VON TORSTEN SCHWANKE
I
Vater in Christus, geweiht, du segnender Lehrer des Herzens,
darf ich dich bitten um Rat auf dem Pfade des Geistes, des Lichtes.
Einst hast du Worte gesprochen, die brennend mich weitergeleitet,
führtest mich hin zu Maria, der göttlichen Mutter der Liebe,
zeigtest den Weg mir zur Braut, der Weisheit in himmlischen Strahlen,
ließest mich ziehen, gesegnet, dass Liebe und Weisheit mich führen.
Lange schon geh’ ich den Pfad, den du segnend gewiesen im Anfang,
studierte tief, was der Glaube, was Theologen verkünden,
was auch die Weisen gesagt aus der Tiefe der mystischen Stunden,
über die Ewige Weisheit, die göttliche Braut meines Herzens.
Täglich erneu’r ich mein Ja, mein Verlöbnis im heiligen Opfer,
finde in Brot und im Wein ihre lebendige Nähe und Liebe.
Sie ist mir Mutter und Freundin, Geliebte, auch göttliche Brautkraft,
und die Kommunion wird Hochzeit, wo Gottheit die Seele umarmet.
Längst schon vernahm ich den Ruf, der vom Herzen Mariens gesprochen:
Diene der Liebe, der Caritas, lebe im Werke der Güte.
Lernte von Teresa von Kalkuttas brennender Hingabe täglich,
forschte zugleich bei Hildegard nach der Mutter der Liebe,
sah in der Frau Minne Licht von Heinrich, dem Sänger des Himmels.
Innig durchdrungen vom Geist, der im Karmel entbrennt in den Seelen,
las ich Teresa von Ávila, folgte dem heiligen Johannes,
spürte die Glut in dem Lied von der göttlichen leidenden Liebe,
fühlte in mir eine Flamme, die brannte und dennoch verklärte.
Weihnacht des Jahres, da Christus geboren im Dunkel der Krippe,
kam mir die göttliche Glut, ein Feuer, das mitten mich traf.
Denn als ich sah das Kind, das im Heu der Armut gelagert,
durchfuhr mein Herz eine Flamme, von göttlicher Liebe entzündet,
und diese Liebe war süß und zugleich eine Kreuzigung innen,
wurde ein Leiden des Herzens, das brannte in heiligem Dunkel.
Später las ich bei Stein, wie Teresa getroffen vom Pfeile,
lebte nur noch in Gott, durchdrungen vom feurigen Seraph.
Doch was geschah mir, war anders, denn mit dem göttlichen Feuer
kam mir die Liebe zugleich zu der irdischen, sterblichen Freundin,
platonisch, rein und verklärt, wie ein Bildnis des Himmels im Schatten.
Denn was ich liebte in ihr, war das Strahlen des göttlichen Urbilds,
Spiegel der Schönheit des Herrn, durchstrahlt von der himmlischen Klarheit,
Anblick der Schönheit, die selbst mich versenkt in die selige Nichtheit.
Kann ich es sagen? Ich bete vor ihr, wie vor göttlicher Größe,
sehe in ihr eine Form, eine Offenbarung des Ewigen,
weiß nicht: ist es Maria? Die Anima? Sie, meine Geliebte?
Wenn ich in Stille sie schau’, erglänzt eine göttliche Schönheit,
die mich zerbrechen lässt, vernichten in liebender Anbetung,
blendende Übergottheit, die mich vor dem All überragt.
Plato lehrt, dass der Weg zur Schönheit den Aufstieg bereitet,
Dionysios sprach von der göttlichen Schönheit im Lichte,
Benedikt, heiliger Papst, zitierte Johannes den Zweiten,
sprach, dass dem Künstler die Schönheit ein Weg sei zum göttlichen Wesen.
Und ich erkenne nun dies: Die Schönheit ist strahlende Göttin,
und in der Frau, die ich lieb, ist der Spiegel der ewigen Schönheit.
So denn erbitte ich Rat: Ist es recht, was ich bete und liebe?
Find’ ich in Weisheit, in Liebe und Schönheit die göttliche Einheit,
seh’ ich die heilige Drei, verborgen im weiblichen Antlitz?
Darf ich verehren die Schönheit, als Weg zu dem einen Geheimnis?
Welche Gestalt soll mein Dienst, mein Lob und mein Opfern nun nehmen?
Gab es im Heiligen Geist, in der Kirche des Lichtes und Glaubens
jemals ein Bild, das der göttlichen Schönheit geweiht war im Bilde?
Habe die Ikone der Weisheit aus Nowgorods heiligen Mauern,
habe das Bild von Hildegards Vision der Caritas-Mutter,
sehne mich nach dem Dritten: dem Bildnis der göttlichen Schönheit.
