KOMMENTAR ZU DANIEL 13
VON TORSTEN SCHWANKE
BIBELTEXT:
Es war ein Mann in Babylon mit dem Namen Jojakim,
Und er nahm eine Frau namens Susanne, die Tochter Hilkijas, eine sehr schöne Frau und eine, die den Herrn fürchtete.
Ihre Eltern waren gerecht und hatten gelehrt ihre Tochter nach dem Gesetz des Mose.
Joakim war sehr reich und hatte einen großen Garten neben seinem Haus, und die Juden verwendeten ihn, um zu ihm zu kommen, weil er von allen geehrt war.
In diesem Jahr wurden zwei Älteste aus dem Volk zu Richtern ernannt. Über sie hatte der Herr gesagt: Bosheit kam aus Babylon, von den Ältesten, den Richtern, die angeblich das Volk regieren wollten.
Diese Männer waren häufig in Joakims Haus und alle, die Fragen an das Gesetz hatten, mussten zu ihnen kommen.
Als die Leute sie mittags verlassen, ging Susanne in ihres Mannes Garten.
Die beiden Ältesten benutzten das, um sie jeden Tag zu sehen, wie sie umher ging, und sie fingen an, sie zu begehren.
Und sie wurden verrückt in ihren Köpfen und wandten ihre Augen ab vom Himmel und dachten nicht an das gerechte Gericht.
Beide wurden von Leidenschaft zu ihr überwältigt, aber sie haben einander nicht erzählt von ihrer Not,
Denn sie schämten sich, ihre lustvollen Wünsche, sie zu besitzen, offen zu legen.
Und sie suchten eifrig, Tag für Tag, sie zu sehen.
Sie sagten zueinander: Lass uns nach Hause gehen, denn es Essenszeit.
Und als sie gingen, trennten sie sich voneinander. Aber sie wandten sich wieder um und trafen sich wieder, und als jeder den anderen nach dem Grund gefragt, gestanden sie einander ihre Lust. Und dann arrangierten sie gemeinsam eine Zeit, da sie sie allein finden könnten.
Einmal, während sie auf einen günstigen Tag warteten, ging sie nach wie vor mit nur zwei Dienstmädchen und wollte im Garten baden, denn es war sehr heiß.
Und es war niemand da außer den beiden Ältesten, die sich versteckt hatten und sie beobachteten.
Sie sagte zu ihren Dienstmädchen: Bringt mir Öl und Salben, und schließt die Gartentür, so dass ich baden kann.
Sie taten, was sie sagte, schlossen die Gartentür und gingen durch die Seitentür hinaus, wie sie befohlen hatte, und sie sah nicht die Ältesten, weil sie versteckt waren.
Als die Mägde hinausgegangen waren, kamen die beiden Ältesten und liefen zu ihr und sagten:
Schau, die Gartentür ist geschlossen, niemand sieht uns, und wir sind voller Liebe zu dir, so gib deine Einwilligung, und lieg bei uns.
Wenn du dich weigerst, werden wir gegen dich bezeugen, dass ein junger Mann bei dir war, und dass das der Grund war, warum du deine Mägde weggeschickt hast.
Susanne seufzte tief und sagte: Ich bin von allen Seiten bedrängt. Denn wenn ich dieses Ding tu, ist es der Tod für mich. Und wenn ich es nicht tu, werde ich nicht entkommen euren Händen.
Ich wähle nicht, es zu tun, und will lieber in eure Hände fallen, als Sünde zu tun in den Augen des Herrn.
Dann rief Susanne mit lauter Stimme, und die beiden Ältesten schrieen sie an.
Und einer von ihnen lief und öffnete die Gartentür.
Als die Diener das Geschrei im Garten hörten, eilten sie zur Seitentür, um zu sehen, was mit ihr geschehen war.
Und als die Ältesten ihre Geschichte erzählten, waren die Diener sehr beschämt, denn nichts dergleichen war jemals über Susanne gesagt worden.
Am nächsten Tag, als die Menschen im Haus ihres Mannes Joakim versammelt waren, kamen die beiden Ältesten, voll von ihrem bösen Plan, und haben Susanne zum Tode verurteilt.
Sie sagten vor dem Volk: Susanne, die Tochter Hilkijas, die Frau von Joakim, soll geschickt werden.
So schickten sie nach ihr. Und sie kam mit ihren Eltern, ihren Kinder, und allen ihren Verwandten.
SUSANNE WAR EINE FRAU VON GROSSER RAFFINESSE UND SEHR SCHÖN IN DER ERSCHEINUNG.
Als sie verschleiert kam, ordneten die Gottlosen an, sie solle sich enthüllen, dass sie sich an ihrer Schönheit ergötzen können.
Aber ihre Familie und Freunde und alle sahen, dass sie weinte.
Dann standen die beiden Ältesten in der Mitte des Volkes, und legten die Hände auf ihren Kopf.
Und sie weinte, schaute zum Himmel, denn ihr Herz vertraute auf den Herrn.
Die Ältesten sagten: Als wir im Garten allein waren, kam diese Frau mit zwei Mägden, schloss die Gartentür und entließ die Mägde.
Dann kam ein junger Mann, der versteckt worden war, kam zu ihr und legte sich zu ihr.
Wir waren in einer Ecke des Gartens, und als wir diese Schlechtigkeit sahen, rannten wir zu ihr.
Wir sahen sie einander umarmen, aber wir konnten nicht festhalten den Mann, denn er war zu stark für uns, und er öffnete die Tür und stürzte hinaus.
So haben wir diese Frau festgenommen und fragten sie, wer der junge Mann war, aber sie wollte es uns nicht sagen. Diese Dinge sind es, die wir bezeugen.
Das Volk glaubte ihnen, weil sie die Ältesten des Volkes und Richter waren, und sie verurteilten sie zum Tod.
Dann rief Susanne mit lauter Stimme und sprach: Ewiger Gott, der du erkennst, was geheim ist, der du Kenntnis von allen Dingen hast, bevor sie geschehen,
Du weißt, dass diese Männer falsches Zeugnis gegen mich vorgetragen haben. Und jetzt bin ich dem Tod geweiht! Aber ich habe keines der Dinge, die sie gottlos gegen mich erfunden haben, getan.
Der Herr hörte sie weinen.
Und als sie abgeführt worden ist und entfernt worden, um zu Tode gebracht zu werden, erweckte Gott den heiligen Geist eines jungen Knaben namens Daniel;
Und er rief mit lauter Stimme: Ich bin unschuldig an dem Blut dieser Frau.
All die Leute drehten sich zu ihm um und sagten: Was ist das, was du gesagt hast?
Er stand in ihrer Mitte und sagte: Seid ihr so dumm, ihr Söhne Israels? Habt ihr eine Tochter Israels ohne Prüfung und ohne die Fakten zu hören verurteilt?
Bringt sie an den Ort des Gerichts zurück. Denn diese Männer haben falsches Zeugnis gegen sie vorgetragen.
Und das ganze Volk eilte. Und die Ältesten sagten zu ihm: Komm, setz dich zu uns und informiere uns, denn Gott fordert von dir dieses Recht.
Und Daniel sagte zu ihnen: Trennt sie weit voneinander entfernt, und ich werde sie befragen.
Als sie voneinander getrennt waren, rief er einen von ihnen und sagte zu ihm: Du altes Relikt der bösen Tage, deine Sünden sind jetzt nach Hause gekommen, die du in der Vergangenheit begangen hast,
Auszusprechen ungerechte Urteile, zu verurteilen die Unschuldigen und die Schuldigen freizulassen, obwohl der Herr sprach: Nicht zu Tode verurteile einen Unschuldigen und eine rechtschaffene Person!
Nun, wenn du wirklich etwas gesehen hast, sage mir: Unter welchen Baum hast du sie intim miteinander gesehen? Er antwortete: Unter einem Mastixbaum.
Und Daniel sagte: Sehr gut! Du hast gegen deinen eigenen Kopf gelogen, denn die Engel Gottes haben den Spruch von Gott empfangen und schneiden dich sofort in Stücke.
Dann schob er ihn beiseite und befahl ihnen, den anderen zu bringen. Und er sprach zu ihm: Du Nachkomme Kanaans und nicht von Juda, die Schönheit hat dich betrogen und die Lust hat dein Herz pervers gemacht.
Dies ist die Art, wie ihr beide habt euch mit den Töchtern Israels beschäftigt, und sie waren intim mit euch aus Furcht, aber eine Tochter von Juda würde nicht ertragen deine Bosheit.
Nun, sag mir: Unter welchen Baum hast du sie gefangen, intim miteinander verkehrend? Er antwortete: Unter einer immergrünen Eiche.
Und Daniel sagte zu ihm: Sehr gut! Du hast auch gegen deinen eigenen Kopf gelogen, denn der Engel Gottes mit seinem Schwerte wartet auf dich, damit er euch beide zerstöre.
Dann rief die ganze Versammlung laut und segnete Gott, der diejenige, die auf ihn hoffte, aufgespart hat.
Und sie stellten sich gegen die beiden Ältesten, denn aus ihrem eigenen Munde hatte Daniel sie verurteilt, falsches Zeugnis gegeben zu haben;
Und sie taten ihnen, wie sie sündhaft geplant hatten, ihrer Nächsten zu tun; so handelten sie im Einklang mit dem Gesetz des Mose, verurteilten sie zu Tode. So wurde unschuldiges Blut gerettet an diesem Tag.
Und Hilkija und seine Frau priesen Gott für ihre Tochter Susanne, und ebenso tat Joakim, ihr Mann, und alle ihre Verwandten, weil keine Schande an ihr gefunden wurde.
Und von diesem Tag an hatte Daniel einen sehr guten Ruf unter den Menschen.
*
DANIEL - SUSANNE
VERS: Es war ein Mann in Babylon mit dem Namen Jojakim,
KOMMENTAR:
Im Geiste der katholischen Mystik lesen wir diesen scheinbar einfachen Satz nicht nur als historische Feststellung, sondern als einen geheimnisvollen Auftakt zur Offenbarung göttlicher Wirksamkeit im menschlichen Leben.
"Es war ein Mann in Babylon..."
Babylon, Stadt der Verwirrung, Symbol der weltlichen Macht und des geistigen Exils, steht in der mystischen Tradition für jene innere und äußere Welt, die sich von Gott entfernt hat. Dass ein Gerechter, ein frommer Mann, in Babylon lebt, ist bereits ein Wunder. Es ist das Bild des „Funkens im Dunkel“, der verborgenen Heiligkeit mitten im weltlichen Getriebe. Mystiker wie Johannes vom Kreuz sehen in solch einer Präsenz das stille Wirken Gottes, der selbst im Exil, im Elend, in der Zerstreuung eine Seele bewahrt hat, die Sein Licht trägt.
So erinnert uns Jojakim an den inneren Menschen, der – obwohl in Babylon – auf Gott ausgerichtet bleibt. Die wahre Babylon-Gefangenschaft ist nicht geographisch, sondern geistlich: Sie geschieht, wenn der Mensch sich vom inneren Tempel entfernt. Doch Jojakim verweilt innerlich bei Gott. Er ist ein Mann in Babylon, aber nicht von Babylon.
"...mit dem Namen Jojakim."
Der Name Jojakim bedeutet: „JHWH richtet auf“ oder „Der Herr erhebt“. Auch hierin liegt tiefe mystische Bedeutung. In jedem Namen verbirgt sich nach jüdischer wie christlicher Mystik ein göttliches Geheimnis. Der Name ist nicht nur Bezeichnung, sondern Berufung. Dass dieser Mann Jojakim heißt, ist kein Zufall, sondern Offenbarung: Gott will durch ihn etwas aufrichten, etwas heilen, etwas retten.
In der mystischen Betrachtung ist der Name Hinweis auf den verborgenen Plan Gottes, der sich in und durch den Menschen entfaltet. Jojakim wird Werkzeug des göttlichen Rechts, ein Hüter der Gerechtigkeit, Vater der unschuldigen Susanne. In ihm wird die väterliche Fürsorge des himmlischen Vaters gegenwärtig, mitten in einer Zeit und Gesellschaft der Korruption und Lüge.
Der Beginn dieser Geschichte – „Es war ein Mann in Babylon mit dem Namen Jojakim“ – ist wie das erste Licht der Morgendämmerung: unscheinbar, aber verheißungsvoll. Im Licht der katholischen Mystik lesen wir diesen Satz als Einladung:
Auch in deinem „Babylon“, in deiner inneren Zerstreuung, kann ein Jojakim wohnen – der aufgerichtete Mensch, der von Gott getragen wird. Lass dich daran erinnern: Heiligkeit ist möglich, selbst in der Fremde.
VERS: Und er nahm eine Frau namens Susanne, die Tochter Hilkijas, eine sehr schöne Frau und eine, die den Herrn fürchtete.
KOMMENTAR:
In dieser einen Zeile liegt ein kostbares Juwel verborgener Wahrheit. Die Heilige Schrift offenbart uns nicht nur eine historische Begebenheit, sondern ein geistliches Gleichnis der Seele, die sich Gott in Reinheit und Ehrfurcht zuwendet.
„Und er nahm eine Frau namens Susanne“
Der Name Susanne leitet sich vom hebräischen Shoshannah her, was Lilie bedeutet. Die Lilie ist in der christlichen Mystik ein uraltes Symbol der Reinheit, der Jungfräulichkeit, der inneren Schönheit. In dieser Frau erkennen wir das Bild der treuen Seele – der Kirche, ja sogar der einzelnen Seele, die sich dem göttlichen Bräutigam hingibt. Der Ehemann, der sie nimmt, steht nicht nur für einen Menschen, sondern kann mystisch als der göttliche Wille gelesen werden, der die Seele zu sich nimmt, sie in das Geheimnis seiner Vorsehung hineinzieht.
„Die Tochter Hilkijas“
Hilkija bedeutet „mein Teil ist der Herr“ – und dieser Name lässt die Abstammung der Seele erkennen: Sie ist aus dem Schoß eines geistlichen Erbes geboren, aus der Erkenntnis, dass Gott allein Besitz, Ziel und Ursprung ist. Der mystische Mensch lebt nicht aus sich selbst, sondern aus dem göttlichen Ursprung, der ihn trägt. Wie Maria aus dem ewigen Willen Gottes hervorgeht, so ist auch Susanne aus einer geistlichen Linie entsprungen – Tochter des Gehorsams, Tochter des Bundes.
„Eine sehr schöne Frau“
Die Schönheit, von der hier gesprochen wird, ist nicht nur äußerlich. Sie ist ein Abglanz der göttlichen Ordnung, wie sie sich im Herzen des Menschen offenbart, der den Willen Gottes liebt. In der katholischen Mystik ist wahre Schönheit immer eine Wirkung der göttlichen Gnade. Sie ist Licht aus Licht – die Seele, die in der Gnade lebt, wird durchleuchtet von der Schönheit Gottes. So ist Susanne ein Bild jener Seele, die in Harmonie mit dem göttlichen Logos steht. Sie ist schön, weil sie im Einklang lebt mit dem göttlichen Wort.
„Und eine, die den Herrn fürchtete“
Hier spricht die Schrift nicht von einer ängstlichen Furcht, sondern von jener heiligen Gottesfurcht, die der Anfang aller Weisheit ist (vgl. Spr 1,7). Diese Furcht ist Ehrfurcht, Staunen, ein sich-Verlieren im Geheimnis Gottes. Die mystische Seele fürchtet Gott wie die Braut ihren Geliebten: aus Liebe, nicht aus Angst. Susanne fürchtet Gott – und gerade deshalb kann sie dem Bösen widerstehen. Sie lebt aus dem inneren Blick auf den Heiligen. Ihr Herz ist ein Tempel.
In Susanne erkennen wir ein Vorausbild Mariens, die „voll der Gnade“ ist, und zugleich das Ideal der christlichen Seele, die durch Reinheit, Ehrfurcht und Schönheit dem göttlichen Bräutigam entgegengeht. Die mystische Theologie ruft uns auf, wie Susanne zu werden – schön im Geiste, geboren aus der Gottessehnsucht, standhaft im Glauben.
Susanne ist keine bloße historische Figur. Sie ist ein lebendiges Gleichnis – ein leuchtendes Fenster in die Tiefe der Seele, die sich der göttlichen Wahrheit weiht.
VERS: Ihre Eltern waren gerecht und hatten gelehrt ihre Tochter nach dem Gesetz des Mose.
KOMMENTAR:
Dieser Vers öffnet den Raum für eine Betrachtung, die weit über das bloße historische Verständnis hinausgeht. Im Lichte der katholischen Mystik offenbart sich hier eine tiefere Wahrheit über die innere Ordnung der Seele und den Weg zur göttlichen Erkenntnis.
1. Die Eltern als Bild des geistlichen Ursprungs:
Susannes Eltern stehen in der mystischen Deutung nicht nur für ihre leiblichen Erzeuger, sondern für jene inneren Prinzipien, die der Seele ihre erste Ordnung geben: Gerechtigkeit und Gesetzestreue. Sie sind das Symbol für die gereinigte Vernunft und den vom Heiligen Geist erleuchteten Willen, der die Seele zur Treue gegenüber Gott anleitet.
2. Die Erziehung im Gesetz des Mose:
Das „Gesetz des Mose“ steht hier nicht nur für eine Sammlung äußerer Gebote, sondern für die torah, das heißt: die göttliche Weisung, die den Menschen in die Ordnung Gottes einführt. Mystisch betrachtet bedeutet dies, dass Susannes Seele von Anfang an in der göttlichen Ordnung verwurzelt war – sie lebte nach dem inneren Gesetz Gottes, das „in das Herz geschrieben“ ist (vgl. Jer 31,33).
3. Susanne als Bild der reinen Seele:
Susanne selbst ist in der katholischen Mystik oft ein Bild der keuschen, treuen Seele, die in einer Welt der Verführung und des Unrechts standhaft bleibt. Ihre Erziehung „nach dem Gesetz“ zeigt, dass sie nicht aus sich selbst heraus stark ist, sondern weil sie von Anfang an in der göttlichen Wahrheit verankert wurde. Ihre Reinheit ist Frucht einer Gnade, die durch die gerechte Ordnung ihrer „geistlichen Eltern“ – also durch eine Seele, die sich Gottes Willen unterordnet – gewirkt wird.
4. Die verborgene Gnade der Kindheit:
In der katholischen Mystik – etwa bei den Kirchenvätern oder in den Visionen einer Theresa von Avila – hat die Kindheit eine tiefe geistliche Bedeutung. Die gerechte Erziehung Susannes erinnert daran, dass die Gnade oft im Verborgenen wirkt, im Inneren der Seele, lange bevor die großen Prüfungen des Lebens kommen. Die wahre Heiligkeit wird in der Treue zu den kleinen Pflichten geboren.
5. Anwendung für den geistlichen Weg:
Wer in der Nachfolge Christi lebt, ist gerufen, wie Susanne zu sein: eine Seele, geformt durch göttliche Ordnung, bewahrt durch die Gebote, gestärkt durch innere Disziplin. Die „gerechten Eltern“ dieser Seele sind Glaube und Gehorsam. Ihre Frucht ist eine standhafte Reinheit – auch inmitten falscher Anklage, wie sie Susanne später erfahren muss.
VERS: Joakim war sehr reich und hatte einen großen Garten neben seinem Haus, und die Juden verwendeten ihn, um zu ihm zu kommen, weil er von allen geehrt war.
KOMMENTAR:
Im Licht katholischer Mystik eröffnet dieser Vers ein vielschichtiges Bild, das über das bloße Historische hinaus in die Tiefen der geistlichen Realität reicht.
„Joakim war sehr reich“
Der Reichtum Joakims deutet im mystischen Sinn nicht allein auf materielle Güter hin, sondern symbolisiert geistliche Autorität und Fülle der Gnade. Wie im Gleichnis Jesu vom reichen Hausherrn, der seine Schätze aus dem Innersten seines Hauses hervorholt (vgl. Mt 13,52), so steht Joakim als Typus eines gottgeweihten Menschen, der durch Gnade und Weisheit zum Träger einer geistlichen Ordnung geworden ist. Sein Reichtum verweist auf die innere Schatzkammer des Herzens, wo Gottes Wort wohnt.
„…und hatte einen großen Garten neben seinem Haus“
Der Garten ist in der Mystik ein zentrales Symbol. Schon in der Genesis ist der Garten Eden der Ort der Begegnung mit Gott. Auch im Hohelied symbolisiert der Garten die Seele oder die Braut, die vom göttlichen Bräutigam besucht wird: „Ein verschlossener Garten bist du, meine Schwester Braut“ (Hld 4,12).
Hier kann Joakims Garten mystisch als Sinnbild für das Paradies des Herzens verstanden werden — einen Ort der inneren Sammlung, des Gebets, der göttlichen Gegenwart. Dass der Garten neben dem Haus liegt, könnte anzeigen, dass dieser geistliche Raum eng mit dem häuslichen, alltäglichen Leben verbunden ist: die Kontemplation wächst aus der Treue im Alltäglichen.
„…und die Juden verwendeten ihn, um zu ihm zu kommen“
Dies spricht von Joakims Rolle als spiritueller Mittelpunkt der Gemeinde. Die Menschen kommen zu ihm, weil sie in ihm das Licht der Weisheit und Gerechtigkeit sehen. Mystisch gesehen ist dies das Bild der Kirche, die zur Quelle der lebendigen Tradition wird. In Joakim kann man ein Bild des heiligen Joseph, des Vaters der Kirche, erkennen – oder gar ein Vorausbild Mariens, der „Mutter der Gläubigen“, zu der die Seelen kommen, um Trost, Rat und Fürbitte zu empfangen.
„…weil er von allen geehrt war.“
Die Ehre, die ihm zuteilwird, ist nicht bloß menschliches Ansehen, sondern Ausdruck einer anerkannten Heiligkeit. Im mystischen Sinn bedeutet es, dass jene, die in Gott ruhen und Ihn widerspiegeln, auf natürliche Weise Licht für andere werden – wie es die Heiligen sind. Joakim erscheint hier als ein lebendiger Spiegel der göttlichen Ordnung: geachtet, weil er in Wahrheit lebt.
Joakim, der reiche Mann mit dem Garten, wird zum mystischen Typus des innerlich Reichen, der im Garten des Herzens mit Gott wandelt. Er ist ein lebendiger Ort der Begegnung, wie eine geistliche Quelle, zu der die Seelen kommen, um das Wasser des Lebens zu schöpfen. Seine äußere Ehre ist Zeichen einer inneren Ordnung – er steht unter dem Schatten des Höchsten und ist damit ein Bild des Menschen, der Gott Raum gibt.
VERS: In diesem Jahr wurden zwei Älteste aus dem Volk zu Richtern ernannt. Über sie hatte der Herr gesagt: Bosheit kam aus Babylon, von den Ältesten, den Richtern, die angeblich das Volk regieren wollten.
KOMMENTAR:
1. Babylon als Symbol der gefallenen Ordnung
Im mystischen Verständnis ist Babylon mehr als nur ein geografischer Ort: Es ist ein Zustand des Herzens, ein Sinnbild für Verwirrung, Stolz und den Verlust der göttlichen Ordnung. Die Ältesten, die als Richter eingesetzt wurden, tragen äußerlich das Gewand der Autorität, doch innerlich herrscht in ihnen Babylon – eine geistige Trennung von Gott. Die Schrift sagt: "Bosheit kam aus Babylon" – das bedeutet: Das Urteil, das aus einem solchen Herzen hervorgeht, ist kein Licht, sondern Schatten.
2. Die Perversion des Amtes – das Gericht ohne Gott
Die Ältesten wollten „das Volk regieren“ – aber nicht im Geist Gottes, sondern im Eigenwillen. In der mystischen Theologie der Kirche ist jede echte Autorität Dienst und stellvertretende Liebe. Doch wenn Macht gesucht wird um der Macht willen, wird das Amt zur Karikatur. Was sich als „Gericht“ ausgibt, wird zum Missbrauch, zur Fratze der Gerechtigkeit.
Diese Warnung hallt tief im Herzen jedes kontemplativen Christen nach: Der Blick auf sich selbst muss unaufhörlich geläutert werden, damit man nicht das Heilige benutzt, um zu zerstören.
