Oder
Die Hochzeit im Totenreich
von Torsten Schwanke
für Janna
ERSTER GESANG
Er war der Erste, der mutig ein Fahrzeug erschuf,
Und wagte es, trotz Sturmes, des Meeres Ruf.
Mit groben Rudern schlug er den Takt in die Flut,
Doch zeigte er, trotz Furcht, der Götter Mut.
Die Erlenbarke trotzte den launischen Winden,
Drang durch die Wellen, wo andere bloß Gefahr empfinden.
Er fuhr zunächst an Küsten, dem Ufer ganz nah,
Doch später lockte ihn weit hinaus die weite See ja.
Das Segel gebläht, vom Südwind sanft geführt,
Wuchs ihm die Kühnheit, die ihn zu neuem Ziel verführt.
Ein Herz, das pochte, sang von Hades’ finstrem Ross,
Das Sternenlicht verschlang, wie ein ewiger Schoß.
Ruft nicht die Nacht, wenn ihr im Dunkel euch findet,
Denn Wahnsinn göttlich, die Seele vom Leid entbindet.
Phoebus erhellte die Welt mit himmlischem Licht,
Und Tempel erbebten, die Götter in heiligem Gericht.
Ein Grollen erklang aus den tiefen Räumen der Erde,
Wo Eleusis leuchtet, im Traum von mythischem Herde.
Triptolemus lenkte die Schlangen, so zahm und gelenk,
Und mit Bacchus tanzten die Götter im Weingelänk.
Onkel Hades, von Gram und von Einsamkeit gequält,
Ward nicht der Liebe noch Hoffnung je auserwählt.
Kein Gatte, kein Vater, nur Dunkel, das ihn umfing,
Sein Grimm, der die Furien und ihren Zorn herbeibringt.
Tisiphone brannte, in Händen das flammende Schwert,
Und Höllenhorden tobten, das Grauen den Himmel zerstört.
Die Titanen, gebunden, in Ketten voller Schmerz,
Wetterten gegen des Blitze schleudernden Jupiters Herz.
Die Parzen jedoch, von Angst vor dem Chaos erbebt,
Flehten um Frieden, den Faden, der Leben webt.
Die Parzen, gebeugt, die Diener des Schicksals, erschrocken,
Mit grauem Haar, das fiel bis zu den Füßen in Locken,
Berührten die Knie des Onkels von Schatten und Nacht,
Der Anfang und Ende in ewigem Wechsel entfacht.
Warum, so sprachen sie, führst du Krieg und Gefahr,
Wenn Frieden im Himmel das Heil des Lebens war?
Bitten wir Jupiter, dass dir ein Weib zugehörte,
Das deine Einsamkeit lindert und Liebe beschwörte.
Doch Onkel Hades, entflammt von Lust und tiefem Begehr,
Entführte Proserpina, die Nichte rein und hehr.
Im Blütenkranz tanzte sie, vom Frühling umgeben,
Da riss er sie fort, in die Tiefe der dunklen Reben.
Die Erde erbebte, ein Spalt verschlang ihre Spur,
Und Ceres durchirrte die Lande in brennender Flur.
Die Mutter, verzweifelt, suchte ihr Kind und sprach:
Das Korn sei des Menschen Brot, ersetzt das Eichelfach.
So wuchs auf den Feldern die goldene Gabe empor,
Doch zeugte von Tränen, verschwand doch die Tochter zuvor.
Am Ende entschied Jupiter, gerecht im Gericht:
Die Nichte soll teilen, was Schicksal dem Leben verspricht.
Ein Teil des Jahres beim Onkel, im Schatten der Nacht,
Ein Teil bei der Mutter, die neues Leben entfacht.
Wenn Frühling die Blüten enthüllt in farbiger Pracht,
Kehrt sie zurück, die Göttin der jungen Macht.
Doch wenn der Winter die Erde in Frost umhüllt,
Fährt sie hinab, wo die dunkle Pflicht sie erfüllt.
Die Harmonie ward bewahrt, die Elemente vereint,
Und der Wind trug den Frieden, wie Ägäis ihn meint.
Kaum hatte die Nichte gefleht in herzlichem Gebet,
da sank Onkel Hades beschämt, sein Zorn im Wind verweht.
Wie Boreas wütend mit scharfer und eisiger Macht
durch Wälder, Felder und Fluten im Sturmeskampf erwacht,
doch wenn Äolus streng seine dunklen Tore verschließt,
verhallt das Toben der Winde, im Nebel es sich ergießt.
Merkur trat vor und sprach: O Hades, hör mein Fleh!
Trag diese Worte zu Jove, zu seines Thrones Höh!
Mit Flügelschuhen geziert und dem Stab in rascher Hand
durchfliegt er Wolken und Lüfte zum himmlischen Sternenrand.
Doch Hades saß umhüllt vom Dunst, der Macht ihn umfing,
und sah auf Hallen des Schweigens, wo Dunkelblumen blühn.
Da sprach er: Bruder, warum bindest du mich so?
Raubtest mir Waffen und Licht, das meinem Stolz entfloh.
Vergessen hast du wohl, dass die Nacht mir Leben gab,
und ohne Blitze noch immer ich fürchterliche Kraft hab!
Du, hoch im Himmel von Sternen umschimmert und klar,
während mein Reich mir nur Schatten und stille Trauer gebar.
Ist’s nicht genug, dass des Tages Glanz mir genommen?
Die Nereiden erfreust du mit Kronen, die Sterne bekommen.
Mir bleibt nichts als die Leere, ein Reich von Grabesruh,
fern von Gesang der Hochzeit, von fröhlichem Kindergetu.
Bei Höllentiefen, bei Nächten ohne funkelnden Schein,
ich schwöre, das Licht zu stürzen in Chaos und Nacht hinein!
Kaum sprach er dies, schon flog der Götterbote empor,
trug Onkels Worte hinauf zu Jovis goldenem Tor.
Die Erde birgt ein Kind, von Ceres’ Güte geweiht,
schön wie der Frühling selbst, in Blüten und jungem Kleid.
Proserpina, die Nichte, hold, von göttlichem Stolz durchwacht,
ist die einzige Tochter, die Ceres jemals gebracht.
Zwei Freier buhlen um sie: Mars mit der Schilde Kraft,
und Phoebus, des Lichtes Herr, der durch den Himmel schafft.
Doch Ceres wies sie zurück, aus Sorge um dunkle Gefahr,
verbarg das Kind im Verborgnen, vor Unheil und Zorn bewahr.
Doch keine List kann halten, was finstrer Wille verlangt,
wenn Hades aus der Tiefe nach blonder Schönheit verlangt.
Einst war Trinacria Teil Italiens stolzes Reich,
Das Meer, die Gezeiten, veränderten es sogleich.
Der siegreiche Nereus zog scharfe Grenzen ein,
Durchflutete die Berge mit wellenstarkem Schein.
Ein schmaler Kanal trennt nun, was einst verbunden war,
Die dreischiffige Insel ist jetzt dem Meer ganz nah.
