VON TORSTEN SCHWANKE
Wie lange Juan dort in Trance verweilt,
das wusste er nicht – die Welt war ihm entglitten,
kein Tag, kein Nachtbild hat ihn mehr geheilt,
sein Blut gerann, die Sinne fortgeschritten.
Und wie die schwere Ohnmacht dann enteilt,
blieb ihm verborgen, nur in mattem Mitten
spürte er Pulse, Glieder, Adern sacht –
der Tod wich nicht, doch kämpfte mit Bedacht.
Er öffnet langsam seine matten Lider,
schließt sie, dann hebt sie zögerlich erneut –
die Welt schwankte, als ob sie gleich zersplitter.
Er wähnt sich noch im Boot, wo ihn erneut
Verzweiflung trifft und reißt ihn tief hinunter;
er sehnt sich nach dem Tod, der ihn erfreut.
Doch dann kehrt seine Regung langsam wieder –
ein Frauenbild steigt auf vor seine Glieder.
Sie beugt sich tief zu ihm, ihr junger Mund
so nah, als wolle er den seinen finden;
die weiche Hand, warm wie der Lebensgrund,
begann, mit zarter Kraft ihn abzubinden
vom dunklen Schlaf. Und während, wund und wund,
ihr Fingerbad an seinen Schläfen linden
die kalten Pulse weckte, rang ein Ton –
ein Seufzer – sich aus seiner Brust davon.
Ein Trunk ward ihm gereicht, der Mantel schwer
umhüllte sanft die kaum bedeckten Glieder;
ihr schöner Arm hob seinen Kopf einher,
der leblos sank und schwankte stets hernieder.
Die Stirn, von Kälte bleich und sorgenschwer,
lag auf der ihren – warm und rein wie Lieder;
sie wrang das Haar, vom Sturm so nass und wild,
und horchte, wie sein Herz sich neu erfüllt.
Sie hob ihn dann, die Höhle weit und tief,
und legte ihn auf weiche Polster nieder;
die Flammen sprühten, wärmten ihn im Rief,
und ihre Gestalt wurde groß und glieder.
Die Magd, von Zartheit fern, ihr Blick so schief,
stand nah, ihr Auge scharf und voll von Lieder.
Ihr Haar glänzte in Gold und Edelstein,
und schimmerte durch ihre Pracht hinein.
Ihr Haar, es glänzte kastanienbraun und schön,
die Augen schwarz wie Nächte, voll Gefahr;
und lange Wimpern, die im Schatten wehen,
zogen Blicke an, wie Pfeile, scharf und klar.
Die Brauen weiß, die Wangen, rosig, seh’n
aus wie die Dämmerung, wenn sie wird wahr;
die Lippen, süß, so zart, sie schienen mehr
als reines Gold, das den Verstand verwehrt.
Die Lippen süß – oh, wie sie sich verneigen!
Die oberste Lippe, sanft und zart zugleich,
ließ Juan schmelzen, wie ein Hauch von Zweigen,
die tief im Frühling blüh’n, im Morgenreich.
Und ihre Schönheit, wie ein Stern, vermag zu zeigen,
was für ein Antlitz ohne Maß und Weich
die Hände der Natur in Ruh’ erschufen –
ein Bild, das keinem Meißel je versprochen.
Sie war ein Abbild jener hohen Zeit,
als Göttinnen in Menschengestalt erwuchsen,
und von den Göttern Glanz und Ewigkeit
in ihre Augen und in Herzen flossen.
Doch ihre Magd, mit Kraft und festen Gliedern,
die trug das Werk der Götter, ohne Trost,
im Großen wie im Kleinen stets bedacht,
durch die der Alltag seine Last entfacht.
Ich sag euch, warum ich dies sagen muss:
Man schilt nicht ohne triftigen Beweis.
Ein irisch Fräulein war’s – voll Überfluss
an Reizen, doch ihr Ruf blieb stets sehr leis.
Sie war oft Modell, doch ohne rechten Genuss,
der Schönheit solch ein Antlitz geben weiß.
Wenn einst die Zeit sie zwingt zum Altern, dann
verblasst, was nie ein Meißel fassen kann.
Sie war die Herrin jener stillen Höhl’,
und trug ein Kleid, das nicht dem Brauch entsprach.
Nicht düster ernst, doch auch kein greller Fehl –
die Spanierin verbirgt, was sie gemach
nur ahnen lässt im Mantel und im Gewähl’,
der Basquina, die tanzt in weichem Fach,
und mit der Mantilla, die geheimnisvoll
gleich heiter wirkt – als wär sie nie ganz voll.
Doch unser Fräulein trug ein bunt Gewand,
ganz fein gewebt, von funkelndem Gepräge.
Ihr Haar, das gold'ne Licht im Lockenband,
umschmeichelte das Antlitz ohne Schläge.
Der Gürtel glomm, von Edelstein verbrannt,
und Spitzen flossen reichlich in die Schläge
des Schleiers – auf der zarten kleinen Hand
blitzte ein Stein, der selbst den Neid erfand.
Doch was empörte: Ihre Füße zart
trug Pantoffeln – ohne Strümpf' darunter!
So ging sie baren Fußes aller Art
von Anstand spottend, stolz und frohen Munter.
Die Maid daneben wirkte schlicht und hart,
ihr Schmuck aus Silber, minder reich, doch bunter
ihr Haar, wenn auch von kürzerer Natur,
und ihre Blicke flink und ohne Spur.
Die beiden sorgten für ihn Tag um Tag
mit Kleid und Kost und zarten kleinen Dingen,
die – wie ich eingestehen muss, weil ich’s mag –
nur aus dem zarten Weiblichkeit entspringen.
Sie kochten Brühe, die ein echter Schlag
für jede Muse wär: man hört sie singen!
Kein Mahl seit Troja hat der Held geschätzt
so sehr wie dies, das Achilles zuletzt.
Ich sag euch auch, wer diese Frauen waren,
damit ihr sie nicht für Prinzessinnen haltet.
Denn ich verabscheu all das dunkle Narre[n]n
des Rätsels, das der Neuzeit Dichter spaltet.
Die Wahrheit kann – auch ohne Krone – klaren
Reiz entfalten, wenn man ehrlich schaltet.
Die eine war die Herrin, jung und fein,
die andre war das Mädchen ganz allein.
Die Herrin war die Tochter eines Greis’,
der einst zur See fuhr – nicht aus reiner Tugend.
Ein Fischer war er, doch mit wenig Fleiß
fand er noch andre Wege, reich an Jugend.
Ein Hauch von Schmuggel, Piraterie – im Kreis
der Inseln war er bald berühmt durch kluge[n]
Verstand – und blieb, trotz Sünde, hochgeschätzt,
der Herr von Piastern, wild zusammengesetzt.
Ein Fischer war er, wenn auch sonderbar,
gleich Petrus, doch nicht heilig, sondern listig.
Er lauerte auf Handelsschiffe, klar,
und fing sie, wenn das Meer sich zeigte günstig.
Er raubte Fracht, doch Sklaven waren wahr
noch lohnender – das Leben war ihm künstlich.
Er tat, was ein Pirat nun mal so macht,
und lebte gut vom Handel über Nacht.
Ein Grieche war er, auf Cycladensand,
in einem Haus, das Reue selbst erbaut.
Ein Bau aus Schuld – in jenem wilden Land
stand es mit Gold und Schnitzwerk überstaut.
Was Blut, was Geld er floss – nur Gott verstand;
doch er war alt und grimmig, rau und laut.
Ein düst’rer Ort mit allem Prunk versehen,
wo eher Geister als Gäste durch ihn gehen.
Er hatte eine Tochter, Jannah hieß sie,
die schönste Blume jener östlich’n Inseln.
Und schöner noch als Gold war ihre Miene,
kein Schatz vermochte solch ein Bild zu pinseln.
Ein junges Mädchen, das – wie edle Biene –
umwoben war von Freiern aus Provinzen,
doch lehnte sie sie ab, in klugem Tun,
um noch zu lernen, wie es ist zu ruh’n.
Am Abend, als sie still den Strand betrat,
dort unterm Fels, im Schein der Sonnenflammen,
fand sie den Don Juan, in schlechtem Staat –
fast tot, ertrunken, halb schon weggeschwommen.
Nackt war er, und sie fühlte sich verrat’,
und doch, in Mitleid, hielt sie sich zusammen.
Sie konnte ihn, so wie er war, nicht lassen –
ein Fremder war’s, doch schön, trotz allen Hassen.
Doch ihn zum Vater zu geleiten, war
wohl kaum der klügste Schritt in jener Stunde.
Denn jener alte Mann, so greis und klar,
war keineswegs der Freund von solcher Kunde.
Gleich einer Katze, wenn sie Beute sah,
verfuhr er rasch und ohne viele Runde:
Er pflegte Juan – mit Honig auf den Wunden –
und hätt’ ihn verkauft, kaum war er gesunden.
Drum hielt sie’s mit der Magd für klug und fein,
(Ein Mädchen traut der Magd mit stiller Pflicht),
Ihn in die Höhle zu geleiten, heim,
Wo Ruhe wartet, fern vom Tageslicht.
Und als er öffnete sein Aug’ so klein,
Wuchs ihre Güte – nein, sie wich ihr nicht.
Mitfühlen ward zu solcher Flammenglut,
Es öffnet halb des Himmels goldne Flut.
Ein Feuer machten sie – so gut es ging,
Aus Brettern, Rudern, die das Meer gespien.
Der Mast war mürbe, fast ein alter Ring
Von Holz, das lange dort im Wind verzieh’n.
Doch Gott sei Dank, dass das Verderben ging
Mit Überfluss – hier lag, was sie verlieh’n:
Genug für zwanzig Feuer fand sich dort –
Das Wrack war ihres Herzens Trost und Hort.
Ein Lager schufen sie aus Zobelfell,
Denn Jannah zog ihr Kleid, so warm, ihm aus.
Ein Pelz, ein Unterrock – so ward er schnell
Umsorgt wie in des Paradieses Haus.
Auch Eva tat das Ihre, schlicht und hell,
Und gab ihr Letztes, ganz ohn’ Stolz und Braus.
Sie schworen, mit dem Morgen ihn zu grüßen,
Mit Brot und Fisch, mit Ei und heißen Süßen.
So ließen sie ihn liegen, ganz allein.
Juan schlief fest wie tot, sein Leib ganz stumm.
Vielleicht sind Tote so – Gott weiß es – sein
Gemüt lag tief in träumlosem Verstum.
Nicht eine Fratze, nicht ein scharfer Pein
Rührte an seine Seele oder Drum.
Kein Fluchbild trat aus grauen alten Tagen,
Um seine Augen nass zu Weinen tragen.
Doch das Dienstmädchen, das sein Kissen strich,
Stand still, als sie die Höhle leis verließ.
Sie wandte sich noch einmal zärtlich, wich
Zurück, als ob er rufen würde dies:
"Ihr Name!" – ach, sie glaubte kindlich, sich
Verhört zu haben, dass er es vermieß’.
Doch wie konnt’ er sie nennen, wie’s geschehn,
Da Juan ihren Namen nicht mal kennt?
Gedankenvoll ging sie zum Vaterhaus,
Und mahnte Eva: „Sprich kein einzig’ Wort!“
Doch Eva, weiser noch, sie wusste aus
Erfahrung längst, was Jannah meint sofort.
Ein Jahr, vielleicht auch zwei – ein weites Spaus,
Wenn man sie klug verbringt an jedem Ort.
Und Eva lernte das, was Frauen lehren,
Wenn sie der Schule der Natur nicht wehren.
Der Morgen kam – Juan schlief selig fort,
In seiner Höhle still, ganz ohne Störung.
Der Bach rauscht leis, die Sonne spielt am Ort,
Doch nichts bringt seine Ruh’ in eine Trübung.
Er schlief sich aus, denn Leid war sein Akkord,
So tief, so voll, fast über jede Würdigung.
Wer je so litt wie er, dem sei vergeben –
Wie Opa’s Mär erzählt vom wilden Leben.
Nicht so die Jannah – ruhelos, verquer,
Warf sie sich um und träumte grau und kalt.
Sie sah Gestrandete, zerrissen, leer,
Und schöne Leiber, bleich und jung und alt.
Sie weckte Eva – die murrte sehr –
Und rief die Sklaven, alt und ohne Halt.
Sie fluchten laut, in Sprachen wild und fremd –
Was das bedeuten sollt’, blieb unbenennt.
Doch sie erhob sich, ließ auch sie erwachen,
Und sprach von Sonnen, die den Himmel färben,
Wenn sie im Morgen- oder Abendglanz entfachen,
Als ob sie Gold in Blau und Rot verderben.