3. Die zwei Ältesten als Bild der inneren Zwiespältigkeit
Zwei Älteste – zwei Stimmen – zwei Aspekte der gefallenen Seele: Im mystischen Sinn können sie auch als Personifikation innerer Versuchungen verstanden werden. Einerseits die Stimme der Lüge, die das Gewissen zu verdrängen sucht; andererseits die Stimme der Feigheit, die nicht für das Gute einsteht. Gemeinsam stehen sie gegen die Unschuld – gegen Susanne – die im biblischen Bild die Seele darstellt, die rein vor Gott bleiben will.
4. Susanne – die reine Seele im Garten Gottes
Susanne bedeutet „Lilie“, Symbol der Reinheit. Ihr Bad im Garten – ein geheimnisvoller Hinweis auf das Bad der Gnade, die Taufe, oder gar die mystische Läuterung im inneren Gebetsleben. Der Garten erinnert an das Hohelied, wo die Seele in liebender Verbundenheit mit Gott verweilt. Und doch: Gerade im Garten – dem Ort des Rückzugs und des Gebets – nähert sich die Versuchung.
Mystiker wie Teresa von Ávila oder Johannes vom Kreuz sahen in solchen Momenten das Wirken der „nächtlichen Dunkelheiten“: Wenn die Seele zur Einheit mit Gott strebt, wird sie geprüft. Der Angriff auf Susanne ist ein Angriff auf die Gottesbeziehung.
5. Das Gebet als Weg durch die Bedrängnis
Susanne ruft nicht zuerst Menschen an, sondern Gott. Ihre Worte sind nicht bloß Ausdruck der Verzweiflung, sondern tiefster Glaube: „Ewiger Gott, der du das Verborgene siehst“ (Dan 13,42). Der Mystiker lebt aus dieser Überzeugung – dass Gott alles sieht, selbst wenn die Welt blind ist. In der Verborgenheit des Herzens wird das Urteil gesprochen – nicht von Menschen, sondern von Gott.
6. Daniel als der Prophet des reinen Blicks
Daniel tritt auf wie ein Lichtstrahl inmitten des Dunkels. Er ist nicht nur der jugendliche Held – er ist das Bild des geistlich Erwachten, der die Gabe der Unterscheidung empfangen hat. Sein Eintreten für Susanne ist ein Bild der prophetischen Klarheit, die aus dem inneren Leben mit Gott erwächst.
Zusammenfassung: Ein geistlicher Ruf zur Wachsamkeit
Daniel 13 ist kein bloßer historischer Bericht. In mystischer Lesung wird er zur Einladung: Hüte die Reinheit deines Herzens wie Susanne. Lass dich nicht blenden von äußerer Autorität, sondern suche den wahren Richter in deinem Inneren. Wisse: Gott sieht – in Liebe und Gerechtigkeit. Und der Garten, in dem du badest, mag angefochten sein – doch wenn dein Blick auf den Ewigen gerichtet bleibt, wird auch dir Daniel begegnen: das Licht der Wahrheit, das dich rettet.
Gebet:
O Gott, der du das Verborgene siehst,
bewahre mein Herz rein wie Susanne,
stärke mich im Garten der Prüfung,
und sende deinen Geist wie Daniel,
damit ich Unrecht erkenne und Wahrheit bezeuge.
Amen.
VERS: Diese Männer waren häufig in Joakims Haus und alle, die Fragen an das Gesetz hatten, mussten zu ihnen kommen.
KOMMENTAR:
Im Licht der katholischen Mystik öffnet sich dieser scheinbar nüchterne Satz wie ein Tor zur inneren Wirklichkeit. Die „Männer“, von denen hier die Rede ist – die beiden Ältesten –, erscheinen auf den ersten Blick als ehrwürdige Gesetzeskenner. Doch im mystischen Sinn stehen sie für die gefährliche Verquickung von äußerer Frömmigkeit und innerem Hochmut, für die Fassade der Weisheit ohne die Demut der Gottesnähe.
Sie „waren häufig in Joakims Haus“ – dieser Ort, der eigentlich ein heiliger Raum des Friedens, der Gerechtigkeit und der Reinheit sein sollte, wird durch ihre ständige Gegenwart zu einem Ort der Versuchung und Verwirrung. Im Haus des Joakim – der als gerechter Mann beschrieben wird – wird ihre bloße Anwesenheit zu einem Bild dafür, wie das Böse sich maskiert in der Nähe des Guten aufhält. Die Mystik lehrt uns, dass das Böse nicht nur in der Ferne wirkt, sondern auch mitten unter uns, verborgen unter dem Mantel der Autorität und des Wissens.
„Alle, die Fragen an das Gesetz hatten, mussten zu ihnen kommen“ – hier offenbart sich eine tiefere spirituelle Tragik: Die Seelen, die suchten, kamen nicht zur Quelle des Lebens, sondern zu Zisternen, die kein Wasser halten. Die Ältesten erscheinen als Hüter des Gesetzes, doch sie sind keine Wegweiser zum lebendigen Gott, sondern stattdessen Spiegel des toten Buchstabens, der ohne Geist bleibt. Die katholische Mystik – von den Kirchenvätern bis zu Teresa von Ávila – lehrt: Das Gesetz ohne die Liebe ist leer, ja gefährlich.
Diese Szene mahnt uns im Geiste der Unterscheidung: Nicht jeder, der lehrt, dient dem Licht. Nicht jeder, der berufen scheint, folgt dem Ruf Gottes. Die Seherin des Herzens, die innere Susanne, weiß zu unterscheiden zwischen wahrem Rat und verdorbener List. Der Mystiker erkennt: Die Versuchung, die Wahrheit zu instrumentalisieren, lauert auch in der Frommen Mitte.
In der Tiefe zeigt dieser Vers, dass die Suche nach Weisung immer auch ein Risiko birgt – das Risiko, an Menschen statt an Gott gebunden zu werden. Die katholische Mystik ruft uns auf, nicht nur zu fragen, was das Gesetz sagt, sondern wer es spricht – und aus welchem Geist heraus.
Gebet:
Herr, bewahre mich vor dem Hochmut derer, die Dein Wort führen, aber nicht von Deinem Geist leben.
Lehre mich, den Ort der Wahrheit zu erkennen, auch wenn er verborgen liegt.
Lass mich nicht zum Haus der Ältesten gehen, sondern zu Deinem inneren Heiligtum,
wo Deine Weisheit in der Stille spricht und Deine Liebe das Herz entzündet.
Amen.
VERS: Als die Leute sie mittags verlassen, ging Susanne in ihres Mannes Garten.
KOMMENTAR:
Diese scheinbar schlichte Szene – Susanne allein im Garten – entfaltet im Licht katholischer Mystik eine tiefe, symbolische Bedeutung. Der Garten ist nicht nur ein Ort des Rückzugs, sondern ein Bild des inneren Paradieses, der Seele, die sich der Gegenwart Gottes öffnet. In der biblischen Bildsprache erinnert der Garten an Eden, jenen ersten heiligen Ort der Unschuld, in dem der Mensch noch unverhüllt mit Gott wandelte.
Dass Susanne mittags in den Garten geht, trägt mystischen Gehalt: Die Mittagszeit ist in der Tradition ein Symbol der göttlichen Erleuchtung, ein Moment höchster Klarheit und Wahrheit – die Stunde, in der die Sonne (Christus, das wahre Licht) am höchsten steht. Alleinsein in dieser Stunde wird zur Einladung, sich innerlich ganz Gott zuzuwenden, sich von aller äußeren Geschäftigkeit zu lösen und das Herzensgespräch mit dem Schöpfer zu suchen.
Doch dieser Rückzug ins Paradies wird sogleich durch die lauernde Sünde bedroht. Die beiden alten Richter, die sie heimlich beobachten, sind mehr als nur historische Gestalten – sie stehen symbolisch für das alte, sündige Denken, das den reinen Geist nicht erträgt. Sie verkörpern die Versuchung, das Licht in Finsternis zu verkehren und das Unschuldige zu verführen oder zu verdammen.
In der mystischen Lesart wird Susanne zur Seele, die sich in Reinheit Gott weiht, während die „Richter“ die Stimmen des Versuchers darstellen, die sogar die Wahrheit verdrehen wollen. Doch gerade diese Bedrängnis führt zu einer höheren Offenbarung: Gott selbst greift durch Daniel ein, ein Bild für das Eingreifen der göttlichen Weisheit in die Not der Seele.
Diese Szene kann so betrachtet werden wie ein Abschnitt des geistlichen Weges: die Stille der Seele, das Einbrechen der Versuchung, die Bewahrung durch göttliches Eingreifen. So wird Daniel 13 – weit über die Moral der Geschichte hinaus – ein Bild des mystischen Ringens um Wahrheit, Reinheit und das Licht Gottes inmitten der Schatten der Welt.
VERS: Die beiden Ältesten benutzten das, um sie jeden Tag zu sehen, wie sie umher ging, und sie fingen an, sie zu begehren.
KOMMENTAR:
In dieser Szene offenbart sich ein tiefes geistliches Drama: das Licht der Unschuld und Reinheit trifft auf den Schatten verderbter Herzen. Die Ältesten, eigentlich Männer des Gesetzes, Vertreter göttlicher Ordnung, geben sich nicht der Betrachtung Gottes hin, sondern dem lüsternen Blick auf das Geschöpf. Wo das Auge sich von Gott abwendet, wird das Herz finster.
Mystisch betrachtet steht Susanne für die Seele, die in Reinheit wandelt, im Garten der Gegenwart Gottes – ein Bild für das Paradies, für das innerliche Beten, für die still lebendige Beziehung zwischen der Seele und dem göttlichen Bräutigam. Die beiden Alten stehen für die verderbte Vernunft und den verirrten Willen, die, statt sich dem Göttlichen zu unterwerfen, das Heilige besitzen wollen – nicht in Liebe, sondern in Macht und Begierde.
In der katholischen Mystik – etwa bei Johannes vom Kreuz – ist die dunkle Nacht der Seele oft der Ort, wo solche Versuchungen sich regen. Das Begehren der Ältesten ist mehr als fleischlich: Es ist ein Symbol für die Gewalt, mit der die Welt die Seele bedrängt, sie aus dem Garten der Kontemplation reißen will.
Aber Susanne bleibt treu. In ihrem Gebet – „Lieber will ich unschuldig in eure Hände fallen als sündigen vor dem Herrn!“ – erkennt man den mystischen Mut der Seele, sich selbst Gott ganz hinzugeben. Sie wird gerettet, nicht durch ihre eigene Kraft, sondern durch das Eingreifen Gottes – durch Daniel, den jungen Propheten, ein Bild für die reine göttliche Weisheit, die mitten in der Verderbnis aufsteht wie ein Licht in der Finsternis.
So lehrt uns diese Passage: Der Garten des Gebets ist bedroht von inneren und äußeren Versuchungen, doch die treue Seele wird durch Gnade gerettet, wenn sie in der Nacht nicht den Blick vom göttlichen Licht abwendet.
VERS: Und sie wurden verrückt in ihren Köpfen und wandten ihre Augen ab vom Himmel und dachten nicht an das gerechte Gericht.
KOMMENTAR:
Dieser Vers offenbart den tragischen Wendepunkt, an dem das Herz des Menschen sich von der göttlichen Ordnung entfernt. In der Sprache der Mystik ist das „Abwenden der Augen vom Himmel“ kein bloßer moralischer Fehltritt, sondern ein Abbruch des inneren Dialogs mit Gott, ein Verstummen der Seele gegenüber dem Licht der Gnade.
Die „verrückten Köpfe“ der Alten, die in der Geschichte Susannes zum Symbol der verderbten Gerechtigkeit werden, zeigen, was geschieht, wenn das Denken sich von der göttlichen Weisheit löst: Der Verstand irrt umher, ohne Mitte, ohne Ziel, ohne den Glanz des Ewigen. Mystiker wie Johannes vom Kreuz oder Teresa von Ávila würden hierin die Verfinsterung des inneren Auges sehen — jenes Auges, das allein durch Reinheit und Gottesnähe klar sehen kann.
Das „gerechte Gericht“, an das sie nicht mehr dachten, ist mehr als eine rechtliche Kategorie: Es ist Ausdruck der göttlichen Ordnung, der Logos, durch den alles geschaffen und erhalten wird. Wer nicht mehr an dieses göttliche Gericht denkt, lebt nicht mehr in der Wahrheit, sondern in einem Schattenreich des Selbstbetrugs.
Die katholische Mystik lehrt: Der Blick zum Himmel ist der erste Akt der Reinigung. Wer ihn abwendet, verliert nicht nur den Weg — er verliert sein Wesen, weil der Mensch im tiefsten Inneren auf Gott hin geschaffen ist. Ohne diesen Bezug zum Himmel wird die Seele krank, die Gedanken werden „verrückt“, das Herz kalt, und das Urteil ungerecht.
VERS: Beide wurden von Leidenschaft zu ihr überwältigt, aber sie haben einander nicht erzählt von ihrer Not,
KOMMENTAR:
„Beide wurden von Leidenschaft zu ihr überwältigt, aber sie haben einander nicht erzählt von ihrer Not“, ist voller mystischer Tiefe, wenn man ihn im Licht der katholischen Mystik liest.
In der verborgenen Leidenschaft der beiden Alten offenbart sich eine verdunkelte Seele, die sich von der göttlichen Ordnung abgewandt hat. Die „Leidenschaft“ – im mystischen Verständnis – ist nicht bloß emotionale Regung, sondern eine Entzweiung des Herzens von Gott. Diese Trennung lässt sich mit dem Zustand der „nächtlichen Finsternis der Sinne“ bei Johannes vom Kreuz vergleichen: Das Herz verliert seine Klarheit und wird von ungeordneten Sehnsüchten überwältigt.
Dass sie einander nichts von ihrer Not sagen, zeigt die verdeckte Natur der Sünde, die sich nicht im Licht bewegt. Die Leidenschaft ist nicht gemeinschaftlich im Guten, sondern isolierend in der Sünde. In der Mystik ist jede Form von geistlicher Unaufrichtigkeit ein Hindernis für die göttliche Vereinigung. Denn das wahre Licht – Christus – kann nur in einem Herzen wohnen, das sich der Wahrheit öffnet.
Susanne hingegen steht als mystisches Symbol der reinen Seele: keusch, innerlich klar, standhaft. Sie ist ganz in Gott verankert. Ihr Schweigen vor der Anklage, ihr Vertrauen im Gebet, sind Ausdruck eines mystischen Weges: durch das Dunkel hindurch auf Gott hin. Sie ruft nicht zuerst Menschen um Hilfe, sondern den lebendigen Gott, der das Herz sieht.
Und hier geschieht das Wunder: Gott spricht durch Daniel, den reinen, prophetischen Jüngling – ein Bild für das göttliche Licht, das in der Seele aufleuchtet, wenn sie in Bedrängnis ganz auf den Herrn vertraut. Das göttliche Eingreifen, das am Ende die Wahrheit ans Licht bringt, ist ein Echo auf den mystischen Lehrsatz:
„Wer sich selbst rein hält, wird das Licht schauen.“
Diese Stelle offenbart in mystischer Tiefe:
Die zerstörerische Macht der ungeordneten Leidenschaft, die in der Dunkelheit wächst,
Die heilende Kraft der Reinheit, die in Gott ruht,
und die Wahrheit, die durch göttliches Licht ans Licht kommt – durch das Werkzeug einer gottverbundenen Seele.
VERS: Denn sie schämten sich, ihre lustvollen Wünsche, sie zu besitzen, offen zu legen.
KOMMENTAR;
In diesem kurzen, aber tiefgründigen Vers offenbart sich ein zentrales Thema der katholischen Mystik: der innere Zwiespalt zwischen Licht und Finsternis in der menschlichen Seele. Die beiden alten Richter, Vertreter äußerlicher Gerechtigkeit, lassen sich von dunklen Leidenschaften verführen. Doch sie schämen sich – nicht etwa über ihre Sünde vor Gott, sondern nur darüber, sie öffentlich zuzugeben. Hier zeigt sich das erste Zeichen der Verblendung: Die Angst vor der Meinung der Menschen ist größer als die Ehrfurcht vor dem Ewigen.
In der Sprache der Mystik ist die Scham eine zweischneidige Kraft. Wenn sie von der Gnade berührt wird, führt sie zur Reue und Umkehr – zum "compunctio cordis", dem zerknirschten Herzen, das Gott nahe ist. Doch hier ist die Scham verdunkelt durch Eigenliebe. Sie hüllt das Böse nicht in Reue, sondern in Heimlichkeit. Das Dunkel meidet das Licht (vgl. Joh 3,19), und so wird die Seele, die sich nicht dem Licht stellt, zu einem Ort innerer Unordnung.
Mystiker wie Johannes vom Kreuz oder Teresa von Ávila würden in diesem Moment die Sprache der Reinigung und Läuterung anführen: Die Begierde, die sich heimlich einnistet, wird zur Fessel der Seele. Sie raubt den inneren Frieden, die Klarheit des Geistes, und trennt vom liebenden Blick Gottes. Doch wo das Licht Gottes aufstrahlt – durch Buße, Wahrheit und Demut – da wird die Seele wieder klar wie reines Wasser.
Dieser Vers mahnt uns also: Die wahre Scham ist nicht die vor den Menschen, sondern die heilige Scheu vor der Entweihung unseres Tempels, der wir selbst sind. Der Mensch, geschaffen als Wohnstatt Gottes, ist berufen zur Transparenz im Licht der Wahrheit. Wenn die Seele sich verbirgt, bleibt sie gefangen. Doch wenn sie sich dem Blick Gottes öffnet – im Sakrament der Beichte, im stillen Gebet, im Ruf der Gnade – beginnt ihre Heilung.
VERS: Und sie suchten eifrig, Tag für Tag, sie zu sehen.
KOMMENTAR:
„Und sie suchten eifrig, Tag für Tag, sie zu sehen“ –
Im Licht der Mystik offenbart sich hier der Kampf zwischen Licht und Schatten in der menschlichen Seele. Die zwei Alten, äußere Figuren im Text, symbolisieren in der Tiefe die trügerischen Kräfte des Ichs: verblendete Begierde und verdrehte Urteilskraft. Diese suchen unermüdlich – Tag für Tag – das Schöne und Reine zu erblicken, jedoch nicht, um es zu verehren, sondern um es zu besitzen. Sie sehen mit Augen, die nicht lieben, sondern beanspruchen.
Doch Susanne steht in der Tradition der heiligen Jungfrauen: Bild der Seele, die in Reinheit vor Gott wandelt. Ihr Name bedeutet „Lilie“ – ein Symbol der Unschuld und des göttlichen Schutzes. Die mystische Seele, ganz auf Gott ausgerichtet, wird vom Bösen verfolgt, weil sie leuchtet. Denn die Finsternis hasst das Licht, das sie entlarvt.
Das Auge der Begierde vs. das Auge des Glaubens
Die Alten „suchen sie zu sehen“ – doch ihr Sehen ist kein kontemplatives Schauen, wie es die Mystiker kennen, sondern ein gieriger Blick, getrübt von Selbstsucht. Im Gegensatz dazu steht das Schauen Gottes, wie es etwa in der Theologie der heiligen Teresa von Ávila oder des Johannes vom Kreuz beschrieben wird: ein liebevolles, ehrfürchtiges Verweilen bei dem, was von Gott kommt.
Die wahre mystische Haltung ist nicht die der Besitzergreifung, sondern des Empfangens. Wer wirklich sieht, sieht mit dem inneren Auge – im Licht des Geistes.
Tieferes geistliches Bild
Susanne ist ein Vorbild der Seele, die sich nicht von den „alten Stimmen“ verführen lässt – den inneren Anklägern und falschen Ratgebern, die aus Angst, Macht oder Lust sprechen. In ihrer Standhaftigkeit offenbart sich die Kraft der göttlichen Gnade. Ihre Rettung durch Daniel – den Propheten, der für Gerechtigkeit und Wahrheit einsteht – ist das Eingreifen des göttlichen Logos, des Wortes, das die Wahrheit ans Licht bringt.
Gebet und Betrachtung
O reine Seele,
die du Tag für Tag vom Dunkel begehrt wirst –
bleibe bei dem Einen,
der dich sieht mit Augen der Liebe.
Möge das Licht Christi
deine Reinheit bewahren,
und der Geist der Wahrheit
dir zur Seite stehen.
VERS: Sie sagten zueinander: Lass uns nach Hause gehen, denn es Essenszeit.
KOMMENTAR:
„Sie sagten zueinander: Lass uns nach Hause gehen, denn es ist Essenszeit.“
In der nüchternen Erzählung erscheint dieser Satz zunächst alltäglich – eine bloße Ausrede der beiden alten Richter, um Susanne unbeobachtet nachzustellen. Doch in der mystischen Lesart offenbart sich hinter den profanen Worten eine tiefere Wahrheit über den Zustand der Seele, das Verlangen, die Sünde – und die Sehnsucht nach dem wahren „Zuhause“.
1. Das falsche Heim:
Die Richter sagen: „Lass uns nach Hause gehen.“ Doch das Heim, zu dem sie sich begeben, ist kein Ort der Reinheit oder göttlichen Ruhe. Es ist ein Ort der inneren Unordnung, wo Begierde statt Demut herrscht. Mystisch gelesen steht dieses „nach Hause gehen“ für die Rückkehr in das eigene Ich, aber nicht im Lichte Gottes – sondern im Schatten des gefallenen Willens. Der Mensch, der sich von der göttlichen Ordnung entfernt, kehrt immer wieder heim – aber in das Haus des Egos, nicht in den Tempel des Geistes.
2. Die Essenszeit – eine Versuchung:
„Denn es ist Essenszeit“ – das klingt harmlos, doch die Mystik kennt die Sprache der Symbolik. Die „Essenszeit“ steht hier für das Verlangen nach irdischer Lust, nach dem Genuss, der nicht aus der Speisung der Seele mit göttlicher Weisheit kommt, sondern aus der Befriedigung der Sinne. Die Väter der Kirche warnten oft: Wenn die Seele hungert und nicht aus der göttlichen Quelle trinkt, wird sie von falschem Brot leben wollen.
3. Die Prüfung der Innerlichkeit:
In der katholischen Mystik wird jede äußere Handlung auf ihre innere Wurzel hin befragt. Die beiden Richter stehen sinnbildlich für den Verstand und den Willen, wenn sie vom göttlichen Gesetz abirren und sich von trügerischen Regungen leiten lassen. Was außen wie eine banale Entscheidung wirkt – eine Pause zur Mahlzeit –, ist innen ein Abweichen von der Wachsamkeit des Herzens. „Wachet und betet“, sagt Christus – aber hier schlafen sie geistlich ein.
4. Der Kontrast zu Susanne:
Susanne steht für die treue Seele, die rein und im Gebet verweilt. Sie bleibt im Garten – dem Ort des Ursprungs, der Gnade, fast wie Maria im Hortus conclusus. Die Männer hingegen verlassen die äußere Reinheit, um dem inneren Trieb zu folgen. So stellt sich Susanne als Bild der unbefleckten Seele dar, während die Richter die Kräfte symbolisieren, die ohne geistliche Disziplin verderben.
Was profan erscheint, ist spirituell gesehen oft ein Scheideweg: Heimkehren kann bedeuten, sich Gott zuzuwenden – oder sich ins eigene dunkle Begehren zurückzuziehen. Die wahre Speise ist Christus selbst (Joh 6,55), und das wahre Heim ist das Herz, in dem der Heilige Geist wohnt. Die mystische Seele hört also diesen Vers nicht mit den Ohren des Fleisches, sondern fragt: „Wo ist mein Zuhause – und was nährt mich wirklich?“
VERS: Und als sie gingen, trennten sie sich voneinander. Aber sie wandten sich wieder um und trafen sich wieder, und als jeder den anderen nach dem Grund gefragt, gestanden sie einander ihre Lust. Und dann arrangierten sie gemeinsam eine Zeit, da sie sie allein finden könnten.
KOMMENTAR
Zwei alte Richter, angesehen und äußerlich fromm, lassen sich von der Lust auf Susanne, eine gottesfürchtige Frau, verführen. Der Vers beschreibt den Moment, in dem ihre individuelle heimliche Begierde sich in ein gemeinsames Komplott verwandelt. Es ist der Wendepunkt von innerer Unreinheit hin zur äußeren Sünde.