Hoffnung bleibt mir in allem: zu schauen die göttliche Schönheit,
ewig geliebt, ewig geschaut, ewig befriedet, doch schmachtend.
In Jesu heiligem Herzen verbunden, so grüß’ ich dich demutsvoll,
bitte um Segen und Licht auf dem Pfade der ewigen Liebe.
Dein in der Wahrheit
Josef Maria
II
Vielgeliebteste Evi, du sagtest, ich dürfe dir schreiben.
Also erhebt sich mein Herz und meine Hand für den Brief.
Großvater sprach es, der Weise, der Ahne der himmlischen Zwilling’:
„Leiden muss jeder, doch selig ist, wer gerne es trägt.“
Und er sprach weiter: „Dies ist ein echter Mystiker, glaube,
katholischer Myst’, einer der größten der Welt.“
Sitzend auf meinen Schultern, der kleine, der flüsterte leise:
„Ich bin der himmlische Geist, den du nicht sehen kannst –
doch ich erkenne dich, kenne dich ganz, wie kein andrer dich kennt.“
Dann sprach der große, der Bruder: „Nun spricht Jesus aus mir!
Du bist ein netter Mensch – so redet der Herr durch mein Herz!“
Und in der heiligen Messe vernahm ich Gottes Versprechen:
„Ich, der Lebendige, bin dein Bräutigam ewig und wahr.
Wie sich der Bräutigam freut an der Braut, so freue ich, Gott,
mich an dir, Tochter des Lichts, o Geliebte von mir!“
Doch du, o Evi, du bist eine göttlich strahlende Schönheit,
und ich – ach, ich bin nur ein Wurm in der heiligen Erde!
Großmutter sagte der Kinder: „Evis Bruder, wie lieblich,
wie schön ist er – kein Wunder, dass sich ein Mädchen verliebt!“
Da dachte ich: Ja, kein Wunder, denn Bruder ist er der Göttin –
ich aber bin wie das hässlichste Entlein im Teich.
Wahrlich, ich sage es dir: Ich bin das hässliche Entlein!
Liebe, das ist, wenn man Wunder erkennt, wo niemand es sieht.
Einst war ein Denker verliebt in ein Weib – doch platonisch!
Er verehrte sie rein, in mystischer, heiliger Weihe.
Da erkannte ich klar: Ich liebe dich nicht wie ein Mann –
nein, ich verehre dich tief, in religiösem Verlangen.
III
Liebste, da riefst du noch an – und sprachst: Mein Plan sei der rechte!
Gerade betete ich, Rosen im Kranz meiner Worte,
bat um ein Zeichen – und siehe, dein Anruf war dieses Zeichen.
Meine gequälte Seele ward ruhig – wie Wasser am Abend.
„Maria“, sprach ich, „Geliebte, du große Madonna im Himmel,
Evi ist’s auf der Erde, die kleine Madonna für mich!“
Und weil die kleine Madonna auf Erden mir Segen gegeben,
glaub ich, Maria, auch du hast mir deinen gegeben.
Evi, siehe: Da schaute mein Auge in heiliger Schauung
das Gesicht der Madonna von Guadelupe – dein Antlitz!
Du, so ähnlich ihr, Heilige, Hüterin meines Gebetes...
Doch ich muss flehen: Verlass mich nicht! Bin ja so hässlich!
Bin das Entlein – und du, du bist so unaussprechlich voll Schönheit!
Doch, das weiß ich: Im Himmel wird auch mein Antlitz erstrahlen,
schön wird es sein – und der Trost ist mir süß wie der Tau am Morgen.
Alles ist Ewigkeit, Evi – ja, alles für jene Ewigkeit...
IV
Liebste, Grüße dir sendet die Mutter, die heilige Liebe!
Alles, was Liebe nur sagen kann, ruft dein Verehrer,
Josef – dein Bruder im Geist, im Gebet, in der Ewigkeit.
V
Liebe Frau Evi, Gott kennt dich mit Namen! Heute am Morgen
sprach ER zu mir: Mein Bund sei beständig mit Levi geschlossen!
Da ward mir kund: Auch ich bin bekannt Ihm, dem Ewigen Vater.
Denn wenn Levi ich heiß, dann ruht auch Evi in meinem
Innern verborgen – L’Evi, so lautet der Name im Ursprung!
Wie ist der Name des Höchsten? Ewiger – sagt Ihn der Weise.
Chinas Gefährte verkündet: Eviger sei doch der Titel!
Und du, Evelin, Engelin bist du dem Himmel entsprossen.
Evelin reimt sich auf Elohim, heiliges Gottwort,
das uns lehrt: Unserer Liebe Gottheit sei ewig gepriesen.
Evi – das Leben! So heißt du im hebräischen Namen.