Pachynums Felsen trotzen dem wilden ionischen Meer,
Afrikas Wogen donnern am Hafen Lilybäer.
Der Tyrrhener strömt, erschüttert bei Pelorus’ Kap die Flut,
Geduldig ist sie selten, doch birgt sie große Wut.
Im Zentrum hebt Aetna sein Haupt, vom Feuer verbrannt,
Ein Denkmal für Jupiters Sieg, gewaltig anerkannt.
Hier liegt Enceladus, gefesselt in Glut und Rauch,
Aus brennenden Wunden strömt endloser Schwefeldunst auch.
Sein Körper bebt die Insel, verschiebt er seine Last,
Die Städte wanken flüchtig, als hielte nichts sie fast.
Die Gipfel sind unnahbar, vom Blick allein erkannt,
Kein Fuß tritt ihre Höhen, die Sturm und Glut gebannt.
Der Aetna speit den Rauch aus, mit schwarzem Wolkenzug,
Verdunkelt selbst die Sterne mit feurigem Betrug.
Ob Sturm in Höhlen wütet, sein feuriger Atem presst,
Oder das Meer sich schäumend durch Schwefeladern frisst,
Das Rätsel bleibt verborgen, doch zeigt sich seine Macht,
Die Felsen türmen Felsen, von heißer Glut entfacht.
Als Mutter einmal sich Hennas Schutz vertraute an,
Zog sie zum phrygischen Ida, wo Kybele begann.
Geführt von Schlangenwagen, die giftig Wolken brachen,
Zog sie durch Lüfte leicht, ließ goldne Saat erwachen.
Ihr Weg war Frucht und Fülle, die Felder blühn zurück,
Wo einst ihr Fuß gestrichen, da herrscht nun Erdenglück.
Sizilien schwand in Ferne, sie schaut zurück und spricht:
O Land, sei stets gesegnet, verlier mein Kind doch nicht!
Dir sei’s nicht auferlegt, die Pflugschar zu ertragen,
Unbesät bringst du Ernte an goldnen Erdentagen.
So sprach die Göttin segnend, erreichte Idas Höhn,
Wo Kybele mit Ehrfurcht sie grüßt, vom Glanz durchwehn.
Im Tempel rauscht der Hain, kein Sturm entfacht ihn je,
Doch klingt sein Kieferflüstern wie Lieder in der Höh.
Jupiter blickt hernieder, von hohem Himmelsreich,
Die Venus ruft er leise, erklärt ihr Sorgen gleich:
„Die Tochter von Demeter, Proserpina ihr Name,
Soll Hades’ Braut einst werden, das ist des Schicksals Drame.
Die Stunde naht, nun handle, durch Liebe zieh sie fort,
Entfache selbst im Schatten die Glut am finstern Ort.
Kein Herz soll frei verbleiben, kein Land sei ohne Band,
Auch Onkel wird entflammen durch deinen starken Brand.
Die Venus eilt, den Willen ihres Vaters zu tun,
und Pallas folgt ihr nach, Diana ohne Ruh.
Mit ihrem Bogen, der die Hänge Mänalus kennt,
sie streift durch Schatten, wo der göttliche Pfad entbrennt.
Ein Licht wie Kometen, die mit Flammen bedrohen,
die Stürme bringen und Städte vor Zorn entflohen.
Kein Seemann wagt, die feurige Spur je anzusehn,
denn solche Zeichen lassen niemand unversehn.
So kamen sie dorthin, wo Ceres’ Palast stand,
mit Mauern aus Erz, von Zyklopen festgebrannt.
Die Tore aus Eisen, mit Stahlriegeln gezimmert,
kein Werk von Steropes jemals so herrlich flimmert.
Die Schmieden glühten, und geschmolznes Erz floss tief,
die Bälge prusteten, der Ofen brüllte schief.
Der Saal aus Elfenbein, mit Säulen aus Elektron,
das Dach gestützt, erstrahlte wie ein goldner Thron.
Die schöne Nichte saß still und sang ein sanftes Lied,
sie nähte ein Geschenk, das Mutter gerne sieht.
In feinem Stoff zeigte sie der Welten Beginn,
wie Chaos weichte, als die Ordnung sie gewann hin.
Die Elemente trennten sich, wie es bestimmt:
Das Feuer steigt empor, die Luft das Licht gewinnt.
Das Meer floss tief hinab, die Erde sank ins Tal,
Natur gestaltet mit Gesetzen ohne Wahl.
Mit Farben reich geschmückt: das Meer in Purpurtönen,
die Sterne golden, und die Wellen, wie sie dröhnen.
Die Fäden prägte sie, als wenn der Tang sich schlägt,
der Sand sich durstig beugt, das Rauschen sie bewegt.
Die fünf Zonen fügte sie mit rotem Garn hinein,
zwei milde und bewohnt, die Wüsten brennend fein.
Die Pole froren ein in ewig dunkler Nacht,
wo Winter furchtbar schwebt und alles schweigend wacht.
Dann webte sie der Unterwelt düstern Sitz hinein,
der Flüche trägt, der Schatten bleibt, das Dunkel wird sein.
Ein Omen zog herauf, sie spürte Tränen nah,
als in Zukunft plötzlich sie die kalte Wahrheit sah.
Noch zeichnete sie Meeresrand in Glas und Licht,
doch öffnet sich die Tür, die Göttinnen im Sicht.
Ein Rot erglühte hell auf ihren reinen Wangen,
die zarte Unschuld schien in ihrem Glanz gefangen.
Kein Elfenbein, getränkt in Sidons Purpurrot,
so leuchtet’ wie sie da, als wäre selbst der Tod
erweicht von ihrem Glanz, der strahlend sie umfing,
als reine Schönheit still die Göttlichkeit durchdrang.
Die Sonne tauchte tief ins Meer, der Tag verging,
die Nacht, von Nebeln schwer, in schwarzen Wagen hing.
Da Onkel auf des Bruders Ruf hernieder schwebt,
sein Zorn, den die Furie treibt, wie wild die Rosse hebt.
Vier Pferde warten, Cocytus’ Ufer sie gezeugt,
sie tränken Lethes Schlaf, der ihre Lippen feucht.
Orphnaeus, wild und schnell, und Aethon wie ein Blitz,
Nycteus, stolz und stark, Alastor führt den Sitz.
Sie stampfen an der Tür, die Nüstern beben laut,
des Höllenrosses Trieb den neuen Tag betaut.
So hebt sich Morgen her, im Zeichen düster Wut,
der Tartarus erwacht, des Schicksals ewige Glut.
ZWEITER GESANG
Als Orpheus in des Schlafes Arme sacht entschwand,
Lag lang verwaist die Leier stumm in seiner Hand.
Die Nymphen klagten laut, ihr Lächeln schwand dahin,
Die Flüsse seufzten tief in trüben Melodien.
Die Wildnis kehrte heim, der Löwe jagte nun,
Die junge Kuh erschrak und suchte Ruh vom Tun.
Die Berge riefen laut nach seines Liedes Klang,
Die Wälder schwiegen still, kein Echo mehr erklang.
