Deutsch von Torsten Schwanke
IDYLLE I
Thyrsis spricht:
Süß ist das Flüstern der Kiefern, die leise durch Wipfel rauschen,
herrlich und lieblich, o Meister, klingt deine Pfeife so schön.
Pan allein wird siegen, den Preis aus des Himmels Hand gewinnen;
gibst du ihm nur den Bock, dann soll er dein Preis auch sein.
Stehst du zu ihm, so wird sich dein Sohn am Fleische des Lammes
gütlich tun, bis ihm sprosst zarter Bart aus den Wangen hervor.
Der Ziegenhirt antwortet:
Wie süß fließt, guter Hirte, dein Lied wie rieselndes Wasser,
welches von felsigen Höhn rauscht in die Tiefe herab.
Musen, gewährt ihr Lohn, das Lamm, soll euch sein als Gabe,
du aber führst dann das Schaf, Mutter des Lammes, zurück.
Thyrsis spricht:
Bei den Nymphen, ich bitte dich, komm hierher, o Ziegenhirt, nieder,
dort bei den Tamarisken, setz dich und spiel mir ein Lied.
Deine Ziegen behüte ich dir, so lang' du für mich singst.
Ziegenhirt erwidert:
Nein, bei Mittag, da greif' ich nicht zu den Rohren des Windes,
fürchte mich stets vor Pan, ist er nicht dann voll Zorn und Groll?
Weiß ich wohl, Mittags ist seine Zeit, sein Jagen zu ruhen;
leicht erzürnt ist sein Herz, mächtig schnaubt sein finstrer Groll.
Doch du, Thyrsis, kannst Daphnis' Leid in Tönen besingen;
singe von ihm, denn du bist wahrlich geübt in dem Landlied.
Setz dich mit mir hin unter die Ulmen, dort bei den Quellen,
gegen Priapus' Bild, und bei den Nymphen im Schatten der Eichen.
Dort, wo die Schäfer gern ruh’n und Rast in der Kühle genießen.
Singe, Thyrsis, das Lied, wie damals Chromis aus Libyen lauschte.
Tust du das, dann gewähr’ ich dir reichlich Lohn aus der Herde:
Dreimal melke ich dir die beste der Ziegen mit Zwillingsgebärde,
zwei gefüllte Eimer wirst du von ihrem Reichtum erhalten.
Dazu schenke ich dir den Krug, wohlgehärtet aus Bienenwachs innen,
neu gebrannt, mit Zierwerk von frischem, grünendem Efeu
rings um die Lippe geflochten, durchwoben von Kasias Glanz.
Und im Schmucke des Kruges findest du eine Gestalt, wie vom Gotte
selbst geformt: ein junges Weib in herrlichem Kleid und Haarband,
üppig, von Schönheit durchstrahlt, die keinem Sterblichen gleicht.
Neben ihr steht ein Jüngling, die Locken stolz und wallend,
und sie flüstern einander geheimnisvolle Worte des Herzens.
Thyrsis singt weiter:
Landlied, hebt an, singt mir, o Musen, die Weisen des Ackers!
Thyrsis singt vom Ätna, sein Lied wiegt schwer auf den Lüften.
Wo wart ihr, Nymphen, als Daphnis dahinsank? Wo, ihr Gefährtinnen?
War's in Peneios Tal oder war’s in den Bergen von Pindos?
Anapus Flut nicht und Ätna's Abhang sah euch, noch des Acis
heiliger Strom; ihr Nymphen, wie fern ward euch des Hirtens Leid!
Landlied, hebt an, singt mir, o Musen, die Weisen des Ackers!
Denn als Daphnis verging, da klagten die Füchse im Walde,
Heulen erscholl durch die Wölfe, die selbst trauernd ihn suchten,
Löwen im Grün der Wälder verströmten tränenreich Wehklag’.
Landleben, singt, ein Lied aus der Ferne, o Musen, singt süßlich!
Suchend nach dir, o ein Narr in der Liebe, ein Tor, der da schwach ist.
Bin ich ein Schweinehirt nun? Oder doch Ziegenhirt, der nun glaubet,
dies zu gefallen: dass in der Brunstzeit springet die Herde.
Sanft wird mein Blick, und es weicht ihm die Härte, denn Mensch bin ich, fühle.
Landleben, singt, ein Lied aus der Ferne, o Musen, singt süßlich!
Seht ihr die Mädchen lachend im Schwunge der jungen Begehrlichkeit,
Augen mir weichend und Trauer mir bringend, denn einsam bin ich;
keiner will teilen das Glück mit mir, bitter ertrag ich dies Leiden.
Doch ein Wort sprach nie der Hirte im Schweigen, geboren aus Liebe.
Landleben, singt, ein Lied aus der Ferne, o Musen, singt süßlich!
Kam dann Cypris zu ihm und lächelte freundlich hernieder.
Lächelnd sie sprach: „Ach, Daphnis, ein Prahler bist du, der im Schwanken
den Wurf des Eros beantwortet mit solchem Ermatten!
Liegt’s mir im Sinn, dass du solch einen Schlag so schwach sollst erwidern?
Landleben, singt, ein Lied aus der Ferne, o Musen, singt süßlich!
Dann sprach Daphnis: „O grausame Cypris, o rachsüchtig, du schmerzt mich,
hassend des Fleisches Verlangen und glühende Herzen zu quälen!
Meinst du, dass all meine Sonne bald untergehen soll, Cypris?
Doch, sei gewiss, unter den Toten wird Daphnis noch für dich wandeln.“
Landleben, singt, ein Lied aus der Ferne, o Musen, singt süßlich!
Hörten die Männer des Cypris Wort und begannen zu singen
hoch auf Ida’s Hügel: „An Anchises Seite, o Cypris,
liegt dir das Lager bereit und O Eichen, und Bienen summen.“
Landleben, singt, ein Lied aus der Ferne, o Musen, singt süßlich!
Adonis jaget in reifem Wahn nach Schafherden und Hasen,
und allerlei Tiere hetzt er nun über die grünen Wiesen.
Landleben, singt, ein Lied aus der Ferne, o Musen, singt süßlich!
Doch Daphnis lässt sich nicht biegen, bei Diomedes im Kampfe
bleibt er, der tapfre Hirt. Doch ihr, Muse, kommt immer zu mir,
singet von ihm, von seinem Trotze, von Wunden der Liebe.
Landleben, singt, ein Lied aus der Ferne, o Musen, singt süßlich!
Abschied gab ihm der Wolf, und des Fuchses Auge voll Wehmut,
Bären vom Berge trauern und jammern, sein Bruder sei nicht mehr,
Daphnis, den sie einst liebten, und nichts soll wie Daphnis sein wieder.
Landleben, singt, ein Lied aus der Ferne, o Musen, singt süßlich!
Euch ward Daphnis der Hirt und führte Kühe auf Felder,
führte die Herde gen Tränke, wie’s jeder ihm trauert im Herzen.
Pan, o Pan, sei bei ihm und erwache auf Lycäa’s Bergen,
komm von den Höhen des Helikon her und schweb auf die Wiesen,
wo Lykaons Kinder sich drängeln und Neid aus den Himmeln sie niederfällt;
Landleben, singt, ein Lied aus der Ferne, o Musen, singt süßlich!
Komm herab, nimm das Rohr, das süße und honigsüße Gebläse,
mundgerecht und gerundet; den Atem, den Eros mir schenkte,
bis zum Tod wird er walten, und tief ist die Wunde, die bleibt.
Landleben, singt, ein Lied aus der Ferne, o Musen, singt süßlich!
Dornen tragen nun Veilchen, und Disteln, sie blühen wie Blumen;
Narzissen hängen am Wacholder, und Dinge verkehren sich gänzlich;
Feigen wachsen an Pinien nun, denn Daphnis, der Sterbende, weint schon.
Heulend erhebt sich der Hund, und Nachtigall klagt im Gezweige,
singet ihr Trauerlied laut, der Wald wird vom Eulenruf schaurig.
Landleben, singt, ein Lied aus der Ferne, o Musen, singt süßlich!
So sprach Daphnis, und still blieb sein Herz, das zuletzt sich verklärte.
Doch die Liebende wollte ihn halten, wo er nun lieget,
doch das Gewebe ward vollendet, die Tage sind nun zu Ende.
Daphnis entfloh auf dem Fluss und ward von Nymphen getragen,
seine Brüder, die Musen, vermissen ihn schmerzlich auf ewig.
Lasst mich nun trinken den Wein, und gebt mir die Ziege, o Freunde,
Musen, nehmt von der Milch ein Trankopfer, das ich euch schenke.
Lebet wohl, o Musen, auf Wiedersehen an einem künftigen Tage!
Ziegenhirt:
„Honig den Lippen dir, Thyrsis, und Aegilus Feigen dir nährend;
süßlich klingen die Lieder dir, wie Grillen im Frühling ihr Zirpen.
Hier ist der Becher, und schau, wie köstlich der Duft dir entgegen,
denkst, er sei rein gewaschen am Brunnen, rein bis zur Fülle.
Komm her, o Braune, und melke, die Kitzlein ruhen zur Seite,
oder der Bock hetzt sie, gereizt, mit seinem zornigen Rufe.“
IDYLLE II
Wo sind die Lorbeerblätter? Komm, Thestylis, herbei nun,
Bringe die Liebeszauber! Die Schüssel kränzen wir heute
Mit hochrotem Blütenflor, den Blumen der Wolle geschmückt fein.
Ach, dass der Feuerzauber mein grausamer Liebster nun trifft doch,
Der nun seit zwölf langen Tagen nicht einmal mich hat besucht hier,
Selbst so wenig, dass er wüsste, ob ich lebe noch oder
Ob ich längst dahin bin; ja, er klopfte nicht einmal an meine
Tür, unerbittlich. Die Liebe, die seine Lust einst mir brannte,
Schwindet, vergeh’n wird sie mit dem trügenden Bild seiner Frau wohl.
Morgen jedoch zur Schule des weisen Timagetus geh’ ich,
Schaue ihn fragend an und forsche nach seinen Beweggründen.
Doch heut’ Nacht, da werde ich Zauber des Feuers ihm wirken.
Schimmer, süße Mondin, am Himmel, sei mir gewogen!
Dir gilt mein Lied und der finsteren Hekate, welche
Selbst die Hunde erzittern lässt, wann sie durch die Gräber
Streift und das rote Blut ihr Schein sanft glühend umfängt dort.
Furchtbare Hekate, heil! Du bist meine Vertraute, ich bitte:
Zeige die Kraft des Trankes, den ich bereitet in Inbrunst.
Wirksam, ja, sei er wie jeder von Circes Zaubern und Künsten
Oder Medeas Gewalt, die Macht der Mädchen mit Goldhaar!
Wendehals, Wendehals, zieh ihn zu mir, wie ich’s flehe!
Erst Gerstenmehl wir werfen ins Feuer. Komm her, Thestylis, eile!
Wirf es auf’s Herdfeuer; o Narr, du irrst ohne Gedanken.
Herr, schau mich an! Bin nichts als ein schmutziges, tristes Weib jetzt,
Wie kannst du über mich krächzen und spotten? Komm, iss nun,
Lass uns sein Biss von Delphis’ Gebein tief werfen ins Feuer.
Wendehals, Wendehals, zieh ihn zu mir, wie ich’s flehe!
Wie viel Schmerz hat Delphis mir stets in die Brust heiß gebrannt, ach!
Wie es knistert, und plötzlich verschwand’s und wurde zu nichts nun,
Selbst die Asche ist fort, und nicht mehr die Flamme bleibt sichtbar.
So soll auch Delphis brennen in innerer Glut, die ihn zehrt rasch.
Wendehals, Wendehals, zieh ihn zu mir, wie ich’s flehe!
Diese kleine Puppe schmilzt vor der schrecklichen Göttin,
So möge Delphis in brennender Liebe mir schnell nah’n.
Und wie das Rad aus Messing in kreisenden Bahnen sich dreht hier,
Durch Aphrodites Gunst, so drehe er sich zu mir wieder.
Wendehals, Wendehals, zieh ihn zu mir, wie ich’s flehe!
Nun in die Flammen die Kleie. O Artemis, heilige Göttin,
Die du Unnachgiebige lenkst und die, die am Tor schon des Todes
Stehen, bringe das Herz meines Liebsten zurück hier zum Leben.
Hörst du, Thestylis, wie die Hunde heul’n in der Stadt laut?
Dies ist das Zeichen, gewiss, dass die Göttin am Kreuzweg uns nah ist.
Schnell, lass das Eisen klirren, dass unser Zauber vollendet!
Wendehals, Wendehals, zieh ihn zu mir, wie ich’s flehe!
Schau, die Flammen ruh’n nun und auch der Wind steht still, doch mein Herz brennt
Noch, ach, in Flammen für ihn, der mein Blut heiß durchzieht, der
Keine Frau aus mir machte, und selbst nicht vergaß ich die Schande.
Wendehals, Wendehals, zieh ihn zu mir, wie ich’s flehe!
Dreimal das Opfer gieße ich aus, dreimal singe ich Worte,
Dass eine Frau oder Mann den Geliebten schmählich verlasse,
So wie einst Theseus die bunte Jungfrau von Dia verließ kühl.
Wendehals, Wendehals, zieh ihn zu mir, wie ich’s flehe!
Wilder Wahnsinn wächst als ein Kraut in Arkadiens Wäldern,
Treibt jede Stute zu toben, den Hengst wild auf den Hügeln.
