von Torsten Schwanke
I
Einstmals war es die Zeit, da Würde den Namen erwarb sich,
Da die Fürsten den Ruhm auf Künste zu gründen gewohnten,
Großmütige Mäzene den Genius niederer Stände
Hoben empor, als wären sie selber die Rivalen des Ruhmes.
Damals herrschte Pygmalion, König der Tyrier, und hoch war’s
Sein Verdienst: er schätzte das Echte, enthüllte das Würdige offen.
Solch eine Höhe gewann er der göttlichen bildenden Künste,
Daß der geformte Marmor von denkendem Leben beseelet.
Immer erhitzt von dem Feuer der steigenden eigenen Schöpferkraft,
Wagt’ er Natur zu besiegen und göttliche Formen zu schaffen.
Solch ein Erhabnes verlieh er den marmornen Göttergestalten,
Daß von den Bildern der Glaube noch stärkeren Halt in sich fand dort.
Hier war Jupiter drohend, mit schrecklichem Donner bewaffnet,
Schleudernd den Blitz auf die Welt, die bebend am Boden erzittert.
Dort schon rüstete Merkur, der leichtbeflügelte, zum Fluge,
Schien schon jetzt die Lüfte zu spalten, die Ferne zu eilen.
Venus stand in erhabener Schönheit, geschmückt von den Grazien,
Strahlend so hell, als sei sie dem himmlischen Reiche entsprossen.
Doch so göttlich ihr Blick, so siegreich ihr himmlisches Feuer,
Daß er Anbetung gewann und Sehnsucht verzehrte im Herzen.
Nicht mehr strebte der Geist zu erhabenen heiligen Zielen;
Näherem Bilde nun gab er die glühenden Kräfte des Schaffens.
Formte ein Mädchen, so hold und so lieblich von göttlicher Schönheit,
Daß er in ihr die gesammelten Reize der Sterblichen sah nun:
Alles, was je an Anmut zerstreut in den Töchtern der Erde,
Floß in dies Eine zusammen, vollendet, vollkommen gestaltet.
Sanfte Anmut erglänzte, ein süßes Verlangen erweckend,
Selbst die göttlichen Vorbilder schienen von ihr überwogen.
Prangend erhob sie die Halle, das glänzende Heiligtum füllend,
Stand auf Elfenbeinstufen, erlesen und köstlich geschliffen.
Wie entzückte das Bild den staunenden Blick des Künstlers!
Täglich war sie sein Wunder, des Nachts ihm Traum und Begierde.
Immer noch wuchs sein Staunen, je öfter der Blick sich erneuerte,
Immer noch neues Entzücken entströmte dem Schauen des Bildes.
Alles sein Glück war allein ihr vollendetes Dasein,
Rühmend er fühlte zugleich, wie groß nun sein Name sich hebe.
Schon die begonnene Arbeit verließ er, die Flügel der Phantasie
Rief er zurück – doch Skizzen, sie blieben unvollendet liegen:
Oftmals ruhte die Hand, oft irrte der Blick zu dem Bilde.
Nimmer erschien ihm der lebendige Zug in den neuen Gestalten;
Galatea nur fesselte ganz und bannte sein Denken.
(Also benannte er selbst die holdeste Nymphe der Schöpfung.)
Oftmals erlag er dem Zauber, vergaß die ermüdende Arbeit,
Schmachtend betrachtend das Bild, das schöner als alle ihm deuchte.
Endlich verhüllte er heimlich den Blick, den bezaubernden Anblick,
Wollte durch Purpurvorhänge, von goldenem Stickwerk umflossen,
Sich von der Qual erlösen und wiederum weiter erschaffen.
Eitel der Wunsch! denn quälend erschien ihm die ferne Geliebte:
Wie ein Verliebter, der leidet, wenn fern ihm das Antlitz der Sehnsucht,
So verzehrte sich still auch er in verschmachtendem Kummer.