Doch als Herkules kam, von Argos weit entflohn,
Zerstörte Thrakens Pein, des Diomedes Thron,
Führt’ Pferde blutiger Macht auf Gräser sanft gebannt,
Da hob Orpheus die Lyra mit geübter Hand.
Er griff den Elfenbeinton, Saiten, die verstaubt,
Und spielte voller Lust, was seine Landschaft glaubt.
Der Hebrus hielt den Fluss, der Wind verstummt' im Feld,
Der Rhodope neigt’ Fels, lauscht’, was ihm gut gefällt.
Das Dickicht, das so oft sein Thrakerlied vernahm,
Verließ nun seine Höh’n, der Tann vom Haemus kam.
Die Pappeln und die Kiefern, von Eichen nicht getrennt,
Umstanden ihn im Kreis, von Tönen sanft gelenkt.
Selbst Lorbeer, stolz und fern, Apollos treuer Freund,
Ertrug sein eignes Lied und ward ihm zugeeint.
Der Tiger sucht den Hirsch, der Wolf das Lämmlein sacht,
Die Welt in Harmonie, durch Orpheus’ Kunst entfacht.
Von Herkules sang er, des Lebens Heldentum,
Wie er den Feind bezwang, erleucht von Siegesruhm.
Von Kretas brüllendem Stier, von Hydras neuntem Haupt,
Von Cacus’ Flammenhort, den Herkules beraubt.
Er sang von Amazonen, vom Gürtel ihrer Macht,
Vom Bogen, der die Vögel von Stymphalos gemacht.
Vom Vieh, das heimgeführt vom westlich fernen Rand,
Von Siegen über Feinde, dreifach überwand.
Antaeus, dessen Kraft im Fallen neu erstand,
Lag tot, als Herkules ihn nieder fest verband.
Von Schlangen rings umhüllt, als Knabe schon gewandt,
Bezähmt’ er jede Macht mit tapferer Geisteshand.
Das Lied erklang, und ringsum stieg die Harmonie,
Die Erde hielt den Atem still, vernahm die Melodie.
So sang der Thrakerbarde, und seine Kunst erblüht,
Dass selbst die Wildnis ihn um Frieden froh bemüht.
Zwischen den zweien steht das Kind der großen Ceres,
Der Mutter ganzer Stolz, doch bald ihr schwerer Schmerze.
Mit zarten Schritten schreitet sie durchs grüne Gras,
So schön und hochgewachsen, wie Pallas selbst wohl was.
Hätt' sie einen Schild, man hielte sie für die Maid,
Mit einem Speer wohl Diana, zur Jagd bereit.
Ein Gürtel hält ihr Kleid, ein Jaspis glänzt daran,
Kein Schneider je so kunstvoll ein Werk erschaffen kann.
Der Stoff so fein gewebt, die Stickerei so echt,
Ein Meisterwerk der Kunst, voll Anmut und gerecht.
Drauf zeigt sich Hyperions Saat, die Sonne geboren,
Den Mond, der anders strahlt, doch gleichfalls auserkoren.
Die Wiege, die Tethys gab, ist still und sanft ihr Schoß,
Die kleinen Schreie lindert sie, das Licht bleibt dennoch groß.
Auf ihrer rechten Schulter ruht der kleine Titan,
Noch jung, die Strahlen kurz, ein sanftes Licht voran.
Der Mond, die Schwester, saugt an Tethys' weißer Brust,
Ein Horn schmückt ihre Stirn, Symbol der Himmelslust.
So war das Kleid der Nichte wunderschön geschmückt,
Die Najaden umringen sie, von Schönheit ganz entzückt.
Die Flüsse folgen treu: Crinisus, Pantagias' Flut,
Auch Gela strömt herbei, wo ihre Stadt nun ruht.
Camerina, die stille, in Sumpfen tief versenkt,
Arethusa sprudelt, von Alpheus' Liebe gelenkt.
Cyane thront erhaben, ein Werk von höchstem Glanz,
Wie Amazonen schreiten sie, erfüllt von Sieg und Tanz.
Henna, die Mutter der Blumen, erblickt die Göttin klar,
Vom Gipfel spricht sie Zephyr an, der dort zugegen war:
O Frühlingsvater gnädig, mit sanftem wehendem Hauch,
Segne meine Wiesen, erfüll den blühenden Strauch!
Lass Früchte reifen, dass Hybla erblasse vor Neid,
Mein Land soll überstrahlen, selbst Paradieses Zeit.
Von Panchäas Duft bis Hydaspes' fernen Strom,
Lass Wohlgeruch mich füllen, mein Land, dass es sich lohn!
Die Göttinnen mögen mich pflücken, geschmückt mit meinem Kranz,
So segne mich, o Vater, erfüll den Blumenkranz!
So sprach sie, und Zephyr schwang seine Flügel weit,
Mit Nektar tränkt er Erde und Felder nah und breit.
Wohin sein Atem fliegt, dort blüht der Frühling neu,
Die Wolken weichen Himmel, der Glanz wird hell und treu.
Er färbt die Rosen rot, die Hyazinthen blau,
Die Veilchen lila leuchtend, wie Perlen fein im Tau.
Welch Gürtel Babylons mit solchen Steinen prangt?
Kein Regenbogen glänzt so bunt und unverlangt.
Nicht Junos Pfau zeigt je, so reich in seinem Kleid,
Die Pracht, die hier erstrahlt, in all der Herrlichkeit.
Noch schöner als die Blumen auf dem Land,
Die weite Ebene, sanft von Wellengang umspannt,
Mit Hügeln, die sich langsam in die Lüfte heben,
Wo Bäche sprudelnd aus lebendigen Felsen streben.
Ein Wald, der Schatten seinen Zweigen abverlangt,
Mild Hitze bricht und Winters Kälte mildern mag.
Dort wächst die Kiefer, Seefahrt dienlich stets,
Der Eiche Stolz, die Jupiter als Krone schätzt.
Die Zypresse, die still am Grabe wacht,
Die Steineiche, die Honigfülle prachtvoll macht.
Der Lorbeer, der das Dunkel der Zukunft kennt,
Hier Buchsbaum dicht, dort Reben, die die Ulme trennt.
Ein See liegt nah, von Sicanern Pergus genannt,
Von dichten Lauben zart und leise übermannt.
Sein bleiches Wasser lädt das Auge tief ins Reich,
Wo klare Tiefen zeigen, was verborgen schleicht.
Hier kam die Schar mit frohem Blumenstrahl,
Die Venus rief und führte durch das helle Tal:
Kommt, Schwestern, sammelt, während noch das Licht
Des Morgens glänzt durch feuchten Dunst und Nebel bricht.
Jetzt treibt der Morgenstern, des Frührots Verkünder hehr,
Sein Ross, das Tau der Morgenfelder wiegt so schwer.
Sie sprach's und sammelte die Blume, die beweist,
Was Schmerz, was Hoffnung ihrem göttlichen Herzen heißt.
Die Schwestern reichen Blüten ihr in bunter Pracht,
Ein Bild, das summend Bienenhügel nachgemacht.