So seh’ ich Delphis, der rasend zu mir drängt, vom Oliven-
Garten kommt, wo Kämpfer sich stärken in Harnisch und Rüstung.
Wendehals, Wendehals, zieh ihn zu mir, wie ich’s flehe!
Dieser Faden hier, den Delphis einst an seinem Gewand trug,
Reiß’ ich in Stücken und werfe ihn weg in die sengende Flamme.
Ach, unbarmherziger Eros, warum bohrst du dich tief in
Mich, wie ein schlammbeschmierter Blutegel, saugst all mein Leben?
Wendehals, Wendehals, zieh ihn zu mir, wie ich’s flehe!
Morgen, ich schrei’ ihn an, und ihm Krankheit trinkend bereiten.
Aber jetzt, nimm, Thestylis, Asche im Dunkel der Nacht,
Bestreich seinen Türsturz, und spei dreifach darauf in Verachtung,
Sage: „Dies ist Delphis’ Gebein, ich beschmiere ihn.”
Wendehals, Wendehals, zieh ihn zu mir, wie ich’s flehe!
Nun bin ich allein. Wo soll ich beginnen die Klage
Der Liebesschmerzen? Hier sei sie begonnen: Ich sage, wer es war,
Der mich in diese Tiefe der Qual und der Sehnsucht herabzog.
Anaxo, Eubulus’ Tochter, kam, eine Körbe-Trägerin, ging durch
Unseren Weg, in heiligem Zug zum Tempel der Göttin,
Führend das Löwenbild, ein Zeichen des Heiligen Ritus.
Lausche mir, heilige Mondin, wie ich die Liebe erfuhr dann.
Nun Theumaridas, jene Frau aus Thrakien, welche
Einst als Amme neben mir lebte, war längst schon dahin nun,
Und wie mein Geschick war, so kam ich, folgte dem Zug auch,
Eingehüllt in ein seidiges Kleid mit dem Mantel von Clearesta.
Lausche mir, heilige Mondin, wie ich die Liebe erfuhr dann.
Als ich halbwegs auf dem Weg war, erblickte ich Delphis und Eudamippus
Beide spazieren, mit goldenem Haar und leuchtender Brust, die
Jugendlich prangte, voll Glanz, und schöner als du, große Mondin.
Lausche, Mondin, wie heiß' ich die Liebe zu singen!
Ach, und das Mitleid dabei! In einem Moment nur, ich sah’s, da war es verloren,
Traf wie ein Pfeil in mein Herz; die Wange ward bleich, die Farbe entwich mir;
Standen die Festzüge still, und der Mut mir entfloh, das Denken versank mir.
Schleppte mich heim – wie, weiß ich nicht mehr, doch sicher zu Bette
Lag ich sodann, vom Fieber gefasst, für zehn Tage und Nächte.
Lausche, Mondin, wie heiß' ich die Liebe zu singen!
Pale, so bleich wie Buchsbaum, wollt' ich dann gehen; die Haare, sie fielen
Müde herab von meinem Haupt; nur Haut und Knochen noch blieb mir.
Nicht einen Charmeur ließ ich aus, besuchte die Hexenhütten,
Suchte ein Zauberwort. Doch solch eine Krankheit zu heilen,
War nicht leicht, die Zeit flog im Takt, so eilte das Leben.
Lausche, Mondin, wie heiß' ich die Liebe zu singen!
Endlich vertraute ich einer Alten das Herz mir. "O Thestylis, hör mich!
Geh und suche ein Mittel, das lindert mir meinen Rachen,
Doch die Wunden im Herzen noch mehr," so bat ich die Gute.
"Myndianites," seufzte ich, "er hat viele Gaben der Reichen.
Gehe zu ihm und späh, wo Timagetus zum Kampf sich bereitet."
Lausche, Mondin, wie heiß' ich die Liebe zu singen!
Fände sie ihn dort allein, so möge sie nicken und lächeln,
Sage ihm, Simaetha will ihn sprechen und bitt’ ihn zu kommen.
Gesagt, da eilte sie hin und brachte den jungen Geliebten,
Schlank und leicht kam er geschwind zu mir in die Kammer;
Und wie ein Hauch, so still, kam der Schritt mir ins Ohr, doch ich bebte.
Lausche, Mondin, wie heiß' ich die Liebe zu singen!
Kalt war mein Leib, und tropfender Schweiß benetzte die Stirne;
Stumm lag die Zunge im Mund, wie ein Kind, das schlafend
Wimmert in seiner Mutter Schoß; wie Wachs war mein Körper
Hingebungsvoll und doch hart in des Schicksals erbitterter Wonne.
Lausche, Mondin, wie heiß' ich die Liebe zu singen!
Sah er mich endlich, der Herzlose, sank sein Blick auf die Erde,
Schweigend saß er beim Bett und sagte kaum ein Wort.
Und dann sprach er: "Simaetha, wenn du so lange mich sehnlichst
Riefst zu dir unter dein Dach und hierher mich forderst zum Heiratsbund,
Warum dann eilst du nicht entgegen meinem Begehren?
Lausche, Mondin, wie heiß' ich die Liebe zu singen!
Von mir selbst bin ich gekommen, zu suchen die Liebe der Nächte,
Ganz allein, und mein Beutel voll mit Dionysos’ Gaben,
Und auf der Stirne des Herakles heiliger Zweig in Bändern,
Bunt und gewunden; wüsstest du, welch’ Lohn ich erwünschte,
Dass ich nur deine Lippen zu küssen verlangen könnte.
Lausche, Mondin, wie heiß' ich die Liebe zu singen!
Doch da du mich rufst, so danke ich dir, mit Cypris als Zeuge.
Denn du, o süßes Kind, hast gezogen den Pfeil aus der Flamme;
Eros, so heißt es, bläst uns oft sein feuriges Sehnen,
So ward ich gelobt, und kühn ward mein Herz, das nun leuchtet."
Lausche, Mondin, wie heiß' ich die Liebe zu singen!
Doch mit brennender Wut, wie eine Rasende wild ihn als Gatten,
Trieb ich ihn bald hinaus, bevor das Ehebett noch erblickte,
Er stand wie ein Jungfrau, die zögert; ich aber, ich trug ihn
Hand in Hand, so zärtlich ans Bett, wo Wange an Wange
Lagen wir da, und heißes Geflüster webte sich um uns.
Lausche, Mondin, wie heiß' ich die Liebe zu singen!
Gestern noch war’s, dass er in mir keine Fehler entdeckt und ich auch
In ihm nicht. Doch dann, am Morgen, als mit rosigen Armen
Eos vom Meer herauf zur Himmelspforte sich schwang,
Kam Philista, die Flötenspielerin, zu mir und brachte ein Gerücht mir,
Delphis sei verliebt, doch nicht in mich mehr entbrannt.
Lausche, Mondin, wie heiß' ich die Liebe zu singen!
"Ah Torheit," sprach ich, "wie oft glaubte ich, dass er käme,
Drei- und viermal am Tag, und nun sind es zwölf Tage, dass er nicht kam.
Gestern mischte ich Tränke und Hexen-Salben zusammen,
Doch wenn diese den Kummer nicht lindern, dann werde ich suchen
Nach einem anderen Mittel; im Tod wohl find’ ich den Frieden."
Lebewohl, du leuchtende Herrin, und dir, o leises Gefolge
Sternenheller Nacht, Lebewohl! Im Dunkel verwahr’ ich die Flammen.
Schließt sich das Tor, so bleib’ ich mit Wunden, Mondin, die nie heilen.
IDYLLE III
Zu Amaryllis will ich nun werben, die Ziegen gehn munter,
Wandeln entlang der Hügel, Tityrus führt sie und lenkt.
Tityrus, Freund und Geliebter, nimm dich der Ziegen erbarmend
An und führ’ sie zum Wasser, bewache das Kitz oder Bock,
Diesen gelblich Libyer dort, er wird treu dir folgen.
Schöne Amaryllis, warum schau’n deine Augen nicht zärtlich?
Warum rufst du nicht mehr, dein Liebling ist dir doch so nah!
Kann es sein, ein kurzer Blick in die Nähe verriet dir
Meines Gesichtes Stupsnase und Bart, und mein Herz schwört:
Ewig wird dieser Liebesschmerz mein Todesbote noch sein!
Siehe, hier bring ich dir frische Äpfel, halb zwei Dutzend,
Wie du batst, sie zu pflücken; und morgen will ich dir noch
Ebensoviele wieder pflücken und bringen als Zeichen.
Schau mich an, ach, o schau! Mein Herz ist vor Schmerzen zerrissen,
Gern wär’ ich eine summende Biene und suchte den Weg,
Durch Efeu und Farn zu deiner schattigen Höhle zu dringen!
Ja, jetzt weiß ich, was Liebe ist – ein grausamer Herrscher!
Sicherlich säugte eine Löwin ihn auf, in dem finsteren Walde,
So dass er langsam mich quält, mich verbrennt und durchbohrt bis aufs Mark.
O Nymphe, von Anmut durchglüht, doch von Stein! O die Schatten
Dunkler Brauen verleihen dir Zauber, umarme mich doch,
Deinen Ziegenhirten, der nichts als ein Kuss von dir möchte.
Selbst ein leerer Kuss kann süß und köstlich noch sein!
Und sieh, ich werde zerrissen! Den Kranz aus Efeuranken,
Geflochten von Rosenknospen und duftender Petersilie,
Hab ich dir, Amaryllis, gebracht, doch ohne Erwiderung.
Ach, wie traurig, was soll mir noch werden? Wehe mir! Keinen
Laut antwortet sie mir, und ich fasse mein Netz, gehe fort,
Zu Olpis’ Ort, um Thunfische zu fangen, ins Wasser zu springen,
Sterben, wenn nicht das Schicksal mich hält, auch wenn’s nicht dein Wille sei.
Denn ich wusste, als kürzlich mein Geist sich nach dir nur noch drehte,
Ob du mich liebst oder nicht, dass selbst die Gänseblümchen,
Die ich zupfte im Spiel, als Zeichen erhoffter Erwiderung,
Schrumpften und welkten zu rasch an dem Arm, der sie hielt.
Selbst die Hexe vom Tanz neben dem Korn in der Scheune
Rief mir, dass du mich zur Schuld machte, obgleich ich in dir
Alles versenkte, doch wäre mir nur ein Teil noch geblieben,
Hätt’ ich dir weißen Zwilling der Böcke als Brautgabe gebracht,
Welchen selbst die junge Mermnon nicht so leicht mir entwenden könnte.
Doch sieh, wählst du mich, dann spiel ich zierlich mit dir!
Schau, da! Ein Zucken am rechten Auge bringt mir die Hoffnung:
Bald werd’ ich sie schauen! Ich lehne mich an deine Pinie,
Singe und warte; vielleicht, wenn du schaust, wirst du erweicht sein.
Als Schoenus‘ Werbung begann, Äpfel vom Auserkorenen
Baum in den Schoß ihr fielen, und liebend versank sie.
Als der Seher, in brüderlicher Absicht, nach Pylos gekommen,
Wurde ihm Ruhm durch Alphesibeus, den Weisen, beschert.
Und Adonis, im Hügel beim Schafehüten verweilend,
Erlag der Liebe wilder und zügelloser Gewalt,
Dass der Tod ihn entführte. O wär’ ich Endymion nur,
In ewigen Schlaf getaucht, oder, o Herrin, dein Jasion,
Der nichts als Heiligtum sähe und nie das Profane.
Doch mein Kopf, er schmerzt, er ist verwundet, doch nichts für dich,
Ich will ein Ende finden, niederwerfen den Leib,
Wenn Wölfe kommen, die reißend mir gierig den Leib fressen,
Und sie werden finden, mein Fleisch sei süßer als Honig.
IDYLLE IV
Battus:
„Corydon, wessen sind diese Kühe wohl? Sind sie Philondas'?"
Corydon:
„Nein, die des Ägons; er hat sie mir für die Weide anvertraut."
Battus:
„Kommen sie abends zurück, dann gibst du sie wohl einer Melkerin?"
Corydon:
„Nicht so; der Alte schaut zu, selbst lässt er die Kälber trinken."
Battus:
„Doch, wo sind deine eigenen Hirten wohl heute verschwunden?"
Corydon:
„Hast du’s nie gehört? Zum Alpheus zog Milon mit ihnen."
Battus:
„Mein Gott! Hätten die nicht gern Augen so viele wie Maiskörner?“
Corydon:
„Milon, sagt man, sei Herakles ebenbürtig an Stärke."
Battus (voll Spott):
„Auch meine Mutter sagt mir, ich sei wie Pollux, der Held."
Corydon:
„Er nahm einige Schafe und einen Spaten; so ging er."
Battus (bitter):
„Ach, Milon! Selbst einen Wolf würde er überlisten und jagen.“
Corydon:
„Seine jungen Kühe vermissen ihn, hör, ihr klägliches Rufen."
Battus (neckisch):
„Schlimmer Tag für die Kühe, oh Leid, das ihnen ein Hirte brachte!“
Corydon (missverstehend):
„Ja, ein böser Tag zur Hochzeit – so fern vom Futter sind sie."
Battus:
„Schau dort das Tier, nichts bleibt von ihm als Haut und Knochen.
Wird es sich etwa von Tautropfen nähren wie Zikaden im Feld?“
Corydon:
„Bei Zeus, nein! Oft weide ich sie, geb’ eine Flasche aus grünem Gras;
selbst der Schatten des Latymnus wird oft ihr Spielplatz."