Keine Gestalt mehr gelang ihm, die Schöpfungen blieben zerrissen,
Nur ein unförmiger Block war das mühsam erarbeitete Ende.
„Ach, muß ewig mein Blick auf leere Gestalten sich heften?
Kein Odem des Lebens erwärmt das mühvoll gemeißelte Marmor!
Wehe! wohin entfloh mir die göttliche Glut meines Geistes,
Die einst fähig gewesen, dem Stein noch Seele zu hauchen?
Erloschen ist sie, die heilige Flamme der Schöpfergewalt nun,
Kalt liegt meine Phantasie, sie wagt nicht mehr zu erheben.
Nimmer gebieten die sprechenden Züge dem Leben der Götter,
Kalt und leblos verharren die Bilder in schmerzlicher Starre.
Pygmalion, forme nicht länger den heiligen Tempel der Mächte!
Deine Kunst ist zu niedrig für göttliche, himmlische Dinge.
Und ihr verfluchten Werkzeuge, Schmach nur bringen sie weiter,
Hinweg von mir, hinweg! zerstöret nicht länger den Namen!“
„Wehe mir, was bin ich? welch’ seltsame Wandlung des Innern?
Welcher verborgene Grund gebiert mir derartiges Leiden?
O du gesegnete Tyros, du herrliche Königin-Stadtland,
Machtvoll, erhaben in Reichtum, in Glanz und erhabener Bildung!
Nicht mehr reizt mein Herz, was einst mich entzückte und fesselte,
Nicht mehr erfreuen die Werke, die würdigen Früchte der Künste.
Last ist mir selbst die Weisheit, die redenden Farben der Erde,
Dumpf das tönende Lied, das Ewigkeiten durchhallen sollte.
Nicht mehr rühren die Preise, die rühmende Stimmen verkünden,
Nicht mehr heben den Geist die glorreichen Ehren des Namens.
Selbst die Freundschaft verliert mir den holdesten Zauber des Lebens,
Nichts mehr erwärmt, nichts bleibt, als nagende Sehnsucht im Herzen.“
„Und ihr, Jugendgestalten, der göttlichen Schönheit vollendet,
Die ihr einst mir den Mut zum kühnen Schaffen entzündet,
Die ihr den Blick mir lenktet auf jede Bewegung, auf jede,
Daß ich entzückt nicht scheiden, den holden Gestalten mich lösen konnte –
Euch vergesse mein Herz, seit diese Hand eine Höhere bildete:
Eines vollkommneren Seins Glanz hat alle verdunkelt.“
Also klagte der Meister, von Schmerz und von Liebe verzehret,
Ganz bezwungen vom Bild, das göttlicher Schönheit ihm strahlte.
Tag und Nacht umkreiste sein Herz die holdeste Sehnsucht,
Nichts mehr vermochte die Glut von Galatea zu lösen.
Nicht mehr reizte die Mühe der Künste, das glühende Schaffen,
Denn nur sie war ihm alles, der einzige Quell seines Lebens.
Oftmals naht er dem Bild mit bebenden, zärtlichen Händen,
Fühlt, wie Kälte des Steins ihm die Glieder mit Schauder durchrieselt;
Doch in der Seele erglühet ein mächtiges, heißes Verlangen,
Hoffend, das starre Gebild möge einst zum Leben sich regen.
Kühn vernahm er die Träume der Nacht als göttliche Mahnung,
Sah die himmlische Gnade im Schlummer hernieder sich neigen.
So in schmachtendem Warten verzehrt er die Tage der Sehnsucht,
Hoffet von Göttern allein Erhörung des innigen Flehens.
Und das Herz des Künstlers, von göttlicher Flamme durchlodert,
Ward zur Quelle des Glaubens, daß Liebe den Marmor belebe.
Seine Kunst war gebrochen, doch stärker die Macht seiner Sehnsucht:
Göttlich verklärt, ergriff ihn die Glut des ewigen Eros.