Ein Schwarm, der Hybla-Thymians Süße sammelt eifrig ein,
Wo Wabenreich und Wachs-Armeen im Stamm gedeih’n.
Der Wiesen Farben sind von ihren Händen geraubt,
Die Göttin windet Lilien, Veilchen, dunkel belaubt.
Die Rosen schimmern, Liguster weiß, der Majoran,
Die Kränze webend, eilt, geschmückt die Kränzefrau voran.
Auch Hyacinthus, blühend, mit Trauerzeichen spricht,
Und Narcissus, den Helicon in seinem Leben bricht.
Der Knabe einst, zum Frühling stolz gewandt,
Doch jetzt im Spiegelbilde sich ins Herz gebannt.
Du, Hyacinth, aus Amyclae hervorgebracht,
Du Sohn des Helicon, in Träumen oft bedacht.
Doch Hoffnung füllt der Ceres Tochter Herz,
Die blumensammelnd wähnt, entflieht des Lebens Schmerz.
Die Körbe lacht sie an mit Weiden umgefasst,
Kranz um Kranz gewunden, sie die Blumenlust erfasst.
Pallas selbst, die Göttin, legt die Waffen nieder,
Mit Blumen ziert den Helm, die Speere fallen nieder.
Ein seltsam Bild, der stählerne Glanz mit Blüten mild,
Federn neigen sich, ein Bild, das Hoffnung stillt.
Auch Diana, die mit Hunden scharf die Berge eilt,
Verzückt sich, wenn ihr Blütenpracht im Haar verweilt.
Doch plötzlich bricht ein Donner in die Felder ein,
Türme stürzen, Städte wanken, Grund und Sein.
Des Todes König schleicht durch düstere Labyrinthe,
Sein Ross zermalmt, die Felsen zittern an den Kanten.
Sizilien verächzt, Enceladus erstarrt,
Hades bricht hervor, die Flammen schlagen hart.
Durch Dunkelheit und Schluchten tobt sein mächtig Streben,
Bis selbst Vulkan erstaunt die Schmiede lässt erbeben.
Eingefasst einst vom Fels, der See den Peneus band,
Thessalien bedeckte, verschlang sein weites Land.
Die Felder, überflutet, blieben unberührt;
Neptun, der Dreizack schwingend, den Felsenkäfig rührt.
Der Ossa brach entzwei, Olymp vom Schnee bedeckt,
Spalt öffnete sich weit, den Strom ins Meer geweckt.
Das Meer empfängt die Flut, sein salz'ges Bett erquickt,
Der Landmann kehrt zurück, wo Ackerbau geglückt.
Als Trinacria bebt und Hades‘ Hand den Fels zerreißt,
Die Erde tief sich spaltet, ein Abgrund sich erweist,
Erzittert bang der Himmel, die Sterne weichen weit,
Der Bär im Meer sich badet, im Schreck des neuen Leid.
Bootes zieht verzögert, Orion bebt vor Angst,
Und Atlas wird erbleichen, vom Wiehern übermannt.
Rauch dämpft den klaren Himmel, das Sonnenlicht wird matt,
Ein Chaos droht zu walten, die Furcht sie ganz gepackt.
Die Nichte in dem Wagen, die Nymphen fliehn vor Gram,
Sie ruft nach Schutz der Göttinnen in ihrer Not und Scham.
Diana spannt den Bogen, Pallas zeigt das Haupt
Der Gorgo, kämpft verzweifelt, doch keinem ist erlaubt,
Dem finstren Gott zu trotzen; er gleicht dem wilden Leu,
Der mit den Klauen schrecklich sein Opfer reißt entzwei.
Die Felder rot vom Blute, sein Zorn das Mark durchdringt,
Die Mähne tropft von Blut, das den Hirten Schrecken bringt.
Du Herr der kraftlos Toten, so Pallas mahnend spricht,
Welch Furien dich trieben, zu stören unser Licht?
Was suchst du hier im Oberen, entflieh zurück zur Nacht,
Wo deine Brüder fluchen, wo dich die Hölle bewacht!
Dein Reich, dein finstrer Schatten, genüge dir allein,
Was träumst du von der Erde, wo du sollst fremd nur sein?
Die Göttin ruft, das Schlangenhaar der Gorgo blinkt,
Es schreckt den dunklen Wagen, der in die Schatten sinkt.
Doch Zeus, der Allbeherrscher, von oben Feuer send't,
Er bricht die Waffen Pallas, den Kampf die Göttin end't.
Ein Brautlied donnert mächtig, sein Blitz das Paar vereint,
Die Göttinnen erbleichen, kein Widerstand erscheint.
Diana weint und flüstert: Lebt wohl, der Abschied naht,
Wir dürfen nicht euch helfen, weil Vaters Macht es tat.
Des Schicksals harte Fügung verbannte dich hinab,
Zu unsrer tiefen Trauer, die Himmel schweigen ab.
Nie mehr den Bogen tragen, den wilden Tanz im Wald,
Der Jagd entflieht die Freude, die einst das Herz entfacht.
Taygetos’ stolze Höhen, Maenalus' dunkler Hain,
Sie weinen um die Nichte schön, ihr Verlust ist unsre Pein.
Das Heiligtum zu Delphi verstummt in seiner Glut,
Nie mehr ertönt das Orakel, die Götterwelt in Wut.
Die Nichte ist geraubt, im Wagen fortgetragen,
Ihr Haar im Wind verweht, ihr Herz erfüllt von Klagen.
Vater, warum, o Zeus, trifft mich kein Blitzesstrahl,
Geschmiedet von den Zyklopen, reinigend das All?
War dies dein Wille, Vater, mich hinabzusenden,
Zu finstren Schattenreichs unendlich tiefen Enden?
Hat Amors Macht dein Herz in keiner Weise gerührt,
Die Liebe eines Vaters nicht dein Innerstes gespürt?
Was hab ich je getan, dass solcher Zorn entbrennt,
Dass sich das Schicksal so in finstre Bahnen wend‘t?
Als Phlegra tobte, wütend, im titanischen Streit,
War ich des Widerstands zur Götterschar nicht geweiht.
Kein Frevel war’s, kein Plan, kein ruchlos böses Spiel,
Das mich nun niederreißt in dieses dunkle Ziel.
Glückselig jene Mädchen, die der Räuber stiehlt,
Im Tageslicht noch frei, das meine Seele flieht.
Mein jungfräulich Kleid, mein Licht, mein Atem – all geraubt,
Zur Braut gemacht im Zwang, von düstrer Macht erlaubt.
Ihr Blumen, die ich pflückte, ach, in böser Stunde,
Warum vernahm ich nicht der Mutter ernste Kunde?
Zu spät erkenn' ich nun der Venus List und Macht,
Die heimlich in mein Herz den Unglückspfeil gebracht.
Mutter, o Mutter, hörst du in Phrygiens Tälern Klang,
Wo Flöten dich umspielen mit klagendem Gesang?