Battus:
„Und der rote Stier, wie mager er ist, kaum zu glauben!
Wäre er ein Opfer für Hera, möcht’ ich wünschen, dass Lampriadas'
Söhne einen solchen wie ihn erhielten; sie sind kein gutes Volk.“
Corydon:
„Doch der Stier, er weidet an Seen, am Rand des Meeres,
zwischen Ziegenkraut und duftendem Balsam und Mairanken.“
Battus:
„Armer Ägon, deine Kühe verkümmern vor Hunger,
denn du selbst jagst Eitelkeit nach und bläst in des Hirten Rohr."
Corydon:
„Ja, bei den Nymphen, das Rohr hat er mir selbst anvertraut,
als er ging. Auch ich bin ein Hirte der Flöte. Für Glauce blies ich schon Lieder,
für Pyrrhus, und Croton besang ich, die Stadt, die ans Meer sich legt,
wie Zacynthus, und hinab vom Hügel zog Milon, der Boxer,
aß achtzig Brote, doch einmal, ein anderer Tag kam, und da
führte er lachend den Stier über die Weide zu Amaryllis.“
Battus:
„Schöne Amaryllis, wirst du sterben, verlass ich dich nie!
Zwar liebe ich meine Ziegen, doch kein Mädchen ersetzte je dich!
Gut war der Tag, als das Glück mir zulächelte, schlecht, als es wich.“
Corydon:
„Weicher, guter Battus, hab Trost; mit dem Morgen kommt Glück.
Solang Leben bleibt, da bleibt auch Hoffnung; nach Regen die Sonne.“
Battus:
„Gut so, mein Freund. Alles ist gut.“ (wechselt das Thema)
„Vorwärts, ihr Kälber, hinauf zum Hang; das Grün der Oliven lockt euch!“
Corydon:
„He, Schneeflocke, he, Body, hinauf mit euch! Seid ihr taub?
Bei Pan! Soll ich’s doch bereuen, euch ohne Geißel zu treiben?
Sieh nur, zurück kehren sie. Hätt’ ich nur eine Peitsche zur Hand!“
Battus:
„Zeus schütze dich, Corydon; schau nur, was ich entdeckt habe!
Dieser Dorn, den du sprachst, sitzt tief in meinem Fuß!
Sieh, was die Disteln vermögen – ein Fluch auf deine Kühe!
Schau, ist er nicht der Übeltäter, dieser winzige Dorn?“
Corydon:
„Ja, ich habe ihn, hier zwischen den Nägeln – sieh her!“
Battus:
„Oh, welch winziger Stachel, der solch großen Mann bezwingt!"
Corydon:
„Du solltest besser die Schuhe anziehen, wenn du den Hang hinaufsteigst,
Battus, denn hier sind die Berge, voll Dornen und Ginster, mein Freund.“
Battus:
Sag mir, Corydon, kommen die galanten Herren der Leuchten
mit diesen dunklen Brauen, von Eros’ Pfeilen getroffen?
Corydon:
Ja, mein Freund, doch hat ihm das Glück nicht gnädig gelächelt.
Zufällig traf ich sie dort, es war zwei Tage zuvor nur,
nahe beim Stall, und galant, so sprach er, klang sein Versprechen.
Battus:
Wohl gesprochen, o Liebeslicht! Offenkundig ist’s wahrlich,
fern bist du nicht den alten Satyrn und schalkhaften Panen
auf den Feldern hier draußen, im rauen Land der Idylle.
IDYLLE V
Comatas:
Hüte dich, Freund, halt meine Ziegen im Blick, denn vom Hain dort
naht sich Sybaris’ Hirte, er kommt, und treibt sie von Lacon.
Gestern erst stahl er den Mantel, den warmen, der auf meinem Rücken lag.
Lacon:
He, meine Lämmer, fort von der Quelle da! Comatas,
bist du’s, der neulich mir die Flöte geraubt? Zwei Tage ist’s her schon!
Comatas:
Flöte? Du, Sibyrtas’ Knecht, von einer Flöte besessen?
Denkst du, du säßest mit Corydon selbst, um, die Halme zu blasen?
Lacon:
Ja, es war Lycon, der Freimann, der mir das Rohr einst gab.
Und was den Mantel betrifft – wann sah man Lacon je deinen tragen?
Sag mir’s, Comatas; noch weniger jemals besaß ihn dein Herr, Eumaras,
oder sein Knecht, um selbst in Nächten darauf zu ruh’n!
Comatas:
Nun, Crocylus gab mir die Haut, als er geopfert der Nymphen
eine Geiß; doch neidische Blicke verlockten dich, Hand an sie zu legen.
Jetzt gehe ich nackt umher, beraubt und frierend.
Lacon:
Nein, nein, beim Strand-Pan; nicht ich, Calaethis' Sohn,
nahm dir den Mantel. Möge ich rasend vom Felsen
springen und tauchen, wenn das der Wahrheit entspräche!
Comatas:
Nein, nein, bei den Nymphen des Sees; auf alles, was heilig mir ist,
legt’ ich niemals die Hand an dein Rohr, wenn ich’s dir wünsche zu glauben.
Lacon:
Der Himmel schick’ Daphnis’ Leid mir, wenn ich je glaubte an solches!
Doch genug nun davon – du kannst mir dies Märchen erzählen;
dennoch komm! Ein Liederkampf soll uns den Sieger erweisen,
bis dir selbst das Klagen vergeht.
Comatas:
Alter Bekannter Spruch! Deine Großmutter lehrte dich Lügen;
meiner Belohnung bin ich gewiss. Doch du, stell dein Lied,
und ein saftiges Lamm soll der Preis sein, wenn ich dich besiege.
Lacon:
Listiger Fuchs, wie soll solcher Wettstreit sich zieren?
Wie mag ein junges Kitz mit dir wetteifern, ein Sauglamm noch,
trinkend an der Geiß?
Comatas:
Klar wie der Tag, dass solch einer im Nahen
summt wie die Wespe gegen das Lied der Grillen. Doch sei’s drum,
mein Kitz, es scheint kein großes Wagnis, es dir zu geben.
Schau, ein ausgewachsener Bock sei dein Preis, und nun beginnen wir.
Lacon:
Weich und milde sei dir das Lied; kein Feuer glüht dir,
wenn du dort unter den Oliven im Schatten singst, wo Nadeln
säuseln im Winde. Kühl und klar sind die Wasser, und üppig
wächst hier das Gras, ein weiches Bett für den Sänger, umringt von dem Chore
summender Grillen.
Comatas:
Keine Eile hab ich, doch Trauer umgibt mich, und nicht wage
je du, mir ins Antlitz zu blicken, mir, der dir einst wohlgesonnen.
Ach Herr, wo bleibt die Milde? Pfleg’ ein Wolfskind, ja eher
als den Welpen, den du großziehst für den Mahl.
Lacon:
Und doch sprach man Gutes von dir, was hast du gelernt, dass du’s nennst?
Schande über dich, du neidisches, ungehobeltes Wesen!
Comatas:
War’s, dass ich dich piekte, und du blökst mit Ziegen; der Ziegenbock,
der drängt sich dir auf, der Oberste ihrer Herde.
Lacon:
Mögest du tiefer sinken, buckliger, tiefer begraben!
Doch, Friede sei jetzt, Mann; und nun, sing uns ein letztes Lied
deines Landes, bevor wir enden den Streit.
Comatas:
Dorthin werd’ ich nie geh’n. Hier stehen mir Eichen und Zypressen,
Bienen summen so fleißig im Stock und versorgen die Königin,
kühle Quellen fließen hier sanft und laben mein Herz,
und die Vögel, sie singen ein Lied, kein Zirpen von Heuschreckenscharen.
Zwei Quellen murmeln kühl, und der Schatten der Bäume ist mild,
Zypressen und Pinien werfen dir Nüsse zur Lust.
Lacon:
Kämst du hierher, ich leg’ dich auf Felle, weich sind sie und warm,
Lammfelle, Schafwolle – darin wirst du sanft und ruhig dich betten.
Für dich richte ich Milch an, der Nymphen Trank, frisch und noch süß,
und bereite dir Öl, das beste von allen, zur Freude.
Comatas:
Willst du kommen und dies für mich tun, dann sollst du hier wandeln
auf grünendem Farn und dem Efeu, der rings die Stämme umfasst.
Und für deine Lieder hab ich vier Häute so weich wie kein Lammfell,
und acht Eimer voll Milch für Pan und Honig im Topf.
Lacon:
Geh’ dorthin, wo dein Spiel dich hinführt, wo Lieder die Felder beleben.
Geh’ in dein eignes Gehege zurück; sei glücklich bei Eichen.
Doch wer soll uns richten? Wer wagt’s? Wie gern hätt’ ich Lycopas hier!
Comatas:
Mir fehlt er nicht! Doch lass uns rufen, den Holzfäller Morson,
dort, wo er nahe der Heide das Feuerholz sucht, ihn laden wir ein.
Lacon:
So sei es. Rufe ihn du.
Comatas:
He, Freund, komm’ her und verweile ein wenig, oh Morson,
sei uns der Richter im Wettstreit, der uns nun entscheiden soll.
Lacon:
Morson, sei treu! Sei gerecht in deinem Urteil, oh guter Morson.
Keinem gib mehr als gebührt, sei unparteiisch und weise.
Comatas:
Süßer Morson, bei allen Nymphen, bitte sei fair!
Lass weder Lacon noch mir mehr zuteil als rechtmäßig.
Lacon:
Ach Zeus! Wer fragt dich, Schwätzer, ob Herden mein Eigentum sind?
O weh, wie geschwätzig bist du, und was für ein Lügner!
Comatas:
Du allertörichtster Mann! Was ich sage, ist wahr und aufrichtig,
nie rühm’ ich mich selbst, ach nein, was für ein Lügner du doch!
Lacon:
Los, fang an! Wir lassen den Morson geduldig sein Amt nun erfüllen.
Apollo steh’ uns bei! Du hast die Gabe des Wortes, Comatas.
Comatas:
Meine Liebe gehört den Musen, wie einst Daphnis, der weise;
zwei Ziegen bring’ ich zum Opfer, die schönsten aus meiner Herde.
Lacon:
Doch Apollo liebt mich sehr, und ich werde ihm weihen
einen fetten Widder bald; Apollos Festtag naht.
Comatas:
Meine Ziegen, o Nacht, bringen stets die Zwillingsgeburten,
nur zwei haben eins; das Mädchen ruft: Armer Junge, trinkst du allein?
Lacon:
O Leidenschaft! Schau her! Ich fülle den Käse in Haufen,
nahe zwanzig Pfund, und schone das Gras für die Lämmer im Frühling.
Comatas:
Doch wenn der Ziegenhirt geht und meine Clearist da ist,
Äpfel pflückt sie im Baum, ihre Lippen verlangen nach Kuss.
Lacon:
Aber töricht ist’s für Hirten, die Huld der Schäferin suchen,
dunkel die Locken ihr fließen und wallen die Schultern herab.
Comatas:
Ach, wie sind Windblumen kümmerlich doch, wenn Rosen erblühen,
nie gleicht die wilde Heckenrose der Gartenblume im Strahl.
Lacon:
Nicht zu vergleichen ist Frucht von Stein und Eichel mit Birnen;
jene sind flach und fad, doch süß ist die Birne wie Honig.
Comatas:
Dort im Wacholderdickicht hockt auf dem Nest ein Vogel,
heute noch fang ich ihn, schenke ihn meinem liebsten Mädchen.
Lacon:
Schnell wie stets bei der Schur, ein Geschenk, so fein und selten,
nehm ich gern; und vom schwarzen Schaf dein Mäntelchen schaff ich
meinem Lieb als Gewand.
Comatas:
Hei, Wegknabberer, lass die Oliven!
Wo blieben uns Weidegründe? Dort, wo die Tamarisken
wachsen, und wo die Hügel sich sanft hinab ins Tal neigen,
liegt euer Revier.
Lacon:
Wo seid ihr bräunlichen, faltigen Weidetiere?
Grasend oben am Hang, lasst die Eichenblätter nur ruhen.
Comatas:
Ferkel hab ich geschnitzt aus Zypressenholz und auch eine
Schale für Wein, die mir einst der edle Praxiteles machte,
für mein Mädchen bereit.
Lacon:
Und ich, ich habe den Hund meiner Herden, den Wächter,
Wolf von edlem Ruf, als Geschenk für mein Lieb, der alle
wilden Tiere verscheucht.
Comatas:
Weg, ihr Heuschrecken, fort von den Zäunen und Reben im Garten!
Lasst den Frühling uns sein! Ich sah, wie ihr alles zerstörtet.
Lacon:
Sieh die Zikaden, sie lärmen und tanzen wie die Schnitter!
Ärgern sich frech am Stamm und reizen das Volk meiner Ziegen.
Comatas:
Füchse hasse ich sehr, die sich nachts in die Weinberge schleichen,
rauben dort, was der edle Micon gepflanzt und gehegt hat.
Lacon:
Mir auch sind die Käfer ein Gräuel, die durch die Lüfte
reiten und fliegen, verderben die Feigen des Philondas,
schnell sind sie fort.
Comatas:
Weißt du noch, wie ich einst dich stieß, und du frech mit dem Schweif,
lachend mich streifte und klammernd dich an die Eiche dann hieltst?
Lacon:
Daran kann ich mich kaum erinnern. Doch als Eumaras
einst dich band und putzte, da weiß ich noch alles genau.