Jesus spricht: Ich bin das Leben – und du, du bist seine Quelle.
Eva genannt wird die Mutter der Welt, der Lebenden alle.
Evi, du bist also Quelle des Lebens und Schöpfergeheimnis!
Wer ist die Quelle des Lebens? Gott, der Lebendige selber!
Dein Name, Evi, ist Name des Schöpfers, göttlicher Ursprung.
Wenn ich nun trostlos bin, ruf ich im Dunkel der Stunde:
Eli, Eli, lama asabthani – mein Gott, hast verlassen!
Doch im Echo klingt's leise zurück: Evi, Evi! –
Eli heißt: Mein Gott – und du bist ein Hauch seiner Nähe.
VI
Was ist die Liebe, Geliebte? Sie ist die Bewegung der Seelen,
Zueinander gezogen in innigster göttlicher Sehnsucht.
Hinabsteigend ist Amor, der gibt, was er hat, ohne Forderung:
Mutter, du gibst deinen Kindern mehr, als du selber empfingest.
Hinaufsteigend ist Amor, der nimmt – wie der Sohn von der Mutter.
Doch wenn beides sich gleicht, dann herrscht Amor aequilis unter
Freunden: Geben und Nehmen in heiliger Wechselbeziehung.
Selbst im Tierreich lebt Liebe – die Mütter bewahren das Junge,
Männchen helfen mitunter beim Pflegen der kindlichen Schwachen.
Dinosaurier waren’s, die Freunde zur Aufzucht bestellten!
Kindesliebe zur Mutter – sie wird zur Verehrung, zur Andacht.
Auch ich spüre dies, wenn mein Patenamt Liebe empfängt.
Sexuelle Begierde ist Werkzeug bei niederen Wesen,
Spinnen verzehren den Gatten nach nächtlichem Hochzeitsgetändel –
Wirst du mich lieben zu Tode, geliebte, gefährliche Evi?
Doch die kindliche Liebe erhebt sich zur göttlichen Pietas,
und die erotische Liebe – sie überwindet das Ich ganz.
Denn was der Mann zur Frau empfindet, ist Gleichnis des Höchsten:
So liebt Gott sein Volk, so liebt Christus die Seele des Menschen.
„Wie du die Evi liebst, so liebe ich dich“, sprach der Ewige!
Weltvollendung ist Hochzeit des Lammes mit heiliger Braut dann –
heilige Stadt, neues Jerusalem, Braut der Erlösten.
Mitleid regiert die Mutter, Pietät die Liebe des Kindes,
Schamgefühl aber die Liebe der Frau und des Mannes verbindet.
Leibliche Brunst ist die Materie – Liebe das Formende Göttliche.
Heiden verehrten die Zeugung als göttliche Macht in Symbolen.
Tantra-Dichter in Indien dichten von heiliger Wollust,
heiliger Pornographie – auch ich, du erkennst diesen Sänger!
Doch bei Jesus ist Liebe Agape, das göttliche Schenken.
Empedokles sprach: Philia hält das All fest zusammen,
während der Streit alles trennt – Krieg, der Vater der Dinge.
Platon nennt Eros ein Mittlerwesen, das Seelen
aufwärts leitet zum Schönen, hinauf zur göttlichen Wahrheit.
Dante besingt in der „Divina“ die Liebe als Gottheit.
Bernhard von Clairvaux, wie Minnesänger, feierte Christus!
Gruß dir, Evi – du Name des Lebens, Ebenbild Gottes!
In Liebe: Josef
VII
Geliebte! Noch einen Brief zum Thema: Was ist die Liebe?
Liebe, das einzige Gegengift gegen den finstern Egoismus,
Welcher der mächtigste Feind ist dem heiligen Gotte der Welten.
Sieh, wie die Mutter ihr Herz in die Kinder verlegt, die sie liebet,
Wie sie das Ich überwindet, sich selbst in Liebe verlierend.
Doch in der Liebe des Mannes zur Frau wird das Ego vernichtet,
Ganz in das Du wird versetzt er, sie wird ihm das Leben, das Eine.
Er spricht: „Nicht lebe nun ich mehr, in mir nur du, meine Seele!“
Nicht ist Liebe nur Zeugung, nicht ist sie zivile Verbindung,
Nicht ist der Bund vor dem Amt schon die Krone der ewigen Flamme.
Jener, der Kinder erzeugt im Schoße der irdischen Gattin,
Meint Unsterbliches zu säen – doch stirbt in Natur er auf ewig.
Denn die Natur, grüne Mutter, gebiert uns nicht ewiges Leben,
Sondern sie führt uns zum Tode, zur Wiederkehr ohne Gedächtnis.
