VON TORSTEN SCHWANKE
FÜR CHRISTEL
Korsika, Insel im Meer, von Stürmen der Zeiten gezeichnet,
trug schon früh menschliche Spuren — seit sechstausend vor Christus.
Bonifacios Dame, sie ruht im uralten Gesteine,
Zeugin der Menschen, die vor dem Neolith noch hier lebten.
Filitosa bewahrt, was aus jenen Zeiten geblieben:
Mächtige Statuen, steinern und stumm, doch von Händen erschaffen.
Terrina glänzte im Kupfer — mit Flammen im Glanz der Metalle,
legte Kultur in das Gestein, als der Mensch noch kaum schrieb.
Doch um achtzehnhundert vor Christi begannen die Türme
steigend zu wachsen: die Torre-Kultur trat mit Wucht auf die Insel.
Statuenmenhire zerbarsten, zu Bauwerk gedemütigt,
Zeichen der Kämpfe — nicht Frieden, wie Grosjean bezeugt.
Torreanische Stätten: die Namen hallen wie Echos:
Alo und Balestra, Capula, Foce, Araggiu,
Cucuruzzu und Ceccia, Filitosa erneut in der Liste,
Palaggiu, Torre, Tappa, die Stantari stehen im Kreise.
Später im Altertum war'n’s Ligurer, die hier zuerst siedeln,
Phokäer kamen vom Osten, aus Ionien kamen die Schiffe.
Alalia gründeten sie um fünfhundertsechzig vor Christus.
Doch bald schon unterlagen sie Etruskern und Karthagos Kriegern.
Römer betraten die Bühne, zur Zeit des punischen Krieges.
Marius siedelte hier, und Sulla verfolgte die Gleichen:
Mariana, Aleria wuchsen zu römischen Stätten.
Doch Korsika, arm und entlegen, blieb fern dem Glanz der Metropolen,
diente als Ort der Verbannung — auch Seneca wohnte im Exil dort.
Als das Reich unterging, rangen Vandalen und Goten
um diese Insel; Geiserich nahm sie in seine Gewalt.
Sechs Jahrzehnte währte die Zeit der Vandalenherrschaft,
Holz aus den Wäldern Korsikas trug ihre Schiffe durchs Mittelmeer.
Belisar siegte in Afrika, und Cyrillus kam mit Soldaten,
nahm die Insel für Rom zurück — fünf-dreißig und sechshundert.
Byzanz nun herrschte, Exarchen regierten von Karthago aus,
doch Langobarden bedrängten, und siebenhundertdreizehn kamen
Muslime erstmals herüber vom afrikanischen Ufer.
Karl der Große bezwang Langobarden und nahm sich der Insel,
Fränkische Banner wehten im Wind über korsischer Erde.
Doch schon achthundertsechs — die Mauren und Sarazenen
fielen mit Feuer vom Himmel, zerstörten das alte Aleria.
Ugo Colonna trat auf, als Held in der Stunde der Prüfung,
schlug bei Mariana und Aleria die feindlichen Heere.
Bonifatius von Lucca stand gegen den Sturm der Invasoren,
hielt die Insel im Namen der Christen im heiligen Krieg.
Namen wie Campomoro, Morosaglia singen von Zeiten,
da Korsen sich retteten tief in das raue Gebirge.
So entstand, was zuvor schon begann, die Trennung des Landes:
Berge für freie Korsen, das Küstenland fremder Gewalten.
Dann kam das Feudalreich: Herren aus Ligurien, Toskana,
teilten die Insel, erbauten Burgen und führten Fehden.
Centiluomini, kleinere Fürsten, begehrten nach Macht.
Jahrhunderte herrschte Anarchie — das Volk litt in Ketten.
Erster Versuch der Korsen, das freie Gemeinwesen gründend,
war in Morosaglia einst: Ein Parlament ward gebildet.
Doch nur von kurzer Dauer war diese Hoffnung der Bürger.
Sambucuccio, der Held aus Alando, erhob sich zur Führung,
brach durch die Mitte der Insel mit mutiger Hand seine Banner,
ließ das Gemeingut erstehen, verteilte Besitz unter Brüder.
Doch nach seinem Fall kehrten zurück die Gewalten der Herren.
Dennoch blieb auf dem Eiland ein Teil im Besitz der Muslime.
Berengar, König von Italiens Land, nahm die Insel,
flohn nach der Absetzung durch Otto der Große sein Sohn dort,
Adalbert hieß er, er hielt sie fest und vererbte
sie einem weiteren Sohn mit gleichem Namen, dem Jüngern.
Otto der Zweite besiegte ihn schließlich mit kaiserlich Macht,
fügte die Insel dem Tuskischen Markgrafentum wieder
und gab dem Geschlag’nen ein Teil als Lehen zur Habe.
Dann kam Anarchie – zerrissen von Gier nach Gebieten
rangen die Herren um Macht, besonders die Cinarca-Grafen.
Um ihre Gewalt zu brechen, berief man ein Landtagsgericht,
und Sambucuccio von Alando, mutiger Vorkämpfer,
stand an der Spitze des Volks und zwang die Barone zur Grenze.
So ward im Norden der Insel die "Terra di Comune"
frei – ein Gemeinwesen aus selbstbestimmten Gemeinden.
Dort herrschte Gesetz, gewählt war jeder Magistrat,
Podestà führten das Recht, gewählt aus der Mitte des Volkes.
Zwölf waren’s, die schließlich das oberste Ratsamt versahen,
und ein caporale beschützte die Schwachen in Armut.
Im Süden blieben die Herren von Cinarca bei ihrer Gewalt,
während der Norden sich tapfer bewahrte in freier Gemeinde.
