JANNA


KOMÖDIE VON TORSTEN SCHWANKE


Personen


TORSTEN, mit dem Beinamen Herr von SCHWANKE

JANNA, seine Pflegetochter

Seine Freunde:

MALEK,

MARKUS

CHRISTOPH, Sohn von MARKUS

ERICH, Schwager von MALEK

In TORSTENS Diensten:

GEORG, ein Bauer,

REGINA, seine Frau,

Ein Notar


Schauplatz: Ein freier Platz in OLDENBURG



AKT I


SZENE I


(MALEK. TORSTEN)


MALEK

Im Ernst? Du willst wirklich dieses Mädchen heiraten?


TORSTEN

Ja, im Ernst. Ich zögere keine Sekunde länger.


MALEK

Hier ist niemand – wir sind ganz unter uns. Da kann ich offen sprechen. Erlaube mir, als Freund ehrlich zu sein: Dein Plan bereitet mir Sorgen. Wie auch immer es ausgeht – ein hübsches Mädchen zu heiraten ist kein ganz ungefährliches Unterfangen.


TORSTEN

Ich verstehe deine Bedenken. Du meinst es gut. Und für dich steht wohl fest wie das Evangelium, dass jeder Ehemann früher oder später betrogen wird.


MALEK

Das hängt vom Schicksal ab. Aber deswegen gleich den Mut zu verlieren, wäre töricht. Was mich jedoch gerade in deinem Fall misstrauisch macht, ist, dass ausgerechnet du, der du immer über andere Ehemänner gespottet hast, jetzt selbst heiraten willst. Du warst nie zimperlich, wenn’s darum ging, über jeden und jede zu lästern. Und jetzt willst du auf einmal unter die Verheirateten gehen?


TORSTEN

Na und? In welcher anderen Stadt nehmen’s die Ehemänner so gelassen wie hier? Es gibt so viele verschiedene Typen: der eine häuft Reichtum an, und seine Frau verteilt ihn munter an ihren Liebhaber. Der andere schaut untätig zu, wie man seine Frau hofiert – und glaubt ihr auch noch alles, wenn sie ihm erzählt, das sei alles nur zu seinen Ehren. Der eine tobt, kann aber nichts ändern. Der andere nimmt es hin, als wär’s das Normalste der Welt. Manche Frauen spielen dem armen Ehemann die "unschuldige Freundin" des Hausgastes vor – und der glaubt’s auch noch. Andere behaupten, sie hätten beim Spiel gewonnen, wenn das Geld eigentlich längst für neue Kleider draufgegangen ist. Und der gute Mann dankt Gott für dieses unerwartete Glück. – Es gibt genug Dummköpfe, über die man lachen kann, und ich bin eben jemand, der gern zusieht. Ich amüsiere mich halt, wenn ...


MALEK

... wenn andere in Schwierigkeiten geraten. Aber wer über andere lacht, ist selbst schnell Ziel des Spotts. Ich halte mich da zurück. Auch wenn viel geredet wird – ich mach da nicht mit. Ich bin nachsichtig, ja. Sicher, es gibt Grenzen. Was andere Männer still hinnehmen, würde ich nicht dulden. Aber ich richte nicht öffentlich über sie. Wer spottet, muss selbst Spott ertragen können. Und wer weiß schon, wie man selbst einmal dasteht? Vielleicht trifft mich auch einmal ein solcher Schlag – aber ich hoffe dann, dass man wenigstens schweigend darüber hinweggeht. Vielleicht sagt man sogar: „Schade um ihn.“ – Doch bei dir ist das was anderes. Du hast nie ein Blatt vor den Mund genommen. Wenn du fällst, dann wird man dich genüsslich durch den Kakao ziehen.


TORSTEN

Ganz ruhig, mein Lieber. Ich bin nicht so leicht hereinzulegen. Ich kenne die Tricks, mit denen Frauen ihre Netze auswerfen. Aber diesmal hab ich die Richtige: ein unschuldiges, reines Wesen – keine List, keine Gefahr.


MALEK

Also glaubst du, dass eine Dumme am sichersten ist?


TORSTEN

Dumm zu heiraten heißt nicht, selbst dumm zu sein. Deine Frau zum Beispiel ist gewiss ehrbar – aber kluge Frauen bringen oft Probleme. Ich weiß, was dabei herauskommt, wenn ein Mann eine zu intelligente Frau hat. Ich soll mir eine Literatin anlachen, die Gedichte schreibt, Philosophen empfängt und mit allen geistvollen Männern Briefe tauscht – während ich still in der Ecke sitze? Nein danke! So ein „Genie“ zieht mich nicht an. Eine Frau, die dichten kann, weiß oft auch zu viel. Ich will eine, die bescheiden geblieben ist. Wenn man sie beim Reimespiel fragt, was sich auf „Leibgericht“ reimt, soll sie antworten: „Apfelkuchen.“ Sie soll einfach sein, ungebildet – aber treu, liebevoll, fromm, geschickt mit Nadel und Garn. Mehr brauch ich nicht.


MALEK

Mit anderen Worten: Sie soll möglichst beschränkt sein?


TORSTEN

Ganz recht. Notfalls nehm ich sogar eine Hässliche, bevor ich eine kluge Schöne heirate.


MALEK

Schönheit und Geist passen dir also nicht?


TORSTEN

Ehrbarkeit – darauf kommt es an!


MALEK

Dann solltest du der Dummheit erst mal erklären, was ehrbar ist. Viel Glück dabei. Und glaub ja nicht, das Leben mit einer Gans sei vergnüglich. Und wenn du denkst, du wärst dann sicher vor allem, was du jetzt verspottest – dann überschätzt du dich. Eine kluge Frau kann ihre Pflicht vernachlässigen, aber sie weiß zumindest, was sie tut. Die Dumme stolpert oft direkt in die Sünde – ohne überhaupt zu begreifen, worauf sie sich einlässt.


TORSTEN

Weißt du, was gut zu diesen idyllischen Umständen passt? Was Panurg zu Pantagruel gesagt hat: „Wenn mich eine Frau heiraten will und ich will nicht – du kannst argumentieren und predigen bis Pfingsten, am Ende bist du heiser, aber überzeugt hast du mich kein Stück.“


MALEK

Ich sag nichts mehr.


TORSTEN

Jeder lebt halt, wie er will. Ob's um Frauen geht oder was anderes – ich mache mein Ding. Ich kann es mir leisten, ein Mädchen zu wählen, das ich ganz versorge. Sie soll demütig sein und gehorsam, ohne Ansprüche auf Stand oder Vermögen. Schon als sie vier Jahre alt war, war ich ganz entzückt von ihrer Sanftheit. Die Mutter war arm, und ich schlug ihr vor, dass ich die Kleine in meine Obhut nehme. Sie war froh, die Verantwortung loszuwerden. Ich ließ sie dann in einem Kloster erziehen, weit weg vom Lärm der Welt, ganz nach meinem Plan – also so, dass sie möglichst wenig mitbekommt. Gott sei Dank, das hat wunderbar geklappt: Jetzt ist sie erwachsen und immer noch so einfältig, dass ich in ihr mein Ideal einer Frau gefunden habe. Als sie zurückkam, war mir klar: In meinem Haus ist zu viel Trubel – jeden Tag gehen da hundert Leute ein und aus. Also habe ich sie vorsorglich in ein Nachbarhaus gebracht, wo sie niemand stört, und wo sie mit Leuten lebt, die genauso schlicht sind wie sie selbst. Warum ich dir das alles erzähle? Um dir zu zeigen, wie sorgfältig ich vorgegangen bin. Und noch was: Ich lade dich ein, heute Abend mit mir bei ihr zu essen. Dann kannst du selbst beurteilen, ob ich mit meiner Wahl richtigliege.


MALEK

Ich komme gern.


TORSTEN

Achte nur mal drauf, wie ahnungslos sie ist – und wie gehorsam.


MALEK

Was du da schilderst, vor allem in diesem Punkt …


TORSTEN

Ich hab eigentlich noch viel zu wenig erzählt. Manchmal haut sie in ihrer Naivität Sachen raus, da könnt ich mich wegschmeißen vor Lachen. Neulich – glaubst du das? – saß sie ganz nachdenklich da, und warum? Sie fragt mich ernsthaft, ob Babys durchs Ohr auf die Welt kommen!


MALEK

Herr Torsten, meinen Glückwunsch!


TORSTEN

Bitte! Ich hab dich oft genug gebeten, mich nicht mehr so zu nennen.


MALEK

Entschuldigung! Aber „von Schwanke“ – das geht mir noch nicht so leicht über die Lippen. Ehrlich gesagt, ich kapier’s nicht ganz, wie man mit 42 den alten, verstaubten Stammbaum von ein paar Morgen Land plötzlich in einen Adelstitel verwandeln kann.


TORSTEN

Das ist mein gutes Recht. Und „von Schwanke“ klingt einfach besser als Torsten – jedenfalls in meinen Ohren.


MALEK

Man sollte den Namen tragen, den der Vater trug! Sich selbst einen Titel zu basteln, das ist was für Narren. Diese Sucht nach Titeln nimmt immer weiter zu. Ich will ja nicht sticheln – aber ich kannte mal einen Bauern, der hieß einfach der dicke Peter. Weil er ein winziges Stück Land hatte, zog er drumherum einen schlammigen Graben und nennt sich jetzt stolz „Herr von Eiland“!


TORSTEN

Spar dir die weiteren Beispiele. Ich heiße jetzt von Schwanke, Punkt. Der Name steht mir zu, ich mag ihn – und wer mich anders nennt, braucht nicht auf Dank zu hoffen.


MALEK

Scheint aber nicht so einfach zu sein – auf vielen Briefen steht noch immer der alte Name …


TORSTEN

Das nehm ich niemandem übel, der's noch nicht weiß. Aber bei dir …


MALEK

Schon gut, lass uns nicht streiten. Ich werde üben, bis mir „von Schwanke“ ganz automatisch rausrutscht.


TORSTEN

Also, bis später. Ich will nur eben kurz nebenan Bescheid sagen, dass ich wieder da bin.


MALEK

(im Abgehen, leise für sich)

Bei dem ist doch was nicht ganz richtig …


TORSTEN

(allein)

Er ist halt in mancher Hinsicht sehr empfindlich. Schon verrückt, wie jeder so seine Marotten hat.


(Er klopft an die Tür.)


Hallo?



SZENE II


(TORSTEN. GEORG. REGINA)


GEORG

Wer klopft da?


TORSTEN

Macht die Tür auf! 

(leise zu sich selbst) 

Das wird schön – nach zehn Tagen sehen sie mich endlich wieder.


GEORG

(blickt aus dem Fenster)

Wer ist da?


TORSTEN

Ich bin’s.


GEORG

(ruft nach innen) 

Regina!


REGINA

Was ist?


GEORG

Du sollst mal an die Tür gehen.


REGINA

Geh du doch!


GEORG

Nein, geh du.


REGINA

Kommt gar nicht in Frage.


GEORG

Für mich auch nicht.


TORSTEN

Na, das ist ja ein nettes Hin und Her! Hallo! Wie lange soll ich denn hier noch klopfen?


REGINA

Wer ruft denn da?


TORSTEN

Der Herr des Hauses!


REGINA

(ruft wieder) 

Georg!


GEORG

Was denn?


REGINA

Reiß dich zusammen – das ist der Herr!


GEORG

Na, dann geh halt!


REGINA

Ich steh grad am Herd und koche!


GEORG

Ich muss meinen Spatz vor der Katze beschützen!


TORSTEN

Wenn mir jetzt nicht sofort jemand aufmacht, dann lasse ich euch vier Tage hungern – und das ist kein Scherz!


REGINA

(zu GEORG)

Warum rennst du los? Ich bin doch schon da.


GEORG

Ich soll dir etwa den Vortritt lassen? So eine Frechheit!


REGINA

Geh mir aus dem Weg!


GEORG

Mach du, dass du verschwindest!


REGINA

Ich mach die Tür auf!


GEORG

Das ist meine Aufgabe!


REGINA

Sicher nicht!


GEORG

Und du erst recht nicht!


REGINA

Und du auch nicht!


TORSTEN

Na, da braucht man wirklich Engelsgeduld.


GEORG

(tritt hinaus)

Ich hab aufgeschlossen.


REGINA

(tritt auch heraus)

Gnädiger Herr, nein, ich war’s.


GEORG

Wenn ich nicht so viel Respekt vor Ihnen hätte, Herr – dir würd ich am liebsten eine verpassen ... 


(will Regina schlagen, trifft aber Torsten)


TORSTEN

Du Tölpel!


GEORG

Es war keine Absicht – wirklich. Sie ist schuld ...


TORSTEN

Still jetzt, beide! Georg, wie lief es hier während meiner Abwesenheit? Und gib eine vernünftige Antwort!


GEORG

Es lief ...


(Torsten nimmt ihm den Hut ab)


Es lief ...


(nimmt ihm den Hut noch einmal ab)


Also, es ging uns gut. Wir ...


TORSTEN

(nimmt ihm zum dritten Mal den Hut ab und wirft ihn weg)

Du alter Trottel – hast du denn nie gelernt, wie man mit seinem Herrn spricht? Mit dem Hut auf dem Kopf?


GEORG

Verzeihung!


TORSTEN

Janna soll herunterkommen!



SZENE III


(TORSTEN. REGINA)


TORSTEN

War sie traurig, als ich mich verabschiedet habe?


REGINA

Traurig? Oh nein!


TORSTEN

Wirklich nicht?


REGINA

Doch, eigentlich schon.


TORSTEN

Wieso denn?


