VON TORSTEN SCHWANKE
„Ich mag ja die Kaiserin Elisabeth von Österreich nicht.“
(Reinhold Schneider)
I
Im sanften Glanz des Tags, des Sommermorgens Licht,
Erglänzt das Schloss am See, wo still die Zeit zerbricht.
Und Possenhofens Mauern, vom Wasser zart umspült,
Ein Ort, wo Freiheit lacht, wo keine Pflicht mehr wühlt.
Hier wohnt der Herzog Max, ein Mann von frohem Sinn,
Die Wälder liebt sein Herz, die Fluren ziehn ihn hin.
Luise, seine Frau, sie träumt von Höh‘rem Ziel,
Ihr Geist formt einen Plan, ihr Auge funkelt kühl.
In Ischls Sommerglanz verweilt der junge Kaiser,
Franz Joseph, stolz und rein, des Thrones Ruhmverheißer.
Sophie, die mächt’ge, wacht, sein Schicksal streng zu leiten,
Die Gattin wird gesucht, die seinen Rang begleiten.
So spinnt Luise still den Plan in kluger List,
Helene, Tochter, schön, die beste Wahl wohl ist.
Doch diese, pflichtbewusst, die heimlich anders loht,
Fühlt sich vom eignen Wunsch und fremder Macht bedroht.
Derweil in stiller Welt spielt Sissy, frei und wild,
Ein Kind der Bergnatur, von keinem Zwang gewillt.
Ihr Geist, wie Sturm entfacht, ihr Herz, wie Wind so frei,
Versteht die Mutter nicht, das strenge, kühle Ei.
„Warum“, so fragt das Kind, „warum darf Vater nicht
Zum Hof nach Ischl zieh’n, wo Glanz das Leben bricht?“
Mit list’gem Aug’ und Mut bringt sie ihn schließlich fort,
Ein unbedachtes Spiel führt sie zum Schicksalsort.
Die Kutsche rollt dahin, Luise und die Maid,
Doch Max mit Sissy folgt, vom Abenteuer weit.
Die Luft des Tages schwingt, als könnt’ ein Wandel nahen,
Ein ungeschriebnes Blatt – nun soll die Zeit es malen.
Denn Liebe, Herz und Pflicht – was trennt, was fest vereint,
Im Lauf der Dinge bleibt kein Wunsch vom Schmerz gereint.
Der Kaiser naht, es grüßt der Herzog höf’scher Pracht,
Doch unterm Glanz erwacht ein Herz, das leise lacht.
So wird aus einem Tag ein Stück der Ewigkeit,
Die Bänder, die man knüpft, sind stumm vom Glück geweiht.
Im Glanz des Schicksalslichts, wo Liebe frei erblüht,
Wird Sissy Heldin bald, die ihren Weg erspürt.
Die Jagd war bald das Thema, das sie beide lenkte,
Ein Glück, das Herz und Geist mit Freude eng umschwenkte.
Herzog Max, ein Mann von fester, stolzer Statur,
Erzählte, wie er jüngst im Wald mit starker Spur
Den mächtigen Hirsch verfolgt in stiller, wilder Pracht,
Bis er ihn stellte tief in dunkler Waldesnacht.
Mit Augen leuchtend sprach er von Geduld und List,
Wie er die Stunden harrte, ehe er ihn frisst
Mit Blicken, deren Glanz das alte Geweih umflicht,
Das einem Eichenholz glich, prunkvoll im Gesicht.
Der Kaiser lauschte still, ein mildes Lächeln stahl
Sich auf sein Antlitz, träumend von der eigenen Wahl:
Wie einst er, jung und frei, durch dichte Wälder strich,
Von der Natur getragen, die er niemals wich.
Doch schob das Schicksal bald in jene frohe Runde
Den Faden seiner Macht: Es kam die nächste Stunde.
Im weiten Park der Burg, so prachtvoll und geweiht,
Fiel seines Auges Blick auf eine zarte Maid,
Die zwischen Blumen stand, mit frohem Angesicht,
Ein Bild der Harmonie und reinen Daseins Licht.
Franz Josephs Miene jedoch verdunkelte sich bald,
Da ihr Tun ihm erschien wie dreist und unverschalt.
„Bringt mir die Freche her!“, so sprach er barsch und fest,
Sein Blick, ein klarer Befehl, den keiner je verlasst.
Man führte sie herbei, verschüchtert, still und klein,
Doch lag in ihrem Wesen ein Anmut voller Schein,
Der jenen Raum durchzog und alle Herzen traf,
Besonders das des Kaisers, das in Regung schlief.