Wilhelm von Massa, der spätere Ahnherr der Malaspina,
kam, rief zur Ordnung die streitenden Barone des Landes,
stürzte die Grafen im Süden und herrschte im Frieden mit Freien.
Doch gegen des Jahrhunderts Ende rief Rom seinen Anspruch:
Karl, der Franke, so hieß es, habe die Insel geschenkt.
Gregor, der Siebente, übertrug sie dem Bischof von Pisa,
worauf der Klerus des Landes sich Rom unterordnete treu.
Pisa herrschte gerecht, doch Genua neidete Pisa
und suchte beim Papst Einfluss, um Rücknahme zu erzwingen.
Konflikt brach aus – Innozenz, römischer Pontifex, teilte
kirchliche Rechte auf Pisa und Genua beide zugleich.
Bonifacio fiel – ein Piratennest – endlich den Genuesen.
Doch stritten sie weiter, bis Papstgewalt selber es nahm.
Fehden erschütterten weiter die Insel im dreizehnten Jahrhundert,
Ghibellinen und Guelfen bekriegten sich blutig auf Erde,
die einst den Frieden gesucht, doch in Zwietracht versank.
Malaspina ward gerufen, ein neuer Herr, um zu ordnen;
doch keine Partei gewann – und die Insel blieb zerrissen.
Schon hatte der Bischof von Pisa mit Segensgewalt sich
fest in der Insel begründet, mit Hilfe des römischen Stuhles.
Korsikas Priester gelobten dem Papst in Treue Gehorsam,
Landolfo war’s, der Legat, bei dem sie das Eidwort gesprochen.
Gregor der Siebte verlieh ihm sodann die gesamte Insel,
seine Nachfolger segneten nach: Urban, im Jahre zwölfzig
und neunzig, erhob die Gabe zur vollen Souveränität.
Feierlich trat nun Pisa hervor mit erhobenem Anspruch,
nahm die Insel in Besitz, ließ Richter, die judices, walten.
Wälder und Felsen und Harz, das Holz für galerende Flotten –
reich war das Eiland an Gut für die Seefahrt Pisas Geschicke.
Blühte das Land unter kluger, gerechter Verwaltung der Händler,
handelte mutig und frei mit Städten der Küsten Italiens.
Doch in der Tiefe gärte der Keim eines neuen Zerwürfnisses.
Denn nicht alle Bischöfe wollten sich Pisa beugen in Demut.
Genua, der eifersüchtige Feind, begann zu intrigieren,
warb um den Papst, um Pisa das heilige Recht zu entwinden,
forderte Rücknahme der Gabe, das große Geschenk aus Rom.
Papst folgte bald diesem, bald jenem – die Stühle wechselten Meinung.
Innozenz teilte die Macht über Kirchen, teilte das Recht,
ließ Genua herrschen im Norden, Pisa im Süden verbleiben.
So trat Genua ein in das Spiel um Korsikas Zukunft,
ließ seinen Einfluss wachsen in Städten, Klöstern und Dörfern.
1195 war das Jahr, da Bonifacio fiel –
Nest der Piraten, Geißel der Händler, dem Meer eine Wunde.
Lange noch stritten um diese Beute die Pisaner mit Eisen,
doch zwanzig Jahre vergingen, bis endlich ein Papst entschied,
selbst in Besitz es zu nehmen und Ruhe zu stiften im Streit.
Aber die Ruhe war trügerisch: Immer erneut loderte
Fehde und Streit auf – Pisa und Genua, beide rivalen
um die Gewalt über Insel und See, um Macht und um Handel.
Wie in Italiens Städten tobte der Streit der Parteien,
Guelfen und Ghibellinen zerfleischten sich auch auf Korsika.
Barone und Bischöfe schwankten, bald diesen, bald jenen ergeben,
Häuser verbrannten, das Land lag wüst, und das Volk litt in Not.
Da riefen die Alten der "Terra di Comune" den Dritten,
Isnard Malaspina, Markgraf mit ritterlich Herz,
doch Pisa hielt nicht ein – sie riefen erneut die Cinarca
und sandten sie wieder mit Macht, um den Süden zu fassen.
Krieg nun entflammte, der niemand den Sieg bringen wollte:
mal lag der Norden vorn, dann wieder die Pisaner im Süden.
Keine Partei gewann – das Land blieb zerrissen und blutig,
wartend auf Frieden, der kam aus keiner Richtung herbei.
Am vierten April, so sagt man, des Jahres zwölfhunderts und sieben,
hat Bonifatius, Papst, den König Jakob von Aragon
mit Korsika samt Sardinien reich belehnt in der Würde,
doch erst nach Jahren, im fünfundzwanzigsten, brach er zum Sturm auf.
Sardinien fiel — Pisa, geschlagen, verlor seine Macht dort,
Korsika blieb nicht länger dem schwachen Einfluss gehorsam.
Anarchie kehrte zurück; doch bald, im siebenundvierz’gen,
trat ein Rat der Barone zusammen mit caporali:
Genua bot man nun an die Hoheit, gegen Tributzahl,
doch die Gesetze der Insel behielten sie selbst in den Räten,
Zwölf im Norden bestellt, im Süden waren es Sechse,
und ein orator vertrat fortan ihre Stimme in Genua.
Schlechte Vorzeichen begannen die Herrschaft der neuen Republik,
Pest raffte viele dahin, zwei Drittel, so schätzt man, verstarben.
Frieden ward keiner gewährt: Im Süden trotzten Barone,
oben die caporali dem Statthalter aus der Lagune.
Peter von Aragon kam mit den alten Ansprüchen wieder,
Arrigo von La Rocca mit Hilfe der Truppen des Südens
wurde zum Herrn der Insel, doch fand bei den Nordischen Feinde.
Cap Corsos Adel, erbittert, rief Genua wieder zur Hilfe.