Weilst du auf Dindymus' schroffem, heiligem Gebirg,
Wo Priester heulen laut und schwingen im Bezirk?
So rufe ich zu dir in meiner tiefen Not,
Zerschlag des Onkels Lust, die mir mit Hölle droht.
Die finstern Zügel bändige, die er wahnhaft führt,
Und rette mich, bevor mein Herz den Geist verliert!
So sprach sie voller Schmerz, und selbst der Onkel schien
Gerührt vom heißen Klang der Worte und der Müh’n.
Die Tränen ihrer Klage, die ihr Antlitz netzen,
Vermochten Hades’ Herz zuletzt doch mild zu setzen.
Er sprach: O Nichte, höre, still den dunklen Schmerz,
Vertreib die Angst und lass dir lindern sanft dein Herz.
Kein Mann, der minder ist, soll dir als Gatte taugen,
Ein stolzes Zepter wird dein zartes Haupt umsaugen.
Ich stamme selbst von Saturn, den Weltenmacht umgibt,
Mein Reich reicht weiter, als der Erdenkreis es liebt.
Du hast das Tageslicht nicht wirklich ganz verloren,
Ein reineres wirst du in meinem Reich erkoren.
Die Sterne, die ich kenne, sind ein lichter Plan,
Und Elysiums Glanz wird dir zur Sonne nah’n.
Dort lebt ein golden Volk, ein seliges, reiches Land,
Wo bleibt, was Menschenwelt nur flüchtig je verstand.
Die Zephyre wehn mild, die Blumen blüh’n in Pracht,
Wie sie kein Erdental in solchem Glanz entfacht.
Ein heiliger Baum wächst dort, in Wäldern still verborgen,
Sein Ast mit Erz durchglüht, von Leben und von Morgen.
Zu deinem Dienst geweiht, sein Glanz dein Reich erhellt,
Du wirst als Königin des Herbstes stets bestellt.
Mit goldner Frucht geschmückt wird dein Gewand erstrahlen,
Und reiche Fülle soll dein Dasein niemals fahlen.
Was Luft umschließt, was Erde nährt, was Wasser trägt,
Was Flüsse, Sümpfe hegen, was das Meer bewegt –
All dies wird dir gehorchen, dir wird es untertan,
Denn du bist Herrscherin im Reich, das Mondes Bahn
Umkreist; der siebte Stern, der klar die Sphären trennt,
Wo ewig Wahrheit lebt, wo Wahn und Lüge end‘t.
Die Könige der Erde kommen vor dein Licht,
Sie werfen ihren Purpur ab und ihre Pflicht.
Den Schuldigen die Strafe, den Frommen Ruhm und Preis,
Dein Wille sei das Recht, das alle Welt umkreist.
Freude erfüllt dies Land, das Grau ward einst benannt,
Die Menge, die begraben, feiert hoch gewandt.
Am Hochzeitsfeste tragen die Geister froh die Braut,
Ahnenvolk mit Blumenkränzen in Freude sich erbaut.
Ein ungewohntes Lied bricht die Stille der Nacht,
Kein Jammern mehr erschallt, das Dunkel ward entfacht.
Der Nebel Höllenfeuers nun leichter sich zerstreut,
Die Nacht, so lange finster, ein wenig Helligkeit befreut.
Minos’ Urteil spricht, das Los ist klar und rein,
Kein Schlagen mehr ertönt, die Strafen sind nicht sein.
Ixion ist befreit vom Rad, das endlos dreht,
Tantalus’ Durst gestillt, der Fluss vor ihm nun steht.
Tityus erhebt die Glieder, die riesengroß und schwer,
Sein Leib bedeckte Lande, doch faulen sie nicht mehr.
Der Geier, träg und müde, wird von ihm fortgeschleppt,
Kein Fleisch erneuert sich, das einst sein Hunger nährt.
Die Furien vergessen Schuld und Zorn, so schwer,
Sie heben ihre Becher, trinken, singen mehr.
Mit sanften Tönen schwindet ihr grimmiger Gesang,
Die Schlangen recken sich zu Bechern voll, so lang.
Die Fackeln brennen heller, ihr Licht so ungewohnt,
Avernus' Fluss wird sanft, kein Gift in ihm mehr wohnt.
Der See des Amsanktus, einst tödlich und verheert,
Befreit von bösem Dunst, nun Stille ihn beschwert.
Cozytus' Quellen fließen, gefüllt mit süßem Wein,
Acherons Milchquell sprudelt, befreit von Leid und Pein.
Kein Faden wird geschnitten, kein Tod das Lied vertreibt,
Kein Elternherz mehr klagt, kein Scheiterhaufen bleibt.
Die Flut verschont den Seemann, der Speer den starken Mann,
Die Städte blühen herrlich, kein Tod, der sie bezwang.
Charon, mit Kranz geschmückt, singt freudig auf dem Fluss,
Die Ruder leicht und frei, ein Lied mit frohem Schluss.
Der Abendstern nun glänzt, im Reich der Tiefe dort,
Die Nichte wird geführt zum heiligen Eheort.
Die Nacht in Sterngewand, sie führt die Braut zum Ziel,
Segnet die Ehe still, mit ewigem Liebesspiel.
Die Schatten heben Stimmen, ihr Lied erklingt so rein,
Im Hause Hades’ Halle ertönt ihr steter Reim.
Proserpina, die Nichte, sei Königin im Reich!
Mit Hades, deinem Mann, seid treu, ein heilig Paar zugleich.
Ein Bund soll euch verbinden, mit Glück und heiliger Macht,
Gebt Götter, die geboren, der Welt, die mit euch wacht.
Natur, sie hofft auf Enkel, die Ceres einst ersehnt,
Gebt neues göttlich Leben, dass euer Ruhm nicht verweht!
DRITTER GESANG
Da rief der Herrscher Zeus die Iris, die Gewandte,
Die Götter all zu rufen aus des Himmels Kante.
Mit Regenbogenflug durchkreuzt sie schnelle Lüfte,
Und sammelt Meeresmächte aus des Ozeans Klüfte.
Die Nymphen mahnt sie streng, weil sie zu spät gekommen,
Die Flussgötter mit Nachdruck aus den Höhlen genommen.
In Furcht und Eile eilen alle ihrem Ziel,
Sie ahnen Störung, fragen sich, was Zeus befiel.
Der Sternenhimmel öffnet sich, ein Ort für alle,
Nach Rang wird hier gesetzt, nicht nach des Zufalls Falle.
Zuerst sind’s himmlisch’ Mächte, die die Plätze füllen,
Dann Meeresgötter still, wie Phorcus, Nereus’ Hüllen.
Proteus bleibt sich treu, heut’ ohne Wandlungskraft,
Der Glaucus steht als letzter, wenn’s die Ordnung schafft.
Auch Flussgötter erscheinen, nehmen Plätze ein,
Die Jugend bleibt zurück, das Wasser tropft in Reih’n.
Die Nymphen lehnen feucht an moos’gen, dunklen Bänken,
Die Faune schweigen stumm, die Sterne überdenken.