Die zarten Hände hielten bunte Blumen schlicht,
Doch auch ein Karton war’s, der bei genauer Sicht
Ein Kleid enthielt, und bald war Franz Josephs Gedanke,
Sie sei wohl eine Näherin aus bürgerlicher Schranke.
Mit kurzem Wink entließ er sie, gewohnt zu richten,
Doch blieb ihr Bild zurück, gleich Glanz in Nächten lichten.
Die Stunden flossen fort, das höfische Protokoll
Erwies der Braut Helene feierlich Tribut und Zoll.
Sie kam, gekleidet prunkvoll, voller Etikette,
Ein Bild von Anstand, Form, auf hoher höf’scher Stätte.
Doch Franzens Herz, es blieb von ihrem Glanz berührt
Nur wenig; ihre Worte trafen, doch nicht gerührt.
Stattdessen schweiften seine unruhvollen Sinne
Zurück zu jener Maid, die voller Blumengewinne
Ihn fesselte mit Schönheit, rein und unverstellt,
Ein Wesen, das für ihn das Leben anders hält.
So saß der Kaiser still, umringt von Prunk und Pflicht,
Doch tief in ihm tobte ein unerhörtes Licht.
War’s möglich, dass ein Mädchen, schlicht und unbedacht,
Sein Herz bewegte mehr als jene Brautgemacht?
Die Antwort blieb ihm fern, doch jener Augenblick,
Die Blumenmaid, blieb wie ein Duft, der ewig schick.
II
In der stillen Abendzeit, da sich der Himmel schmückte,
Mit goldnem Strahlenglanz, der letzte Glut entzückte,
Da lag in sanftem Schein das Land, die Berge still,
Der Dämmer war gefärbt, so friedvoll, wie er will.
Ein Mann schritt dort bedächt’gen Schrittes durch die Gassen,
Ein Fremder, wie man meint, von keinem zu erfassen.
Doch war es Herzog Max, der unerkannt hier schritt,
Um jenseits seiner Macht zu spür’n, was Wahrheit litt.
Er suchte, was verborgen bleibt dem Glanz und Throne,
Das Antlitz seiner Welt, das ungeschminkte Lohne.
So führte ihn sein Weg zum Gasthaus, schlicht und klein,
Wo Stimmen laut erklangen, hell im Lied und rein.
Hier sang der Ischler Chor, ein Ständchen ward geprobt,
Zu Ehren ihres Kaisers, den man hoch gelobt.
Max horchte, eingezogen ward sein Herz zum Klang,
Er trat ins Haus hinein, vom Hut verhüllt der Rang.
Mit lächelnd warmem Blick gesellte er sich leise,
Zum Kreis der Männer dort, und hörte ihre Weise.
Er lobte ihre Kunst, erzählte manche Stund’,
Mit solcher Liebenswürdigkeit, die Herzen kund.
Die Sänger, hingerissen, fühlten bald sich frei,
Vergessen war die Fremdheit, die man sonst dabei.
So stand er mitten drin, ein Freund, so schien es allen,
Als plötzlich sich die Tür mit leisem Knarren knallen.
Herein trat Majestät, mit Haltung hoch und klar,
Die Mutter uns’res Kaisers, in Begleitung gar.
Ihr Blick zuerst verwundert, traf Max’ verborgenes Lächeln,
Ein feines Nicken nur, doch mit versteckten Schwächen.
„Maximilian!“, rief die Frau, „was treibt Euch hier?“
Ihr Lächeln war gemischt mit leiser Frag’ und Zier.
Doch ehe Worte kamen, öffnete sich die Tür,
Und eine junge Frau erschien, von Anmut schier.
Es war Sissy, die Tochter, Jugendlich’ und fein,
Ihr Blick traf den des Vaters, strahlend hell und rein.
Ein Moment nur, still und doch voll tiefem Glühen,
Ein Band, das ohne Worte scheint zu sich bemühen.
Drei Generationen stand’n nun dort vereint,
Ein Wunder der Natur, das leise Freude meint.
Der Chor verstummte, doch die Wärme blieb besteh’n,
Ein Augenblick, der nie in kühler Nacht vergehn.
Und später, im Glanz des Abends, wo Bäume still sich wiegten,
Bereitete Sophie ein Fest, das Lichter rieseln ließen.
Der Garten leuchtete, erfüllt von stiller Pracht,
Als Diener eilten, Lichter trugen durch die Nacht.
Ein Wunsch lag ihr im Sinn, dass heut’ ein Bund entspringe,
Dass Franz Joseph nun Helen’, die Schwester, sich erringe.