So erstarb die Erinnerung, daß er dereinst noch Götter gestaltet;
Denn er sah nur die Eine, vollendet, erhaben, die Schöne.
Und er beugte das Knie, er flehte mit bebendem Busen,
Daß die Gestalt, die stumm in erhabener Schönheit ihm strahlte,
Endlich erwache zum Leben, vom Feuer der Liebe durchathmet,
Und daß das göttliche Herz im Marmor zum Herzen ihm werde.
Fest hier verwurzelt, von geheimem, fremdem Kräftehain,
In müß'ger Müh verzehr' ich jede mattverwehte Stund'.
Zu jeder Gruppe, jedem Antlitz zieht mein Blick umher,
Doch freudlos hier, und widerwillig, diesem Ort entflieh' ich nicht:
Nicht mehr mein ist die hohe, glänzende gestaltgebende Kunst,
Die Stein vermochte zu Leben gleichsam wiederzugießen;
Die zagend' Skizzen, alle noch gestaltlos, bleiben stumm,
Die ich und immer ring' und formen will — und stets verfehl' ich's.
Es ist vorüber — tot mein Genius liegt, erloschen nun,
Und selbst bei junger Kraft entflieht mein Talent mir schon: — — —
Doch welche Glut ist dies, die meine Seele ganz verzehrt,
Und durch mein ganzes Glied ihr heißes Wirken niedergießt!
Gerade dann, da matt der Genius schwinden scheint, verzagt,
Empfind' ich solche Flammen — ist's möglich, solch' Bewegung?
Solch' ausbrechend' Leidenschaften, die meine Brust zerreißen,
Die jede Vernunft verhöhnen und zur Trauerdrang' mich rufen!
Vielleicht, gelangweilt, selbst über mein Werk vergöttert sehr,
Hat dieser wirre Sinne Zustand jene Regung mir gesandt;
Enthüllt vor meinem Blick nicht mehr, verweilet hinterm Schleier,
Verbarg sich freundlich, was mir einst den Frieden hätte geben.
Dies ist der Lohn? — Die Hände wagten frech Verhüllung gar,
Zu bergen ihre hellste Ruhm, ihr lohnendstes Gepränge!
Und doch erkenne ich: verwehrte Hülle hilft mir nicht,
Kein Trost für Genius bringt sie, keine Linderung dem Schmerz.
Das Werk, dessen Lobwärts rollt bis in die späteste Zeit,
Wie teuer, wie geliebt für meine wundgestählte Seele!
Wenn meine Müdehand nichts Großes mehr entwerfen wird,
Nichts Schönes, anmutig, Würdiges noch mein zu nennen ist;
Was einst ich schaft', wird stets mein Thema, meine Ruh',
Galatea wird mit meinem Ruhm mich wieder auslös'n — — —
Von allen andern Gaben leer, o meine einzige Stätte!
Du, teure Galatea! gibst mir wieder Schlaf, den Frieden.
Doch warum vor meinen gier'gen Augen sie verheimlich'n?
Welch' Hoffnung auf Wesenstrost erwächst aus jener Ferne?
Da ich vermag nicht mehr, mein Talent fortzuspinnen jetzt,
Warum verberg' ich dessen edelsten Versuch vor mir?
Vielleicht ein leichter Fehler, unbemerkt, noch ruht darin,
Ein heimlich' Reiz mag flehen, endlich auch geäußert zu sein,
Etwas mag ich noch anfügen ihrem Schmuck, ihr geben,
Nichts soll der Fantasie übrigbleiben mehr zu wünschen.
So will ich wiederzeichnen ihre Reize, Stück um Stück,
Und jeden Zauber, jeden Fehler eingehend ausforschen;
So kämpfen meine Gaben mit den Perfecktionen dort,
Der reizende Wettstreit mag beleben meine Kunst;
Doch muss ich noch betrachten — ach! zurück! — verweile nicht,
Bis nur versuchsweise du stehst dem Scheine, kaum bewundert.