Von seinem hohen Sitz begann dann Zeus zu sprechen:
„Die Menschen, ach, sie rufen mich in alten Schwächen.
Seit Saturns Ruhe ist die Welt so weit verkommen,
Das träge Zeitalter hat der Schlaue übernommen.
Ich rief die Ängste her, damit der Mensch erwacht,
Denn ohne Müh’ und Not wird nichts von ihm vollbracht.
Die Felder blieben leer, im Wald war nichts zu holen,
Kein Honig floss, kein Wein, die Quellen gar verschollen.
Doch gönnte ich den Menschen nicht den reichen Segen,
Denn Luxus schürt den Trieb, den Göttern zu entgehen.
So zwang ich ihre Geister, Not zum Werk zu machen,
Die Mühe bracht’ den Fortschritt, Handwerk ließ sie wachen.
Doch klagt die Mutter Erde heut’ in tiefem Schmerz,
Sie nennt mich grausam, schimpft, ich hätt’ ein Herz von Erz.
Das Land sei Wildnis nun, die Felder voller Dorn,
Ihr Reichtum sei entzogen, kaum noch reift das Korn.
Da gab ich Ceres Macht, die Körner auszuteilen,
Die Menschheit zu erheben aus den trüben Seilen.
Ihr Wagen rollt durch Wolken, schenkt dem Volk die Saat,
Die Schlangen ihrem Joch erlegen voller Tat.
Doch keiner wagt, die Ceres zu erhellen,
Wer’s tut, den will mein Zorn mit Blitzesstrahl zerschellen.
Sei’s Schwester, Sohn, Gemahl, ich schwöre dies bei mir:
Das Höllentor erwartet ihn mit kalter Gier.
Mein Schwiegersohn, der Hades selbst, wird ihn dann fassen,
Und seine Strafe ist, die Freiheit zu verlassen!
So sprach der Vater Zeus und nickte schwer und streng,
Das Sternenzelt erbebt’ im großen Himmelsgang.
Noch zögernd trat das Bild aus mütterlichen Träumen,
verkündend ungewiss des Schicksals dunkles Säumen.
Sie sah, wie Proserpina, die Nichte rein und zart,
in Fesseln stumm gefangen, ihr Leben hart verwahrt.
Nicht so vertraut‘ sie einst sie Siziliens Gefilden,
nicht so in Aetnas Wiesen, die Göttinnen so milden.
Grau war das Haar, das einst in blonder Pracht geglänzt,
das Feuer in den Augen von finstrer Nacht begränzt.
Die Rosen ihrer Wangen, die einst so blühend standen,
verbannt vom Frost, den Höllenwinden zugewandt.
Die Röte ihrer Glieder, die einst der Schnee gegrüßt,
ward Korn, das höllisch-tinktiert, der Hades‘ Fluch versüßt.
Kaum wagt die Mutter, in dem Blick die Tochter zu erkennen,
doch ruft sie, voller Zweifel, sie klagend beim Entbrennen:
Was war dein Frevel, Kind, dass solch ein Strafgericht,
so hart, so unerbittlich, dein Unschulds-Antlitz bricht?
Wer gab den Befehl, dein Fleisch in Eisen zu verketten,
das nur für wilde Bestien bestimmt ward zu verletzen?
Bist du mein eigen Kind, oder täuscht mich nur ein Schein?
Sprich, Schatten, der du wankst, bist du mein Blut, mein Sein?
Da sprach sie mit verweinten, verbitterten Gebärden:
Grausame Mutter, wirst du mein Fleh’n nicht hören werden?
War ich für dich so wenig? Bin ich nicht dein Einziges?
Vergessen bist du meiner Qualen schrecklich Zeigendes!
Sieh mich, in dieser Höhle von Qualen rings umfangen,
die Glieder, schwer in Ketten, die Seele voller Bangen.
Tanz‘ du durch Phrygiens Städte, wenn Mutterliebe schweigt,
doch höre mich, wenn Schmerz mein Herz zur Stille neigt!
Bist du, Ceres, nicht meine Mutter, nicht Tigerblut mein Erbe,
so hilf mir, flehe ich dich an, dass ich im Dunkel sterbe.
Kehr‘ mich zurück ans Licht, wenn’s Parzen auch verwehren,
doch komm, besuche mich und mindre meine schweren Zähren!
Sie sprach, und zitternd suchte die Kette zu berühren,
doch rücksichtsloses Eisen ließ ihren Wunsch nicht führen.
Die Mutter, starr von Schrecken, erwacht aus dunklem Traum,
sie hofft, es sei nur Schatten, doch Trauer webt den Saum.
Ich geh, oh Kybele, des Phrygien bleib‘ ich fern,
mein Kind, von meinem Blute, bedarf die Mutter gern.
So sprach sie und verließ den Tempel ohne Weilen,
die Flügel ihres Wagens kaum noch Eile teilen.
Sie peitscht die trägen Drachen, die kaum den Flug verstehen,
und hofft, dass sie noch Sizilien aus der Ferne sehen.
Wie der besorgte Vogel, der seinem Nest vertraut,
und bangt, dass Sturm und Feind ihm seine Jungen raubt.
So kam sie und sah Flucht, Verfall und stumme Gänge,
die Tür in Rost zerfressen, die Wände voller Zwänge.
Mit zerrissnem Gewand und Haar, in dem das Korn verfing,
durchwanderte sie klagend den Raum, der leer nun hing.
Der Webstuhl halb zerstört, die Fäden wild zersprungen,
die Arbeit einer Göttin von Spinnen nun verschlungen.
Sie weint nicht, klagt nicht laut, nur küsst sie ihren Stuhl,
den Webstuhl, wo sie still verbirgt ihr Herzgefühl.
Die Fäden schmiegen sich wie Kinder an die Brust,
sie stillt mit jedem Stich die stumme Klagelust.
Die Spindeln, die das Kind berührt, hält sie noch fest,
die Wolle, die es warf, liegt dort wie Ruh' im Nest.
Die Spielzeugwelt, die einst das Mädchen hier befreit,
erinnert sie an längst vergangne Kinderzeit.
Der leere Stuhl, das Bett, das Kissen ohne Leid,
nun Zeugnis sind sie nur verlorner Fröhlichkeit.
Wie Herden, die ein Löwe reißt in wilder Wut,
liegt nun ihr Heim, wo jüngst noch Sicherheit geruht.
Die Ställe leer, der Hirte kommt zu spät zurück,
auf Weiden ruft er nach dem alten Herzensglück.
Im Innern sah sie dann Electra, die so treu,
die Nymphe, die wie Ceres liebte stark und frei.
Sie hob die kleine Nichte zärtlich auf den Schoß
und brachte sie zu Jove, spielend, unbefangen groß.
Sie war ihr Mutter, Freundin, Führerin in eins,
jetzt klagt sie staubbedeckt ihr Leid im Schmerz und Pein.
Die Haare wirr, das Herz von tiefem Gram bedrängt,
ruft sie nach ihr, von dem Verlust gar ganz zersprengt.