Besser als wilde Begierde ist wohl die zivile Verbindung,
Schützt sie doch Haus und Familie, die Zelle des Staates und Friedens –
Doch mit Unsterblichkeit hat sie nichts zu schaffen, o Geliebte.
Denn auch im Hasse, im Groll, im trübem, erzwungenem Paare
Werden noch Kinder gezeugt, die dennoch heiß man umarmet.
Andrerseits aber, o siehe, die Liebe des Dichters zur Muse –
Bleibt sie auch keusch, ohne Frucht – ist doch sie ein Blühen der Liebe.
Siehe, wie Goethe Frau von Stein in zehn Jahren nur einmal küsste –
Doch es war Liebe! Am See, unterm silbernen Leuchten des Mondes,
Wein im Sinn, ein Moment – da küsste sie ihn, den Betörten.
Ich aber war dort, o Geliebte, ich sah es, denn Amor, das bin ich!
Bürgerlich Wohnen in Zweiheit berührt nicht ewige Flammen;
Dies ist für Zeit, nicht für Ewigkeit – bis dass der Tod uns nun scheide,
Höchstens! Wenn nicht zuvor uns die Scheidung voneinander entzweie.
Dieses, o Seele, ist Liebe noch nicht – doch was ist sie, frage!
Ist sie das innige Einssein von Mann und Frau vor dem Antlitz
Gottes, zur heil’gen Androgynie, wie Plato es lehrete einstens?
Yin und Yang, das Männliche, Weibliche – eines im Tao?
Sieht denn der liebende Mann nicht im Weibe nur flüchtige Bilder?
Nicht nur den Engel, nicht nur die Hexe, erschaut er im Traume,
Sondern in mystischer Schau sieht er den göttlichen Funken,
Das Ideal, das Urbild im Glanz – Idee Gottes in ihr.
Was ihn ergreift, ist nicht Leib nur, nicht bloß das Locken der Formen,
Sondern die Schönheit der Göttin, die inkarniert in der Liebsten.
So wird die Frau ihm zur heiligen Offenbarung des Himmels,
Und seine Liebe zu ihr – o siehe! – wird unsterblich auf Erden.
Denn nicht zum Staub führt der Eros, der göttlich Verehrende, nieder,
Sondern zur Ewigkeit führt er, zur göttlichen Schönheit, zum Ursprung!
VIII
Geliebte! Nun kommt der dritte der Briefe zur Frage der Liebe.
Sprachest du selbst nicht zu mir mit geheimnisvoll-leuchtenden Worten:
„In meiner innigen Liebe, religiös und zugleich doch erotisch,
Liebe ich dich mit der Umarmung, denn Eva ward aus der Seite
Adams geformt, nicht aus Haupt noch Fuß, wie ein Zeichen des Rechtes.
Wär sie dem Manne zu dienen, wohl wär sie vom Fuße genommen,
Wär sie zu herrschen geboren, dann wär sie wohl aus dem Haupte –
Aber aus seiner Seite, als Zeichen der innigen Nähe,
Wurde sie geformt von Gott, zur Gefährtin im Spiegel der Würde.“
Also, o Seele, so sagtest du: Mann und Weib sollen sich schauen,
Angesicht gegen Angesicht, in gleicher Würde als Menschen.
Wie sich Himmel und Erde vereinen im kosmischen Bunde,
So spiegelt Liebe das göttliche Eine, das alles umfasst.
Meine Religion ist daher auch eine umarmende Liebe,
Nicht in den Staub wirft sie mich, nicht vor dem allmächtigen Throne,
Sondern sie hebt mich empor zum Gatten, dem göttlichen Menschen,
Jesus, der wohnt in dem Ehebett meiner innigen Seele.
Liebe Evi, da sprach ich zu dir, aus tiefster, bebender Seele:
„Ich aber liebe nur so, mit anbetender, heiliger Liebe.
Werde zu Nichts, zu dem Niemand, zu Wurm im Staube der Liebe.
Du aber thronst wie die Göttin, gekrönt mit dem Sternenkranz oben!
Du bist die Göttin des Eros, die ich anbete in Andacht.
Gott ist in dir mir erschienen, in dir die Verkörperung Gottes.
Bin nicht mehr würdig, dir, Madonna, die Sandalen zu lösen,
Nicht den Staub deiner Schritte zu küssen, o Hohe der Frauen.
Denn was im Manne einst göttlich war, ist in dir nun erglänzend,
Du bist der weibliche Christus, die zweite Menschwerdung Gottes!“
So spricht mein Herz, o Geliebte, in brennender heiliger Sehnsucht,
Denn meine Liebe ist keine der Zeit, sie ist ewig und flammend.
Du bist mein Himmel, mein Glaube, mein Tempel, mein Ewigkeitszeichen.