Wenn Phoebus steigt, noch Nebel Täler sachen,
Und Vögel jubilieren, um ihn zu erben,
Dann flieht die Nacht wie Trauerkleid von Tieren,
Das sie, wie Witwen einst, beim Tag verlieren.
Die Sonne, ja, ein Anblick voll Entzücken,
Ich sah sie oft – und jüngst mit fester Wahl,
Verweilte nachts, um sie beim Aufstieg zu erblicken –
Was, laut den Ärzten, kürzt die Lebenszahl.
Drum rat ich euch, nicht länger euch zu drücken:
Frühaufstehern gelingt meist überall
Gesundheit, Wohlstand – steht ihr früh im Leben,
Wird „stand um vier“ auf eurem Sarg geschrieben.
Und Jannah sah dem Morgen still ins Angesicht,
Ihr eigenes im Tau noch glühend heiß,
Als röte Blut, das aus der Tiefe bricht,
Die Wange – stürmisch, zügellos und weiß.
Wie wenn ein Strom vom Berg herniederflicht
Und laut den Fels umspült im wilden Kreis,
Zum See sich wälzt – wie’s rote Meer sich gellte,
Das, neben ihr, kaum rot zu scheinen stellte.
Die Inselmaid stieg leicht den Hang hernieder,
Zur Höhle ging ihr Schritt, so flink, so fein,
Die Sonne warf den ersten Strahl ihr wieder,
Und küßte ihre Lippen Morgenschein.
Aurora selbst hielt sie für eine Brüder –
Ein Irrtum, wie er dir auch könnt’ gedeih’n:
Denn so wie Jannah, frisch und hold im Wesen,
War keine Luftgestalt je ganz gewesen.
Und als sie trat in jenen dunklen Ort,
Ganz scheu, doch rasch, da sah sie ihn dort liegen,
Wie süß ein Säugling schlummernd, wortlos fort,
Und blieb erstaunt, als wollt’ der Blick sich wiegen.
Denn Schlaf ist heilig, fast wie Gottes Wort,
Sie schlich auf Zehen, leis, mit zarten Zügen,
Und hüllte ihn noch tiefer in Gewand,
Dass keine Luft sein warmes Blut verbrannt.
So neigte sie sich nieder, mild und hehr,
Wie Engel, die bei Sterbenden verweilen.
Da lag er still, als ob das Herz nicht mehr
In ihm erschlüg – umringt von sanften Zeilen
Der Luft, die über ihm war kalt und leer.
Doch Eva briet derweil in treuen Eilen
Ein Frühstück – denn das junge Paar, erwacht,
Braucht Speis’ zur rechten Zeit – und Kraft für Macht.
Sie wusste wohl, dass Liebe Nahrung braucht,
Und dass ein Schiffbruchs-Knabe Hunger kennt;
Und da ihr Herz nicht ganz in Glut getaucht,
Gähnt’ sie ein wenig, kühl vom Meer getrennt.
Sie kochte still, der Morgenhauch verraucht,
Kein Tee – doch was man auf dem Feuer nennt:
Eier, Brot, Fisch, Kaffee, mit süßem Wein –
Aus Liebe dargereicht, nicht um Gewinn allein.
Als Eva sah, dass Kaffee, Eier, Brot
bereit nun waren, wollt’ sie Juan wecken,
doch Jannah hielt sie auf, mit einem Klotz
von Finger auf den Lippen – sanftes Schrecken.
Ein Zeichen still, doch deutlich wie ein Schrot,
das Eva ließ sich nicht so leicht verstecken.
Sie ging zurück und kochte still das Mahl,
weil Schlaf für ihre Herrin war einmal.
Denn still lag er, und auf der Wange matt
glomm purpurn Glanz wie letzter Abendstrahl
auf Gipfeln fern, wo Schnee das Haupt umhatt’
und Dämmerung verweht im Morgenstrahl.
Die Stirn von blauer Äderung durchsatt,
noch feucht vom Meer, das über ihn einmal
gewogt, mit Salz und Steinen in der Luft –
sein Haar getränkt vom unterird’schen Duft.
Sie beugte sich zu ihm, er rührte nicht,
wie ein Kind schlief er, warm und weich gebettet,
wie Weiden hängen, wenn kein Wind mehr bricht,
wie tiefes Meer, wenn keine Welle kettet.
So schön wie Rosenkranzes Angesicht,
so zart wie Schwan, der sich im Nest verstecket.
Kurzum, ein hübscher Jüngling, das war wahr –
wenn auch die Sorge ihn vergilbt sogar.
Er wachte auf, doch wär' wohl gern geblieben
im Schlaf, der süß war, trotz des Schmerzes Pein;
doch wer auch immer diesen Blick beschrieben,
sah, dass er nicht dem Schlummer konnt’ verzeih’n.
Ein Antlitz sprach zu ihm, von Gott getrieben –
für Juan war solch Bild nie nur ein Schein.
Er wandte sich, ob heilig oder klar,
von Märtyr’n stets zu Marias Bildnis gar.
So hob er sich auf seinen Ellenbogen
und sah die Frau, in deren Wangenrang
die Blässe und das Rot sich sanft verbogen,
als wär’s ein Kampf von Winter mit dem Klang
des Frühlings. Ihre Worte leise zogen
sich durch das Zimmer wie ein heil’ger Sang.
Sie sprach in Griechenton, so süß und weich,
und sagte: "Ruh dich aus – und iss sogleich."
Doch Juan – ach! – verstand kein einzig Wort,
denn Griechisch lag ihm fremd auf Ohr und Sinn,
doch klang ihr Ton wie ein verlor’ner Ort,
wie Vogelklang im duftenden Jasmin.
So zart, so klar, so nah – ein Klang vom Port
der Träume, wo wir, ohne Ziel und Sinn,
ein Echo hören, das das Herz bezwingt,
wo jede Melodie vom Himmel klingt.
Und Juan blickte wie ein Mensch, der wacht
aus Orgelklang in dämmernd grauer Stund’,
nicht wissend, ob der Traum nun weicht der Nacht,
ob's Wirklichkeit ist, was ihn hält im Bund.
Ein Zauber war’s, der langsam leis erwacht,
zerschlagen nur vom Klopfen – das ist ungesund!
Denn nichts stört mehr, als wenn ein Diener klopft –
die Nacht zeigt Frau und Stern in schönstem Kopf.
Auch Juan ward nun aus dem Schlaf gezogen,
Was immer das auch war – Traum oder Nacht –
Ein Hunger kam, ganz plötzlich ungelogen,
Der Duft von Evas Küche war’s, der sacht
Die Sinne raubte, schlich durch Nasenbogen,
Und Lichterglanz, den Evas Feuer macht,
Erweckte ihn, wie sie beim Kochen kniete –
Er sehnte sich nach Steak – mit zarter Miete.
Doch Rind ist rar auf diesen öden Eilanden,
Wo Ziegen, Lämmer, ja – doch Ochsen? Fehl!
An Festtagen, wenn Glück mag überhanden,
Da brutzelt man ein Tier, wie’s jedem gefiel.
Doch meist sind’s karge Felsen, öde Landen,
Wo kaum ein Haus steht, kaum ein Pflanzenspiel.
Und doch – dies Eiland war von jenen Stücken,
Die reich gedeih’n und schöne Früchte schmücken.
Ich sag: kein Rind – doch muss ich dabei denken
An die alte Sage, die uns oft verwirrt:
Pasiphaës seltsames Versenken –
(Was heut’ die Tugend mit Empörung schürt) –
War Allegorie – nur Sinn zum Schenken,
Dass Tierzucht einst der Kriegskunst Tür entwirrt.
Sie tat’s für Kreta – ließ Rindvieh gedeihen,
Dass Männer blut’ger in den Schlachten seien.
Denn Engländer – das weiß man – leben stark
Von Rindfleisch (wen’ger mag ich’s Bier erwähn,
Denn Bier macht bloß betrunken – und der Ark
Des echten Kriegs liegt nicht im Trinken schön).
Sie lieben Krieg – ein teurer Zeitvertreib,
Doch auch die Kreter kannten den – ganz keen.
So war's das Fleisch, das sie wohl mächtig machte –
Und ihre Lust an Kampf und Schlachten brachte.
Doch weiter nun: Juan hob seinen Kopf,
Gestützt auf seinen Ellbogen – noch schwer,
Er sah ein Bild, das kürzlich nicht im Topf
Des Lebens war – denn roh blieb’s ungefähr,
Was er gegessen hat – mit leerem Tropf
Dankt er dem Herrn, dass er nun mehr begehr’.
Und wie ein Hai, ein Ratsherr oder Priester,
Fiel er aufs Mahl – kein Happen blieb ihm mieser.
Er aß – und wurde reichlich auch bedient;
Sie sorgte zärtlich, wie's nur Mütter tun.
Sie hätt’ ihn maßlos vollgestopft, verblümt,
Weil sie in ihm den Totgeglaubten ruh’n
Gesehen hatte – und ihr Herz so glüht’.
Doch Eva, weiser als die junge Nun’,
Wusste aus Brauch (denn lesen tat sie nimmer),
Dass man nicht schlingt – sonst platzt man wie ein Schimmer.
Drum sprach sie nicht – sie handelte geschwind,
Denn dieser Herr, dem wohl ihr Herz gebrach,
Der sie zu später Stund aus Träumen nimmt,
Verdient Erbarmen, nicht den vollen Schmach.
Sie nahm den Teller weg mit klarem Sinn,
Er solle leben, nicht – in vollem Krach –
Verenden an der Völlerei, die brennt –
„Du hast gegessen, bis ein Pferd sich trennt!“
Als nächstes gingen sie, und Juan war
Ganz nackt, bis auf zerrissne Hosenstücke,
Ein kümmerlich bescheidner Rest sogar,
Doch war ihm das zu dieser Zeit kein Tücke.
Man kleidete ihn an, wie's einstens war
Im Orient – ganz ohne großen Schnicke:
Kein Turban, Säbel, Dolch – nur Hemd und Hosen,
Doch sauber, weit, und frisch wie unverdrosen.
Die schöne Jannah sprach nun mit Gefühl,
Doch Juan konnte nichts von ihr verstehen.
Sie redete mit Ernst und ohne Ziel,
Als wollte ihre Rede nie vergehen.
Er hörte zu, doch fand kein Sprachenspiel,
Und sie, die sich bemüht, ließ sich nicht gehen,
Bis endlich, nach dem letzten langen Satz,
Sie sah: Er kann kein Wort von diesem Schatz.
Da griff sie dann zu Lächeln, Nicken, Blicken,
Zu Zeichen, die das Auge sprechen ließ.
Sie las in seinem Antlitz, wie in Tücken
Ein Priester in dem heil'gen Buch genießt.
Sie fand, durch Mitgefühl und zarte Tücken,
Des Herzens Echo, das sich nie verschließt;
So sprach ein Aug', ein Wink, ein kleines Sehnen
Mehr Worte aus als langes Redeverstehen.
Nun nahm er Unterricht durch Blick und Geste,
Durch Fingerzeig und ihre Wiederholungen.
Doch lernte er – wie du wohl schon errateste –
Mehr ihren Reiz als sprachlich' Wohlbehagen:
Wie einer, der die Sterne innig messte,
Den Himmel mehr als Bücher kann ertragen,
So lernte Juan Griechisch – mehr durch Lächeln
Als durch das Alphabet, das Buch der Schwächen.
Es ist ein süßes Ding, von Frau'n zu lernen
In einer Sprache, die man nicht versteht –
Vorausgesetzt, der Lehrer darf sich gern'n
Als jung versteh’n – und jung ist, was da geht.
Sie lächeln, wenn du triffst, doch auch in Fernen
Des Irrtums wirst du süßer angelächelt spät.
Ein Händedruck, ein Kuss, ganz unversehrt –
So hab ich’s, was ich weiß, auch aufgekehrt.
Ich lernte so ein bisschen dies und das –
Ein wenig Griechisch, Spanisch, Türkisch auch.
Italienisch? Nein – das ist kein Spaß,
Denn dort gibt's keine Lehrer, das ist Brauch.
Englisch kann ich kaum, in diesem Maß,
Nur Predigten, mit würdigem Gebrauch –
Barrow, Tillotson und South – ich lese sie,
Doch Deine Dichter? Nein, die hasse ich wie Vieh.
Von Frauen? Nichts. Ich war wie jeder Mann
Ein Hund der Mode, floh in viele Zimmer.
Ich hatte meine Zeit, wie man's wohl kann,
Mit Lust, mit Glanz, mit Träumen und mit Schimmer.
Doch all dies ist wie Staub im Weltenkahn –
Vorbei wie Träume, Schatten ohne Flimmer.
Ob Freund, ob Feind, ob Frau – es war, es ist
Nur ein Gespinst, das längst vergangen ist.