Ceres naht nun, ihr Kummer wird durch Worte laut:
Welch’ Feind hat hier mein Haus und meinen Frieden geraubt?
Ist Jove noch Herr? Regiert mein Gatte in der Welt,
oder herrscht Titanenhand, die den Himmel hält?
Lebt der Donnerer noch? Wer wagte solch ein Übermaß?
Hat Enceladus gebebt und zog die Fessel nass?
Ist Ätna leer? Befreit vom Pfeil des Typhons Macht?
Hat Briareus mit hundert Händen dich gebracht?
Ach Tochter, wo bist du, mein Licht und Lebensband?
Die Diener flohen, fort sind Nymphen mit Verstand.
Was hat die Sirenen fort von hier vertrieben?
Ist das der Schutz, den mir der Himmel hat geschrieben?
Electra sprach, die Schwester zittert, kaum bei Sinn,
sie fürchtet, preiszugeben, was ich in Wahrheit bin.
Wär’s doch die Riesenschar, so trügend und gemein,
dann trüge ich den Schmerz der Last wohl leichter ein.
Doch Schwestern sind es, die mit List und Missgunst groß,
den Himmel feindlicher als Höllensturm, so los.
Diana kam mit Venus, die Minerva trieb,
sie täuschten die Nichte sanft, bis ihr die Heimat lieb.
Mit süßem Schein, mit Kuss und List von Schwesternhand
wurd’ sie dem Mutterherz entrissen, unverwandt.
Die Felder Henna wurden zart ins Ohr gelegt,
bis leicht der Jugend Herz in ihren Netzen schlägt.
Sie stiegen auf die Hügel, wo das Gras sie umfing,
und pflückten Blumen still, da Dämmrung begann den Ring.
Die Matten schimmerten weiß im Tau, im ersten Licht,
und Veilchen tranken leis von der Feuchte, die da bricht.
Doch als zur Mittagsstund die Sonne höher stand,
verhüllt’ die finstre Nacht das Firmament mit dunkler Hand.
Der Boden zitterte vom Huf und schwerem Rad,
kein Mensch erkannt den Lenker, ob es selbst der Tod nun tat.
Mit Schrecken deckte sich das Land, die Wiesen, Fluss und Feld,
kein Atem, der die Flucht ergriff, kein Laut, der länger hält.
Die Nelken fahl, die Rosen bleich, die Lilien sanken hin,
und Dunkelheit umfing das Land wie eines Tuches Sinn.
Der Wagenlenker, wild, verschwand mit seinen Rossen bald,
und kehrte nachts zurück, die Welt lag wieder in Gewalt.
Doch Proserpina sah man nicht, kein Licht mehr um sie stand,
die Göttin kehrte heim, das Dunkel blieb im weiten Land.
Wir traten zu ihr hin, um ihres Wissens Macht
zu fragen, ob sie sah, was diese Dunkelheit entfacht.
Wir wollten wissen: Wer hat solch ein Ross gelenkt?
Welch Fahrer hat das Unheil über uns herabgesenkt?
Doch Cyane war stumm, vergiftet, still im Schmerz,
ihr Leib zerfloss im Wasser, fort war ihres Wesens Herz.
Ihr Haar umspülte nass der Bäche kühler Fluss,
die Arme, die einst stark, zerrannen jetzt in einem Guss.
Ein klarer Strom durchfloss das Land, wo sie einst stand,
und wusch an unsre Füße, was ihr Dasein einst verband.
Der Rest entschwand, und nichts blieb außer stillem Leid,
die Sirenen klagten laut und sangen von vergangner Zeit.
Achelous’ Töchter schwangen sich auf schnellen Flug
und nahmen Platz am Ufer, voller Zorn und tiefem Trug.
Ihr Lied erklang so süß, doch wer es jemals hört,
den zwingt sein Ruder still, bis Schiff und Hoffnung zerstört.
Daheim verweilte Ceres, doch die Angst fraß sie auf,
halb wahnsinnig, im Zagen schritt sie auf des Schicksals Lauf.
Ihr Blick durchbohrte wild die Wolken und das Licht,
ihr Zorn erhob die Brust, doch Hoffnung fand sie dennoch nicht.
Wo ist mein Kind?, so schrie sie, gib sie mir zurück!
Was nützt mir all mein Flehen, wenn kein Gott mir bringt mein Glück?
Nicht einer hört mein Wort! Ihr schweigt und wendet ab,
die Tochter, die mir fehlte, liegt im unbekannten Grab.
Ich bin von hoher Art, kein Fluss hat mich geboren,
keine Dryade lenkt mein Leben, ich bin groß und unverdorben.
Mich selbst gebar die Große Mutter Cybele,
die Tochter Saturns, doch jetzt verzehrt Qual meine Seele!
Wo sind die Götter? Sagt, wo Recht und Ordnung blieben,
was bleibt vom hohen Himmel, wenn Verrat hat überwogen?
Seht, wie Cytherea wagt, sich frech in Glanz zu hüllen,
als hätt’ ihr keuscher Schlaf in Schande nichts zu füllen.
Ist dies der Lohn für jene, die der Tugend folgen?
Habt ihr den Rat geändert, euch dem Frevel zu verschulden?
Geht ihr jetzt Hand in Hand mit Venus und Verrätern,
die Tempel von Barbaren entweihn die Welt von Vätern?
So tobte sie in Wut und sprach mit starkem Drang,
ihr Klagen hallte wider durch den weiten Himmelsklang.
Die Götter, stumm und kalt, vermieden ihren Blick,
und jede Antwort blieb ihr fern, nur Schweigen kam zurück.
Was kann sie tun? Ihr Zorn verfiel in tiefes Flehen,
sie senkte stolz das Haupt und ließ die Tränen gehen:
Verzeiht, wenn ich zu kühn und blind von Liebe war,
doch nichts ist schlimmer als die Mutter ohne Kindlein klar.
Oh Götter, schenkt mir nur den Blick auf ihre Züge,
ich bitte nicht um mehr, nur dass ich ihren Namen füge
zu meinem Leid, das schwer mich jeden Tag bedrückt,
dass ich erkenne, wer sie nahm und wer mein Herz erstickt.
Die Beute bleibt bei euch, ihr sollt sie weiter halten,
doch nennt mir den Verräter, der das Schicksal ließ entfalten.
Latona, Göttin, sprich, du kennst den Namen wohl,
dein Kind, Diana, weiß, wer dieses Unheil voll erholt.
Du, Mutter, kennst die Angst um deines Kindes Leben,
vergönn, dass auch ich Mutter bin und mir wird Kunde gegeben!
Die Locken Apollons mögen dich ewig schmücken,
damit du glücklicher als ich in ew’ger Gnade rücken.
Von Tränen schwer bedeckt, begann sie leis zu sprechen:
Was sollen diese Tränen, was soll dein stummes Brechen?
Ach, wehe mir, ich bin von allen nun allein!
Warum denn zögerst du, was soll das Zaudern sein?
Siehst du nicht, wie der Himmel in Feindschaft widersteht?
Soll ich mein Kind nicht suchen, wohin das Schicksal geht?