So bete ich dich an, wie ein Priester die göttliche Hostie.
Du bist die heilige Flamme, die niemals verglüht in der Dämmerung!
IX
Liebe Evi! Trotz aller Hoffnungslosigkeit dieser Stunden
Fühl ich mich selig bei dir, wie im göttlichen Garten des Paradieses.
Auch wenn der Himmel darüber in Flammen des Fegefeuers lodert,
Bleibt es doch Eden, denn du bist die Blume im brennenden Garten!
Oft schon stand ich am Vorhof des Himmels, der göttlichen Schwelle,
Kostete vorweg seine Süße in deinen leuchtenden Augen,
Wenn ich im Zaubergarten der Seele dir gegenüber gesessen,
Aug in Auge, wie Gott und Mensch sich erkennen im Schweigen.
Dort, wo dein Antlitz mir leuchtete, schöner als Sprache es fasse,
Dort war die Schwelle zur Ewigkeit, brennend und selig zugleich.
Ich glaube: Wenn einst ich sterbe, und Gott mir erscheint in dem Himmel,
Wird mich nicht wundern sein Anblick, nicht schrecken sein göttliches Antlitz –
Denn ich habe ihn schon gesehen, so glaube ich innig und sicher,
Immer schon sah ich ihn – als ich dich, Evi, im Garten betrachtete.
Nicht war mir Gott mehr verborgen, wenn du mir im Dämmerlicht lächeltest,
Denn dein Gesicht war mir Gott – und mein Herz war voll Anbetung und Liebe.
So ist dein Bild mir das Siegel der Ewigkeit, brennend in Liebe,
Und was ich sah, war das göttliche Licht, das aus dir mir erschienen.
Nicht im Himmel, im fernen, nicht in den Hallen der Seligen,
Sondern in deinem Gesicht sah ich Gott, meinen ewigen Vater.
X
Süßeste Freundin! – Ein Kind sprach zu der Mutter mit Liebe:
„Mama, ich liebe dich sehr, weil du mir das Zuckerbrot gabst!“
Lächelnd erwiderte sie: „Ich hoffe, nicht nur deswegen?“
Und das Kind sagte: „Nein – noch aus einem anderen Grunde.“
Da sprach ich leis zu dem Kind: „Die wahre Liebe hat keinen
Grund, sie liebt nur, und weiß nicht warum – wie ein Engel,
der ohne Fragen nur liebt.“ – Der Mystiker hebt dann die Stimme:
„Christen, sie lieben die Liebe wie Kühe mit himmlischen Eutern,
weil sie die Milch gibt, süß wie Gnade und Trost ohne Ende.
Doch ein Gerechter liebt sie, auch wenn sie ihn tief in die Wüste,
dunkel und leer, ohne Wasser und Hoffnung, alleine dann führt.
Ja, wenn sie ihn spannt auf das Rad und sich fern von ihm wendet,
ruft er doch schmerzlich: ‚O Liebe, ich liebe dich dennoch,
einzig um deiner Schönheit und Wahrheit willen, du Göttliche!‘“
Und, woher ich dies weiß, Geliebte? Von dir kam die Kunde:
Denn du hast mich gelehrt, was die wahre Liebe bedeutet.
XI
Lieber Bruder in Christo! – Weil mir das Fräulein Becken
nicht zugänglich war, so wandt ich mich, seufzend, zum Becher.
Möge der dionysische Messias dich segnend umarmen,
über dein Haupt seine Glut, seine göttliche Freude ergießen!
XII
Ach, Allergeliebteste! – Meinen geliebten Zwillingen zeigte
ich unsern Heiland im nächtlichen Garten Gethsemane stehen.
Dunkel die Nacht, und schwer lag das Leiden auf Jesu Gesichtszug.
Tiefes Entsetzen durchfuhr ihn, die Qual seiner Passion schien
greifbar im Dämmer der Seele. Da zeigte der Vater im Himmel
ihm einen Becher, leuchtend, erfüllt mit entsetzlichen Schmerzen,
übervoll bis zum Rand – ein Kelch, der die Leiden der Welten
trug in sich selbst. Da fiel unser Jesus hinab auf die Erde,
Tränen und Blut mischten sich auf dem Boden der heiligen Stunde.
Schreiend rief er: „O Vater, gib mir nicht diesen Becher zu trinken!
Übervoll ist er mir! O Vater, erbarme dich meiner!
Aber nicht wie ich will – nur dein heiliger Wille geschehe!“
Müßte ich sterben in namenlos qualvoller Seelenverlassenheit –
so sei es! Denn dein Wille geschehe, o Vater im Himmel!