Mystische Deutung im katholischen Geist
1. Trennung – Symbol der Verirrung
„Und als sie gingen, trennten sie sich voneinander.“
Im mystischen Sinne steht diese Trennung nicht nur für einen äußeren Weggang, sondern für die innere Entzweiung des Herzens von der göttlichen Ordnung. Die Alten trennen sich voneinander, wie auch die Seele sich von Gott trennt, wenn sie sich in geheime Leidenschaften verliert. Die Trennung steht für den Zerfall der Einheit in Gott – sie haben das Licht verlassen und schreiten in den Schatten ihres Begehrens.
2. Umkehr zur Lust – Verkehrte Metanoia
„Aber sie wandten sich wieder um und trafen sich wieder…“
Die Umkehr – im christlichen Verständnis ein heiliger Akt der Buße (metanoia) – wird hier pervertiert: sie kehren nicht zurück zu Gott, sondern zur Sünde. Es ist eine verkehrte Spiegelung der echten Umkehr. Der mystische Mensch sieht darin das Drama der Freiheit: Der Wille, der eigentlich zur Liebe Gottes bestimmt ist, kehrt sich zur Eigenliebe, zur Lust, zur Macht über den anderen.
3. Geständnis der Lust – Die Gemeinschaft des Bösen
„…und als jeder den anderen nach dem Grund gefragt, gestanden sie einander ihre Lust.“
Hier wird sichtbar, was die Heiligen oft betont haben: Die Sünde sucht Verbündete. Die Dämonie beginnt nicht allein, sondern wird mächtiger, wenn sie sich mitteilt. Was in der Stille des Herzens als Versuchung begann, wird im Geständnis zur Zustimmung und im Dialog zur Allianz. Der Teufel, so die Mystiker, liebt Gemeinschaft – aber nur im Sinne gemeinsamer Verderbnis.
Das gegenseitige Geständnis erinnert auch an den dunklen Gegenentwurf zur heiligen Beichte. In der Beichte offenbart der Mensch seine Sünde, um geheilt zu werden. Hier aber wird sie offenbart, um gemeinsam zu sündigen – ein „Anti-Sakrament“.
4. Die Zeit der Einsamkeit – Bühne der Prüfung
„Und dann arrangierten sie gemeinsam eine Zeit, da sie sie allein finden könnten.“
Die Einsamkeit, die in der Heiligen Schrift oft Ort der Gottesbegegnung ist (Moses am brennenden Dornbusch, Jesus in der Wüste), wird hier zum Ort der geplanten Sünde. Die Alten suchen nicht Gott im Verborgenen, sondern den Anlass zur Verführung. Sie bereiten einen Moment vor, in dem die Ordnung Gottes außer Kraft gesetzt wird – sie schaffen Raum für das Böse.
Doch die Mystik weiß: Auch dieser Raum ist letztlich von Gott umfasst. Was als dunkler Plan beginnt, wird zur Bühne für das Eingreifen des Heiligen Geistes durch den jungen Daniel. Der Raum der Prüfung kann zum Raum der Gnade werden – das ist das paradoxe Geheimnis göttlicher Vorsehung.
Daniel 13 ist in der mystischen Lesung ein Spiegelbild des geistlichen Kampfes: der Weg von der Versuchung zur Sünde, von der Trennung zur Komplizenschaft, von der äußeren Ordnung zur inneren Finsternis. Doch das Kapitel endet nicht im Untergang, sondern in der Gerechtigkeit, in der Wahrheit, im Licht.
In der katholischen Mystik, besonders bei den Wüstenvätern, wird betont: Der Mensch ist durch seine Freiheit gefährdet – aber gerade darin auch zur höchsten Reinheit berufen. Die Geschichte der Alten ist eine Warnung, aber Susanne selbst bleibt ein Bild der unerschütterlichen Seele, die sich dem Druck der Welt nicht beugt.
Wenn du magst, kann ich noch weiterführend kommentieren, etwa zu Susannes Gebet oder Daniels Eingreifen.
VERS: Einmal, während sie auf einen günstigen Tag warteten, ging sie nach wie vor mit nur zwei Dienstmädchen und wollte im Garten baden, denn es war sehr heiß.
KOMMENTAR:
In der Erzählung von Susanne im dreizehnten Kapitel des Buches Daniel (überliefert in der griechischen Septuaginta und in der katholischen Bibeltradition enthalten) verbirgt sich eine tief geistliche Symbolik, die im Licht katholischer Mystik eine innere Entfaltung des Seelenlebens und des göttlichen Wirkens aufzeigt.
1. „Einmal, während sie auf einen günstigen Tag warteten…“
Die "Alten", die auf einen günstigen Tag warten, stehen mystisch für die Versuchungen, die in der Tiefe des menschlichen Herzens lauern – verborgen, aber aufmerksam. Diese Versuchungen warten nicht zufällig, sondern mit listiger Geduld auf einen Moment der Schwäche, der Hitze, der Müdigkeit – eine geistliche Dürre.
Mystische Bedeutung:
In der Tradition der Wüstenväter ist der günstige Tag für die Dämonen jener Augenblick, wo die Seele nicht in wachsamer Nüchternheit lebt. Doch für die mystische Seele ist jeder Tag „günstig“, wenn er zur Läuterung gereicht. Die Wächteraugen Gottes sehen durch jedes Dickicht der Absichten hindurch.
2. „...ging sie nach wie vor mit nur zwei Dienstmädchen…“
Susanne – Symbol der reinen, treuen Seele – bewegt sich weiterhin im Vertrauen und in der Gewohnheit des Guten. Die beiden Dienstmädchen können als Allegorien der Gnade und des freien Willens gedeutet werden, die der Seele dienen, solange sie im Zustand der Reinheit verweilt.
Mystische Bedeutung:
In der mystischen Tradition (z.B. bei Johannes vom Kreuz oder Teresa von Ávila) sind die Begleiter der Seele auf ihrem inneren Weg nicht viele: Es ist eine schlichte, aber aufrechte Bewegung hin zu Gott – ohne Eitelkeit, ohne viel Aufhebens. Die Seele, die sich im Garten (dem inneren Paradies, dem Raum Gottes) zu reinigen sucht, weiß sich gehalten von der göttlichen Gnade und dem eigenen Willen zur Heiligkeit.
3. „...und wollte im Garten baden, denn es war sehr heiß.“
Der Garten erinnert an Eden – den Ort der Gottesbegegnung und der ursprünglichen Unschuld. Das Baden steht hier für das Verlangen nach Reinigung, Erfrischung, Läuterung. Die Hitze ist Sinnbild der geistlichen Prüfung, der Versuchung, vielleicht auch der Sehnsucht nach dem lebendigen Wasser (vgl. Joh 4,14).
In der Hitze der Läuterung sucht die Seele nach dem lebendigen Wasser des Geistes. Sie zieht sich zurück ins innere Heiligtum, den Garten ihres Herzens, um dort mit Gott allein zu sein. Doch gerade in solchen Momenten ist sie verwundbar – nicht weil sie sündigt, sondern weil sie offen ist, sich entblößt im Vertrauen vor Gott.
Susanne ist im katholisch-mystischen Sinn die reine, betende Seele. Sie geht in die Einsamkeit, um sich in der Hitze der Prüfung zu reinigen. Doch die Bosheit der Welt (verkörpert durch die alten Richter) will ihre Reinheit verurteilen. Doch Gott, der innere Zeuge (Daniel als Prophet der Wahrheit), wird nicht schweigen. Der Garten ist nicht nur Ort der Bedrohung, sondern auch der Offenbarung: Gott verteidigt die Seele, die ihm treu bleibt – auch gegen alle äußere Verleumdung.
VERS: Und es war niemand da außer den beiden Ältesten, die sich versteckt hatten und sie beobachteten.
KOMMENTAR:
1. Die verborgene Prüfung der Seele
Im mystischen Sinn steht Susanne für die reine Seele, die sich im Garten der Gottesgegenwart (Symbol: der Garten ihres Hauses) von allem Irdischen entkleidet – im Bad, einer Reinigung und Hingabe. In der Intimität dieser „Seelenlandschaft“ fühlt sie sich allein, unbeobachtet, wie die Seele im Gebet oder in der Kontemplation. Doch das Böse (die beiden Ältesten) lauert im Verborgenen – eine Allegorie für Versuchung und geistliche Prüfung.
Diese Szene ist wie ein Prüfstein mystischer Erfahrung: Selbst wenn die Seele sich ganz Gott hingeben will, bleiben dunkle Kräfte wachsam und suchen Schwachstellen.
2. Die Ältesten als verzerrte Weisheit
Mystisch gedeutet stehen die Ältesten nicht einfach für äußere Gegner, sondern für innere Schattenseiten: verdorbene Vernunft, pervertierte Autorität, Stolz und geheime Begierden – all das, was sich als „weise“ tarnt, aber die Seele verführen will.
Der heilige Johannes vom Kreuz spricht von solchen inneren Bewegungen als spirituelle Täuschungen, die besonders die fortschreitende Seele heimsuchen: je näher sie sich Gott nähert, desto raffinierter wird die Versuchung.
3. Die Einsamkeit der Seele im Kampf
„Und es war niemand da außer…“ – Dieser Satz kann als Moment der geistlichen Einsamkeit gelesen werden. In mystischen Krisen (Dunkle Nacht der Seele) erfährt die Seele oft, dass sie ohne sichtbare Hilfe kämpfen muss. Alle äußeren Stützen fehlen. Es bleibt nur Gott – aber sein Schweigen scheint tief.
Doch gerade in dieser Einsamkeit reift die Heiligkeit: Susanne bleibt treu, obwohl ihr niemand beisteht. Das ist ein Bild des Fiats, des bedingungslosen Ja zur göttlichen Wahrheit, selbst unter Bedrohung.
4. Das verborgene Auge Gottes
Die Ältesten glauben, sie seien allein mit ihr. Doch in der mystischen Theologie ist es Gott, der das Herz durchschaut (vgl. 1 Sam 16,7). Ihre Heimlichkeit entlarvt sie vor dem „allsehenden Auge Gottes“, das in der späteren Rolle Daniels offenbar wird – der Prophet als Werkzeug der göttlichen Gerechtigkeit.
Gott lässt die Prüfung zu, doch verlässt die Seele nicht. Die Wahrheit wird im Verborgenen gerichtet, wie auch das Herzgericht Gottes unsichtbar aber wirkkräftig ist.
Dieser Vers ist in der mystischen Betrachtung eine dramatische Allegorie des geistlichen Kampfes.
Er lehrt:
dass Reinheit immer umkämpft ist,
dass Versuchung oft aus vertrauten, „ehrenwerten“ Quellen kommt,
dass die Seele oft in Einsamkeit geprüft wird,
und dass Gottes Gerechtigkeit nicht schläft – selbst wenn sie verborgen scheint.
„Gott wird die verborgenen Dinge ans Licht bringen.“
(vgl. 1 Kor 4,5)
VERS: Sie sagte zu ihren Dienstmädchen: Bringt mir Öl und Salben, und schließt die Gartentür, so dass ich baden kann.
KOMMENMTAR:
In der Tiefe der katholischen Mystik ist jede äußere Handlung eine Ikone innerer geistlicher Wirklichkeit. Die Szene, in der Susanne sich salben lässt und in abgeschiedener Stille baden will, kann als mystisches Bild der Seele auf dem Weg zur Reinigung und Vereinigung mit Gott verstanden werden.
„Bringt mir Öl und Salben“ – Das Öl, im Alten wie im Neuen Testament Symbol des Heiligen Geistes, verweist hier auf die heilende, salbende Kraft Gottes, die der Seele zuteil wird, wenn sie sich ihm ganz öffnet. Die Salbung ist nicht nur ein äußeres Ritual, sondern eine innere Wirklichkeit: der Mensch wird bereitet, gleichsam gesalbt für den mystischen Brautstand mit dem Herrn. Wie Maria von Bethanien Jesus mit kostbarem Nardenöl salbte, so salbt auch die Seele sich selbst für die Begegnung mit dem Ewigen.
„Und schließt die Gartentür“ – Der Garten ist in der Bibel immer wieder ein Ort der Gottesbegegnung: Eden, der Garten Gethsemane, das leere Grab im Ostergarten. Der Garten Susannes wird so zum geheimnisvollen Bild des Herzens, das sich vor den Blicken der Welt verschließt, um allein mit Gott zu sein. Die geschlossene Tür erinnert an das Hohelied: „Ein verschlossener Garten ist meine Schwester Braut, ein verschlossener Born, ein versiegelter Quell“ (Hld 4,12). Die Seele zieht sich in die Stille zurück, nicht aus Flucht, sondern um Raum für das Heilige zu schaffen.
„So dass ich baden kann“ – Das Bad ist ein Sinnbild für Reinigung, nicht nur des Leibes, sondern auch des Herzens. In der mystischen Tradition ist das Bad ein Bild für das Loslassen alles Irdischen, ein Eintauchen in die Gnade. Wie in der Taufe das Alte vergeht und das Neue beginnt, so tritt Susanne hier in eine Art liturgische Vorbereitung auf die Versuchung, die ihr bevorsteht. Noch weiß sie es nicht – aber ihr Bad wird zum Vorspiel ihres Martyriums in der Keuschheit, zur Reinigung im Feuer der Wahrheit.
Daniel 13 ist mehr als eine Geschichte von Anklage und Rechtfertigung – es ist das geistliche Drama der Seele, die sich dem Heiligen hingibt, verfolgt wird, aber durch Gottes Eingreifen gerechtfertigt wird. Susanne ist die mystische Braut, das Bild der reinen Kirche, die im Verborgenen lebt, sich salbt und badet, um in der Wahrheit zu bestehen.
Mögen auch wir, wie sie, den inneren Garten unseres Herzens bewahren, die Tür schließen vor der Welt, und im Öl des Geistes das Bad der Gnade empfangen.
VERS: Sie taten, was sie sagte, schlossen die Gartentür und gingen durch die Seitentür hinaus, wie sie befohlen hatte, und sie sah nicht die Ältesten, weil sie versteckt waren.
KOMMENTAR:
Susanne als Bild der reinen Seele / Maria-Figur
In der katholischen Mystik wird Susanne oft als Bild der reinen, tugendhaften Seele verstanden – oder sogar mariologisch gelesen als Vorbild Mariens: rein, unbefleckt, von Versuchung umgeben, aber standhaft im Glauben. Ihr Rückzug in den Garten kann als Rückzug ins Innere, ins kontemplative Gebet gedeutet werden.
Der Garten als Symbol der Seele oder des Paradieses
Der Garten ist im biblischen Symbolismus oft ein Ort der Intimität mit Gott, ähnlich wie der Garten Eden oder der Garten Gethsemane. Susanne betritt diesen Raum in Reinheit, nicht zum Vergnügen, sondern zur Reinigung – ein Bild für die Seele, die sich Gott zuwendet.
Die geschlossene Tür – Schutz der Reinheit
Das Schließen der Tür ist symbolisch für den Versuch, das Heilige und Reine vor dem Zugriff des Bösen zu schützen. In der Mystik steht dies für die innere Sammlung, das Abwenden von äußeren Einflüssen.
Die Seitentür – heimliche Wege der Sünde
Dass die Diener durch die Seitentür hinausgehen, kann als Bild für die versteckten Wege gedeutet werden, durch die das Böse versucht, in die Seele einzudringen – nicht frontal, sondern durch Täuschung und List.
Die versteckten Ältesten – Versuchung und Heuchelei
Die Ältesten stehen in dieser Geschichte für das Böse, das sich unter dem Mantel der Autorität und Weisheit verbirgt. In mystischer Sicht sind sie Symbol für die verborgenen Versuchungen und inneren Stimmen, die den Menschen zur Sünde verleiten wollen – scheinbar legitim, tatsächlich aber verderblich.
Mystischer Zusammenhang
Diese Stelle kann allegorisch gelesen werden als Kampf der Seele um die Bewahrung der Reinheit angesichts heimtückischer Versuchung. Susannes Vertrauen auf Gott in ihrer Bedrängnis, ihr Ruf zu ihm und letztlich ihre Rettung durch Daniel stellen einen Weg der mystischen Läuterung dar:
Verblendung (Versteckte Versuchung)
Anfechtung (Falsche Anklage)
Gebet und Vertrauen
Rettung durch die göttliche Weisheit (Daniel als Typus Christi oder des Heiligen Geistes)
Daniel 13 ist nicht nur ein moralischer Text über Tugend und Gerechtigkeit, sondern tief mystisch lesbar als Gleichnis für den inneren Kampf der Seele mit der Sünde, für die Kraft des Gebets und die Reinheit des Herzens. In der katholischen Mystik kann Susanne als Symbol für die Seele stehen, die sich Gott in Reinheit hingibt, bedrängt wird – aber durch göttliche Weisheit bewahrt bleibt.
VERS: Als die Mägde hinausgegangen waren, kamen die beiden Ältesten und liefen zu ihr und sagten:
KOMMENTAR:
„Als die Mägde hinausgegangen waren, kamen die beiden Ältesten und liefen zu ihr und sagten …“
(Daniel 13,19)
ist der dramatische Moment, in dem sich die beiden alten Richter, getrieben von Begierde, an Susanne heranmachen, nachdem sie sich in ihrem Garten zurückgezogen hat. In der katholischen Mystik wird dieser Abschnitt oft allegorisch, moralisch und spirituell gedeutet.
Mystische und spirituelle Deutung (katholisch)
Hier ein Überblick über einige mystische Interpretationen dieser Szene:
1. Susanne als Sinnbild der reinen Seele
Susanne (hebräisch: „Lilie“) steht mystisch für die makellose Seele, die in der Gegenwart Gottes lebt (symbolisiert durch den Garten, ein Ort der Kontemplation).
Die Mägde symbolisieren äußere Sinne oder weltliche Ablenkungen – wenn sie weggehen, ist die Seele allein mit Gott – oder in diesem Fall: mit Versuchungen.
2. Die zwei Alten als Versuchungen
Die beiden Ältesten stehen für das verführende fleischliche Begehren und die falsche Autorität. In mystischer Literatur symbolisieren sie oft:
die inneren Anfechtungen, die selbst im frommen Leben auftauchen;
oder die Verdorbenheit des Herzens, die sich selbst betrügt.
3. Die Flucht der Reinheit
Susannes Weigerung und ihr Ruf zu Gott („Ich bin in Bedrängnis von allen Seiten...“) ist ein Ausdruck mystischer Vertrauenshingabe an den göttlichen Richter. Die katholische Mystik betont, dass die Seele – auch in äußerster Gefahr – auf Gottes Gerechtigkeit hoffen darf.
4. Daniel als Stimme des Heiligen Geistes
Der junge Daniel, der später im Kapitel auftritt und die Wahrheit offenbart, steht für das unbestechliche Licht des Heiligen Geistes, der die Lüge entlarvt. In mystischer Hinsicht kann er auch das innere Gewissen sein, das die Wahrheit in der Seele aufdeckt.
„Gott erhörte ihr Gebet“ (Dan 13,44)
In der Mystik ist dies ein Hinweis auf die stille, aber mächtige Wirksamkeit des Gebets, besonders wenn es aus einer reinen, vertrauenden Seele kommt.
VERS: Schau, die Gartentür ist geschlossen, niemand sieht uns, und wir sind voller Liebe zu dir, so gib deine Einwilligung, und lieg bei uns.
KOMMENTAR:
Kontext von Daniel 13:
In dieser Episode wird die fromme und schöne Susanne von zwei älteren Richtern verfolgt, die ihre Macht und Stellung missbrauchen, um sie zu verführen. Als sie sich weigert, bei ihnen zu liegen, drohen sie, sie fälschlich des Ehebruchs zu beschuldigen. Susanne aber bleibt standhaft und übergibt ihr Schicksal Gott – was letztlich zu ihrer Rettung durch den jungen Propheten Daniel führt.
Versanalyse:
„Schau, die Gartentür ist geschlossen, niemand sieht uns, und wir sind voller Liebe zu dir, so gib deine Einwilligung, und lieg bei uns.“
(Daniel 13,20)
1. Symbolik des Gartens (Mystische Deutung)
Der Garten ist in der mystischen Tradition oft ein Symbol für die Seele oder das Herz des Menschen – ein „hortus conclusus“ (verschlossener Garten), wie im Hohenlied (4,12), der auf Reinheit und inneres Leben verweist. Dass die Tür „geschlossen“ ist, soll Vertraulichkeit und Unbeobachtetsein suggerieren – aber im mystischen Sinne auch die Versuchung zur Sünde im Verborgenen.
2. Täuschung der Sinne und Missbrauch der Liebe
Die Aussage „wir sind voller Liebe zu dir“ ist in Wahrheit eine pervertierte, selbstsüchtige Begierde, die unter dem Deckmantel der Liebe erscheint. Mystisch betrachtet warnt der Text davor, wie das Böse die Sprache der Liebe missbraucht, um das Herz zu verführen.
Diese Szene mahnt: Wahre Liebe zwingt nicht. Wahre Liebe ist rein und frei.
3. Susannes Reinheit als mystisches Vorbild
Susanne steht in der katholischen Mystik für die makellose Seele, die sich nicht von den Lockungen und Drohungen des Bösen verführen lässt. Ihre Ablehnung – obwohl sie den Tod riskiert – ist Ausdruck des fiat voluntas tua, des vollkommenen Vertrauens auf Gott.
Sie ist eine Art Vorbild wie Maria, die sich ebenfalls ganz Gott hingibt – nicht aus Zwang, sondern aus Freiheit und Reinheit des Herzens.
Mystische Bedeutung im katholischen Denken:
Susanne als Sinnbild der Kirche und der treuen Seele: Wie Susanne verfolgt wird, so wird auch die Kirche von der Welt bedrängt. Ihre Reinheit aber bleibt bestehen durch die Gnade Gottes.
Die beiden Alten als Verkörperung von inneren Leidenschaften: Zorn und Lust (klassisch: die „zwei inneren alten Männer“), die die Seele bedrängen, aber durch Gebet und Gottes Hilfe überwunden werden.
Daniel als Christus-Figur: Er tritt als Retter auf, durch Weisheit und Gerechtigkeit. Mystisch gesehen ist er ein Vorausbild des gerechten Richters.
Der Vers, den wir zitieren, ist ein drastisches Beispiel für Versuchung und seelische Prüfung – aber auch ein Tor zur Betrachtung tiefer spiritueller Wahrheiten: über Freiheit, Reinheit, göttliche Hilfe und das Ringen der Seele um Treue.
In der katholischen Mystik leuchtet Susannes Standhaftigkeit wie ein Vorbild innerer Klarheit – und ihr Schweigen wird zur mächtigen Antwort an das Böse.
VERS: Wenn du dich weigerst, werden wir gegen dich bezeugen, dass ein junger Mann bei dir war, und dass das der Grund war, warum du deine Mägde weggeschickt hast.
KOMMENTAR:
Stellenkommentar (Daniel 13,21 – „Wenn du dich weigerst…“)
„Wenn du dich weigerst, werden wir gegen dich bezeugen, dass ein junger Mann bei dir war, und dass das der Grund war, warum du deine Mägde weggeschickt hast.“
Diese Aussage stammt von den zwei alten Richtern, die Susanne erpressen wollen, damit sie mit ihnen schläft. Sie stellen sie vor eine grausame Wahl: Entweder sie gibt ihrem Gewissen und ihrem Glauben nach und wird zu Unrecht getötet, oder sie gibt den Begierden der Männer nach und überlebt – aber in Schande.
🔍 Katholisch-mystische Deutung
In der katholischen Mystik und Spiritualität kann diese Szene tief symbolisch gedeutet werden:
1. Susanne als Bild der Seele
Susanne wird oft als Symbol der reinen, gottergebenen Seele gesehen, die von den Begierden und Lügen der Welt bedrängt wird. Die zwei alten Richter stehen dann für die inneren oder äußeren Versuchungen, die versuchen, die Seele vom Weg der Wahrheit und Reinheit abzubringen.
2. Die Erpressung als Prüfung
Der Satz zeigt die Art, wie das Böse operiert: mit Lüge, Druck, Erpressung, Verdrehung der Wahrheit. In mystischer Perspektive ist das eine Prüfung des Glaubens – ähnlich wie viele Heilige in der Kirchengeschichte in Versuchung oder falscher Anklage standen und sich dennoch treu verhielten.