Comatas:
Wild ist der Mensch, der Morson, siehst du's nicht? Es ist klar doch.
Lass ihn von eines alten Weibes Grab erkalten.
Lacon:
Nein, das tu ich nicht. Weit fort sei er an den Ufern
von Haleis, und grabe aus ihm ein Veilchen als Gabe.
Comatas:
Lass die Ströme Himeras voll von Milch heut fließen,
dass sich im Apfelhain auch Crathis mit rotem Wein füllt.
Lacon:
Lass mir Sybaris' Quell süßen Honig herbei noch bringen,
eh das Licht sich hebt, mit den Waben füllt sich der Becher.
Comatas:
Meine Ziegen, sie weiden im Klee und trampeln die Wiesen,
grasen bei duftenden Kräutern.
Lacon:
So mögen deine Ziegen genießen, doch meine Herde ist feiner,
findet die zarten Rosen und nascht an den süßen Eglantinen.
Comatas:
Als ich sie nachts zusammentrieb, da küsste Alcippa
mich beim Topf, doch sie vergaß es bald wieder.
Lacon:
Eumedes’ Flöte nahm ich zur Hand und küsste sie süßlich,
wie er's einst tat, die Liebe schien ungebrochen.
Comatas:
So ist das Naturgesetz, dass die Dohle nicht streite
mit der Nachtigall, auch Eule nicht mit dem Schwan, doch
Lacon, der Streitbare, kam mit unzähmbarer Zunge.
Morson:
Ich gebiete euch Frieden, Hirten! Comatas, nimm du das Lamm dir;
bring es den Nymphen dar, und sieh, dass du Morson, dem Armen,
eine Tafel bereitest.
Comatas:
Ja, bei Pan, das will ich. Kommt, ihr fröhlichen Ziegen,
schaut, welch Lachen mir Lacon schenkte, das Lamm mir nun ward!
Euch bring ich auf die Weide, gehörnte Freunde, seid fröhlich;
morgen wasch ich euch rein, im See von Sybaris taucht ihr.
Was, weißer Narr, willst du nicht fort? Stoß zu, bevor ich das Lamm
den Nymphen darbringe, werd ich dir jeden Knochen zerbrechen.
Sieh, da kommt er schon wieder! Wenn ich ihn nicht erwisch',
sei Melanthius’ Ende mein Los!
IDYLLE VI
Damoetas und Hirt Daphnis, Aratus, die Bärte noch spärlich,
Dessen Kinn nur rötlich schimmert vom Flaum, nebeneinander
Saßen sie beide am Quell in der Mittagshitze des Sommers,
Jeder trieb seine Herde zusammen zum Wasser und sangen.
Daphnis begann, der zuerst mit fröhlicher Stimme ihn forderte:
„Sieh, oh Cyclop! Galatea beäugt deine Herde, die Äpfel
Werfend auf dich, und ruft: ‚Du Narr, du bist ein Liebender Tor!’
Doch wendest du nie deinen Blick auf das Mädchen, armes Herz du,
Sitzend so still, und spielst deine Flöte so fein und verloren.
Siehe, da schleudert sie wieder die Äpfel direkt auf den Hütehund!
Seht, wie er bellend sich wendet zum Meer, wie er hinblickt!
Sieh, wie das Wasser ihn spiegelt, wo er so hastig und wild läuft,
Dort zu den Wellen am Strand, die silbrig in Sonne sich kräuseln!
Ach, hüte dich doch! Er springt, wie sie kommt, aus der Tiefe hervor,
Springt aus den Wellen empor und stupst sie sanft an die Beine,
Hin zu den saftigsten Gräsern der Ufer am heißesten Tag!
Da erhob Damoetas die Stimme und sang seine Antwort:
„Sah ich, wie sie die Äpfel warf, und Herr Pan sei mein Zeuge;
Blind war ich nicht, und dies schwöre ich, süß ist mein Leben!
Möge mir Himmels Glück bleiben, wie Telemus mir einst prophezeite;
Doch wehe, wenn Unglück kommt, dann auch ihm und dem Schicksal!
Es ist für Spott, dass sie neckt, denn ich achte nicht auf das Mädel,
Doch sagt man mir, sie sei eifersüchtig, und ach, das ist wahr!
Eifersucht flammt in ihr auf, Herrgott, bewahre uns beide!
Seht sie am Felsen, wie traurig sie schaut auf die Herde und Höhle,
Wie sie die Augen verfinstert auf Meer und die Schafe da blickt!
Selbst der Hund, den ich rief, warf ich ihr zu – wär ich der Freier,
Hätt’ er sein Haupt ihr gelegt auf den Schoß, wie ein Schmeichler so treu.
Wart nur, vielleicht bringt sie Nachricht, dass sie mir lange vergeht,
Doch verschließe die Tür ich bis sie schwört, mich zum Mann zu erwählen!
Und bis dahin küssten sich beide, da Daphnis und Damoetas,
Jeder mit Flöte und Pfeife erfüllt, ein wundersames Lied sang.
Und die Kühe begannen zu tanzen im weichen Gras ringsum,
Als wär’n sie Sieger; doch keinem von beiden gebührte der Ruhm,
Denn unbesiegt war ihr Spiel, und beide standen als Sieger.
IDYLLE VII
Einst gingen Eukritos und ich, und uns zum dritten, Amyntas,
fort aus der Stadt von Haleis, zu feiern das große Erntedankfest.
Phrasidamas und Antigenes, die Söhne des Lykopeus,
gaben es heut’ der Göttin, zur Ehr’ der segnenden Deo.
Söhne von edlem Geschlecht, aus dem Hause der alten Geschichten,
Clytia kam, wie man sagt, von ihr und dem alten Chalkon,
dessen starker Fuß einst gegen den Fels geschlagen,
Burinas Quelle entsprang und schäumend zu Füßen der Klippe
strömte, während die Ulme und Espe ein Blätterdach woben,
das grünes Laub um die Quelle und schattigen Schutz dort spendete.
Noch waren wir nicht auf halbem Weg, als wir das Grab von Brasilas sahen,
und da, von Musen gesegnet, trafen wir einen Wand’rer,
Lycidas war sein Name, ein Hirte aus Cydonia kam er.
Gekleidet in Felle, und auf seiner Schulter das Fell einer Ziege,
um die Brust fest gegürtet mit einem breiten Gürtel, so trat er,
hielt einen krummen Stab von wildem Olivenholz in der Rechten.
Lächelnd grüßte er mich und sprach mit einem zwinkernden Auge:
„Sag, Simichidas, was eilt dich so fort durch die glühende Mittagsstunde,
da schon die Eidechse schläft im Schatten der Hecke und stille
schweigen die munteren Lerchen und wagen sich nicht aus der Sonne?
Bist du auf Weg zu einem Mahl oder einem ländlichen Festschmaus,
dass du mit Hast den Weg entlang eilst und Steine nicht achtest?“
„Wohl, lieber Lycidas,“ sprach ich, „man sagt, du seist allen
Hirten und Schnittern weit überlegen im Singen auf der Flöte.
So sagt man, und wahrlich, ich freu’ mich, das Wort zu vernehmen;
denn, obgleich du so tüchtig bist, ich denke doch, mich mit dir zu messen.
Unser Ziel führt uns zu einem Ernteschmaus in der Nähe,
wo Freunde feiern und Gaben darbringen der Göttin Demeter,
die reichlich segnete diesmal die Scheunen und Felder mit Fülle.
Also, komm, ich bitt’ dich, folg uns und teile den Weg und die Stunden,
und lass uns, jeder dem andern, wohlklingende Weisen darbringen.
Denn auch ich bin, wie du, ein Gesangskünder der Musen,
und, so meint man, bin ich von allen hier einer der Besten.
Aber ich denke nicht, mein Gesang sei ganz ohne Mängel,
noch fürchte ich je Philitas und Sicelidas zu erreichen;
doch wie ein Frosch bin ich und freue mich über mein Liedchen.“
Sprach ich und lachte, da mir der Ziegenhirte ein Wort gab:
„Diese Flöte, nimm sie“, sprach er, „als Gabe von Zeus dem Gewalt’gen,
zum Zeichen, dass Wahrheit mir sei und keine trügerische Kunst sei.
Denn wie ich jene verachte, die bauen und prächtige Häuser
stellen, deren Pracht doch nicht die Gipfel des Berges erlanget,
so hasse ich auch die stolzen Sänger des Musentempels,
deren Krähen so kläglich gegen die Chian-Nachtigall klingt.
Doch genug – lass uns beginnen, Simichidas, Lieder zu tauschen.
Ich fange an, und du sagst mir, ob dir mein kleines Lied taugt.“
Was eilt, ihr Zicklein, so über die Wellen im Westwind,
wo Orion auf dem Meer sich neigt und seine Spur wandelt?
Eilig trägt die Reise zum heiligen Ufer von Mytilene,
wohin Aegeanax sich jetzt mit flammendem Herzen begeben.
Die Alkyonen – all’ der Vögel im wogenden Meere,
lieb sind sie mir, die grünen Töchter des Tiefensalzes –
halten sie still den Südwind und bremsen die wilden Nordstürme,
dass er ruhig über die Wellen sein Boot in Frieden hinlenke.
Möge es gelingen und sicher Mytilene erreichen,
glücklich geführt von Götterhand und geschützt durch die Winde!
Und an jenem Tag will ich singen und Kränze mir binden
aus süßem Anis, den Blüten der Schneeflocke und Rosen;
dort bei dem Herd will ich sitzen, mit Wein und Bohnen gebraten,
feiern das Glück des Aegeanax, trinken ihm Freude und Segen.“
Zwei Flötenspieler bringt man uns her aus den fernen Acharnae,
und sie spielen für uns, zu Ehren der Göttin Demeter.
Tityrus singt dazu von der Liebe des schönen Daphnis,
wie die Berge um ihn klagten, als er starb an dem Ufer
des Himeras, wo die Eichen der Trauer ein Lied ihm wehten.
Lycidas sang, und als sein Lied zu Ende gekommen,
sprach ich zu ihm: „Oh, lieber Lycidas, sieh nur die Weide,
dort auf den Hügeln, die meiner Herden weites Gefilde!
Auch mir, den Nymphen nah, ward mancher Lieder gelehrt,
manch gutes Lied, das Gerüchte getragen bis hoch zu Zeus’ Thron.
Doch von all diesen bleibt das Schönste und Wertvollste dieses,
das ich nun zu deinem Genuss, o Freund, hier singe.
Betet den Musen zu, wem Liebe gilt, wem ihr traute; (singt)
Die Muse liebt, und, ja, gewiss, auch liebt sie Simichidas,
der liebt Myrtos treue Ziegen mit Zärtlichkeit tief.
Doch wenn es ein Mädchen ihn lockt, so seufzt er Aratus,
Aristes, edler Mann, ja der Herr, des Ruhmes gekrönt,
und des Namens geachtet wie des Kithara-Schwungs an heiliger Stelle,
ihm weiht Aristes Melodie von einem reinen Geist.
O, bring den Jungen, Pan, du süßer Herr schöner Homole,
bringe den Jungen, sei es Philinus, so zärtlich ihm wert.
Zum süßen Pan – und nie, wenn Opfer zu klein, mag der Knaben
Prangender Wuchs dich verfluchen, schwarz und blau, sei dir gewiss;
doch wenn anderwärts das Schicksal dich ruft, und Nesseln dein Lager,
kratze mit Händen und Füßen dich wund, bis Ferse und Kopf schmerzen,
und du, bis zum Hebrus hin in deiner Winterruh' gepeinigt,
über des Thrakiens Höhen hin abziehst, fern dir das Glück,
solltest du selbst im Sommer, weit in Afrikas Mitte, weiden
Blemyas Felsen entlang, wo Frühlings Segen erblüht.
O kommet herbei, die ihr Äpfel liebt, errötend wie Sonnen,
komm zu der Quelle von Byblis, O meine Freude, Dion blond,
komm, o schöner Philinus, jag diesen törichten Knaben,
der, ach, missachtet den Freund! Doch in der Reife der Birne,
kommt ihr Mädchen und seufzt, „Deine Blüte, Kind, vergeht gar schnell!“
Doch nun blicken wir vorwärts und wenden den Blick von Aratus,
machen die Füße leicht und lassen den alten Hahn, der kräht
und seine Morgenstund der Kälte verkündet im Lied.
Geht, wir finden uns Ruhe, wenn alles vorbei, eine Alte
nehmen wir bei uns auf, die für uns spuckt und die Schlechtigkeit bannt.“
So weit mein Lied; da lachend gab Lycidas mir den Hirtenstab,
das Zeichen der Freundschaft, der Musen Pfand – und so zog er
links auf dem Pyxastraß’ davon; da wandten Eucritus,
Amyntas und ich uns zum Phrasidamus, bis wir dort an das grüne
Bett des frischen Weinlaubs kamen und uns niederließen.
Viele Espen, Ulmen rauschten dort über uns neigend,
quellende Wasser flossen empor und rauschten der Nymphen
heiliges Nass aus den Höhlen, und braune Grillen, die tanzten,
zirpten im schattigen Laub, und der Frosch sprach dumpf in den Dornen.
Lerche und Distelfink sangen, und über uns summten die Bienen,
zogen hinauf und nieder, der Sommerfülle verströmt
war der Duft der reifen Frucht, die ringsum lag in Hülle und Fülle,
Birnen zu unseren Füßen, Äpfel auf beiden Seiten,
Zwetschgen schwer an den Zweigen, die reich von Lasten gebeugt.