Genua selbst in der Krise, erfand einen Notbehelf bald schon:
Fünf waren es, Maona genannt, die die Insel nun leiteten.
Doch ihre Bündnisversuche mit Arrigo führten ins Dunkel,
vier von den Fünfen gaben die Rechte zurück an die Heimat,
Lomellino allein verblieb und festigte Genuas Bastion,
Bastia gründete er an der Küste, Bollwerk im Norden.
Nach Arrigos Tod, vierhundertundein, kam Erleichterung wieder.
Doch in Alta Rocca erhob sich eine Sekte der Frommen,
Giovannali genannt, sie predigten Reinheit des Lebens,
wurden, nach Jahren von fünfzig, zuletzt niedergeschlagen.
Genua fiel bald selbst in französische Hände, doch wurde
Lomellino geschickt, vom König von Frankreich gesegnet,
Graf von Korsika nun, und erneut Gouverneur der Insel.
Vincentello d’Istria aber erhob sich in Cinarca,
er gewann viele Städte, die Terra Comune vereinigte,
selbst Bastia nahm er ein und nannte sich Graf von Korsika.
Lomellino versagte, und um das Jahr vierhundertundzehn
blieb ihm Bonifacio, auch Calvi, allein noch gehorsam.
Vincentellos Streit mit dem Bischof von Mariana
kostete Macht in der Mitte des Landes, er suchte in Spanien
Schutz und Verbündete — während Genua Boden gewann dann.
Doch der Erfolg hielt nicht lang: Das Schisma spaltete alles.
Vincentello, gestützt von Aragonesern, gewann nun
leichtes Gelände zurück: nahm Cinarca, Ajaccio wieder,
kündigte Frieden mit Pisa und stärkte sich dann in Corte,
baute Burg und gewann sich erneut die Terra Comune.
Um das Jahr neunzehn des fünfzehnten Jahrhunderts war
Genua geschrumpft auf Besitz von Calvi und Bonifacio.
Alfons von Aragon kam mit Flotte zur Stunde der Krise,
Calvi fiel — doch Bonifacio hielt sich mit Mut und mit Tücke.
Dieser Moment, er reichte, den Zorn der Korsen zu nähren,
Tyrannei abzuschütteln. Am Ende, durch List und Beharrung,
wurde die Stadt eine Republik mit Schutz durch Genua.
Vincentello, der noch lebte, verlor nun das letzte Vertrauen,
wurde gefasst in Bastias Hafen und fand dort das Ende:
Rebell, hingerichtet durch die Genueser mit kalter Entschlossenheit.
Anarchie wuchs erneut, Parteien stritten und rangen:
Aragonesen und Genuesen, sie kämpften um Obergewalt.
Janus da Fregoso, der Doge, erschien mit Kanonen,
schlug Paolo della Rocca und baute die Stadt San Fiorenzo.
Doch die Unruhe blieb: Aragonesen kehrten zurück dann,
Papst Eugen IV. ward angerufen zum Frieden,
sandte ein Heer, vierzehntausend stark, doch es scheiterte völlig,
wurde von Korsen geschlagen, geführt von Rinuccio da Leca.
Zweiter Versuch gelang besser — Rinuccio fiel im Gefecht bald.
Nikolaus V., Nachfolger auf dem Thron Petri,
schrieb ohne Zögern die Rechte auf Korsika Genua zu.
So war die Insel geteilt: der Süden in Händen der Cinarca,
unterm aragonesischen Banner, im Namen allein noch,
während im Norden ein Fregoso die Terra beherrschte,
Genua hielt, was blieb, und kämpfte um Einigung weiter.
Kaum noch lenkte der Rat von der Terra Commune die Insel,
riefen die Herren den Kaufstand Genuas zu ihrer Regierung.
San Giorgio, das Haus der gewichtigen Händler, ergriff nun
Zepter und Schwert – und vertrieb aus Korsika Spaniens Söldner.
Ordnung ward neu geschaffen, doch bald entbrannte der Zwiespalt:
Barone des Landes empörten sich wild gegen die Fremden.
Blutig und hart war der Krieg, bis endlich im Jahre vierzig
und sechshundert das letzte der Banner der Feinde zerbrach.
Flüchtig nach Toscana entflohen die Herren, die einst hier
Macht ausgeübt, nun vertrieben vom Beil der Geschicke.
Kaum war die Ordnung gefestigt, da keimte erneut der Gedanke
Macht zu gewinnen – da trat aus Genuas edlem Geschlechte
Fregoso Tommasino hervor, ein Sohn korsischer Mutter.
Raffend das Erbe der Ahnen, gewann er das Herz der Gemeinde,
griff nach dem Innern der Insel mit listiger, schleichender Hand.
Mailands Herzog erhob nun Anspruch auf das Gebiet,
doch war sein Tod bald der Anlass für neuen, verworrenen Zwist.
Wieder kam Tommasino, bat nun um Gunst des Herzogs,
ward anerkannt und erhielt die Befestigungen, Städte und Dörfer.
Mit Gian Paolo da Leca, dem Starken, verband er sich ehelich,
stand bald führend und stolz an der Spitze des Eilandes ganz.
Doch das Geschick war unstet: Die Korsen empörten sich wieder.
Malaspinas Geschlecht, einst Fürsten der Insel in Tagen
ehemaliger Macht, sandte Jacopo, Herr von Piombino,
und Gherardo, den Bruder, als Graf von Montagnano.
Letzterer kam, als das Volk ihn rief, mit gewappnetem Willen,
setzte sich fest bei San Fiorenzo und Biguglias Mauern.
Tommasino, geschwächt und des Kriegs nun müde geworden,
trat seine Rechte ab an die kluge Bank von San Giorgio.