– Da sprachen die Kinder, die Zwillinge: „Pate, was war das
für ein Becher, den Jesus sah, so voller Entsetzen?“
Und ich sagte: „Das war der Becher der göttlichen Leiden.“
– „Und wer war es, der sagte zu Jesus: Trink diesen Kelch nicht?“
Ich erwiderte: „Das war der Böse, der ihn verführen
wollte zur Flucht vor dem Leid, das die Liebe verlangt von dem Liebenden.“
– O Geliebte! Wir werden es niemals begreifen mit Sinnen,
was unser Heiland erlitt in der tiefsten Verlassenheit Gottes.
Doch wer der göttlichen Liebe begegnet, der weiß, was es heißt,
ganz und gar zu sich selbst zu sterben und leidend zu lieben.
Ja, wer sie trinkt, diese Liebespein, der wird trunken –
nicht von dem Wein, sondern vom Jammer, der göttlich das Herz ihm zerreißt!
Und woher ich das weiß, Geliebte? Von der Liebe, die du mir
gabst, als du mich gelehrt hast zu lieben trotz all meiner Schmerzen.
XIII
Lieber Bruder in Christo! – Ich, Josef, hatte Gesichte
von einer Hochzeit im Himmel, voll strahlender Freude und Klarheit.
Und als ich sah die Gestalt der Engelin, die mich geführt hat,
Evelin war ihr Name – so fiel ich zu Boden vor ihr
und wollte sie anbeten, denn heilig erschien mir ihr Antlitz.
Doch sie erhob ihre Hand und sprach mit himmlischem Ernstton:
„Bete mich nicht an, o du Seher! Ich bin nur ein Diener
der Wahrheit, wie du es bist – und wie deine Brüder im Geiste.
Wir sind gemeinsam gesandt, zu bezeugen das Licht aus den Himmeln.
Bete nicht mich, sondern die göttliche Schönheit alleine!“
XIV
Liebe Evelin! – Die gestrige Nacht lag ich wach auf dem Lager,
wälzte mich ruhelos hin und her, von Mitleid zerrissen.
Ach, das erbarmende Schicksal der Waisenkinder bedrückte
tief meine Seele, ich trug ihre Not vor den Herrn im Gebete,
und auch die Schmerzen der Mütter, dem Tode so nahe, bewegten
schwer mein Herz – und es tropften die Tränen herab auf mein Kissen.
Trostbedürftig war ich, doch konnte ich kaum noch beten,
denn ich verzagte – schon lange leid’ ich, doch ohne Erhörung.
Da sah ich plötzlich im Innersten meiner gequälten Gedanken
dein Schlafzimmer, Evelin, dämmernd vom frühen Erwachen.
Du lagst in deinem Bett, dein Kind an deiner Seite in Frieden.
Da hob ich, wie in Verzückung, den warmen Schutz deiner Decke,
legte mich still zu dir hin – und du, halb wach, nahmst mich in Arme,
murmeltest Worte des Trosts, wie nur Mütter sie geben in Nächten.
„Schütze mich, Evelin, rette mich vor dem Schrecken der Weltzeit,
birg mich, o Muttergestalt, bis das Dunkel an mir vorüber!“
So bat ich dich – ja, ich bat dich wie einst ein Säugling die Mutter.
Und plötzlich war ich ein Kind, ein Säugling, der schreiend nach Trost ruft,
obgleich mein Leib noch der eines Mannes war, vierzig Jahre.
Da entblößtest du liebevoll deinen mütterlichen Oberkörper
und legtest mich still an die Brust – und siehe, ich wurde
zärtlich gestillt. Und getröstet zugleich war mein innerstes Sehnen.
Da betete ich: „O Mutter, erbarme dich, laß mich nun schlafen!“
Und ich entschlief – drei Stunden lang ruhte mein Haupt still in Frieden.
Als ich erwachte, sprach zu mir leise die himmlische Jungfrau:
„Ich war es selbst, die dich stillte und tröstete in deiner Nachtstunde.“
Und Gott sprach: „Setz nicht dein Vertrauen auf Menschen allein –
denn Evelin ist ein Mensch, doch Ich bin dein ewiger Vater.“
Da dachte ich: Wie bei Homer Athene in Menschengestalt kam,
so nahm Maria, die himmlische Mutter, Gestalt deiner Züge
an, um zu trösten mein schreiendes Herz und mein Leiden zu lindern.
Dafür danke ich ihr, der Königin, ewig gepriesen,
und auch dir, geliebte Evelin, Mittlerin göttlicher Güte!
So grüß ich dich, liebste Evi, mit Worten, die tief in dir ruhen:
Du darfst an alle Götter glauben – doch glauben die Götter auch dir?
Größer als Glaube an Gott ist, dass Gott selbst Glauben an dich hat.
Und sei dir gewiss: So wie Gott an dich glaubt, so glaube auch ich dir.