REGINA

Bei Gott – sie hat in jeder Stunde damit gerechnet, dass du zurückkommst. Und jedes Mal, wenn ein Esel, ein Maultier oder ein Schimmel vorbeikam, wurde ihr gleich angst und bange – weil sie dachte, du könntest es sein.



SZENE IV


(Vorige. JANNA. GEORG)


TORSTEN

Du bist ja fleißig bei der Arbeit – das gefällt mir. Also, liebe Janna, ich bin zurück. Bist du zufrieden?


JANNA

Danke der Nachfrage – ja, bin ich.


TORSTEN

Ich auch, denn ich bin jetzt bei dir. Du hast dich wohl in der Zwischenzeit erholt?


JANNA

Eigentlich schon – nur nachts haben mich die Flöhe geplagt.


TORSTEN

Da wird sich bald jemand finden, der dir die vom Leib hält.


JANNA

Klingt gut!


TORSTEN

Ich hoffe doch sehr. Was nähst du da?


JANNA

Das wird ein Häubchen für den Morgen. Ihr Nachthemd und die Schlafmütze sind schon fertig.


TORSTEN

Großartig! Geh jetzt bitte ins Haus, mein Täubchen. Langweile dich nicht zu sehr – und sei gespannt: Ich werde dir bald etwas Wichtiges verraten.




SZENE V


TORSTEN (allein)


TORSTEN:

Ihr Modeheldinnen, ihr empfindsamen Seelen von heute, ihr Meisterinnen des geschliffenen Geredes – eure Gedichte, eure Bücher, ja selbst eure Briefe, Tagebücher und euer ganzes Wissen würde ich ohne Zögern eintauschen gegen diesen einen reinen, unverdorbenen Sinn. Selbst aller Reichtum der Welt hat nicht annähernd die Kraft, die in echter Lauterkeit liegt …



SZENE VI


(TORSTEN. CHRISTOPH)


TORSTEN

Moment mal … was seh ich denn da? Nein … ich täusch mich … oder doch? Das ist doch … Chris?


CHRISTOPH

Herr Tor —


TORSTEN

Christoph!


CHRISTOPH

Herr Torsten!


TORSTEN

Unglaublich! Sie hier? Wie lange schon?


CHRISTOPH

Seit neun Tagen.


TORSTEN

Neun? Wirklich?


CHRISTOPH

Ich wollte gleich zu Ihnen, aber …


TORSTEN

Ich war bis heute auf meinem Gut.


CHRISTOPH

Ja, das hörte ich. Seit etwa zehn Tagen, hieß es.


TORSTEN

Man glaubt es kaum – aus dem kleinen Jungen ist ein stattlicher junger Mann geworden. Komisch, damals reichte er mir kaum bis zur Hüfte.


CHRISTOPH

Stimmt.


TORSTEN

Und wie geht’s Ihrem Vater, meinem alten Freund Markus? Hoffentlich ist er wohlauf. Noch immer so lebenslustig? Ich hab oft an ihn gedacht, wirklich. Auch wenn wir uns seit vier Jahren nicht gesehen oder geschrieben haben.


CHRISTOPH

Er hält immer noch gut mit, was die gute Laune betrifft – da steht er uns in nichts nach. Er hat mir sogar einen Brief für Sie mitgegeben, bevor ich losfuhr. Und heute schreibt er mir, dass er selbst kommt. Ich weiß noch nicht, warum.


TORSTEN

Hat man hier von einem Heimkehrer gehört? Einem Bürger, der nach vierzehn Jahren aus Amerika zurückkommt, mit Reichtum und großem Besitz?


TORSTEN

Wie heißt er?


CHRISTOPH

Erich.


TORSTEN

Der Name sagt mir nichts.


CHRISTOPH

Mein Vater spricht oft von ihm. Ich glaube, er meint, Sie müssten ihn gut kennen. Im Brief steht, es gehe um eine wichtige Angelegenheit, bei der sie beide dabei sein wollen.


(Er überreicht Torsten den Brief von Markus.)


TORSTEN

Ich freue mich sehr, ihn zu sehen – und stehe ihm natürlich ganz zur Verfügung.

(liest den Brief)

Aber ehrlich, das ist ein bisschen viel Aufhebens um ein altes Freundschaftsband. Ein einfaches Zeichen der Höflichkeit hätte auch gereicht. Er konnte schließlich immer auf meine Kasse zugreifen, ohne ein Wort darüber verlieren zu müssen.


CHRISTOPH

Das probiere ich doch gleich mal aus. Mir fehlen gerade hundert Mark.


TORSTEN

Das nenne ich offenen Umgang – gefällt mir. Zum Glück muss ich nicht lange suchen.


(reicht ihm das Portemonnaie)


Behalten Sie das einfach.


CHRISTOPH

Ich wollte doch nur ...


TORSTEN

Kein Wort! – Und, wie gefällt Ihnen die Stadt?


CHRISTOPH

Lebendig und schön. Die Gebäude wirken fast königlich, und es gibt eine Menge Ablenkung – wunderbar.


TORSTEN

Oh ja, hier weiß man, wie man sich’s gutgehen lässt. Wer Liebesabenteuer sucht, ist genau am richtigen Ort. Die Frauen haben ein weiches Herz, ob brünett oder blond – keine von ihnen ist aus Stein, und auch die Ehemänner stellen kein großes Hindernis dar. Für mich ist das ein Hauptvergnügen, ein echtes Schauspiel. Na, haben Sie schon jemanden kennengelernt – unter uns? Hat sich noch nichts ergeben? Bei Ihrer Erscheinung dürfte das nicht lange dauern. Und ganz ehrlich: Man braucht hier nicht viel Geld, um bei manchem Ehemann Hörner wachsen zu lassen.


CHRISTOPH

Ganz offen gesagt – da hat sich bei mir tatsächlich schon etwas angebahnt. Ich kann mit einem Freund ja ehrlich sein ...


TORSTEN

(für sich)

Sehr schön! Das gibt wieder einen Skandal mehr für mein kleines Tagebuch der Amouren.


CHRISTOPH

Ich bitte nur um strengstes Stillschweigen.


TORSTEN

Oh!


CHRISTOPH

Sie wissen ja, wie heikel so etwas werden kann, wenn es ungewollt ans Licht kommt. Ich will also ganz offen sein: Ein bezauberndes Mädchen hat mein Herz berührt. Sie hat mir Hoffnung gemacht und sich auch gegen ein paar Besuche nicht gesträubt. Ich will nicht angeben oder zu vertraulich werden, aber ich denke, ich bin auf einem guten Weg.


TORSTEN

(lachend)

Und wer ist es?


CHRISTOPH

Ein halbes Kind eigentlich. Sie wohnt gleich da drüben – in dem Haus mit den roten Mauern. Sie weiß nicht viel, denn sie wird dort von jemandem regelrecht eingesperrt, von einem sonderbaren Kerl. Trotz ihrer Unwissenheit ist sie einfach hinreißend – wunderschön, mit einer natürlichen Anmut, dass einem das Herz übergeht. Sie haben sie vermutlich noch nicht gesehen, dieses leuchtende Wesen. Sie nennt sich Janna.


TORSTEN

(für sich)

Verflucht!


CHRISTOPH

Ihr Kerkermeister heißt irgendwas wie von Schwank oder Schwanz – so in der Art. Der Name ist ja egal. Man sagt, er sei reich, aber geistig völlig minderbemittelt. Ein lächerlicher Typ, wenn Sie mich fragen. Kennen Sie ihn?


TORSTEN

(für sich)

Das ist bitter!


CHRISTOPH

Warum sagen Sie nichts?


TORSTEN

Doch, ich kenne ihn.


CHRISTOPH

Und? Ist er nicht eine einzige Witzfigur?


TORSTEN

J... äh...


CHRISTOPH:

Oder was? Heißt das vielleicht Ja? – oder bist du nur rasend eifersüchtig? Und dabei völlig neben der Spur? Ich seh ihn förmlich vor mir, diesen Typen! Kurz gesagt: Ich bin bis über beide Ohren in Janna verliebt. Das Mädchen ist ein echtes Juwel. Es wäre eine Sünde, sie so einem Trottel zu überlassen. Ich werde alles geben, um sie ihm auszuspannen – ganz egal, wie sehr er sich aufspielt. Und das Einzige, was ich dazu brauche, ist das Geld, das ich mir von dir geliehen habe. Du weißt doch selbst: Geld ist überall der beste Türöffner. Ob im Krieg oder in der Liebe – oft bringt nur dieses verdammte Metall den Sieg. Du schaust so ernst. Was ist? Gefällt dir mein Plan etwa nicht?


TORSTEN

Oh nein … Ich dachte nur …


CHRISTOPH

Wenn ich noch weiterrede, wirst du am Ende noch genervt. Ich komm bald zurück, um mich zu bedanken.


(Er geht ab.)


TORSTEN

(glaubt, allein zu sein):

Oh Mann … warum nur …


CHRISTOPH

(kehrt kurz zurück):

Noch eins – sag bitte keinem ein Wort darüber.


TORSTEN

(glaubt, wieder allein zu sein):

Mir ist, als …


CHRISTOPH

(nochmals auftauchend)

Vor allem: Mein Vater darf nichts erfahren. Wenn der Wind davon bekommt, bin ich geliefert.


TORSTEN

(glaubt, dass Christoph schon wieder zurückkommt)

Oh!




SZENE VII


TORSTEN (allein)


TORSTEN

Was für eine Qual ich da eben überstanden habe! Ich bin völlig mit den Nerven am Ende. Das war wirklich überstürzt und unklug von ihm – ausgerechnet mir diese Geschichte zu erzählen! Zum Glück kennt er meinen neuen Namen nicht. Wie kann man sich nur so gründlich verrennen? Trotz aller inneren Schmerzen habe ich mich beherrscht. Jetzt muss ich der Gefahr direkt ins Auge sehen. Er muss noch mehr erzählen – noch mehr über ihre heimlichen Treffen. Ich folge ihm – weit kann er nicht gekommen sein. Ich will die ganze Wahrheit aus ihm herausbekommen! Ich habe so ein ungutes Gefühl – als würde etwas Schlimmes bevorstehen. Und manchmal findet man eben Dinge heraus, die man lieber nicht gewusst hätte.




AKT II


SZENE I


TORSTEN (allein)


TORSTEN

(nachdenklich)

Wenn ich ganz nüchtern darüber nachdenke, sieht’s wohl so aus, als hätte ich ihn nicht mehr einholen können. Ich war viel zu aufgewühlt, zu wütend – wie hätte ich das vor ihm verbergen sollen? Was er nicht weiß, soll er auch nicht herausfinden. Bin ich etwa der Typ, der sich so leicht reinlegen lässt? Soll ich etwa einem Nichtsnutz wie ihm das Feld überlassen? Nein – ich mach ihm sein Spiel kaputt. Ohne Zeit zu verlieren will ich herausfinden, was passiert ist. Meine Ehre lässt mir keine andere Wahl – ich muss handeln. Ich habe sie schon als meine Frau betrachtet. Wenn sie etwas getan hat, das gegen mich spricht, dann bin ich es, der die Schande tragen muss. Man wird mir alles anlasten. Verdammte Trennung. Verfluchte Reise!


(Es klopft an die Tür.)



SZENE II


(TORSTEN. GEORG. REGINA)


GEORG

Herr, diesmal …


TORSTEN

Still! Kommt her, ihr beiden! Du da – und du! Los jetzt, bewegt euch und bleibt stehen!


REGINA

Oh Gott … dieser Blick! Ich krieg richtig Gänsehaut.


TORSTEN

So gehorcht ihr also eurem Herrn? Ist das euer Ernst? Habt ihr euch gegen mich verschworen?


REGINA

(wirft sich vor ihm auf die Knie)

Bitte, Herr, bitte! Tun Sie mir nichts!


GEORG

(leise, zu sich)

Der ist völlig durchgedreht – bei meiner Seele!


TORSTEN

(leise, zu sich)

Ich bring kein Wort raus, mir schnürt’s die Kehle zu … Am liebsten würd ich mir die Kleider vom Leib reißen.

(laut)

Ihr elenden Feiglinge! Ihr habt einfach zugesehen, wie sich ein Mann hier…

(zurück zu GEORG, der weglaufen will)

Du bleibst hier! Und sofort – 

(zu REGINA) 

Kein Mucks! Wird’s bald? Gebt es zu – ich werde euch beide dazu zwingen!

(Sie versuchen erneut zu fliehen)

Beim Henker – der sich jetzt noch rührt, den mach ich kalt! Wie ist dieser Kerl überhaupt hier reingekommen? Na los – sofort!Keine Ausflüchte! Sprecht! Kein Zögern – hört ihr?!


GEORG und REGINA

Ach …


REGINA

Mir wird schlecht.


GEORG

Das bringt mich um.


TORSTEN

(leise, zu sich)

Ich bin schweißgebadet … Ich muss erst mal durchatmen … ein bisschen rumgehen. Als Kind ist der hier rumgerannt – wer hätte gedacht, dass es so endet? Es brennt in mir wie Feuer! Am besten, ich bleib ruhig, ganz kalt, und versuch, die Wahrheit aus ihnen rauszubekommen. Nur Geduld, mein Herz – immer mit der Ruhe. 

(zurück zu GEORG und REGINA)

Steht auf und geht rein! Ruft Janna zu mir! Nein – bleibt hier!

(leise, zu sich) 

Die könnten ihr sonst verraten, wie außer mir ich bin. Ich muss sie überraschen, ohne Vorwarnung. Ich geh selbst zu ihr hoch.