3. Der „junge Mann“ als Projektionsfigur
Die Drohung, einen fiktiven jungen Mann zu erfinden, der bei Susanne gewesen sei, steht auch für die Taktik des Satan als „Ankläger“ (vgl. Offb 12,10). Er beschuldigt die Seele fälschlich – doch Gott kennt die Wahrheit.
4. Susannes Schweigen und ihr Gebet
Susannes Reaktion ist nicht Gegenwehr, sondern Gebet. Sie ruft zu Gott – und genau darin liegt ihr mystischer Weg: Nicht menschliche List, sondern Vertrauen auf göttliche Gerechtigkeit ist ihr Schutz.
Die Geschichte von Susanne wird in der katholischen Spiritualität als Bild dafür verstanden, dass:
die Seele in der Welt bedrängt wird,
die Wahrheit unterdrückt werden kann, aber nicht auf Dauer,
Gottes Eingreifen durch einen „Daniel“ (heißt: „Gott ist Richter“) geschieht, wenn die Seele treu bleibt,
die Unschuld siegt, wenn sie sich nicht mit dem Bösen einlässt.
VERS: Susanne seufzte tief und sagte: Ich bin von allen Seiten bedrängt. Denn wenn ich dieses Ding tu, ist es der Tod für mich. Und wenn ich es nicht tu, werde ich nicht entkommen euren Händen.
KOMMENTAR:
Diese Szene spielt sich ab, nachdem zwei alte Richter Susanne zu erpressen versuchen: Entweder gibt sie sich ihnen hin, oder sie wird fälschlich des Ehebruchs bezichtigt – ein Verbrechen, das mit dem Tod bestraft wird. In dieser extremen Notlage entscheidet sich Susanne, lieber den Willen Gottes zu tun und ihre Unschuld zu wahren, auch wenn es ihr das Leben kosten könnte.
Mystisch-Katholische Deutung
1. Die Seele in der Bedrängnis
In der katholischen Mystik symbolisiert Susanne die reine, gottliebende Seele, die von Versuchung und Welt bedrängt wird. Die „zwei alten Männer“ können sinnbildlich für die Leidenschaften oder dämonischen Einflüsterungen stehen, die das Herz korrumpieren wollen.
Ihre Worte „Ich bin von allen Seiten bedrängt“ spiegeln die Erfahrung der dunklen Nacht der Seele (vgl. Johannes vom Kreuz): einen Moment, in dem keine Ausflucht möglich scheint und der einzige Weg die völlige Übergabe an den Willen Gottes ist.
2. Wahre Freiheit durch Treue
Mystisch gesehen zeigt Susannes Entscheidung eine höhere Art von Freiheit: nicht die Freiheit, zu tun, was man will, sondern die Freiheit, sich für das Gute trotz Leid und Tod zu entscheiden. Das ist wahre innere Freiheit – ein zentrales Thema im geistlichen Leben.
3. Gott als der wahre Richter
Susannes Vertrauen, dass Gott ihr gerechter Richter sein wird, verweist auf eine mystische Wahrheit: Gott allein kennt das Herz. In einer Welt, die oft von falscher Gerechtigkeit regiert wird, bleibt nur die Hoffnung auf den göttlichen Blick, der Wahrheit und Reinheit erkennt.
4. Das Bild der Märtyrerin
In der katholischen Mystik hat das Martyrium einen hohen Stellenwert, nicht nur als physischer Tod, sondern auch als geistiges Opfer. Susanne ist in dieser Deutung eine mystische Märtyrerin der Reinheit, ein Vorbild für die Seele, die lieber stirbt, als Gott zu verraten.
Susanne ruft zum Gewissen auf: Wie handeln wir, wenn wir unter Druck stehen? Bleiben wir der Wahrheit treu, selbst wenn es uns etwas kostet?
Die Geschichte ist ein Aufruf zum Vertrauen: Gott verlässt die Gerechten nicht, auch wenn alle gegen sie stehen.
Die Reinheit des Herzens ist keine naive Tugend, sondern eine heroische Haltung.
VERS: Ich wähle nicht, es zu tun, und will lieber in eure Hände fallen, als Sünde zu tun in den Augen des Herrn.
KOMMENTAR:
1. Freier Wille und Heiligkeit
„Ich wähle nicht, es zu tun …“
Der freie Wille ist eine heilige Gabe. In der Mystik der Heiligen – etwa Teresa von Ávila oder Johannes vom Kreuz – ist der freie Wille ein Ort der Begegnung mit Gott. Susanne gebraucht ihren Willen nicht zur Selbsterhaltung, sondern zur Treue gegenüber Gott. Dies ist die höchste Form der Liebeshingabe, wie sie die Mystik beschreibt.
2. Die Sünde meiden – um jeden Preis
„… als Sünde zu tun in den Augen des Herrn.“
In der katholischen Mystik ist Sünde nicht nur Gesetzesbruch, sondern ein Bruch der Liebesgemeinschaft mit Gott. Susannes Angst vor der Sünde ist Ausdruck ihrer Gottesliebe – ein Thema, das z. B. auch bei der heiligen Katharina von Siena zentral ist. Die Seele, die sich mit Gott vereinen will, scheut die Sünde mehr als den Tod.
3. Leiden aus Liebe zu Gott
„… will lieber in eure Hände fallen …“
Dies erinnert an Christus im Garten Getsemani: „Nicht mein Wille, sondern deiner geschehe.“ Die Wahl, lieber zu leiden als zu sündigen, ist zutiefst christusförmig (christozentrisch). In der katholischen Mystik wird das Leiden als Möglichkeit verstanden, mit dem leidenden Christus vereint zu werden. Susanne ist in diesem Moment eine Art mystische Braut, die das Kreuz annimmt.
4. Vertrauen auf das göttliche Gericht
Susanne zeigt tiefes Vertrauen, dass Gott für sie kämpfen wird, obwohl sie vor einem menschlich unausweichlichen Tod steht. Das ist ein Ausdruck der passiven Gotteshingabe, wie sie z. B. in der Lehre der "dunklen Nacht" von Johannes vom Kreuz vorkommt – wo der Mensch nicht mehr selbst handelt, sondern sich dem Wirken Gottes völlig überlässt.
✨ Zusammenfassung
Susannes Satz ist ein leuchtendes Beispiel katholischer Mystik:
der heilige Gebrauch des freien Willens,
die absolute Treue zur göttlichen Wahrheit,
die Verweigerung der Sünde um den Preis des Leidens,
das tiefe Vertrauen in Gottes rettende Gerechtigkeit.
Sie ist ein Vorbild mystischer Christusnachfolge: rein, leidensbereit, glaubensstark.
VERS: Dann rief Susanne mit lauter Stimme, und die beiden Ältesten schrieen sie an.
KOMMENTAR:
Wörtliche Bedeutung (Historisch/Literal)
Susanne, eine fromme und tugendhafte Frau, wird von zwei alten Richtern der Unzucht bezichtigt, nachdem sie sich geweigert hat, ihnen nachzugeben. Als sie sich weigert, schreit sie laut um Hilfe – ein Ausdruck ihrer Unschuld und ein letzter Hilferuf an Gott und die Menschen. Die Ältesten hingegen schreien sie an, um ihre Schuld zu verdecken, sie zu übertönen und sie einzuschüchtern. Es ist ein Machtspiel.
Mystische Deutung (Inneres geistliches Verständnis)
Susanne als Symbol der Seele
Im mystischen Sinne steht Susanne für die treue Seele, rein, gottverbunden, im „Garten“ – dem inneren Paradies der göttlichen Gegenwart. Der Garten ist in der mystischen Theologie oft das Herz des Menschen, in dem Gott wohnt (vgl. Hld 4,12: „Ein verschlossener Garten ist meine Schwester Braut“).
Die zwei Ältesten als Versuchung und Anklage
Die beiden alten Männer symbolisieren im mystischen Kontext:
die Lüste der Welt (Fleischeslust und Hochmut),
oder auch die dunklen Gedanken und geistigen Anfechtungen, die den Menschen bedrängen, gerade wenn er sich Gott nähert.
Sie dringen in den „inneren Garten“ ein – das Herz der Seele – und versuchen, sie zu korrumpieren. Als die Seele sich weigert, schreit sie – ein Bild des inneren Gebets, des Aufschreis zu Gott in der Not. Die Ältesten schreien zurück – das Getöse der Welt, die Angst, der Zweifel, das Böse, das die Seele einschüchtern will.
Der Schrei Susannes
Ihr Schrei ist Gebet. Ein mystischer Ruf nach göttlichem Beistand, aus der Tiefe ihres Herzens. Ähnlich dem Psalm 130:
„Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir.“
Die Reaktion der Ältesten
Das Anschreien der Ältesten ist ein Bild für die Lüge, die sich laut macht, um die Wahrheit zu übertönen – ein Muster, das sich durch die ganze Heilsgeschichte zieht (vgl. Jesus vor dem Hohen Rat, Pilatus etc.).
Typologie – Susanne als Vorausbild Mariens oder der Kirche
Susanne kann auch als Bild Mariens verstanden werden: vollkommen rein, von Männern (Weltmächten) verleumdet, doch durch göttliches Eingreifen gerettet.
Oder als Bild der Kirche, die immer wieder durch falsche Anklagen und Verfolgung bedroht wird, aber durch den Beistand Gottes (Daniel – ein Bild Christi oder des Heiligen Geistes) gerettet wird.
Geistlicher Impuls
Der Vers ruft dazu auf:
Im Angesicht der Bedrängnis nicht zu schweigen, sondern zu rufen – zu beten.
Die Wahrheit steht oft allein, doch sie bleibt im Licht Gottes bestehen.
Die Seele, die sich nicht beugt vor der Versuchung, wird vielleicht laut bedrängt, aber Gott hört den Schrei der Gerechten.
VERS: Und einer von ihnen lief und öffnete die Gartentür.
KOMMENTAR:
Mystisch-symbolische Auslegung:
In diesem scheinbar einfachen Satz liegt eine tiefe spirituelle Bedeutung verborgen. Die Gartentür ist nicht nur ein physisches Tor, sondern ein Symbol für den Übergang – zwischen dem Verborgenen und dem Öffentlichen, zwischen Unschuld und Anklage, zwischen Intimität und Urteil.
Der Garten als mystischer Raum:
Der Garten, in der biblischen Tradition, ist ein heiliger Ort – wie Eden, der Garten der Liebe im Hohenlied, oder Gethsemane, wo Christus sich dem Willen des Vaters übergibt. Der Garten ist ein Ort der Begegnung zwischen Mensch und Gott, zwischen Reinheit und Versuchung.
In Daniel 13 ist der Garten Susannes ein Ort der Stille, der Reinheit, aber auch der Prüfung. In ihm begegnet die Seele – symbolisiert durch Susanne – der Lüge und dem Bösen.
Die Tür als Schwelle zur Entscheidung:
Der Moment, in dem „einer von ihnen lief und öffnete die Gartentür“, ist der Wendepunkt. Die Öffnung der Tür bedeutet das Eindringen des Unreinen in das Heilige, das Stören der göttlichen Ordnung durch menschliche Begierde.
Im mystischen Sinn kann die Tür auch das Tor zur Seele darstellen. Wird sie geöffnet von falschen Beweggründen – wie Lust, Stolz oder Machtgier –, so tritt die Finsternis ein. Die beiden Alten, die Susanne verfolgen, stehen für die verderbten Kräfte des falschen Gerichts und der Scheinheiligkeit.
Die Seele in Bedrängnis:
Susanne, die in ihrer Tugend feststeht, wird von Lügen bedrängt. Der geöffnete Garten – einst Ort des Gebets – wird zum Ort der Anklage. Doch wie die mystische Theologie lehrt: wo die Bedrängnis wächst, da wächst auch die Gnade.
Susanne bleibt standhaft – sie wird zu einem Bild der anima fidelis, der treuen Seele, die lieber stirbt als zu sündigen. Ihre Entscheidung, sich Gott anzuvertrauen, ist ein Akt tiefer mystischer Hingabe.
Der Seher Daniel:
In der Vision des Daniel wird die Wahrheit offenbart. In mystischer Lesart ist Daniel hier ein Vorbild Christi, der das Verborgene sieht, das Innerste der Herzen durchdringt und das göttliche Licht in die Finsternis des Unrechts bringt.
Kurze Zusammenfassung:
„Und einer von ihnen lief und öffnete die Gartentür.“
Die Gartentür ist das Tor zur Seele. Wird sie aus niederen Motiven geöffnet, so droht der Einbruch des Bösen. Doch Gott sieht das Herz. Inmitten der Prüfung ruft die gerechte Seele – und Gott antwortet durch das Licht der Wahrheit.
VERS: Als die Diener das Geschrei im Garten hörten, eilten sie zur Seitentür, um zu sehen, was mit ihr geschehen war.
KOMMENTAR:
Kontext
Susanne, eine tugendhafte Frau, wird von zwei lüsternen alten Richtern bedrängt. Als sie sich weigert, ihnen nachzugeben, drohen sie, sie öffentlich des Ehebruchs zu beschuldigen. Susanne schreit laut – ein Zeichen ihrer Unschuld und ihres Vertrauens auf Gottes Gerechtigkeit.
Mystischer Kommentar
„Als die Diener das Geschrei im Garten hörten...“
Das Geschrei Susannes ist mehr als nur ein Ruf nach Hilfe – es ist ein Gebet der Seele, die in der Prüfung ihre Zuflucht zu Gott nimmt. Der Garten steht hier symbolisch für das Paradies der Seele, das durch Versuchung bedroht wird. Die Diener repräsentieren die Kräfte in uns – das Gewissen, die Vernunft, die göttlich geordnete Reaktion auf Unrecht –, die durch den Schrei der Unschuld geweckt werden.
„...eilten sie zur Seitentür, um zu sehen, was mit ihr geschehen war.“
Die Seitentür ist mystisch die verborgene Pforte, durch die das Innere (die Seele) und das Äußere (die Welt) miteinander in Beziehung treten. Dass die Diener „eilten“, zeigt das unmittelbare Handeln der göttlich gelenkten Kräfte, wenn die Wahrheit bedroht ist. Es ist das Bild einer göttlichen Eile zur Rettung der Gerechtigkeit.
Theologisch-spirituelle Deutung
In katholischer Mystik wird Susanne oft als Typus der unbefleckten Kirche, ja sogar als Bild Mariens selbst gedeutet: rein, schön, verkannt und verfolgt, aber von Gott gerechtfertigt.
Der ganze Abschnitt erinnert an die christliche Hoffnung, dass Gott in der Stunde der Not nicht fern bleibt, sondern durch seine Propheten (hier der junge Daniel) das Verborgene ans Licht bringt und die Wahrheit triumphieren lässt.
VERS: Und als die Ältesten ihre Geschichte erzählten, waren die Diener sehr beschämt, denn nichts dergleichen war jemals über Susanne gesagt worden.
KOMMENTAR:
Versanalyse:
„Und als die Ältesten ihre Geschichte erzählten, waren die Diener sehr beschämt, denn nichts dergleichen war jemals über Susanne gesagt worden.“
Katholisch-mystischer Kommentar
Susanne als Bild der Seele
Im mystischen Sinne steht Susanne für die reine, treue Seele, die unter Druck durch Lüge, Machtmissbrauch und Versuchung steht. Sie wird von den Ältesten – Symbol für verdorbene Autorität – bedrängt, und doch bleibt sie Gott treu.
Die „Ältesten“ sind hier nicht nur Männer mit Ansehen, sondern archetypisch das verdorbene, in sich verkrümmte Gesetz, das nicht mehr nach Wahrheit, sondern nach Macht strebt.
Susannes Unschuld ist bekannt – „nichts dergleichen war jemals über Susanne gesagt worden“. Dies ist ein Verweis auf ihre geistige Reinheit und ihren untadeligen Ruf – ein Bild der makellosen Seele, die auch in der Drangsal standhaft bleibt.
Die Beschämung der Diener
Die „Diener“ könnten symbolisch für das Volk oder das einfache Gewissen stehen. Ihre Beschämung ist ein Zeichen dafür, dass die Wahrheit, sobald sie offenbar wird, alle Lügen demütigt und reinigt.
Mystisch gesehen ist das ein Moment der Katharsis: Das Licht der Wahrheit leuchtet durch den jungen Daniel auf – der Prophet, der hier als Werkzeug göttlicher Weisheit fungiert.
Die Diener sind beschämt, weil sie auf die Autorität der Ältesten vertraut haben – eine Warnung vor blindem Gehorsam ohne geistige Prüfung.
Daniel als Stimme des Heiligen Geistes
Daniel ist das prophetische Licht, das die Lüge durchschaut. Er ist das Symbol des göttlich inspirierten Gewissens, das über menschliche Macht hinausblickt.
In der katholisch-mystischen Auslegung steht er für denjenigen, der mit dem Geist der Wahrheit erfüllt ist, den Jesus im Johannesevangelium verheißt.
Seine Intervention ist ein Akt göttlicher Gerechtigkeit: Der Heilige Geist tritt durch ihn in die Welt und rechtfertigt die unschuldige Seele.
Schlussgedanke (Mystische Tiefe)
Die Geschichte von Susanne ist eine prophetische Parabel über Wahrheit, Reinheit, göttliches Gericht und Erlösung. Sie erinnert uns daran:
Die Wahrheit ist oft still, aber nicht ohnmächtig.
Selbst wenn alles gegen die gerechte Seele spricht, steht Gott als ihr Anwalt.
Die Diener – also wir alle – werden zur Umkehr gerufen, wenn wir erkennen, dass wir vorschnell geurteilt oder uns blenden lassen haben.
VERS: Am nächsten Tag, als die Menschen im Haus ihres Mannes Joakim versammelt waren, kamen die beiden Ältesten, voll von ihrem bösen Plan, und haben Susanne zum Tode verurteilt.
KOMMENTAR:
Im mystischen Licht offenbart sich dieser Vers als ein Bild der Prüfung und der göttlichen Gerechtigkeit, die oft verborgen in menschlichem Unrecht und Versuchung wirkt. Susanne steht hier als Symbol für die Seele, rein und unschuldig, die sich inmitten der Schatten von Anklage und falscher Verdammnis wiederfindet.
Die beiden Ältesten, die sie verurteilen, sind mehr als nur Menschen — sie verkörpern die innere Versuchung, die dämonische Stimme der Angst und des falschen Urteils, die den Geist zu Fall bringen will. Doch das Zusammenkommen im Hause Joakims, dem Heim des Mannes, ist auch ein Bild der göttlichen Ordnung, in der sich Wahrheit letztlich offenbaren wird.
Die Versammlung der Menschen erinnert uns an die Kirche, die Gemeinschaft der Gläubigen, in der die Prüfungen des Glaubens sichtbar und erfahrbar werden. Gerade hier, wo die Menschlichkeit mit ihrer Schwäche und ihrem Unrecht am deutlichsten zutage tritt, wird die Gnade Gottes wirksam – oft auf geheimnisvolle Weise.
Susannes Todesurteil steht für den scheinbaren Sieg des Bösen, der aber im göttlichen Plan nur eine Vorbereitung auf die Offenbarung der Gerechtigkeit ist. Es ist ein Aufruf an uns, in Momenten der Verzweiflung und des Unrechts den Blick auf Gott zu richten, der über allen menschlichen Richtern steht.
Mystisch gesehen lädt uns diese Erzählung ein, in unseren eigenen Prüfungen nicht zu verzweifeln, sondern zu erkennen, dass die göttliche Wahrheit, wie das reine Wasser, immer durchschimmern und reinigen wird. Susanne, die Unschuldige, ist ein Bild der unerschütterlichen Seele, die im Vertrauen auf Gott sich selbst treu bleibt – und so das Leben gewinnt, wo der Tod droht.
VERS: Sie sagten vor dem Volk: Susanne, die Tochter Hilkijas, die Frau von Joakim, soll geschickt werden.
KOMMENTAR:
Susanne vor dem Volk
Im katholischen Mystizismus wird die Geschichte von Susanne häufig als Sinnbild der Seele verstanden, die in der Versuchung und im Gericht vor Gott steht.
Susanne, die Tochter Hilkijas, die Frau von Joakim, ist nicht einfach eine historische Figur, sondern ein Symbol der reinen und unverfälschten Seele (Susanne). Die „Tochter Hilkijas“ weist auf eine göttliche Abstammung hin – Hilkija bedeutet „mein Heil ist Jahwe“. Sie ist also das Kind der göttlichen Rettung, der Heiligkeit, die in ihr lebt. Als „Frau von Joakim“ ist sie auch eingebunden in eine eheliche, weltliche Ordnung – die menschliche Existenz mit ihren Verpflichtungen.
Dass „sie vor das Volk geschickt werden soll“ symbolisiert die Offenbarung der Seele vor dem Gericht des Lebens. Das Volk steht hier für die Welt, die Gemeinschaft der Menschen, vor der das wahre Herz einer Person nicht verborgen bleiben kann. In der Mystik ist dies die Prüfung der Seele durch Versuchungen, falsche Zeugnisse und die Herausforderung, im Glauben und in der Reinheit zu bestehen.
Mystische Tiefe: Susannes Sendung vor das Volk ist wie das Sich-offenbaren des innersten Selbst vor den Blicken Gottes und der Menschen. Es erinnert daran, dass die Seele sich in Wahrheit zeigen muss – in Liebe, Demut und Treue. Die „schickende“ Macht ist oft auch die göttliche Vorsehung, die uns herausfordert, unser Inneres nicht zu verbergen, sondern zu reinigen und zu bezeugen.
In der katholischen Tradition verbindet sich diese Geschichte mit der Fürsprache Marias, die als reine Frau und Mutter Gottes die Seele schützt und stärkt, die sich in Gefahr und Verleumdung befindet. So wie Maria ihre Reinheit und Treue bewahrt, wird die Seele durch den Glauben und das Gebet frei gesprochen.
VERS: So schickten sie nach ihr. Und sie kam mit ihren Eltern, ihren Kinder, und allen ihren Verwandten.
Der Ruf nach ihr – das ist mehr als nur eine Einladung an eine Person; es ist ein Ruf der Gemeinschaft, der Heilung und der Wiederherstellung. Dass sie mit ihren Eltern, Kindern und allen Verwandten kommt, symbolisiert die ganze Familie, die geistige Heimat und die Generationen, die miteinander verbunden sind durch das Band des Glaubens und der göttlichen Vorsehung.
Im mystischen Sinn bedeutet dies die Rückkehr der verlorenen Seele in die Gemeinschaft Gottes. Es ist ein Bild der heilenden Versöhnung: Die Trennung durch Schuld und Leid wird aufgehoben, wenn die Seele sich aus der Dunkelheit zur göttlichen Lichtquelle hinwendet – nicht nur für sich allein, sondern in der Einheit mit der Familie, der Kirche, dem Leib Christi.
Eltern stehen hier für die Wurzel, die Herkunft – die Wurzel des Glaubens, die weitergegeben wird. Die Kinder symbolisieren die Zukunft, das neue Leben und die Hoffnung, die in Gott erneuert wird. Alle Verwandten stehen für das große Netzwerk menschlicher und göttlicher Beziehung, die in Gottes Plan zusammenfließen.
Der Ruf „So schickten sie nach ihr“ ist wie die Einladung Gottes an jede verlorene Seele, zurückzukehren und sich in die heilende Gemeinschaft der Kirche zu begeben – dort, wo das Band der göttlichen Liebe alle Generationen umfasst und ewig verbindet.
VERS: SUSANNE WAR EINE FRAU VON GROSSER RAFFINESSE UND SEHR SCHÖN IN DER ERSCHEINUNG.
KOMMENTAR:
Susanne: Eine Frau von großer Raffinesse und Schönheit
Das Kapitel Daniel 13, das in der katholischen und orthodoxen Tradition als Teil der deuterokanonischen Schriften zählt, erzählt die Geschichte von Susanne, einer Frau von großer Weisheit und Anmut. Die Beschreibung „eine Frau von großer Raffinesse und sehr schön in der Erscheinung“ verweist nicht nur auf ihre äußere Schönheit, sondern auch auf ihre innere Haltung, ihre geistige Stärke und ihren moralischen Mut.