Diese besiegte den Grafen mit Hilfe der Leca'schen Scharen.
Doch kaum war der Friede erkauft mit dem Blute der Feinde,
bestritt das Geschlecht der Fregoso den Handel und leugnete's frechlich.
Wieder entbrannte der Streit, und mit Müh' und mit blutigen Kämpfen
zwang man den Baronen den Frieden, verbannt sie nach Sardinien.
Zweimal kehrten sie heim, doch am Ende, im Jahre beginnend
mit des Jahrhunderts Beginn, ward die Ordnung erneut hergestellt.
Erst nun konnte die Bank ihr Eigentum sicher benennen.
Doch wie sie das Land nun regierte, war hart und erbarmungslos:
Selbstsüchtig, kurzsichtig übt' sie die Macht mit brutaler Gewalt.
Nur ein Schatten von Rat und der einheimischen Ordnung blieb übrig,
nicht ward ein neues Gesetz dem alten zur Seite gestellt.
Blutfehden wuchsen im Vakuum von Recht und Gerechtigkeit,
während Europa bereits nach zivilisierteren Regeln sich wandte.
Dies war der Wille der Bank: Denn so blieb das Volk stets gespalten
und ein Aufstand erschien in der Uneinigkeit niemals gefährlich.
Gier war ihr Ziel: Sie sog mit erbarmungsloser Gewalt
Steuern und Früchte aus Feldern, die kaum noch bebaut waren.
Schutz gab es keinen; die Küsten, von Piraten geplündert,
standen entblößt, und das Volk ward verwundbar, verhungernd, verarmt.
Pest kam hinzu und das Wasser der Himmel zerbarst in Gewalten,
Überschwemmend das Land, das nun bar jeder Hoffnung sich zeigte.
Doch aus dem Norden, aus Frankreichs Reich, kam ein Plan zur Befreiung:
Heinrich der Zweite gedachte, das Eiland zu seinem Besitz zu erklären.
Korsische Krieger in Diensten des Königs verrieten die Schwächen
und überzeugten den Hof, dass der Augenblick günstig gekommen.
Mit dem Sultan des Orients, Süleyman, schloss er ein Bündnis,
und die Flotte des Türken mit Targud Pascha fuhr an die Küsten.
Bastia fiel ohne Kampf, und sogleich waren die Burgen belagert.
Bonifacio hielt stand, doch fiel schließlich nach hartem Gefecht;
schrecklich war das Gemetzel, das folgte, ein Mord an der Garnison.
Calvi allein blieb Genua treu und hielt sich in Treue.
Nun griff Karl, der Kaiser, ein, mit Heeren aus Deutschland,
Spanien und Genua, und wandte das Schicksal der Insel.
Sampiero, der Held aus Bastelica, kämpfte in jenen
Schlachten, gewann dort den Ruhm, der ihn später verherrlichte stets.
Festung um Festung wechselte häufig den Herrscher im Blute,
drei Jahre währte das Morden von Völkern und Korsen und Feinden.
Nichts ward gewonnen am End, denn man kehrte zur Ordnung zurück,
wie sie gewesen zuvor: ein Waffenstillstand ward 1556
unterzeichnet, der Franzosen in Bastia dulden noch ließ.
Doch im Vertrage von Cateau-Cambrésis, drei Jahre darauf,
wurde die Insel erneut der Bank von San Giorgio gegeben,
die sie dann treuhänderisch gleich an die Republik Genua reichte.
Nach dem Vertrage von Cateau, dem Frieden von Cambresis,
Wagt es Genua dann, dem Korsen das Steuerrecht aufzuzwingen.
Doch das empörte das Volk, das frei sein wollte von Bürden,
Und es verweigerte streng die geforderte Steuererhebung.
Sampiero Corso, verbannt, sah Hab und Gut konfisziert,
Wider den Friedensvertrag, der Amnestie doch geboten.
Da erhob er sich kühn, der Sohn aus Bastelica stammend,
Führte die Freiheitspartei mit leidenschaftlichem Eifer.
Lieber noch schien ihm das Joch der mächtigen Türken als Genuas;
Und mit dem Briefe des Königs zog er nach Konstantinopel,
Bittend um Hilfe – und bot als Preis die Insel dem Reiche.
Doch kein Beistand erschien; die Fremden blieben ihm fern.
So entschied er, allein zu handeln mit mutigen Freunden,
Landete schließlich im Juni, fünfhundertvierundsechzig,
Mit nur fünfzig Getreuen am Ufer der heimatlichen Insel.
Bald war der Ruhm ihm gewiss, und achttausend folgten dem Führer,
Doch die Zucht war gering, und innige Fehden zerrissen
Eintracht und Kraft der Bewegung. Zwei Jahre wütete Krieg dort,
Beide Parteien schonten einander nicht, kämpften verbissen.
Endlich fiel er – verraten –, ermordet im Jahre sechzehn
Hundert und siebenundsechzig; der Geist der Bewegung zerbrach nun.
Dann, im darauffolgenden Jahr, ward Friede verhandelt,
Ehrenvoll noch dazu, mit Dora, dem Feldherrn Genuas,
Der die Generalamnestie den Korsen erneut zugestand.
Alphonse, der Sohn des Helden, entwich mit dreihundert Getreuen
Hin zu den Franken, und stieg dort unter Heinrich zum Marschall.
Ruhig blieb nun das Land, Korsika sank in die Stille
Bis zum Beginn des Aufstands, der Jahre siebzehn und neunundzwanzig.
Doch diese Ruhe war Trug, war Friede aus Ohnmacht geboren,
Nicht aus Befriedung des Herzens; denn langsam entglitt ihre Freiheit.
Was die Vereinbarung gab, nahm Genua Stück um Stück wieder:
Ämter entzogen, das Volk entwaffnet, die Stimme genommen,
Und kein Ersatz ward geschaffen für das zerstörte System dort.