(zu GEORG und REGINA)

Ihr bleibt hier – und wartet auf mich!




SZENE III


(GEORG. REGINA)


REGINA

Ach du meine Güte – wie furchtbar! Sein Blick! Hast du diesen Blick gesehen? Ich bin ganz verstört. Hat je ein Mensch so entsetzlich ausgesehen?


GEORG:

Hab ich’s dir nicht gleich gesagt? Der Kerl ist doch unmöglich für sie.


REGINA:

Aber warum um alles in der Welt müssen wir das Fräulein so streng im Haus bewachen? Warum sperrt er sie regelrecht ein –

erzählt draußen jedem, sie sei geflohen – und lässt keinen mehr zu ihr durch?


GEORG:

Naja, das ist eben seine Eifersucht. Die macht ihn ganz verrückt.


REGINA:

Aber wie kommt er nur auf so eine Idee?


GEORG:

Ich sag’s doch – aus Eifersucht.


REGINA:

Und woher kommt die denn? Weißt du, warum er so tobt?


GEORG:

Eifersucht – verstehst du – das ist wie ein fieser Juckreiz, der einen packt und nicht loslässt. Man wird unruhig, wird misstrauisch – und irgendwann vertreibt man alle aus dem Haus. Ich erklär’s dir mal mit einem Beispiel: Stell dir vor, du hast dir eine schöne Suppe gekocht – und dann kommt ein Bettler und will mitessen. Wärst du nicht sauer? Würdest du ihn nicht anbrüllen?


REGINA:

Ja, das versteh ich.


GEORG:

Na also – genau das ist es. Die Frau ist für den Mann wie seine Suppe. Und wenn er merkt, dass andere auch mal probieren wollen, dreht er durch. Fängt an zu schreien, zu toben, will sie ganz für sich allein haben.


REGINA:

Aber das ist doch nicht bei allen so. Manche Männer nehmen das ganz locker, wenn sich ihre Frauen mit hübschen Typen amüsieren.


GEORG:

Nicht jeder ist so ein Egoist, der alles für sich allein beansprucht.


REGINA:

Warte mal – wenn ich mich nicht täusche, da kommt er!


GEORG:

Stimmt, das ist er.


REGINA:

Er sieht ganz elend aus.


GEORG:

Den drücken schwere Gedanken.



Vierter Auftritt

Vorige. TORSTEN


TORSTEN

(für sich)

Ein alter Grieche soll einmal zu Kaiser Augustus gesagt haben: Wenn uns Zorn und Groll überkommen, dann sei es das Klügste, sich zuerst das Alphabet aufzusagen – einfach der Reihe nach –, damit sich der Zorn legt und man nichts Unüberlegtes tut, das man später bereut. Dieser Rat hilft mir gerade bei Janna. Ich habe sie unter dem Vorwand herbestellt, mit ihr einen Spaziergang zu machen. In Wirklichkeit will ich herausfinden, ob meine Eifersucht begründet ist. Ich hoffe, dass ich durch ein lockeres Gespräch, ganz unauffällig, Klarheit gewinne und Gewissheit bekomme.



SZENE V


(Vorige. JANNA)


TORSTEN

Komm, JANNA! 

(Zu GEORG und REGINA) 

Geht hinein.



SZENE VI


(TORSTEN, JANNA)


TORSTEN

Schönes Wetter heute für einen Spaziergang.


JANNA

Ja, wirklich schön.


TORSTEN

Ein herrlicher Tag.


JANNA

Wunderschön.


TORSTEN

Gibt’s was Neues?


JANNA

Unsere Katze ist gestorben.


TORSTEN

Das tut mir leid. Aber na ja, wir sind alle sterblich, und jeder denkt doch zuerst an sich selbst. Hat’s hier geregnet?


JANNA

Nein.


TORSTEN

War dir die Zeit lang?


JANNA

Eigentlich nie.


TORSTEN

Und was hast du so gemacht in den letzten Tagen?


JANNA

Ich glaube, sechs Hemden und sechs Zipfelmützen genäht.


(Torsten denkt kurz nach.)


TORSTEN

Die Welt ist schon ein seltsamer Ort. Man kann sich nie ganz vor übler Nachrede schützen. Ich habe gehört, während ich weg war, sei ein fremder junger Mann bei uns gewesen. Du sollst ihn sehr freundlich empfangen haben. Aber ehrlich gesagt – ich glaub den Tratsch nicht. Ich würde wetten, das ist alles nur Gerede.


JANNA

Wetten Sie lieber nicht – Sie würden verlieren.


TORSTEN

Wie bitte? Es stimmt also, dass jemand hier war?


JANNA

Ganz genau. Und er ist weder gewichen noch hat er gezögert – ich kann’s beschwören.


TORSTEN

(nachdenklich)

Diese offene Art zu gestehen zeigt mir, dass sie sich keiner Schuld bewusst ist. Aber ich erinnere mich, dass ich ihr Besuche verboten hatte.


JANNA

Ja, aber Sie wissen ja gar nicht, warum es passiert ist. Sie hätten ganz genauso gehandelt wie ich.


TORSTEN

Möglich. Erzähl mir, was geschehen ist.


JANNA

Es klingt seltsam, fast unglaublich. Ich saß auf dem Balkon und stickte. Da kam ein junger Mann unter dem Baum vorbei. Als er mich sah, blieb er mit einer tiefen Verbeugung stehen. Ich wollte nicht unhöflich sein und grüßte ebenso höflich zurück. Dann verbeugte er sich wieder – und ich ebenfalls. Beim dritten Mal machte ich natürlich auch den dritten Knicks. Und so ging das hin und her. Er kam zurück, verbeugte sich noch höflicher – und ich grüßte wieder. Das hätte ewig so weitergehen können, wenn es nicht dunkel geworden wäre. Ich wollte ja nicht unhöflicher erscheinen als er.


TORSTEN

Wirklich reizend.


JANNA

Am nächsten Morgen kam eine alte Frau zu mir ans Tor. Sie sagte: „Gott segne Sie, mein Kind. So eine Schönheit ist kein Zufall – Gott hat Sie mit dieser Anmut sicher nicht umsonst ausgestattet. Sie haben ein Herz tief verletzt.“


TORSTEN

(murmelnd)

Diese Kupplerin!


JANNA

Ich fragte erschrocken: „Wen habe ich denn verletzt?“ – „Den jungen Herrn vom Balkon!“, sagte sie. Ich dachte, ich hätte vielleicht etwas fallen lassen, das ihn getroffen hat. Aber sie meinte, nur mein Blick habe ihn verwundet – ein giftiger Blick, der ihn krank gemacht hat.


TORSTEN

(still)

Was für ein durchtriebener Trick!


JANNA

Die Frau sagte, er sei krank vor Liebe und könne nur durch meinen Anblick geheilt werden. Ich war entsetzt und sagte, wenn das so ist, dann soll er mich ruhig sehen dürfen – so oft er will.


TORSTEN

(still)

Diese Hexe! Möge sie die Pest holen!


JANNA

Er kam – und er wurde tatsächlich wieder gesund. Sagen Sie mir, war das falsch von mir? Sollte ich ihn elend sterben lassen, obwohl ich schon weine, wenn man ein Huhn schlachtet?


TORSTEN

(still)

Sie ist ganz unschuldig – meine Reise war ein Fehler. Ich hätte sie nicht so schutzlos lassen dürfen. Ich hoffe nur, der Kerl hat sich nicht mehr erlaubt.


JANNA

Geht es Ihnen nicht gut? Sind Sie böse auf mich? Hätte ich anders handeln sollen?


TORSTEN

Nein. Aber erzähl weiter. Was hat er denn gemacht, als er dich besucht hat?


JANNA

Ach, Sie hätten sehen sollen, wie glücklich er war. Und wie nett er war! Er hat mir ein hübsches Kästchen geschenkt und auch Regina und Georg Geld gegeben. Ich bin sicher, Sie hätten ihn gemocht.


TORSTEN

Und wenn ihr allein wart – was dann?


JANNA

Er hat mir seine Liebe erklärt – in tausend Schwüren! Und er sprach so schön, dass ich ihm stundenlang hätte zuhören können. Seine Worte haben mich ganz ergriffen.


TORSTEN

(still)

Oh, welch schwere Prüfung! Aber – abgesehen von diesen süßen Worten – hat er sonst etwas getan?


JANNA

Ja, er hat meine Hände und Arme geküsst – immer wieder.


TORSTEN

Und sonst? Hat er sich sonst etwas erlaubt?


JANNA

(verlegen)

Ähm ... ja ...


TORSTEN

Was denn?


JANNA

Er hat ...


TORSTEN

Nun sag schon!


JANNA

Ich fürchte, Sie würden dann wütend.


TORSTEN

Nein, bestimmt nicht!


JANNA

Wirklich?


TORSTEN

Versprochen.


JANNA

Also gut ... er hat mir das Band abgenommen, das Sie mir geschenkt haben.


TORSTEN

(erleichtert)

Ach, das Band! Na, wenn’s nur das war ... Aber – war das wirklich alles? Nur Küsse auf die Hand?


JANNA

Ja. Was denn sonst?


TORSTEN

Nichts, nichts ... Hat er dich um nichts Weiteres gebeten – um irgendein anderes Mittel, das ihn heilt?


JANNA

Nein. Aber hätte er gefragt – ich hätte es ihm gegeben, um ihn zu retten.


TORSTEN(still)

Gott sei Dank, es ist glimpflich ausgegangen. Wenn so etwas noch mal passiert, nenn mich einen Dummkopf!

(laut)

Janna, ich sehe, du bist unschuldig. Geschehen ist geschehen – ich will dir nichts vorwerfen. Aber glaube mir: Der Kerl wollte dich nur verführen und hätte dich am Ende noch ausgelacht.


JANNA

Nein, das glaube ich nicht! Er hat es mir so oft versichert!


TORSTEN

Worte sind leicht. Geschenke annehmen, mit jungen Männern tändeln, sich die Hände küssen lassen – das ist nicht harmlos, das ist eine schwere Sünde.


JANNA

Warum?


TORSTEN

Weil solches Tun den Zorn Gottes weckt.


JANNA

Aber warum denn? Es war doch so schön! Ich wusste gar nicht, dass es solche Freuden gibt.


TORSTEN

Ja – solche Zärtlichkeit kann süß sein. Aber sie gehört in die Ehe. Nur dann ist sie erlaubt.


JANNA

Dann verheiraten Sie mich bitte!


TORSTEN

Genau das hatte ich vor. Ich bin deshalb zu dir gekommen.


JANNA

Wirklich?


TORSTEN

Ja.


JANNA

Ich kann mein Glück kaum fassen!


TORSTEN

Ich hoffe, das macht dich froh.


JANNA

Sie wollen wirklich... uns beide?


TORSTEN

Ja.


JANNA

Dann... dann werde ich Sie über alles lieben!


TORSTEN

Und ich dich ebenso.


JANNA

Ist das Ihr Ernst?


TORSTEN

Du wirst es bald sehen.


JANNA

Wir als Mann und Frau?


TORSTEN

Jawohl.


JANNA

Und wann?


TORSTEN

Heute noch – vor dem Abend.


JANNA

Heute? Oh, ich bin so glücklich!


TORSTEN

Ich will nur, dass du glücklich bist.


JANNA

Mein Leben lang werde ich Ihnen dankbar sein – vereint mit dem, den ich liebe!


TORSTEN

Moment – mit wem?


JANNA

Na, mit...


TORSTEN

Mit dem? Nein, da hast du was falsch verstanden. Ich meinte mich. Den jungen Mann wirst du nie wiedersehen. Wenn er nochmal auftaucht, schmeiß ihm was an den Kopf. Und ich werde heimlich dabei sein und zusehen.


JANNA

Aber... er war doch so nett...


TORSTEN

Ich will nichts hören.


JANNA

Ich kann ihn doch nicht so einfach ...


TORSTEN

Genug jetzt! Ab nach oben!


JANNA

Aber vielleicht wollen Sie doch noch ...


TORSTEN

Schluss jetzt! Ich bin der Herr im Haus – und ich habe gesprochen.




AKT III


SZENE I


(TORSTEN. JANNA. GEORG. REGINA)


TORSTEN

Bravo, gut gemacht! Genau so will ich das. Du hast meinen Befehl ordentlich ausgeführt: Der feine Herr ist jetzt abgereist. Und siehst du, wie nötig du eine kluge Führung hast? Aus reiner Unschuld bist du seiner Verführung beinahe schutzlos erlegen. Ohne mein Eingreifen wärst du geradewegs auf dem Weg in die Verdammnis gewesen. Ich kenne diese aufgeblasenen Kerle ganz genau: Sie kommen daher mit Manschetten, Federn und hübschen Borten, mit Locken, einem charmanten Lächeln und süßen Worten. Aber unter dem Samthandschuh verbergen sich Krallen – sie sind wie Teufel, besessen davon, die Tugend der Frauen zu zerstören. Aber diesmal – diesmal ist es mir gelungen, dich mit einem blauen Auge davon zu bringen. Wie du ihm den Kieselstein hinterhergeworfen hast – und ihn damit in seinem schamlosen Begehren getroffen hast – das hat mich bestärkt, den Weg für unseren ewigen Bund nun endgültig zu ebnen. Doch bevor wir weiterreden, denke ich, du könntest jetzt eine kleine moralische Belehrung sehr gut gebrauchen.

(Zu Georg und Regina)

Stellt mir hier im Schatten bitte einen Stuhl auf. – Und wenn ihr es noch einmal wagt...


REGINA

Herr, wir haben verstanden. Der andere Mann hat uns ganz den Kopf verdreht. Aber...