Welche sonderbare Regung schlägt in meiner Brust,
Wenn ich den Vorhang hinschiebe, den verhüllenden Besitz!
Ein plötzlich Zittern packt die Venen jedes Flehns;
Ich scheine einen heil'gen Tempel zu verletzen mit dem Blick —
PYGMALION! — es ist bloß Marmor — nur ein Stein, — — — der Leib,
Der unter meiner formenden Hand Gestalt gewonnen hat.
Was denn? — in unseren Heiligtümern sind doch eingeschlossen,
Götter, die ich selbst gebildet, einst von meiner eignen Art.
Er nun zog beiseit' des azurnen Vorhangs dichten Saum — — —
Die schöne Bildgestalt tritt aus dem Schleier offen dar;
Mit plötzlich Forttrieb fällt er kniefällig nieder hin,
Und mit sanften Worten nennt er sie, die er erschuf: — — —
„O! Galatea! lass mich dich in Andacht anbeten nur — — —
Gedacht, dich zu gestalten, hab' ich dich zur Nymphe schon gemacht:
Dies Angesicht, dies Wesen — alle Götter deutet's an;
Nicht Venus selbst war je so schön in ihrer Pracht zuvor.
O! Eitelkeit! du Schwäche aller Menschenherzen!
Unermüdet schau' ich an, was ich mit eig'nen Händen schuf;
Es ist nur Selbstliebe, die mein ganzes Inn'res füllt;
Ich lob' mich selbst in dem, was ich geschaffen hab' allein:
Von der Natur, nichts solch' ein Reiz entsprossen könnte;
Dies übertrifft gar wieder jener Götter eignes Werk.
Und aus der eignen Hand erschufen solch' Gestalt, — o viel zu viel!
Soll diese Hand profan gewagt zu fühlen solche Form?
Und haben diese Lippen doch mit lüsternem Gefühl
Die Nachahmung der süßen Brust berührt, so sanft, so weiß?
PYGMALION — — — ach! ein Fehler, welchen ich erkenne nun,
Die schändlich' Fehl' soll ich sofort zurücknehmen, schnell,
Zu sehr verhüllt das wallende Gewand den reizend' Leib,
Die Reize unter ihm müssten offener erscheinen ganz.
Welche Furcht, welcher Schrecken quält mein aufgeregtes Herz!
Und wo, o wo, soll die zweifelnde Waffe schließlich fall'n?
Ich kann nicht — — — ich wage nicht — — — o zitternde, scheue Seele!
Ein überstürzter Schlag zerstört vielleicht das ganze Bild! — — —
Endlich beschlossen, führt er einen sanften Hieb;
Dann scheu zurückspringend, angstvoll und entsetzt, — — —
„Ach! schrecklich Vorzeichen! mir dünkte, die Brust sich hob,
Und bebend, schnaufend, wich sie meinen harten Hieben aus.
Gewiss eine Göttin! — — — mich schrecken die Götter ab,
Und ihre Ehren schützen sie in ihrem eignen Heiligtum:
Was wolltest du ändern? was neue Reize sollst du geben?
Ihre einzigen Fehler fließen aus der Vollkommenheit.
Himmlische Gestalt! mit weniger zwingender Gewalt,
Wär nichts verloren, nichts, das noch ans Herz gebunden wär'.
Doch fehlt noch mehr — — — eine reine, leuchtend' Lebensflamme,
Zu wärmen, zu beseeln den liebreizenden Leib: — — —
Wie muss die Seele in erhellter Würde herrschen,
In solchem schönen Leibe ihr für ewig Wohnung sein! — — —
Welche Wünsche form' ich! welche wilden Begierden!
O Himmel! — die Illusion flieht wie Rauch in einem Hauch — — —
In meinem Herzen liegt das düstre Bild, das ich verachte selbst,
Zu schauen, dessen Bild ich mich selber muß verachten.“
Zu welcher Leidenschaft ist meine Seele hingegeben!