Mystische Bedeutung der Schönheit und Raffinesse:
Susanne steht symbolisch für die Seele, die inmitten der Versuchungen und falschen Anschuldigungen der Welt bestehen muss. Ihre Schönheit ist nicht nur körperlich, sondern auch Ausdruck der göttlichen Gnade, die in ihr wohnt. Die „Raffinesse“ zeigt ihre Fähigkeit, die Wahrheit zu erkennen und klug zu handeln – sie ist eine Figur der Weisheit, die sich nicht von den Verführungen oder falschen Anklagen der Ältesten überwältigen lässt.
Der Kampf zwischen Wahrheit und Verleumdung:
Die Geschichte stellt den ewigen Kampf zwischen Licht und Dunkelheit, Wahrheit und Lüge dar. Die beiden Ältesten, die Susanne verleumden, symbolisieren die Kräfte der Falschheit, die die Unschuld beschmutzen wollen. Doch Susanne hält an ihrem Glauben und ihrer Integrität fest, und durch das Eingreifen Daniels wird die Wahrheit sichtbar gemacht. Das ist ein Hinweis auf die göttliche Gerechtigkeit, die letztlich über alle menschlichen Intrigen triumphiert.
Katholisch-mystische Reflexion:
Im katholischen Glauben lädt Susannes Geschichte ein, über die Reinheit des Herzens und die Kraft des Gebets nachzudenken. Susanne betet zu Gott in ihrer Bedrängnis – ein Zeichen dafür, dass göttliche Hilfe in schwierigen Zeiten immer nahe ist. Ihre Schönheit und Raffinesse sind zugleich ein Bild für die innere Heiligkeit, zu der jeder Gläubige berufen ist.
So spricht uns Susanne an: Auch in Zeiten, in denen man von Ungerechtigkeit umgeben ist, bleibt das Vertrauen in Gott der Weg zur Befreiung. Die mystische Tiefe der Erzählung liegt darin, dass wir erkennen, dass unsere Seele in der Liebe Gottes geschützt und geadelt wird – Schönheit und Raffinesse sind Gaben, die über das Äußere hinaus in der Treue zu Gott wurzeln.
VERS: Als sie verschleiert kam, ordneten die Gottlosen an, sie solle sich enthüllen, dass sie sich an ihrer Schönheit ergötzen können.
KOMMENTAR:
Der Schleier hier symbolisiert zunächst die Tugend, Reinheit und das innere Geheimnis der Seele, die vor den Blicken der Welt verborgen bleibt. Susanne ist verschleiert, also geschützt und bewahrt vor der bloßen Betrachtung und Entblößung durch die Gottlosen – eine Metapher für die Unantastbarkeit der heiligen Seele.
Die Gottlosen hingegen stehen für die Welt, die nach dem Sichtbaren und Oberflächlichen giert. Sie verlangen von Susanne die Enthüllung, also die Offenbarung ihres inneren, wahren Selbst nur zu ihrem eigenen Lustgewinn. Dies ist ein Bild der Versuchung und der profanen Gier, die das Heilige entweihen möchte.
Doch in der mystischen Lesart steht Susanne auch für die Seele Gottes oder der Kirche, die vor dem Herrn verhüllt ist – in ihrer Unschuld und Heiligkeit – und die Versuchung, sich vor den Augen der Welt zu entblößen, wird zurückgewiesen, da dies zur Entweihung führen würde.
Das Motiv der Enthüllung und des Verschleierns kann hier auch als der Kampf zwischen innerer Heiligkeit und äußerer Versuchung gesehen werden. Die Verschleierung schützt das göttliche Geheimnis, die Schönheit der Seele, vor der rohen Gier der Gottlosen.
Philosophisch-poetische Gedanken dazu:
Verschleierung als göttliches Geheimnis: Das Göttliche bleibt immer ein Geheimnis, das nicht dem profanen Blick preisgegeben werden kann. In der Verschleierung wohnt eine heilige Distanz, die Achtung und Ehrfurcht fordert.
Die Forderung der Gottlosen als symbolische Versuchung: Die Welt möchte das Heilige entblößen, vermessen, es sich dienstbar machen – aber die Seele bewahrt ihre Würde durch das Schweigen und die Zurückweisung.
Schönheit als spirituelle Kraft: Die Schönheit Susannes ist mehr als äußere Erscheinung – sie steht für die göttliche Gnade, die nur dem wahren Richter, Gott, offenbar wird, nicht den bösen Blicken der Gottlosen.
VERS: Aber ihre Familie und Freunde und alle sahen, dass sie weinte.
KOMMENTAR:
Das Weinen Susannes ist mehr als nur ein Ausdruck menschlicher Trauer oder Angst vor Unrecht – es ist ein mystisches Symbol für die Seele, die im Dunkel der Versuchung und Verleumdung leidet. Ihre Tränen sind die stille Sprache des Glaubens inmitten der Bedrängnis.
„Aber ihre Familie und Freunde und alle sahen, dass sie weinte.“ – Diese Zeile offenbart die tiefe menschliche Verletzlichkeit, aber auch die verborgene Kraft des Glaubens. Im katholischen Mystizismus steht das Weinen für Reinigung und Läuterung: Tränen waschen die Seele von Schmerz und Sünde, sie öffnen das Herz für die göttliche Barmherzigkeit.
Die Familie und Freunde sehen ihr Weinen – es zeigt, dass das Unrecht sichtbar wird und dass Mitgefühl entsteht. Doch der wahre Trost kommt nicht von Menschen, sondern von Gott und Maria, der Trösterin der Betrübten. In ihrem Weinen erkennen wir auch ein Bild der Kirche, die leidet und doch im Vertrauen auf Gottes Recht bleibt.
Maria, die Mutter des Glaubens, steht als stille Fürsprecherin hinter Susanne – sie kennt das Weinen der Seele, denn auch sie hat am Kreuz geweint. So wird das Weinen zum heiligen Akt der Hingabe und des Vertrauens, das letztlich in göttliche Befreiung mündet.
Im mystischen Sinne lädt uns dieser Vers ein, unser eigenes Weinen und unsere inneren Schmerzen Gott anzuvertrauen, wissend, dass sie nicht vergeblich sind, sondern Teil eines größeren göttlichen Heilsplans.
VERS: Dann standen die beiden Ältesten in der Mitte des Volkes, und legten die Hände auf ihren Kopf.
KOMMENTAR:
Der Akt, dass die beiden Ältesten ihre Hände auf den Kopf legen, trägt eine tiefe symbolische Bedeutung, die über die äußerliche Handlung hinausweist. In der katholischen Mystik ist der Kopf das Zentrum des Geistes, der Vernunft und des göttlichen Bildes im Menschen — das „Imago Dei“.
1. Das Legen der Hände als Zeichen der Verantwortung und Autorität
Die Ältesten stehen „in der Mitte des Volkes“ — sie sind Vermittler zwischen Gott und dem Volk, Träger von Urteil und Weisung. Ihre Hände auf dem Kopf symbolisieren die Übernahme der geistlichen Last, die Verantwortung für das geistige Wohl des Volkes. Es ist ein äußerliches Zeichen der Einsetzung, der Berufung, aber auch der Prüfung des Gewissens.
2. Der Kopf als Sitz des göttlichen Lichtes
In der mystischen Tradition wird der Kopf als Sitz des göttlichen Lichts und der Inspiration verstanden. Wenn die Ältesten die Hände dort auflegen, steht es symbolisch für die Öffnung und Hingabe an Gottes Willen und Erkenntnis. Sie lassen sich von Gottes Geist erfüllen, um gerecht zu richten.
3. Ein Bild der Übertragung und Segnung
Das Handauflegen ist auch ein Zeichen der Übertragung von geistlicher Kraft, ähnlich wie bei der Salbung oder der Weihe. Es erinnert an biblische Handlungen, in denen durch das Handauflegen Segen, Heilung oder Heiligung geschieht. Hier wirkt es als ein mystisches Band zwischen göttlicher Weisung und menschlichem Urteil.
4. Mystische Reflexion: Das innere Gericht des Menschen
Auf einer tieferen Ebene kann man das Bild auch als Einladung zur inneren Einkehr lesen. Jeder Mensch, besonders der Richter und Älteste, ist aufgefordert, sein eigenes Herz und seinen Geist vor Gott zu legen, um das eigene Urteil zu prüfen. Das Handauflegen ist zugleich ein Symbol für das Ringen um Gerechtigkeit und die Furcht vor göttlichem Gericht.
Kurz gesagt: Das Bild der Ältesten mit den Händen auf dem Kopf spricht von der heiligen Last der Verantwortung, der Aufnahme göttlicher Weisheit und der mystischen Weihe, die im Dienst des Glaubens und der Gerechtigkeit geschieht. Es lädt uns ein, selbst unser Leben und Urteil vor Gott zu legen, im Vertrauen auf seine Führung und Barmherzigkeit.
VERS: Und sie weinte, schaute zum Himmel, denn ihr Herz vertraute auf den Herrn.
KOMMENTAR:
Mystischer Sinn: Die jungfräuliche Seele und das Licht Gottes
In der katholisch-mystischen Lesart wird Susanne als Bild der reinen, gottverliebten Seele gedeutet. Die Situation – die falsche Anklage durch die lüsternen alten Männer – steht symbolisch für die Angriffe der Sünde, der Verleumdung, ja sogar der Dämonen gegen die Unschuldigen und Treuen.
„Sie weinte“ – Die Tränen Susannes sind nicht bloß Tränen der Angst. Sie sind Tränen der Hingabe, der Demut, der Reinigung. In der mystischen Tradition, z. B. bei den Kirchenvätern oder bei Heiligen wie Theresia von Ávila oder Johannes vom Kreuz, gelten Tränen oft als Zeichen des inneren Gebets, des Schmerzes über das Böse und zugleich der tiefen Liebe zu Gott.
„Sie schaute zum Himmel“ – Dies ist ein Gebet mit den Augen. Ein schweigendes, durchdringendes Bitten. Mystiker verstehen das als den Akt der Kontemplation: nicht mehr bloß Worte, sondern das ruhige Verweilen im Blick Gottes – trotz äußerer Bedrängnis.
„Denn ihr Herz vertraute auf den Herrn“ – Der mystische Kern des Verses liegt hier: Susannes Herz ist mit Gott verbunden, nicht bloß auf der Ebene der Moral, sondern tief in ihrer inneren Substanz. Ihr Vertrauen ist ein Bild der spirituellen Einheit, wie sie die Seele im Zustand der Gnade mit Gott erlebt. Das Vertrauen ist nicht bloß Hoffnung auf Rettung – es ist Liebesvereinigung, die Gewissheit, dass Gott sie nicht verlässt.
Marianische Parallele
Viele katholische Mystiker sehen in Susanne eine Typologie Mariens: rein, verfolgt, standhaft, schweigend, tränenreich – und ganz auf Gott gerichtet. Wie Maria unter dem Kreuz schaute auch Susanne nach oben, obwohl unten die Richter ihren Tod planten. Ihr Vertrauen ist wie das Mariens beim Verkündigungswort: „Mir geschehe nach deinem Wort.“
Spirituelle Anwendung
Tränen der Seele – Wie oft finden wir uns bedrängt, verleumdet oder missverstanden. Die Tränen im Gebet sind kein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck des innersten Gebets.
Zum Himmel schauen – Der Blick zum Himmel im Gebet ist der erste Schritt zur Kontemplation, zur Loslösung vom Sichtbaren.
Vertrauen im Herzen – Wie Susanne sind wir gerufen, auch im Äußersten nicht auf Menschen, sondern auf Gott zu bauen.
VERS: Die Ältesten sagten: Als wir im Garten allein waren, kam diese Frau mit zwei Mägden, schloss die Gartentür und entließ die Mägde.
KOMMENTAR:
1. Mystische Deutungsebene
Dieser Vers ist ein Schlüssel zur Offenbarung der inneren Versuchung und des Fallens derer, die geistlich hohe Ämter bekleiden – symbolisiert durch die "Ältesten", die Richter Israels. Ihre Worte erscheinen als äußerlich plausibel, doch sind sie Frucht einer inneren Verfinsterung.
Garten als Seelenraum:
Der Garten in der biblischen Bildsprache steht oft für das Paradies, aber auch für den Innenraum der Seele, den Ort des Gebets, der Sammlung und des göttlichen Geheimnisses. Dass die Ältesten sagen, sie seien "allein im Garten", ist auf mystischer Ebene eine Aussage über den Rückzug aus der Gegenwart Gottes – sie beanspruchen die Seele (den Garten) für sich, ohne dass Gott gegenwärtig wäre.
Die Frau – Susanne – als Bild der reinen Seele oder der Kirche:
Susanne, deren Name "Lilie" bedeutet, steht in der mystischen Tradition für die Seele, die in Reinheit und Gottesfurcht lebt. Sie kommt mit ihren Mägden – also mit ihren Tugenden oder Diensten – in den Garten. Doch diese entlässt sie, um sich Gott in der Einsamkeit zuzuwenden, zum stillen Gebet im Herzen.
Die Verleumdung als Gegenbild der Versuchung:
Die Lüge der Ältesten stellt den Angriff der gefallenen geistlichen Autorität auf die reine Seele dar. Die Ältesten, geblendet durch Lust und Macht, konstruieren eine Version der Wirklichkeit, in der sie selbst die alleinigen Zeugen der "Wahrheit" sind. Sie wollen das Licht (Susannes Reinheit) verdunkeln, um ihre eigene Dunkelheit zu rechtfertigen.
2. Katholisch-theologische Perspektive
Die Sünde der falschen Zeugenschaft:
Im katholischen Verständnis ist falsches Zeugnis ein schwerwiegender Verstoß gegen das 8. Gebot. Die Ältesten pervertieren ihr Richteramt, ein sakrales Amt, indem sie es zum Werkzeug der Sünde machen. Hier wird sichtbar, wie gefährlich es ist, wenn Autorität sich von Gott abkoppelt – sie wird dämonisch.
Typologische Auslegung:
Susanne wird oft als Typus der Kirche gesehen – rein, aber verfolgt. Die Ältesten können für falsche Hirten stehen, die ihre Macht missbrauchen. Ihre Anklage ist nicht nur gegen die Frau gerichtet, sondern gegen das Prinzip der Reinheit selbst. Sie greifen an, was sie selbst verloren haben.
3. Spirituelle Anwendung
Die einsame Seele im Gebet:
Wenn die Seele sich ins Gebet zurückzieht ("schloss die Gartentür"), entlässt sie die äußeren Aktivitäten (die Mägde). In dieser Verborgenheit begegnet sie Gott – aber dort kann auch der Versucher sie suchen, um sie zu stören. Die Szene ist ein Gleichnis für die geistliche Prüfung in der Tiefe der Seele.
Wachsamkeit gegenüber innerem Missbrauch:
Nicht nur äußere Institutionen, auch die inneren Kräfte der Seele (Gedanken, Bewertungen, Leidenschaften) können sich gegen die Reinheit wenden. Die Ältesten wohnen auch in uns selbst – als Stimmen der Eigenrechtfertigung, der Versuchung, der falschen Logik.
Fazit
Dieser Vers ist nicht nur eine historische Lüge der Ältesten über Susanne, sondern ein Bild für die spirituelle Auseinandersetzung zwischen Licht und Finsternis in der Tiefe der Seele. Die Kirche, die reine Seele, wird angeklagt, weil sie sich der Welt entzieht, um mit Gott allein zu sein. Doch Gott selbst – durch Daniel, den Propheten – wird ihr Richter sein und sie rechtfertigen.
"O du Tochter Zions, verschließe den Garten deiner Seele, aber für Gott öffne ihn in Reinheit – und fürchte nicht die Anklage derer, die aus Neid lügen."
VERS: Dann kam ein junger Mann, der versteckt worden war, kam zu ihr und legte sich zu ihr.
KOMMENTAR:
1. Historischer und literarischer Kontext
Daniel 13 erzählt die Geschichte der frommen und schönen Susanne, die von zwei alten Richtern, den Ältesten Israels, sexuell bedrängt wird. Weil sie sich weigert, sie zu verführen, lügen die Richter und beschuldigen sie des Ehebruchs. Die Strafe wäre der Tod durch Steinigung. Doch der junge Prophet Daniel, inspiriert vom Geist Gottes, entlarvt die Lüge durch kluge Befragung – und Susanne wird gerettet.
Die von dir zitierte Stelle ist Teil der falschen Aussage der alten Richter. Sie behaupten: „Dann kam ein junger Mann, der versteckt worden war, kam zu ihr und legte sich zu ihr.“ Dies ist nicht die Wahrheit, sondern eine Lüge, die aus Begierde, Neid und Bosheit geboren wurde.
2. Mystischer Deutungsansatz
Die Seele als Susanne
In der mystischen Tradition, insbesondere bei Kirchenvätern wie Origenes oder später bei der hl. Hildegard von Bingen, wird Susanne als Bild der reinen Seele verstanden – treu gegenüber Gott, ihrem „Bräutigam“. Sie geht baden im Garten, einem Ort des Lebens, ähnlich wie Eva im Paradies. Das Bad symbolisiert Reinigung, Intimität mit Gott, spirituelle Tiefe.
Die alten Richter – dämonische Gedanken
Die beiden alten Männer stehen mystisch für dämonische Versuchungen, alte Muster, Begierden, falsche Gedanken – oder auch für das alte Gesetz, das ohne Liebe zur Wahrheit verurteilt. Sie beobachten die Seele (Susanne) im Moment ihrer Reinheit, aber nicht, um sie zu verehren, sondern um sie zu besitzen. Sie greifen nach der Seele, wenn sie „nackt“ ist – verletzlich, offen, in der Stille mit Gott.
Der „junge Mann“ – die Lüge über die mystische Vereinigung
Die Richter behaupten: „Ein junger Mann kam und legte sich zu ihr.“ Diese Lüge steht für die Verzerrung des wahren geistlichen Geschehens. In der Mystik gibt es tatsächlich eine Vereinigung der Seele mit dem „Geliebten“, mit Christus selbst. Doch diese Vereinigung ist geistlich, rein, bräutlich – nicht fleischlich im sündhaften Sinn. Die Anklage verdreht das Heilige ins Profane.
In gewisser Weise steht der „junge Mann“ in der Lüge als Karikatur Christi – ein Bild für die Verfälschung der heiligen Liebe, wie sie in der mystischen Hochzeit (z.B. bei der hl. Teresa von Ávila oder Johannes vom Kreuz) beschrieben wird.
3. Katholisch-mystische Lehre
Susanne steht für die Seele, die in Reinheit und Treue lebt.
Die alten Männer stehen für die Versuchungen und Lügen des Bösen, das die Seele zerstören will.
Der „junge Mann“ in ihrer Aussage steht für die Verdrehung heiliger Wahrheit – die falsche Anklage gegen die mystische Vereinigung von Seele und Gott.
Daniel steht für den Heiligen Geist, der in der Seele aufsteht, Wahrheit unterscheidet und rettet.
Fazit
Die Stelle „Dann kam ein junger Mann, der versteckt worden war, kam zu ihr und legte sich zu ihr“ ist Teil einer dämonisch motivierten Lüge, die das Heilige in den Dreck zieht. Doch durch den Propheten Daniel, Symbol des göttlichen Erkennens, wird die Lüge entlarvt, und die Seele wird gerechtfertigt.
Diese Geschichte ist ein Aufruf zur Reinheit, zur geistigen Wachsamkeit, und zum Vertrauen auf die rettende Macht des Geistes Gottes – besonders in Zeiten der Versuchung und Finsternis.
VERS: Wir waren in einer Ecke des Gartens, und als wir diese Schlechtigkeit sahen, rannten wir zu ihr.
KOMMENTAR:
Historisch-literarischer Kontext:
Daniel 13 beschreibt, wie zwei ältere Richter Susanne, eine fromme und schöne Frau, begehren. Als sie ihre Avancen zurückweist, bezichtigen sie sie fälschlicherweise des Ehebruchs. Susanne wird zum Tod verurteilt – doch der junge Prophet Daniel deckt durch kluge Befragung die Lüge der Richter auf.
Die Szene im Garten ist entscheidend: Die Richter behaupten, sie hätten die angebliche „Schlechtigkeit“ (nämlich Ehebruch) gesehen, als sie Susanne überraschten. Ihre Lüge steht im Zentrum dieses Kapitels.
Mystisch-symbolische Auslegung:
„Wir waren in einer Ecke des Gartens“ –
Der Garten steht hier mystisch für das Herz oder das innere Paradies des Menschen. Die „Ecke“ symbolisiert einen Ort des Rückzugs, aber auch der Verdrängung – dort, wo unbewusste Gedanken oder verborgene Lüste wohnen. Die Alten halten sich nicht im Zentrum des Gartens (dem reinen Herzen) auf, sondern in einer abgewandten Ecke – ein Zeichen dafür, dass ihr Blick nicht lauter ist.
„...und als wir diese Schlechtigkeit sahen“ –
In mystischer Lesart ist dies ein Spiegel der inneren Projektion: Die Richter sehen nicht tatsächlich Schlechtigkeit, sondern sie projizieren ihre eigene Begierde auf Susanne. So wird die „Schlechtigkeit“, die sie zu sehen glauben, eigentlich eine Offenbarung ihrer eigenen inneren Unreinheit.
Mystische Lehre: Was der Mensch im anderen verurteilt, ist oft ein Spiegel seiner selbst (vgl. Mt 7,3 – „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders...?“).
„...rannten wir zu ihr.“ –
Dieser Ausdruck ist doppeldeutig. Einerseits scheint er Tatkraft zu signalisieren, andererseits verrät er eine gewisse Gier, ein schnelles Zueilen – symbolisch für die unbeherrschte Leidenschaft. Sie rennen nicht aus Liebe zur Gerechtigkeit, sondern aus Triebhaftigkeit.
Spirituelle Bedeutung für heute:
Diese Szene mahnt zur Reinheit des Blickes und zum wahren Gericht im Herzen. Der Garten wird zum Symbol des geistlichen Lebens: In den „versteckten Ecken“ unseres Inneren können sich Begierden und falsche Urteile verbergen, die, wenn sie nicht vom Licht des Heiligen Geistes durchdrungen werden, zu Ungerechtigkeit führen.
Daniel ist hier Typus des wahren Propheten – er schaut mit göttlicher Weisheit in das Herz des Menschen und unterscheidet Wahrheit von Lüge. So erinnert diese Geschichte daran, dass Gott ins Herz sieht, auch wenn die Menschen sich verstellen (vgl. 1 Sam 16,7).
VERS: Wir sahen sie einander umarmen, aber wir konnten nicht festhalten den Mann, denn er war zu stark für uns, und er öffnete die Tür und stürzte hinaus.
KOMMENTAR:
Diese Stelle stammt aus der falschen Aussage der beiden alten Richter, die Susanne der Ehebrecherei beschuldigten, nachdem sie ihre Verführung zurückgewiesen hatte.
1. Die Umarmung als Symbol des Sündenfalls
Die Alten behaupten, Susanne habe sich mit einem Mann „umarmt“ – im biblischen Symbolismus steht die Umarmung oft für innige Verbindung, hier fälschlich als Ausdruck der fleischlichen Sünde dargestellt. Doch diese Szene ist eine Lüge – sie beschreibt nicht die Wahrheit, sondern den Versuch, eine unschuldige Seele (Susanne) durch Falschheit zu verderben.
Mystische Deutung:
Die Seele (Susanne) wird von der Lust (den beiden Richtern) bedrängt. Die Lüge des Satans flüstert der Seele ein, sie sei bereits gefallen – aber der Gerechte weiß: Reinheit ist ein innerer Zustand, nicht nur äußerlich.
2. „Er war zu stark für uns“ – Christus als der Starke
Mystisch betrachtet könnte der „unbekannte Mann“, der sich der Verleumdung entzieht, ein Typus Christi sein: der, der den Weg öffnet (Türsymbolik!), die Lüge entlarvt und in der Wahrheit entkommt.
Symbol:
Die „Tür“ = Christus selbst („Ich bin die Tür“, Joh 10,9)
Der „Starke“ = Der Erlöser, der die Macht der Lüge überwindet
Die „Alten“ = Symbole für das alte Gesetz oder das verdorbene religiöse Establishment, das von Gier und Lust verdorben ist
3. Susanne als Bild der unbefleckten Seele / Mariens
In der katholischen Tradition wird Susanne oft als Bild für Maria oder allgemein die jungfräuliche Kirche gedeutet: Rein, verfolgt, verleumdet – aber von Gott gerechtfertigt.