Kehren wir zu Don Juan nun zurück,
er lernte Worte, sprach sie leis und neu;
doch manches tiefe, seelenvolle Glück
ließ sich nicht halten, wie im Nonnen-Streu
ein Sturm, der ihre Stille jäh zerdrückt –
er war verliebt, wie ihr, gewiss, aufs Neu
in eine junge Frau, die ihn verstand,
so wie’s das Schicksal oft zusammenband.
Und jeden Tag, noch eh das Licht begann,
noch vor dem Hahnenschrei, in frühen Stunden,
kam sie zur Höhle, wo ihr Herz gewann
ein Vogel, der in heil’gem Traum verschwunden.
Sie strich durch Juans Locken, sacht und dann
ließ sie ihn schlafen, leise, ohne Wunden –
ihr Atem streifte seine Lippen kaum,
wie Südwind, süß, auf Rosenblütenbaum.
Und jeden Tag gewann er neuen Glanz,
die Farbe kehrte frisch in seine Wangen;
Gesundheit, die mit Liebe geht im Tanz,
tat seinem Herz und Leib zugleich Verlangen.
Denn Müßiggang mit Glut bringt schnell den Kranz
der Leidenschaft – wie Öl auf Pulver fangen
sie Feuer, und von Ceres wie von Wein
lernt Venus: Ohne Mahl bleibt sie nicht dein.
Denn Liebe lebt – doch ohne Herz verliert
sie Glanz, und ohne Tisch ist sie nur Träume;
Ceres, die Göttin, gibt uns, was regiert:
ein Nudelgericht, warm auf rechte Räume;
und Bacchus schenkt uns Wein, damit verziert
das Mahl – mit Austern, Eiern, süßen Schäume.
Doch wer die Lust des Mahls regiert von oben –
ob Neptun, Pan, ist nur den Göttern loben.
Juan erwacht – da stehn schon Gaben da:
Ein Bad, ein Frühstück, und zwei Augenpaare,
die schöner noch als jene Leda sah,
als Zeus erschien in weißen Schwanenschare.
Von alldem sprach ich schon – doch siehe: Ja,
zu viel ist lästig, wie ich stets erfahre.
Er kam, gebadet, dann mit heißem Trank,
zurück zu Jannah – voller Seelendank.
So jung die beiden, einer unschuldsreich,
dass Baden nichts verbarg von ihren Sinnen;
Sie sah in ihm ein Botenbild zugleich,
wie aus dem Traum, das Herz und Leib gewinnen.
Ein Liebling, zart, aus eines Märchens Reich,
ihr Glück – als wär’s bestimmt zu ihrem Minnen.
Wer wahre Freude finden will im Leben,
muss sie mit andern teilen – sie ergeben.
Es war ein Wonneblick, ein tiefer Hauch,
der ihre junge Seele ganz durchdrungen.
Mit ihm zu sein war wie ein Lebensrauch
aus Lust gewebt, aus goldnen Morgenschwüngen.
Doch war da auch ein Abschied – wie ein Brauch
der Zeit, vor dem schon andre Herzen sungen.
Er war ihr Meeresschatz – so schön, so rein,
die erste Liebe – und die letzte sein.
Ein Monat schritt – und Jannah kam wie stets,
mit Vorsicht, leise, fast wie Engelwesen;
sie ließ, dass niemand ahnt, was da geschiehts,
ihr Schatz blieb in der Höhle unvergessen.
Doch bald begann des Vaters Fahrtgepäck –
für Handelsschiffe ward er fortgelesen.
Diesmal, nicht um wie Io fortzueilen,
doch nach Scio – mit drei ragus’schen Zeilen.
Dann kam die Freiheit – keine Mutter wacht,
ihr Vater fern auf See, sie durfte walten,
als wär sie Braut, und doch aus eigner Macht,
durch keinen Bruder ward ihr Schritt gehalten.
So frei wie sie, hat kaum ein Blick gedacht,
wenn Frauenaugen über Scheiben schalten.
Ich spreche hier von Ländern, fromm, galant,
wo Frauen selten hausen im Gewand.
Nun dehnt' sie aus Besuch wie Konversation
(denn reden müssen sie), und er verstand,
soviel zu sagen, wie als Einladung
zu einem Gang – nicht weit vom Meeresstrand.
Seit jenem Tag, da er in Passion
wie junge Knospe lag im Dünenland,
war Wandern fremd – nun zog es sie hinaus,
zu Sonne, Mond und kühlendem Applaus.
Die Küste war zerschlagen, wild und rau,
mit Klippen überm Strand, der breit sich bog,
von Untief’ wie von Fels in fester Schau
bewacht, ein Heer aus Steinen, das sich wog.
Ein Bach floss hier und dort, gleich einer Frau,
die stürmisch flieht, doch ruft nach Widerspruch.
Und selten schwieg das Tosen jener Wellen,
es sei denn Sommersonne ließ sie hellen.
Ein sanftes Kräuseln rann nun auf den Strand,
wie Schaum am Rand von edlem Champagner;
wenn Stoß die Gläser küsst mit leichter Hand,
gleich Frühlingshauch im Herzen – milde, klar.
Es gibt nur wen’ges, das den Wein verbannt;
sie predigen – doch predigen fürwahr
vergebens. Lasst uns lachen, trinken, lieben –
wer nüchtern lebt, hat schon sich aufgegeben.
Da Menschen denken, trinken sie mit Sinn:
Das Beste lebt in Rausch, nicht im Verzicht.
Die Traube, Liebe, Gold und Ruhm – Beginn
und Ende jeder Hoffnung, jedes Licht.
Ohne den Saft, wie kahl der Welten-Din
vom Baum des Lebens – nie ein Angesicht.
Doch kehr’n wir heim: Werd trunken, fall in Nacht –
und mit dem Kopfschmerz kommt des Morgens Macht.
Ruf deinen Diener, heiß ihn ohne Zagen,
bring Soda, Gin – ein Trank wie Königsrecht.
Nicht Eis mit Schnee, nicht Sorbet kann’s ertragen,
nicht Quell in Wüstenglut bei Mittagsschlecht,
nicht Burgund in des Abends lichten Tagen,
nach Reise, Krieg, nach Liebe und Gefecht,
vermag zu gleichen jenem starken Schluck –
ein Schimmer Leben – eines Gottes Schmuck.
Die Küste – ja, es war wohl diese Küste –
lag still wie Himmel, weit in Blauschatt’ flach,
kein Windhauch störte ihre sanfte Brüste,
der Sand so glatt, als wär’s ein stiller Bach.
Der Vogel rief, der Delphin sprang in Lüfte,
und kleine Wogen schlugen leis vom Dach
ein Riff, das kaum vom Wasser sich benetzen
ließ – wie Groll, der nicht mehr will verletzen.
Sie wanderten; ihr Vater war zur See,
wie ich bereits zuvor zu sagen pflegte.
Und Bruder, Mutter, Vormund – nimmer je,
bis auf die Eva, die mit Demut hegte
den Dienst am Tag, als sei’s ihr Herzensweh,
warm Wasser trug, das Haar ihr kunstvoll legte,
und mit Geduld – bei jeder neuen Sonne –
nach alten Kleidern fragte voller Wonne.
Es war die kühle Stunde, rot das Licht,
das hinter Hügeln sanft zu Boden sank.
Die Erde schien, als fass' sie das Gesicht
der Sonne selbst, so groß, so warm, so blank.
Die ganze Welt in stummem Gleichgewicht,
von tiefer Stille grau und trüb und krank.
Der Berg umrahmte sie zur halben Bahn,
das Meer lag kühl und klar zur andern plan.
Der Himmel glühte zart in Rosenschleier,
ein einz’ger Stern darin wie Augenschein.
Die Luft so sanft, der Abend ward ein Freier,
der warb mit Duft und schlich sich lieblich ein.
Die Welle sprach in leisem Tonen, leiser,
als wolle sie nur flüchtig bei uns sein.
Und durch das Himmelsrot, so weit und weit,
zog langsam sich der Mond in Herrlichkeit.
Und Hand in Hand, mit sanftem Schritt im Sand,
sie wanderten durch Muscheln, Stein und Kies.
Der Weg war glatt und hart, doch in dem Land
war jede Höhle, wild und roh, ein Paradies.
Vom Sturm geformt und dennoch wie geplant,
als schriebe Zeit in Fels ihr stilles Lied.
In Hallen ruhten sie in kühler Nacht,
von Dämmerung und Sehnsucht sanft bewacht.
Dann blickten sie empor zum weiten Raum,
wo Rosenozean den Himmel webt,
und schauten auf das Meer – ein stiller Traum –,
in dem der volle Mond sich spiegelnd hebt.
Die Welle murmelte, der Wind kaum kaum,
das Dunkel sacht in ihre Nähe schwebt.
Und als sie sich ins Auge tief versenkt,
war’s, als die Seele sich zum Kusse lenkt.
Ein Kuss – so lang, als hielt die Zeit den Atem,
ein Kuss, in dem die ganze Jugend glüht,
als ob sich Licht in einem Punkt zusammen,
der über ihnen wie ein Feuer blüht.
Die Pulse lodern, fließen durch die Flammen,
der Augenblick wird selbst zum Liebeslied.
Denn solche Küsse, voller Macht und Sinn,
misst man nicht kurz – nur durch ihr tiefstes Inn’.
Mit "Länge" meint’ man nicht nur rasche Frist,
ihr Kuss war wie ein Strom, der ewig rinnt.
Wie lange? – Nur der Himmel weiß es, ist
kein Maß für das, was Liebende gewinnt.
Kein Wort ward laut, doch war ihr Blick gewiss,
dass Seele sich zu Seele leise wind’.
Sie standen da – wie fest in sich vereint,
als ob die Welt in ihnen neu erscheint.
Die Seelen wie zwei Bienenschwärme flogen,
die Herzen – Blumen, süß von Honig schwer.
Kein Wort, kein Laut – nur Zärtlichkeit gezogen
wie Duft aus Blüten, atmend sanft umher.
Die Lippen fest, als hätt’ ein Gott gelogen,
wenn er einst trennte, was jetzt kehrt sich her.
Ihr Sein verschmolz, wie Glut im selben Kern,
ihr Blick verriet: "Du bist mir ewig fern –
und fern doch nah, wie Licht dem Sonnenstern."
Sie waren still, doch nie allein dabei,
denn Einsamkeit war das nicht, was sie spürten.
Der Ozean, die Sterne, rings der Mai,
der Dämmerhauch, in dem sich Schatten rührten,
der Höhlen Wand, das abfallende Glei,
als ob sie alle sanft ihr Band beschürzten –
sie drängten sich aneinander, fest und sacht,
als wär’ nur ihre Liebe diese Nacht.
Sie fürchteten kein Ohr, kein Auge mehr,
kein Nachtgeräusch, kein fremder dunkler Blick.
In ihrer Nähe war das Leben leer
und doch erfüllt mit jenem Zauberglück,
das erste Liebe gibt, so tief und schwer,
als Eva's Erbe – bittersüß zurück.
Kein Wort war klar, doch Seufzen sprach dafür,
dass Leidenschaft durch Schweigen wirkt – und Tür.
Jannah kannte Schwur noch Skrupel, nie
hat sie von Ehe, Pflicht und Bund vernommen.
Kein Wort von dem, was Liebende entzieh’,
kein Wissen, was aus Treue je gekommen.
Ein Kind der Unschuld – frei von Müh und Müh’,
wie Vogel, frisch dem ersten Flug entnommen.
Und weil sie Lug und Trug nie je verstand,
war Treue nicht einmal in ihr bekannt.
Sie liebte – und geliebt ward sie im Nu,
ihr Herz war ganz in seiner Hand verloren.
Wie Gottesdienst war’s: reine Liebesruh,
und beide fühlten sich wie neu geboren.
Die Seelen flossen ineinander zu –
wär’ Liebe Tod, wär’n beide längst erfroren.
Doch kehrten ihre Sinne langsam ein,
nur um erneut zu brennen, neu zu sein.
Ihr Herz schlug wild an seiner Brust, so weit,
als wollt’s sich nie mehr trennen, nie mehr ruh’n.
Ach, jung und schön, im Glanz der Einsamkeit,
von Liebe trunken, wussten sie nicht tun.
Die Stunde war erfüllt von Zärtlichkeit,
wo selbst der Wille schweigt – kein Grund, kein Nun.
Was dort geschieht, bleibt ewig ungesühnt,
wo Seelen sich in Glut und Schmerz verbrüht’n.
Ach Juan! Ach, Jannah! Welch ein süßes Paar,
so zart, so rein – und doch in Flammen stehend.