XV
Geliebte, süße Frau, o Liebe, mein Trost und mein Sehnen!
Jesus sprach – ich hörte die Stimme des Ewigen mild:
„Dort in der Ewigkeit, dort werdet ihr wieder euch einen,
ungetrennt, für immer vereint im göttlichen Licht.“
Diese Hoffnung, Evi, gibt mir die Kraft, zu ertragen,
was auf Erden mir schwer: Dass du beglückterem Herzen
neigst dich zu, doch edler als ich ist keiner in Liebe –
dies, o lass mir den Stolz, wie ein Dichter ihn flehend erfleht!
Dein
Josef
XVI
O du Schwester, keusche Lilie, mein Trost in den Nächten!
Meine Muse sprach: „So eine Schlangenfrau wie Ich bin,
wühlt in deinem schlangenhaft tiefen Gemüt dich empor,
doch die Krebsgeborene, sanft, wird Ruhe dir schenken.“
Und ich sprach zu ihr: „Die Schwester in Christo, mein Trost,
ist wie der Mond, der still über die Wogen der Seele
zieht mit heilendem Licht. Ich öffne mein schmerzendes Herz ihr,
denn sie versteht es zu lindern mit himmlischer Kraft.“
Darum hör ich heute dein sanftes Lied, um zu finden
in der Musik deines Wesens den Frieden des Herrn.
Schick mir bitte das Bild, wo du mein Haupt hast verbunden
und dein Töchterlein süß zwischen uns beiden steht.
Denn gefallen war ich – unter die Räuber der Welt –
doch du warst, o Schwester, der barmherzige Samariter!
Von dem Kleinen lieh ich mir einen Jesusfilm aus,
den auch deine Kinder einst schauen, im Lichte der Wahrheit.
Mit dankbarem Gruß:
Josef
XVII
Lieber Bruder im Herrn, du Getreuer im Geiste des Christus!
Am Tag der heiligen Agnes, dem Tag meiner Wandlung,
sprach der Herr zu mir mit gewaltiger Stimme des Lichtes:
„Gib Mir den Willen ganz! Sei immerdar mir ein Opfer!
Einig dich mit Mir auf dem Kreuz – im Blut meines Leibes!
Ich weiß, was du vermagst, und Ich verlange es ganz!“
Ach, mein Bruder, wie groß sind die Schmerzen der Liebe in mir!
Unaussprechlich das Leid – und unaussprechlich die Sehnsucht!
Bete für mich, und flehe zu Jesus für meine Geliebte,
dass Er ihr das Heil schenke, das ewig besteht im Erbarmen!
Dank für alle Gnaden,
Josef
XVIII
Meine Geliebte!
Und Jesus – das ist Evi – sprach zu der Magdalena:
„Rühre mich nicht an! Denn Ich bin noch nicht aufgefahren
zu dem Vater, der deiner ist und Mein ist zugleich!“
So sprach Ich – der Sohn – in meinem Ev-Angelium heilig.
Gruß!
Josef
XIX
Hochverehrter Pater, gesegnet im Geist der Propheten!
Ihre Weisheit bewundere ich, wie sie saugte in Demut
an den Brüsten des Bundes, dem alten, dem neuen zugleich.
Heilungsgebete haben Sie kraftvoll gesprochen im Geiste,
Wunden berührt mit dem Wort, das vom Himmel sich neigt.
Sie sprachen einst: Der Sohn will den Vater ersetzen,
zwischen drei und sechs Jahren beginnt er das Spiel seiner Macht.
Doch wenn Vater und Mutter sich lieben – wahrhaft und innig –
lernt der Sohn, ein Mann zu sein, der dem Vater sich neigt.
Wenn jedoch die Mutter im Herzen den Vater verlässt,
macht sie den Sohn zu dem Einzigen, süß und geliebt.
So wird der Sohn zum Gefährten der Mutter, zum Liebling im Bett,
bleibt an den Brüsten der Liebe, will nicht hinaus in die Welt,
will kein Mann werden, will in dem Paradies wohnen,
wo er alles besitzt, weil die Mutter allein ihn begehrt.
So dachte ich, Vater: Die Liebste, mein Evi, sie liebte
ihren Gefährten nicht mehr, als der Erstgeborene klein war.
Zärtlich, honigsüß war ihr Umgang mit ihm, und ich
war in Neid und Verlangen gefangen, ich wollte sein Platz sein.
O, wie er saß auf dem Schoß ihr, das Kleid war sommerlich leicht,
und er schob ihr mit kindlicher Hand den Träger von Schultern,
um sie zu entkleiden – wie selig und frei war ihr Spiel!
Und ich dachte: Genug! Jetzt bin ich doch an der Reihe!