Indes brachen wir auf, vierjähriger Segen uns labend,
gossen vom Becher der Gläser mit Honig in tiefen Zügen,
O Castalische Nymphen, die ihr auf Parnassus weilt,
hab’t ihr je in Pholus’ Höhlen solch Becher gezaubert?
Polyphem selbst, dem Schäfer, der Herden an Anapus weidete,
ließ er solch köstlichen Trank, wie uns dieser Tag zuteil wurde,
nicht einmal der fromme Altar Demeters auf ihrer Tenne?
Oh, wie bete ich nur, dass einst, von Ernte beladen, ich wieder
dir den Fächer bring’, an deinem Häuflein zu stehn, zu ruhen,
lächelnd mit Garben und Mohn in Händen, segne die Flur.
IDYLLE VIII
Als an dem Tage der schöne Daphnis die Herden geleitete,
Hinaus auf die Hügel, traf er Menalcas, den Schäfer,
Welcher mit sanften Schafen, die Herden zu weiden sich mühte.
Beide hatten ein rötliches Haupt und wuchsen als Jünglinge prächtig,
Beide verstanden den Klang der Musik und das Singen der Lieder.
Nun sprach Menalcas zuerst und rief zu Daphnis hinüber:
„Sag, guter Daphnis, du Wächter der brüllenden Kühe,
Willst du mir singen ein Lied, in würdiger, edler Wettstreit?
Komm, lass hören, was du vermagst! Doch wisse, dass ich dir überlegen
Sein werde im Liede, wie sehr du dich mühst, es zu wagen.“
Daphnis antwortete drauf: „Du Schäfer der wolligen Herden,
Menalcas, nimmer sollst du mich schlagen im Singen der Lieder,
Selbst wenn du dich mühst, die Gabe liegt nicht in deiner Gewalt.“
Menalcas
„Wirst du den Einsatz nun bringen? Komm, lass uns den Lohn bestimmen.“
Daphnis
„Ja, gewiss, ich werde es tun und dir den Preis benennen.“
Menalcas
„Doch was soll uns der Einsatz sein? Was angemessen erscheint?“
Daphnis
„Ein Kalb soll’s sein, doch setze du das Mutterschaf daneben.“
Menalcas
„Ein Kalb kann ich nicht geben, mein Vater ist streng und meine Mutter.
Abends zählen sie stets die Köpfe der Herde genau.“
Daphnis
„Nun, so sei es! Doch was wird der Sieger empfangen?“
Menalcas
„Hier ist ein prächtiges Rohr, neun Stoppeln zieren das Ende,
Mit feinem weißen Wachs befestigt, an beiden Enden geschlossen.
Dieses lege ich ein, doch nichts, was dem Vater gehört.“
Daphnis
„Oh, wie passend! Ich habe ein gleiches Rohr hier in den Händen,
Neun Stoppeln auch, und mit Wachs, so fest und weiß, es glänzt oben.
Neu hab ich’s gefertigt, und schneid mir die Hand, als ich’s spaltete.“
Menalcas
„Doch wer wird uns richten? Wer wird entscheiden den Streit?“
Daphnis
„Dort drüben der Ziegenhirte, rufen wir ihn herüber,
Denn treu folgt ihm der Hund, stets wachsam bei seiner Herde.“
Und sie riefen laut, und der Ziegenhirte kam näher,
Sich niederlassend, lauschte er beider Lieder und Töne.
Menalcas:
Schau, guter Wolf, auf meine Ziegen, erspare mir Kümmer und Sorgen,
Lass sie bewahrt, mitsamt den Jungen, die Herde sei sicher!
Ist uns’re Herde nicht groß, der Flockmann jedoch, wie du siehst, klein?
Sollten wir’s alle verfehlen, die wir ihr Hüter uns nennen?
Weißschwanz, wach auf! Weshalb liegst du schlafend am Boden?
Gute Hunde erwachen, wenn Wölfe den Schafen sich nah’n!
Mutterschafe, habt keine Furcht, euch satt an den Weiden
Grün zu laben, wenn süßes, frisches Grün dort keimt,
Dann werdet ihr sicher satt, dass eure Euter sich füllen,
Speicher bereit für die Lämmer und Sahne uns geben.
Daphnis, der seinen Gesandten sandte, hob melodisch die Stimme
Und begann, süß singend, mit wohlklingendem Ton.
Daphnis;
Gestern, da sah ein langbrauiges Mädchen aus felsigem Schatten,
Lugend hervor, mir, dem Hirten, und rief: "Welch hübscher Jüngling!
Welch hübscher Jüngling du bist!" Doch dumm blieb ich, senkte mein Haupt nur,
Ging meines Wegs, gab keinen Spott ihr zurück.
Süß klingt das Lied, und süß ist der Duft, und Gott weiß, ich liebe
Kühe, die grasen im Feld, das von Bächen durchzogen plätschert.
Unter des Sommerhimmels süßer Umarmung, da ist es mir wohl,
Beere und Busch und Baum, Kalb und Kuh, dies ist mein Heiligtum,
Mit meiner Herde vereint.
So klangen die Lieder der beiden Hirten, der Ziegenhirt lobte:
Daphnis, wahrlich, deine Stimme ist zart wie der Honig,
Süß deinem Lied zu lauschen, es labt wie Balsam die Sinne.
Hier, nimm dies Rohr als Gabe; das Lied hat dies wahrlich verdient.
Wenn du mich lehren magst, dein Singen zu meistern,
So sollst du teil’n die Weide mit mir und der kleinen Ziege;
Und ich sage dir zu, ihr Eimer füllt sich für dich bis zum Rand."
Da wurde der Jüngling ganz übermannt, und voll Freude,
Tanzte und klatschte die Hände; wie Capriole ein Kitz, das
Jauchzend zur Mutter läuft, und des anderen Feuer erlosch.
Traurig stand er da, das Herz ihm vor Schmerz wie zerschmettert,
Wie einer, der weint um ein Mädchen, das ohne Wille genommen.
Von diesem Tag an stand Daphnis als erster im Range der Hirten,
Hoch war sein Ruhm, dass ihm bald man der Jungfrau Hand bot,
Naïs, die er besang, ein Mädchen mit sanftem Gemüte.
IDYLLE IX
Daphnis spricht:
Sing uns ein Lied, o Daphnis, ein Lied von der weiten Natur dort!
Du beginnst und Menalcas wird folgen, wenn du die Kühe und Kälber,
Bullen mit mageren Färsen freigelassen, auf Feldern weiden lässt.
Wie das Vieh sollt ihr wandern im Schatten der Blätter, gemeinsam,
Kommt her und singet für uns euer Lied hier auf dieser Seite,
Menalcas soll dabei richten und über dein Singen entscheiden.
Daphnis singt:
Süß ist der Ruf von dem Kalb, und süß ist der Ruf der gehörnten Kuh,
Süß ist der Klang, wenn die Hirtenflöte durch Lüfte ertönt.
Süße Gedanken umfassen mich da, im kühlen Bachbett,
Dicht umringt von den Färsen mit Haut so weiß wie der Marmor.
Doch ich verachte die sengende Hitze und die Bedrohung,
Die dem verliebten Jüngling sein Vater mit Strenge bereitet.
Menalcas singt:
Ätna, du Mutter von mir! Schutz bietet mir eine Grotte,
Ein kleiner Spalt in der Felswand, und Felle gebettet wie Träume,
Kopf und Fuß, von Ziegen und Schafen und wohl auch ein Eichenfeuer,
Womit ich die Winter wärme und Kastanien röste am Feuer,
Pudding kochend im Topf – und ich achte den eisigen Himmel
Kaum mehr als ein Zahnloser Nüsse verachtet, wenn Brei ihn erfreut.
Der Erzähler:
Da klatschte ich Beiden Beifall und gab ihnen je ein Geschenk:
Daphnis erhielt einen Stock, gewachsen auf Hofes Gelände,
Hoch und stark, ein schmucker Stab, doch kein Tischler wagte zu schnitzen;
Und Menalcas eine Muschel, die mir vom Ikarischen Felsen,
Frisch aus dem Wasser gefischt, fünf Mündungen trug sie am Rand,
Daraus blies er ein Lied, das laut durch die Lüfte erklang.
Gesang der Musen:
Seid gegrüßt, ihr guten Musen des Landes! Das Lied, das ich singe,
Soll mir nie auf der Zunge verharren, sondern als Lob euch erscheinen:
Grillen, sie lieben die Grillen, Ameisen die Ameisen gern,
Der Falke liebt seine Ferne, ich liebe das Lied der Musen!
Gesänge umgeben mein Haus, der Tag erscheint wie ein Traum,
Blumen und Bienen und Lieder sind süß wie der Morgentau.
Süße Lieder, die Musen sind’s, die uns im Reigen erfreuen,
Auch gegen Circes Zauberei ist die Musen Freude ein Schutz.
IDYLLE X
MILION
Landmann Bucaeus, was fehlt dir nun, guter Gesell? Sieh doch,
Weder dein Schneiden ist eben, noch triffst du den Takt deines Nachbarn.
Hinter der Herde hinkst du wie ein Mutterschaf lahm von dem Dornen,
Links drehend im Gang. Wie wird's erst sein, wenn der Mittag
Naht und der Tag sich neigt, und du keinen klaren Bissen
Schon früh in der Furche gekaut? Man wird dich verspotten.
BUCAEUS
Guter Meister früh und spät mit der Sichel, du Felsensplitter,
Guter Milon, hat's dich nie gelüstet, einer zu wollen, die fort ist?
MILION
Nie, bei meiner Treu! Was hab’ ich als Bauer zu wollen,
Wo kein Weg führt, dies zu erreichen?
BUCAEUS
Warst du denn nie von der Liebe geplagt, wachend des Nachts?
MILION
Ja, und Gott bewahre, dass es so bleibt! Es wäre ein Übel,
Lässt man den Hund einmal kosten am Brei, dass er bald wiederkehre.
BUCAEUS
Aber in Liebe verzehr’ ich mich, Milon, die besten zehn Tage!
MILION
Dann ist’s klar, du zapfst deinen Wein aus dem Faß,
Während ich nur Essig und Wasser mir schöpfe.
BUCAEUS
Und so ist’s, dass das Land vor meiner Türe seit der Saatzeit
Nicht das Eisen der Hacke gespürt hat.
MILION
Und wer ist’s, der dich so der Mädchen beraubt?
BUCAEUS
Polybotas’ Tochter, die war es, die neulich zur Ernte
Sich fand bei Hippocion, sang für die Schnitter ein Liedchen.
MILION
Ach Herr! Deine Sünde hat dich gefunden! Du wolltest,
Hofftest und hast nun gewonnen, wonach du verlangtest.
Eine Heuschrecke klammert die ganze Nacht sich an dich.
BUCAEUS
Du suchst nur den Fehler zu finden bei mir. Doch dort oben
Sind Blinde, die Amor täuschen, auch wenn sie den Beutel bewachen.
So bitte, rede nicht groß.
MILION
Ich rede nicht groß; sei zufrieden!
Geh und leg’ Hand an dein Feld, und sing’ ein Liedchen der Liebe
Deiner Liebsten. ’s wird deine Arbeit versüßen. Eh, wie ich weiß,
Bist du einmal ein Sänger gewesen.
BUCAEUS (singt)
Pierische Musen, kommt, helft mir das Mädchen besingen,
Dürrschlank und fein, mit dem Honigbraunen Teint einer Zigeunerin;
Dunkel die Blume, das Veilchen, dunkel die Lilie auch,
Aber für Blumensträuße wählt man sie doch zuerst.
Dame Ziege verfolgt das Kleekraut, der graue Wolf die Geiß,
Herr Storch verfolgt den Pflug, und ich – ach, bin rasend nach ihr!
Hätte ich, was Krösus besaß, wär’s alles mein Eigen!
Für die Liebe Opfer in feinstem Gold erbrächten wir Gaben.
Mit ihrem Rohr, einer Rose in Händen, die sie ergriffen,
Gekleidet fein, in neue Stiefel gehüllt bis zum Saum!
Bombyca, deine zierlichen Füße, Knochen wie Edelsteine,
Deine Stimme wie Mohn, doch deine Manieren, die herrschen gar über mich.
MILION
Gottlob, das war keine Lehrlingshand! Merke, wie klug
Er formte sein Lied! Welch ein Tor war ich, mir den Bart wachsen zu lassen!
Doch hör nun die Weise des göttlichen Lityerses:
(singt)
Demeter, Königin der Ernte, segne, o segne das Feld;
Dass unser Saatgut gedeihe, der Fleiß uns Gewinn bringe.
Fasst eure Garben fest, gute Binder, damit kein Wanderer sage,
„Diese Männer von Holunderholz, wertloser Lohn dahingeworfen.“
Zwischen Nord und West soll das Korn zur Seite gelegt sein;
Der Wind füllt die Ähre und macht sie schwer wie das Herz.
Für die Drescher, mein Junge, ist Mittagsruhe das Recht;
Denn Mittag ist Hochflut, wenn die Spreu sich löst vom Halm.
Doch die Schnitter sind wach mit der Lerche, ruhen mit ihr,
Um des heißen Tages Last zu ertragen im Feld.
Ach, Frosch wär’ ich gern, in der Ferne friedlich zu leben,
Keine Kanne bedarf er zum Trank, denn Wasser ist da.
Pfui, Herr Verwalter! Am besten Bohnen an anderem Tag;
Schneide deinen Koriander, sei sparsamer dann.