GEORG

Ich verdurste lieber, als dass ich ihn noch einmal hier dulde. Außerdem ist er ein Betrüger – neulich hat er uns zwei falsche Taler untergejubelt.


TORSTEN

Dann macht uns jetzt ein schönes Abendessen, und wenn ihr sowieso unterwegs seid, bestellt gleich den Notar für den Ehevertrag, wie ich es bereits gesagt habe – er wohnt ja direkt um die Ecke.



SZENE II


(TORSTEN. JANNA)


TORSTEN

(sitzt)

Janna, hör mir bitte zu und arbeite ruhig weiter. Kopf hoch, schau mich an.

(Sanft legt er ihr den Finger an die Stirn.)

So. Sieh mir in die Augen, bis ich fertig bin. Und präg dir jedes Wort gut ein. Janna, ich habe dich zu meiner Frau gewählt. Und in jeder Stunde preise ich dein Glück, mein Kind – wenn ich daran denke, wie einfach deine Herkunft ist, und wie großherzig ich bin,

indem ich dich aus bäuerlichen Verhältnissen zur Frau eines angesehenen Bürgers mache. Du bekommst in mir einen Ehemann, der sich nie binden wollte, der viele glänzende Partien ausgeschlagen hat – und dir nun diese Ehre erweist. Denk also immer daran, was ohne mich aus dir geworden wäre. Dieses außergewöhnliche Glück soll dich jeden Tag daran erinnern, dass du es dir stets aufs Neue verdienen musst. Werde nie überheblich – und gib Acht, dass ich meine Entscheidung nie bereue. Heiraten, Janna, ist kein Spiel. Für eine Frau bringt es ernste Pflichten mit sich. Du bist nicht an meiner Seite, um sorglos und leichtlebig den Tag zu vertrödeln. Gott hat dein Geschlecht zur Unterordnung bestimmt. Nur dem Manne, dem Bartträger, steht das Herrschen zu. Die Menschheit ist in zwei Hälften geteilt, doch sie sind sehr verschieden: Die eine handelt – die andere leidet. Die eine herrscht – die andere gehorcht. Was ein Soldat seinem Hauptmann schuldet, ein Diener seinem Herrn, ein Sohn dem Vater oder der geringste Mönch dem Abt – das alles ist nichts gegenüber dem Maß an Geduld, Respekt und Gehorsam, den eine Frau ihrem Mann schuldet – als ihrem Herrn, ihrem Gebieter, ihrem Richter. Wenn er sie ernst anschaut, soll sie den Blick senken – und ihn nicht eher wieder ansehen, bis er ihr ein gnädiges Lächeln schenkt. Das ist es, was den heutigen Frauen fehlt. Aber du, Janna – du sollst dich hüten, den schlechten Beispielen dieser koketten Damen zu folgen, von denen alle Welt redet. Verschließe dich der List des Teufels – will sagen: Lass dich nicht von eitlen Männern betören. Und vergiss nie: Wenn du meine Frau bist, liegt meine Ehre in deinen Händen. Ehre ist schnell verloren – und niemand spielt gern mit ihr. In der Hölle warten Kessel, in denen schlechte Frauen schmoren. Was ich dir sage, ist todernst. Präg es dir tief ein. Wenn du lernst, dich gegen Eitelkeit zu schützen, bleibst du wie eine weiße Lilie – rein. Doch ein Riss in deiner Tugend, und deine Seele wird schwarz wie Kohle, wird zum Ärgernis für alle –

und eines Tages wird der Teufel sie holen und im ewigen Feuer backen. Gott bewahre dich davor! Und nun – mach einen Knicks!Wie die Nonnen ihre Ordensregeln auswendig lernen, so beginnt auch der Ehestand. Ich habe hier ein wichtiges Schriftstück. Darin steht genau, was von einer verheirateten Frau verlangt wird. Der Verfasser war gewiss ein frommer Mensch – du solltest es zu deiner einzigen Lektüre machen.

(Er steht auf.)

Hier, nimm es. Lies mir ein Stück daraus vor.


JANNA

(liest vor):


Regeln für die Ehefrau

oder: Die Pflichten einer verheirateten Frau und deren tägliche Übung


Erste Regel:

Wirst du ehrbar auserwählt

Und mit einem Mann vermählt,

Denk zu jeder Zeit daran,

Dass du da bist für den Mann.


TORSTEN

Ich erkläre dir später, was das bedeutet. Lies jetzt bitte weiter an der Stelle, wo du warst.


JANNA

(liest weiter)


Zweite Regel:

Pflege dich mit Maß und Sinn,

denn dein Mann erfreut sich drin;

Deine Schönheit, ganz und gar,

sei allein für ihn nur da!

Was ein Fremder drüber denkt,

sei dir gleich – wird weggeschenkt.


Dritte Regel:

Fort mit Puder, Augenwinken,

Salben, Düften, Schmuck und Schminken!

Schmückst du dich zur Eitelkeit,

ist das Ehrverlust zugleich.

Denn dein Glanz gilt dem, der strebt –

nicht dem Mann, der mit dir lebt.


Vierte Regel:

Gehst du aus dem Haus ein Stück,

schau bescheiden stets zurück –

Blick gesenkt und Aug' gesenkt –

dass kein Fremder falsch dich denkt.

Denn gefallen sollst du nur

ihm, dem Herrn der Ehekur.


Fünfte Regel:

Lade keinen Mann ins Haus,

außer er kennt deinen Gatten aus.

Denn wer bloß zur Dame geht,

bringt dem Hausherrn kein Gebet.


Sechste Regel:

Kommt ein Mann mit guten Gaben –

lehn ihn ab, lass ihn nicht laben.

Denn Geschenke sind gemein,

wenn sie nicht im Ausgleich sein.


Siebente Regel:

Tinte, Feder, Brief und Blatt –

sind dem Mann allein zur Tat.

Was zu schreiben ist im Haus,

richtet er viel besser aus.


Achte Regel:

Ständig Feste, schöne Kreise –

machen selten kluge Weise.

Meide drum das stete Gehn –

sie machen nur den Gatten schön.


Neunte Regel:

Willst du tugendhaft bestehn,

darfst du nie zum Spiele gehn.

Wer dem Würfel einmal dient,

selbst zuletzt kaum noch entrinnt.


Zehnte Regel:

Picknick, Reise, Wälder-Fest –

halte fern dich – all dies lässt

zuletzt dem Manne stets die Pflicht,

den Preis zu zahlen – nur für dich.


Elfte Regel:

[…]


TORSTEN

Den Rest liest du allein. Morgen besprechen wir alles in Ruhe. Ich habe noch etwas zu erledigen – bin gleich zurück. Bewahr das Buch gut auf – und wenn der Notar kommt, bitte ihn, kurz zu warten.



SZENE III


TORSTEN (allein)


TORSTEN

Sag mir, wer hätte sich je eine Frau besser ausgesucht als ich? Ich kann sie führen wie an einem Zügel. Sie ist noch formbar, wie frischer Wachs, der seine Gestalt erst durch meine Hand annimmt. Zugegeben, während meiner Abwesenheit hätte mich ihre Einfalt beinahe in Schwierigkeiten gebracht – aber am Ende war’s harmlos. Diese Art von Unvernunft ist bei Frauen leicht zu verzeihen. Solche Irrtümer lassen sich schnell korrigieren. Wer nicht viel Verstand hat, lernt eben schneller dazu. Und wenn jemand vom richtigen Weg abkommt, braucht es nur ein paar klare Worte – und schon ist er wieder auf Kurs. Ganz anders sind die klugen Frauen: Die wollen uns nach ihrer Pfeife tanzen lassen. Die sind stur, lassen sich durch nichts beirren, und über unsere gut gemeinten Ratschläge lachen sie nur verächtlich. Mit ihrer Bücherweisheit machen sie sich über unsere Lehren lustig. Und wenn sie sich mal etwas zuschulden kommen lassen, verpacken sie es in eine Geschichte voller Tugend und Ehrbarkeit. Selbst die Klügsten lassen sich von solchen Lügen blenden. Man hat keine Chance, sich gegen ihre Tricks zu wehren. Eine kluge Frau ist im Täuschen wie der Teufel selbst. Wenn so eine Frau einmal im Stillen ihr Urteil über uns fällt, dann ist unser Ruf verloren – viele anständige Männer mussten das schon erleben. Aber jetzt, mein Junge, darf ich lachen – das kommt von deinem allzu lockeren Mundwerk! Kein Deutscher wird aus dir, so wie du redest. Kaum habt ihr ein bisschen Glück, könnt ihr es nicht für euch behalten. Aus lauter Eitelkeit müsst ihr alles gleich herausposaunen – und lieber würdet ihr euch aufhängen, als zu schweigen. Wenn die Männer schon solche Narren sind – wie könnten da die Frauen dem Teufel entgehen? Aber pst – da kommt er. Tun wir mal so, als merkten wir nichts, und hören uns an, was er uns diesmal vorjammern will.



SZENE IV


(CHRISTOPH. TORSTEN)


CHRISTOPH

Ich komme gerade von Ihnen. Mein Schicksal wollte es, dass ich Sie immer wieder verpasse. Aber ich gebe nicht auf und suche beharrlich den Moment, in dem wir—


TORSTEN

Ach, warum so förmlich? Ich kann Komplimente überhaupt nicht ausstehen. Wenn’s nach mir ginge, würde ich sie abschaffen – reine Zeitverschwendung!

(Schiebt sich den Hut auf den Kopf.)

Also, Christoph, wie steht’s mit Ihrem Abenteuer? Gibt’s was Neues? Ich war vorhin abgelenkt, aber ich hab viel darüber nachgedacht, wie schnell Sie Erfolg hatten. Ich bin neugierig auf die Fortsetzung.


CHRISTOPH

Seit ich Ihnen meine Gefühle gestanden habe, hat sich das Blatt gewendet – meiner Liebe ist ein Unglück widerfahren.


TORSTEN

Was denn?


CHRISTOPH

Das Schicksal hat ihren Aufpasser zurückgebracht.


TORSTEN

Verflucht.


CHRISTOPH

Und noch schlimmer: Er weiß von unserer heimlichen Beziehung.


TORSTEN

Wer hat ihm das denn erzählt?


CHRISTOPH

Ich weiß es nicht. Aber es ist raus. Heute zur gewohnten Zeit wollte ich sie besuchen, wie so oft. Aber statt ihr kamen Knecht und Magd mit finsteren Mienen auf mich zu und schrien: „Abmarsch, Störenfried!“ Und dann knallten sie mir die Tür direkt vor der Nase zu.


TORSTEN

Was? Wirklich?


CHRISTOPH

Ja. Ich hab noch durch die Tür gesprochen, aber immer wieder kam nur zurück: „Bleiben Sie draußen – so hat’s der Herr befohlen.“


TORSTEN

Und Sie kamen nicht rein?


CHRISTOPH

Nein. JANNA bestätigte es sogar vom Fenster aus. Er sei zurück. Dann schickte sie mich nach Hause – mit einem harten Wort und einem Stein hinterhergeworfen.


TORSTEN

Sie hat Sie beworfen?


CHRISTOPH

Und nicht mit einem kleinen Stein. So sieht also die Belohnung für meine Höflichkeit aus.


TORSTEN

Donnerwetter, das ist kein Spaß. Das ist wirklich übel. Sie tun mir leid.


CHRISTOPH

Seine Rückkehr stellt alles auf den Kopf.


TORSTEN

Wirklich, ich verstehe Ihren Frust.


CHRISTOPH

Dieser Mensch ruiniert alles!


TORSTEN

Ja, aber vielleicht kriegen Sie trotzdem wieder Zugang zu ihr.


CHRISTOPH

Ich muss mir dringend etwas einfallen lassen, wie ich diesen Wachhund austricksen kann.


TORSTEN

Ach, halb so wild. Das Mädchen liebt Sie doch, oder?


CHRISTOPH

Ja.


TORSTEN

Dann gewinnen Sie auch. Sicher, der Stein war hart – aber er hat nicht wirklich was zu sagen.


CHRISTOPH

Genau das denke ich auch. Ich bin überzeugt, der Alte hat sich versteckt und alles mitangehört. Aber etwas hat mich überrascht – und ich glaube, Sie werden ebenfalls erstaunt sein. Das Mädchen hat eine ziemlich mutige Aktion gebracht, die man ihr gar nicht zugetraut hätte. Echte Verwandlung durch die Liebe! Amor ist ein mächtiger Lehrer: Er verändert Menschen radikal. Geizhälse werden plötzlich großzügig, Feiglinge mutig, Grobiane höflich, Träumer wach, Schüchterne kreativ. JANNA ist ein neuer Beweis dafür. Als sie rief: „Gehen Sie und kommen Sie nicht zurück – das ist meine Antwort auf Ihr Gerede!“ – da warf sie nicht nur den Stein, sondern gleichzeitig fiel mir auch ein Zettel zu Füßen. Und was darin stand, überraschte mich umso mehr.


TORSTEN

So eine Bauernschläue! Die Liebe macht erfinderisch, das kann man nicht leugnen. Sie verändert Herzen im Handumdrehen. Eine List wie aus dem Lehrbuch – wirklich raffiniert. Und dieser alte Griesgram, der glaubt, alles im Griff zu haben, wird von seiner eigenen Ziehtochter ausgetrickst. Ist das nicht köstlich?


CHRISTOPH

Finden Sie nicht auch, dass das zum Lachen ist?


TORSTEN

(lacht gezwungen)

Doch, natürlich.