„Da erhob sich Daniel, der Geist Gottes war in ihm.“ (Dan 13,45)
Hier tritt der Geist der Wahrheit auf – der Heilige Geist, der der Seele beisteht.
VERS: So haben wir diese Frau festgenommen und fragten sie, wer der junge Mann war, aber sie wollte es uns nicht sagen. Diese Dinge sind es, die wir bezeugen.
KOMMENTAR:
Zwei alte Richter, getrieben von Begierde, wollten die keusche Susanne verführen. Als sie sich ihnen verweigert, bezichtigen sie sie der Ehebrecherei. Sie behaupten, sie hätten sie mit einem jungen Mann im Garten überrascht, den sie aber nicht identifizieren könne oder wolle.
Mystische Deutung:
1. Die „Frau“ als Bild der Seele
In der katholischen Mystik wird „die Frau“ oft als Symbol für die Seele verstanden, insbesondere die reine, betende Seele, die sich Gott hingibt. Susanne steht hier für die gottesfürchtige Seele, die trotz Versuchung standhaft bleibt.
2. Die „zwei Alten“ als Symbole für verführende Gedanken
Die beiden alten Männer symbolisieren im mystischen Sinne die alten, verderbten Kräfte der Seele: Begierde und Stolz. Sie sind erfahren und klug in weltlichen Dingen, aber innerlich verfallen. Ihre Falschheit erinnert daran, wie auch Gedanken, die lange in uns wohnen, sich gegen die Reinheit der Seele wenden können.
3. Die falsche Anklage als geistlicher Angriff
Die Anschuldigung – „wir haben sie mit einem jungen Mann gesehen“ – verweist mystisch auf die Weise, wie das Böse die Seele verleumdet, selbst wenn sie unschuldig ist. Der „junge Mann“ könnte symbolisch für eine innere geistliche Kraft stehen (z. B. Christus, das göttliche Wort), die im „Garten“ (im Herzen) der Seele wohnt. Doch der wahre Sinn wird vom Bösen verkehrt.
4. Das Schweigen Susannes über den „jungen Mann“
Dass Susanne „es uns nicht sagen wollte“, kann bedeuten: Die Seele schützt das Mysterium Gottes in sich. Sie offenbart das Innerste – das Verhältnis zu Gott – nicht den Verleumdern. Dies ist ein Akt der Treue. Sie bewahrt das Geheimnis der Gnade, wie Maria alles in ihrem Herzen bewahrte (vgl. Lk 2,19).
Christologische Dimension:
In der katholischen Tradition wird Daniel in dieser Geschichte als Typus Christi gesehen:
Er tritt für die Unschuldige ein.
Er entlarvt die Lüge.
Er rettet durch die Kraft des Geistes.
Die Geschichte ist daher auch ein Bild für das jüngste Gericht: Gott kennt die Wahrheit über jede Seele und wird die verborgene Lüge entlarven. Die Geschichte Susannes kündigt im Voraus die Rettung durch das göttliche Wort an – Daniel handelt im Geist Gottes wie später Christus selbst.
VERS: Das Volk glaubte ihnen, weil sie die Ältesten des Volkes und Richter waren, und sie verurteilten sie zum Tod.
KOMMENTAR:
1. Wörtlicher Sinn:
Die Szene zeigt, wie menschliche Autorität – in diesem Fall die Ältesten und Richter Israels – missbraucht werden kann. Obwohl sie in der Gemeinschaft hohes Ansehen genossen, nutzten diese Männer ihre Stellung, um eine unschuldige Frau (Susanne) durch eine Lüge zu Fall zu bringen. Das Volk glaubte ihnen, weil sie den Anschein von Gerechtigkeit trugen.
2. Moralischer Sinn:
Hier liegt eine starke Warnung vor dem blinden Vertrauen in Autorität, vor allem wenn sie nicht mit wahrer innerer Gerechtigkeit verbunden ist. Susanne steht als Symbol der Tugend, Reinheit und Standhaftigkeit – auch unter tödlichem Druck. Die Ältesten dagegen symbolisieren die Gefahr der Verderbtheit innerhalb von religiösen und sozialen Strukturen.
Lehre: Die Wahrheit ist nicht an Titel oder Rang gebunden. Das Gewissen muss geschärft werden, um zwischen echter Autorität und korruptem Machtmissbrauch zu unterscheiden.
3. Mystischer (allegorischer) Sinn:
Im mystischen Licht ist Susanne ein Bild für die Braut, für die Kirche oder auch für die Seele des Gerechten, die von den Mächten dieser Welt (den „Richtern“) bedrängt wird. Diese falschen Richter stehen allegorisch für dämonische Kräfte, die durch Lüge und Verdrehung das Licht im Menschen auslöschen wollen.
Aber Gott lässt dies nicht zu: Der junge Daniel (Symbol des heiligen Geistes, des wahren Unterscheidungsvermögens) tritt auf – aus dem Verborgenen, aus der Unscheinbarkeit – und deckt die Wahrheit auf. So wirkt Gott oft: leise, aber entschlossen, durch sein Werkzeug die Lüge zu entlarven und die Gerechte zu retten.
Susanne = die Seele in Reinheit.
Die beiden Richter = Versuchung und Verblendung.
Daniel = das göttliche Licht der Unterscheidung.
4. Anwendung auf heute:
In einer Zeit, in der Medien, Autoritäten und selbst religiöse Stimmen nicht immer verlässlich sind, erinnert Daniel 13 daran, dass geistige Wachsamkeit notwendig ist. Die Wahrheit muss innerlich geprüft, nicht nur äußerlich angenommen werden.
VERS: Dann rief Susanne mit lauter Stimme und sprach: Ewiger Gott, der du erkennst, was geheim ist, der du Kenntnis von allen Dingen hast, bevor sie geschehen,
KOMMENTAR:
Mystisch-symbolische Auslegung:
1. „Dann rief Susanne mit lauter Stimme…“
Susannes Ruf ist nicht nur ein äußerer Hilferuf, sondern Ausdruck der Seele im Kampf gegen die Ungerechtigkeit. Die „laute Stimme“ symbolisiert den Schrei der Unschuld, der in der geistlichen Welt nicht ungehört bleibt. Mystisch gesehen ist es der Ruf der reinen Seele zur göttlichen Wahrheit in einer Welt der Lüge.
2. „Ewiger Gott…“
Der Begriff „Ewiger“ verweist auf den zeitlosen Ursprung allen Seins. Gott steht außerhalb der Geschichte und ist doch ihr Herr. Im mystischen Sinn betet Susanne nicht zu einem fernen Wesen, sondern zu dem immanenten Logos, der in allem verborgen wirkt – das Licht, das alle Dunkelheit durchdringt.
3. „Der du erkennst, was geheim ist…“
Hier beginnt die mystische Erkenntnis Gottes als des Durchschauenden. Das Verborgene – die Herzen der Menschen, ihre Absichten, das Innerste – ist Gott offenbar. Der wahre Richter ist nicht der Mensch, sondern der, der in das Herz sieht. In der Tradition der Mystik entspricht dies der Idee, dass nichts in der Seele vor Gott verborgen ist, weshalb der innere Zustand wichtiger ist als äußere Werke.
4. „Der du Kenntnis von allen Dingen hast, bevor sie geschehen…“
Ein Hinweis auf Gottes allumfassendes Wissen (Allwissenheit). Für die Mystik bedeutet dies nicht bloß Vorherwissen, sondern dass in Gott alles gleichzeitig gegenwärtig ist. Das spricht für ein tieferes Vertrauen: Gott ist nicht nur ein Richter nach der Tat, sondern ein Vater, der schon vor dem Fall das Herz kennt. In Susannes Fall erkennt Er ihre Reinheit noch bevor ihre Unschuld bewiesen ist.
Geistliche Deutungsebene:
Susanne ist das Bild der reinen Braut, die Seele, die sich nicht den Versuchungen und Lügen der Welt unterwirft, sondern in Treue und innerer Klarheit zu Gott steht. Die beiden alten Richter stehen symbolisch für verdorbene weltliche Macht und religiöse Heuchelei. Doch die Seele, die zu Gott ruft, wird erhört – nicht durch äußere Macht, sondern durch das Zeugnis des Geistes, hier vertreten durch den jungen Propheten Daniel, das Symbol für göttliche Weisheit und Unterscheidungskraft.
Zusammenfassung:
Daniel 13,42 ist ein Ruf der Seele in der Nacht der Prüfung. Die Mystik sieht darin einen Aufschrei zum Herzensgott, zum Licht in der Dunkelheit, zu dem, der allein wahrhaft richten kann. Der Vers lädt den Betrachter ein, selbst zu vertrauen, dass Gott das Verborgene sieht und für die Wahrheit eintritt – auch wenn alle Umstände dagegen sprechen.
VERS: Du weißt, dass diese Männer falsches Zeugnis gegen mich vorgetragen haben. Und jetzt bin ich dem Tod geweiht! Aber ich habe keines der Dinge, die sie gottlos gegen mich erfunden haben, getan.
KOMMENTAR:
„Du weißt, dass diese Männer falsches Zeugnis gegen mich vorgetragen haben. Und jetzt bin ich dem Tod geweiht! Aber ich habe keines der Dinge, die sie gottlos gegen mich erfunden haben, getan.“
(Daniel 13,43-44; Übersetzung leicht angepasst)
1. Mystik der Unschuld und des Leidens
Susanne steht hier als Symbol der reinen Seele, die im Angesicht von Bosheit und Ungerechtigkeit Zuflucht zu Gott nimmt. Ihr Schrei ist nicht bloß ein Ruf um Hilfe, sondern ein mystischer Akt des Vertrauens. Sie anerkennt Gottes allwissende Gegenwart: „Du weißt...“ — ein Ausdruck vollkommener Hingabe und tiefen Glaubens, dass Gott das Verborgene sieht.
Mystisch betrachtet ist Susanne eine Gestalt Mariens im Voraus: Rein, verleumdet, zum Tod verurteilt, aber von Gott selbst gerechtfertigt.
2. Das falsche Zeugnis – Sünde gegen die Wahrheit
Die Ältesten stehen hier als Archetypen für das verderbte religiöse System, das äußere Autorität besitzt, aber innerlich verworfen ist. Ihre Lüge ist nicht nur gegen einen Menschen gerichtet, sondern gegen die Wahrheit selbst – und somit gegen Gott. Mystisch betrachtet ist das falsche Zeugnis eine Verzerrung des Logos, des göttlichen Wortes, das in Reinheit und Gerechtigkeit gesprochen sein sollte.
Susannes Weigerung, sich der Sünde zu beugen, steht für den inneren Gehorsam gegenüber dem göttlichen Gesetz, auch wenn dies den Tod bedeutet. Ihre Seele stirbt lieber als zu sündigen – ein mystischer Märtyrergeist, ähnlich dem Kreuzweg Christi.
3. Gott sieht das Herz
In der Tiefe dieser Klage liegt ein Vertrauen, das durch und durch mystisch ist: Gott kennt die Wahrheit, auch wenn Menschen lügen. Die Seele, die Gott in Reinheit anhängt, wird vor ihm bestehen, selbst wenn die Welt ihr das Gegenteil zuspricht. Diese Stelle spiegelt auch die Prüfung des Glaubens wider, wie sie in der dunklen Nacht der Seele beschrieben wird (vgl. Johannes vom Kreuz).
4. Der Typus der Kirche
Susanne kann mystisch auch als Typus der Kirche verstanden werden: schön, rein, begehrt von der Welt, bedrängt von falschen Autoritäten, verleumdet und zum Untergang verurteilt – aber durch das Eingreifen des Geistes (verkörpert durch den jungen Daniel) gerettet durch Wahrheit und Prophetie. Der Geist Daniels ist der Heilige Geist, der das Verborgene ans Licht bringt.
Fazit (geistlicher Impuls):
Diese Stelle lädt dich ein, in Momenten von Verleumdung, innerem Kampf oder äußerer Bedrängnis den Blick auf Gott zu richten und mit Susanne zu sprechen:
„Du weißt…“
Es ist ein mystisches Gebet, das nicht auf Gerechtigkeit durch Menschen hofft, sondern auf die göttliche Wahrheit, die das Herz sieht. Die Reinheit des Herzens ist stärker als das Urteil der Welt.
VERS: Der Herr hörte sie weinen.
KOMMENTAR:
Wörtliche Bedeutung:
Susanne, zu Unrecht von zwei alten Richtern der Unzucht beschuldigt, hebt ihre Stimme zu Gott, weint und betet. In ihrer äußersten Not, in vollkommener Einsamkeit und menschlicher Ausweglosigkeit, geschieht das Entscheidende: Gott hört.
Mystische Deutung
1. Die Träne als Gebet
In der Mystik, besonders bei den Kirchenvätern und Heiligen wie Teresa von Ávila oder Johannes vom Kreuz, ist das Weinen nicht bloß Ausdruck von Emotion – es ist ein sakramentales Zeichen innerer Wahrheit. Susannes Tränen sind nicht Ausdruck der Verzweiflung, sondern einer durch Gnade geöffneten Seele. In ihren Tränen liegt das ganze Vertrauen auf Gott – Tränen, die den Himmel bewegen.
„Tränen sind die Sprache der Seele, wenn Worte verstummen.“
„Der Herr hörte sie weinen“ bedeutet: Er vernahm nicht nur die Stimme, sondern auch das unsichtbare Beben ihres Herzens.
2. Das Hören Gottes – ein Akt göttlicher Intimität
Das „Hören“ Gottes ist im mystischen Sinne immer ein Ausdruck innigster Nähe. Es ist kein bloßes registrierendes Hören, sondern ein mitfühlendes, ein sich-zuwendendes Hören. Gott steigt gleichsam in das Weinen Susannes hinab, er wohnt in ihrer Verlassenheit.
Wie Christus später im Garten Getsemani „unter Tränen betete“, so wird Susanne hier zur Vorläuferin der betenden Kirche in der Bedrängnis.
3. Die jungfräuliche Treue der Seele
In der katholischen Mystik wird die gerechte Susanne oft als Bild der Seele gesehen, die treu bleibt trotz Bedrängnis, Versuchung und falscher Anklage. Ihre Keuschheit ist nicht nur körperlich, sondern eine geistige Integrität – das ungeteilte Herz.
„Die Seele, die dem Herrn allein gehört, wird vom Feind bedrängt, aber Gott schaut auf ihre Treue.“
4. Daniel als Stimme des göttlichen Eingreifens
Die Berufung Daniels (der Name bedeutet „Gott ist mein Richter“) mitten in diesem Drama steht mystisch für das plötzliche Eingreifen der göttlichen Wahrheit in die Welt. Wo Menschen lügen, redet Gott durch die, die im Geist leben.
Zusammenfassung:
„Der Herr hörte sie weinen“ – das ist das mystische Herz des 13. Kapitels des Danielbuches.
Es ist ein Vers, der zeigt, wie Gottes Ohr nicht fern ist, wenn eine Seele in Reinheit und Vertrauen zu ihm ruft. Die Träne der Unschuldigen hat Gewicht im Himmel. In einer Welt voller falscher Richter bleibt Gott der wahre Richter – und die Seele, die ihm vertraut, wird nicht beschämt.
VERS: Und als sie abgeführt worden ist und entfernt worden, um zu Tode gebracht zu werden, erweckte Gott den heiligen Geist eines jungen Knaben namens Daniel;
KOMMENTAR:
1. „...abgeführt worden ist...“
Susanne steht hier sinnbildlich für die unschuldige Seele, die durch falsche Anklagen in Bedrängnis gerät. In der mystischen Tradition ist sie ein Bild der Kirche, der Braut Christi, die durch Lüge und Verdrehung der Wahrheit angegriffen wird. Ihre Abführung ist wie das Kreuztragen eines Gerechten, der äußerlich verlassen scheint, doch innerlich mit Gott verbunden bleibt.
2. „...entfernt worden, um zu Tode gebracht zu werden...“
Dies ist ein symbolischer Moment der totalen Dunkelheit – die sogenannte nox mystica, die dunkle Nacht der Seele. Die Gerechte steht am Rand des Todes, doch gerade hier beginnt die göttliche Wende. Wie Christus vor seiner Auferstehung in den Tod ging, so durchschreitet auch Susanne den Abgrund des Schmerzes im Vertrauen.
3. „...erweckte Gott den heiligen Geist...“
Gott bleibt nicht fern. In der entscheidenden Stunde erweckt Er den Geist, den „Ruach“, den Odem, das Leben, das Licht. Dies ist keine gewöhnliche Inspiration, sondern ein göttlicher Anstoß, der aus der Ewigkeit in die Zeit fällt. Der „heilige Geist“ wird hier nicht im trinitarischen Sinne vollständig entfaltet, aber als Wirken Gottes erkennbar – es ist eine epiphanische Intervention, die Gottes lebendige Nähe bezeugt.
4. „...eines jungen Knaben namens Daniel“
Daniel, der „Gott ist mein Richter“, ist jung – das heißt: rein, unverbraucht, nicht korrumpiert von der Welt. In der Mystik steht Jugend oft für das geistige Herz, das offen ist für die göttliche Wahrheit. Daniel ist ein Bild für das prophetische Gewissen, das in der Welt erwacht, wenn Unrecht herrscht. Der Heilige Geist wirkt durch das Schwache, um das Starke zu beschämen (vgl. 1 Kor 1,27).
Spirituelle Bedeutung:
Diese Szene zeigt uns, dass Gott niemals das Gerechte untergehen lässt, auch wenn es bis zur letzten Sekunde so scheint. Der Heilige Geist wirkt nicht immer spektakulär, aber immer zur rechten Zeit. Daniel wird zum Werkzeug der göttlichen Gerechtigkeit – so wie jeder von uns berufen ist, ein „kleiner Daniel“ zu sein, offen für den Impuls des Geistes, um Wahrheit und Barmherzigkeit zur Sprache zu bringen, wenn die Welt schweigt.
VERS: Und er rief mit lauter Stimme: Ich bin unschuldig an dem Blut dieser Frau.
KOMMENTAR:
1. Die Stimme des Gerechten:
Daniels lauter Ruf symbolisiert die Stimme des Heiligen Geistes in der Welt, der sich gegen das Unrecht erhebt – besonders wenn es sich gegen die Unschuldigen richtet. Daniel wird hier zum Vorbild des prophetischen Menschen, der Gottes Wahrheit in einer verderbten Welt verkündet, ohne Furcht, allein gegen die Masse.
2. Typus Christi:
Daniels Ausruf erinnert prophetisch an das Wort des Pilatus über Jesus: „Ich bin unschuldig am Blut dieses Gerechten“ (Mt 27,24). Doch während Pilatus sich feige dem Druck der Menge beugt, handelt Daniel mutig. So ist Daniel hier ein Vorbild Christi, der sich für die Verfolgten einsetzt – der gerechte Richter, der nicht nur das Unrecht erkennt, sondern es auch heilt.
3. Die Unschuld der Braut:
Susanne, die „Lilie“, wie ihr Name auf Hebräisch bedeutet, ist in der mystischen Deutung ein Bild der reinen Kirche, der mystischen Braut Christi, die vom „alten Mann“ (den zwei korrupten Richtern) bedrängt wird. Diese stehen für die Verdorbenheit des Gesetzes ohne Gnade, für eine religiöse Autorität, die ihre Macht missbraucht.
Daniel, der Neue, der Jüngling, ist ein Bild für den Heiligen Geist, der die Kirche in Bedrängnis nicht verlässt. Seine Stimme erhebt sich in der Stunde der Prüfung.
4. Die „laute Stimme“ als Bild der prophetischen Wahrheit:
Die laut gerufene Wahrheit Daniels ist ein Zeichen dafür, dass die Wahrheit nicht verborgen bleiben darf. Im mystischen Sinn erinnert dies an die Stimme des Engels in der Offenbarung, der mit großer Stimme ruft (Offb 14,7): „Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre!“
5. Die Reinigung des Volkes:
Indem Daniel sich lossagt vom Unrecht, das durch falsche Zeugen entstehen soll, beginnt eine Reinigung des Volkes Israel. Im mystischen Licht ist dies ein Ruf zur inneren Läuterung, zur Rückkehr zur Wahrheit. Die wahre Gemeinschaft Gottes ist nicht dort, wo Macht herrscht, sondern wo Gerechtigkeit und Reinheit wohnen.
Zusammenfassung (katholisch-mystisch):
Der Ausruf Daniels ist mehr als ein historisches Ereignis. Es ist der Aufschrei der göttlichen Wahrheit im Herzen des Gerechten. Mystisch steht Susanne für die Seele, die rein und treu ist, bedrängt vom „alten Gesetz“, aber gerettet durch das lebendige Wort Gottes, das im Daniel erscheint. Die Szene erinnert an Christus, der für die Kirche, seine Braut, eintritt, und an Maria, die „Unschuldige“, deren Reinheit nie befleckt wurde.
VERS: All die Leute drehten sich zu ihm um und sagten: Was ist das, was du gesagt hast?
KOMMENTAR:
„Was ist das, was du gesagt hast?“ (vgl. Daniel 13,49)
Diese Frage stellen die Leute, als Daniel die Richter auf ihre Falschaussage anspricht und den Prozess unterbricht.
1. Der prophetische Ruf der Wahrheit
Daniel wird hier zum Sprachrohr Gottes. Mystisch betrachtet ist er die Stimme des inneren Gewissens, der göttlichen Wahrheit, die aufrüttelt und verborgene Sünde aufdeckt.
„Was ist das, was du gesagt hast?“ – Diese Frage ist der Schock des Volkes vor dem Unerwarteten, das Erkennen einer höheren Wahrheit, die aus dem Mund eines Jünglings kommt. Es ist der Moment, in dem das Licht ins Dunkel dringt.
2. Susanne als Bild der makellosen Seele
In katholisch-mystischer Tradition wird Susanne oft als Bild der reinen Kirche oder auch der unbefleckten Seele gesehen. Sie steht für die Treue zu Gott inmitten einer verdorbenen Welt.
Die falschen Ankläger hingegen symbolisieren die Verdorbenheit religiöser Macht, die nicht auf Gottes Gerechtigkeit, sondern auf Begierde und Lüge baut.
3. Daniel – Typus des Christus
Daniel ist ein Vorausbild Christi. Er handelt aus göttlicher Eingebung, verteidigt die Unschuldigen und entlarvt die Heuchler. In ihm wirkt der Geist Gottes, der unterscheidet zwischen Schein und Wahrheit.
Sein Zwischenruf „Ich bin unschuldig am Blut dieser Frau“ erinnert mystisch an Pilatus’ Satz bei Jesus, aber mit umgekehrter Moral: Während Pilatus sich die Hände wäscht, greift Daniel ein – ein Vorbild für prophetische Zivilcourage.
4. Das Volk als Symbol des unentschiedenen Herzens
Die Reaktion des Volkes – die plötzliche Wende – zeigt, wie schnell die Masse zwischen Gut und Böse schwankt. Doch im Moment der Wahrheit hört das Volk auf Daniel, was darauf hindeutet:
Wenn der göttliche Funke überspringt, erkennt sogar das weltliche Herz das Licht.
Theologisch betrachtet:
Diese Szene ist ein Lehrstück über:
Gottes Vorsehung: Gott sendet den Daniel zur rechten Zeit.
Göttliche Gerechtigkeit: Die Wahrheit siegt durch göttliche Eingebung.
Prophetisches Handeln: Wer mit Gott verbunden ist, spricht mit Autorität.
Fazit:
„Was ist das, was du gesagt hast?“ – Diese Frage ist mehr als eine bloße Nachfrage. Sie ist das Erwachen des Volkes angesichts der Wahrheit. In der mystischen Tradition steht sie für den Moment, in dem das Licht Gottes die Lüge überstrahlt. Daniel ist dabei das Werkzeug göttlicher Weisheit – jung, rein, mutig. Die Geschichte ruft auch heute dazu auf, für die Wahrheit einzutreten, selbst wenn sie gegen die Mächtigen gerichtet ist.
VERS: Er stand in ihrer Mitte und sagte: Seid ihr so dumm, ihr Söhne Israels? Habt ihr eine Tochter Israels ohne Prüfung und ohne die Fakten zu hören verurteilt?