Richter versagten im Amt, und Rache zog in die Dörfer,
Piraten wüteten wild, da keine Flotte mehr schützte,
Küstensiedlungen flohen ins Innere, suchten in Bergen
Zuflucht vor Räubern und Seuchen; das fruchtbare Land ward verlassen,
Wurde zur Sumpfregion, wo Mücken und Krankheit nun herrschten.
Noch kam die Pest und raubte im Jahre siebzehn und sechsundsiebzig
Schrecklich die Menschen dahin; die Flucht aus dem Lande begann nun.
Selbst als man Griechen berief, um Dörfer neu zu besiedeln,
Führte das einzig zu Zwist, zu einem weiteren Funken der Uneinigkeit.
Genua sah die Insel nur als Quelle des Profits,
Handel allein in der Hand, die Waffensteuer ein Mittel,
Um das erschöpfte Volk zu melken – nicht aufzuhalten
War die Vendetta, denn sie brachte Erträge dem Staate.
Dann im Jahr neunundzwanzig des Jahrhunderts achtzehn erhoben
Sich die Korsen erneut, empört ob der neuen Belastung –
Due semi genannt, eine Steuer auf Feuer und Herde.
Ceccaldi war einer der Führer, Giafferi stand ihm zur Seite.
Schnell war Genua wieder gedrängt an die küstennahen Städte.
Doch der Kaiser, Karl der Sechste, entsandte Soldaten,
Deutsche Söldner in Zahl, und neigte das Blatt den Genuesen.
So im Jahr zweiunddreißig ward ihre Herrschaft erneut fest.
Aber schon zwei Jahre darauf, erhob sich Giacinto Paoli,
Rief zur Freiheit erneut, mit mutigem Willen zur Ordnung.
In Corte tagte die Volksversammlung im Jahre fünfunddreißig,
Proklamierte die Freiheit, die Unabhängigkeit der Insel,
Schuf eine neue Verfassung, einigte Führer zur Leitung:
Paoli, Giafferi, Geccaldi – sie trugen die Hoffnung.
Genua aber blockierte die See und schnitt die Verbindungen,
Doch die Genuesen mussten sich bald in die Festungen retten.
Fehl an Waffen und Brot ließ dennoch die Sache verebben,
Und der ersehnte Triumph blieb jenen Kämpfern verwehrt.
Dann kam Theodor, der Baron aus dem fernen Germane,
Ein Abenteurer voll Mut, mit Waffen und Vorrat beladen.
Zwölfter des März war das Jahr, als er landete, sechsunddreißig,
Und versprach künftigen Beistand – doch forderte dafür die Krone.
Volk und Priester versammelten sich in Alésani zur Beratung,
Riefen ihn König aus, Theodor, Erster des Namens,
Setzten ihr ganzes Vertrauen auf diesen Mann aus dem Fremdland.
Fünfzehnter April war’s, als sie Korsika riefen zum Königreich,
Ihm und den Seinen gegeben, durch Eid und feierlich Wort.
Kurz nur währte die Zeit der Regentschaft des neuen Monarchen.
Prunkvoll kam er daher, in Kaftan, mit Hosen aus Osten,
Spanischer Hut auf dem Haupt, dazu ein türkischer Säbel,
Doch die Korsen verspotteten nicht – sie ehrten den Mut seines Herzens.
Ritter ernannte er bald, den Orden der Freiheit begründend,
Und was die Genuesen verfluchten, das machte ihn größer,
Denn sie erklärten ihn Lügner, setzten auf ihn ein Kopfgeld,
Doch das bestärkte nur mehr das gläubige Volk in der Treue.
Ganz anders erschien das Gesicht der Geschehnisse plötzlich,
als die versprochene Hilfe Europas ausblieb.
Laut war sein Wort, doch die Könige schwiegen in Fernen,
jene, auf die er sich stützte mit großem Getön.
Mächtig prahlte er stets mit des Einflusses Glanz seiner Freunde,
aber sie wandten sich ab, als das Schicksal ihn traf.
Also beschloss er im nebligen Monat November zu reisen,
vorgeblich auf Suche nach Hilfe für’s leidende Land.
Giafferi ließ er zurück, Paoli und Ornano mit ihm,
treue Regenten, bestimmt, die Geschicke zu leiten.
Doch trotz vielfacher Versuche gelang ihm die Rückkehr
nicht auf die Insel, die heiß er geliebt und befreit.
Kriegsmüde wurden die Männer der Berge und Täler,
sprachen mit Genua nun, um ein Ende zu finden.
Aber Genuas Stolz ließ nur Rebellen gewähren –
jegliche Einigung schwand in der Starrheit des Rates.
Frankreich rief man darauf, in verzweifeltem Wunsch um Entscheidung,
und im Juli des Jahres ward feierlich dann unterzeichnet,
dass der französische König die Ordnung im Land wiederherstell.
Frankreichs Absicht war nicht, die Insel zu erlangen,
sondern nur das zu meiden, was drohte aus Übermacht:
Die Insel könnte, das wussten sie lange und deutlich,
in den Händen des Feindes, Großbritanniens, entweichen.
Doch die Korsen, zwar offen, mit Frankreich zu verhandeln,
wollten nicht Genua’s Herrschaft je anerkennen.
Auch wenn Frankreich selbst ihre Freiheit besiegelt,
blieb Genua Feind, und der Widerstand blieb ungebrochen.
Im Frühjahr des Jahres, da kam die Armee, unter Boissieux,
französische Truppen, die Ordnung zu schaffen.
Verhandlungen dauerten viele Monate lang,
doch die Forderung nach Waffenlegung traf auf Widerstand.
