichen Liebe vereint. 

Ihre Flucht wird von Aphrodite orchestriert, 

die die beiden Liebenden zusammenführt 

und sie auf Schiffe verbannt, um zu entkommen. 

Ein Sturm, geschickt von Hera, verfolgt sie jedoch 

auf ihrer Flucht, doch der trojanische Prinz erreicht 

sicher die Stadt Sidon, bevor er nach Ilion 

zurückkehrt, um dort Helena zu heiraten.


Unterdessen entfaltet sich ein anderes tragisches Geschehen 

in den weiten Ebenen Griechenlands. Kastor 

und Polydeukes stehlen das Vieh von Idas und Lynkeus, 

was zum Tod von Kastor durch Idas führt, 

während Polydeukes Rache übt, indem er Idas 

und seinen Bruder Lynkeus tötet. Die Götter, 

in ihrer Unbarmherzigkeit und ihren Launen, 

gewähren den beiden unsterbliche Tage, indem sie 

ihnen an abwechselnden Tagen das Leben schenken.


Die Kunde von den verhängnisvollen Geschehnissen 

wird durch Iris überbracht, die Menelaos 

von der Tragödie berichtet. Dies ruft den Plan hervor, 

mit seinem Bruder Agamemnon gegen die Trojaner 

zu ziehen. Die beiden Griechen beraten sich 

mit Nestor, der in einem langen Exkurs die Geschichten 

von Epopeus und der Entführung der Tochter von Lykos, 

von Ödipus‘ Wahnsinn und von Herakles’ 

heroischen Taten erzählt. Doch das Schicksal fordert 

Opfer, und so begeben sich die Griechen auf die Reise.


Odysseus, der sich vor dem Krieg drückt, gibt vor, 

verrückt zu sein, doch Palamedes durchschaut 

seine List und zwingt ihn, mit seinem Sohn Telemachos 

als Drohung in den Krieg zu ziehen. In Aulis, 

dem Sammelpunkt der Krieger, kommen die Griechen 

zusammen, um Opfer darzubringen, doch eine

Schreckensgeschichte entfaltet sich um eine Schlange 

und Spatzen, als Kalchas die dunklen Vorzeichen deutet.


Nachdem sie ihre Reise beginnen, erleiden die Griechen 

eine Reihe von Missgeschicken, darunter die Zerstörung 

von Teuthrania, einem Fehler, den sie mit einem weiteren 

Fehler bezahlen müssen. Der Krieg nimmt seinen Lauf, 

und die Geschichte von Telephos und Achilles 

wird immer komplexer, während sich die Götter 

und Menschen immer weiter in die gewaltige 

Maschinerie des trojanischen Krieges verstricken.



ZWEITER GESANG


In den Tagen, als der Krieg um Troja in seinen entsetzlichsten

Höhen wogte und die Schlachtfelder von Helden 

und Göttern gleichermaßen heimgesucht wurden, 

kam eine Kriegerin von wahrhaft unvergleichlicher 

Tapferkeit und Schönheit nach Troja: Penthesileia, 

die Tochter des mächtigen Ares und einer Thrakischen Königin.

Sie war ein Amazonen-Banner inmitten der trojanischen Reihen,

anmutig und furchtlos, und die Gegner zitterten, 

als sie ihre Waffe schwang. Ihre glorreiche Taten und Kämpfe

füllten die Lüfte mit Legenden – bis zu jenem 

verhängnisvollen Moment, als sie auf den unbesiegbaren 

Achilles traf. Der Kampf zwischen den beiden 

war ein Erdbeben, das die Erde erzittern ließ. 

Doch, wie es das Schicksal wollte, fand die berühmte 

Kriegerin ihr Ende durch Achills Hand, die sich 

durch ihre Brust bohrte. Mit einem letzten, verzweifelten 

Blick auf den siegreichen Helden brach sie zusammen.