Hier, an ein leblos Ding, in dieses enge Schweben!
Ein Marmorblock, ein harter, unbeweglich Stein,
Vom Meißel nur geformt, von diesem Stahls allein!
Ach, irrender Wandrer! kehre heim zu deinem Leben,
Klag deine Torheit, weine deines Widersinns Beben!
Doch nein — noch halte ich den klaren Sinn beisammen;
Nicht wahnsinns Tollheit hat mein festes Denken zerronnen:
Noch trifft mich keine Scham, kein Selbstvorwurf mich hart;
Kein unbedachter Trieb verwirrt mein klares Herz zart:
Nicht jener leere Marmor jene Glut entfacht,
Mein gefangenes Gemüt zu solcher heißer Macht:
Es ist ein Wesen echt, das ich so hoch verehre,
Wie jenes, das nun meine Blick' in Wonne nähre:
Es ist nur die Gestalt, die meine Phantasie wärmt,
Ein ideales Bild, das in der Seele schwärmt:
Und ach! wohin solch Schönheit nur gesetzt auch werde,
Welch Leib sie ziert, von welcher Hand geformt auf Erden,
Von welcher Kunst so rein, in solcher Vollendung,
Dem gilt mein Herz, dem fließen meine tiefsten Sendung —
Ist Torheit dies? So müssen solche Reize lehren;
Mein einziges Vergehen — solche Kräfte zu spüren:
Darin ist nichts, was sich der Vernunft entgegenstellt,
Noch etwas, wovor Stolz die röternde Scham erzählt.
Das Objekt scheint Funken eines Lebens auszuschießen,
Es brennt mein Sinn, entzündet sich, beginnt zu fließen;
Sein lebhaft Glänzen spielt um meine innern Glieder,
Und kehrt zurück und zieht die Seele fort von mir wieder —
— — — Ach! kalt und regungslos verharrt die Form so stumm,
Taub für mein Flehen, achtlos meiner Schmerzen Krumm;
Indes hebt mein schwollnes Herz in meiner Brust sich heftig,
Und sehnt sein Sitz — fort von sich — nach jenem Busen sehnlich:
Welch Entzücken, könnte mein Geist zur Flucht sich lösen,
Und sich sogleich mit jener schönen Form verschließen!
Diesen kalten Leichnam lassen bei Galateas Schönen,
Und ihren Reizen meines Lebenswärme krönen!
Was sag ich? O Götter! mögt' es möglich sein so sehr,
Ich säh' die himmlische Gestalt nicht mehr, dann mehr — — —
Ich würde nicht mehr wünschen sie mein Lebensflammen; — — —
Laß mich ein andrer sein, und nimmermehr derselbe! — — —
O laß mich immerdar so hinversenkt nur schauen,
Und stets verlangen, daß sie meine Tage wolle bauen;
Sie stets zu schauen, stets in Liebeswahn zu bleiben,
Den Scheinsegen ihres Liebesglanzes nur zu treiben.
O Qual! vergebne Wünsche, eitler Trieb, Getöse!
Wütend, hoffnungslos, entflammt die Liebe meine Größe;
Von höllischer Gewalt erfüllt — mich zu besitzen
Scheint nun die Hölle in der brennenden Brust zu sitzen — —
— — — Ihr Götter! die ihr alle unsere Leidenschaften kennt,
Allgüt'ge Mächte! übt Erbarmen, gnädig euch gedenkt! — — —
Oft habt ihr schon die starren Ordungen gewendet,
Und Wundertaten schon an leichtem Anlaß euch geschenkt — — —
Betrachtet jene Form! — mein blutend Herz beschauet —
Seid gerecht — und würdet euer anerkanntes Staunen!