Das ist das Lied für die Arbeit im Glanze der Sonne;
Doch der Lieder, o Bucaeus, die wär’s für deine Mutter im Bett.
IDYLL XI
Polyphem singt über seine Liebe zur Nymphe Galatea
Heilt doch kein Balsam das Herz, Nikias, keine Salbe für Liebe,
Kein Gips lindert den Schmerz, nur Musen vermögen die Wunde.
Sanft wirkt jenes Arznei, die Linderung bringt von dem Kummer,
Süß ist sie wohl für die Welt, doch schwer zu finden das Mittel,
Das von Ärzten erkannt und von Neun heil'gen belov'den.
Dies doch gab meinem Volke Trost, dem Zyklopen, dem Alten,
Polyphem, als zum ersten die Bartstoppeln wuchsen am Kinn ihm
Und die Liebe zu Galatea entflammte sein Herz und Gedanken.
Nicht um Äpfel er bat und nicht um Rosen im Blühen,
Nicht um die Locken der Maid; ein wildes Sehnen erlebte
Er, von dem ihm die Brust schwer pochte und feurig die Stirne.
O Galatea, so weiß und rein wie Quark in der Molke,
Mutig, spielend wie Kälber und voller Unruh' wie Lämmer,
Rund und strahlend dein Leib wie purpurglänzende Trauben.
Warum, o Liebste, verschmähst du meinen so sehnsücht'gen Liebe?
Oft kommst du zu mir, wenn der süße Schlaf mich ereilet,
Schnell bist du fort, wenn erwacht mein Herz aus dem Schlummer.
An jenem Tag begann mein Sehnen, als du, meine Teure,
Mit der Mutter auf dem Felde die weißen Hirsche verfolgtest.
Dort, ich zeigte dir alles, seit jener Stunde dich lieb' ich,
Doch ach, meine Liebe, es scheint dir nichts zu bedeuten.
Weiß ich wohl, warum, mein holdes Mädchen, du scheust mich:
Meine Stirn reicht weit, und meine Braue schwingt sich wie Brücken
Über das eine Auge, die Nase erhebt sich wie Hügel.
Doch was soll's? Ich füttere tausend Schafe und mehr noch,
Käse hab ich genug, und Milch von bester Qualität.
Sommer oder Winter – die Regale sind stets gut gefüllet.
Flötenspieler gibt es viele, doch keiner flötet wie ich es,
Und für dich, mein süßes Apfel, singe ich oft ein Liebeslied
In der Nacht, wenn die Sterne glühen, und träum' nur von dir.
O komm, verlasse das Meer, das blaue, gewalt'ge Gewässer,
Eile zu mir, mein Lieb – hier wartet ein friedliches Lager.
Eine süße Nacht erwartet dich, in der kühlen Grotte,
Ringsum blühen Zypressen und süßer Efeu umrankt uns,
Kühle Wasser aus des Ätna Schnee für deine Erquickung,
Weiß und rein strömt das Nass, ein erquickender Himmelsquell.
Wer wollte Meer und Wellen gegen dies Liebesnest tauschen?
Doch wenn’s dir an Feuer mangelt, bei mir wird’s dir nie daran fehlen,
Ständig glüht es im Herd, auch für deine Wärme, mein Lieb.
Ach, könnte ich Flossen tragen und tauchen hinab zu den Tiefen,
Küssen, wenn nicht deine Lippen, so deine Hand und sie halten,
Mit rotem Mohn oder weißen Rosen dir Kränze zu flechten.
Komm, o Geliebte, vergiss die Pfade, die einst du gegangen,
Weide die Herden mit mir, und fülle die Eimer mit Milch.
Käse machst du mir süß, wenn du nur bleibst an meiner Seite;
Und Mutter – sie möge schimpfen, ich liebe sie dennoch darum.
O Cyclop, Cyclop, wohin willst du mit Gedanken entschwinden?
Schere das Gras für die Lämmer, verlass die wollenden Schafe.
Bald, wer weiß, wird Galatea sich zu dir wenden und lieben.
So sang Polyphem in der Welle sitzend und fand süßes Erbarmen,
Lindernden Trost, wie es kein Gold ihm gewähren vermöchte.
IDYLL XII
Bist du gekommen, mein Herz? Du, nach zwei Tagen und Nächten,
kamst du zurück, und doch kann Liebe uns grauenhaft drehen.
Frühling ist süßer als Winter und Äpfel besser als Zwetschgen;
mütterlich wölfelt das Schaf, das die Lämmer doch sanft noch umhüllt;
und Mädchen schenken uns mehr, als die vielfach Verheirateten wünschen;
flinker als Kälber springt das Reh auf der Wiese beim Tann,
und die Nachtigall singt klarer als jede geflügelte Sängerin.
So bin ich fröhlicher nun, da ich dich erblicke, mein Freund,
lauf dir entgegen wie Wandrer dem schattigen Baume entgegeneilt,
wenn die Sonne am Himmel brennt mit ihrem feurigen Strahl.
Es ist eine Kraft, die uns beide ins Liebeslied eint,
und wir singen und sprechen zu allen, die uns hiernach folgen mögen: –
Hier waren zwei Männer der Macht in uralten Tagen,
einer erhoben im edlen Amyklaeischen Laut,
der andre ein Redner, berühmt in thessalischem Kreise.
Jeder liebte den andern, die Liebe sprach für sich selbst:
O goldene Zeiten, als Männer die Freundschaft mit Wahrheit erfüllten,
und sie liebten einander als wahre Freunde im Bund!
O dass du, Vater Zeus, und die unvergänglichen Himmelsheere,
wenn hundert Hundertschaften von Jahren erst vergangen,
noch einer die Worte spräche am Acheron’s fernen Ufer,
dass unsere Liebe lebt in den Herzen der Jungen für ewig!
Lasst weder Götter noch Menschen des Himmels ihr Walten verlieren,
denn ihr ist das Königreich; wenn ich dein Lob nun besinge,
keine Bürde beschwert mir die Zunge, denn wenn du mich einst quälst,
heilst du die Wunden, und besser bin ich als zuvor, über Maßen.
Heil dir, o Meister des Ruders, Nisaens himmlischer Schirmherr,
du, der du einem attischen Fremdling Ehre gewährst,
wie Diokles, der mit Liebe seinen Jünglingen hold war;
über seinem Grab wird im Frühling stets das Küssen geübt,
und wer die süßeste Lippen im Spiel der Küsse gewinnet,
kehrt mit Girlanden behangen zurück zu den Müttern im Kreis.
Glücklich ist jener, der dieses Gericht als Kussrichter hält!
Gott weiß, er betet zu Ganymeds strahlendem Antlitz und fleht,
wie die Prüfsteine das Gold dem Wechseler klar und gewiss machen,
so möge er reines Gold finden und ohne Schlacke und Schein.
IDYLL XIII
Von dem, was göttlich entstammt, ward Nikias selbst von der Liebe,
Nicht nur uns Menschen allein in die Herzen geboren vom Höchsten,
Noch zum ersten nur wir, die vom sterblichen Fleische umhüllt sind,
Sind es, die Schönheit erkennen und lieben im Glanz ihrer Anmut.
Denn Amphitryons Sohn, der des mächtigen Löwen gezähmte,
Liebte einst auch einen Knaben mit lockigem, schimmerndem Haupte,
Hylas der holdeste Jüngling, und sah ihn als Sohn ihm zur Seite,
Lernte von ihm die Tugend und Weisheit, die Männer veredeln,
Brachte ihm Ruhm und Ehre und blieb ihm treu in den Zeiten,
Nicht bei der Mittagshitze, noch wenn Morgenröte erschien war
Mit ihrem Rosse-Gespann in den Himmel des Zeus zu gelangen,
Nicht wenn die Hühner des Morgens erwachten im rauchigen Hühnerstall.
Dies tat er, auf dass der Knabe vielleicht zur Männlichkeit reife,
Klarer Verstand ihm zum Ziel und Tugend als Führer diene.
Als nun der Held Jason, Aesons Sohn, mit den Besten der Recken,
Aus allen Städten gewählt, sich rüstete, fernhin zu fahren
Um das goldene Vlies zu holen aus fernen Gestaden,
Kam auch der große Herakles mit zu den Mauern von Iolkos,
An seiner Seite der Jüngling Hylas, und beide bestiegen
Das rasch voranschreitende Schiff, die edle Argo der Helden,
Die wie ein Adler das blaue Meer durchstürmt auf den Wogen,
Führt ihren Flug bis ans Ufer der fernen Phasis im Osten.
Und zur Zeit der Plejaden, zur sinkenden Frühlingsnacht da,
Wo das junge Lamm sich im hochgelegenen Weidegrund labet,
Brachen sie auf und segelten fort durch die Stürme des Südwinds,
Bis sie das Land von Propontis erreichten, das Breite des Meeres.
Dort, wo die Flur sich ausdehnt und durch die Ochsen des Cianer
Gepflügt wird, rasteten sie und machten das Lager bereit sich.
Wiesen am Strande erblickten sie da, mit reichlichem Grase
Und wuchsvoll umgeben von Binsen, die hoch empor sich erhoben.
Hylas, der goldlockige Jüngling, der ging zum Wasser zu holen,
Für seinen Herakles und den mutigen Telamon ebenfalls,
Denn stets speisten die beiden am gleichen Tische zusammen,
Trug in der Hand einen Krug aus Metall und schritt in die Ferne.
Bald fand er eine Quelle, verborgen im schattigen Tale,
Wo blühende Kräuter und saftiges Frauenhaar wuchsen,
Grüne und leuchtende, blaue Schwalbenwurz und frische Petersilie.
Inmitten der Welle da tanzten Nymphen, die Flussgeister göttlich,
Nymphen, die Land und Wasser beherrschen und ehrfürchtig scheinen,
Eunike die eine genannt und Malis und Nycheia mit Frühlingsblicken.
Kaum tauchte Hylas den Krug ins Wasser mit eilender Geste,
Da sahen ihn alle Nymphen und fassten ihn einmütig fester,
Denn die Liebe zum Jüngling, dem hellen Argiver, durchflutete alle.
Sank er ins schwarze Wasser hinab, wie ein funkelnder Sternstrahl,
Und die Genossen hörten den Ruf "Zieht an! Der Wind frischt auf neu!"
Doch die Nymphen nahmen den weinenden Jüngling zu ihren Knien
Und boten Trost ihm und Ruhe mit Worten sanfter Beruhigung.
Indes suchte Amphitryons Sohn, von Kummer gequält, ihn verzweifelt,
Rief dreimal seinen Namen aus voller Brust und mit Inbrunst,
Doch der Knabe antwortete fern, wie aus weiter Entfernung,
Rufend in dünnem Laut, von tiefem Wasser gedämpft ward.
Gleich einem Löwen, der jagt im Gebirge ein schreiendes Rehkind,
Schnell aus der Höhle hervor, um die Beute sich hungrig zu holen,
So durchstreifte Herakles wild die waldigen Abhänge, brüllend,
Getrieben von Sehnsucht und Liebe, durch Wälder und einsame Täler.
Kein Pfad hielt den Liebenden auf, und Jason und alle die Helden
Warteten nächtlich dort auf ihn am Rande des Meeres,
Doch Herakles suchte und irrte, von rastloser Wut nur getrieben.
So fand Hylas sein Ende im Wasser, das göttliche Kind ward
Zu den Seligen nun gezählt; und die Helden verfluchten Herakles,
Denn er hatte den Mut verlassen, und führte das Schiff nicht mehr weiter.
Doch trotz allem gelangte er doch an die finsteren Küsten.
IDYLL XIV
AESCHINAS
Ein gar trefflicher Tag, Thyonichus heut zu bezwingen.
THYONICHUS
Gilt es dieselbe Aeschinas?
AESCHINAS
Gut erfasst, mein Freund!
THYONICHUS
Nun ist's also so; doch was fehlt dir denn?
AESCHINAS
Das Glück, so scheint’s, das ist wahrlich nicht meine Art, Thyonichus.
THYONICHUS
Ach, nun versteh ich’s! Darum bist du so mager und struppig,
Das Haar um deinen Lippen so strähnig, die Liebeslocken
Gar arg verschmutzt. Du bist gleich einem Pythagoreer,
Der neulich kam, so blass und barfuß, dass man ihn feierte, von Athen, wie er sprach.
AESCHINAS
War er auch verliebt, jener Mann?
THYONICHUS
Ja, der war’s – nur in einen Teller voll Brei.
AESCHINAS
Stets am Spott, guter Junge! Doch ich mein’s ernst, 'tis die schöne Kyniska,
Die spielt die Schöne und Launische, fast treibt sie mich in den Wahnsinn.
THYONICHUS
Da magst du recht haben, Aeschinas! Doch sag, was ist’s?
AESCHINAS
In Argos war ich mit Agis dem Jockey und Cleunikos,
Ein Mann der Arme. Gemeinsam feierten wir bei mir daheim,
Und ich schlachtete Hühner und Spanferkel, bereitete Wein,
Voll aromatisch und edel, vier Jahr’ gereift,
Der feinste Tropfen, und dazu Herzmuscheln und Tintenfisch.
Heiter verging der Abend.
THYONICHUS
Heiraten wollt' er schon - und das um eine Schüssel voll Brei nur.
AESCHINAS
Spaß nur machst du, mein Junge, doch mir geht's um Kyniska, die Schönheit,
Spielt wie ein junges Fohlen und treibt mich fast in den Wahnsinn.