Kein gleiches ward gesehen, nie sogar,
seit Adam einst mit Eva war bestehend.
Und Jannah, fromm und schön wie kaum ein Star,
hat wohl von Höll’ und Sünde was verstehend,
doch als das Herz entbrennt in seinem Drang,
vergisst man leicht, was einst im Munde klang.
Die Augen trafen sich im Mondenschein,
ein Glanz, der alles um sie her verwehrt.
Ihr Arm, er schlang sich um des Juan' Main,
sein Kopf in ihren Locken sich verwehrt.
Sie saß auf ihm, als würd' der Tag sich neigen,
ergriff ihr Haar, das von den Händen wehrt.
Sie trank ihn ein, er atmete in ihr,
und dennoch war da nie ein Wort, ein Tier.
Die Stunden flogen wie der Wind davon,
und Juan sank in ihren Armen ein.
Doch sie schlief nicht, ihr Herz war voller Thron,
sie hielt sein Haupt und ließ sich nie entzwein.
Ihr Blick streifte zum Himmelszelt – wie Mond,
und ihre Brust, sie wärmte still und fein,
während ihr Herz in einer Melodie
für Juan klopfte, in süßer Harmonie.
Und tief wie Wasser, klar wie reiner Stern,
war ihre Liebe, still und ohne Laut.
Ein Kind, das Licht sieht, fühlt sich neu und fern,
ein Gläubiger, der die Hostie schaut,
ein Araber, der Gast im Haus erkennt,
ein Krieger, der den Sieg im Kampf erbaut,
sie fühlten Freude – doch so pure, tief,
wie Liebe, die im Traume nie verließ.
Denn was da lag, so sanft und schön in Ruh,
war alles Leben, das in Stille lebt.
Ein Herz, das schlägt, als wär’s das letzte Du,
und in der Liebe sich nie mehr erhebt.
Es fühlt, was Freude, Schmerz und Leben tun,
in stummen Tiefen, wo der Wind sich dreht,
da liegt es, vollkommen, rein und wahr und klar,
und Liebe bleibt, auch wenn der Tod nicht war.
Die Dame wachte still bei ihrem Mann,
Die Stunde war von Nacht und Glut durchdrungen;
Der Ozean, so leer und grenzenwann,
Hat all die Macht der Einsamkeit gesungen.
Ihr Herz, entflammt, war wie ein offner Bann,
Wo Wellenlust in wilder Kraft gesprungen.
Kein Stern am Himmel sah in jenem Raum
Ein Antlitz, heller als ihr Liebestraum.
Ach, Liebe der Frauen! – ein süß-schrecklich Ding,
Denn all ihr Sein wird ganz darein gegeben;
Geht’s je verloren, bleibt ihr kein Gewinn,
Nur Spott der Zeit, ein schales Rest-Leben.
Die Rache aber kommt wie Tiger-Spring,
Tödlich, geschwind, zermalmend ohne Beben –
Und dennoch spürt sie tief, was sie vollbringt,
Denn was sie tut, ist das, was sie durchdringt.
Ein Bund nur wird von ihnen still erwartet,
Und oft ist’s bloßer Trug, dem sie vertraun;
Sie lernen früh, wie man das Herz entartet,
Verbergen’s tief, statt offen aufzubaun.
Sie schweigen, während drinnen alles startet
Zu brechen – bis neue Lust sich lässt erschau’n
Und sie verkauft an Ehe, kühl und matt –
Was bleibt? Ein Mann, der sie vergessen hat.
Die eine nimmt Gebete, eine Wein,
Die andre stillt sich selbst mit Haushaltspflicht;
Die nächste flieht – will lieber ferne sein,
Vergisst den Ruf, die Tugend, das Gesicht.
Nur wenige entgehn dem harten Sein,
Denn ihre Lage ist naturflicht nicht:
Vom Prunkpalast zur ärmsten Hüttenschlucht –
Ein Teufel spielt, dann wird ein Buch draus gemacht.
Jannah war’s, die Natur zur Braut erwählt,
Ein Kind der Glut, die selbst die Sonne scheut;
Wo dreifach Licht auf heiße Länder fällt,
Ward sie geboren, wo das Herz sich freut.
Nur um zu lieben war sie vorbestellt,
Und was ihr galt, war einzig seine Treu.
Was anderswo geschah, war leeres Wort –
Ihr Herz schlug hier, als gäb’s sonst keinen Ort.
Und ach! wie schlägt das Herz in solchem Drang –
Wie teuer ist uns jedes Pochen innen!
So süß die Wirkung, selbst der Ursprung bang,
Dass selbst die Weisheit kann den Wert nicht minnen.
Sie zählt die Tränen, doch sie wird nicht lang
Die Freuden solcher Alchimie gewinnen.
Das arme Herz, von edlem Schmerz durchglüht –
Was Wunder, dass selbst das Gewissen lügt?
Und nun geschah’s – am randlos stillen Strand
Verschmolzen ihre Herzen ohne Scheu.
Die Sterne hielten Fackeln in der Hand
Und gossen Glanz auf sie, so rein, so neu.
Der Ozean war Zeuge, Höhle, Land –
Geweiht war’s nur durch ihre Liebestreu.
Der Priester war die Einsamkeit – so sacht,
Und sie vermählt durch Lust und junge Macht.
O Liebe! Cäsar war dein frommer Knecht,
Titus dein Herr, Antonius dein Sklave;
Horaz und Ovid – beide wohlgeleckt –
Sah’n in dir Glanz, auch wenn du sie begrabe.
Selbst Sappho sprang, von dir entstellt, verächt’,
Vom Fels ins Meer, zu stillen ihre Wabe.
O Liebe! Göttlich bist du, doch gemein –
Denn Teufel darf man dich wohl nimmer schrei’n.
Du machst uns sicher und der Ehe Tür,
Und scherzest mit den mächtigsten in Glanz.
Cäsar, Pompeius, Mahomet und für
Belisarius die Feder nahm zum Tanz.
Ihre Leben waren voll von Ruhm und Müh,
Und doch ging’s oft mit ihnen in den Schanz.
Denn drei in allem teilten diese Pracht:
Sie waren Helden, Eroberer – und ach, der lacht!
Ihr macht Philosophen – schaut auf Epikur,
und Aristipp, der stets dem Stoff vertraute!
Sie lehren, dass das höchste Lebens-Uhr
praktische Lust sei, die uns gern erbaute.
Wenn ihre Lehre nur vom Teufel nur
uns schützte, wie sie süß und klug uns schaute!
„Essen, trinken, lieben – was bringt mehr Gewinn?“
So sprach Sardanapal, mit königlichem Sinn.
Doch Juan! Hatte Marion er vergessen?
Konnt er so rasch sich von ihr abgewöhnen?
Ich frage mich – ich kann es kaum ermessen –
wie tief das geht, was Herzen uns durchdröhnen.
Doch wenn der Mond uns segnet mit Zärtlichkeiten,
beginnt das Herz, sich neu zu überschönen.
Wie kommt's, dass neue Schönheit so betört,
als ob man nie zuvor so etwas hört?
Ich hasse Unbeständigkeit – verfluche
den Geist, der nie bei einer Wahrheit ruht!
Der sich wie Quecksilber in Hüllen suche,
doch nie in fester Liebe still verblut’.
Mein Herz war stets bei einer sanften Buche
der Treue – doch auf einem Maskenfest ruht’
mein Blick auf einer Maid aus Mailands Pracht,
die mir Gedanken weckte, wild und sacht.
Zum Glück sprach die Philosophie mich an:
„Denk an das Band, das heilig dich begleitet!“
„Das tu ich, liebe Weisheit!“ fing ich dann
zu sagen an – doch ach, wie sie mich leitet!
Ihr Aug’! Ihr Zahn! Ihr Blick, der mich umfing –
ich fragte nur, ob sie sich wohl bereitet
als Frau, als Magd, als keines von den zweien –
„Halt!“ rief Vernunft, im griechisch-stolzen Reigen.
„Halt!“ sprach Vernunft – so hielt ich auch sogleich,
doch kehren wir zurück zum Argument:
Was man „Unstetigkeit“ nennt, ist zugleich
nur Ehrfurcht vor Natur, die Schönheit kennt.
Wenn frische Jugend blüht im bunten Reich,
so ist’s kein Wechsel, der den Blick verbrennt;
wie Statuen in Nischen uns entzücken,
so lässt sich auch das Lebendige beglücken.
Es ist das Schöne selbst, das uns bewegt,
die feine Kraft, die in der Seele wohnt;
platonisch, himmlisch – was die Sterne pflegt
und durch das Himmelslicht uns mild belohnt.
Ohne dies Feuer wär das Dasein träg,
ein ödes Tal, das keiner Freude lohnt.
Ein wenig Sinnlichkeit kommt noch hinzu –
denn Staub ist Fleisch, und Flamme trägt es zu.
Doch ach, dies Glühn bringt Schmerz, bringt Widerstreben,
denn könnt' man stets in einer Seele lesen
das gleiche Maß an Gnade und an Leben,
wir würden viele Tränen glatt vergessen.
Und auch viel Geld! Denn wie es nunmal eben
so geht – man muss bezahlen oder pressen.
Wär eine Dame ewig zugewandt,
so wär das Herz – und auch die Leber – gesund.
Das Herz ist wie der Himmel selbst gemacht,
es wechselt Tag und Nacht in seinem Blühn;
da treiben Stürme durch die zarte Schlacht,
und Blitze stören sanftes Morgenhymn.
Doch wenn's durchbohrt ist und zur Ruhe sacht,
dann kommt der Regen – Augen überzieh’n.
Das Blut wird Träne, mild und klar wie Glas –
so ist des Herzens stetes Aprilmaß.
Die Leber ist das Lazarett der Galle,
doch selten wird die Pflicht von ihr vollbracht;
die erste Leidenschaft bleibt stets zur Stelle,
bis neue Triebe kreuzen ihre Macht.
Ein Vipernknoten fault im düst'ren Falle,
wo Wut und Angst und Neid und Schuld entfacht;
aus diesem Eingeweid entquillt das Beben,
wie Feuer, das im Herzen tief bestreben.
Doch ohne länger in die Tiefen dringen,
beend’ ich hier mein Lied, wie's vorher war:
Zweihundert Strophen will ich künftig singen,
in jedem Gesang so ungefähr sogar.
Nun leg ich Feder fort und will mich schwingen,
zu grüßen, eh mein Geist wird ganz und gar
von Don Juan und Jannah fortgetragen –
für sie soll unser Flehen weiter schlagen.
Heil dir, o Muse! — Juan lassen wir schlafen,
gelagert auf der süßen, weißen Brust,
behütet von zwei Augen, zart wie Schafen,
in einem Herzen frei von aller Lust,
das, reich gesegnet, ohne Gram und Strafen,
nicht ahnte, wer dort ruht in stiller Frust,
der Gift geträufelt in der Jahre Quelle
und reines Blut beweint an dieser Stelle.
O Liebe! Was macht dich so unheilsschwer,
dass jeder Kranz aus Zypressenzweigen?
Warum wird deiner Treue Seufzen mehr
als Freude je in deinen stillen Reigen?
Wie Blüten welken, die wir liebenswert,
ans Herz gedrückt, in stiller Ahnung neigen –
so sterben Seelen, die wir zärtlich hegen,
an unserer Brust, zu frühem Tod verlegen.
In erster Leidenschaft liebt Frau den einen,
doch später liebt sie mehr das süße Lieben,
das, zur Gewohnheit, locker kann erscheinen
und wie ein Handschuh gleitet über Trieben;
ein Mann vermag zuerst ihr Herz zu einen,
doch später werden viele ihr verblieben –
ihr Herz wird leichter, und man sieht gar oft,
dass sie bald lieber mehr als einen hofft.
Ob Schuld nun bei den Frauen oder Männern,
weiß ich nicht sicher; doch das scheint gewiss:
Wenn Frauen nicht sich eifrig Gott bekennen,
dann fällt ihr Herz dem Flirt und Spiel gewiss.
Obwohl sie anfangs ganz für einen brennen,
kehrt bald der Reiz der Freiheit ins Gemisch;
es gibt, so sagt man, solche, die nie lieben –
doch diese sind nur selten aufgeschrieben.
Es zeigt sich traurig, schwach und auch gemein,
wie selten Ehe sich mit Liebe paart.
Obwohl sie aus demselben Born gedeihn,
wird eine bald zur Pflicht, die andre zart.
Ehe aus Liebe wird wie Essig sein:
ein scharf Getränk, das einst so süß geschart,
verliert sein Himmelsglühen, wird zur Plage,
ein nüchtern, saurer Trank für alle Tage.