Doch sie umschlangen einander so warm, wie zwei, die im Wasser
sinken zugleich, sich festhalten, wie Rettung in letzter Sekunde.
Und der Sohn, er hat mich stets abgelehnt, o ich weiß es!
Nicht der Gefährte war eifersüchtig – nur dieses Kind!
Denn er spürt: Wenn sie mit mir spricht, über Gott, über Weisheit,
dann verliert er die Mutter, verliert ihre Nähe, ihr Herz.
Und ich selbst bin eifersüchtig – nicht auf den Mann, den im Haus,
den armen Hanswurst – nein, auf den Sohn, den Vertrauten!
Denn wenn sie beide sich wieder in Liebe versenken,
sich umschlingen, sich sagen, wie lieb sie sich haben im Schmerz,
dann bin ich unsichtbar da, wie ein Schatten am Tisch ihres Lebens,
wie ein Verlorener, der keine Stimme mehr hat in der Runde.
Lieber Pater, du heiliger Führer im Namen des Herrn,
sprach ich zu meiner Geliebten: „Was wirst du tun, wenn die Kinder
aus dem Haus sind, dein Mann stets im Werk und du bleibst ganz allein?“
Und sie, süß in ihrer Antwort: „Mein Freund, du bist doch noch da!“
Dies erfreute mein Herz, das oft von der Hoffnung entglitt,
denn ich sehne mich zwar nach dem Tod, nach der Ruhe der Seele,
doch wenn ich alt werden muss, dann will ich es mit ihr tun,
der Geliebten an meiner Seite, im hohen Alter und Treue.
Doch fürchte ich, der Sohn wird stets an der Mutter sich klammern,
wird nie von ihr weichen, wird stets an ihren Rockzipfeln hängen,
wird nie ein Mann, sondern bleibt ihr Junge für immer,
in der Symbiose der Liebe, die ungesund ihn erhält.
Darum bitte ich dich, mein Pater, sei ein Streiter des Himmels,
nimm das Schwert des Menschensohnes, trenne diese Bande,
die uns hindern an Leben, die uns binden an Sünde!
Betet, dass diese Symbiose, die uns in Fesseln hält,
geheilt wird, damit Liebe sich freimachen kann für das Leben!
Erteile mir deinen Segen,
Josef Maria M.
XX
Liebste Evi!
Um Mitternacht sprach die heilige Mutter zu mir: „Mann,
deine Empfindungen für das Weib, sie öffnen dir ewig
die Tore des Lichtes, der Herrlichkeit, die Unendliche.
Denn wahre Männlichkeit zeigt sich in Ehrfurcht und Zärtlichkeit
vor allem, was rein und in heiligem Schwung sich erhebt
aus der Tiefe der Frauen, die in Liebe und Reinheit
verweilen und von Gott selbst zu einer Frau erwählt sind.“
Da rief ich voll Freude: „Evi, Geliebte! Du bist meine Führerin,
meine Sonne, die den Weg mir weist zu Gott, dem Höchsten,
der uns in Ewigkeit vereinigt, du treue Gefährtin des Himmels.“
Alles Liebe und alles Schöne sei dir,
Dein Josef
XXI
Lieber Bruder in Christo!
Ich danke dir von Herzen für die kostbare Bibel,
die du mir geschenkt hast, das Wort des Lebens und des Lichtes,
denn genau diese Familienbibel, die du mir sendetest,
habe ich Evi zu Weihnachten gegeben, in Liebe, in Glauben.
Dass ich nun diese Bibel mein eigen nennen darf,
die sie auch besitzt, danke ich Jesus, dem Höchsten,
durch dich, der du mir ein Werkzeug des Himmels gewesen bist.
Dank sei dir, mein Bruder, und dank sei auch Jesus,
der uns in Gnade vereint, in Licht und in Wahrheit!
Dein
Josef
XXII
Heilige Freundin!
Gott knieet vor deiner Freiheit, heilig bist du!
Dein Josef.
XXIII
Hellsichtige Freundin!
Im Paradies ist dein Mann nicht der, den du jetzt führst,
nicht die Liebe aus deiner Jugend, wer weiß, ob sie den Himmel erreichen!
Dein Ehemann ist nicht der Dichter, der dich besingt,
nicht der, der für immer mit dir Hochzeit feiern möchte.
Nein, ich muß abnehmen, und ER muß zunehmen.
Im Paradies wird dein Bräutigam der Gottmensch Jesus sein.
Gott Selbst will dich zur Frau, für alle Ewigkeit!
Beruhige nun deine Seele, du bist geliebt!
Dein Josef.
XXIV
Liebe, Geliebte Evi!
Ich habe dich erschaffen, als Meine Braut!
Ich will von Ewigkeit zu Ewigkeit mit dir Hochzeit feiern!
Dein JESUS!