Und du, erhabenstes Wesen, tief im Herzen verborgen,
Dem Sinn entzollt allein, nicht Sinnen bloß zum Morgen;
Welch' Seele der Welt, erst Ursache allen Seinens,
Die lebt und wirkt und regt um dies dies irdische Geringes;
Du, der durch anziehend Liebeskräfte lenkst den Streit
Der Elemente, füllst mit Leben stofflichs Gewicht weit;
Die dem Körper Sinn und Geist dem Leibe schenkest,
Und mannigfache Gestalt den Wesen zuwenkest;
Himmlische Venus, reines ätherisch Feuer!
Du, die durch milde Glut erweckst begehrend' Steuer;
Du befiehlst der Welt, sich selber neu zu finden:
Wer ist dir gleich? Wo deines Reiches feste Gründe?
Wo deine breite Kraft, dein stetiges Gesetz,
Vor dem sich alle Natur in schamlos stillen Reiz beugst?
Wo deine schöpferische Glut in meinem Verlangen,
In diesen öden Wünschen, die mein Innerstes durchdrangen?
Deine Flammen sind in meinem Busen eng vereint,
Während Kälte, Tod an jenem Marmor sich vereint:
Durch Übermaß des Lebensbrandes sterb ich, jammernd;
Welches doch jenem Bild der lebenden Hauch wär mir spendend:
Ich bitt' kein Wunderwerk, das Heil mir könne geben,
Aus Wunderbaren fließt hierher mein eignes Beben:
Des Lebens geordnete Bahn ist aufgehoben,
Und an Beginn fühlt sie nun eine verhasste Hohl' oben:
Dein Reich, stell wieder her die einstge Ordnung klar,
Gieß in den Lauf der Zeiten dein geniales Jahr!
Dein mächt'ges System bleibt halbfertig, ungepaart:
Zu leben und zu lieben müssen zwei sich paaren zart:
Zwischen ihnen teilt die Flamme, die den einen frisst,
Und raubt dem andern seine edelsten Künste und List:
Du warst's, der jene Reize selbst so liebevoll entwarf,
Du selbst hast formend hingenommen die Gestalt so zart:
Wie würde solcher Anmut mehr dein Ruhm beleuchten,
Wenn du ihr Leben, Empfindung, Seele würdest deuten!
O gib ihr Leben! übertrage mir die Hälfte,
Tranferre all mein Sein! — mein Herz, ich gebe's dir, in der Tiefe!
— — — O du! der unsren Bitten wohlgeneigt geneigt,
Der Sterblich' Freund, der jeder Bitte mild sich neigt,
Erhöh mit deinem Werk die Herrlichkeit und Maße,
Und nimm dies tiefe Unrecht von Naturs’ gebrechlichem Glase:
Göttin der Schönheit! richte ihren Schaden wieder,
Laß nimmer ein Bild heller schmücken als ein Leib, als die Glieder!
Was für ein plötzlicher Friede! – zurück mir kehren die Sinne.
Tödliches Fieber verzehrte den schwankenden Leib mir.
Jetzt aber strömet die Hoffnung in balsamisch gelinden
Strahlen durchs Blut, und schenkt mir ein neugeborenes Leben.
Also besänftigt das Denken der menschlichen Schwäche
Kummer und Leid, und erleichtert die Bürde des Schicksals:
Ob auch ringsumher unzählige Übel sich mehren,
Rufen wir Götter nur an – und genießen des Friedens.
Aber vergeblich verweigert die trügende Hoffnung
Linderung dort, wo törichte Wünsche sich regen:
Ach, zu solch irrsinnbetörten Gebeten wie meinen
Neiget kein Gott ein Ohr, kein gnädiges Walten des Himmels.
Denn was sind diese Gesichte? – nur Wahnsinn gebiert sie;
Eitles Verlangen allein ist die Quelle der Torheit.
Welches Gespenst verfolge mein bebendes Herz? – schon fliehet
Schamvoll die Seele zurück vor dem eigenen Bilde.