Die Trojaner, erfüllt von Trauer und unendlichem Schmerz,

wollten der tapferen Amazone die letzte Ehre erweisen 

und bereiteten ein Begräbnis vor, das ihres Todes 

angemessen war. Doch inmitten dieser traurigen Zeremonie 

erhob sich eine andere Stimme – die von Thersites, 

einem Mann von geringem Rang und noch geringerer 

Weisheit. Zornig und voller Wut rief er Achill an, 

beschuldigte ihn, seine Waffe nicht nur gegen Feinde, 

sondern auch gegen eine Frau gerichtet zu haben. 

Und schlimmer noch, er sagte, Achill habe 

Penthesileia geliebt, und ihre Tötung sei ein Akt 

des Verrats gegen seine eigenen Gefühle gewesen. 

Wie ein wildes Tier stürzte sich Achill auf den Redner 

und, in einem raschen Akt der Wut, brachte er 

Thersites zum Schweigen, indem er ihn 

mit einem tödlichen Schlag niederstreckte.


Diese Bluttat jedoch führte zu einem heftigen Streit 

unter den Achaiern, ein Tumult, der die ganze 

Armee spaltete. Die Wogen der Empörung waren groß, 

und die Worte flogen wie Pfeile durch die Reihen 

der Krieger. Doch Achill, in seinem Stolz 

und seiner Unnachgiebigkeit, ließ sich nicht beirren. 

Nachdem dieser interne Sturm sich etwas gelegt hatte, 

segelte Achill zu der Insel Lesbos, um Apollon, 

Artemis und ihre Mutter Leto um Gnade 

und Unterstützung zu bitten, um das Blut, 

das er vergossen hatte, zu sühnen. Dort, 

auf den heiligen Hügeln der Insel, bot er ihnen 

seine Opfergaben dar, und mit Hilfe des weisen 

Odysseus wurde ihm der Mord an Thersites 

schließlich von den himmlischen Göttern vergeben.


Währenddessen brach die Dunkelheit des Krieges nicht ab. 

Ein neuer Held tauchte am Horizont auf: Memnon, 

der Sohn der Morgenröte, Eos, und ein Krieger 

von unermesslicher Stärke. Von Hephaistos persönlich 

mit einer Rüstung ausgestattet, die glänzte wie die Sterne 

des Himmels, kam er zu den Trojanern, um ihnen 

im Kampf gegen die Achaier beizustehen. Als Memnon 

das Schlachtfeld betrat, erzählte Thetis, 

die Mutter von Achill, ihrem Sohn von diesem neuen 

Helden und prophezeite das Unvermeidliche – 

dass Memnon in der Schlacht, so groß sein Ruhm auch sei,

schließlich der letzte Gegner von Achill werden würde.


Die Voraussage erfüllte sich, als sich die beiden 

mächtigen Krieger im Kampf gegenüberstanden. 

Doch das Schicksal war unbarmherzig: Antilochos, 

der tapfere Sohn des Nestor, fiel im Kampf gegen Memnon. 

Doch der Rachegedanke blühte in Achill auf. 

In einer letzten, verzweifelten Anstrengung holte er 

Memnon ein und stürzte ihn mit einem einzigen, 

präzisen Hieb zu Boden. Doch der Tod des großen Kriegers 

blieb nicht unbeachtet. Eos, die Mutter von Memnon, 

weinte bitterlich um ihren Sohn und wandte sich an Zeus, 

den obersten Gott, um ihm die Unsterblichkeit zu verleihen. 

Zeus, ergriffen von der klagenden Mutter, gewährte 

ihr den Wunsch und machte Memnon zu einem ewigen Wesen.


Doch während der Verlust von Memnon noch 

in den Herzen der Trojaner brannte, war der Tod 

von Achill bereits vorherbestimmt. In einem letzten, 

grandiosen Angriff stürmten die Achaier die Mauern 

der Stadt, und als Achill die Zitadelle betrat, traf ihn 

ein Pfeil von Paris, gelenkt durch die Hand des Apollo, 

der ihn tödlich verwundete. Die Luft war erfüllt von Schreien 

und Blut, als die Krieger um den Leichnam 

des großen Helden kämpften. Doch schließlich war es Aias, 

der tapfere Krieger, der Achills Körper aufhob 

und ihn zu den Schiffen brachte, wo Odysseus 

die Trojaner zurückhielt, der immer weise Odysseus.