CHRISTOPH

Dieser Sittenwächter hat sich völlig verschanzt, alle seine Leute gegen mich aufgeboten, als würde ich sein Haus stürmen wollen – und dann schlägt ihn ausgerechnet das Mädchen mit seinen eigenen Waffen. Ja, seine Rückkehr ist ein Hindernis, aber ich finde den Vorfall so absurd, dass ich jedes Mal lachen muss, wenn ich daran denke. Sie lachen nicht besonders überzeugend, ehrlich gesagt.


TORSTEN

Ich lache doch, so laut ich kann!


CHRISTOPH

Ich muss Ihnen als Freund den Brief zeigen. Sie hat ihre Gefühle mit einer so rührenden, natürlichen Sprache beschrieben – so klar und aufrichtig, wie nur ein ganz unberührtes Herz das kann.


TORSTEN

(leise zu sich selbst)

Schlaue kleine Hexe – und so lernt sie also schreiben. Ich war immer dagegen…


CHRISTOPH

(liest)

Ich muss Ihnen schreiben und weiß kaum, wie. Ich will, dass Sie wissen, was ich denke, aber ich traue meinen Worten nicht. Man hat mich offenbar absichtlich dumm gehalten, und ich fürchte, ich schreibe etwas Ungehöriges. Ich weiß nicht, was Sie mit mir gemacht haben – aber ich bin todtraurig über das, was ich gegen Sie tun musste. Ich halte es nicht aus, von Ihnen getrennt zu sein, und wäre glücklich, zu Ihnen zu gehören. Vielleicht ist das falsch, aber ich kann nicht anders. Man sagt mir, alle jungen Männer wären Betrüger und ich sollte nicht auf Sie hören. Doch ich glaube das nicht. Ihre Worte haben mich so berührt, ich kann sie nicht für Lügen halten. Sagen Sie mir ehrlich, wie es um alles steht. Ich bin arglos – und wenn Sie mich täuschen würden, wäre das eine schlimme Sünde. Ich glaube, ich würde daran zerbrechen.“


TORSTEN

(für sich)

Schlange!


CHRISTOPH

Was ist?


TORSTEN

Ich? Ach, nichts – ich musste nur niesen.


CHRISTOPH

Ist das nicht ein unglaublich schöner Brief? Trotz allem Zwang – was für ein Naturausdruck! Und wäre es nicht fast ein Verbrechen, diese wachsende Seele zu unterdrücken? Die Liebe hat den Schleier gehoben – und mit Gottes Hilfe wird mein Glückstern sie mir zurückbringen. Sie muss frei werden von diesem Ungeheuer … diesem Tyrannen … diesem alten Geier …


TORSTEN

Ich muss los.


CHRISTOPH

Schon?


TORSTEN

Mir fällt gerade eine Verpflichtung ein, die ich dringend einhalten muss.


CHRISTOPH

Wissen Sie eigentlich, wer dort überhaupt noch Zutritt hat? Ich bitte Sie offen – wir sind Freunde, man hilft einander. Ich werde dort ständig beobachtet, und Knecht wie Magd sind völlig unzugänglich. Ich hatte früher eine alte Frau, eine Meisterin solcher Dinge. Sie war unersetzlich – ist aber leider gestorben. Vielleicht wissen Sie einen anderen Weg?


TORSTEN

Nein. Aber Sie finden bestimmt selbst eine Lösung.


CHRISTOPH

Dann auf Wiedersehen. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.




SZENE V


TORSTEN (allein)


TORSTEN

Das ist wirklich hart. Und dann tut sie auch noch so sanft und beherrscht, anstatt durchzudrehen – wie kann man so kaltherzig und gleichzeitig so kontrolliert sein? Sie hat mir eine heuchlerische Maske gezeigt, als wär’s ein Spiel… oder hat ihr der Teufel selbst das eingeflüstert? Dieser verdammte Brief – er wird mein Untergang. Dieser Kerl hat sie mit seinen Tricks umgarnt und für sich gewonnen. Er hat sie mir einfach weggeschnappt, und ich bleib zurück – mit nichts als Schmerz und Elend. Was mir das Herz zerreißt, ist nicht nur, dass ich sie verloren habe – ich habe auch meine Ehre verloren. Dass er mich verdrängen konnte, macht mich rasend. Und noch mehr: dass ich so dumm war, dass ich auf all das reingefallen bin. Zwar weiß ich, dass sie mit ihrem flatterhaften Wesen ihr Unglück schon selbst heraufbeschworen hat. Ihr Schicksal wird sie bestrafen – vielleicht bringt sie mir am Ende sogar selbst meine Rache. Aber wer verliert schon sein Liebstes, ohne daran zu zerbrechen? Und ich erst – ich hab doch so lange überlegt, bevor ich mich auf sie eingelassen habe. Und dann verliere ich meinen Verstand über sie wie ein Schuljunge! Sie hat weder Stand noch Vermögen, sie hat mich trotz all meiner Treue und Fürsorge reingelegt – und doch liebe ich sie mit einer solchen Glut, dass ich nicht imstande bin, loszulassen. Ich bin ein Narr. Ich sollte mich in Grund und Boden schämen. Am liebsten würde ich mich selbst verprügeln! Ich muss da reingehen – ich muss einfach sehen, wie sie mich jetzt ansieht, nach dem, was sie getan hat. Gott, bewahre mich vor solchem Unglück – aber wenn du wirklich willst, dass ich so enden soll, dann gib mir wenigstens die Gleichgültigkeit, mit der manche Leute alles hinnehmen können.




AKT IV


SZENE I


TORSTEN (allein)


TORSTEN

Ich muss zugeben, es fällt mir schwer, geduldig zu bleiben. In ständiger Sorge und Anspannung wache ich über alles – immer nur mit dem Ziel, diesem Geck, ob im Haus oder draußen, einen Strich durch seine Rechnung zu machen. Wie dreist sie mir standgehalten hat, als ich sie ansah – so ruhig, so ungerührt, trotz allem, was sie sich hat zuschulden kommen lassen! Wer nicht weiß, wie sehr sie mich innerlich quält, würde schwören, sie sei völlig unschuldig. Je gelassener sie blieb, desto wütender wurde ich. Doch all mein Zorn, der in mir brodelte, heizte nur noch mein Verlangen an. Ich war empört, außer mir, und fand sie doch schöner als je zuvor. Noch nie haben mich ihre Augen so in Bann gezogen wie in diesem Moment. Ich spüre es ganz deutlich – mein Leben wird zugrunde gehen, wenn dieses traurige Schicksal seinen Lauf nimmt. Wie bitte? Ich habe all die Jahre so viel Mühe und Sorgfalt auf sie verwendet, sie seit ihrer Kindheit bei mir behütet, mit liebevoller Hoffnung auf ihr inneres Aufblühen gewartet – dreizehn Jahre lang habe ich sie großgezogen – und jetzt soll sie sich in diesen eitlen Dandy vergucken? Und dieser erste dahergelaufene Taugenichts schnappt sie mir einfach vor der Nase weg – obwohl sie mir fast schon versprochen war? Nein!

Tausend Mal nein! Du süßer Narr – rüste dich mit all deinem Witz, aber ich werde dir die Flausen schon austreiben! Und du wirst ganz sicher nicht derjenige sein, der am Ende lacht.




SZENE II


(TORSTEN. Ein Notar)


NOTAR

Ah, richtig, da sind Sie ja! Guten Tag. Man hat mir ausgerichtet, es solle ein Vertrag abgeschlossen werden?


TORSTEN

(denkt, ohne auf den Notar zu reagieren)

Was macht man nur in so einer Situation?


NOTAR

Ganz wie üblich, nichts Ungewöhnliches.


TORSTEN

(im Stillen)

Ich muss alles von allen Seiten genau durchdenken ...


NOTAR

Seien Sie unbesorgt, ich achte selbstverständlich auf Ihre Interessen.


TORSTEN

(im Stillen)

Ich muss mich gegen jede Falle absichern.


NOTAR

Sie können mir voll und ganz vertrauen. Wenn Sie sich vor einer Täuschung fürchten, unterschreiben Sie einfach erst, nachdem Sie alles erhalten haben.


TORSTEN

(im Stillen)

Wenn ich Alarm schlage und jemand schöpft Verdacht, dann redet die ganze Stadt darüber.


NOTAR

Das lässt sich vermeiden, indem man den Vertrag vertraulich aufsetzt.


TORSTEN

(im Stillen)

Aber was mache ich bloß mit ihr selbst?


NOTAR

Die Höhe des Witwenguts ergibt sich aus der Mitgift.


TORSTEN

(im Stillen)

Ich liebe sie – das ist ja gerade das Problem!


NOTAR

In solchen Fällen legt man erfahrungsgemäß gern etwas drauf.


TORSTEN

(im Stillen)

Wie soll ich mich ihr gegenüber verhalten?


NOTAR

Es ist üblich, dass der Bräutigam der Braut ein Drittel ihrer Mitgift zurück überträgt. Aber man kann natürlich auch mehr geben – das ist ganz Ihnen überlassen.


TORSTEN

(setzt an zu sprechen, bemerkt dann den Notar und ist irritiert)


NOTAR

Was das Sondererbe betrifft, das wird gemeinsam festgelegt. Alles Weitere kann der Bräutigam frei bestimmen.


TORSTEN

Was meinen Sie?


NOTAR

Wenn der Bräutigam die Braut aus echter Zuneigung heiratet und sie absichern will, kann er ihr ein sogenanntes "Präfix" – ein vertraglich zugesichertes Witwengut – einräumen. Das fällt nach seinem Tod an sie oder kann auch an ihre Erben weitergegeben werden. Je nach geltendem Gewohnheitsrecht ist auch eine vertragliche Schenkung möglich, einseitig oder wechselseitig.

Warum zucken Sie denn so mit den Schultern? Glauben Sie, ich rede Unsinn? Ich kenne mein Handwerk. Wer kennt sich da besser aus als ich? Ich weiß sehr genau: Eheleute haften gemeinsam für Hausrat, Bargeld, Immobilien – davon kann man sich nur durch einen förmlichen Verzicht lösen. Und ich weiß auch, dass vom Brautgeld ein Drittel in den gemeinsamen Besitz übergeht ...


TORSTEN

Schon gut, Sie wissen das – wer sagt denn was dagegen?


NOTAR

Sie benehmen sich, als wolle man Sie zum Narren halten – mit diesem ewigen Abwenden und diesen Grimassen.


TORSTEN

Was soll der Unsinn? Was will diese lächerliche Gestalt? Verschwinden Sie – am besten sofort!


NOTAR

Ich wurde doch nur herbestellt, um den Vertrag zu schließen.


TORSTEN

Mag sein. Aber im Moment sehe ich dafür keinen Anlass. Man wird Sie rufen, wenn es soweit ist. Diese Klatschtante kann’s Maul nicht halten! 


(Ab.)


NOTAR

(allein)

Ich glaube fast, der ist nicht ganz bei Trost.




SZENE III


(Notar. GEORG. REGINA.)


NOTAR

(geht GEORG und REGINA entgegen).

Rieft ihr mich nicht zu eurem Herrn ins Haus?


GEORG

Ja.


NOTAR

Zwar, ich weiß nicht, wie er euch erschien; mir aber scheint er, richtet ihm das aus, ein riesiger Hanswurst.


REGINA

Zu Diensten. –




SZENE IV


(GEORG. REGINA. TORSTEN)


GEORG

Herr…


TORSTEN

Kommt her! Ihr seid mir treu und ehrlich verbunden. Eure Freundschaft hat sich oft genug bewährt.


GEORG

Herr, der Notar …


TORSTEN

Schon gut, das hat Zeit. Aber hört: Meine Ehre steht auf dem Spiel. Und auch ihr, meine Kinder – wenn mir die Ehre genommen würde, was für eine Schande auch für euch! Ihr könntet euch kaum noch unter die Leute wagen. Man würde mit dem Finger auf euch zeigen. Darum betrifft es euch genauso wie mich. Seid also wachsam, damit dieser junge Kerl nicht noch einmal Gelegenheit bekommt, sich meiner Frau zu nähern.


REGINA

Wir haben schon vorhin verstanden, worauf es ankommt.


TORSTEN

Lasst euch von seinen schönen Worten bloß nicht einwickeln!


GEORG

Keine Sorge!


REGINA

Wir sind wie Fels und Eisen.


TORSTEN

(zu Georg)

Und selbst wenn er euch ein Lied vorspielen würde: „Georg, mein Freund, hab Erbarmen mit meinem Liebeskummer …“


GEORG

Dann würd' ich sagen: Sie sind ein Narr.


TORSTEN

Sehr gut. 

(Zu Regina)

Und du, mein Kätzchen, mein liebes, sanftes Herz …“


REGINA

Dann sag ich: Sie sind ein Affe.


TORSTEN

Ausgezeichnet.

(Zu Georg)

Was ist denn ehrenrührig an meinem anständigen, ehrlichen Vorhaben?“


GEORG

Ich sag: Sie sind ein Schuft.


TORSTEN

Perfekt.

(Zu Regina)

Wenn du mir nicht endlich entgegenkommst, dann ist es aus mit mir.“


REGINA

Dann sag ich: Sie Dummkopf! Sie Halunke!


TORSTEN

Wunderbar! „Du weißt ja, ich bin keiner, der sich etwas schenken lässt. Ich vergesse treue Dienste nicht. Georg, hier ein kleines Trinkgeld im Voraus. Und für dich, Regina – ein bisschen was für ein neues Mäntelchen.“

(Beide strecken die Hand aus und nehmen das Geld.)