Wenn ich das tödliche Antlitz erblicke, verzehret
Neues Entzücken die Brust, und glühend bebt mir der Atem,
Während ein schauerndes Ahnen das kühne Beginnen hemmet.
Elender! fasse nur Mut, und waffne die Nerven mit Stärke,
Wage, entschlossen, dem Steinbild Auge zu bieten!
Himmlische Götter! – was sah ich? – welch heiliges Wunder?
Täuschte mich Sinn? – oder blickte die Schönheit des Lebens?
Marmor erstrahlte, verklärt in blühender Anmut!
Feucht erglänzten die Augen mit seliger träumender Milde!
Tief in das Herz mir drang ihr leuchtendes Strahlen,
Sah ich doch Glieder bewegt in zärtlicher Regung.
Nicht genügte die schmeichelnde Hoffnung, entzündet im Innern
Glühend die Sehnsucht nach jenem verlangten Besitze:
Neue Täuschung erhebt sich, mit gaukelnden Bildern verspottend
Alles, was brennendes Herz noch wagte zu hoffen.
Unglückseliger! – nun bleibt dir kein Trost mehr vorhanden:
Wahnsinn herrschet, und ganz ist der Geist dir entflohen;
Nicht nur die edle Begabung des Denkens verloren,
Selbst die geringe Vernunft ist völlig dahingeschwunden.
Darum beklag’ ich nicht länger den Fall und die Schande:
Denn was die Vernunft mir geraubt, verhüllet zugleich mein Verderben.
Ja, daß nur Träume die Qualen des Jammers besänft’gen,
Der, vermessen, gewagt, ein seelenlos Bild zu umarmen,
Ist ein Glück, zu groß für einen so elenden Sterblichen!
Also sprach Pygmalion, tief in der irrenden Brust ihm
Wechselnd Liebe und Scham, und Zorn und trauernde Sehnsucht;
Sinkend beugte der Geist sich nieder unter der Bürde,
Wagend nicht Bitten zu flehn, noch Rettung zu hoffen.
Tief in der Seele bewahrt er das Bild, das verderbend
Alles ihm raubte, was einst an Frieden er kannte.
Wie, wenn Seefahrer, die unerforschte Gewässer durchstreifen,
Eine Insel erblicken und eilig rudern zum Ufer:
Grünende Zweige erfreun ihr hoffendes Auge im Anblick,
Früchte, noch ungekostet, verheißen süßliche Labung,
Quellen, die rieselnd entströmen in murmelnden Bächen,
Füllen die leeren Gefäße mit kristallenen Fluten.
Spielend verweilen sie dort, am Ufer des schimmernden Eiland,
Tummeln sich froh, bis das Meer mit entweichenden Wogen sie mahnet,
Eilig die Fahrt zu beginnen, da sinket das Wasser im Strande.
Doch wenn einer, entzündet von glühender, wärmerer Sehnsucht,
Tiefer sich wagt in den Schatten der lockenden Wildnis,
Lustvoll geführt von den Wundern, die staunend den Blick ihm empfangen,
Blumen, noch namenlos, öffnen die vielfarbigen Kelche,
Und in den Lüften entströmet ein süßes, berauschendes Dufter,
Der, von den wehenden Winden getragen, den Wanderer fesselt.
Immerhin schreitet er fort durch das üppig prangende Dunkel,
Das der Sonne Strahl mit funkelndem Gold nie erleuchtet:
Rasen bedecken die Flächen der breiten, glänzenden Wiesen,
Wo sich der Wald in feierlich schweigender Wölbung erhebet.
II
Doch die frechen Propoetiden verleugneten, dass Venus
Göttin sei; da strafte die himmlische Macht sie mit Zornesgewalt:
Erst waren sie jene, die preisgaben schamlos den Körper,
als ihr errötendes Blut verhärtete, Scham sich verlor,
und sie versteinerten bald, nur wenig verschieden vom Felsen.