Es liegt, als wär’s ein heimlich tiefes Wehren,
zwischen der ersten Glut und später Pflicht,
ein sanftes Schmeicheln, dem wir allzu ehren,
bis bittrer Ernst ergreift das Angesicht.
Doch was bleibt uns, als still das Herz zu leeren?
Das Spiel der Namen wandelt sein Gesicht:
Was einst noch süß als Liebesglut verglühte,
wird in der Ehe Pflicht, die kaum erblühte.
Die Menschen schämen sich, zu lieb zu sein,
und manchmal müd' – doch selten ist's der Fall;
Dann stürzt Verzweiflung in ihr Herz hinein,
denn ewig staunt man nicht in einem Saal.
Und dennoch bindet treu der Liebeslein
die beiden fest – bis einst der letzte Wall
zerbricht: O Schmerz! Den Bräutigam verlieren
und Trauer in der Dienerschar gebieren!
In häuslichen Geschäften zeigt sich bald
das Gegenteil der Liebe, die uns rührt;
Romanzen schmücken stets den Werbegestalt,
doch Ehen – ach! – sind nur halb ausgeführt.
Kein Ohr will hören auf der Ehe Schall,
kein Mund, der sich am Eh'kuss nicht geniert.
Hätt’ Laura Petrarca wirklich zur Frau genommen,
wär'n seine schönsten Sonette nie gekommen.
Am Ende stirbt in Trauerspiel der Held,
und Komödien schließen mit der Eh';
Was nach dem Schluss im Jenseits sich entstellt,
davon erzählt kein Dichter je im Geh.
Sie fürchten, dass ihr Lied die Himmel fällt,
und Strafen zieh'n sie sich im Fall entsteh'.
Drum Priester ruft, das Buch zur Hand gelegt,
von Tod und Damen wird kein Wort bewegt.
Nur Dante und Milton sangen kühn und weit
von Himmel, Hölle und vom Ehestand;
doch beide litten selbst in Eh’gefahr, nicht Freud',
ein raues Herz zerriss des Bundes Band.
Kaum viel Bedarf's, dass eine Liebe schreit:
Ein Schatten nur — und sie ist abgewandt.
Doch Dantes Beatrice und Miltons Weib
ward nicht aus ihrer Ehemühsal Leib.
Manch einer spricht: „Dantes Beatrice sei
Theologie, nicht Liebe!“ – Nun, ich mein',
obgleich ich so ein Urteil nicht verzeih’,
dass solches nur des Kritikers Glaube sei'n.
Es sei denn, aus Erkenntnis, nicht nur Treu',
sprach er, dann möge’s richtig für ihn sein.
Für mich war Dantes höchste Seligkeit
geformt in Liebe – nicht in Geistlichkeit.
Jannah und Juan, sie waren nicht vermählt,
doch trifft sie Schuld, nicht mich – das sei gesagt.
Keusch, lieber Leser, sei nicht übereilt:
Verheirat' sie selbst, wenn's dich so sehr plagt!
Sonst schließ das Buch, bevor zu spät verweilt
und böse Folgen droh’n, weil einer wagt.
Es ist gefährlich, solcher Lust zu lesen,
die jenseits heil’ger Ehebande genesen.
Und dennoch waren sie auf ihre Art
glücklich in Wünschen, unschuldig und frei.
Doch wurde Jannah, sorglos und zu hart,
vergessend, dass die Insel ihres sei.
Was wir begehren, lieben wir als zart –
zumindest früh, bevor die Lust vorbei.
So kam sie oft, verstohlen, ohne Zögern,
während der Vater kreuzte mit den Bögen.
Dass Vaters Art, zu sammeln, eigen war,
verwund're nicht, obgleich er viele Flaggen
beraubte; gleicht's doch dem Minister klar,
der Steuern hebt – nur höflicher in Fragen.
Er trieb’s bescheidner auf dem weiten Meer,
sein ehrliches Gewerb’ hieß "Wellen tragen".
Ein Wasseradvokat in stillen Booten,
ließ er sich auf den Handel von Kapriolen.
Ein Teil der Beute fiel vor Matapan,
verkauft an Freunde, jene Mainoten-Horde;
Den Rest verhökerte er, wo er nur kann,
in Tunis über seine alten Borde.
Ein Greis – zu alt für den verkauften Plan –
flog über Bord, war eh nicht viel an Worte.
Die Reicheren verwahrt’ er wohl bedacht,
für künft'ges Lösegeld bei dunkler Nacht.
Die Waren schuf er für den Ostmarkt ein,
für Märkte, die Levantenhändler kennen:
Mit Spitzen, Tüchern, feinem Porzellan,
mit Teekännchen und zarten Frauentrännen,
Gitarren aus Alicante klang hinein,
Kastagnetten, die die Mädchen nennen.
All das geraubt von Väterhänden schwer –
für seine Tochter, lieb und noch viel mehr.
Ein Affe auch, ein Papagei in Rot,
ein Ara, eine Dogge, jung und munter,
ein Kätzchen, zart und weich wie Morgenrot,
ein Terrier (der einst treu war einem Briten drunter,
der starb an Ithakas verfluchtem Boot) –
sie kamen alle, heulend auf und runter,
im riesengroßen Korb, der klappernd stand,
gefangen jetzt in fremdem Wüstenland.
Nachdem er so sein Schiff zurechtgericht',
entsandte er die Kreuzer in die Meere;
Das eig'ne brauchte kleine Müh’ und Pflicht,
drum lenkt’ er heimwärts seine müden Heere,
zur Tochter, deren Herz in Sorge bricht –
doch Felsen drohten wild aus dunkler Schwere,
die Küste war ihm flach, mit Riffen rau,
der Hafen lag am andern Ufer blau.
Er landete, wie einst ein König kühn,
kein Zollhaus, das ihn hinderte mit Fragen,
kein Wachposten, der lästig ihm erschien,
kein Quarantänewächter, ihn zu plagen.
Er ließ das Schiff, das treu mit ihm erschien,
am nächsten Morgen unter Wasser tragen;
Denn alles Volk, nach altem Piratensinn,
hob Schätze, Ballast, Kanonen hurtig hin.
Als er den Gipfel eines Hügels fand,
von dem sein Haus in weißen Mauern winkte,
da stand er still – das Herz ihm brannte in der Hand,
das Aug', das längst Vergangnes wieder trinkte.
Wer heimkehrt, fühlend, wie das eig'ne Land
sich fremd und nah zugleich in Lüften hinkte,
dem schlagen Zweifel, Hoffnungen ins Herz,
wie Frühlingsstürme, wild in Freud’ und Schmerz.
Kein Ehemann, der lange ferne war,
kommt heim, ganz ohne Bangen in den Gliedern;
Denn Frauenherzen, ach, sind wunderbar,
manch eine ließ sich längst von neuen Liedern
besingen, wo einst Zähren bitter klar –
und Töchter, ja, sie tanzen mit den Brüdern
des Butlers fort, wenn Amor's Pfeil sie trifft –
denn Liebe wächst, wo streng Verbot nur schifft.
Nicht jeder Heimkehrer, wie einst Odysseus,
wird seiner Penelopeus' Treue danken;
Manch eine ziert statt Grabes Trauermuss
mit jungem Glanz bereits die neuen Ranken.
Statt einer Frau empfängt er Spott und Kuss,
und sieht sein Erbe durch die Hände wanken,
während sein alter Argus – blind vor Wut –
ihm kläffend noch die alten Hosen blut’.
War er ein Junggeselle gar gewesen,
dann hätt’ ihn wohl sein holdes Kind verraten:
Verheiratet – so pflegt es oft zu genesen –
mit einem alten, reichen Geizhals-Satan.
Doch besser ist's: Denn bei vereinten Wesen
wird schnell gezankt in ehelichen Staaten;
Dann kann der Abgewiesne, stolz und heiter,
ihr Kavalier sein – oder schreiben weiter.
Er mag als witz'ger Schwärmer sich erheben,
ihr seine Treue scherzend neu versprechen,
oder – wenn’s besser dünkt – der Welt ergeben,
der Damen Unbeständigkeit zu brechen:
Er dichtet Oden auf das falsche Leben,
lässt Venus' Sohn in alten Blättern rächen,
und klagt in Reimen weise über Weiber,
als wär’ er selbst der letzte treue Bleiber.
Ach ihr, die schon in keuscher Freundschaft lebt
mit einer Frau, die längst den Bund empfing –
ein Band, das selbst den Stürmen widersteht,
ehrwürdig, doch nicht frei von manchem Ding.
Die Zeit, die sonst so vieles schnell verweht,
bringt hier Beständigkeit im neuen Ring;
doch wer zu lang sich aus dem Blick entfernt,
hat oft die Nähe fremdlich neu gelernt.
Stephan, der Seemann, selten an dem Land,
kann Ozeane besser noch als Gassen.
Als er den Rauch vom eignen Heim erkannt,
begann sein Herz vor Freude fast zu fassen.
Er kannte nicht, wie Sinn und Geist verband
der Dinge Grund, wie sie zusammenpassen;
er liebte zwar sein Kind – bei Gottes Licht –,
doch warum? Das verstand er selber nicht.
Er sah im Glanz der Sonne weiß die Wand,
die Bäume warfen Schatten auf den Pfad,
der Bach erklang mit silberhellem Band,
ein Hund bellte aus weiter Waldes Naht.
Im Dickicht, kühl und grau das Eichenland,
sah er, wie etwas sich in Rüstung tat –
Gestalten blinkten hell im Waffenlicht,
in bunten Kleidern, fast wie Schmettericht.
Doch als er naht, verwundert über all
die fremden Zeichen dieses Müßigganges,
vernimmt er – ach! – nicht Sphärenklang im Hall,
sondern Gegeig’ aus irdischem Verlangens.
Ein Lied, das an den Ohren zehrt einmal –
sein Grund blieb ihm verborgen trotz Verlangens.
Dazu Trompete, Pfeife, Paukenklang –
und Lachen, fremd dem Morgenland-Gesang.
Noch näher trat er, stieg den Hang hinab,
durch Zweige, die das Laub in Wellen warfen,
und sah, wo froher Glanz die Fläche grab’ –
die Dienerschar, in Tänzen, die sie warfen
gleich Derwischen, die dreh’n im wilden Trab,
als würden sie vom Erdentanz erschlafen.
Ihm schien’s der Pyrrhustanz mit Kriegesschritt,
den man im Osten liebt mit wildem Tritt.
Ein Reigen Mädchen, hell im weißen Kleid,
die Erste schwang ihr Tuch mit leichtem Schwung,
sie tanzten Hand in Hand, gereiht zu zweit,
ihr Lockenfall in kastanienbraun so jung.
An weißen Hälsen glänzt die Schönheit weit –
genug, dass zehn Poeten würden krung’!
Die Führerin sang, sprang in froher Kraft,
der Chor tat mit – in Ton und Tanzeshaft.
Im Kreis, den man im Schneidersitz beschloss,
begannen Gruppen eben jetzt zu speisen:
Mit Fleisch und Pilau war der Tisch ganz groß,
und sam’scher Wein floss kühl in vollen Weisen.
Sorbet, das in der Porenvase floss,
half, Hitze sanft aus Kehlen fortzureisen;
darüber wuchsen Trauben dicht und rund,
und reife Frucht fiel nickend auf den Grund.
Ein Kreis von Kindern um ein weißes Tier,
sie schmückten seine Hörner bunt mit Blüten.
Er stand so sanft, als wär’s ein Lamm noch hier,
der Älteste der Herde, ohne Wüten.
Er senkt den Kopf mit würdevoller Zier,
um spielend sich den kleinen zu behüten;
er täuscht ein Stoßen vor mit holder List –
doch weicht zurück, wenn’s Kind die Hand ihm misst.
Ihr edles Profil, ihre Kleiderpracht,
die großen Augen, weich in dunklem Licht,
die Wangen, rot wie Frucht zur vollen Nacht,
der Locken Spiel – ein ganz verzaub'rer Wicht.
Die Geste sprach, das Aug’ war voller Macht,
die Unschuld selbst verließ ihr Antlitz nicht.
Ein Denker, der sie schweigend dort erspäht,
seufzt tief – dass solch ein Zauber bald vergeht.
Ein Schelm erzählte, wo die Alten saßen,
umnebelt still vom Rauch der langen Pfeifen,
von Schätzen, die in tiefen Tälern blassen,
von Wundern, die in Arabien noch reifen.
Von Zaubern, die das Gold zu heilem lassen,
von Felsen, die bei Klopfen Worte streifen,
und Damen, die durch einen kleinen Schwur
aus ihren Männern wilde Bestien nur.
Hier fehlte es nicht an zerstreuten Freuden,
Gesang, Musik, auch Tanz und süßer Wein,
Und Märchen, die aus Persiens Zauber weiden,
Für Sinn und Fantasie ein edler Schein.