THYONICHUS
„Ach, glaub mir, mein guter Aeschinas, alles bei dir scheint feurig,
Mehr, als ein Mann wohl braucht; doch sag schon, was soll das bedeuten?“
AESCHINAS
In Argos war ich, und dort mit dem Agis, dem Jockey von Thessalien,
Und Cleunicus, dem starken Mann, wir tranken am Hofe,
Zwei Hennen schlachtete ich und dazu ein zartes Spanferkel,
Bibliner-Wein kam dazu, vier Jahre im Fasse gereift schon,
Duftend und süß, dass er schmeckt wie neu, kaum abgelagert.
Auch lag dort ein Tintenfisch und Muscheln auf blankem Geschirr, ja,
War doch ein herrliches Mahl und ausgelassene Runde.
AESCHINAS
Auf zur Sache gingen wir dann, und als die Gespräche sich hitzten,
Sprach ein jeder von seiner liebsten Träumerei. Doch ein Mädchen,
Machte mir dies' Spaß zu nichte, indem sie sich einfach nicht hielt dran,
Fragt‘ einer, halb im Scherz, ob nicht ein Wolf sie gebissen?
Oh, da schrie sie auf und errötete glühend vor Scham –
So als hätt' man ein Licht an ihrem Gesicht angezündet!
Ein Wolf ist, wie du siehst, doch ein wildes Tier, so sagten die Leute,
Und darum mag sie wohl kaum ein Auge mehr lassen auf einen Mann,
Und so brennt sie in heißem Verlangen nach jener Leidenschaft.
AESCHINAS
So saßen wir, uns belustigend vier, und schon aus Larissa
Kam ein Bursch’ mit einem der schneidigen Lieder vom Wolfsgesang.
Da fiel sie in Tränen und heulte wie ein fünfjähriges Kindchen.
Weißt, Thyonichus, mich hat es ergriffen, und drauf ich ihr eine
Sanfte Ohrfeige gab, doch blieb es nicht bei der einen.
Da hob sie die Röcke und rannte wie der Wind aus dem Zimmer.
„Bin ich nicht gut genug, meine Süße?“ rief ich, und lachte:
„Hast du dir was Besseres gewünscht? Geh, suche dein Glück doch,
Oder such dir im Hain einen Apfelbaum, willst du mehr noch?“
Ein Stück lief sie schon und rannte zur Tür, die Arme zum Himmel.
Rasch war das Ganze vorbei, wie ein Schwalbenflug in der Lüfte.
AESCHINAS
Wie es sei, du weißt ja, 's ist jetzt der elfte im Monat;
Zwei Monate kaum, und was ich tat, das scheint mir vergessen.
Fürwahr, wenn ich ihr nicht wär, sie wäre mir einerlei, doch -
Wie könnte ich’s, ach, ich bin ein Opfer der Liebe, mein Freund.
IDYLLE XV
GORGO (mit ihrer Zofe Etychis an der Tür, als die Magd Eunoa öffnet sie)
Ist Praxinoa daheim?
PRAXINOA (läuft vorwärts)
Endlich, Gorgo, Geliebte! Ich dachte, du habest mich ganz wohl vergessen.
Eunoa, bring einen Stuhl für die Dame und lege ein Kissen bereit!
GORGO (lehnt das Kissen ab)
Ach nein, das ist gut, danke!
PRAXINOA
Setz dich nieder, ganz frei.
GORGO (setzt sich)
Ach, wie dumm ich doch war, in diesem Gewühl herzukommen!
Alles ist hier ein Gedränge von Pferden und Menschen in Stiefeln.
Kaum, dass lebend ich hier an dein Haus doch gelangt bin, Praxinoa!
Ohne Ende die Straße! Und glaub mir, so weit wie kein andres!
PRAXINOA
Alles mein Fehler, so scheint’s! Am Ende der Welt musst’ ich wohnen,
weit von dir weg, in ’nem Ort, wo kein Mensch willig verweilen.
Ach, mein Mann hat’s gemacht, aus reinem Verdruss uns zu trennen,
aus Eifersucht, der alte, verdammte Filou, wie er’s immer.
GORGO
Schweig nur still, Praxinoa, der kleine Zopyrion hört dich.
Schon sieht er dich an mit dem ernsten, fragenden Blicke.
Hab keine Angst, mein Herzchen! Es ist nicht Papa, den sie schilt!
PRAXINOA
Glaub mir, er hat’s wohl vernommen und alles verstanden.
GORGO
Papa ist ein Lieber, nicht wahr?
PRAXINOA
Doch neulich, was tat dieser Vater? –
Sagte ich: Kauf mir Seife und Rouge in der Stadt, und er brachte,
stell dir vor, nur ein Paket von Salz mit heim, dieser Tollkopf!
GORGO
O, meiner ist genauso! Diocleidas verschwendet.
Sieben Schilling gab er aus für Zotteln und abgerissene Lappen,
Hundehaar in Stücken, für fünf Stücke nur alten Schmutzes!
Aber komm, liebe Freundin, zieh Mantel und Kleid, und sei fertig,
dass wir uns aufmachen, um Ptolemäus’ Prunk zu betrachten,
seine hohen Paläste und auch den Adonis im Tempel.
Man sagt, die Königin selbst habe es herrlich geschmückt.
PRAXINOA (zögernd)
Feine Gesellschaft, Gorgo – und edle Manieren!
GORGO
Nun ja, aber du weißt, man hört auch viel gutes Gerede,
wenn man gewesen ist, wo die anderen Leute noch träumen!
Komm, es wird Zeit, dass wir losgehn.
PRAXINOA (noch zögernd)
Die Leut’, die nichts weiter zu tun haben, immer auf Feiertag gehen!
Eunoa, nun mach dich bereit und räum die Spinnweben weg da!
Katzen liegen nur faul – komm, rühr dich! Und hol etwas Wasser!
(An Gorgo)
Wasser will ich zuerst, und was bringt sie? Die Seife.
Na gut, gib her – doch halt! Nicht alles, du kleine Verschwenderin!
Gieß mir nur Wasser, nicht triefen! Ach, du machst mir das Mieder auch nass!
So, Gott sei Dank, ich bin sauber, so gut’s eben geht. Nun zum Schluss noch:
Wo ist der Schlüssel des Schranks? Bring mir den feinen Gewandrock.
GORGO (bezüglich des Gewandes)
Praxinoa, wie fein steht dir diese prächtige Falte!
Sag mir, was hast du bezahlt?
PRAXINOA
Frag lieber nicht, Gorgo, wirklich!
Acht Golddinar hab ich hingelegt, ach, eine Seele war drin.
GORGO
Nun, es ist wunderbar schön, ich muss es dir lassen, so wahrlich.
PRAXINOA
Gut, Gorgo, ja, ich stimme dir zu. – Eunoa, bring mir den Mantel!
Aber gib acht, dass du’s recht machst!
(An das Kind)
Nein, Zopyrion, nein, du bleibst daheim.
Schau, draußen sind böse Pferde, die kleine Jungen verschlingen!
Wein, wie du willst – ich werd’s nicht zulassen, dass du verkrüppelt wirst!
(An Gorgo)
Nun gut, ich lass ihn der Schwester. Nimm ihn, Phrygia, lenk ihn ab dort,
und dann sperr den Hund ein, verriegle die Türe mit Sorgfalt.
GORGO
Gut so, Praxinoa, schau nur, wir haben sie nun hinter uns,
Stehen wir sicher und wohl; sie alle sind nun dort, wo sie sollten.
PRAXINOA (gewinnend)
Endlich, ich spüre auch selbst ein wenig Gelassenheit kehren.
Seit ich klein war, erregten zwei Dinge immer mein Schrecken:
Zischende Schlangen und Pferde, die plötzlich wild sich bewegten.
Komm, lass uns gehen! Schau, wie die Massen uns drängen und schieben.
GORGO (zu einer alten Frau)
Kamst du vom Palast, liebe Mutter?
ALTE FRAU
Ja, meine Töchter.
GORGO
Nun, dann werden wir sicher bald alles wohl überblicken, nicht wahr?
ALTE FRAU
Troy, mein Herzchen, brauchte Geduld. Doch sag' ich dir, wo ein Wille,
Findet sich immer ein Weg.
GORGO
Die alte Frau gab uns Prophetenworte, meinst du nicht auch?
PRAXINOA (scheinbar weise)
Ach, Frauen wissen stets alles, o meine Teuerste, glaub' mir:
Alles, was über den Göttervater Zeus und Hera gedacht wird.
GORGO
Schau nur, Praxinoa, welch eine Menge dort an der Pforte!
Großartig, oder nicht wahr?
PRAXINOA
Reich mir den Arm, Gorgo; und halte fest Eutychis, Eunoa;
Und Eutychis, bleib bei uns, geh uns ja nicht verloren.
Lasst uns zusammen hineingehen, alle fest vereint.
Ach, Eunoa, halt' mich gut fest! Oh je, oh je, Gorgo,
Mein Umhang zerreißt, er teilt sich in zwei! – (zu einem Fremden)
Euer Gnaden, helft, dass ihr nicht meinen Mantel zerreißt!
ERSTER FREMDER
Ich will tun, was ich kann, doch es liegt kaum in meiner Gewalt.
PRAXINOA
Welch ein Gedränge, oh Gott, wie Schweine drängen sie alle!
ERSTER FREMDER
Seid unbesorgt, gnädige Frau, wir finden wohl alle hinein.
PRAXINOA
Euer Wort ist freundlich, Herr, so sollet ihr reichlich belohnt sein.
(zu Gorgo) Welch ein umsichtiger Mann! Doch Eunoa wird gequetscht,
(zurück zu Eunoa) Schiebe, sei mutig, mein Kind! (sie treten ein)
Gut so, wir alle sind drin, wie der Bräutigam sagte beim Schließen.
GORGO (nach vorne zum Podium blickend)
Komm, Praxinoa, schau dir zuerst die herrlichen Stickereien an.
Zart sind sie gewoben, voll edler Kunstfertigkeit,
Kaum zu glauben, dass Menschen solches vollbringen, nicht wahr?
PRAXINOA
Schau, Athena selbst scheint hier gewirkt zu haben!
Diese Weber und Sticker, die solch ein Kunstwerk erschufen –
Kaum ist’s zu glauben, wie lebendig die Szenen sich heben,
Bewegen sich alle, als wären sie selbst voller Leben!
Seh, den heiligen Knaben, auf silberner Ruhstatt gebettet,
Wie schön er wirkt, kaum mit zartem Flaum auf den Wangen,
Ach, dreifach geliebter Adonis, selbst dort unten verehrt!
ZWEITER FREMDER
Oh je, oh je, meine Damen! Hört doch auf mit dem Gurren,
(einige Zuhörer kichernd) es ermüdet uns alle zu Tode.
PRAXINOA
Mein lieber Herr, wer seid ihr, dass ihr uns befehlen wollt?
Kauft euch erst Sklaven, bevor ihr Befehle verteilt!
Wir sind syrakusische Frauen von korinthischer Herkunft,
Peloponnesier also, und dürfen dorisch wohl sprechen,
Selbstverständlich, denn freie Menschen stehen bei sich.
GORGO
Sei still, Praxinoa, gleich hören wir den Gesang.
Die Tochter aus Argos, die auserwählte Sängerin,
Jene vollendete Stimme, sie wird das Klagelied singen.
Die Klage
Liebende Golgis und Idalys, ihr Hänge von Eryx,
O Lady Aphrodite, die wie Gold strahlend erscheint,
Zwölf Monde gingen vorbei, auf leisen Sohlen eilte der Himmel,
Bringt über die Ströme Adonis zu dir, sanft hin.
Die Jahreszeiten, die Jahreszeiten, voll, doch langsam sie wandern,
Bringen stets eine Gabe für die, die sie heimwärts empfängt.
O Cypris, des Donners Tochter, du lässt uns den Zwölften,
Unsere Königin, die von einer Frau geboren, unsterblich ward.
Und nun, süße Dame der vielen Namen und Heiligtümer,
Die du Lohn gibst, für die Königin, als helen’sche Zier.
Dein Sohn wird geziert in Festfreud und Freude des Tags,
Denn keine Frucht ist im Garten, die greift zu schauender Hand,
Sondern Kresse geschnitten in Schalen aus Silber bereitet,
Balsam syrisch in goldenen Krügen für ihn; und ja,
Kuchen von duftender Blüte und Ölen, selten wie Honig,
Dort siehst du sie, schimmernd von Handwerk, das kunstvoll sie schuf.
Zwei Betten, mit Dill und Blumen behangen in grünen Blättern,
Darauf die Liebe-Knaben, wie Nachtigallen, im Flug
Von Ast zu Ast eilen, zart ihre Flügel sich breiten.
Wie schimmern das Ebenholz, Gold und das Elfenbein weiß!
Und über ihnen zwei Adler von Zeus’ hohem Befehl!
Ja, und ihr Lager sie breiten aus, sanfter als Schlaf,
Dass Miletos Stadt wohl sagen kann, oder des Schäfers Lied:
„Ich selbst das Brautbett schuf, Adonis’ Brautbett ist dies.
Cypris hat’s ihm zur Ruh’ und dem Herrlichen es bereit.“
Achtzehn oder neunzehn Jahre alt ist der rosenhüftige Bräutigam,
Sein Mund, frisch und sanft, trägt Blüte wie Flachs, zart und fein.