Dieses betrachtend, wie sie in schändlicher Sitte lebten,
wandte sich Pygmalion ab von den Lastern der Weiber,
welche die Natur in die Seelen der Frauen gelegt hat.
Ehelos lebte er so, allein in der Kammer des Bettes,
jahrelang ohne Gefährtin. Doch schuf er im Elfenbein weißem,
glücklich im Werk, ein Bild mit bewundernswürdiger Kunst;
keine geboren ward schöner von irgendeiner Mutter.
Und er verliebte sich heiß in das Werk der eigenen Hände.
Jungfrau schien sie zu sein, so wahr, als wolle sie leben,
wär nicht die Scheu ihm, zu glauben, sie regte die Glieder.
Kunst verbarg in sich selbst die wunderbare Vollendung.
Staunend entzündet er sich am Ebenbild brennender Sehnsucht,
prüfet die Glieder mit Händen, ob’s Körper sei oder nur Elfenbein,
und er gesteht sich nicht ein, dass Elfenbein es noch immer.
Küsse erteilt er und glaubt, sie gebe die Küsse zurück.
Redet zu ihr, umfasst sie, und glaubt, die Finger versinken
in dem gefühlten Fleisch, und fürchtet, ein Druck hinterlasse
Spuren am zarten Gebild. Nun bringt er ihr schmeichelnde Worte,
kostbare Gaben dazu: glänzende Muscheln und Steine,
bunte Blumen, die Blüten der tausendfältigen Wiesen,
Lilien, schimmernde Kugeln, die Tränen der Heliaden,
alles, was zierlich und schön. Er schmückt ihr die Glieder mit Kleidern,
Ringe den Fingern, dem Hals die goldene Kette, den Ohren
Perlen so licht, und Kränze legt er auf schimmernde Brüste.
Alles geziemt sich; auch nackt erscheint sie von größerem Reize.
Sanft auf purpurnem Tuch von Sidon bettet er jene,
ruft sie die Gattin des Lagers, und legt ihr Nacken zurück auf
weiche Gefieder, als fühlte die Glieder die weiche Berührung.
Venus’ gefeierter Tag kam, der auf ganz Kypros begangen;
Opferstiere, mit Gold am Horn geziert, erlagen
unter dem schneidenden Schlag, und Weihrauch stieg aus den Flammen.
Als er die Pflicht vollbracht, stand er am Altar und murmelte scheu:
„Wenn du, Göttin, die Macht hast, alles zu schenken, gewähre,
dass mir zur Gattin sei gleich an Gestalt die Elfenbeinjungfrau.“
Er wagte nicht, sie zu nennen. Doch Venus verstand sein Gebet schon;
dreimal hob sich die Flamme am Opferaltar in die Höhe,
Zeichen der gütigen Macht.
Heimwärts wandelnd betrat er das Bild,
senkte sie nieder aufs Lager, küsst ihre Lippen; sie schienen
wärmer zu sein. Nochmals legt er die Hand an die Brust: und das Elfen-
bein wird weich, die Härte weicht, die Finger versinken.
So wie Hymettischer Wachs, vom Daumen sanft gedrückt,
weich sich biegt und durch Nutzung zu mancher Gestalt wird.
Staunend erfreut er sich, zögernd und bang, er täusche sich selber,
doch er liebt und betastet das Bild; es war Fleisch, es war Leben!
Adern zuckten hervor, da fühlte der Liebende sicher.
Nun mit Worten des Dankes überschüttet er freudig die Göttin,
drückt auf den wirklichen Mund den eigenen Kuss; und die Jungfrau
fühlt es und errötet, mit schüchternen Augen zum Himmel
blickend, erblickt sie zugleich den Geliebten und Göttin.
Selbst die Göttin war Zeugin der Ehe, die sie nun geschlossen;
neunmal füllte der Mond den Kreis mit silbernen Hörnern,
da gebar die Gemahlin den Paphos, Namensgeber der Insel.