Nur eine Kleinigkeit, ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt. Dafür will ich nur eines: Lasst mich zu eurer schönen Herrin.“


REGINA

(stößt ihn zurück)

Kommt gar nicht infrage!


TORSTEN

Sehr gut.


GEORG

(stößt ihn)

Zur Seite mit dir!


TORSTEN

Wunderbar.


REGINA

(stößt ihn ebenfalls)

Los jetzt, verschwinde!


TORSTEN

Brav! – He, das reicht jetzt.


REGINA

War das so, wie Sie’s wollten?


GEORG

Oder hätten wir noch schroffer sein sollen?


TORSTEN

Nein, war schon gut so – aber ihr hättet das Geld nicht nehmen sollen.


REGINA

Das ist uns entfallen.


GEORG

Wollen wir nochmal von vorn?


TORSTEN

Nein, geht jetzt ins Haus.


GEORG

Wie Sie befehlen.


TORSTEN

Ich sagte Nein – also tut, was ich gesagt habe. Behaltet das Geld, wartet drinnen auf mich, und seid aufmerksam, mit allen Sinnen.

(Allein)

In all dem Ärger ist mir immerhin ein Trost geblieben: Er selbst hat mir seinen Plan verraten. Und der arme Narr, der glaubt, er könne mich zum Narren halten – ausgerechnet meinen Diener hat er sich als Vertrauten ausgesucht!




SZENE V


(TORSTEN. MALEK)


MALEK

Na? Essen wir was, bevor wir spazieren gehen? Zum Abendessen?


TORSTEN

Nein, ich faste.


MALEK

Was ist los?


TORSTEN

Verzeihen Sie – mein Kopf ist voll mit anderen Dingen ...


MALEK

Wird das mit Ihrer Verlobung doch nichts?


TORSTEN

Ach, bitte, lassen Sie mich in Ruhe.


MALEK

Na na, was für ein rauer Ton! Was ist denn passiert? Müssen Ihre Gefühle vielleicht noch ein paar kleine Prüfungen bestehen? So wie Sie aussehen, würde ich fast darauf wetten.


TORSTEN

Ich werde nie – egal, was die Zukunft bringt – zu diesen duldsamen Menschen gehören, die den Verrat ihres Partners einfach so hinnehmen.


MALEK

Seltsam. Bei Ihrem Verstand benehmen Sie sich bei diesem Thema ja fast irrational – als wäre das die einzige Quelle für Glück auf Erden. Als gäbe es sonst keine Ehre, die man sich verdienen könnte. Für Sie scheint es nichts Schlimmeres zu geben als Untreue – Geiz, Bosheit, Feigheit, Niedertracht, all das zählt weniger. Wenn ein Mensch betrogen wird, ist das für Sie schlimmer als alles andere – selbst wenn der Rest des Charakters einwandfrei ist. Aber ehrlich – kann ein Zufall wirklich über unsere Ehre entscheiden? Soll Tugend sich schuldig fühlen für etwas, das sie nicht verhindern konnte? Wenn man heiratet, entscheidet das Verhalten der Frau darüber, ob man Ruhm verdient oder Schmach erleidet? Und wenn sie untreu wird, macht uns das gleich zum Gespött? Nein. Ich sage Ihnen: Man bleibt derselbe ehrenhafte Mensch – man muss nur lernen, damit gelassen umzugehen. Denn niemand kann den Zufall lenken. Und wenn er zuschlägt, ist das an sich nichts Ehrabschneidendes. Es kommt immer nur darauf an, wie schwer man selbst das Ganze nimmt. Darum sollte man in jeder Lage – auch in dieser – die Extreme vermeiden. Sehen Sie: Die Männer, die mit übertriebener Geduld angeben und überall herumposaunen, wie viele Männer ihre Frau anhimmeln, und dann auch noch stolz davon erzählen – die sind kaum weniger lächerlich. Sie verteidigen ihre Frau und ihr Verhalten lautstark, laden sie zu Festen ein, sind mit ihren Bewunderern sogar befreundet – und erwarten dann von allen, dass man ihr Verhalten entschuldigt. Aber so falsch diese Duldsamkeit ist – das Gegenteil ist genauso verkehrt. Ich habe eine ebenso große Abneigung gegen diese lärmenden Hitzköpfe, die sich mit Getöse und Gekläffe in den Vordergrund drängen, als müsste die ganze Welt wissen, dass sie betrogen wurden, bevor sie ruhig schlafen können. Der vernünftige, ehrliche Mann wählt den Mittelweg. Der braucht sich nicht zu schämen, wenn ihm ein Unglück widerfährt. Kurz gesagt: Betrogen zu werden ist nicht der Weltuntergang. Mit ein bisschen Verstand lässt sich das auch mit einem Schulterzucken ertragen.


TORSTEN

Ihre schöne Rede müsste eigentlich von dem ganzen Männerbund dankbar aufgenommen werden – und wird sicher für reichlich Propaganda sorgen.


MALEK

Oh nein, das ist nicht mein Ziel. Aber sehen Sie: Wir bekommen unsere Frauen vom Schicksal zugewiesen – also muss man es sehen wie beim Würfeln. Wenn die Zahl nicht fällt, auf die man gehofft hat, kann man mit Geschick und Vernunft dem Zufall noch begegnen.


TORSTEN

Sie meinen also: gut schlafen, gut essen – und alles andere ist belanglos.


MALEK

Sie machen sich über mich lustig. Aber ehrlich – es gibt Schlimmeres auf der Welt. Manche Ehen sind weitaus schlimmer als das, wovor Sie sich fürchten. Wäre ich gezwungen, zwischen zwei Übeln zu wählen – ich würde lieber mit Untreue leben als mit einer dieser frommen Moralpredigerinnen, die aus jeder Kleinigkeit ein Drama machen. Diese tugendhaften Furien, diese sittlichen Drachen, die sich auf ihre Keuschheit so viel einbilden – wenn sie uns mal ein Unrecht ersparen, behandeln sie uns wie Dienstboten. Und weil sie uns nicht betrogen haben, verlangen sie, dass wir uns gefälligst unterordnen. Deshalb sage ich noch einmal, Freund: Betrogen zu werden braucht Mut, aber nicht viel. In mancher Lage ist es sogar das kleinere Übel – und es hat, wie so vieles andere, auch seine guten Seiten.


TORSTEN

Dann versuchen Sie es doch selbst mal! Ich jedenfalls werde mich niemals damit abfinden. Und bevor ich sowas erlebe ...


MALEK

Keine Schwüre! Das ist ein heikles Thema. Wenn es so weit ist, kann man nichts mehr daran ändern – und dann nützt auch das ganze Geschrei nichts.


TORSTEN

Ich – betrogen? Niemals!


MALEK

Warum nicht? Nichts für ungut – aber es gab schon viele, die betrogen wurden, und die hätten Sie an Aussehen, Stellung und Besitz weit übertroffen.


TORSTEN

Ich will auch gar nicht mit denen verglichen werden. Und ehrlich – ich habe genug von Ihrem Witz. Jetzt ist Schluss!


MALEK

Wie aufgebracht Sie sind! Aber bald werden wir ja erfahren, was dahintersteckt. Auf Wiedersehen. Was auch immer Ihr Ehrgefühl Sie noch tun lässt – vergessen Sie nie: Man ist schon halb das, wovon man schwört, es nie zu werden.


(Ab.)




SZENE VI


TORSTEN (allein)


TORSTEN

Ich sag’s nochmal: Ich weiß ganz genau, wie man so einem Problem beikommt. Dort an der Straßenecke werde ich den Schuster anheuern – er soll für mich als Spion arbeiten. Das Mädchen darf auf keinen Fall das Haus verlassen. Ich werde sie scharf bewachen. Und jede verdächtige Person – ob Handschuhverkäuferin, Näherin, Hausiererin oder Marktfrau – wird verbannt. Die haben oft ein zweites, geheimes Geschäft: heimlich Liebesbriefe überbringen. Aber damit kommen sie bei mir nicht durch. Ich kenne das Leben nur zu gut. Wer mich reinlegen will, muss sehr früh aufstehen – denn ich merke, ob jemand schriftlich oder mündlich etwas einschmuggeln will.




SZENE VII


(TORSTEN. CHRISTOPH)


CHRISTOPH

Ich freue mich, Sie zu treffen. Gott sei Dank bin ich noch mal glimpflich davongekommen. Kaum hatte ich mich von Ihnen verabschiedet, da sehe ich plötzlich Janna auf dem Balkon stehen – sie wollte sich offenbar etwas frische Luft gönnen. Sie winkte mir heimlich zu, ich solle warten, und öffnete mir leise das Gartentor. Kaum waren wir in ihrem Zimmer, da hört sie plötzlich ihren Vater kommen – und in der Panik blieb ihr nichts anderes übrig, als mich blitzschnell in einem großen Wandschrank zu verstecken. Er kam sofort herein. Ich konnte ihn zwar nicht sehen, aber ich hörte genau, wie er schweigend mit schweren Schritten auf und ab ging. Immer wieder seufzte er tief und schlug mit der Faust auf Tische und Kommoden. Ein kleiner Schoßhund, der ihn begrüßen wollte, wurde einfach weggestoßen, und alles, was an Wäsche herumlag, schleuderte er auf den Boden. Dann zerschlug er auch noch wütend die Vasen, die sonst so hübsch den Kamin schmückten. Es ist ganz offensichtlich: Jemand hat ihm von der ganzen Sache Wind gemacht. Nachdem er seinem Zorn an allem ausgelassen hatte, was er in die Finger bekam, verließ er das Zimmer – und ich konnte endlich aus dem Schrank klettern. Wir fürchteten, er könnte zurückkommen, deshalb war es mir zu riskant, noch länger zu bleiben. Aber heute Nacht um Mitternacht soll ich heimlich wieder in ihr Zimmer schleichen. Ich werde dreimal husten – das ist das verabredete Zeichen –, dann wird sie leise das Fenster öffnen. Mit einer Leiter, die ich ihr hochreiche, werde ich schnell hinaufklettern. Sehen Sie, ich erzähle Ihnen alles, als meinem einzigen Freund. Geteilte Freude ist doppelte Freude – und selbst das größte Glück erscheint uns irgendwie ärmlich, wenn wir es niemandem zeigen dürfen. Ich weiß, dass Ihr Mitgefühl echt ist. Also – bis später. Ich muss noch ein paar Dinge erledigen.




SZENE VIII


TORSTEN (allein)


TORSTEN:

Ach, ach! Mein Unglück gönnt mir nicht einmal eine Atempause. Ständig muss ich befürchten, dass ihre Schlauheit alle meine wohlüberlegten Pläne mit einem Schlag zunichtemacht. Und ich – ein gereifter Mann – soll mich von einem naiven Mädchen und einem jugendlichen Taugenichts an der Nase herumführen lassen? Ich, der sich über Jahrzehnte hinweg ernsthaft und philosophisch mit den Tücken der Ehe beschäftigt hat? Ich habe nichts dem Zufall überlassen, habe sogar all die Gründe studiert, die selbst die Klügsten ins Unglück stürzen, wenn es um Frauen geht. Gerade als ich mich entschloss zu heiraten, habe ich alles darangesetzt, nicht selbst ein betrogener Ehemann zu werden. Ich habe keinen Trick, keine Vorsichtsmaßnahme ausgelassen, die einem klugen Menschen nur einfallen kann. Und dennoch scheint es ein unabänderlicher Beschluss des Schicksals zu sein, dass jeder Mann irgendwann daran glauben muss. Habe ich all die Jahre so viel geforscht, zwanzig Jahre lang mein Leben und Denken der Vorsicht und Umsicht gewidmet, nur um am Ende doch im gleichen Elend zu landen wie alle anderen? Bin ich all die mühsamen Wege gegangen, nur damit mich am Ende das gleiche Schicksal einholt? Nein! Dir trotze ich, höllische Macht! Noch kann ich verhindern, dass sie ihm ganz in die Hände fällt. Er mag ihr Herz gewonnen haben – aber sie selbst bekommt er nicht. Und diese Nacht, in der er glaubt, sein Werk zu vollenden, wird nicht so ruhig verlaufen, wie er es sich ausmalt. Er wird mich erwarten sehen – vorbereitet.


(Er klopft hastig an die Tür.)




SZENE IX


TORSTEN. GEORG. REGINA


TORSTEN:

Kinder, ich brauche jetzt eure Hilfe. Ihr wisst, dass ich euch immer geschätzt habe – aber heute könnt ihr mir ganz besonders beweisen, was ihr wert seid. Wenn ihr mein Vertrauen verdient, wird eure Belohnung entsprechend ausfallen. Es geht um ihn – ihr wisst schon, wen ich meine, aber sagt besser nichts laut. Wie ich erfahren habe, will er heute Nacht einen heimlichen Besuch abstatten – er will an der Hauswand zu ihr hochklettern. Wir aber werden ihn erwarten. Nehmt euch einen kräftigen Stock mit. Und sobald er die letzte Sprosse der Leiter erklommen hat – das Fenster öffne ich selbst im richtigen Moment – dann gebt ihm eine ordentliche Tracht Prügel. So, dass er’s lange spürt und nie wieder zurückkommt. Aber achtet darauf, dass niemand merkt, von wem der Auftrag kam. Und redet nicht darüber, dass ich dabei war.

Also – seid ihr bereit, mir dabei zu helfen?


GEORG:

Wenn’s nur darum geht, dem Kerl eins überzuziehen – ich bin dabei. Der wird sich umschauen.


REGINA:

Auch wenn mein Arm vielleicht nicht der stärkste ist – ich werde nicht zögern, meinen Teil beizutragen.