Boissieux, er wollte das Volk endlich entwaffnen,
doch sein Plan zerbrach, als die Korsen siegten im Winter.
Boissieux verstarb, und ein neuer Marschall trat ein:
Maillebois, der kräftige, mit starker Verstärkung,
ging ins Land, mit einer Hand von Strenge und Gnade.
Er stellte die Ordnung rasch wieder her, doch die Truppen
mussten bald abziehen, als der Krieg in Europa begann.
Österreich zog an, und die Korsen, nun ohne Hilfe,
sahen wieder Genua vor sich, als Feind und Gegner.
Und der ständige Kampf, er setzte sich fort und fort.
Im Jahre 1743, da segelte „König“ Theodor,
mit einer britischen Flotte, zur Insel heran.
Doch als er erkannte, dass niemand ihm folgte,
reiste er ab, mit dem Kopf voll enttäuschten Traums.
Die Korsen, sie versammelten sich zu einem Landtag
und wählten Gaffori und Matra zu Generälen.
Nun zogen sie los, um Genua’s Festungen anzugreifen,
mit dem Mut eines Volkes, das Freiheit verlangt.
Und die Mächte Europas, sie gaben Unterstützung,
halfend durch Sympathie und aktive Intervention.
Im Jahre 1746, da trat ein korsischer Graf hervor:
Domenico Rivarola, ein Mann aus sardischem Dienst,
eroberte Bastia und San Fiorenzo,
mit britischer Hilfe und Truppen aus Sardinien.
Doch der Krieg in der Heimat blieb nie nur ein Spiel,
und Rivarola, er konnte Bastia nicht halten.
Denn Genua blieb, trotz des Sieges der Österreicher,
und der Gouverneur fand stets einen Weg, sich zu halten.
Bis zum Friedensschluss in Aachen, im Jahre 1748,
war die Lage auf Korsika vollends wieder verkehrt.
Rivarola und Matra waren bereits verstorben,
Gaffori stand allein, von Fehden geplagt und zerrissen.
Auch Genua, das sich im Krieg gegen Österreich behauptete,
war nun unter französischer Hilfe wieder stark.
Der König von Sardinien, so hieß es im Bericht,
überlegte, die Insel erneut zu erobern.
Daraufhin sandte Frankreich, auf Ersuchen von Calvi,
eine starke Truppe unter Cursay, der in die Festungen zog.
Bastia, Bonifacio, Ajaccio und Calvi
wurden besetzt, der Frieden schien zu bestehen.
Doch der Friede, er hielt nur so lange, wie Cursay blieb,
denn sein Abzug im Jahre 1752 rief den Aufstand.
Gaffori, der erneut zum General gewählt wurde,
fand sich ohne Führung, als er 1753 fiel.
Paoli, der Bruder, von ihm zum Führer gemacht,
übernahm das Kommando, doch auch er war nicht stark.
Er kam von Neapel, doch sein Temperament war rau,
und 1755 nahm sein Bruder Pasquale das Steuer.
Pasquale Paoli, im Frühling des Jahres erwählt von der Menge,
stand in San Antonio, rief nach gerechterer Ordnung.
Selbst schrieb er nieder ein Werk, von Antike und Aufklärung leuchtend,
frei war der Geist und gestützt auf das Recht der Commune di Terra.
Erste Verfassung der Neuzeit, noch eh sich Amerika gründet,
rief sie die Bürger zum Rat und entband sie vom Joch der Tyrannen.
Gegen Matra, des alten Gafforis des Sohnes, er kämpfte,
siegreich im Frühling, da schloss sich das Volk in vereinter Entschlossenheit.
Kaum ward Genua verdrängt, da stiegen die Franzosen im Westen
auf in Calvi, Ajaccio, Fiorenzo – Besatzer im Aufstand.
Doch im Siebenjahrkrieg bald abgezogen vom Eiland,
wuchs nun Paolis Gewalt und griff wieder die Feinde mit Schiffen.
Isola Rossa, der Hafen, ward Flotte und Waffe zugleich nun,
handelnd traf sie Genuas Schiffe und raubte dem Feind seine Kräfte.
Frankreich nun wog ab, ob Korsika bliebe in fremder Gewalt noch,
Genua schwankte, erschöpft und geschlagen in endlosen Kriegen.
1764 kam Marbeuf mit Soldaten und nahm ohne Widerstand
Burgen in Namen Genuas – doch Korsen entsandten Vertreter.
In die consulta, das hohe Parlament, zog das Volk ein
selbst aus den Städten, die früher genuesisch und fremd ihnen waren.
1768 – Vertrag mit dem König von Frankreich besiegelt
Übergab Genua, matt, für Silber die Rechte an Insel und Küsten.
„Wie eine Hammelherde verkauft!“, rief Paoli klagend,
doch nicht das Volk war bereit, sich so einfach zu beugen dem Fremden.
Capraja fiel, und Ajaccio ward leer aus Protest – nun begannen
Kämpfe erneut, doch Frankreich war stärker und griff bald zum letzten Gefechte.
Ponte Nuovo, das Feld, sah am achten des Mai die Entscheidung:
Korsen, geschlagen trotz Mut, trotz Tapferkeit, Waffen und Stärke.
Paoli wich, mit vierhundert Getreuen bestieg er das Schiff nun,
fuhr hin nach Livorno, das stolze Exil in der Fremde begann nun.
1770 kam das Ende der alten Republik –
Treue schwor man dem König, dem Fünfzehnten Ludwig von Frankreich.
Paoli nahm nun das Amt, das er einst von dem König noch verweigert,
auf sich in schwerer Zeit, da das Volk in der Finsternis wandelte.
Jenen, die blutig regiert’ in der Zeit des entfesselten Schreckens,
war sein Herz nicht geneigt, noch sein Geist mit dem ihren verwandt.