Die Trauer der Achaier war unermesslich, und sie hielten 

große Trauerfeierlichkeiten für ihren gefallenen Helden. 

Es wurden Spiele veranstaltet, bei denen jeder Krieger 

seine Tapferkeit beweisen konnte, doch der wahre Streit

entbrannte zwischen Odysseus und Aias um Achills Rüstung, 

die von vielen als das höchste Symbol seiner Macht 

angesehen wurde. Der Zorn und das Verlangen 

nach dieser prächtigen Rüstung führten zu einem 

erbitterten Streit zwischen den beiden Helden.


Schließlich wurde Achills Leiche in einem Grabhügel 

beigesetzt, und Thetis, die Mutter, kam mit den Musen 

und ihren Schwestern, um eine Klage zu singen, 

deren Schmerz die Welt erschütterte. Und während 

die Götter ihren Gesängen lauschten, riss Thetis 

ihren Sohn vom Scheiterhaufen und trug ihn 

zu der heiligen Insel Leuke, wo er nun in Ewigkeit ruht, 

doch sein Ruhm lebt fort, nicht nur in den Gedichten 

der Menschen, sondern auch in den Liedern der Götter.



DRITTER GESANG


In einer Zeit, die von Krieg und List durchzogen war, 

kam es schließlich zur Entscheidung über die Rüstung 

des Achilles, die zwischen den größten Helden der Achäer,

Odysseus und Aias, umstritten wurde. Es war ein Urteil, 

das über das Schicksal von vielen entschied, 

und es war die Göttin Athene, die heimlich ihre Hand 

in den Verlauf des Geschehens legte, sodass Odysseus 

als Sieger hervorging. Doch der gebrochene Aias, 

von Zorn und Eifersucht verzehrt, fiel in einen Wahnsinn. 

In seinem Wahnsinn, dem Gott Apollon das Unheil 

eingehaucht hatte, zerstörte er die Herden der Achäer, 

die in der Nähe des Lagers weideten, und schließlich 

nahm er sich selbst das Leben, ein düsteres Ende 

für den einst so unbesiegbaren Helden Aias.


Doch die Kriegsgötter hatten noch nicht all ihre Karten

ausgespielt. In einem weiteren Akt von List 

und Strategie nahm Odysseus, der Sohn des Laertes, 

einen weiteren Trojaner gefangen. Helenos, 

ein Priester und Prophet von Troja, wurde 

in die Gewalt der Achäer gebracht. Seine Prophezeiung, 

die die Eroberung der Stadt vorhersagte, rief 

die nächste Wendung des Krieges hervor: Diomedes, 

ein anderer tapferer Held, wurde ausgesandt, 

um Philoktetes von der Insel Lemnos zu holen. 

Philoktetes, der lange Zeit aufgrund einer Wunde, 

die er in einem früheren Kampf erlitten hatte, 

verstoßen und vergessen war, wurde schließlich 

von Machaon, dem guten Arzt der Achäer, geheilt.


Mit seiner Rückkehr kehrte auch der Zorn 

des griechischen Helden zurück. Im Zweikampf 

mit Alexandros, dem einst als schönster aller Trojaner 

bekannten Paris, tötete Philoktetes den Feind der Achäer 

und trug somit zum endgültigen Fall 

des trojanischen Widerstandes bei. Die Leiche 

des gefallenen Kriegers wurde von Menelaos, 

dem wütenden Ehemann Helenas, entstellt, 

doch die Trojaner, um ihre eigene Ehre zu wahren, 

nahmen die Leiche auf und begannen mit ihren eigenen

Begräbnisriten, so wie es der Brauch ihrer Ahnen war.