Das alles mochte wohl das Herz erfreuen,
Doch Stephan fand’s im Innern gar nicht fein.
Was andre liebten, ließ ihn stumm erbeben –
Er sah die Rechnungsflut herauf sich heben.
Ach, Mensch! Was bist du doch für ein Gebilde,
Gefahr umgibt selbst die, die wohl gespeist;
Ein Tag aus Gold im ehernen Gefilde
Ist, was das Schicksal dem Günstling verleiht.
Vergnügen (wenn es singt) ist eine Wilde,
Die selbst dem Neuling bald das Herz entreißt.
Und Stephans Festempfang beim Volk geriet
Wie nasses Tuch, auf das man Feuer zieht.
Ein Mann, der selten Worte je verlor,
Der lieber mit dem Schwert zu überraschen pflegte,
Kam ohne Boten, trat durchs eigene Tor,
Wo keiner ahnte, dass sein Schritt sich regte.
Lange stand er, hielt den Blick davor –
Verstört, wie sehr sich all dies hier bewegte.
Nicht Freude war’s, was seine Brust durchflog –
Dass so viel gute Gäste sich hier tummeln, war ein Schock.
Er wusste nicht – o wehe falscher Kunde! –
Dass man (vor allem Griechen) so gern spricht,
Man habe tot ihn schon zur Grabesstunde
Erklärt – doch solche Leute sterben nicht!
Und wo sein Haus einst still in Trauerkunde,
War Lächeln nun auf Jannahs Angesicht.
Vergangen waren Tränen, Leid und Qual –
Nun führte sie das Haus – ganz ohne Zahl.
Drum all der Reis, Musik und Tanz und Trinken,
Die Insel schien ein zweites Eden nun.
Die Knechte sah man in das Fest versinken,
Mit trunknem Wanken oder schnellem Ruh’n.
Was einst wie Zwang war, ließ sich leicht bezwingen –
Was Jannah tat, ließ selbst den Vater tun.
So wundervoll nahm alles seinen Lauf,
Und Liebe blieb – so scheint’s – ganz außen drauf.
Du denkst vielleicht, er stürze voller Wut
In dies Gelage, zornentbrannt und wild,
Dass er nun rasch mit Kerker, Hieb und Glut
Den Übermut der Gäste gleich enthüllt.
Ein Lehrstück solle sein, wie sehr es tut,
Wenn man dem Herrn nicht seinen Willen stillt.
Vielleicht gar zeigt er mit des Piraten Zier
Ein königlich-gerichtlich-finster Tier.
Doch nein! Er war der sanfteste Geselle,
Der je ein Schiff versenkte, lautlos, kühn.
Mit Höflichkeit – so echt in jeder Zelle –
Ließ er sein wahres Denken nie erblühn.
Ein Höfling selbst hätt’ kaum so große Schwelle
An Lüge, wie man’s Frauen oft verzieh’n.
Schade nur, dass er das Abenteuer suchte –
Er war für feine Salons, die er verfluchte.
Er trat nun still zum nächsten der Tabletts,
Und klopfte leise einem Gast die Schulter,
Ein Lächeln auf dem Mund – doch kein Kompliment –
Denn das verhieß nichts Gutes: kalt und kälter.
Er fragte nach des Festes Element.
Ein Grieche, selig, wurde noch beseelter,
Und hob sein Glas, sah nicht, wer da gefragt –
„Reden macht trocken, trink, was dir behagt.“
Noch einen Schluck – ein Zucken, laut und schräg:
„Der alte Herr ist tot, drum dieses Mahl.
Du fragst am besten die, die nun das trägt,
Die Herrin – sie verwaltet nun das Tal.“
„Die Herrin?“ fragt ein dritter – halb im Steg –
„Du meinst den Herrn – den neuen – ohne Qual.“
Sie wussten nicht, wer sich zu ihnen wand,
Und Stephans Miene wurde plötzlich spannend.
Ein Schleier schlich sich über seine Stirn,
Doch schnell verbarg er, was das Herz ihm stach,
Er zwang sich lächelnd, ruhig wie ein Firn,
Und sprach – als ob’s nur Neugier wär’ – ganz sacht.
Er bat den Mann, ihm doch mit einem Hirn
Zu sagen, wer den alten Herrn verbrach,
Und was den neuen Herrn denn wohl beschriebe –
Der Jannah nun als „Matrone“ so umtriebe.
„Wer er auch sei – das weiß ich wahrlich nicht,
Woher er kam, ist mir ganz einerlei;
Doch was ich weiß, ist: dieses Fettgericht
Vom Kapaun schmeckt – und dazu guter Mai!
Wenn Euch das stört, dann geht und fragt ihn schlicht –
Mein Nachbar dort gibt Auskunft frank und frei.
Er plaudert gern – zum Guten wie zum Schlechten –,
Denn Selbstruhm liegt in seinen rechten Rechten.
Ich sprach: „Der Stephan zeigt Geduld und Maß,
Wie man sie selten bei Verwandten sieht.
An Höflichkeit – o Frankreich, gib uns was! –
Ward selbst dein feinster Sohn hier überbiet’.
Er trug den Spott, als ob er Eisen fraß,
Obgleich sein Herz in stiller Qual erglüht;
Er duldete, was feige Mäuler gaben,
Die währenddessen an dem Hammel laben.
Denn wer gewohnt ist, nur mit Wort zu lenken,
Zu sagen: Komm! – und Menschen folgen gleich,
Der kann auch schweigend über Grenzen denken,
Ob’s nun zum Tode geht – oder ins Reich.
So mild ihn nun zu sehen, mag uns kränken –
Solch Wandlung dünkt uns seltsam und zugleich
Ein Rätsel, das sich nimmer ganz erklärt –
Doch wer sich selbst regiert, regiert geehrt.
Nicht, dass er nie in Wut geraten wäre,
Doch nie in ernster, stiller Herzensnacht.
Dann lag er wie ein Leopard in Schwere,
Gerollt im Wald, mit innerlicher Macht.
Nie war’s bei ihm ein Wort, gefolgt von Speere,
Sein Zorn war langsam, selten aufgebracht;
Doch wenn er schwieg, war Furcht in seinem Schweigen –
Ein Hieb von ihm konnt’ zwei auf einmal neigen.
Er stellte keine Frage, ging allein,
Doch wählte einen abgelegnen Pfad.
So sahen ihn nur wenige dort sein,
Denn keiner hatte ihn am Tag erwartet.
Ob Vaterliebe in ihm laut geschrien
Nach Jannahs Bild – wer weiß, was da genaht?
Doch wem der Tote wiederkehrt im Leben,
Dem scheint dies Fest ein sehr befremdlich Streben.
Kämen nun alle Toten auferstanden
(zum Glück bewahr’ uns Gott vor solcher Pein!),
Dann würden manche Ehen hart landen,
Denn Tränen fließen nicht nur klar und rein.
Was auch an Zwist einst zwischen ihnen standen,
Wird kaum durch Freude jetzt verziehet sein.
Es gäb Geschrei, nicht nur geteilte Wonne –
Denn Tote stehn nicht auf in eitel Sonne.
Er trat ins Haus – doch war’s ihm nicht mehr Heim,
Ein Schmerz, wie er das Herz am meisten bricht.
Weil was wir einst als unser Eigen nahm,
Verkehrt sich oft ins kalte Grabeslicht.
Der Herd, einst warm, nun aschenleer und lahm,
Wo kaum noch Hoffnung aus dem Staube spricht –
Dies Leid, das übertreffen kaum die Qualen,
Die uns im Geist durch letzte Stunden malen.
Er trat hinein – doch war’s ihm fremd und leer,
Denn Heimat lebt in Herzen, nicht in Stein.
Und still vor seiner Tür zu stehn – so schwer! –
Wo niemand kam, um ihm willkommen zu sein.
Dort lebte er in Friedenszeiten sehr,
Dort durfte einst sein Blick in Liebe sein.
Dort schmolz sein Herz bei Jannahs reinem Wesen,
Ein Schrein der Unschuld, licht und unvergessen.
Ein Mann von seltsamer, gemessner Art,
Von mildem Ton, doch innerlich voll Glut.
In allem Maß – kein Prunk, kein pralles Chart –
Zufrieden mit bescheidnem Mahl und Mut.
Empfindsam tief, doch gleichsam hart gepaart
Mit stillem Stolz und edel kaltem Blut.
Sein Land verriet sich selbst, so ward er Knecht,
Der selbst zum Herrn der Knechtschaft sich geschlecht.
Gold war ihm fremd, doch fand’s den Weg zur Hand,
Die Macht verführte seinen kühlen Geist.
Gewohnheit machte hart, wie Wüstensand,
Und Gnade, die zu oft sich selbst entgleist.
Er sah zu viel – am Meer, im fremden Land –
Mit wilden Männern, die kein Mitleid weist.
Die Reue, die sein Tun bei Feinden ließ,
Ward Freundschaft – doch nur wer ihn wirklich hieß.
Doch etwas Geist aus jenem alten Griechenland
Blitzt’ auf in ihm – ein Strahl von Heldenschein,
Wie einst, als man in Kolchis’ fernem Land
Zum Goldnen Vlies zog über Flut und Stein.
Er hasste Frieden – nicht aus leerer Hand,
Denn Lob erntet’ sein Volk nie, nur Gemein:
Er führte Krieg mit allen Nationen,
Als Rach’ für ihres Stolzes Sanktionen.
Doch über seinem Geist lag doch ein Hauch
Von jener ionischen Eleganz,
Die sanft aus seinem Wesen stieg wie Rauch,
Gezeigt in mancher Kraft und Lebensglanz.
Er liebte hohen Ton und Musen auch,
Wählt’ seinen Ort mit feinem Wohnbilanz,
Genoss den Strom, der klar an ihm vorüber
In stillen Stunden floss, wie Klang von Flöten über.
Die Blumen, die er sah, wenn sie erblühten,
Benetzten seinen Geist in sanfter Pracht,
Und wenn des Lebens wilde Stürme wüteten,
Hielt dies ihn manchmal still in seiner Macht.
Doch was an Lieb' in seinem Herzen glühten,
War auf ein einzig' Wesen nur bedacht:
Die Tochter, die ihn zärtlich hielt umfangen –
Die letzte Zartheit, die blieb bei Verlangen.
Der Verlust nur dieser stillen, reinen Liebe
Entzog ihm jede Spur von Menschenmilch,
Sein Herz, das einst empfand, verlor die Triebe,
Und ward ein Zyklop – blind im dunklen Zwilch.
Kein Zähmen war’s mehr, keine leise Triebe –
Er raste wie ein Fluch in dunklem Filch.
Die Sanftmut wich, sein Blick ward leer und finster –
Verlor’n war nun der Mensch, nur blieb das Gespenster.
Die Tigerin, die ohne Würfel jagt
Im Dschungel, ist dem Hirten furchtbar Bild;
Der Ozean, wenn er sich sturmhaft plagt,
Ist für das Schiff beim Fels ein Feind, wild, wild.
Doch wilde Kraft, die sich in Toben wagt,
Erträgt Beruhigung, wenn’s Leben stillt,
Mehr als der tiefe, stumme, starke Groll
Des Menschenherzens – einzig, kalt und voll.
Ein harter Fall, wenn auch nicht unbekannt,
Ist’s, wenn die Kinder unsre Nähe flieh’n –
In ihnen sehen wir das Licht, das stand
In jungen Tagen, neu geformt durch sie.
Und während Alter naht mit schwerer Hand,
Und Wolken zieh’n, wo Sonnenschein einst schien,
Verlassen sie uns – freundlich, nicht alleine –
Doch bleibt uns Gicht... und steinbesetzte Beine.
Doch ist die feine Kinderschar ein Glück,
Wenn sie nicht gleich nach Tisch herbeieilt.
Schön ist’s, wenn eine Mutter voll Geschick
Die Kinderschar mit Stolz und Wärme heilt.
Wie Putten, die sich schmiegen Stück für Stück
An Altargold, das leuchtet und verweilt –
So sitzen sie am Feuer, treu und schlicht –
Ein Anblick, der den größten Sünder bricht.
Die Dame, mit den Töchtern oder Nichten,
Glänzt heller als ein sieben-Schilling-Stück.
Ein Glanz von Guinee unter goldnen Lichten –
Ein Glanz der Ordnung und des Mutterglück.
Ihr Blick, ihr Stolz, den keine kann vernichten,
Zeigt, was durch edle Pflichten ward zum Schmuck.
Die Schönheit schimmert mehr als edle Steine –
Doch auch der Glanz von Silber schimmert feine.
Der alte Stephan schlich zur Seitentür
Und stand des Abends stumm im Flur bereit;
Indessen lebten sie – in Prunk und Zier –
Die Dame mit dem Freund, voll Lust und Kleid.