Als man ihn aber verdächtigt, dem Feldzug nach Sardinien Hürden
absichtsvoll in den Weg gelegt zu haben, da rief man
ihn mit Pozzo di Borgo, dem klugen Prokurator,
vor den Konvent in Paris, zum Gericht der Nationen geladen.
Doch Paoli sprach nun offen, rief die Gemeinde zur Tagung
nach Corte, trotz Protesten von Saliceti, dem Richter.
Jener empörte sich laut, doch Paoli sprach mit Entschlossenheit:
„Nicht gegen Frankreich ist meine Rebellion gerichtet,
sondern gegen die Fraktion, die Frankreich mit Ketten umschlinget.“
Saliceti reiste nach Norden, nach Paris mit Beschwerden,
und durch sein Drängen beschloss der Konvent die Ächtung des Paoli.
Frei war der Bann über ihn, und verflucht seine Getreuen.
Für der Insel Bestand, die dem eigenen Wesen verpflichtet,
hob er die Fahne empor, die der Freiheit Korsikas Zeichen.
Doch war nicht einig das Volk; die Gemeinde in Corte erhob ihn,
wählte den Alten erneut als Präsidenten des Landes.
Napoleon, der von Paoli noch Freundschaft erhoffte,
wies den Gedanken empört von sich, Frankreich zu trennen.
So ward aus Hoffnung nun Hass, und der Name der Bonapartes
stand fortan unter Feinden, nicht Freunden des Landes der Berge.
Paoli sandte Gesandte nach London, zu bitten um Hilfe,
und das britische Reich entsandte ein Heer über’s Wasser.
Lange ward noch gerungen, doch schließlich im Sommer des Jahres
sank das französische Banner, und Korsika war nicht mehr Frankreich.
In feierlicher Sitzung, im Juni des Jahres, erbot sich
Korsikas Rat dem König, Georg dem Dritten von England.
Doch die Besatzung währte nur zwei der eilenden Jahre,
Elliot war der Verwalter, geschickt von der englischen Krone.
Paoli, nun selbst ein Symbol, doch unbequem in der Nähe,
folgte dem Ruf der Regierung, nach England zurückzukehren.
Dort, im Exil, verbrachte er still seine restlichen Tage.
Napoleon, siegreich im Feld über Italien, sandte
eine Armee nach Korsika, nahm ohne großen Widerstand
die Insel zurück; die Briten, der Aufgabe müde, verließen
still das Terrain – im Oktober war Frankreich erneut der Besitzer.
Kurz ward die Insel von England erneut okkupiert, doch im Frieden
von Wien ward sie Frankreich zurückgegeben – für immer.
Später, im neuen Jahrhundert, mit Eisen und Schulpflicht im Rücken,
festigte Frankreich die Macht über Täler und schroffe Gebirge.
Ferry’s Gesetz zwang Kinder zur Schule, zur Sprache der Fremden,
während die eigene Zunge, das Corsu, zu schweigen begann.
Armut jedoch trieb viele hinaus aus den Dörfern der Insel,
tauschten sie Heimat für Arbeit in fernen, südlichen Häfen.
In Marseille fand das Volk sich erneut, in dem Viertel am Hafen,
Panier genannt, mit der Sprache und Bräuchen der Heimat geeint.
Als dann der große Krieg kam, da kämpften die Männer der Insel,
vierzehntausend gefallen, im Dienste der Trikolore.
Nach dem Krieg blieb das Elend, denn Industrie gab es keine.
Zwischen den Kriegen wuchs unterdessen das dunkle Geflecht,
Mafia genannt, das in Waffen und Drogen sich übte,
doch auch die Politik mit Gewalt und Einfluss durchdrang.
In späteren Jahren, in fünfziger, sechziger Zeiten,
drangen dieselben Netzwerke tief in das Herz der Nation.
Korsen, auch fern von der Insel, dienten in Frankreichs Kolonien,
als Soldaten, Beamte, als Händler in fremden Gefilden.
In Algerien lebten sie oft, als Teil des französischen Traumes,
das Imperium zu stärken mit Menschen aus fernen Provinzen.
Italien, in seiner Verblendung, mit Mussolini als Führer,
forderte Korsika heim, nannte es Teil seiner Krone.
Doch da erhob sich der Geist, der sich korsisch nun nannte,
nicht mehr italienisch, wie’s früher der Brauch noch gewesen.
Sprache ward nun erhoben, nicht als Dialekt, sondern eigen.
Und in Bastia schwor man dem Vaterland Treue – nicht Rom.
Als dann der Krieg sich erneut über Europas Gefilde ergoss,
kam mit dem Vichy-Regime auch die Wehrmacht zur Insel,
doch mit ihr kam auch der Widerstand, Freie Franzosen
rüsteten Bauern zu Partisanen im kampfbereiten Land.
Als Mussolini fiel, wechselten viele Italiener die Seiten,
und am neunten September landeten alliierte Truppen.
Die Deutschen flohen nach Bastia, der letzte Brückenkopf fiel,
und die Insel war frei, als vierte befreite Provinz
des Frankreichs, das auferstand aus dem Blut seiner Kinder.
Diese Erinnerung lebt fort – in den Herzen der Inselbewohner.
Nach dem großen Krieg war die Insel verarmt und gebrechlich,
doch vom Glanz der Franzosen, der dreißig ruhmvollen Jahre,
trug sie in Maßen den Segen; doch kamen vom Festland
viele Franzosen herbei und suchten ihr Glück auf der Insel,
während Korsen verließen die Heimat, um Arbeit zu finden
in Fabriken und Städten des reichen, blühenden Nordens.
Als dann das Reich der Kolonien in Trümmern zu sinken begann,
kam auch auf Korsika Sorge: Was wird uns morgen begegnen?