Die Götter des Krieges jedoch waren nicht still. Deiphobos, 

der Sohn des Priamos, nahm Helena zur Frau 

und es schien, als ob die Trojaner durch dieses Bündnis 

noch fester zusammenhielten. Doch die Achäer, 

die in ihrer Verzweiflung nach einem letzten Ausweg 

suchten, brachten Neoptolemos, den Sohn 

des großen Achilles, von der Insel Skyros. Die Rüstung 

seines Vaters wurde ihm übergeben, und als er 

die glänzende Rüstung anlegte, erschien der Geist 

des verstorbenen Achilles und gab ihm die Kraft 

und den Mut, den die Achäer so dringend benötigten.


Doch nicht alle Helden der Achäer hatten das gleiche 

Schicksal. Eurypylos, der Sohn des Telephos, 

trat als Verbündeter der Trojaner auf und kämpfte tapfer 

in der Schlacht. Doch im Glanz seiner größten Tapferkeit 

wurde er von Neoptolemos getötet, und die Reihen 

der Trojaner wurden durch die Rache der Achäer dezimiert.


Die Belagerung von Troja, nunmehr ein zermürbender 

und langwieriger Krieg, erreichte einen neuen Höhepunkt. 

Unter der Anleitung der weisen Athene wurde 

von Epeios, einem geschickten Baumeister, das große 

hölzerne Pferd erschaffen, das die Trojaner 

in den Ruin stürzen sollte. Odysseus, der Meister 

der List, verstellte sich und schlich sich in die Stadt 

von Ilion, getarnt als bloßer Wanderer. In dieser Verkleidung

begegnete er Helena, der einst schönen Königin von Sparta, 

und gemeinsam schmiedeten sie einen Plan, der die Stadt 

an den Rand ihrer Zerstörung führen sollte.


Odysseus, der als Spion in den Mauern der Stadt war, 

tötete während seiner Zeit in Ilion mehrere Trojaner 

und verließ dann die Stadt, um zu den griechischen 

Schiffen zurückzukehren. Doch das größte Geheimnis 

war noch nicht vollends gelüftet. Gemeinsam 

mit Diomedes stahlen sie das Palladion, das heilige 

Kultbild der Stadt, und nahmen es mit, was 

das Schicksal Trojas endgültig besiegelte.


In einer letzten, verzweifelten Hoffnung, die Belagerung 

zu beenden, beschlossen die Trojaner, das hölzerne Pferd 

in die Stadt zu holen und feierten, als hätten sie 

die Achäer endgültig besiegt. Die Mauern, 

die so lange standgehalten hatten, wurden niedergerissen, 

und das Pferd wurde in das Zentrum der Stadt gezogen. 

Doch während sie feierten, als wären sie die Sieger, 

ahnten sie nicht, dass der wahre Triumph der Achäer 

bereits in den Tiefen dieses Geschenks verborgen war.


Die Besten der Achäer, die tapfersten unter ihnen, 

stiegen in das Pferd, und der Rest zog sich zurück, 

verbrannte die Zelte und segelte heimlich nach Tenedos, 

um einen sicheren Abstand zwischen sich und den ahnungslosen

Trojanern zu wahren. Diese, berauscht von ihrem vermeintlichen

Sieg, gingen in ihre Feiern über, bis der Morgen 

der Zerstörung sie mit der bitteren Wahrheit konfrontierte: 

Das Ende war gekommen, und Troja würde fallen.


Die Götter des Krieges, die über den Verlauf des schicksalhaften

Konflikts zwischen Troja und den Achäern wachten, 

verweilten jedoch nicht im Schweigen. Ihre Mächte 

entfalteten sich weiterhin in den Kämpfen, 

die unermüdlich voranschritten. Inmitten dieses 

unaufhörlichen Sturms der Zerstörung erhob sich 

Deiphobos, ein Sohn des König Priamos, der sich 

Helena, die einst so bewunderte Königin von Sparta, 

zur Frau nahm. Diese Verbindung schien den Trojanern 

eine neue Stärke zu verleihen. Ihre Reihen, die 

durch das Bündnis weiter gefestigt wurden, standen 

vereint gegen die fortwährenden Angriffe der Achäer. 