Ein Tisch mit Elfenbein – die Augen zier –
Stand reich geschmückt vor ihnen, prahlend weit.
Mit Sklaven, Gold, mit Silber, edlen Dingen,
Und Perl' und Korall’, die leis’ zum Dienste singen.
Das Mahl bestand aus hundert reichen Speisen,
Lamm, Pistazien, Fleisch aus jedem Land,
Kalbsbries mit Safran – in berauschten Kreisen
Ward Fisch gereicht, der feinsten Netze fand.
Für jeden Wunsch, auch schwelgerisch erwiesen,
War alles da, von einer Meisterhand.
Getränke waren Sorbets, die man presste
Aus Früchten, deren Saft man gern ermess’te.
Kristallgefäße standen stolz im Kreis,
Gefüllt mit süßem Most in kühlen Gaben.
Dazu Dattelbrot, golden, weich und heiß,
Beendete das Mahl samt edlen Laben.
Dann kam Mokka – rein arabisch – ganz leis’
In feinem Porzellan, wie Göttersagen.
Gefäße aus Filigran schützten die Hand –
So zart und gold, wie’s nur ein Künstler fand.
Nelken, Safran, Zimt – das Würzgeheimnis
Des Kaffees, der (so glaub ich) übel schmeckt,
Denn allzu reich ward hier das Fest der Sinn’, ist
Ein Beispiel, wie man Überschwang entdeckt.
Die Wände, Stoff in samtnem Farbgewinn, ist
Mit Damastblüten seidenreich bedeckt.
Ein gelber Rand umrahmt die Pracht der Dinge,
Wo Weisheit in violetten Lettern klinge.
Die Wandverse in Schrift aus dem Orient
Sind Mahner, wie die Schädel alter Feste,
Die man in Memphis' Tafelrunde kennt,
Wo Belsazar erfuhr: Da endet’s Beste.
Was auch der Weise lehrt und was er nennt –
Vergnügen bleibt der strengste aller Gäste.
Ein Laster, das der Tugend überlegen –
Und tiefer trifft als mancher Hieb von Schlägen.
Ein Dichter, der vom Trank zu Tode kam,
Ein Schöngeist, dessen Leidenschaft verging,
Ein Hedonist, nun ganz im Tugendkram,
Ein Ratsherr, dem der Puls entsetzlich ging –
All das ist Frucht von Wein und Liebesgram.
Die Stunden spät, das Essen – kein Gering
An Schuld – sie rauben Kraft, Verstand, Gewissen;
Wie Messer, die man nicht gewollt, doch wissen.
Jannah und Juan, gebettet auf Rubin
Und hellblau eingefaßtem Satinglanz,
Verweilten dort – das Sofa groß erschien,
Und neu war’s auch, von üppig schönem Kranz.
Die Kissen, samten, scharlachrot und kühn,
Trug eine Sonne, golden, voller Glanz,
Die aus dem Stoff mit Strahlenlicht entstieg,
Als ob der Himmel selbst sich in ihr wieg.
Kristall, Porzellan, Marmor und Gerät
War kunstvoll da – von indischen Matten,
Perserteppichen, dass das Herz vergeht,
Wenn Füße drauf sich allzu gerne glatten.
Gazellen, Zwerge, Diener – sonderbar verrät
Sich auch das Volk, das lebt in seinen Schatten:
Schwarze, Katzen, Spielzeug gleich dem Traum –
Wie auf dem Jahrmarkt in des Kalifen Raum.
Es fehlte nichts: Spiegel, Tische, fein
Aus Ebenholz, mit Perl’ und Elfenbein,
Aus Schildpatt, Gold und Silber – alles Sein
War Fest, war Luxus, Fülle, Glanz allein.
Die Schalen füllte Speis' und kühler Wein,
Damit für Gäste stets Genuss mag sein.
Ein jeder, der durch diese Tore tritt,
Fand gleich gedeckt ein Mahl von edlem Schnitt.
Von allen Kleidern war’s doch Jannahs Kleid,
Das über allem Glanz den Blick gewann:
Zwei Jelicks trug sie – hell in Farb’ und Kleid,
Das Unterkleid so zart, dass man's erspann.
Es hob sich sacht, wo Schönheit sich verzeiht,
Und Perlen – groß wie Erbsen – blitzten dann.
Der Schleier – weiß wie Wolken um den Mond –
Umschloss sie weich, wie’s keinem Maler lohnt.
Ein Armband schmückte jeden Arm so zart,
Aus Gold, so biegsam, dass es sich nicht wehrt,
Wenn Hand sich dehnt – es war der höchsten Art,
Und schmiegte sich, als ob es ewig währt.
So schön, dass selbst der Anblick Wunder spart –
Das edle Erz, das weiße Haut verklärt.
Ein Werk, das selbst die Venus gern getragen,
Und das mit Glanz ihr Wesen konnt’ ertragen.
Wie eine Prinzessin aus Väterland
Lag sie, in Gold geschmückt, mit hohem Sinn.
Zwölf Ringe blitzten an der feinen Hand,
Die Haare Edelstein' als Krönung minnt.
Ihr Schleier war mit Perlen festgewandt,
Ein Band hielt ihn dort, wo der Leib beginnt.
Die Hosen – seiden, orange, weit und neu –
Lag’n weich um den wohl schönsten Mädchenzeh.
Die langen Wellen, kastanienbraun,
wie Sturzbäch’ flossen sie vom Berg hernieder,
von Morgenstrahlen hell gefärbt und dann
umflossen sie ihr Haupt wie sanfte Lieder.
Sie hätten, wären sie nur frei, sodann
ihr ganzes Sein verhüllt – doch keines wieder
vermochte, ganz zu binden ihren Sinn,
wenn sie mit Lüften leicht auf Reisen ging.
Um sie war Leben – Licht durchdrang die Luft,
die leichter schien, wenn ihre Augen strahlten,
so zart und schön, wie’s himmlische Vernunft
wohl malen würd – wie Seelen, die nicht falten
die Stirn, noch je gelitten – frei von Kluft,
wie Psyche vor dem Weibsein – nie mit Qualen
gepflastert, rein, zu rein für Erdenband –
ein Wesen, dem kein Mensch aufrecht widerstand.
Die Wimpern – dunkel, wie der Nachtgewand,
gefärbt nach Sitt’ des Orts – doch das vergebens;
denn ihre Augen, schwarz gesäumt, wie Sand
in glüh’ndem Glas, trotzten der Kunst des Lebens.
So stand sie da, durch Schönheit übermannt,
ihr Glanz empörte jedes Spiel des Strebens.
Mit Henna war ihr Nagel leicht berührt,
doch hat die Kunst das Wahre nie verführt.
Das Henna diente bloß, die Haut zu hellen,
damit sie lichter scheint im Farbenspiel;
doch selbst auf höchsten Schnee in Felsenzellen
fällt nie so reines Weiß – so rein ihr Ziel.
Das Aug’, wenn wach, konnt’ fast sich selbst verprellen –
sie war ein Traumbild, überirdisch viel.
Ich könnt’ mich irren, doch selbst Shakspeare spricht:
„Was soll man Gold vergolden, Lilien nicht.“
Ein schwarzer Schal mit Gold war Juans Kleid,
doch trug er auch Baracan, weiß und fein,
so dünn, dass selbst ein Stern im Ätherkleid
nicht klarer durch die Milch des Alls kann sein.
Der Turban fiel in Falten – weich, bereit,
darüber Jannahs Haar, Smaragd – allein
geschmückt mit einem Halbmond, hell und klar,
ein Licht, das zittert – doch stets ewig war.
Jetzt war der Hofstaat um sie her versammelt,
Zwerge, Eunuchen, Tänzerinnen, schön,
ein Dichter, dessen Lob sich gerne wandelte,
er mochte Ruhm und ließ es jeden sehn.
Sein Vers war meist nicht taktfest, ungehandelt,
doch sang er hoch – und selten tief – im Wehn
des Golds, das ihm für Spott und Lob entrann –
wie Psalmen’s Klang: „Verkündet, was man kann.“
Er pries die Gegenwart und schlug die Alten,
kehrte die Tugend früherer Tage um.
Ein östlich’ Anti-Jakobiner – kalten
Lobes entwand er sich mit Pudding – krumm.
Einst war er freier, doch ließ sich bald spalten,
und sang nun Sultan, Pascha, Hof – mit Drum
und Dran – wie Southey ehrlich, Crashaw süß,
mit echtem Schwung – doch künstlich war der Gieß.
Ein Mann, der Wandel sah – und stets sich bog,
wie sich die Nadel stets nach Osten dreht.
Sein Polarstern war jener, der oft flog,
nicht fix – doch stets der Richtung gut versteht.
Er schmeichelte, wenn mancher schon verbog
den Weg – er lebte, wo kein Zweifel steht.
Denn fließend war sein Wort – bei Fieber nicht –
doch log er warm – und nie verlor er’s Licht.
Doch hatte er Genie – der Mantelträger,
ein „Vates irritabilis“, so schnell
wie der Mond sich wendet, war sein Jäger.
Denn selbst ein guter Mann – er starrt so hell,
wenn Applaus winkt – wird schwankend wie ein Säer.
Doch – wo war ich? O! Der dritte Gesell
im Lied – das Paar, ihr Fest, ihr Heim, ihr Kleid,
ihr stilles Leben fern von Raum und Zeit.
Der Dichter – zwar ein Windrichtungsgenosse,
doch angenehm im Umgang, stets charmant,
war Liebling vieler, sprach mit süßer Gosse
und rührte Herzen, wenn er’s richtig fand.
Und auch wenn keiner wusste, was das koste,
noch was er meint – man weinte in der Wand
der Sinne – oder brüllte ohne Halt –
der Glanz des Volkes wirkt auch, wenn er kalt.
Jetzt war er ganz in höf’scher Welt verfangen,
und nach der Reise, die ihm brachte viel
an freien Geist – in fremden Sprachverlangen –
glaubt’ er, sein Lied sei nun ein mildes Spiel.
Denn wie auf Inseln unter Freundesfangen
sang er, als wär kein Aufruhr je ein Ziel.
Er sang – wie einst in seiner Jugendzeit –
der Wahrheit zugetan – für kurze Zeit.
Er reiste zwischen Franken, Türken, Arabern,
und kannte jedes Volk in seinem Stolz.
Er lebte nah mit Rang und mit Barbaren,
bereit für alles – selbst für blanken Schmalz.
Ein bisschen Lob, ein Spruch aus fremden Jahren,
gewandt, verschafft ihm Beifall, Wein und Holz.
„Tu, was in Rom die Römer“, sprach sein Sinn –
und auch in Griechenland fiel ihm das ein.
So sang er, wenn man’s wünschte, stets im Ton
der Völker, jedem seinen Hymnus gleich.
Ob „Gott schütz’ König“, oder Revolt’ als Lohn –
für ihn war’s Kunst – und Muse war stets weich.
Vom Hochgesang bis niederster Vision
sang er, was kam – mit gleichem Griffbereich.
Wenn Pindar Rosse pries in edlem Spiel –
war er nicht Pindars Bruder – sanft und viel?
In Frankreich schrieb er ein galantes Lied,
In Englands Land ein Epos voll Gesang;
In Spaniens Glut, wo heiß das Feuer glüht,
Ward’s Ballade, Romanze voller Drang.
In Portugal – gleich auch des Krieges Müh’;
In Deutschland tanzt er Goethes alten Gang
Auf Pegasus, wie De Staël einst sprach,
Als wär’s ein höf’scher Reiter auf dem Dach.
In Italien höhnt er die „Trecentisti“,
In Griechenland singt er hymnisch so wie hier:
„O Inseln Hellas! wo einst Sappho fristi,
Wo Kunst und Krieg sich wiegten in Begier.
Wo Delos stieg, wo Phoebus’ Glanz am süßti—
gen Morgen strahlte, gold’ner Glanz revier –
Noch glänzt der Sommer – doch von all dem Glück
Blieb nur die Sonne; alles andre wich zurück.
Die Muse Teos’, Scio’s froher Klang,
Des Helden Harfe, und des Liebsten Laute,
Sie fanden Ruhm – doch nicht an deinem Hang,
Denn stumm ist, was einst sang in hoher Traute.
Dein Erdenfleck, der einst wie Flamme sprang,
Schweigt heute mehr als westlich jede Schaute.
Nur dort hallt’s fort, wo „sel’ge Inseln“ lagen,
Doch Griechenlands Gesang? Er starb mit Tagen.
Die Berge blicken her auf Marathon,
Und Marathon zurück auf’s große Meer;
Dort stand ich, träumte frei, voll Vision,
Da Griechenland im Glanz vergang’ner Ehr’.