Die Hoffnung war ihr Glanz, das Ziel ein großes Glück,
Dass Politik und Liebe finden ihr Geschick.
Doch während alles lief für abends große Pläne,
Erschien ein Drama, wie man’s kaum zuvor geseh'ne.
Im Park, wo Licht und Schatten zart sich leis verflocht,
Da wandelte Sissy, die jüng’re Schwester, unverhofft.
So frei wie ein Reh, das durch die Wälder schweift,
Entdeckte sie den Kaiser, der durch den Garten streift.
Ihr Herz, es pochte schnell, die Wangen waren heiß,
Doch statt zu flüchten, sprach sie klar und ohne Fleiß:
„Majestät, wie steht’s mit Helene und dem Bund?
Verlobt Ihr Euch mit ihr? Das fragen alle rund.“
Der Kaiser, leicht erstaunt von solcher Kühnheit bloß,
Er lächelte und sprach, die Stimme klang ganz groß:
„Sissy, solch ein Plan, den treibt nur meine Mutter.
Mein Herz, das schweigt dazu, bleibt stumm in dieser Hut hier.“
Wie Musik erklang’s, was er in Sanftheit sagte,
Und Sissy lief sogleich, dass sie die Botschaft trage.
Sie fand Helene bald, die ruhig saß im Garten,
Und fasste ihre Hand, um freudig zu beraten.
Doch eh sie sprach, erschien, mit Augen streng und kalt,
Die Mutter Ludovika, wie ein Sturm im Wald.
Sie hatte wohl belauscht, was Sissy hier verriet,
Und sprach mit Donnerhall: „Was tut ihr? So geschieht’s nicht!“
Der Streit begann, er tobte wild in jähem Takt,
Bis schließlich Herzog Max das Chaos voll entfacht.
Der Vater, stets ein Schelm, verkehrte jede Regel,
Mit Worten warf er Öl ins Feuer wie ein Flegel.
Die Stimmen wurden laut, der Streit wuchs ungeheuer,
Da nahte Franz Joseph, der Kaiser, voll Geheuer.
Mit königlicher Macht gebot er: „Halt, genug!
Was geht hier vor, in diesem Wirrwarr und Betrug?“
Sein Blick war scharf, durchdrang die Wahrheit ohne Müh,
Und endlich sah er klar, wer Sissy ist: die Früh’,
Ein Quell von Lebensmut im steifen Hofe hier,
So anders, frei und stolz, wie Licht im Dämmer schier.
So endete der Abend nicht mit feierlichem Verkünden,
Ein Bund ward nicht geschlossen, doch Wellen stiller Stunden:
Enthüllungen, die schmerzten, von tiefem Wort geprägt,
Von neuen Möglichkeiten, die bald am Himmel schlägt.
Im Glanz der Feier schritten, im Festsaal hell erstrahlt,
Die Damen wie Juwelen, in Pracht der Zeit gemalt.
Die Kronleuchter erglänzten, ihr Licht im Saal erhellt,
Und Franz sah seine Sissy, sein Herz von ihr gefällt.
Ihr Lächeln, wie ein Sonnenstrahl, der durch die Bäume bricht,
Verzauberte die Seele, er sprach aus tiefer Pflicht:
„Gewährst du mir den Walzer?“, so bat er, sich verneigt,
Und Sissy, überrascht, doch bewegt, die Hand gereicht.
Die Kapelle hob zu spielen, der Walzerklang begann,
Im Tanze wiegten beide sich, während die Zeit verrann.
Die Welt um sie verschwamm, nur ein Blick hielt sie gebannt,
Wie Himmel und wie Erde, so unzertrennbar Hand in Hand.
Als Stille sich erhob, die Musik war längst verhallt,
Da schritt Franz Joseph vorwärts, sein Mut so fest wie Stahl.
„Ich habe mich verlobt“, sprach er, sein Blick auf Sissy ruht,
„Mit Elisabeth, der Liebsten, die mein Herz mir tut.“
Der Saal erbebte plötzlich, ein Jubel stieg empor,
Das Fest ward neu entflammet, die Liebe trat hervor.
Auch Helene, still lächelnd, fand ihre Freud' erneut,
Ein Prinz aus Thurn und Taxis ward ihr zum Bund geweiht.
So endete die Nacht, von zwei Versprechen hell,
Ein Schicksal nahm den Lauf, getragen wunderschnell.
Ein Walzer, der verband, zwei Herzen voller Glut,
Ein Reigen, der die Liebe mit Tanz besiegeln tut.