Doch der Widerstand der griechischen Streitkräfte 

war nicht gebrochen. In einer verzweifelten Wendung 

der Ereignisse, als der Tod und das Leiden die Herzen 

der Krieger drückten, fanden die Achäer einen letzten,

verzweifelten Ausweg: Sie holten Neoptolemos, 

den Sohn des großen Achilles, von der Insel Skyros. 

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel trat er 

mit einem Kriegerstolz hervor, den sein Vater einst 

verkörpert hatte. Die glänzende Rüstung, 

die ihm übergeben wurde, schimmerte 

wie das Spiegelbild eines längst vergangenen Helden. 

Als Neoptolemos in diese Rüstung schlüpfte, 

schien der Geist des verstorbenen Achilles ihn 

zu durchfluten, ihm die Kraft und den Mut zu verleihen, 

die den Achäern all die Zeit über gefehlt hatten.


Doch nicht alle Krieger der Achäer sollten das gleiche 

Schicksal erfahren. Inmitten des Chaos, als die Völker 

in einer verzweifelten Hoffnung um den Sieg rangen, 

trat Eurypylos, der Sohn des Telephos, als Verbündeter 

der Trojaner hervor. Er war ein tapferer Krieger, 

der in den Reihen der Trojaner stand und ihnen beistand. 

In der Hitze des Gefechts, als der Kampf sich immer 

weiter zuspitzte und die Schlachten sich in blutigen 

Katastrophen auflösten, erlebte Eurypylos 

seinen letzten Augenblick. In einem glänzenden Moment 

tapferer Entschlossenheit wurde er von Neoptolemos

niedergestreckt, und somit verschmolz seine Tapferkeit 

mit dem zerrissenen Bild der Trojaner, die 

durch die Rache der Achäer weiter geschwächt wurden.


Der Krieg um Troja, dieser unaufhörliche und zermürbende

Konflikt, schien keine Pause zu kennen. Doch ein Plan, 

von den Göttern und den klügsten Köpfen der Achäer 

gelenkt, sollte die Belagerung in eine neue Richtung lenken. 

Unter der Weisheit der göttlichen Athene 

und dem handwerklichen Können des Baumeisters 

Epeios wurde ein großes hölzernes Pferd erschaffen. 

Dieses Holzgebilde war mehr als nur ein mechanisches

Wunderwerk; es war ein Werkzeug der Täuschung, 

ein symbolischer Fallstrick, der die Trojaner 

in den Ruin stürzen sollte. Der listige Odysseus, 

der Meister der Täuschung und der Strategie, 

ließ sich als wandernder Fremder in die Stadt Troja 

einschleusen. Dort traf er auf Helena, die längst verwirrte 

Königin von Sparta, und gemeinsam schmiedeten sie 

einen Plan, der die Stadt in ihre Vernichtung führen sollte.


Während seiner Zeit in Troja, getarnt als unschuldiger 

Reisender, brachte Odysseus mit listigen Manövern 

weiteres Unheil. In der Dunkelheit der Nacht 

tötete er mehrere Trojaner und entzog sich 

dem Blick der Stadtbewohner, indem er wieder 

zu den griechischen Schiffen zurückkehrte. 

Doch der wahre Plan lag noch verborgen. Gemeinsam 

mit seinem Gefährten Diomedes stahl er das Palladion, 

das heilige Kultbild der Stadt, ein Symbol 

der göttlichen Gunst, das die Trojaner unerschütterlich 

zu schützen schien. Als das Palladion in den Händen 

der Achäer war, war das Schicksal Trojas besiegelt.


In einer letzten verzweifelten Hoffnung, den Krieg 

zu beenden, und in dem Glauben, die Achäer 

endgültig besiegt zu haben, beschlossen die Trojaner, 

das hölzerne Pferd in die Stadt zu bringen. Sie feierten 

ihren vermeintlichen Sieg, und glaubten, die Belagerung 

sei beendet und die Gefahr abgewendet. Die Tore 

der Stadt öffneten sich, und das riesige Pferd, 

das so viele schlafende Kämpfer barg, wurde 

mit feierlicher Inbrunst in das Zentrum Trojas gezogen. 