Ich werde mich umgürten und jede Grenze sprengen,
die Welt durchstreifen, rastlos, in Flüssen, Berg und Hängen.
Kein Schlaf wird mich ergreifen, kein Ort wird mir gewahr,
bis ich den Schatz gefunden, den ich verloren war.
Ob sie im Spanischen Ozean sich nun verberge tief,
im Roten Meer versunken: Mein Streben hält, was lief.
Nicht Eis noch Rhein noch Alpenfrost kann mich jemals halten,
die Syrten-Tide selbst wird meinen Schritt nicht spalten.
Den Süden will ich dringen, das Boreas-Haus durchbrechen,
den Atlas will ich besteigen und alle Pfade rächen.
Der Hydaspes wird brennen in Flammen meiner Not,
und Juno, sie wird sehen den eifersüchtigen Tod.
Die stolzen Götter triumphieren, doch meine Pein wird sprechen,
durch Himmel, Land und Städte soll niemand mich je brechen!
So sprach sie, stieg hinab des Ätnas weite Flur,
bereit, mit Feuerfackeln zu helfen ihrer Spur.
Ein Wald, wo nahe fließt der Bach, Acis mit reinem Glanz,
der Galathea oft als Ort der Ruhe, Schwimmens Kranz.
Dicht stehen seine Äste, verwoben Blatt an Blatt,
umschließen Ätnas Flanken, die Nacht hier Frieden hat.
Hier soll, wie Sagen künden, Jove einst Trophäen wahren,
bezeugend seine Siege aus Phlegras blutigen Jahren.
Gigantenfelle hängen, die Riesenfratzen drohen,
an jedem Baum, als hätten sie eben erst begonnen.
Die Schuppen starren stählern, vom Blitz gezeichnet noch,
die Äste halten Schwerter und Spur von manchem Joch.
Hier droht Aegaeons Waffen der düstre Glanz empor,
dort wiegt Coeus' Trophäe im Baume furchtbar vor.
Am höchsten aber ragt die Fichte, dunkel schwer,
sie trägt Encelads Rüstung, den mächtigen König her.
Ein heil’ger Ort, so sagt man, kein Zyklop wagt ihn zu nahn,
die Schatten flößen Ehrfurcht ein, kein Gott hat je getan.
Doch Ceres weilt nicht lange, vom Zorn entflammt ihr Herz,
sie hebt die Axt mit Wucht empor, die Heiligkeit in Schmerz.
Die Bäume knarren dumpf, sie zittert in den Schlägen,
die beiden Zypressen fallen schwer ins Gras daneben.
Zwei Schwestern, stolz und hoch, gleich einem himmlisch Bild,
nun liegend, ihrer Krone beraubt, im Staub, im Wild.
Sie fasst die Stämme fest, hebt beide mit Gewalt,
und keucht empor zum Ätna hinauf, in heißer Glut entfaltet.
Wie Megära im Wahnsinn zieht sie durch feurige Weiten,
kein Abgrund hält sie auf, kein Schatten kann sie leiten.
Die Fackeln tragend, eilt sie, von Racheglut erfüllt,
bis sie den Weg erreicht, der ihrer Taten will.
Als sie empor zum Felsen kam, wo Feuer schwelend brennt,
Da schob sie ihren Kopf zur Seite, die Gefahr erkennt,
Und stieß die hohen Zypressen in des Berges Grund,
Verschloss die Höhle, hemmte Flammen mit geschicktem Bund.
Der Berg, er donnert dumpf mit seiner Wut im Bann,
Der Rauch, gefangen, bricht nicht aus, er rast, doch bleibt er dran.
Die Zypressenspitzen blasen, ihre Kegel glühn,
Des Ätnas Asche wächst empor, die Zweige knistern kühn.
Damit der Weg ihr nicht zur Falle werde, spricht sie sacht:
Die Flamme stirbt nicht, schläft auch nicht, ihr Glanz erwacht.
Den Wald durchdringt sie mit dem Trank, den Phaëthon geweiht,
Mit dem der Mond die Stiere tränkt zur nächtlichen Geleit.
Die stille Nacht, sie sandte nun der Welt des Schlafes Ruh,
Doch Ceres, tief verletzt, erhebt sich und verlässt im Nu
Mit schweren Schritten ihre Rast, beginnt die weite Bahn,
Und spricht, im Aufbruch ganz verzagt, als Klage angetan:
Nie dacht’ ich, Tochter Proserpina, einst solche Fackeln hier
Zu tragen! Hatte ich gehofft, es sei ein Hochzeitszier,
Ein Lied im Himmel sollt’ erschallen, feierlich und rein –
Nun bin ich Mutter ohne Kind, und trage Schmerz allein.
Sind wir denn Götter nur ein Spiel für wankelmütiges Los?
Lacht Lachesis uns spöttisch aus, erbarmungslos?
Wie stolz war einst mein Glück, als sich die Freier um dich drängten,
Nun bin ich elend, such’ in Schmerz, was mir das Schicksal schenkte.
Mein einzig Kind, du warst mein Stolz, mein Ruhm, mein größtes Glück,
Mit dir war ich, wie Juno selbst, die Göttin voller Blick.
Jetzt bin ich Bettlerin, verstoßen von des Vaters Macht,
Denn Jove ließ, dass du entflohst, und Tränen hat gebracht.
Ich selbst, ich ließ dich grausam los, bin schuldig, Mutter schwach,
Gab dich den Feinden achtlos preis, war fröhlich, ohne Wacht.
Jetzt ist mein Leib zerschlagen, meine Brust in Schmerz geweiht,
Von Wunden tief zerfurcht, von Wut und Trauer überschreit‘t.
Wo soll ich dich nun suchen, Kind? Wo zeigt der Himmel mir,
In welchem Winkel wirst du sein? Wer weist den Weg zu dir?
Wer war der Räuber, der so grausam dich mir hat entrückt?
Ein Mensch der Erde? Oder Meer? Wer hat dich mir entzückt?
Und doch, wohin die Schritte ziehn, dorthin geh’ ich allein,
So wie Diona Venus sucht, und bleibt in Gram daheim.
Soll meine Reise je gelingen? Find’ ich dich erneut?
Lebst du noch, Tochter? Blüht dein Glanz? Bist du des Lichts noch heut?
Oder erscheinst du mir wie einst im nächtlich düstren Traum,
Wo du in Schattenform mich riefst, durchflogen deinen Raum?
So sprach sie, wandte sich vom Ätna, voller Gram,
Verfluchte Blumen, schuldige Flur, wo Proserpina kam.
Sie folgt dem Pfad der Räder, sucht in Fackelschein gebannt,
Und nässt mit Tränen jeden Grund, den sie entlang gerannt.
Ihr Schatten eilt durchs weite Meer, und in des Feuers Glanz
Erstrahlen ferne Küsten hell, Libyens Wellenkranz.
Das Licht erreicht die Höhle, wo Scyllas Hunde lauern,
Ein Teil verstummt vor Schreck, doch andre bellen aus den Mauern.