TORSTEN:

Dann geht jetzt hinein – und denkt daran: kein Wort darüber!

(Allein)

So eine kleine Lektion würde manchem guttun. Wenn jeder Ehemann so mit den Verehrern seiner Frau umginge – dann gäb’s bald keine Gehörnten mehr.





AKT V


SZENE I


TORSTEN. GEORG. REGINA


TORSTEN:

Verdammt, was habt ihr bloß angerichtet!


GEORG:

Wir haben deinen Befehl pünktlich ausgeführt.


TORSTEN:

Ach, redet euch das nicht schön! Das ist doch bloß eine Ausrede! Ich habe euch gesagt, ihr sollt ihn schlagen – nicht töten! Und auch nicht auf den Kopf, nur auf den Rücken, das habe ich ausdrücklich gesagt, ich kann es beschwören. Was für ein furchtbares Unglück ist das nur! Was soll ich jetzt mit einem toten Mann anfangen? Geht – und keiner von euch darf je erzählen, dass ich euch das in guter Absicht aufgetragen habe.

(allein)

Der Tag bricht an. Ich muss mir überlegen, was mir jetzt noch bleibt in diesem Elend. Was wird aus mir? Und was wird sein Vater sagen, wenn er plötzlich erfährt, was passiert ist?




SZENE II


TORSTEN. CHRISTOPH


CHRISTOPH (für sich):

Wer läuft denn da herum?


TORSTEN (hat ihn noch nicht bemerkt):

Wie hätte ich das ahnen sollen …

(Christoph stößt auf ihn.)

Wer ist da?


CHRISTOPH:

Sind Sie es, Herr Torsten?


TORSTEN:

Ja … aber Sie …?


CHRISTOPH:

Ja, ich bin’s wirklich. Ich bin gekommen, weil ich ein dringendes Anliegen habe. Sie sind aber früh auf!


TORSTEN:

Bin ich verrückt? Täusche ich mich? Ist das eine Sinnestäuschung?


CHRISTOPH:

Ich gebe zu, ich habe ein riskantes Spiel gewagt. Aber ich danke dem Himmel, dass ich Ihnen gerade jetzt begegnet bin. Ich will gleich zur Sache kommen: Ich habe mein Ziel erreicht – mehr noch, als ich zu hoffen wagte. Und was mir hätte schaden können, hat mir letztlich nur geholfen. Auf seltsame Weise ist man auf unsere geheime Absprache aufmerksam geworden. Als ich fast schon durchs Fenster war, sah ich zwei verdächtige Gestalten –

bereit zum Angriff. Ich war völlig überrumpelt, stolperte rückwärts und fiel hart auf das Pflaster. Aber durch den Sturz, der mir ein paar blaue Flecken einbrachte, blieb ich vor Schlägen verschont. Die beiden – einer davon war sicher der Alte – dachten wohl, ihre Schlagstöcke hätten mich getroffen. Ich konnte mich zunächst kaum bewegen, sodass sie glaubten, sie hätten mich erschlagen. Ich hörte ihr Geflüster in der Nacht: Sie gerieten in Panik, verfluchten ihr Schicksal, und da sie kein Licht dabei hatten, versuchten sie herauszufinden, ob ich noch lebte. Zum Glück spielte die Dunkelheit mir in die Karten. Ich stellte mich tot – so überzeugend wie möglich. Die beiden gerieten in Panik und flohen. Als ich mich wieder aufgerappelt hatte, kam Janna herbei gestürzt, völlig aufgelöst. Sie hatte durch das Geflüster der Männer mitbekommen, dass etwas passiert war, und weil das Haus im allgemeinen Durcheinander weniger bewacht wurde, konnte sie leicht entkommen. Als sie mich dann lebendig fand – ihr Jubel war unbeschreiblich. Sie hat sich entschlossen, ganz auf ihr Herz zu hören, will nicht mehr zurückkehren und vertraut ihr ganzes Schicksal mir an. Stellen Sie sich vor, wie nah sie durch ihren kindlichen Leichtsinn an den Abgrund geraten ist – und was alles auf dem Spiel stand! Würde ich sie nicht aufrichtig lieben, ich müsste sie gehen lassen. Aber weil ich sie ehrlich liebe, würde ich eher sterben, als sie zu täuschen. Sie verdient ein besseres Schicksal – und nur der Tod soll uns jemals trennen. Ich weiß, mein Vater wird wütend sein. Aber mit der Zeit wird er sich beruhigen. Ich folge meinem Herzen, und ich sehe ohne Angst in die Zukunft. Ich bitte Sie nun: Lassen Sie das liebe Mädchen für ein paar Tage unauffällig in Ihrem Haus unterkommen. Nicht nur, weil sie Verfolgern entkommen ist, sondern auch, weil ein junges Mädchen mit einem jungen Mann ansonsten schnell für Gerede sorgen würde. Ich habe mein Glücksgeheimnis nur Ihnen anvertraut, weil ich auf Ihre Klugheit und Ihre Freundschaft zähle. Ich möchte sie Ihnen anvertrauen – als das kostbarste Gut, das ich besitze.


TORSTEN:

Da haben Sie die richtige Wahl getroffen.


CHRISTOPH:

Dann erfüllen Sie meinen innigsten Wunsch?


TORSTEN:

Mit Freude! Ich danke dem Himmel, dass ich durch sein Zutun in der Lage bin, Ihnen zu helfen. Denn ich habe nie etwas lieber getan.


CHRISTOPH:

Wie soll ich Ihnen nur für so viel Güte danken! Ich hatte befürchtet, Sie würden zögern – aber Ihre Lebenserfahrung lässt Sie wohl milde auf die Leidenschaft der Jugend blicken. Mein Diener wartet dort drüben schon mit ihr…


TORSTEN:

Wie machen wir das am besten? Es wird schon hell. Wenn wir sie hierher bringen, könnten wir gesehen werden. Wenn ich sie aber direkt ins Haus nehme, würde das Gesinde tratschen. Am sichersten wäre es, wenn ich sie unten im Hausflur empfange – dort ist es dunkel genug.


CHRISTOPH:

Das ist eine kluge Vorsichtsmaßnahme. Ich bringe sie gleich zu Ihnen und schleiche mich dann sofort heimlich zurück. 

(Ab.)


TORSTEN (allein):

Danke, Fortuna! Diese letzte Gnade versöhnt mich mit all deinen Launen.

(Er verbirgt sein Gesicht.)



SZENE III


TORSTEN. CHRISTOPH. JANNA


CHRISTOPH (zu Janna):

Keine Sorge, wohin ich Sie jetzt bringe – es ist der sicherste Ort, den ich finden konnte. Wenn ich Sie mit mir nehme, bringt das uns beide in Gefahr. Gehen Sie also ohne Zögern durch diese Tür.


(Torsten ergreift unbemerkt ihre Hand.)


JANNA (zu Christoph):

Sie gehen?


CHRISTOPH:

Ja, mein Lieb. Es ist besser so.


JANNA:

Dann bitte ich Sie – kommen Sie bald zurück.


CHRISTOPH:

Ich werde es kaum aushalten vor Sehnsucht.


JANNA:

Ich werde nicht froh sein, solange Sie fort sind.


CHRISTOPH:

Ohne Sie fehlt mir die Luft zum Atmen, das Licht zum Leben.


JANNA:

Ach, wenn es doch wahr wäre und Sie nicht gehen müssten …


CHRISTOPH:

Zweifeln Sie immer noch an meiner Liebe?


JANNA:

Ihre Liebe ist nicht halb so groß wie meine.

(Torsten beginnt, sie fortzuziehen.)

Wer zerrt an mir?


CHRISTOPH:

Es ist nur, weil unser Geheimnis im Tageslicht nicht verborgen bliebe. Nur deshalb drängt dieser treue Freund – er will nur unser Bestes.


JANNA:

Und nun soll ich einem Fremden folgen …


CHRISTOPH:

Hab keine Angst – bei ihm sind Sie in Sicherheit.


JANNA:

Bei Ihnen würde ich mich sicherer fühlen.

(Zu Torsten, der sie wieder mitziehen will.)

Warten Sie!


CHRISTOPH:

Es wird Tag. Ich muss gehen.


JANNA:

Wann werden Sie zurückkommen?


CHRISTOPH:

Bald, das verspreche ich.


JANNA:

Dann werde ich mich in Geduld und Langeweile üben, bis dahin.


CHRISTOPH (im Gehen):

Gott sei Dank – jetzt ist mein Schatz in Sicherheit. Nun kann ich endlich ruhig schlafen.




SZENE IV


TORSTEN. JANNA


TORSTEN

(in einen Mantel gehüllt, mit verstellter Stimme):

Fräulein, Sie sind hier fehl am Platz. Ich habe ein anderes Haus vorgesehen, wo man sich um Sie kümmern wird – da sind Sie gut aufgehoben.

(Er verändert seine Stimme wieder, lässt die Verstellung fallen)

Erkennst du mich?


JANNA

(erschrickt):

Oh nein…


TORSTEN

Ha! Mein Anblick versetzt dich in Angst, was? Und du findest sicher, ich komme zur Unzeit – weil ich deinen kleinen Liebestraum unterbreche.

(Sieht, dass Janna sich verstohlen nach Christoph umsieht)

Willst du ihm etwa mit Blicken ein Zeichen geben? Zu spät – er ist schon zu weit weg, er kann dir nicht helfen. Und so jung bist du – und schon so verdorben! Du tust so naiv, fragst mich, ob Kinder durch’s Ohr geboren werden, und dann schleichst du dich um Mitternacht raus, damit dein Liebhaber dich heimlich mitnehmen kann? Na bravo – das nenn’ ich Hingabe. Da hat dir wohl jemand ordentlich Nachhilfe gegeben. Wo zum Teufel hast du das so schnell gelernt? Hast du keine Angst mehr vor Gespenstern? Hat er dir den Mut für nächtliche Abenteuer eingeflößt? Bist du schon so weit? Du Schlange! War meine Fürsorge dir überhaupt nichts wert? Ich habe dich aufgenommen, dich versorgt – und jetzt beißt du die Hand, die dich gefüttert hat?


JANNA

Warum beschimpfen Sie mich so?


TORSTEN

Hab ich etwa unrecht?


JANNA

Was genau habe ich denn falsch gemacht?


TORSTEN

Mit einem Mann durchzubrennen – findest du das etwa richtig?


JANNA

Er will mich heiraten. Und Sie selbst haben doch immer gesagt, nur die Ehe macht so etwas moralisch vertretbar.


TORSTEN

Ja – aber ich war es, der dich heiraten wollte. Und das habe ich dir deutlich genug gezeigt.


JANNA

Ja, das stimmt. Aber – ehrlich gesagt – er schien mir einfach der passendere Partner zu sein. Sie haben mir die Ehe als düsteres, freudloses Gefängnis beschrieben. Bei ihm aber wirkt sie wie ein gemeinsames Abenteuer, voller Freude. Ich habe das Gefühl, bei ihm wirklich glücklich zu werden.


TORSTEN

Weil du ihn liebst, du treulose Seele!


JANNA

Ja. Ich liebe ihn.


TORSTEN

Und das sagst du mir ins Gesicht?


JANNA

Warum sollte ich lügen, wenn es doch wahr ist?


TORSTEN

Hattest du überhaupt das Recht, ihn zu lieben?


JANNA

Ich weiß nicht, wie es passiert ist. Es ist einfach so geschehen. Ich hab mir dabei nichts gedacht – er ist schuld.


TORSTEN

Du hättest das nie zulassen dürfen!


JANNA

Warum denn nicht? Wenn es doch glücklich macht?


TORSTEN

Du wusstest genau, wie sehr es mich verletzt!


JANNA

Ich? Nein. Ehrlich nicht. Ist es wirklich so schlimm für Sie?


TORSTEN

Soll ich mich auch noch geehrt fühlen? Liebt du mich denn gar nicht?


JANNA

Sie?


TORSTEN

Ja, mich.


JANNA

Nein.


TORSTEN

Was – nein!?


JANNA

Soll ich Sie etwa anlügen?


TORSTEN

So also, Fräulein Vorwitz? Ist es so schwer, mich zu lieben?


JANNA

Warum machen Sie mir daraus einen Vorwurf? Warum schaffen Sie es nicht wie er, mich zu berühren? Ich hab Sie nicht daran gehindert.


TORSTEN

Ich habe mir größte Mühe gegeben, dir zu gefallen.


JANNA

Dann war er wohl besser darin. Bei ihm war’s einfach – ich hab ihn gleich gemocht.


TORSTEN

(leise für sich)

Was für eine spitze Zunge! Hätte ich sie nicht so unterschätzt!

(laut)

Na schön – dann sag du’s: Hab ich dich nicht aufgezogen, dich versorgt, für dich gesorgt?


JANNA

Er wird Ihnen alles zurückzahlen, was Sie für mich ausgegeben haben.


TORSTEN

(leise)

Wie sie mich provoziert…

(laut)

Glaubst du wirklich, man kann Dank mit Geld aufwiegen?


JANNA

Man überschätzt den Dank oft. So groß ist der nicht.


TORSTEN

Ich habe dir eine gute Erziehung ermöglicht!


JANNA

Ja, dafür danke ich. Ich hatte eine gute Ausbildung, Sie haben mich gefördert – und doch… Ich weiß, dass ich kein dummes Kind mehr bin. Ich will nicht länger als albern dastehen. Es macht mich nur noch beschämt.


TORSTEN

Kaum kommt einer daher, dem du gefällst, lernst du plötzlich alles?


JANNA

Er gibt mir das, was mir an Wissen noch fehlte. Und darum bin ich ihm mehr dankbar als Ihnen.