Doch es war der Beginn des unaufhaltsamen 

Untergangs. Die Mauern, die so lange gehalten hatten, 

wurden niedergerissen, und die Trojaner, 

von ihrem eigenen Glauben an den Sieg getäuscht, 

ahnten nicht, dass der Feind unter ihren Füßen lauerte.



VIERTER GESANG


In der glühenden Hitze des Trojanischen Morgens, 

als die Sonne ihre ersten Strahlen über die hohe Mauer 

der Stadt warf, standen die Trojaner um das hölzerne Pferd, 

das in der Mitte ihres Marktplatzes aufragte 

wie ein monumentales Rätsel. Misstrauen 

lag auf ihren Gesichtern, die sich zwischen Staunen 

und Angst bewegten. Einige von ihnen flüsterten 

zögerlich und betrachteten das gewaltige Holzgestell, 

als ob es der Ursprung eines neuen Fluches wäre. 

Ihre Gedanken, wirr und von der Dunkelheit 

des Krieges getrübt, schienen auf den ersten Blick 

nicht miteinander in Einklang zu kommen.


Stürzt es von der Klippe!“, rief einer der Älteren, 

seine Hände wie ein drohender Flügel in die Luft werfend,

verbrennt es! Es ist ein Listensymbol der Feinde!“ 

Doch seine Worte fanden wenig Gehör. Andere, 

weniger furchtsam, begannen zu murmeln, 

dass es vielleicht die einzige Chance für Troja sei. 

Sie sahen das Geschenk der Götter nicht als Falle, 

sondern als ein heiliges Zeichen ihrer Gnade.


Es ist ἱερός“, sagte ein weiser Priester, der seine Hand 

auf das schwere Holz legte und in den Sternen 

zu lesen schien. „Vielleicht sollte es Athene 

gewidmet werden. Wir schulden ihr unseren Sieg. 

Sie wird uns nicht im Stich lassen!“ Die Troja-Ritter, 

unsicher und von widersprüchlichen Gefühlen 

überwältigt, blickten sich um. Die Stunde 

der Entscheidung war endgültig gekommen.


Langsam setzte sich die Meinung der Dritten durch – 

die, die an die Göttin glaubten und das Pferd 

als ein heiliges Geschenk betrachteten. Mit freudigen 

Gesichtern und dem Gefühl der Erleichterung, 

als seien sie gerade aus den Fängen des Krieges 

befreit worden, begannen die Trojaner zu feiern. 

Der Lärm ihrer Stimmen mischte sich mit den Klängen 

von Festgesängen und Tänzen. Sie ahnten noch nicht, 

dass ihre Freude nur die letzten, trügerischen 

Wellen eines drohenden Unwetters waren.


Plötzlich zerriss ein schrecklicher, unheilvoller Schrei 

die Luft, und inmitten des Jubels tauchten 

zwei riesige Schlangen aus dem Meer auf. Mit unvorstellbarer

Geschwindigkeit wanden sie sich um Laokoon 

und seinen Sohn, die vergeblich versuchten, sich zu wehren. 

Das grausame Schauspiel verängstigte die umstehenden 

Trojaner. Entsetzt und von Angst gepackt, 

flohen Äneas und seine Anhänger, ihre Gesichter 

von Unruhe und Schrecken gezeichnet, zurück 

in die sicheren Höhen des Berges Ida, zur Großen Mutter.


In diesem Moment war die Entscheidung gefallen. 

Sinon, der listige Verräter, der sich in der Trojanischen

Gemeinschaft als Freund eingeschlichen hatte, 

entzündete plötzlich Signalfeuer, die im Dämmerlicht 

wie ein verführerischer Ruf zu den Achaiern 

in der Ferne hinüber brandeten. Diese, die schon 

auf Tenedos geduldig gewartet hatten, nahmen 

die Gelegenheit wahr und segelten mit wütender 

Entschlossenheit zurück nach Troja. Das hölzerne Pferd, 

das einst als Symbol des Friedens galt, wurde nun 

zum Todesboten. Die Achaier, verborgen in seinem Bauch,

überfielen die schlafende Stadt. Ein blutiger Sturm brach los, 

und die Straßen Trojas wurden mit Gemetzel erfüllt.