KOMMENTAR:
„Er stand in ihrer Mitte und sagte: Seid ihr so dumm, ihr Söhne Israels?“
Hier erhebt sich Daniel, der jugendliche Prophet, als Symbol des göttlichen Logos, der in der Mitte der Gemeinde steht. Mystisch betrachtet, ist dies das Erwachen des reinen, vom Geist durchdrungenen Verstandes, der Unrecht nicht duldet. „In ihrer Mitte“ verweist auf Christus inmitten seiner Kirche, aber auch auf das innere Zentrum der Seele, wo die Wahrheit spricht, wenn das Gewissen wach ist.
„Habt ihr eine Tochter Israels ohne Prüfung und ohne die Fakten zu hören verurteilt?“
Diese Frage ist Anklage und Offenbarung zugleich. Der Vorwurf gilt einer Blindheit des Herzens, einem Urteil, das nicht auf Wahrheit, sondern auf Machtmissbrauch und Begierde beruht. Susanne ist ikonisch für die reine Seele, die durch dunkle Kräfte bedrängt wird. Die „Tochter Israels“ steht auch für die gläubige Seele, die treu in Gottes Gesetz lebt, doch von den Alten (Symbole für veraltete, korrupte Autorität) verleumdet wird.
Daniel aber – er ist hier das Bild des heiligen Geistes, der zur rechten Zeit Wahrheit ans Licht bringt. Der mystische Sinn liegt darin, dass in jeder Seele die Fähigkeit liegt, in der Wahrheit aufzustehen – selbst wenn Lüge und Macht dominieren.
Zusammenfassung (katholisch-mystisch)
Daniel: Typus Christi, Stimme des Heiligen Geistes, Symbol für das erleuchtete Gewissen.
Susanne: Die reine, gläubige Seele – jungfräulich im Herzen, treu in Gottes Gesetz.
Die Alten: Verderbte Macht, falsche Autorität, Träger der Lust und des Missbrauchs.
Das Urteil: Warnung vor Urteilen ohne Erkenntnis – ein Aufruf zur inneren Gerechtigkeit.
Die Rettung: Bild für die göttliche Intervention, die der Wahrheit dient.
VERS: Bringt sie an den Ort des Gerichts zurück. Denn diese Männer haben falsches Zeugnis gegen sie vorgetragen.
KOMMENTAR:
1. Ort des Gerichts – Symbol für das Gewissen
Im mystischen Sinne steht der „Ort des Gerichts“ nicht nur für einen physischen Ort der Rechtsprechung, sondern auch für das innere Tribunal des Gewissens. Jeder Mensch trägt diesen Ort in sich – dort, wo Wahrheit und Lüge, Licht und Schatten offenbar werden. Susanne wird dorthin zurückgebracht, aber nicht als Schuldige, sondern als Opfer einer Intrige. Mystisch betrachtet ist das eine Einladung zur Rückkehr in das Licht der Wahrheit, eine Bewegung vom äußeren Urteil zum inneren Licht Gottes.
2. Falsches Zeugnis – das Zerrbild der Wahrheit
Die beiden alten Männer stehen symbolisch für die verdorbene Weisheit dieser Welt, für jene, die ihre Macht missbrauchen, um die Wahrheit zu unterdrücken. Ihr „falsches Zeugnis“ ist im mystischen Sinne ein Bild für all die Gedanken, die den Menschen anklagen, ohne dass sie aus dem göttlichen Geist stammen. Sie stehen für den inneren Dialog der Versuchung, der Lüge und des Selbstbetrugs, die sich gegen die Reinheit der Seele richten.
3. Daniel – das Symbol der Prophetischen Klarheit
Daniel tritt auf wie ein Lichtstrahl, der die Dunkelheit durchdringt. Er ist die Stimme Gottes im Herzen, die Unterscheidungskraft, die Lüge und Wahrheit trennt. Mystisch gesehen ist er das Bild des erleuchteten Verstandes, der – im Heiligen Geist – zwischen Schein und Sein unterscheidet.
4. Susanne – die Seele in der Bedrängnis
Susanne ist im katholisch-mystischen Verständnis ein Bild der treuen Seele, die verfolgt wird, weil sie rein bleibt. Sie steht für die Ecclesia, die Kirche, oder auch für Maria, die ohne Sünde blieb. Ihre Rettung ist ein Bild für die endgültige Rechtfertigung der Gerechten am Tag des Gerichts, aber auch für die tägliche Erfahrung, dass Gott die verborgenen Gedanken der Menschen kennt und seine Getreuen nicht im Stich lässt.
Spirituelle Deutung:
„Bringt sie an den Ort des Gerichts zurück“ – so spricht Gott auch zur Seele:
„Ich führe dich nicht zur Verurteilung, sondern zur Wahrheit.“
Denn das Ziel ist nicht Strafe, sondern Offenbarung. Die Gerechte wird als Gerechte erkannt – nicht durch Menschen, sondern durch den, der die Herzen prüft.
VERS: Und das ganze Volk eilte. Und die Ältesten sagten zu ihm: Komm, setz dich zu uns und informiere uns, denn Gott fordert von dir dieses Recht.
KOMMENTAR:
„Und das ganze Volk eilte“
Mystisch gedeutet steht das „Volk“ hier für die Sehnsucht der Menschenseele nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Wenn die Seele erkennt, dass eine Lüge herrscht, eilt sie intuitiv zum Licht. Dieses „Eilen“ kann auch als Symbol für das Erwachen des geistigen Bewusstseins gesehen werden.
„Und die Ältesten sagten zu ihm: Komm, setz dich zu uns…“
Symbolik der Ältesten: In einer katholisch-mystischen Sicht können die Ältesten sowohl für die Autorität der Kirche als auch für die Weisheit der Tradition stehen. Sie sind bereit, sich der höheren Eingebung zu unterwerfen – ein seltener Moment, in dem die kirchliche Autorität erkennt, dass der Geist Gottes durch einen „Unbekannten“, hier Daniel, spricht.
„…und informiere uns, denn Gott fordert von dir dieses Recht“
Göttliche Berufung: Daniel wird als Werkzeug Gottes berufen. Hier erkennen die Ältesten, dass das Recht nicht von Menschen, sondern von Gott kommt, und dass es Menschen gibt, durch die Gott „das Recht fordert“. Das ist ein Hinweis auf die Prophetie, die durch die Gnade wirkt, unabhängig von Alter oder gesellschaftlicher Stellung.
THEOLOGISCH UND MYSTISCH VERTIEFT:
Daniel als Typus Christi: Daniel tritt wie Christus für die Wahrheit ein, gegen die Lüge der Mächtigen. Mystisch gesehen ist er das Bild des reinen Herzens, das sich vom Geist leiten lässt, nicht von der äußeren Ordnung.
Susanne als Sinnbild der Kirche oder der Seele: Susanne ist rein, schön, aber gefährdet – wie die Kirche unter Verfolgung, oder die Seele in der Versuchung. Die falsche Anklage steht für die geistige Verwirrung der Welt, die die Wahrheit nicht erkennt und unterdrücken will.
Die göttliche Intervention durch Daniel: In der katholischen Mystik ist es häufig ein Bild dafür, dass Gott nie die Wahrheit verlassen wird, sondern zur rechten Zeit ein Werkzeug sendet, um Licht in die Finsternis zu bringen.
SCHLUSSGEDANKE:
Dieser Vers spricht von einer tiefen Wahrheit: Gott verlangt Gerechtigkeit – aber durch den Menschen, der sich ihm öffnet. Daniel ist jung, aber rein. Er steht für den Prophetengeist in uns allen, der sprechen kann, wenn wir mutig sind, gegen das Unrecht. Die Ältesten sind bereit, ihn anzuhören – ein Hinweis darauf, dass auch die Institutionen sich beugen sollen vor der Wahrheit, wenn Gott sie offenbar macht.
VERS: Und Daniel sagte zu ihnen: Trennt sie weit voneinander entfernt, und ich werde sie befragen.
KOMMENTAR:
1. Symbolik der Trennung – Reinigung durch Unterscheidung:
Die Anweisung Daniels, die beiden falschen Zeugen zu trennen, ist mehr als eine kluge Strategie. Mystisch gesehen steht sie für das göttliche Prinzip der Unterscheidung der Geister (discernere spirituum). Nur durch Distanz, Stille und das Auseinanderziehen der Kräfte kann Wahrheit von Lüge geschieden werden.
In der mystischen Tradition bedeutet Trennung nicht Entzweiung, sondern Klärung. Gott trennt Licht von Finsternis (Genesis 1,4), damit jede Erscheinung an ihrem Ort erkannt und gewertet werden kann. Auch die Seele muss die Stimmen in sich unterscheiden, um Gottes Stimme zu hören.
2. Daniel als Typus Christi:
Daniel ist hier ein Vorbild für Christus, den kommenden Richter, der nicht nach dem Augenschein richtet (Jesaja 11,3). Er sieht tiefer – ins Herz. Wie Christus durchschaut Daniel die Täuschung. Die Befragung ist kein bloßes Verhör, sondern ein Lichtstrahl der Wahrheit, der Lüge aufdeckt. In der mystischen Schau ist Wahrheit immer auch ein Akt der Liebe: Sie rettet Susanne, sie entlarvt das Böse.
3. Die zwei Zeugen – die gespaltene Lüge:
Die Lüge kann nicht bestehen, wenn sie isoliert wird. Die Finsternis lebt von der Verwirrung und der Einheit in der Täuschung. Trennung ist hier eine Gnade, denn sie bringt ans Licht, was im Dunkel verborgen war.
Die zwei falschen Zeugen stehen mystisch auch für die gespaltene Zunge der Schlange – sie sprechen aus einem Mund, aber ihre Worte widersprechen sich, sobald sie vereinzelt sind. So wird offenbar: Ihre Einheit war falsch, ihr Wort nicht von Gott.
Mystische Anwendung:
Für die Seele bedeutet dieser Vers: Wenn innere Stimmen – Zweifel, Ängste, Begierden – sich vermischen, entsteht Verwirrung. Doch wenn man sie geistlich voneinander „trennt“ und einzeln im Licht Gottes betrachtet (in Gebet, Gewissenserforschung, Beichte), erkennt man, welche Stimme von Gott kommt.
Daniel ruft uns auf, die Wahrheit zu suchen, indem wir alle Stimmen des Herzens prüfen – einzeln, im Licht der göttlichen Weisheit.
VERS: Als sie voneinander getrennt waren, rief er einen von ihnen und sagte zu ihm: Du altes Relikt der bösen Tage, deine Sünden sind jetzt nach Hause gekommen, die du in der Vergangenheit begangen hast,
KOMMENTAR:
1. "Du altes Relikt der bösen Tage" – Das Erkennen der verderbten Autorität
In mystischer Deutung steht der Ausdruck für ein veraltetes, gottfernes System – etwa eine falsche geistige Autorität, die sich noch in der Gestalt des Gerechten gibt, aber innerlich verwest ist. Daniel spricht mit prophetischer Klarheit. Die „bösen Tage“ stehen für eine Epoche der Finsternis, in der äußere Macht über innere Reinheit gestellt wurde.
Mystisch gelesen: Jeder Mensch trägt ein „Relikt der bösen Tage“ in sich – die alte Natur, die nach Kontrolle, Lust oder Selbstgerechtigkeit strebt. Daniel stellt sich ihr entgegen, mit der Kraft des Geistes.
2. "Deine Sünden sind jetzt nach Hause gekommen" – Das Gericht beginnt im Innern
Dieser Satz erinnert an die Vorstellung, dass nichts verborgen bleibt. Die Sünde kommt „nach Hause“ – ein Bild für die Rückkehr der verdrängten Wahrheit ins Herz. Der Sünder wird mit seinem wahren Ich konfrontiert.
Mystische Bedeutung: Gott lässt zu, dass das, was im Verborgenen geschieht, offenbar wird – nicht um zu vernichten, sondern zu heilen. Doch dazu muss es zuerst enthüllt werden. Die göttliche Gerechtigkeit ist Licht: Sie bringt alles ans Tageslicht, um den Menschen zur Umkehr zu rufen.
3. Daniel als Typus Christi oder des erleuchteten Menschen
Daniel steht hier nicht nur als Richter, sondern als Werkzeug göttlicher Weisheit. Mystisch gelesen ist er ein Typus des Christus – des wahren Richters, der nicht nach dem äußeren Augenschein urteilt, sondern das Herz durchschaut.
Im Innern des Gläubigen ist Daniel auch die Stimme des Gewissens, inspiriert vom Heiligen Geist, die zwischen Lüge und Wahrheit unterscheidet – selbst wenn beide äußerlich gleich aussehen.
Zusammenfassung:
Daniel 13,52 ist mehr als ein historischer Bericht – er ist ein Bild des geistigen Kampfes zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen göttlicher Weisheit und menschlicher Korruption. Die mystische Lesung lädt ein, sich selbst zu prüfen: Wo bin ich wie Susanne – unschuldig und angeklagt? Wo bin ich wie die Alten – im Geheimen fehlgeleitet? Und wo ruft in mir Daniel – die Stimme, die Gerechtigkeit bringt?
VERS: Auszusprechen ungerechte Urteile, zu verurteilen die Unschuldigen und die Schuldigen freizulassen, obwohl der Herr sprach: Nicht zu Tode verurteile einen Unschuldigen und eine rechtschaffene Person!
KOMMENTAR:
1. Der äußere Rahmen:
Daniel 13 erzählt die Geschichte der keuschen Susanne, die von zwei alten Richtern fälschlich der Ehebrecherei beschuldigt wird, nachdem sie ihre Begierde nicht erfüllen konnten. Sie sprechen ein ungerechtes Urteil, doch durch Gottes Eingreifen und den jungen Daniel wird die Wahrheit ans Licht gebracht.
2. Die mystische Deutung:
Susanne steht symbolisch für die Seele, die rein und treu bleibt inmitten der Versuchungen der Welt (repräsentiert durch die lüsternen Richter). Die falsche Anklage ist das Bild der inneren und äußeren Versuchungen, der Verleumdung und der geistlichen Anfechtung.
Die ungerechten Richter symbolisieren sowohl die verdunkelte Vernunft des Menschen, die durch Begierde und Eigenliebe korrumpiert wird, als auch eine Welt, in der Wahrheit und Rechtschaffenheit unterdrückt werden.
Gottes Wort – „Nicht zu Tode verurteile einen Unschuldigen“ – ist eine Mahnung gegen geistliche Blindheit. Es erinnert an die Weisung Jesu: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ (Mt 7,1).
3. Der junge Daniel:
Daniel tritt als Stimme des Heiligen Geistes auf. Seine Weisheit durchdringt die Lüge der Welt. Mystisch ist er ein Bild für den reinen Verstand, den Gott erleuchtet hat – oder auch für das innere Gewissen, das unter der Führung Gottes Gerechtigkeit wiederherstellt.
4. Gericht und Wahrheit:
Die Enthüllung der Wahrheit in der Geschichte zeigt, dass Gott die verborgenen Gedanken kennt. „Der Herr hat es aufgedeckt“ (vgl. Dan 13,42) – eine Anspielung auf das biblische Prinzip, dass nichts im Dunkeln bleibt, was nicht ans Licht kommt (vgl. Lk 12,2).
Die mystische Bedeutung: Gott ist der wahre Richter, der selbst dann für Gerechtigkeit sorgt, wenn alle menschlichen Institutionen versagen. Die Seele, die sich auf Ihn verlässt, wird nicht zugrunde gehen.
5. Die tiefere Lehre:
Dieser Vers lehrt:
Moralische Integrität: Auch wenn du angeklagt wirst, bleibe treu. Gott kennt dein Herz.
Göttliche Gerechtigkeit: Der Mensch urteilt nach dem Augenschein – Gott aber sieht das Herz.
Warnung an geistliche Autoritäten: Wer geistlich oder weltlich Verantwortung trägt, darf nicht durch Eigeninteresse oder Lust das Urteil verfälschen.
Ermutigung zum prophetischen Mut: Wie Daniel sind wir berufen, mutig für die Wahrheit einzustehen, auch gegen mächtige Stimmen.
Schlussgedanke:
Daniel 13 ist ein Bild des geistlichen Kampfes in einer gefallenen Welt. Die Worte „Nicht zu Tode verurteile einen Unschuldigen“ sind mehr als ein ethischer Appell – sie sind ein Ruf zum geistlichen Erwachen. Gott selbst kämpft für die Gerechten. Wer auf Ihn vertraut, wird nicht zuschanden werden.
VERS: Nun, wenn du wirklich etwas gesehen hast, sage mir: Unter welchen Baum hast du sie intim miteinander gesehen? Er antwortete: Unter einem Mastixbaum.
KOMMENTAR:
1. Die Prüfung der Wahrheit
Der junge Daniel konfrontiert die lügenden Richter. Der Baum wird zum Prüfstein der Wahrheit. Mystisch betrachtet steht der Baum hier für das Gewissen – tief verwurzelt im Innern des Menschen. Die Frage „Unter welchem Baum?“ ist eine geistliche Frage: Was ist die Wurzel deiner Behauptung? Woher kommt dein Zeugnis – aus dem Licht oder aus der Finsternis?
2. Der Mastixbaum – Symbolik
Der Mastixbaum (Pistacia lentiscus) ist ein immergrüner Baum, aus dem ein harziges, duftendes Harz gewonnen wird – der Mastix. In der Mystik kann dies Folgendes bedeuten:
Reinigend und heilend: Mastix wurde in der Antike für die Reinigung des Körpers und als heilende Substanz verwendet. Der Lügner behauptet, unter einem Baum gesehen zu haben, der Reinheit symbolisiert – was seine Aussage besonders pervers erscheinen lässt.
Scheinheiliger Vorwand: Der Lügner versucht, sich hinter einem „heiligen Baum“ zu verstecken. In der Mystik ist dies die Maske des Teufels: das Heilige vortäuschen, um zu verderben.
Entlarvung durch das Detail: In der jüdischen und christlichen Überlieferung zeigt sich Gottes Geist oft in der Genauigkeit und Klarheit. Daniel nutzt die scheinbare Nebensächlichkeit des Baumes, um die Lüge aufzudecken. Die Wahrheit Gottes leuchtet in den kleinsten Dingen.
3. Daniel als Typus Christi
Daniel erscheint hier als ein Vorbild Christi:
Er ist jung, rein, von Gottes Geist erfüllt.
Er widersteht der Unwahrheit und deckt die Falschheit der Mächtigen auf.
Seine Weisheit rettet das Unschuldige – ein Hinweis auf die Erlösung durch Christus, den „Richter, der nicht nach dem Augenschein urteilt“ (vgl. Jes 11,3).
4. Susanne – die Braut Gottes
Susanne ist in der mystischen Deutung:
Die Kirche, verfolgt von inneren Feinden.
Die Seele, rein, aber bedroht von dunklen Begierden und falscher Anklage.
Ihre Weigerung, sich zu beugen, ist ein Bild der Standhaftigkeit der heiligen Seele in der Prüfung.
Fazit
Die Frage nach dem Baum und die Antwort „Mastixbaum“ ist kein nebensächliches Detail, sondern ein Schlüssel zur göttlichen Weisheit:
Gott kennt den wahren Ursprung aller Dinge. Der, der lügt, verrät sich selbst, weil die Wahrheit im Detail Gottes Licht nicht ertragen kann.
Daniel 13 lehrt uns:
Die Wahrheit kommt ans Licht, wenn das Herz aufrichtig, das Urteil gerecht und der Geist Gottes gegenwärtig ist.
VERS: Und Daniel sagte: Sehr gut! Du hast gegen deinen eigenen Kopf gelogen, denn die Engel Gottes haben den Spruch von Gott empfangen und schneiden dich sofort in Stücke.
KOMMENTAR:
1. Der Kontext
In dieser Szene hat der junge Daniel, von Gott erleuchtet, durch ein geschicktes Verhör die Lügen zweier alter Richter aufgedeckt, die die keusche Susanne der Ehebrecherei bezichtigt hatten, weil sie selbst von ihrer Schönheit verführt waren. Daniel befragt sie getrennt nach einem Detail (unter welchem Baum das angebliche Vergehen stattfand) – und ihre widersprüchlichen Aussagen entlarven sie.
2. Mystisch-symbolische Deutung
„Du hast gegen deinen eigenen Kopf gelogen“
→ Dies ist eine tiefe Aussage: Die Lüge kehrt zurück auf den Lügner selbst. In mystischer Lesart symbolisiert das den spirituellen Selbstmord des Menschen, der sich gegen die Wahrheit stellt. Der „Kopf“ steht für den Verstand, das Bewusstsein, das zum Werkzeug der Lüge wurde. Die Wahrheit aber ist unausweichlich – sie ist das Licht Gottes, das alles durchdringt.
„Der Engel Gottes hat den Spruch empfangen“
→ Hier wird deutlich: Gott ist Richter, aber Er wirkt durch Engel als seine himmlischen Boten. Der Engel, der das Urteil empfängt, steht für die göttliche Ordnung, die nicht menschlich manipuliert werden kann. In mystischer Tradition könnte man diesen Engel auch als das innere Gewissen deuten, das von Gott „informiert“ wird – es kennt die Wahrheit, auch wenn die Welt von Lüge umhüllt ist.
„Und wird dich sofort zerschneiden“
→ Das Zerschneiden symbolisiert die vollkommene Trennung zwischen Lüge und Wahrheit. In der Mystik ist dies nicht nur körperlich, sondern seelisch zu verstehen: Der Mensch, der sich der Lüge verschreibt, zerfällt geistig – er verliert Einheit, Integrität, das göttliche Bild in sich. Die Gerechtigkeit Gottes wirkt reinigend, manchmal auch durch Gericht.
3. Theologische Bedeutung
Die katholische Tradition sieht in dieser Geschichte ein Vorbild für das Jüngste Gericht. Daniel wird als Typus Christi gesehen – als der, der Wahrheit und Unschuld verteidigt gegen die Mächte der Finsternis und Lüge. Susanne wiederum ist ein Bild der reinen Seele, bedrängt, aber bewahrt durch Treue zu Gott.
Die Engel, die hier handeln, verweisen auf die Realität einer unsichtbaren, göttlichen Ordnung, die im Hintergrund jeder irdischen Ungerechtigkeit wirkt. Nichts bleibt verborgen – das ist Trost für die Frommen und Warnung für die Frevler.
4. Fazit (mystisch zusammengefasst)
Dieser Vers ist ein Blitz der göttlichen Wahrheit:
Der Lügner wird von seiner eigenen Falschheit gerichtet.
Der Engel Gottes ist kein ferner Bote, sondern lebendige Gerechtigkeit.
Das Urteil zerschneidet – nicht aus Hass, sondern aus heiliger Klarheit.
Die Wahrheit ist wie ein Schwert: sie trennt das Falsche vom Wahren, den Schatten vom Licht, die Lüge vom ewigen Wort.
VERS: Dann schob er ihn beiseite und befahl ihnen, den anderen zu bringen. Und er sprach zu ihm: Du Nachkomme Kanaans und nicht von Juda, die Schönheit hat dich betrogen und die Lust hat dein Herz pervers gemacht.
KOMMENTAR:
1. Literarisch-historischer Hintergrund
Daniel 13 ist ein deuterokanonisches Kapitel, das in der römisch-katholischen Tradition als integraler Teil der Daniel-Geschichte gilt. Es schildert das Drama um die tugendhafte Susanne, die von zwei lüsternen, alten Richtern verleumdet wird. Daniel entlarvt in einem geisterfüllten Gericht ihre Lüge – dieser Vers stammt aus dem Moment, in dem er den zweiten Richter einzeln befragt.
2. Mystisch-spirituelle Auslegung
„Du Nachkomme Kanaans und nicht von Juda“
Mystisch gelesen, steht Kanaan hier symbolisch für das ungeheiligte, ungeordnete Begehren – das alte Selbst, das sich der Gnade verweigert. Juda, hingegen, symbolisiert das geisterfüllte Herz, das nach Gott dürstet. Daniel spricht hier prophetisch: Er erkennt, dass dieser Richter äußerlich zum Volk Gottes gehört, innerlich aber „fremd“ ist – getrennt vom wahren Geist des Bundes.