Und im Mai, als der Aufstand in Algerien Flammen entfesselt,
fanden viele Gefallen an jenen, die Freiheit verweigern.
Opération Résurrection hieß der Plan der Soldaten,
Korsika stand im Begriff, sich dem Umsturz anzuschließen.
Doch als de Gaulle dann kam, als Retter mit großer Gefolgschaft,
legte er selbst dem blutigen Krieg mit Algerien Einhalt,
und das Volk in der Heimat begrüßte den Schritt mit Vertrauen.
Viele vertriebene Siedler aus Algeriens Stürmen des Krieges,
Pieds-noirs, wurden gesandt mit Geld und Hoffnung zum Neubau
an die sonnige Küste, der Osten der Insel ward neu nun,
und die Korsen befürchteten, bald sei ihr Volk eine Minderheit.
Ihre Sprache verschwand aus Schulen, Behörden, dem Leben,
sprachlos wurden sie selbst im eigenen Lande geboren.
So erhob sich die Wut, ein Sehnen nach Eigenbestimmung,
gegen die Fremden zuerst, dann gegen den Moloch Tourismus,
der mit Reichtum von außen das Land den Bewohnern entwendet.
Bald schon flammten die Kämpfe, 1968 die ersten
Brandanschläge begannen, die Stimme der Wut ward lauter.
Parteien entstanden, legal war der neue Versuch nun,
doch das Buch, das erschien – Main basse sur une île genannt –,
sprach von Kolonie, forderte korsischen Sozialismus.
Riacquistu, das Wiedererwachen von Sprache und Sitte,
gab dem Volk neue Kraft, die verloren geglaubte zu retten.
Doch die Not trieb die Seelen, und radikal wurden die Rufe.
Aléria wurde Symbol, als 1975
Simeoni mit Jägern das Gut eines Pied-noir besetzte.
Schüsse fielen, zwei Tote, die Ordnung war schwer zu bewahren.
Und die Hoffnung erhob sich auf eine Universität,
wie sie einst Paoli in Corte gegründet in Freiheit.
Sie entstand neu im Jahr neunzehnhundertachtzig und eins.
Doch Paris blieb hart, ließ keine Autonomie gelten,
sprach von Gefahr für die Einheit des großen französischen Reiches.
Also begannen die Bomben, die FLNC kämpfte im Dunkel.
Gleichzeitig kam der Tourismus, mit ihm fremde Gesichter,
die in Villen am Strand und auf Bergen sich Häuser erbauten.
Auch dagegen erhob sich der Zorn, nicht selten mit Waffen.
In den neunziger Jahren, da wuchs die Gewalt ins Verderben,
Mafiabanden begannen, den Freiheitskampf zu benutzen.
Und im Februar kam der Mord an dem Präfekten Erignac:
Ganz erschrocken war Frankreich, das Herz der Republik bebte,
denn es schien, als verlör sie auf Korsika selbst ihre Stärke.
Zunehmend wuchs das Gefühl, dass Identität ihnen entrissen,
fremde Gesetze und Mächte die Insel im Griff nun gehalten.
Gegen die Pieds-noirs zuerst, dann gegen den Strom der Touristen
richtete sich der Zorn, denn die Küsten besaßen die Reichen,
während der Bauer, der Hirte und Fischer sich kaum mehr ernähren.
Schon ab dem Jahr vierundsechzig begannen die Taten,
und ab achtundsechzig entbrannten die ersten Attacken.
Heimlich brannten die Häuser, das Eigentum wurde getroffen,
denn man glaubte, Gerechtigkeit sei nur durch Feuer zu schaffen.
Bald entstanden Parteien, die auf legalem Wege
für die Rechte der Insel und ihre Kultur sich erhoben.
Eine von ihnen, der Front régionaliste corse genannt,
gab ein Buch in die Hände des Volkes: Ein Aufruf zur Wende.
„Legt die Hand auf die Insel“, so hieß es, „und schaut auf die Wunden,
die der Kolonialgeist geschlagen in hundert von Jahren.
Korsika blutet, drum fordert ein neues soziales Gefüge!“
So entstand aus der Wut ein Bewusstsein der eigenen Würde.
Auch die Sprache der Alten, das Lied und das Wort der Vergangenheit,
sollte zurück in das Herz – so wuchs Riacquistu, das Neue,
das doch aus altem Bestand sich nährte, aus Liedern und Riten,
dass die Stimme der Insel nicht stumm sei im Lärm der Moderne.
Doch die Hoffnung zerbrach, und der Kampf wurde schärfer und dunkler.
In den mittleren Siebzigern stieg die Gewalt aus den Wäldern.
Aléria, jenes besetzte Gut, wurde Zeichen der Wende,
Simeoni der Führer, das Banner der Jagd in den Händen.
Mit Gewehren bewaffnet, umringten sie Reben und Weinfass,
doch das Gesetz ließ nicht ruhn: Zwei Polizisten verbluteten.
Blut war geflossen, das Wort wich der Kugel, dem Feuer.
Trotzdem blieben auch Stimmen, die friedlich die Freiheit verlangten:
Wiedereröffnung der alten Universität in Corte,
die einst Paoli gegründet, mit Licht in der Zeit der Befreiung.
Und so wurde sie neu im Jahr neunzehnhundertachtzig
endlich wiedergeboren – Symbol der kulturellen Erhebung.
Zwar gewährte Paris nun Reformen, gewisse Gesten,
gab ein Parlament, ließ regionales Verwalten geschehen,
doch bei Sprache und Recht blieb das Zentrum erbarmungslos hart.
Keine Zweisprachigkeit, keine Autonomie für die Insel,
denn man fürchtete Spaltung des großen französischen Reiches.