Neoptolemos, der unbarmherzige Sohn des Achilles, 

traf als Erster das Heiligtum des Zeus Herkeios, 

wo der alte Priamos in letzter Verzweiflung 

Zuflucht gesucht hatte. Mit einem einzigen, erbarmungslosen 

Hieb tötete er den König. Menelaos, der wütende 

Ehemann, rächte sich an Deiphobos und fand 

schließlich die entflohene Helena. Unter dem Zorn 

des Krieges wurde sie, die schöne Königin, 

wie eine Trophäe zu den Schiffen der Griechen geführt.


Doch das war nicht das Ende der Schrecken, 

die über Troja hereinbrachen. Aias, der Sohn des Oileus, 

beging ein weiteres Verbrechen: Mit roher Gewalt 

entriss er Kassandra, die Priesterin der Apollo, 

von der Statue der Athene. Der Himmel schien 

über ihn hinweg zu brechen, als die Achaier ihn

in ihrer Wut zu steinigen drohten. Doch Aias, 

geschickt wie ein Raubtier, suchte Zuflucht 

am Altar der Göttin und entging so dem tödlichen 

Zorn seiner eigenen Gefährten, durch der Göttin Huld.


Während die Stadt brannte, ihre Mauern in den Flammen

zerschmolzen, gab es keine göttliche Gnade mehr. 

Polyxena, die Tochter des Priamos, wurde 

auf dem Grab des Achilles geopfert – das grausame 

Ritual nahm ihren letzten Atemzug. Odysseus, 

der listenreiche Held, führte die tödliche Hand 

gegen Astyanax, den Sohn des Hector, der unschuldig 

und hilflos in den Armen seiner Mutter aufwuchs. 

Neoptolemos hingegen nahm Andromache als Sklavin mit, 

ihre einst so edle Gestalt nun ein Spielball der Sieger.


In der Nachwirbelung dieses blutigen Triumphs 

ergriff Demophon die Hand seiner Mutter Aithra, 

die zusammen mit Akamas von den brennenden Ruinen

aufgestiegen war. Der letzte Akt des Trojanischen Krieges 

war gekommen. Und als die Achaier mit ihren Schiffen 

die Küsten von Troja verließen, war es nicht der Wind, 

der sie forttrug, sondern die eisige Hand der Athene, 

die von den Wellen des Meeres aus ihre Rache plante.



FÜNFTER GESANG


Athene, die weise Göttin, die im Olymp wohnt, 

fand es für nötig, den Frieden zwischen den Griechen 

zu stören, um einen Streit zwischen Agamemnon 

und Menelaos zu entfachen. Es war eine Reise, 

die Troja verlassen sollte, doch zwischen den beiden 

Brüdern brach ein Zwist aus. Agamemnon, 

der in seiner Rolle als Anführer der Griechen 

eine höhere Autorität beanspruchte, stellte Forderungen, 

die Menelaos, der Ehemann der schönen Helena, 

nicht ohne Widerstand akzeptieren konnte. 

Doch Athene, von ihrem eigenen Plan geleitet, 

webte in diesem Moment der Zerwürfnisse 

den roten Faden des Zorns, der die beiden Männer 

in einen erbitterten Streit führte. Agamemnon wusste, 

dass er, um den Zorn der Göttin zu besänftigen, 

bleiben musste, was seine Pläne verzögerte.


Diomedes und Nestor, zwei tapfere Helden 

unter den Griechen, zogen bereits von dannen. 

Sie stachen in See, und der Wind trug ihre Schiffe 

sicher zurück in ihre Heimat, wo sie ohne weiteres Abenteuer 

ihre wohlverdiente Ruhe fanden. Doch Menelaos, 

dem ein tiefer Kummer über den Verlust seiner Frau 

Helena stets auf der Seele brannte, wollte sich 

von den göttlichen Intrigen nicht abhalten lassen. 