Nun liegt er in Armen der Gattin, so lasst uns „Gute Nacht“ sagen,
Doch morgen, mit Tau, kehren wir wieder zurück zu ihm.
Wo plätschernd die Welle die Ufer benetzt, wird man ihn tragen,
Und dort, in der Blütenpracht, wird dieser Hymnus erschallen:
„O süßer Adonis, von allen, nur du, einzig im Reich
Dorthin und zurück gehend, zur Oberwelt wie zur Unterwelt.
Das kann nicht Agamemnon, noch Herrscher, tief in der Milz,
Noch die ersten zwei mal zehn, die der Trojanerin kamen,
Nicht der mutige Patroklos, noch Pyrrhus, der Krieger von Sieg,
Noch Lapiths alter Sippe, noch Deucalions edles Geschlecht –
Selbst Pelops Linie fehlt ein Schicksal so gnädig und sanft,
Adonis süß, Adonis lieb, hab Gnade ein weiteres Jahr,
Wir heißen dich willkommen und klagen heut und im nächsten Jahr.“
GORGO
„O Praxinoa, welche klugen Gedanken wir Frauen doch haben!
All das Wissen und dann diese herrliche Stimme dazu!
Aber ich muss nun eilen. Diocleidas wird Tischzeit begehren,
Und er ist alles Pfeffer; dem rat’ ich, nicht in die Nähe zu gehen,
Wenn er hungrig auf Mahlzeiten wartet. Leb’ wohl, o süßer Adonis,
Und hoffentlich siehst du uns blühend, wenn du zurückkehrst nächstes Jahr!“
IDYLLE XVI
Die Pflege der Dichter und Töchter des Zeus ist stets darauf gerichtet,
Die unsterblichen Götter im Ruhm zu mehren und schützen,
Sowie die Werke der Männer, die Großes vollbracht, zu erheben.
Doch Götter sind Musen, und Musen besingen nur Götter,
Während wir Menschen, wir singen von Menschen, so ist es geordnet.
Wer nun von all denen, die wohnen, wo Morgenrot scheinet,
Öffnet die Tür, um die holden Grazien freudig zu grüßen,
Und lässt sie nicht leer zurückkehren, finster in Miene,
Zurück mit gerunzelter Stirn und barfuß, verärgert im Heimweg,
Schmach ihm bringend, als hätte er töricht die Botinnen entsandt?
Wer in der Welt, sag mir, wird sie aufnehmen heiter,
Wer wird ein Mann sein, der Liebes den Lieben gebietet?
Heut ist die Ehre erloschen, die einst man in Taten erhob,
Gold herrscht, und das Herz ist von Habgier gezeichnet und stumpf.
Jeder schaut auf die Hände, auf Silber, das blinkt in den Taschen,
Niemand gibt freiwillig ab auch nur den kleinsten Rest Rostes,
Ruft schnell „Nächstenliebe beginnt im eigenen Haus“.
„Was kommt herfür für mich? Warum sollt’ ich anders bedenken?“
‘Tis der Götter Ruhm, die Poeten zu ehren. Wer hörte noch Worte?
Homer gilt für alle genug; kein anderer rühre mein Herz,
Denn ihm nur gebe ich Rang als Dichter, doch wenig empfängt er.
Ach, Toren sie alle! Was bringt all das Gold dir als Schatz?
Weise Genuss heißt nicht, den Reichtum bloß zu erlangen,
Sondern erst für die Seele, dann Gutes zu tun dem Dichter.
Zuerst sich selbst zu heben, dem Nahen ein Wohltäter sein,
Den Göttern Opfer zu bringen und reichlich sie flehend verehren,
Freundlich die Gäste entlassen, die festlich am Tische verweilten.
Und dann, ehren der Dichter, der Musen Dolmetscher heiligen,
Dass so mancherlei Lob und Preis ihm spreche, noch weit nach dem Tode.
Denn wie ein armer Sohn klagt seine leeren Armut,
Stöhnt er noch namenlos dort in Acherons schattigem Dunkel,
Ohne dass süßes Lied ihn preist und zur Nachwelt erhebt.
Diener waren viele beim reichem Haus des Antiochos,
Bei Aleuas’ Königssitz, die Kälber in Byres Gehegen
Und zahllos die Herden, bewacht auf Crannons Ebenen Landen,
Doch als der Wein des Lebens sich goss in die Kanne des Todes,
Waren Freuden und Reichtum nicht mehr der Ihren; sie blieben
Vergessen im Grab, lang vergangen, mit keinem, der Lieder
Ihre Ruhmestaten und Siege erhob für spätere Zeiten.
IDYLL XVII
Beginnen wir mit Zeus, den Musen zu singen, und lasst uns
Enden auch mit ihm, dem größten der ewigen Götter,
Erhaben und stark in unser Lied eingewebt; doch zuerst sei
Ptolemäus' Name gepriesen, Mitte und Schluss für mich sei's,
Denn er ist unter den Männern auserkoren und herrlich.
Helden von einst und die Halbgötter haben weise Sänger
Besungen in Taten und Ruhm, die sie einst in Glanz vollbracht,
Und ebenso hoch geschickte Erzähler ihn nun auch preisen,
Ptolemäus den Großen, mit Hymnen ihn zu erhöhen,
Denn Göttern wohlgefällig ist Hymnen' Preis und Lobpreis.
Wie wenn nun der Holzfäller auf Idas waldige Höhen
Wandelt und schaut, wo die Arbeit beginnen soll, all das Viele
Vor sich sieht, das noch zu tun ihn ruft, so steh ich inmitten
Zehntausender Wege, die Gottheit und Ruhm zu besingen,
Die größten Taten des Königs und seiner berühmten Werke.
Einst aus königlichem Blute kam Ptolemäus der Erste,
Lagid genannt, zu den Taten, die mächtig ihn machten und ehren.
In seinem Geiste reifte der Plan, wie keiner zu denken
Wagend wie er, und ihm erwies die Ehre der Vater,
Schenkte das Heiligste ihm und baute ihm Tempel aus Gold,
Setzte ihn neben Zeus und gab ihm den herrlichen Glanz.
Auf einer Seite sitzt Alexander, der große Bezwinger
Persiens, sein Haupt geschmückt mit dem glänzenden Band, das ihm Ehre
Gab; gegenüber Herakles, der Bezwinger der Kentauren,
Teil der himmlischen Schar, frohlockend im Gnadengeschenk
Zeusens, dass die Enkel seiner Kinder jetzt ruhmreich wachsen
Und dass sein Name in allen Unsterblichen fest verankert.
Denn jedem König war Herakles als Stammvater bestimmt,
Seine Nachfahren ein edles Geschlecht, der mächtigste aller.
Oft, wenn Herakles den duftenden Nektar getrunken,
Tritt er vom Tisch und gibt seinen Bogen dem einen Gefährten,
Hängt seinen eisernen Knüppel dem anderen um, ihm zu folgen,
Der bärtige Zeus-Sohn geht zur Kammer der Hebe, die lieblich.
So hell war seine Mutter, die tapfere Berenike,
Eine Zier für alle Frauen und Segen für ihre Kinder.
Aber nicht ist es sein Reichtum, der die Sänger der Musen
preisen macht Ptolemäus mit rühmenden Liedern und Ehren;
sondern vielmehr, was an Gutem und Wohltat er seinen Mitmenschen
gab und gibt; denn was ist schöner für einen mächtigen Mann wohl,
als sich in Tugend den ehrvollen Ruhm zu verdienen bei allen?
Dies ist’s, was ferner noch den Atriden Ruhm einbringt,
gleich wie den größten Besitz auch, der Priamos Schätzen noch glich,
hielt in Verborg’nem verborgen, wo Nebel und Dunkel es decken,
wo keine Wiederkehr winkt und kein Sonnenstrahl sie erreichen kann.
Doch wie die Alten vollbrachte auch dieser Held gute Werke,
nicht nur Ruhm im Staube des Gehens von jenen zu finden,
deren Fußspuren noch warm in der Asche der Zeiten verblieben.
Tempel erbaut’ er duftend von Weihrauch, den Eltern zur Ehre,
stellte darin ihre Gestalten in Gold und Elfenbein, prächtig,
schön und erhaben, zum Trost allen lebenden Menschen der Erde.
Viele Schenkel der wohlgenährten Ochsen verbrannt auf den Altären,
monatlich Opfer in Flammen dargebracht er und mit ihm die edle,
sanfte Gemahlin, die besser ihn liebt als jede zuvor tat;
liebt ihn im Herzen mit wahrer, brüderlicher Liebe und Treue.
So war es auch im Himmel, die heilige Ehe der Rhea
gab es dem Herrscher des Olymps, des ewigen Gatten des Himmels,
so lag Myrrhe duftend, die jungfräuliche Iris ausbreitend,
eine Couch für den ruhenden Zeus und Hera im Traume.
Und nun Lebewohl, du edler Ptolemäus, ich will dich,
wie die Halbgötter dich ehren, die Lieder des Ruhmes dir singen,
und ich hoffe, mein Wort wird im Echo der Nachwelt nicht sterben.
Denn wahrlich, die Exzellenz schenkt uns niemand als Zeus nur allein.
IDYLLE XVIII
Einst im Palast, wo Menelaos, der Flachshaarige, herrschte,
Sparta in festlichem Glanz, dort kamen die Mädchen der Stadt,
Zwölf in der Zahl und jung, die blühenden Töchter Lakoniens,
Kranz auf Kranz mit frischen Blüten von lichtem Glanz bekränzt.
Freudig zogen sie ein in die frisch bemalte Kammer,
Brachten den Tanz, den fröhlichen, vor das neu geschmückte Gemach.
Und als der jüngere Sohn von Atreus das Hochzeitstor schloss
Mit den Mädchen, die seine Werbung um Helenens Lächeln entbrannt,
Spielten sie singend und tanzend, die Füße im Takt der Musik,
Bis der Palast widerhallte vom Lied der freudigen Hochzeit.
„Bräutigam! Lieber Bräutigam! Warum schon im Bette so bald?
Bist du ein müder Mann, oder ist dir das Kissen zu süß?
Hast du vielleicht zu tief in den Kelch geschaut, bevor du dich niederlegst?
Wenn du den Schlaf so liebst, wär's besser allein zu ruhen!
Lass eine Magd bei den Mägden, die eine Mutter in Liebe versorgt,
Bis in das Morgengrauen, bis der Tag sich sanft entfaltet.
Denn ab morgen, o Held, für immer, für alle kommenden Jahre,
Wird dir die süße Braut gehören, zur Freude bereit.“
„Kamst du aus fernen Ländern, hierher um die Gunst zu ersuchen,
Hat wohl ein guter Stern, ein segnender Geist dir den Segen gewährt;
Denn unter all den Herren bist du allein, den Göttern nah,
Ja, unter der Decke mit dir liegt Zeus’ liebliche Tochter,
Eine Dame, die keiner sehen kann, wo griechische Frauen schreiten.
Und wenn sie Mutter wird, wird ihr Kind ein Wunder der Gnade sein;
Für dich, o Held, dem der Lauf des Schicksals günstig gesinnt ist,
Die Jungfrau, stolz und schön, ist deine Braut, im Strahl des Ruhms.
O Nacht, Herrin der Dunkelheit, das Gesicht von Helene erleuchtet,
Wie der weiße Frühlingstag, wenn der Winter vergangen ist;
So scheint golden und klar die schöne Helena, blühend und stolz.
Und die Blumen, die in reicher Erde gedeihen, schmücken das Land,
Wie die Zypresse im Garten sich stolz erhebt, wie der Hengst von Thessalien strahlt.
Doch unter allen erstrahlt sie, wie Rosen glühend und zart.
Niemand, der an der Spindel webt, spinnt so feinen und ebenen Faden,
Auch am Webstuhl erschafft keiner das Muster, das so rein und klar ist,
Noch gibt es jemanden, der in Kunst die Göttinnen im Himmel überragt,
Wie das Mädchen, das Freude und Liebe in ihrem hellen Blick trägt.
O Braut, voll Anmut und Schönheit, du bist nun die Hausfrau,
Wir, deine Freundinnen, aber werden in den Wiesen, wo Blumen blühen,
Girlanden flechten, süß und fein, um die Stirn dir zu zieren,
Wie Lämmer zur Brust der Mutter dürsten wir nach dir, o Helena.
Für dich, geliebte, krönen wir einen Ast des dreiblättrigen Klees,
Hängen ihn hoch an den schattigen Baum der Platane,
Lassen aus einer silbernen Phiole das duftende Öl rinnen,
Eine dorische Inschrift wird tief in die Rinde geschnitzt sein:
„Ich bin Helena; verehre mich hier.“
Und der Bräutigam nimmt Abschied, der Sohn eines mächtigen Vaters,
Leto, die edle Mutter, soll viele Kinder ihm schenken,
Cypris, die heilige Göttin, gewähre ihm Liebe und Glück,
Zeus, der hohe, möge dem Elternpaar Segen bescheren,
Dass ihr Kind in Ehren und Ruhm das Geschlecht einst fortführt,
Für immer, auf alle Zeit. Ruhe und Schlaf mögen die Brust ihm umfassen,
Schlaf jetzt, doch wenn der Tag anbricht, vergiss nicht, den Schlummer zu wecken;
Denn wir werden gemeinsam, wenn der Meister des Morgengesangs sich erhebt,
Mit dem ersten Hahnenschrei deine Freude erneuern.
Singen „Hey“ für die Hochzeit, „Ho“ für die Freude, und danken dem Gott!