Denn auf dem Grab der Perser stiller Ton –
Dort konnt’ ich mich als Sklaven nicht mehr spür’n und leer.
Ein König saß auf hoher, rauer Stirn,
Erblickte Salamis in Morgenfirn.
Und tausend Schiffe lagen tief im Tal,
Und Völker, ganze Länder sein Geleit;
Er zählte sie – der Tag nahm seinen Strahl,
Und abends blieb von all dem nichts, kein Kleid.
Wo sind sie nun? Wo bist du, Land einmal
So stolz? Dein Küstenruf klingt heut’ wie weit.
Dein Heldenherz, es schlägt nicht, schläft wie Stein –
Verkommen ist die Leier, einst so rein.
Verlieh man sie in Hände, wie die meine?
Der Ruhm verblasst, das Volk in Fesselband.
Doch auch im Schmerz fühl’ ich der Ehre Keime,
Und singend rührt mich Scham, die mir bekannt.
Was bleibt dem Dichter in der Heimat Reime?
Für Griechen ist es Röte – Träne, Brand.
Nur Weinen bleibt – um Väter, die verbluten –
Und Scham, da wir uns selbst verfluchten.
Soll’n wir nur klagen um vergang’ne Zeit?
Nur rot vor Scham und Schuld uns selbst beklag’n?
Erde! Gib noch von deinen Söhnen heut
Drei Männer nur – aus Sparten, stark im Schlag.
Dreihundert waren’s einst – heut reicht schon Streit
Von dreien, um Thermopylas Pfad zu trag’n.
Doch alles schweigt. Kein Klang? Kein Widerwort?
Nur Totenruf erschallt von fernem Ort.
Nicht stumm sind sie, die einst im Kampfe starben –
Sie rufen: „Steh auf, Haupt! Wir kehr’n zurück!“
Nur Lebende, die stumm im Elend darben,
Verlassen Mut und handeln nicht zum Glück.
Vergebens singst du – greif zu andern Farben,
Füll hoch den Becher – samisch sei das Stück!
Lass Schlacht dem Türken, Blut vergieß auf Wein,
Wenn Scios Reben schon getränkt vom Sein.
Hör, wie bei unedlem Ruf das Fest erwacht,
Wie Bacchus jauchzt in trunk’nem Widerhall!
Du tanzt noch Pyrrhus’ Tanz mit voller Macht –
Doch wo ist deine Phalanx, stolz im All?
Zwei Lektionen lehrt uns Kriegespracht –
Vergiss die männlich’ nicht im trunkenem Schall.
Du hast die Schrift, die Cadmus einst gegeben –
Doch war sie für die Knechtschaft? Oder Leben?
Füll nochmals hoch den Becher samisch rein,
Solch Thema störe nicht des Festes Ruh!
Auch Anakreon sang mit süßem Pein,
Und diente doch – Polykrates dazu.
Ein Herr war’s – aber Landsmann, ganz allein,
Nicht fremder Zwang wie heut in heißer Schuh.
Der Tyrann von Chersones war einst ein Held –
Miltiades, der Freiheit sich gestellt.
O dass ein solcher Despot wieder käme!
Sein Joch wär süß – nicht fremd und hart wie heut.
Füll hoch den Becher – dass das Herz uns nähme,
Und Suli, Parga stehn in alter Freud.
Ein letzter Rest, wie Mütter einst uns nähme,
Der Dorer, mag noch säen neues Leid –
Vielleicht wird aus dem Samen Herakleiden
Ein Geist erstehn, wie einst in alten Zeiten.
Vertrau den Franken nicht für Freiheit’s Recht –
Sie kaufen, handeln mit dem Königsthron!
Nur in des Landes Waffen, stark und echt,
Da ruht noch Mut – sonst bleibst du nur ein Hohn.
Doch türk’sche Macht, Lateinertrug und schlecht,
Zerschlagen dir den Schild und deine Kron.
Wie breit du ihn auch hältst, wie stark er sei –
Sie brechen ihn – und lassen dich nicht frei.
Füll hoch den Becher mit samischem Wein!
Die Jungfrau tanzt im Schatten schlanker Bäume –
Ich seh ihr dunkles Auge herrlich sein,
Es leuchtet hell in nächtlich stillen Räume.
Doch bei dem Blick auf solch ein heißes Sein,
Träuft mir das Aug’ in Tränen, wie in Träume:
Zu denken, dass so zarte Brust voll Kraft
Ein Sklavenkind an ihre Lippen schafft.
Setz mich auf Suniums marmorblanken Hang,
Wo nichts als ich und Welle leis sich regt,
Nur unser Flüstern hallt im Muschelklang –
Dort, wie ein Schwan, sei's Lied, das mich hinwegfegt:
Ein Land voll Knechtschaft ist mir stets ein Zwang –
Spritz über’n Rand, wo Bacchus selbst sich trägt!
Den Becher leer von samischem Rubin –
Und lass mein letztes Lied ein freies zieh’n!
So klänge es – so hätte man gesungen,
Auf Griechisch, wie man's heute hören kann;
Vielleicht nicht wie in Orpheus’ jungen Stunden,
Doch schlimmer wär’s zu machen einem Mann.
Denn seine Spannung zeugt von tiefem Wunden –
Empfindung ist, wo Dichtung erst begann:
Der Dichter fühlt – und dies erzeugt das Leben,
Doch manche lügen nur – um's vorzugeben.
Denn Worte sind nicht leer, sie sind Substanz,
Ein kleiner Tintentropfen – und er fällt
Wie Morgentau in eines Denkens Glanz,
Erweckt Gedanken weit in unsrer Welt.
Ein Zeichen nur, und doch ist es ein Kranz,
Der Ewigkeiten eng zusammenhält:
Ein Mensch wird Staub – sein Blatt bleibt ewig stehen,
Und überlebt ihn selbst und sein Vergehen.
Und wenn sein Grab verfallen, leer und hohl,
Sein Rang, sein Volk – vergangen, unbenannt –
Vergessen sein des Stammbaums eitle Zahl,
Nur Chronik führt ihn noch in fremdem Land;
Ein öder Text, in Bibliothekenkahl,
Ein Stein, halb aus dem Staube ausgebrannt,
Beim Bau entdeckt – ein letzter Schriftrest bloß,
Vom Schrankfundament bricht er klanglos los.
Die Ruhm hat stets den Weisen nur geneckt;
Sie ist ein Nichts, ein Hauch, ein leerer Klang –
Sie hängt vom Stil des Schreibers ab, entdeckt
Viel mehr als je vom Namen, der einst rang.
Troy lebt durch Homer, wie Whist durch Hoyle steckt;
Und Marlborough – ein Held mit starkem Drang –
Ward erst erkannt durch Coxe, den Erzdiakon,
Sonst wär sein Schlagkraft lang schon nicht mehr schon.
Milton – der Dichterfürst, so sagt man’s gern,
Ein wenig schwer, doch göttlich in Gewicht;
Ein freier Geist im England jener Fern,
Gelehrt, enthaltsam, nüchtern im Gesicht.
Doch kam sein Bild bei Johnson dann nicht fern
Als strenger Vater, fromm, doch ohne Licht:
Er trennte sich – ganz unpoetisch hart –
Von seiner Frau, die dann das Heim verpart.
Das alles sind gewiss amüsante Gaben,
Wie Shakespeares Diebstahl oder Bacons Lohn;
Wie Titus’ Kindheit, Cäsars frühe Taten,
Wie Burns, beschrieben durch den Arzt mit Ton.
Wie Cromwells Streiche, – all die kleinen Narben,
Die Biographen tief in Helden schonen.
Sie zeigen Menschliches – doch trägt’s nicht Ruhm,
Der Heldenbild bleibt davon selten krumm.
Nicht alle sind wie Southey tugendfest,
Der von „Pantisokratie“ einst geschwätzt.
Noch Wordsworth, bar und roh, als er sich fest
An Hausierlyrik mit Gefühl vernetzt.
Und Coleridge, der sich früh vom Maß entlässt,
Eh‘ seine Feder sich dem Blatt besetzt
Der „Morning Post“, in aristokratischen Träumen –
Eh‘ er mit Southey Bäderbräute säumen.
Solche Figuren steh’n nun auf der Liste
Der Strafkolonien – geist’ge Botany Bays;
Ihr sturer Geist, der einst so stolz sich brüste,
Ist nun nur Dünger für die Lebenslays.
Wordsworths letztes Quart – ein echtes Gerüste,
Größer als all, was Druckerschwärze nährt seit Days.
Ein trüber, müder Text mit stolzem Namen:
„Excursion“ – Schreibstil, der mir tief missfalle.
Er baut sich einen Wall, hoch, hart und breit,
der trennt ihn von des andren Geist und Sinn;
doch Wordsworths Werk, in Zeit und Dunkelheit,
verhallt wie Shilohs Ruf im Wirrgewinn –
Joanna’s Traum, ein Werk der Sonderzeit,
verhallt, weil nur die Wen’gen Eingeweihn.
Zwei keusche Quell’, nun krank in ihrem Schein,
gebären Götzen aus verdorrtem Sein.
Doch lass mich kehren zu dem, was geschah;
gesteh ich, wenn ein Fehler mich umweht,
so ist’s die Abschweifung – das ist wohl wahr –
mein Volk marschiert, und ich bleib wo ich steh,
führ’ Selbstgespräche ohne Maß und Maß,
als thronend Haupt, das seine Welt erspäht;
doch wer versäumt, zu dichten, raubt der Welt
ein Kleinod – nicht wie Ariostos Held.
Wir nennen’s nicht, was Nachbarn „longueurs“ nennen –
doch fehlt uns solch ein Wort, nicht das Gefühl;
bei Southeys Epen darf man leicht erkennen,
wie ausgedehnt so mancher Reimgedul –
doch nicht dies zieht des Lesers Herz in Spennen,
es ist nicht dies, was seine Neigung cool;
doch lässt sich leicht beweisen, dass im Werk
manch großes Epos öde, dumpf und stark.
Von Horaz lernt man: Selbst Hom’r schläft einmal;
bei Wordsworth ist’s, als sei er nie erwacht.
Er wandert still um seinen Seensaal,
mit Fuhrmann, den sein „tiefer Sinn“ entfacht.
Er wünscht sich „Boote“ – nicht für Meerestrall,
für Lüfte gar! – und dass es sicher kracht,
schreit er erneut nach einem kleinen Kahn
und bläst die Luft zu Wogen himmelan.
Wenn er so gern durch Ätherhöhnen zieht
und Pegasus in seinem Karren springt,
warum nicht Charles’ Wain für Fahrt bemüht?
Warum nicht, dass Medeas Drache bringt?
Ist’s ihm zu klassisch? Hat er Angst um Glied?
So fürchtet er, dass solch ein Flug ihm zwingt,
sich näher noch dem Monde zu erheben –
warum dann nicht ein Ballon aus dem Leben?
„Hausierer“, „Boote“, „Wagen“ – welch ein Klang!
O Schatten von Pope, von Dryden, steht!
Sind wir so tief im Schutt, so ohne Drang,
dass solcher Tand aus Bathos Untief geht
empor wie Schaum, und mit betäubtem Fang
ein Jack Cade hier auf Lied und Sinn sich bläht?
Der „Bootsmann“ mit dem „Peter Bell“ im Sinn
verspottet jenen, der „Achitophel“ schuf hin!
Zurück zur Fabel: Fest vorbei, die Knechte
verstreut, auch Tanz und Zwerge nun vorbei;
des Dichters Lied und all der Brauchgeschlechte
verstummt, und Feierhall zieht sanft vorbei.
Die Dame blieb mit ihrem Freund – im Rechte
der Liebe – stumm, doch off’n für Morgenzwei;
AVE MARIA! über Flut und Land –
die Himmelsstunde ruht in deinem Band!
AVE MARIA! Segne diese Zeit –
den Ort, die Stunde, da ich oft empfand,
wie sie in schönster, stiller Herrlichkeit
sich auf die Erde legt mit milder Hand;
wenn aus dem fernen Turm die Glocke schreit
und Tageshymne fliegt durch Himmelsrand,
kein Hauch bewegt die Luft – und doch im Baum
bewegt das Blatt sich leise wie im Traum.
AVE MARIA! Es ist Stund’ des Bittens!
AVE MARIA! Auch die Stund’ der Lust!
AVE MARIA! Lasst uns Geister litten
empor zu dir und deinem Sohn mit Brust!
AVE MARIA! Schön dein Blick – des Sittens
Symbol – mit niedergeschlagener Bewusst-
heit ruht dein Aug’ unter der Taube Macht –
kein Bild, das steht – zu ähnlich deine Pracht!