Er sammelte seine Schiffe und stach ebenfalls in See. 

Doch die Götter, in ihrer unbarmherzigen Laune, 

trugen nicht seine Hoffnungen, sondern den Zorn 

der Elemente. Fünf seiner Schiffe erreichten 

das fremde Land Ägypten, während die übrigen 

in einem grausamen Sturm versanken im Meer 

und nie wieder von Augen gesehen wurden.


Unterdessen, in der Ferne, setzten die Gefolgsleute 

des weisen Kalchas, Leonteus und Polypoites, 

ihre Reise über das Land fort. Sie strebten nach Kolophon, 

wo sie dem großen Seher Teiresias die letzte Ehre 

erweisen wollten. Der alte Prophet, der die Weisheit 

der Götter besaß, war dort gestorben, und nun galt es, 

sein Begräbnis zu organisieren und den ehrwürdigen 

Mann Tiresias mit Totengebeten zu bestatten.


Doch das Schicksal nahm einen unheilvollen Verlauf, 

als die Schiffe Agamemnons ihre Reise fortsetzten. 

Den Männern, die das offene Meer durchquerten, 

erschien das Bild des gefallenen Achilles, wie ein Schatten, 

ein εἴδωλον. Der Geist des großen Kriegers schien 

in ihren Herzen zu sprechen und versuchte, 

sie mit düsteren Prophezeiungen von der Weiterfahrt 

abzuhalten. Doch trotz des drohenden Schattens 

der Zukunft segelten sie weiter, dem Schicksal entgegen.


Und so kam es, dass sie in den weiten, wilden Gewässern 

nahe den Kapherides-Felsen auf einen Sturm stießen, 

der gewaltig und zerstörerisch war. Die Wellen 

erfassten die Schiffe und die Männer, und das Unglück 

führte schließlich zum tragischen Untergang 

des Lokrischen Aias, der wie ein sinkendes Schiff 

seinem ehernen Schicksal nicht entkommen konnte.


Neoptolemos, der Sohn des Achilles, war gewarnt 

von der Meeresnymphe Thetis, seiner Mutter, die ihn riet, 

den gefährlichen Meerweg zu meiden. Er entschloss sich, 

über Land zu reisen. Auf dieser Reise kam er nach Thrakien, 

wo er auf den listigen Odysseus traf, der ebenfalls 

auf der Heimreise war. In Maroneia, dem weiten Land, 

fanden sie zusammen und nach einer würdigen Bestattung 

für Phoinix, der unterwegs verstorben war, setzten 

sie ihre Reise fort. Neoptolemos erreichte schließlich 

das Land der Molosser, wo er von seinem Großvater 

Peleus erkannt wurde, der seinen Enkel, den stolzen 

Sohn des Achilles, mit offenen Armen empfing.


Doch der Ausgang des Krieges, der Tod 

und das Blutvergießen, hatte längst noch nicht 

das Ende der griechischen Schicksale erreicht. 

Agamemnon, von der List des Aigisthos und der Rache 

seiner Frau Klytaimestra überlistet, fand 

einen grausamen Tod. Klytaimestra, von Hass 

und Machtgelüsten getrieben, hatte ihren Ehemann 

mit den Händen des Aigisthos ermorden lassen. 

Doch der Tod des Königs rief einen Racheakt hervor, 

der wie ein Geistesblitz in die Seele des Orestes fuhr. 

Der Sohn Agamemnons, gerufen vom Ruf des Vatergeistes, 

zog zurück und rächte den Tod des Königs in einem Blutbad, 

das das Haus des Atreus noch weiter verfluchte.


Am Ende, als alles vorbei war, und der Sturm 

der Schicksale sich gelegt hatte, kam Menelaos zurück. 

Mit den wenigen Schiffen, die den Sturm überstanden hatten, 

fand er den Weg zurück in die Heimat. In Ägypten, 

wo das Land ihm freundlich entgegengekommen war, 

fand er schließlich die Ruhe und den Frieden, 

den er so lange gesucht hatte, die ewige Seelenruhe.