TORSTEN

Ich muss mich wirklich beherrschen, dir bei solchen Frechheiten nicht eine zu verpassen! Dein Spott bringt mich fast um den Verstand. Ich könnte dich ohrfeigen, nur um mich zu erleichtern.


JANNA

Dann tun Sie's doch – wenn es Ihnen Freude bereitet.


TORSTEN

(für sich):

Ihr Blick… ihre Stimme… sie machen mich wehrlos. Ich spür diese alte Zärtlichkeit wieder – sie lässt mich alles vergessen, was sie mir angetan hat. Ach, die Liebe ist unergründlich – und wie schwach sind wir Männer doch vor solchen Katzen! Wir wissen, dass sie launisch, falsch und flatterhaft sind, dass sie tratschen, sich treiben lassen, betrügen – Und doch tun wir alles, was sie wollen.

(zu Janna)

Gut… ich will Frieden schließen. Aus freien Stücken verzeih ich dir, du kleine Hexe. Sieh daran, wie groß meine Liebe ist – und vielleicht… kannst du mich dafür auch ein bisschen liebhaben?


JANNA

Ich will es versuchen. Aber was, wenn ich’s einfach nicht kann?


TORSTEN

Du kannst – wenn du nur willst, mein Herz. Hör auf meinen sehnsüchtigen Seufzer. Sieh mich an. Vergiss den Jungen. Er hat dich nur mit Tricks umgarnt – aber mit mir wärst du viel glücklicher. Willst du Schmuck, Kleider, Luxus – ich besorge dir alles. Ich schwöre, ich werde dich verwöhnen, dir jeden Wunsch erfüllen. Ich werde dich küssen, dich bewundern – dich auf Händen tragen. Du sollst leben, wie es dir gefällt.

(Leise für sich)

Wie sehr reißt mich die Leidenschaft hin…

(Laut)

Kurz: Größere Liebe findest du nirgends auf der Welt. Was soll ich tun, um es dir zu beweisen, du undankbares Wesen? Soll ich weinen? Mich selbst schlagen? Mir die Haare ausraufen? Mich umbringen? Sag es nur – ich bin zu allem bereit.


JANNA

Das alles rührt mich nicht. Christoph braucht keine großen Worte.


TORSTEN

Zu viele Worte, ja? So ein Trotz ist mir noch nicht begegnet! Gut. Du wirst die Stadt noch heute verlassen. Und glaub mir: Du wirst es bereuen, mich so weit getrieben zu haben – wenn du hinter Klostermauern sitzt.




SZENE V


Vorige. GEORG


GEORG

Herrgott, wer soll das noch verstehen? Es sieht ganz so aus, als wäre Janna dem Toten nachgegangen.


TORSTEN

Da ist sie ja. Bring sie in mein Zimmer und schließ sie dort ein!

(leise zu sich selbst)

Dort wird er sie kaum suchen. Und schlimmstenfalls bleibt sie nur eine halbe Stunde dort. Damit sie wirklich sicher ist, kümmere ich mich um alles Weitere und hole selbst einen Wagen.

(laut zu Georg)

Schließ die Tür ordentlich ab und pass gut auf sie auf.

(allein)

Vielleicht hilft ja schon ein Tapetenwechsel gegen ihre verrückte Verliebtheit.




SZENE VI


TORSTEN. CHRISTOPH


CHRISTOPH

Herr Torsten, ich bin wirklich verzweifelt. Es ist, als hätte das Schicksal es sich zur Aufgabe gemacht, mich ins Unglück zu stürzen. Ich soll von dem Menschen getrennt werden, den ich über alles liebe. Mein Vater ist heute Nacht geritten und in einem Gasthof hier in der Nähe abgestiegen – aber aus welchem Grund, das hat er mir bislang verschwiegen. Jetzt weiß ich es: Es geht um eine Heirat. Ohne mein Wissen wurde alles arrangiert, und noch heute soll ich mit der Tochter eines gewissen Herrn Erich verlobt werden. Sie können sich vorstellen, wie ich mich fühle. Gibt es etwas Schlimmeres? Und dieser Herr Erich – nach dem ich mich gestern noch erkundigt habe – ist allein verantwortlich für das Ganze. Er kam zusammen mit meinem Vater hierher, und ich soll nun sein Schwiegersohn werden. Ich! Dabei war ich schon beim ersten Wort darüber völlig überrumpelt. Mein Vater plant übrigens, gleich zu Ihnen zu kommen. Deshalb bin ich schnell vorausgeeilt, um Sie um Hilfe zu bitten. Bitte – sagen Sie ihm nichts von meiner Liebe, sonst ist alles verloren. Aber reden Sie mit ihm. Er hört auf Sie. Überzeugen Sie ihn davon, diesen Plan aufzugeben.


TORSTEN

Natürlich. Selbstverständlich!


CHRISTOPH

Raten Sie ihm als Ihr Freund und Ratgeber wenigstens zu einem Aufschub. Helfen Sie mir – ich weiß nicht, wohin sonst!


TORSTEN

Ich werde alles tun, was ich kann.


CHRISTOPH

Dann kann ich wenigstens wieder etwas durchatmen.


TORSTEN

So ist’s recht.


CHRISTOPH

Sie sind wie ein zweiter Vater für mich. Ich werde sagen, ich sei noch zu jung … Oh nein – sie kommen! Es gäbe vielleicht noch weitere Gründe, die ich anführen könnte ...


(Die beiden ziehen sich in den Hintergrund zurück und sprechen leise weiter.)




SZENE VII


Vorige. ERICH. MARKUS. MALEK


ERICH

(zu Malek)

Ich hätte Sie auf den ersten Blick erkannt, selbst wenn ich vorher nichts über Sie gehört hätte. Ihr Gesichtsausdruck erinnert mich stark an Ihre Schwester – meine Frau. Leider ist sie nicht mit mir zurückgekehrt. Meine treue Gattin hat nach all dem Leid das Glück nicht mehr erleben dürfen, wieder mit ihren Lieben vereint zu sein. Aber da sie nun für immer von uns gegangen ist, muss ich versuchen, mich zusammenzunehmen. Ich will mich an dem erinnern, was sie mir hinterlassen hat – unserem Kind. Dieses Kind steht Ihnen sehr nahe. Deshalb kann ich nur gemeinsam mit Ihnen darüber entscheiden, was für es das Beste ist. Auch wenn mir Markus geeignet erscheint, muss er ebenso sehr Ihnen gefallen wie mir.


MALEK

Wer glaubt, dass mir diese Wahl missfällt, hält nicht viel von meinem Urteilsvermögen.


TORSTEN

(leise zu CHRISTOPH)

Den alten Herrn werde ich schon noch überzeugen.


CHRISTOPH

(leise zu TORSTEN)

Ich bitte Sie noch einmal ...


TORSTEN

(zu CHRISTOPH)

Nur keine Sorge!

(Er lässt CHRISTOPH stehen, geht zu MARKUS und umarmt ihn.)


MARKUS

(zu TORSTEN)

Ich freue mich wirklich, Ihnen die Hand zu geben.


TORSTEN

Ich heiße Sie herzlich willkommen!


MARKUS

Ich bin gekommen, um ...


TORSTEN

Ich weiß bereits, warum.


MARKUS

Ach, Sie haben schon davon gehört?


TORSTEN

Ja.


MARKUS

Umso besser.


TORSTEN

Zwar hat der Dickkopf so getan, als wollten Sie ihn zu etwas Schrecklichem zwingen, und er hat mich sogar gebeten, Sie davon abzubringen – aber ich sehe keinen besseren Rat für Sie, als dass Sie mit der Hochzeit nicht länger zögern und Ihr väterliches Ansehen wahren. Man muss die Jugend davon abhalten, sich aufzulehnen. Wenn wir zu nachsichtig sind, bringt das nur Gefahr.


CHRISTOPH

(für sich)

Was für ein Verräter!


MALEK

Wenn Markus sich widersetzt, denke ich, wird Gewalt wenig helfen. Mein Schwager sieht das bestimmt genauso.


TORSTEN

Was? Soll der Vater etwa dem Sohn gehorchen? Soll er mit seiner Nachgiebigkeit die Widerspenstigkeit seines Sohnes noch unterstützen? Das wäre ja schön! Er sollte ihn lenken – wie es Recht und Brauch verlangen – und sich nicht von ihm lenken lassen. Ich muss dabei auch an den Ruf meines Freundes denken.

Er hat einst sein Wort gegeben – also soll er es auch halten und seinem Entschluss treu bleiben, ganz gleich, was der Sohn gerade fühlt oder will.


MARKUS

Ganz recht. Ich kann versichern, dass mein Vater meinem Wunsch in dieser Sache nicht widersprechen wird.


MALEK

(zu TORSTEN)

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, woher Ihr Eifer kommt. Ich sehe keinen Grund, warum Sie gerade auf dieser Ehe so bestehen ...


TORSTEN

Ich tue nur, was sich gehört.


MARKUS

Gewiss, Herr Torsten ...


MALEK

Der Name gefällt ihm längst nicht mehr. Der einzig gültige ist „von Schwanke“.


TORSTEN

Ist mir gleich!


CHRISTOPH

(für sich)

Himmlische Mächte!


TORSTEN

(wendet sich CHRISTOPH zu)

Na? Haben Sie jetzt erkannt, wer ich bin?


CHRISTOPH

(für sich)

Das habe ich gut eingefädelt ...




SZENE VIII


Vorige. GEORG. REGINA


REGINA

Herr Torsten, Sie müssen nach Hause kommen! Fräulein Janna ist völlig außer sich – sie will nur noch fliehen. Ich fürchte fast, sie springt gleich aus dem Fenster!


TORSTEN

Bringt sie schnell her! Ich werde sofort mit ihr verreisen.

(Zu Christoph) 

Nehmen Sie’s nicht zu schwer, junger Mann. Wer zu viel Glück hat, wird leicht übermütig. Wie das Sprichwort sagt: „Heute ich, morgen du.“


CHRISTOPH

(leise, zu sich selbst)

Mein Gott, wie soll ich diesen Schmerz nur aushalten? Wer hat je solches Leid erfahren wie ich?


TORSTEN

(zu Markus)

Ich hoffe, wir können bald Hochzeit feiern. Und ich lad mich selbst als Gast ein!


MARKUS

Das war auch mein Plan.





SZENE IX

dieselben, dazu JANNA, GEORG und REGINA


TORSTEN

(zu Janna)

Na komm, du kleine Wasserfee, die sich nicht zähmen lässt, die sich empört! Hier ist dein Bewunderer – mach ihm zum Abschied ein paar schöne Knicks, wie sich’s gehört.

(Zu Christoph)

Grüßen Sie mich. Und – hat Ihnen der Spaß nun gereicht? Träume führen einen leicht in die Irre, mein Lieber.


JANNA

Christoph, Sie lassen es also zu, dass man mich einfach wegschleppt?


CHRISTOPH

Vor meinen Augen ist alles schwarz. Ich fühl mich fiebrig.


TORSTEN

Schluss jetzt mit dem Gequatsche!


JANNA

Nein, ich gehe nicht. Ich bleibe hier.


MARKUS

Darf man fragen, was das alles bedeuten soll? Wir stehen hier und verstehen kein Wort.


TORSTEN

Ein andermal, ja? Jetzt sage ich einfach: guten Morgen!


MARKUS

Aber was wird aus dem Mädchen? So können Sie nicht einfach verschwinden!


TORSTEN

Mein Rat: Verheiratet sie – auch wenn er sich sträubt.


MARKUS

Und wo ist die Braut? Sie wissen doch sonst alles. Ist Ihnen nicht klar, dass sie sich die ganze Zeit bei Ihnen aufgehalten hat? Dieses Kind stammt aus einer heimlichen Verbindung, die Herr Erich einst eingegangen ist.


MALEK

Mit meiner Schwester.


TORSTEN

Was?


MALEK

Die beiden haben heimlich geheiratet. Und sie hat die Geburt des Kindes geheim gehalten.


MARKUS

Aus Angst vor Entdeckung wurde das Mädchen unter falschem Namen auf dem Land großgezogen.


MALEK

Ein schlimmer Schicksalsschlag zwang den Vater bald darauf, seine Heimat zu verlassen.


MARKUS

In der Fremde kämpfte er lange mit allerlei Widrigkeiten.


MALEK

Doch am Ende hat sein Fleiß ihm all das zurückgegeben, was ihm daheim durch Neid und Intrigen genommen wurde.


MARKUS

Als er endlich heimkehrte, suchte er sofort seine Frau auf – die Frau, der er sein Leben anvertraut hatte …


MALEK

Und sie gestand ihm, dass sie das Kind – damals kaum vier Jahre alt – in Ihre Obhut gegeben hatte.


MARKUS

Und? Wollen Sie uns das erklären?


CHRISTOPH

Sie werden gleich alles ganz genau erfahren, Vater. Der Zufall hat freundlich mitgespielt und zu Ende geführt, was Ihre Klugheit einst angestoßen hat. Durch gegenseitige Liebe neu gestärkt, habe ich ihr die Treue geschworen – ihr, dem Mädchen, das Sie mir einst als Braut wünschten … und das ich damals zu Ihrem Ärger abgelehnt habe.


MALEK

(zu dem sprachlosen Torsten)

Ach, regen Sie sich nicht so auf – freuen Sie sich lieber! Das Schicksal hat es gut mit Ihnen gemeint. Wer so panisch ist, Hörner aufgesetzt zu bekommen, für den gibt’s eigentlich nur eine Lösung: Am besten bleibt man gleich ledig!