Mystischer Gedanke: Der Mensch, der sich selbst Gott geweiht glaubt, aber innerlich in der Dunkelheit der Begierde lebt, ist ein "Nachkomme Kanaans": von außen religiös, von innen verfinstert.
„Die Schönheit hat dich betrogen“
Schönheit ist hier mehr als nur äußere Erscheinung – sie steht für das Sinnliche, das den Geist vom Höheren ablenkt, wenn es nicht in der göttlichen Ordnung steht. Die Schönheit Susannes wird für den Richter zur Versuchung, weil sein Herz bereits dem Dunklen verfallen ist.
Mystischer Gedanke: Die gefallene Seele kann selbst das Gute nicht mehr erkennen, sondern missbraucht es. Schönheit, die göttlich gedacht ist, wird zur Falle für das Herz, das sich selbst nicht kennt.
„Die Lust hat dein Herz pervers gemacht“
Das Herz – im biblischen Sinne Zentrum von Wille, Denken und Fühlen – ist hier durch Lust „pervers“, also verdreht, verkehrt, gebrochen. Die Lust hat nicht nur den Körper verführt, sondern das Herz entstellt, sodass es nicht mehr zwischen Gut und Böse zu unterscheiden vermag.
Mystischer Gedanke: Wenn das Herz von ungeordneter Lust dominiert wird, verliert es seine göttliche Mitte. Es wird ein Richter, der nicht mehr nach Wahrheit urteilt, sondern nach Begierde.
3. Christlich-deutende Anwendung
In der katholischen Tradition lesen wir diesen Text nicht nur als moralische Warnung, sondern als Spiegel der Seele. Susanne steht für die reine Seele, die von falschen inneren Anklägern (Begierde, Stolz, Selbsttäuschung) bedrängt wird. Daniel symbolisiert den Heiligen Geist, der durch Unterscheidung die Lüge entlarvt und die Seele befreit.
4. Kurzes Gebet zur Vertiefung
Herr, reinige mein Herz von jeder falschen Lust,
dass ich nicht Kind Kanaans bin,
sondern aus dem Stamm Juda,
der in Deinem Licht wandelt.
Sende Deinen Geist wie Daniel,
damit ich Unrecht erkenne und Wahrheit bezeuge. Amen.
VERS: Dies ist die Art, wie ihr beide habt euch mit den Töchtern Israels beschäftigt, und sie waren intim mit euch aus Furcht, aber eine Tochter von Juda würde nicht ertragen deine Bosheit.
KOMMENTAR:
1. Historisch und moralisch:
Zwei alte Richter missbrauchen ihre Autorität, um Susanne, eine keusche und fromme Frau, zur Sünde zu zwingen. Viele Frauen sind offenbar aus Angst ihren Verlockungen erlegen. Doch Susanne, eine Tochter Judas (also aus dem Stamm Juda), widersetzt sich. Diese Entschlossenheit macht sie zu einer prophetischen Figur der Treue.
2. Mystisch-allegorisch:
Die beiden Alten symbolisieren die Verdorbenheit menschlicher Institutionen, die unter dem Mantel von Autorität und Weisheit Unrecht üben.
Die anderen Frauen, die aus Furcht gefügig waren, stehen für die Seele, die sich von Angst und falscher Autorität verführen lässt.
Susanne aber, eine Tochter Judas, steht mystisch für die treue Seele, die Kirche, oder auch Maria, die rein bleibt trotz Versuchung. Juda bedeutet "Lobpreis" – sie ist also die, die Gott lobt und in Reinheit lebt.
Der Satz „würde nicht ertragen deine Bosheit“ verweist auf die innere Heiligkeit, die mit dem Bösen keinen Bund schließt – ein Bild für die Unbestechlichkeit des Glaubens, wenn er wahrhaft verwurzelt ist in Gott.
3. Typologisch (Vorausbild Christi):
Susanne, die zu Unrecht beschuldigt und doch gerettet wird, ist ein Vorausbild Jesu:
Sie schweigt wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt (vgl. Jes 53),
wird durch Daniel, den Propheten, gerettet – ein Bild für Gottes Eingreifen durch das Wort.
Die beiden Alten werden als Lügner entlarvt, wie einst die Ankläger Christi am Ende selbst verurteilt wurden.
4. Marianische Deutung:
Maria, die Unbefleckte, ist die Tochter Jerusalems, die nicht einmal im Herzen dem Bösen Raum gibt. Susannes Standhaftigkeit ist ein Spiegel dieser marianischen Reinheit. So wie Susanne durch göttliche Gnade bewahrt wird, so bewahrt Gott Maria vor der Sünde.
VERS: Nun, sag mir: Unter welchen Baum hast du sie gefangen, intim miteinander verkehrend? Er antwortete: Unter einer immergrünen Eiche.
KOMMENTAR:
1. Literaler Kontext:
In dieser Szene wird einer der beiden alten Richter (die Susanne verleumden) getrennt befragt. Die Frage nach dem Baum ist ein Mittel, um ihre Aussagen zu entlarven. Da der andere einen ganz anderen Baum nennt, wird ihre Lüge offenbar. Dies ist ein klassisches Motiv von Gottes Gerechtigkeit durch menschliche Klugheit (hier durch Daniel).
2. Symbolik des Baumes:
Die „immergrüne Eiche“ trägt in der mystischen Auslegung mehrere Bedeutungen:
Immergrün steht für das scheinbar ewig Lebendige, das sich nicht verändert oder stirbt. Der alte Richter versucht, seine Lüge in etwas „Unvergängliches“ zu kleiden – als ob seine Aussage Bestand haben könnte. Doch gerade dies wird ihm zum Verhängnis.
Die Eiche ist im Alten Testament auch Symbol für heidnische Kulte, etwa bei den „heiligen Hainen“. In Hosea 4,13 etwa wird unter Eichen Götzendienst betrieben. Somit wird die Eiche hier zur Stätte der Verführung und der Lüge.
Gleichzeitig könnte man sie als Kontrast zum „Baum des Lebens“ deuten: nicht ein Baum der Gnade, sondern einer der Täuschung.
3. Mystische Tiefenschicht:
Susanne (hebräisch: "Lilie") steht für die Seele, rein, schön, im Garten wandelnd. Der Garten erinnert an Eden – also die ursprüngliche Unschuld.
Die Richter sind alte Laster, vielleicht Hochmut und Begierde, die sich der Seele bemächtigen wollen.
Daniel, der junge Prophet, ist das Symbol für den Heiligen Geist oder das innere Gewissen, das die Wahrheit ans Licht bringt.
In dieser Perspektive ist die Frage nach dem Baum eine Frage der inneren Unterscheidung: Unter welchem „Baum“ glaubt das Laster, sich zu verbergen? Die Antwort verrät mehr über den Zustand der Seele des Lügners als über äußere Fakten. Der Baum, unter dem der Lügner meint, seine Tat verstecken zu können, wird selbst zum Zeugen der Wahrheit.
4. Theologischer Impuls:
Der Abschnitt erinnert daran, dass keine Lüge vor Gott Bestand hat, selbst wenn sie mit religiöser Autorität vorgebracht wird. Die immergrüne Eiche mag ein Symbol für das scheinbar Ewige sein, aber nur die Wahrheit Gottes ist wirklich ewig.
VERS: Und Daniel sagte zu ihm: Sehr gut! Du hast auch gegen deinen eigenen Kopf gelogen, denn der Engel Gottes mit seinem Schwerte wartet auf dich, damit er euch beide zerstöre.
KOMMENTAR:
Daniel als Vorbild der Weisheit und Gerechtigkeit
Daniel steht hier als Werkzeug Gottes: Er erkennt die Lüge durch göttliche Eingebung. Mystisch gesehen ist er ein Typus für Christus, der die Herzen durchschaut und Wahrheit offenbart.
Die Lüge gegen das eigene Haupt
Der Satz „Du hast gegen deinen eigenen Kopf gelogen“ lässt sich mystisch deuten als Selbstgericht. Wer gegen die Wahrheit lügt, richtet sich selbst. In der mystischen Theologie ist das Gewissen der Ort der Wahrheit – wer es verrät, zerstört sein eigenes geistliches Haupt.
Der Engel mit dem Schwert
Dieser Engel symbolisiert die Gerechtigkeit Gottes, die nicht blind ist, sondern offenbart und trennt – wie das Schwert, das „Mark und Bein“ scheidet (vgl. Hebr 4,12). In der mystischen Tradition (z.B. bei den Kirchenvätern oder der Karmelspiritualität) ist das Schwert des Engels zugleich ein Werkzeug der Reinigung: Es vernichtet nicht nur das Böse, sondern bereitet den Raum für das Licht der Wahrheit.
Zerstörung als geistlicher Gerichtsvorgang
Die „Zerstörung“ durch den Engel ist nicht bloß Strafe, sondern Offenbarung des verborgenen Zustands. Mystisch gesprochen bedeutet dies: Alles, was nicht in Gott gegründet ist, vergeht. Die Lüge kann vor dem göttlichen Licht nicht bestehen.
Zusätzliche Deutungen aus der kirchlichen Tradition:
Die Kirchenväter sehen in Susanne die Kirche selbst, rein und verfolgt von falschen Anklägern (oft gedeutet als Symbole der Häresien oder der weltlichen Versuchung).
Der Engel mit dem Schwert erinnert an den Cherubim mit dem Flammenschwert vor dem Paradies (Gen 3,24), und zugleich an Michael, den Streiter für Gottes Wahrheit (vgl. Offb 12).
Mystik des Herzens: In der inneren Erfahrung des Mystikers ist der „Engel mit dem Schwert“ ein Bild für das durchdringende Licht Gottes, das das falsche Selbst entlarvt und tötet, damit das wahre Selbst in Christus leben kann.
VERS: Dann rief die ganze Versammlung laut und segnete Gott, der diejenige, die auf ihn hoffte, aufgespart hat.
KOMMENTAR:
1. Wörtliche Auslegung (historisch-liturgisch)
Dieser Vers bildet den Höhepunkt der Erzählung über Susanne, die durch die List und Weisheit des jungen Daniel vor dem ungerechten Tod gerettet wird. Die Versammlung, die eben noch bereit war, Susanne zu verurteilen, erkennt nun Gottes Eingreifen durch das prophetische Wirken Daniels und stimmt in ein Lob Gottes ein. Es ist eine liturgische Wendung – die Gemeinschaft erkennt und preist Gottes Gerechtigkeit und Treue.
2. Mystisch-symbolische Deutung
In der mystischen Lesart steht Susanne als Bild der reinen, treuen Seele, die sich – umringt von falscher Anklage, Versuchung und Gefahr – dennoch in absolutem Vertrauen an Gott hält. Sie wird „aufgespart“ wie ein verborgenes Juwel, weil sie sich der Wahrheit nicht schämt und nicht dem Druck der Welt nachgibt.
„Diejenige, die auf ihn hoffte“ – das ist die mystische Braut (vgl. Hld 4,12), die sich ihrem göttlichen Bräutigam nicht entzieht, selbst wenn der Tod droht.
Das „Aufgespartsein“ ist hier nicht nur ein äußerliches Bewahrtwerden, sondern ein inneres Getragenwerden in der Gnade Gottes. Es verweist auf eine marianische Dimension: Wie Maria, die „Magd des Herrn“, vertraut auch Susanne ganz dem göttlichen Plan, ohne ihn ganz zu verstehen – und wird so zu einem Vorbild für die Kirche selbst.
3. Typologische Verbindung mit Maria
In der katholisch-mystischen Tradition wird Susanne häufig als Typus Mariens gedeutet: rein, verleumdet, aber letztlich von Gott erhöht. Der Ruf der Versammlung erinnert an das „Magnificat“:
„Großes hat der Mächtige an mir getan…“ (Lk 1,49)
So wie Maria von Gott „aufgespart“ wurde als unversehrte Gefäß der Gnade, so wurde auch Susanne vor dem Untergang gerettet – ein Hinweis auf die rettende Kraft der göttlichen Vorsehung für jene, die sich ihm ganz überlassen.
4. Spirituelle Bedeutung für den Leser
Für die gläubige Seele bedeutet dieser Vers Trost: Gott übersieht das Vertrauen seiner Kinder nicht. Auch wenn alle Umstände gegen sie sprechen, ist Er fähig, sie im rechten Augenblick hervorzubringen, zu schützen und zu erhöhen.
„Wer auf den Herrn vertraut, ist wie der Berg Zion – er wankt nicht, er bleibt ewiglich.“ (Ps 125,1)
VERS: Und sie stellten sich gegen die beiden Ältesten, denn aus ihrem eigenen Munde hatte Daniel sie verurteilt, falsches Zeugnis gegeben zu haben;
KOMMENTAR:
1. Daniel als Bild des Heiligen Geistes
Daniel tritt hier auf wie der Geist der Wahrheit selbst, der verborgene Absichten offenbart. Aus mystischer Sicht kann Daniel als eine Figur verstanden werden, die Christus vorwegnimmt oder als Symbol für das innere Licht, das in jedem von Gott erfüllten Menschen wohnt. Der „Mund“ der Ältesten, aus dem ihr eigenes Urteil hervorgeht, verweist auf die geistige Gesetzmäßigkeit: "Was aus dem Mund kommt, das macht den Menschen unrein" (vgl. Mt 15,11).
Mystisch gelesen: Der Mund steht für das innere Herz. Wer Lüge spricht, verrät sein inneres Verderben. In Daniel wird das Licht der Wahrheit offenbar, das die Lüge unweigerlich entlarvt.
2. Die Ältesten als Archetypen des falschen Urteils
In der katholischen Mystik stehen die beiden Ältesten symbolisch für jene Kräfte in der Seele, die sich vom Licht entfernt haben: Hochmut und Begierde. Sie sehen Susanne, das Bild der Seele, rein im Garten (Paradies) baden und wollen sie entweihen.
Mystischer Impuls: Susanne ist die Seele, die sich reinigt, ganz Gott zugewandt. Die Ältesten sind jene inneren Stimmen, die die Reinheit verurteilen wollen – aber in Wahrheit sich selbst richten.
3. Das Gesetz des Mose und das Gesetz der Gnade
Obwohl die Geschichte im alttestamentlichen Kontext steht und sich auf das mosaische Gesetz beruft („man tat ihnen dasselbe“), kann sie im Licht des Evangeliums anders gelesen werden: Das Gesetz offenbart die Schuld, aber der Geist Gottes rettet das Unschuldige. Daniel ist somit ein Vorbild für Christus, der nicht nach dem äußeren Augenschein urteilt, sondern das Verborgene sieht.
Mystischer Gedanke: Das göttliche Licht durchdringt jede Finsternis. Wo das Herz rein ist, wird Gott selbst zum Anwalt. Wo die Lüge herrscht, fällt sie über sich selbst.
Zusammenfassung:
Daniel ist ein Bild des göttlichen Geistes der Wahrheit.
Die Ältesten sind innere Kräfte, die das Reine bedrängen.
Susanne ist die jungfräuliche Seele, in Treue zu Gott lebend.
Das Urteil aus dem eigenen Mund zeigt die geistige Gerechtigkeit: Das Böse fällt in seine eigene Grube.
Die Rettung Susannes ist ein Vorbild für die Erlösung der Seele durch den göttlichen Beistand – selbst inmitten falscher Anklage.
VERS: Und sie taten ihnen, wie sie sündhaft geplant hatten, ihrer Nächsten zu tun; so handelten sie im Einklang mit dem Gesetz des Mose, verurteilten sie zu Tode. So wurde unschuldiges Blut gerettet an diesem Tag.
KOMMENTAR:
1. Historisch-biblischer Kontext
In Daniel 13 wird die tugendhafte Susanne fälschlich der Ehebrecherei beschuldigt, weil sie zwei alten Richtern widerstanden hat, die sie zur Sünde verführen wollten. Ihre Weigerung führt zu einer tödlichen Intrige – doch durch das Eingreifen des jungen Propheten Daniel wird die Wahrheit ans Licht gebracht. Die Ältesten werden durch ihr eigenes Zeugnis überführt und erhalten die Strafe, die sie Susanne zugedacht hatten.
2. Mystisch-symbolische Deutung
„Und sie taten ihnen, wie sie sündhaft geplant hatten, ihrer Nächsten zu tun“
→ Das Gesetz des Ausgleichs (lex talionis) findet Anwendung, jedoch in gerechter Weise: Die Bösen fallen in die Grube, die sie für andere gruben. Mystisch betrachtet offenbart sich hier die göttliche Gerechtigkeit als lebendiges Prinzip – das, was im Herzen gedacht wird, formt das Schicksal.
„So handelten sie im Einklang mit dem Gesetz des Mose, verurteilten sie zu Tode.“
Obwohl das Gesetz streng ist, ist es nicht ungerecht. Es ist wie ein Spiegel, in dem die Wahrheit offenbar wird. Daniel gebraucht nicht Willkür, sondern göttlich erleuchtete Weisheit, um den Betrug zu entlarven. Der Geist des Gesetzes – Wahrheit und Barmherzigkeit – triumphiert über den Buchstaben des Gesetzes, der sonst zur Verdammnis führen könnte.
„So wurde unschuldiges Blut gerettet an diesem Tag.“
Dies ist der mystische Höhepunkt: Die Unschuld wird nicht nur verschont, sondern gerechtfertigt. Susanne ist ein Typus der Ecclesia pura, der reinen Kirche oder auch der Seele, die unter Verfolgung standhält und durch Gottes Eingreifen erhöht wird. Das „unschuldige Blut“ erinnert auch an das Blut Christi – Symbol völliger Unschuld, das dereinst für viele vergossen wurde.
3. Katholisch-spirituelle Reflexion
In der katholischen Mystik ist diese Geschichte eine Allegorie für den geistlichen Kampf:
Susanne steht für die Seele, die in Reinheit wandelt.
Die lüsternen Ältesten sind Sinnbilder für Versuchung, Machtmissbrauch, ja selbst dämonische Kräfte.
Daniel ist die Stimme des göttlichen Logos im Herzen des Menschen – der Ruf zur Wahrheit und zur inneren Unterscheidung.
„Unschuldiges Blut“ wird gerettet – das verweist letztlich auf die große Gerechtigkeit Gottes, die jenseits aller menschlichen Gerichte steht. Die rettende Wahrheit kommt ans Licht, wenn das Herz (wie Daniel) auf Gottes Stimme hört.
Schlussgedanke:
Die Lüge schien zu siegen, das Urteil war gefällt,
doch Wahrheit sprach durch Jugend, vom Geist erhellt.
So fiel das Schwert der Lüge auf die Hand, die es geführt,
und Gottes Licht, das blendet nicht, hat Susanne berührt.
VERS: Und Hilkija und seine Frau priesen Gott für ihre Tochter Susanne, und ebenso tat Joakim, ihr Mann, und alle ihre Verwandten, weil keine Schande an ihr gefunden wurde.
KOMMENTAR:
Im mystischen Licht des Glaubens erscheint Susannes Unschuld als Spiegelbild der göttlichen Reinheit und Treue. Ihre Unversehrtheit ist nicht nur ein persönlicher Sieg, sondern ein Zeichen dafür, dass Gott selbst mitten in der Bedrängnis der Welt seine schützende Hand über die Seinen hält.
Hilkija und seine Frau preisen Gott – hier wird deutlich, dass Lobpreis aus dem Herzen der Dankbarkeit erwächst, wenn göttliche Gerechtigkeit offenbar wird. Es ist ein Akt der demütigen Anerkennung, dass nur Gott die wahre Reinheit kennt und bewahrt, auch wenn die Welt mit falschen Urteilen und Verleumdungen trachtet.
Joakim, als Ehemann, steht symbolisch für die Einheit von Liebe und Glaube in der Familie – die Verbindung, die durch Gottes Schutz geheiligt wird. Alle Verwandten schließen sich im Lobpreis an, was auf die Gemeinschaft des Glaubens hinweist: Glaube ist nie isoliert, sondern lebt und wirkt in der Einheit der Gemeinschaft, in der jeder Einzelne durch die Gnade Gottes bewahrt wird.
Die „keine Schande“ an Susanne verweist mystisch auf die Unschuld und Reinheit der Seele, die trotz aller Prüfungen und Anfechtungen durch die Welt im Licht Gottes bewahrt bleibt. So wie Maria, die immerwährende Jungfrau, so bleibt auch Susanne ein Bild für die Seele, die im Sturm der Versuchungen standhaft bleibt, getragen vom Glauben und der Gnade Gottes.
Dieser Vers lädt uns ein, auch in unserem Leben darauf zu vertrauen, dass Gott die Wahrheit kennt und unsere Unschuld schützt, wenn wir ihm vertrauen und in seinem Licht wandeln. So wird unser Lobpreis Ausdruck der tiefen Freude über Gottes Treue, die uns durch alle Dunkelheiten hindurchführt.
VERS: Und von diesem Tag an hatte Daniel einen sehr guten Ruf unter den Menschen.
KOMMENTAR:
Der gute Ruf Daniels symbolisiert nicht nur menschliche Anerkennung, sondern vor allem die göttliche Gnade, die in seinem Leben wirksam wurde. Ab dem Moment, da Daniel seinem inneren Ruf zur Treue gegenüber Gott folgte, begann sein Leben zu leuchten wie ein Spiegel der göttlichen Weisheit und Gerechtigkeit. Dieser Ruf ist kein bloßer äußerlicher Erfolg, sondern ein Ausdruck der Heiligkeit, die in der Seele wohnt, wenn sie sich mit Maria und Gott in tiefer, demütiger Verbindung befindet.
In der mystischen Tradition der katholischen Kirche ist der Ruf unter den Menschen oft ein Zeichen dafür, dass Gott in einer Person wirkt – ein „Leuchtturm“, der andere zur Umkehr, zum Glauben und zur Hoffnung führt. Daniel wurde zum Beispiel dessen gewahr, dass die wahre Größe nicht in irdischer Macht liegt, sondern in der Bereitschaft, den göttlichen Willen zu erfüllen – ein Charakterzug, der von Maria, der Demütigen und Gehorsamen, vorgelebt wird.
Sein „guter Ruf“ erinnert uns auch daran, dass jedes Leben, das sich der göttlichen Wahrheit öffnet und in der Liebe Gottes wandelt, zu einem lebendigen Zeugnis wird. So wie Maria durch ihr „Fiat“ den Plan Gottes offenbart, so offenbart Daniels Leben die Heiligkeit, die im Alltag möglich ist. Der gute Ruf ist somit eine Frucht der inneren Heiligkeit, die durch das Gebet, die Meditation und das bewusste Hineinwachsen in das Mysterium Christi genährt wird.
PSALM DER LIEBE DES PROPHETEN DANIEL AN DIE KEUSCHE SUSANNE
O Tochter Zions, schön wie der Morgentau,
rein wie das Licht, das über dem Ölbaum brennt —
du wandelst im Garten der Tugend,
und kein Schatten vermag dich zu beflecken.
Susanne, Lilie unter Dornen,
dein Herz war wie versiegeltes Wasser,
und keine Hand, die dich rührte,
blieb ungerichtet im Zorn des Herrn.
Du hast den Lockruf der Bosheit vernommen
und bist nicht gewichen vom Pfad des Gerechten.
Dein Ja war Wahrheit, dein Nein war heiliger Eid,
und in deinem Schweigen wohnte das Licht Gottes.
Als zwei Augen dich belauerten —
blind vor Begierde, blind vor Gier —
da tratst du nicht vor Menschen,
sondern riefst zu dem, der die Herzen prüft.
„Ewiger, der du siehst, was im Verborgenen ist,
rette mich aus den Netzen der Lüge,
und lasse nicht den Unschuldigen fallen,
damit dein Name verherrlicht werde!“
Und siehe, der Herr erhörte dich,
sandte seinen Geist in den Jüngling Daniel,
und er stand auf wie ein Morgenstern
im Angesicht der Finsternis.
O Susanne, dein Leib blieb unentweiht,
doch größer war deine Seele,
denn du liebtest die Wahrheit mehr als das Leben,
und darum ist dein Name ein Lobpreis in Ewigkeit.
Keuschheit war dein Schild, Glaube dein Schwert,
und der Herr war dein Heil.
Gepriesen sei der Gott, der dich gerettet hat,
und gepriesen sei die Frau,
deren Herz niemals schwankte.
Amen.